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Full text of "Handbuch der Forstwissenschaft"

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ßandbucfi 


der 


ForHi^inentdidt 


Drifte  BuKage 


2 


MAX  HUEBER 


THIS   BOOK   BELONGED  TO   W  I  L  F  R  I  D   E.   HILEY 


Digitized  by  the  Internet  Archive 

in  2009  with  funding  from 

NCSU  Libraries 


Iittp://www.arcliive.org/details/liandbucliderforst02lore 


ßandbudi  der  Forstwissenschaft 

begründet  uon  Professor  Dr.  Culsco  Lorey 

Dritte,  perbesserte  und  erweiterte  Auflage 

in  Verbindung  mit 

Profellor  Dr.  3.  u  o  n  B  a  u  e  r  in  Wien  (Ausgabe  B)  -  Profetior  R.  B  e  d*  in  Ctiarandt  -  Proieilor  Dr. 
W.  Borgmann  in  Cliarandt  -  Profelior  Dr.  Büsgen  in  Bann.-ITlünden  -  6erichfsrat  Profelfor 
Dr.  e.  D  i  ck  e  I  in  Berlin  (Ausgabe  A)  -  forltamtmann  Dr.  V.  D  i  e  t  e  r  i  di  in  Stuttgart  -  Pro- 
feiior  Dr.  K.  £  (k  tt  e  i  n  in  Eberswalde  —  Profeitor  Dr.  Hl.  G  n  d  r  e  s  in  mündien  -  Seti.  Bofrat 
Profeüor  Dr.  E.  fromme  in   Giemen   -  Forltdirel^tor  a.   D.  Dr.   B.  p  o  n  F  ü  r  !t  in  Aichaffenburg 

-  Bofrat  Proieilor  Dr.  A.  Ritter  won  Suttenberg  in  Wien  -  Profelfor  Dr.  B.  B  a  u  s  r  a  t  ti  in 
Karlsrutie  -    Profeüor  Dr.  Hl.  Bei  big  in  Karlsruhe  -  Forftmeifter  Dr.  5.  3  a  n  1^  a  in  ITlariabrunn 

-  ©eh.  Bofrat  Profelfor  Dr.  li.  K  I  e  i  n  in  Karlsruhe  -  Profeffor  Dr.  U.  IIl  ü  1 1  e  r  in  Karlsruhe  - 
Rittergutsbeiitjer  B.  u  o  n  S  ü  1  i  [  di  in  Poitel  -  Dozent  Dr.  3.  S  di  m  i  d  t  in  Wien  -  Geh.  Re= 
gierungsrat  Profelfor  Dr.  A.  S  di  w  a  p  p  a  di  in  Gberswalde  -  ITlinilterialrat  Profelfor  F.  W  a  n  g 
in  Wien  -  Regierungsdirektor  Dr.  (i.  Wappes  in  Speyer   -  Profeffor  Dr.  B.  W  e  b  e  r  in  Sieben 

herausgegeben  uon 

Dr.  Christof  V?agner, 

0.  Professor  der  Forstwissenschaft  an  der  Universität  Tübingen. 


3n  Pier  Bänden. 


Zweiter  Band 
Produktionslehre. 

mit  49  .Abbildungen  im  Cext  und  zwei  farbigen  Cafein. 


Cübingen 

Verlag  der  5.  [laupp'fchen  Budihandlung 

1912. 


Produküonslehre. 


Hn  Verbindung  mit 


R.  Beck,   B.  Fürlt,   F.  Wang,   6.  3anka, 
\),  Dieterich,   3.  Schmidt 


tierausgegeben 


von 


Christof  Wagner. 


IHil  49  Abbildungen  im  Cext  und  zwei  Farbigen  Cafeln. 


-=*Si«=- 


CObingen 

Verlag  der  B.  liaupp'Idien  Budihandlung 
1912. 


Copyright   1912  by  H.  Laupp'sche  Buchhandlung,   Tübingen. 


Druck  von  H.  Laupp  jr  in  Tübingen. 


Inhaltsübersicht  des  zweiten  Bandes 

(Abschnitt  VI— IX). 


VI.  Waldbau. 

Von 
Tuisko  Lorey. 

Für  die  dritte  Auflage  bearbeitet  von  R.  B  e  c  1<. 

Seite 

Literatur 1 

Einleitung:  Begriff,  Zwecke  und  Ziele,  Hilfsfächer,  Einteilung        ...  2 

ErsterAbschnitt:DasBestandesmaterial  .        .        .  4 

Holzarten  ..............  4 

Waldbauliche  Eigenschaften  der  Holzarten      ........  4 

I.    Standortsansprüche.  .         .         .         .         .         .         .         .  4 

A.  Lage  und  Klima.  Allgemeines  Klima;  örtliches  Klima  5.  Meereshöhe 
7.  Neigungsrichtung  7.  Neigungswinkel  8.  Oberflächengestal- 
tung 8. 

B.  Boden,  insbes.  physikalische  Eigenschaften  desselben  8.  Feuchtig- 
keit 10.   Gründigkeit  10.  Bindigkeit  10. 

II.    Entwickelungs-    und    Wuohsverhältnisse    des    ein- 

zelnenBaumes  .         .         .         . 11 

Keimung  11.  Wurzelsystem  11.   Höhenentwicklung   12.  Verhalten 
gegen  Beschädigungen  13.    Fruktifikation  13. 

III.  VerhaltenderHolzartenim  Bestand         .         .         .         .  15 

A.  Einfluß  der  Holzarten  auf  den  Boden 13 

B.  Verhalten  der    Holzarten    unter   einander.     Gemischte    Bestände  19 

Allgemeines  19.  Allgemeine  Regeln  für  die  Anlage  gemischter 
Bestände  22.  Spezielle  Regeln  24.  (Schattenhölzer  untereinander 
24.   Schatten- und  Lichthölzer  25.  Lichthölzer  untereinander  26.) 

C.  Holzartenwechsel    ..........  27 

Einführung  ausländischer  Holzarten  28. 

IV.  Wirtschaftliche   Bedeutung    der     Holzarten        .         .  32 

Massen-  und  Werterzeugung  32.  Arbeitsgelegenheit  35.  Ver- 
halten gegen  den  Standort  35.  Wirtschaftseinrichtung  35. 
Nebennutzungen  35.  Widerstandsfähigkeit  gegen  Gefahren  36. 
besondere  örtliche  Anforderungen  36. 

ZweiterAbschnitt:DieBetriebsarten 36 

Vorbemerkungen        .............  36 

Erstes    Kapitel:    Uebersicht    und    allgemeine    Würdigung 

derGrundformen       .  .  .         .         .         .         .         .         .  38 

I.    UebersichtanGrundformen  .         .         .         .         .         .  38 

A.  Hochwaldformen     ..........  38 

Vorverjüngungsbetriebe:  Plenterbetrieb  38.  Plenterschlag- 
betrieb 39.  Schirmschlagbetrieb  40.  Saumschlagbetrieb  40. 
—  Nachverjüngungsbetriebe:  Kahlschlagbetrieb  41.  Kahlschlag 
mit  Randbesamung  41. 

B.  .\usschlagholzbetriebe      .........  42 

C.  Mittelwaldbetrieb 42 

II.    WürdigungderGrundformcn  .         .         .  .         .  43 

Vorbemerkungen  ..........  43 

A.  Hochwald        ...........  44 

Plenterbetrieb  45.  Plenterschlagbetrieb  46.  Schirmschlagbetrieb 
47.  Saumschlagbetrieb  47.  Kahlschlagbetrieb  48.  Kahlschlag 
mit  Randbesaraung  49. 


VI 


Inhaltsübersicht  des  zweiten  Bandes. 


egründung 


B.  Ausschlagwald  (Niederwald,  Kopfholzbetrieb,  Schneitelholzbetrieb). 

C.  Mittelwald 

Zweites      Kapitel:      Modifikationen      der      Grundformen, 

Zwischen-    und    Uebergangsformen.    Besondere    Fälle 

A.  Hochwald  (Femelartiger  Hochwaldbetrieb,  Ueberhaltbetrieb,    zwei- 
hiebiger     Hochwaldbetrieb,     Unterbau-    und     Lichtwuchsbetrieb) 

B.  Nieder-  und  Mittelwald  ........ 

C.  Haupt-    und    Nebennulzungsbetriebe    (Waldfeldbau,    Hackwald- 
wirtschaft)      ....... 

Drittes     Kapitel:     B  e  t  r  i  e  b  s  u  lu  w  a  n  d  1  u  n  g  e  n 
I.    Allgemeines  ........ 

II.    Umwandlungen  innerhalb  des  Hochwaldbetriebes 
III.    Hochwald  in  Nieder-  oder  Mittelwald 
IV.    Nieder-  oder  Mittelwald  in  Hochwald 

Dritter  Abschnitt:  Die  Bestandesbegründung 

Erstes     Kapitel:     .\llgemeine     Gesichtspunkte 
1.    Arten  der  Begründung  und  ihre  wirtschaftliche  Bedeutung 

A.  Arten       . 

B.  Wahl  der  Art  der  Bestandesbegründung 

C.  Historisches     ...... 

II.    Reihenfolge  der  Kulturen  .... 

Zweites     Kapitel:     Natürliche     Bestandesb 

A.  durch   Samen  ..... 

I.  Kahlschlag  mit  Randbesamung 
II.  Mutterbäume  auf  der  Verjüngungsfläche 

Allgeraeines  68.  Verjüngung  im  Schirraschlagbetrieb  71 
(Vorbereitungsstadium  71.  Samenschlag  73.  Auslichtungs 
Stadium  74).  Femelschlagbetrieb  75.  Saumschlagbetrieb  77 
Femelbetrieb   78. 

B.  Durch  Ausschlag 

I.  Niederwald 

(Eichenniederwald      80.       Kastanienniederwald,      Robinien- 
niederwald  81.     Erlenniederwald,   Weidenniederwald   82) 
II.  Kopfholzbelrieb  ......... 

III.  Schneitelholzbetrieb  ........ 

Drittes    Kapitel:    Künstliche    Bestandsbegründung 
Vorbemerkungen,  Arten  der  Begründung  und  Wahl  zwischen  Saat  und  Pflanzung 
Erster    Teil:    Herstellung   eines    kulturfähigen   Wald- 
bodens.   Urbarmachung 

I.  Behandlung  von   Sümpfen  ........ 

II.  Flugsand  (Binnensand  90,  Dünensand  91)         ....         . 

III.  Baseneisenstein  und  Orlstein     ........ 

IV.  Heideböden 

V.  Unfruchtbarer  Humus        . 

VI.  Moore . 

ZweiterTeihSaat 

I.  Allgemeines  (A.  Verschiedene  Arten  der  Saat;    B.  Wirtschaftliche 
Bedeutung  der  Saatarten)  ........ 

II.  Das  Saatmaterial        .......... 

Beschaffung    des    Samens    (Selbstgewinnung,    Naturalabgabe) 
Ernte  und  .Aufbewahrung  ....... 

Prüfung  der   Samengüte  (Echtheit,   Reinheit,   Größe  und  Be- 
schaffenheit,    Keimzahl    und     Keimungsenergie,     Keimprobe) 
Keimbett    ........... 

Vorbemerkungen         .......... 

Herstellung  eines  guten  Keimbettes    (Entfernung  eines  hinderlichen 

Bodenüberzuges,    Bodenlockcrung  110.    Vollsaat    110.     Stellenweise 

Saat  111.    Herbeischaffen  von  Kulturerde) 

IV.  Die  Aussaat        .... 

A.  Saalzeit      .... 

B.  Erforderliche  Samenmenge 

C.  Beförderung  der  Keimung 

D.  Die  einzelnen  Saatmethoden 

E.  Unterbringen  und  Bedecken  des  Samens 

F.  Pflege  der  Saatkulturen    .... 


A. 
B. 
C. 

III.  Das 


Seite 
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105 
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109 


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112 
113 
114 
115 
116 
117 


Inhaltsübersicht  des  zweiten  Bandes. 


VII 


Dritter  Teil:  Pflanzung 


I. 


II. 


B. 

Das 

A. 

B. 


III. 
IV. 


.\llgemeinc3         ..... 

Ä.  Arten  der  Pflanzung 

Wirtschaftliehe  Bedeutung 
Pflanzeninaterial 
Erforderliche  Eigenschaften 
Arten  der  Pflanzenbeschaffung 
C.  Forstgartenbelrieb,  insbes.: 

1.   Arten   der   Forstgärten   121.     2.   Wahl   des   Platzes    122 
3.   Bodenbearbeitung  und  Verbesserung  123.    4.   Einteilung 
und  innere  Einrichtung  126.    5.  Aussaat  im  Forstgarten   126. 
6.  Pflanzbeete   im   Forstgarten.    Vorschulen  127.     7.  Schutz 
und  Pflege  der  Saat-  und  Pflanzbeete  129. 
Pflanzenbeschaffung  bei  den  einzelnen  Holzarten 
Ausheben,   Beschneiden,  Transport,  .aufbewahren  d.   Pflanzen 
Herrichtung  der  Kullurfläche    . 
Vollzug  der  Pflanzung        .... 

A.  Pflanzzeit    ...... 

Herstellung  geregelter  Pflanzverbände 
Pflanzenmenge  und  Pflanzweite 
Pflanzverfahren  .... 

Ballenpflanzen,    ballenlose   Pflanzen  (gew 
Zungen,  Spalt-  oder  Klemmptlanzungen,  Obenaufpflanzungen 
Stecklinge,  Setzstangen. 
Schutz  und  Pflege  der  Pflanzkulturen       ...... 

Viertes    Kapitel:    Betriebsarten    und    Bestandesbegrün- 
dungbeideneinzelnenHolzarten 
I.    Laubhölzer 

Buche  140.  Eiche  143.  Hornbaum  145.  Esche,  Ahorn,  Ulme  146.  Erle, 
Linde,  Birke  147.  Robinie,  Edelkastanie,  Pappel,  Weiden  148.  Prunus-, 
Pirus-,    Sorbus-.\rten,    Unterhölzer    149. 
Nadelhölzer 

Tanne  149.  Fichte  152.  Kiefer  154.  Schwarzkiefer,  Weymouthskiefer, 
Berg-,  Pech-  und  Bankskiefer  156.  Lärche  157. 
GemischteBestände.         . 

DieBestandeserziehung 


D. 
E. 


B. 

c. 

D. 


öhnliche   Hackpflan- 


V. 


II. 


III. 


Räumung   von    Ueber- 


Vierter  Abschnitt: 

Vorbemerkungen        ...... 

Erstes   Kapitel:   Auszugshauungen 

hältern      

Zweites    Kapitel:     Reinig  ungs  hiebe    (.\usläuterungen) 

I.    .\ushieb  von  Vorwüchsen  ......... 

II.    Ausjätungen  (Ausläuterungen)  ........ 

Drittes    Kapitel:    Durch  forstungen 

I.    Begriff 

Zweck  ............. 

Grundsätze  bei  der  .\usführung  ........ 

A.    Beginn    169.     B.    Stärke   des    Eingriffes   und   Wiederholung    170. 
C.  Besondere  .\rten  176.    (Hecks  freie  Durcliforstung,  dänische  Durch- 
forstung,    Hochdurchforstung,     Kulissendurchforstung,     Borgmanns 
Lichtwuchsdurchforstung,  Borggreves  Plenterdurchforstung.) 
Durchführung  im  Walde     ........ 

Veranschlagung,  Holzauszeichnung,  Hiebsführung 

Viertes  Kapitel:   Unterbau  und  Licht  wuchsbetrieb 
Vorbemerkungen   ........... 

I.    Unterbau  insbesondere        ........ 

A.  .\llgemeine  Gesichtspunkte     ...... 

B.  Bedingende  Momente  (die  zu  unterbauende  Holzart,  die  einzubrin 
gende  Holzart,  die  spezielle  .\ufgabe  des  Unterstandes,  der  Boden 
die  Zeit  des  Unterbaues,  .\usführung) 

C.  Besondere  Fälle  des  Unterbaues    . 
II.  Lichtungsbetrieb  insbesondere 

A.  .\llgemeine  Gesichtspunkte     . 

B.  Bedingende  Momente  (der  Bestand,  der  besondere  Wirtschaftszweck, 
Beginn,  Maß  der  Lichtung,  wiederholte  Lichtung,  Unterbau) 


II. 
III. 


IV. 


Seito 
118 
118 
118 
118 
119 
119 
120 
121 


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134 
134 
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136 


139 


140 
140 


149 
157 

158 

158 

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162 
164 
164 
165 
169 


180 

181 
181 
181 
181 


183 
185 
185 
185 

186' 


VIII  Inhallsübersicht  des  zweiten  Bandes. 


C.  Spezielle  Fälle  des  Lichtungsbetriebes  188  (der  zweialterige  Hoch- 
wald Burckhardts,  der  modifizierte  Buchenhochwaldbetrieb  von 
V.  Seebach,  die  Homburgsche  Nutzholzwirtschaft,  Wageners  Licht- 
wuchsbetrieb, Mayrs  Kleinbestandswald  mit  Erziehungsverjüngung, 

Vogls  Lichtwuchsbetrieb) igg 

D.  Würdigung  der  Lichtungsbetriebe  .         .         .         .         .         .         igi 

Fünftes  Kapitel:  Die  Antastungen.         .         .         .         .         .         .         193 

L    Zweck  (Erziehung  guter  Nutzstämme,  Förderung  des  Unterwuchses.Mate- 

rialanfall)     .............         193 

IL    Erfolg 195 

A.  Art  der  Ausführung  (Ort  der  Abtrennung  der  Aeste,  Instrumente, 
Ausführung,  Behandlung  der  Wundfläche) 195 

B.  Zeit  der  Aufastung 196 

C.  Ausdehnung  der  Astung 196 

D.  Kosten    ............         i96 

Sechstes  KapiteLDieBodenpflege  .         .         .         .         .         .         197 

Erhaltung  des  Bodens,  Erhaltung  der  Bodenlockerheit,  Erhaltung  der  Boden- 
frische (1.  Bewässerung,  2.  Entwässerung),  Erhaltung  bezw.  Verbesserung  des 
Humusvorrates  und  des  Nährstoffgehaltes  {Forstdüngung)      197. 


TU.   Forstschutz. 

Von 
Hermann  Fürst. 

Mit  2  farbigen  Tafeln. 

Einleitung:     Begi-iff,  Begrenzung,  Einteilung 202 

Erster    Abschnitt:     Gefährdung     durch     menschliche 

Handlungen               203 

1.  Sicherung  der  Waldgrenzen,  Vermarkung    ........  204 

2.  Schutz  der  Waldprodukte,  Forstfrevel  und  deren  Verhütung     ....  206 

3.  Waldbrände,    Entstehung,    Art    des    Auftretens,    Vorbeugungsmaßregeln    209. 
Löschung  210        .............  208 

4.  Schutz  gegen  Rauchschäden         ..........  211 

Zweiter    Abschnitt:     Gefährdung    durch    die    organi- 
sch eNatur        212 

1.  Gefährdung  durch  Tiere.    Bezeichnung  dieser    .....  212 

A.SchädlicheSäugetiere 213 

a)  Haustiere;  Weidetiere  213.  Schweine  216     ......  213 

b)  Jagdbares  Wild.    Rotwild  216.    Dam-  und  Rehwild  219.    Schwarzwild 

219.    Hasen  und  Kaninchen  219  .......         216 

c)  Die  kleinen  Nagetiere:  Mäuse  220.    Eichhörnchen  und  Schläfer  221      .         220 

B.  Schädlich  eVögel 222 

C.  Schädliche   Insekten.   Die  Forstinsekten  im  allgemeinen.   Lebens- 
weise 224.   Verbreitung  und  Vermehrung  225.   Die  nützlichen  Forstinsekten 

226.  Mittel  der  Abwehr  227.  Größe  des  Schadens  228.  Einteilung  228  .  223 
a)  Nadelholz-Insekten.  Käfer.  Die  Borkenkäfer  im  allge- 
meinen. Vorbeugung  und  Vertilgung  231.  Einteilung  232.  Fiohten- 
borkenkäfer  232.  Kiefernborkenkäfer  234.  Sechszähnige  Fichten- 
borkenkäfer 234.  Tannenborkenkäfer  234.  Zweizähnige  Kiefernborken- 
käfer 235.  Nutzholzborkenkäfer  235.  Kiefernmarkkäfer  236.  Sonstige 
Bastkäfer    238 229 

Rüsselkäfer.  Große  braune  Rüsselkäfer  239.  M'eiDpunktierter 
Rüsselkäfer  242.    Sonstige  Rüsselkäfer  243 239 

Maikäfer        ...........         244 

Schmetterlinge.  Kiefernspinner  246.  Nonne  249.  Föhren- 
Eule  251.  Föhrenspanner  252.  Kieferntriebwickler  253.  Harzgallen- 
wickler 254.  Fichtenrindenwickler  254.  Fichtennestwickler  254. 
Lärchenmotte  255        ..........         246 

Sonstige  schädliche  Insekten.  Kiefernblattwespe 
255.    Gespinstblattwespen  257.   Maulwurfsgrille  257     ....         255 


Inhaltsübersicht  des  zweiten  Bandes. 


IX 

Seite 


b)  L  a  u  b  h  0  1  z  -  I  n  s  e  li  t  e  n.  Käfer.  Laiibholzborkonkäter  258. 
Bockliäfer  259.  Rüsselkäfer  259.  Prachtkäfer  210.  Blattkäfer  260. 
Spanische  Fliege  261 258 

Schmetterlinge.     Buchenspinner  261.    Prozessionsspinner 
262.    Sonstige  Spinner  263.    Frostspanner  264.    Eichenwickler  265       .         261 

c)  Deformitäten-Erzeuger.  Auf  Nadelholz  266.  Auf  Laub- 
holz  266 265 

2.   Gcfährdungdurch   Gewächse.         .         .         .         .         .         .         .         267 

Forstunkräuter.    Auftreten,  Nachteile  267.    Arten  268.    .\bwehr  268.    Schraa- 
rotzergeW'ächse  269. 

Dritter  Abschnitt:     Gefährdung     durch     die     anorga- 
nisch eNatur  .         .         .         .         .         .         .         .         .         .      269 

a)  Frost.   Winterfrost,  Frostreis  270.    Spätfrost  271.    Frühfrost  272.  Barfrost  272         269 

b)  Hitze.    Wirkung,  Vorbeugung  27,S.    Rindenbrand  2  74 273 

c)  Atmosphärische  Niederschläge.  Fließendes  Wasser  274.  Nässe 
275.  Schnee  276.  Beschädigung  und  Vorbeugung  277.  Duft  und  Rauhreif  278. 
Hagel   279 274 

d)  Blitzschlag 279 

e)  Winde  und  Stürme.  Schaden  durch  diese  280.  Größe  der  Gefahr  281. 
Vorbeugung  282.    Loshiebe  282 280 

Vierter    Abschnitt:  Krankheiten    der    Holzgewächse      283 
Begriff,  Ursachen  283.   Wundfäule  284.    Gipfeldürre  285.    Schütte  286.    Erkrankun- 
gen durch  Pilze  287.  Buchenkeimlingspilz  287.  Eichenmehltau  288.  Fichtennadelrost 

288.  Hallimasch  288.    Wurzelschwamm  289.    Eichenwurzeltöter  289.    Löcherpilze 

289.  Lärchenkrebs  290.    Tannenpilz  290.    Kiefernbaumschwamm  290      .         .         .         283 


VIII.   Die   Wildbach-   und   Lawineuverbauung. 

Von 
Ferdinand  Wang. 


Mit  41  Abbildungen. 


Einleitung 


.A.  Die  Wildbach  verbauung 

§   2.     Die  Charakteristik  und  Einteilung  der  Wildbäche 
§   3.     Die  Einteilung  des  Bachverlautes 
§  4.     Das  Herkommen  des   Geschiebes    . 
§   5.     Die  Ursachen  der  Wildbachverheerungen 
§   6.     Die   Systeme  der  Wildbachverbauung     . 

§   7.     Die  allgemeinen   Regeln   für  den   Bau   und  die  Erhaltung   der  W 
verbauungen    ....... 

§   8.     Die  technischen  Mittel  der  Wildl)achverbauung 
Die   Ouerbauten       ..... 

a.  Die  Talsperren     .... 

b.  Die   Grundschwellen 
Die  Parallelbauten  .... 
Die  Schalenbauten  .... 
Die  Entwässerungsanlagen 
Die  Lehnenbindungen      .... 
Die  Schuttkegelsicherungen     . 


1. 


9. 
10. 


§    11. 


6- 

Die  Berasung  und  .Aufforstung 
Die  besonderen  Verbauungssysteme 

1.  Das  System  nach  Jenny 

2.  Das  System  nach   Schindler    . 
Das  Regulierungssystem  nach  Wolf 
Das  System  nach  Seeling 
Das  System  nach  Serrazanetti 

wirtschaftlichen  Maßnahmen    . 


3. 

4. 

5. 

Die 


DieLawinenverbauung. 

§   12.     Die  Ursachen  und  die  Einteilung  der  Lawinen 


ildbach- 


292 
292 
292 
296 
299 
301 
302 

308 
310 
310 
311 
318 
322 
324 
325 
327 
328 
329 
329 
329 
329 
330 
330 
330 
330 

331 
331 


X  Inhaltsübersicht  des  zweiten  Bandes. 

Seite 

§  13.     Die  Lawinenverbauung   ...........  333 

§   14.     Mittel  zum  Abbaue  der  Lawinen  im  .\nbruchgebiete      .....  333 

1.  Allgemeines      ............  333 

2.  Die  Verpfählungen           •■•.......  334 

3.  Die   Schneebrücken  und  Schneefänge      .......  335 

4.  Die  .Aufforstungen            ..........  339 

§  15.     Die  Lawinenbauten,  die  eine  Ableitung  der  Lawinen  bezwecken  oder  ausschließ- 
lich zum  Schutze  einzelner  Objekte  errichtet  werden   .....  340 

§  16.     Die  Lawinenstatistik 341 


IX.    Die   Forstbenntzung. 

A.   Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

Von 

Wilhelm  Franz  Exner. 

Für  die  3.  .\uflage  bearbeitet  von  G.  J  a  n  k  a. 
Mit  3  Abbildungen. 

Einleitung 342 

§  1.  .Allgemeine  Gesichtspunkte  342.  §  2.  Geschichte  und  Literatur  der  älteren 
Holzuntersuchungen  343.  §  3.  Holzuntersuchungen  von  Chevandier  und 
W  e  r  t  h  e  i  ra  348.  §  4.  Holzuntersuchungen  von  Dr.  H.  Nördlinger  350. 
§  5.  Holzuntersuchungen  des  letzten  halben  Jahrhunderts  351.  §  6.  Holzunter- 
suchungen in  technologischer,  botanischer  und  anatomischer  Richtung  353.  §  7.  Vor- 
bemerkungen zu  den  technischen  Holzuntersuchungen  356.  §  8.  Gliederung  des 
Stoffes  356. 

I.  AeußereErscheinung 357 

1.  §     9.  Farbe  des  Holzes 357 

2.  §  10.   Glanz  des  Holzes 364 

3.  §  11.  Feinheit 365 

4.  §  12.  Textur,  Zeichnung,  Flader,  Maser    ........  366 

5.  §  13.   Geruch  des  Holzes 369 

II.  MateriellerZustanddesHoIzes 370 

§  14.  Substanz  des  Holzes  nach  den  physikalischen  Eigenschaften  370. 

1.  §  15.  Dichte  oder  spezifisches    Gewicht   (Raumgewicht)   des   Holzes        .         .  371 

2.  §  16.  Der  Wassergehalt 374 

3.  §  17.  \'olumsveränderlichkeit      ..........  377 

4.  §  18.  Folgen  der  Hygroskopizität  und  Volumsveränderlichkeit         .         .         .  381 

III.  Mechanisch-technischeEigensc  haften           .        .        .       383 
1.     §  19.  Elastizität  und  Festigkeit 383 

§  20.  Definitionen  der  Elastizitäts-  und  Festigkeitslehre  384.  §  21.  Die  ver- 
schiedenen -Arten  der  Elastizität  und  Festigkeit  385.  §  22.  Formeln  zur  Be- 
rechnung der  Elastizitäts-  und  Festigkeitskoeffizienten  386.  §  23.  Material- 
Prüfungsmaschinen  387.  §  24.  .Allgemeiner  internationaler  Arbeitsplan  für 
Holzuntersuchungen  389.  §  25.  Uebersicht  der  neueren  Holzuntersuchungen  391. 
§  26.  Versuchsresultate  von  Mikolaschek  391.  §  27.  Versuchsresultate 
von  Jenny  395.  §  28.  Versuchsresultate  über  Rotbuchenholz  von  Exner 
397.  §  29.  Versuchsresultate  über  Ailanthusholz  von  Lauboeck  399. 
§  30.  Versuchsresultate  über  den  Einfluß  der  Fällungszeit  auf  din  Dauer  des 
Fichtenholzes  von  E.  H  a  r  t  i  g  400.  §  31.  Versuchsresultate  von  T  e  t  - 
m  a  j  e  r  402.  §  32.  Versuchsresultate  über  den  Einfluß  des  Standortes  und 
der  Fällzeit  auf  die  Elastizität  und  Festigkeit  des  Fichten-  und  Kiefernholzes 
von  Bauschinger  407.  §  33.  Versuchsresultate  über  die  Veränderung 
der  Festigkeit  des  Nadelholzes  nach  dem  Fällen  von  Bauschinger  411. 
§  34.  Versuchsresultate  über  die  Elastizität  und  Festigkeit  verschiedener  Nadel- 
hölzer von  Bauschinger  412.  §  35.  Veisuchsresultate  von  R  u  d  e  1  o  t  f 
414.  §  36.  Versuchsresultate  von  Schwappach  416.  §  37.  Versuchs- 
resultate über  die  Elastizität  und  Festigkeit  des  Fichtenholzes  von  J  a  n  k  a  418. 
§  38.  Untersuchungen  über  die  Qualität  des  Eschenholzes  von  J  an  k  a  425. 
§  39.  Untersuchungen  über  die  Druckfestigkeit  von  im  Wasser  ausgelaugten 
Hölzern  von  J  a  n  k  a  427. 


Inhaltsübersicht  des  zweiten  Bandes.  XI 

Seite 

2.  §  40.  Biegsamkeit  und  Zähigkeit 427 

§  41.  Bestimmung  der   Biegsamkeit,   Zähigkeit  und   Sprödigkeit  und   Bruch- 
erscheinungen bei  der  Biegeprobe  429. 

3.  §  42.  Warnfähigkeit  431.     §  43.  Erfahrungen  über  Zähigkeit  des  Holzes  432. 

4.  §  44.    Spaltbarkeit 432 

5.  §  45.   Härte  des  Holzes 436 

Schlußbemerkung 441 


B.   Die  Hauptnutzung. 
(Ernte,  Verwertung  und  Aufbewahrung  von  Holz  und  Rinde.) 

Von 

Hermann  Stoetzer. 

Für  die  3.  Auflage  bearbeitet  von    C.    W  a  g  n  e  r. 

Mit  5  Abbildungen. 

Einleitung 443 

I.  Verwendung  des  Holzes  und  der  Rinde  (§  1  — 15)    .         .         444 

Nutzholz  und  Brennholz,  Verwendungsarten  des  Nutzholzes  445.  Bauholz  445. 
Holzarten  des  Hochbaus  448.  Buche  als  Bauholz  449.  Schiffsbauholz  450.  Gruben- 
holz 452.  Erd-,  Brücken-  und  Wasserbau  454.  Spaltholz  458.  Verwendung  in 
Schreinerei,  Glaser-  und  Wagnergewerbe  460.  Schnitzerei  und  Spielwarenfabrika- 
tion 463.  Papierfabrikation  463.  Holzverbrauch  in  der  Landwirtschaft  465. 
Brennholz  466.  Holzverwendung  nach  Holzarten  und  Sortimenten  467.  Verwen- 
dung der  Rinde  469.     Eichenschälbetrieb  470. 

II.  Gewinnung  des  Holzes  und  der  Rinde  (§  16 — 21)    .         .         472 

Der  Fällungsplan  472.  Die  Fällungszeit  473.  Art  des  Holzhauereibetriebs  und  An- 
weisung der  Holzhauer  475.  Der  Fällungsbetrieb  478.  (Rodung  478.  Rodewerkzeuge 
479.  Fällung  mit  Axt  und  Säge  482.  Konstruktion  der  Waldsägen  482.  Fällaxt  und 
Spaltaxt  484.  Fallrichtung  485.)  Ausformung  und  Sortierung  der  Hölzer  486.  Stock- 
.    holzgewinnung  490.    Nutzung  der  Rinde  492. 

III.  Verwertung  der  Fällungsergebnisse  (§  22 — 26)  .        496 
Schlagaufnahme   496.      Numerierung  497.      Kubierung   498.      Verkaufsarten   500. 
Bildung  von  Holztaxen  503.    Ausführung  der  Forstproduktenverkäufe  507.    Beför- 
derung des  Holzabsatzes  510. 

IV.  Aufbewahrung  von  Hölzern     (§  27) 512 

Aufbewahrung  von  Holz  durch  die  Verwaltung  512.     Holzgärten  512.    Aufstapelung 

von  Hölzern  513. 


C.  Die  Nebennutzungen  im  Walde. 

Von 

Viktor  Dieterich. 

Einleitung 514 

I.  Die  Nutzung  der  Nebenerzeugnisse  vom  stehenden 

Holz 515 

1.  Die  Baum  fruchte  (Holzsämereien)    ........         515 

a)  Die  ökonomischen  Gesichtspunkte       ........         515 

b)  Die  Technik  der  Samenernte  usf.        .         .         .         .         .         .         .         .         517 

Die  Ernte  der  Baumfrüchte  im  allgemeinen  517.  Die  Gewinnung  der 
Nadelholzsamen  520.  Klengergebnisse  523.  .Aufbewahrung  der  Holz- 
samen 524. 

2.  Sonstige   Bestandteile   des  stehenden   Holzes      .         .         .         526 

Futterlaub  526.    .\st-  und  Schneitelstreu  527.    Sonstiges  527. 


XII 


Inhaltsübersicht  des  zweiten  Bandes. 


3.  Die  Abfallstoffedesstehenden   Holzes 

Raff-  und  Leseholz 

Laub-  und  Nadclstreunutzung  ......... 

Bedeutung  und  Wert  der  ....  528.     Statik  der  ....  532.     Maß  und  Art 

der  zulässigen  Nutzung  537. 

II.  Die     Nutzung     der     Nebenerzeugnisse     des     Wald- 
bodens. 

1.  Die  pflanzlichen  Nebenerzeugnisse    . 

Allgemeines        ......... 

Streustoffe  {Moosstreu,  Unkräuterstreu)     .... 

Futterstoffe  (Grasnutzung,  Waldweide)    .... 

Sonstige  Gewächse  (Seegras,  Beeren  und  Pilze) 

Der  Waldfeldbau 

2.  MineralischeNebennutzungen 


Seite 
528 
528 
528 


538 
538 
538 
539 
542 
545 
547 
551 


D.  Forstlich-Chemisclie  Technologie. 

Von 

Franz   SchwackhöJer. 

Für  die  3.  Auflage  bearbeitet  von  J.   Schmidt. 

I.  Die    chemische    Zusammensetzung    des    Holzes,    der 

Rindeunddes  Korkes,  sowiederGallen         .       .        .      552 

a)  H  olz 552 

Chemischer  Bestand  desselben  552.  Lignin  553.  Zellulose,  Eigenschaften, 
Umwandlungsprodukte  derselben  etc.  553.  Holzsaft  556.  Wassergehalt  des 
Holzes  557.  Organische  Bestandteile  des  Holzsaftes  558.  Mineralstoffe  des- 
selben 560. 

b)  Rinde 561 

Gerbrinden  562.    Rindenbestandteile  563. 

c)  Kork  (Gewinnung,   Eigenschaften  und  Verwendung)         .....         564 
d)GallenundK  noppern 565 

II.  KonservierungdesHolzes 566 

Allgemeines  566.  Konservierungsmethoden  567.  Das  Trocknen  567.  Das  Aus- 
laugen 569.  Das  Dämpfen  569.  Die  Umhüllung  570.  (Das  Polieren  570.  Der  Anstrich 
570.  Das  Ankohlen  572.)  Imprägnierungsmittel  572.  Imprägnierungsmethoden  576. 
Schlußbemerkungen  zur  Imprägnierung  581. 

III.  Zellulose-  und  Holzstoff-Fabrikation  .         .         .582 
Allgemeines    582.     Rohmaterial    583.     Prozeduren    der    Zellulosefabrikation    583. 
Natronverfahren    584.      Sulfitverfahren    586.     Elektrochemisches    Verfahren    589. 
Abwässer  der  Zellulosefabrikation  589.    Ausbeute,  Beschaffenheit  und  Verwendung 

der  Zellulose  591.    Holzstoffgewinnung  592. 

IV.  TrockeneDestillationdesHolzes 594 

Allgemeines  594.  Verkohlungsmethoden  595.  Meilerköhlerei  596.  Beurteilung  der- 
selben 604.  Verkohlung  in  Oefen  606.  Verkohlung  in  Retorten  607.  Produkte  der 
Holzdestillation  609.  (Holzkohle  609.  Holzessig  611.  Holzteer  613.)  Verkohlung 
von  Holzabfällen  615. 

V.  HolzalsHeizmaterial 616 

Allgemeines  über  den  Heizwert  der  Brennmaterialien  616.  Heizwert  des  Holzes 
im  Vergleich  mit  den  fossilen  Brennstoffen  618. 

VI.  DiePottasche-Fabrikation 619 

VII.  Die    Harze,    deren    Gewinnung    und    Verarbeitung       621 
Vorkommen,    Entstehung   und   allgemeine   Charakteristik   der   Harze   621.     Harz- 
gewinnung 624.     (Allgemeines    624.      Schwarzföhren-Harzung  625.     Strandkiefer- 
Harzung  627.  Fichten-Harzung  628.   Harzung  nach  Dr.  Mayr  628.  Lärchen-Harzung 

629.)  Verarbeitung  der  Harze  629.  Harzprodukte  631.  (Terpentinöl  631.  Kolopho- 
nium 631.    Brauerpech  631.    Harzöle  632.) 

Sachregister   zum   II.   Band 635 


VI. 

W  a  1  d  b  a  u. 

Von 
Tuisko  Lorey. 

Für  die  3.  Auflage  bearbeitet  von  R.   B  e  C  k. 


Literatur:  a)  Das  ganze  Gebiet  behandelnde  Werke:  Hartig, 
G.  L.,  Anweisung  zur  Holzzueht  für  Förster,  1.  Aufl.  1791,  7.  .\un.  1818.  —  C  o  t  t  a,  H.,  An- 
weisung zum  Waldbau,  1.  Xuü.  1817,  9.  Aufl.  (ed.  H.  v.  Cotla)  1865.  —  Pfeil,  Die  deutsche 
Holzzucht,  1860.  —  Gwinner,  H.  W.,  Der  Waldbau,  1.  Aufl.  1834,  4.  .\ufl.  (ed.  Dengler) 
1858.  —  Stumpf,  C,  Anleitung  zum  Waldbau,  1.  Aufl.  1849,  4.  .\ufl.  1870.  —  H  e  y  e  r, 
C,  Der  Waldbau,  1.  Aufl.  1854,  5.  Aufl.  (ed.  R.  Heß)  2  Tle.  1906/09.  —  Burckhardt, 
H.,  Säen  und  Pflanzen,  1.  .\ufl.  1855,  6.  .\ufl.  (ed.  A.  Burckhardt)  1893.  —  G  a  y  e  r,  K.,  Der 
Waldbau,  1.  .\ufl.  1880,  4.  .\ufl.  1898.  —  Perona,  Selvicoltura,  1880.  —  Fischbach, 
Praktische  Forstwirtschaft  1880.  —  Wagen  er,  G.,  Der  Waldbau  und  seine  Fortbildung, 
1884.  —  N  e  y,    C,    Die  Lehre  vom  Waldbau,   1885.  —  B  o  r  g  g  r  e  v  e,   B.,     Die   Holzzucht, 

1.  .\ufl.  1885,  2.  Aufl.  1891.  —  Weise,  W.,  Leitfaden  für  den  Waldbau,  1.  Aufl.  1888,  3.  Aufl. 
1903.  —  M  a  y  r,  H.,  Waldbau  auf  naturgesetzlicher  Grundlage,  1909.  —  D  i  t  t  m  a  r,  Wald- 
bau. 1910.  —  Schlich,  W.,  SylvicuUure,  3.  ed.  1904.  — Wagner,  C,  Die  Grundlagen 
der  räumlichen  Ordnung  im  Walde,  Tübingen  1907,  2.  Aufl.  1911.  —  b)  S  p  e  z  i  a  1  s  c  h  r  i  f- 
t  e  n,  u.  a. :  H  e  y  e  r,  G.,  Verhallen  der  Waldbäume  gegen  Licht  und  Schatten,  1852.  —  Heß, 
R.,  Eigenschatten  und  \erhalten  der  Holzarten,  1.  Aufl.  1883,  3.  Aufl.  1905.  —  Beil,  A., 
Forstwirtschaftl.  Kulturwerkzeuge,  1846.  —  Jäger,  J.  P.  E.  L.,  Das  Forstkulturwesen,  1. 
Aufl.  1850,  3.  Aufl.  1874.  —  v.  B  u  t  t  1  a  r,  R.,  Forstkultur-Verfahren,  1853.  —  v.  M  a  n- 
teuf  fei,    H.   E.,    Hügelpflanzung    der  Laub-  und  Nadelhölzer,  1.  .\ufl.  1855,  3.  Aufl.  1865. 

—  V.  Ale  mann,  F.  A.,  Ueber  Forstkulturwesen,  1.  Aufl.  1851,  3.  Aufl.  1884.  —  U  r  f  f, 
L'eber  Forstkulturen,    1885.  —  Fürst,    H.  Die  Pflanzenzucht  im  Walde,    1882,  4.  Aufl.  1907. 

—  Homburg,     Die    Nutzholzwirtschaft    im    geregelten    Hochwald-Ueberhaltbetrieb,     1878, 

2.  Aufl.  1890.  —  Brünings,  Der  Anbau  der  Hochmoore,  1881.  —  Fürst,  H.,  Plänter- 
wald  oder  schlagweiser  Hochwald,  1885.  —  G  a  y  e  r,  K.  Der  gemischte  Wald,  1886.  —  Krähe, 
Rationelle  Korbweidenkultur,    5.  Aufl.  1897.  —  Brecher,    .\us  dem  .\uen-Mittelwalde,  1886. 

—  Kraft,  G.,  Beiträge  zur  Lehre  von  den  Durchforstungen,  Schlagstellungen  und  Lichtungs- 
hieben, 1884.  —  Derselbe,  Beiträge  zur  Durchforstungs-  und  Lichtungsfrage,  1889.  — 
Kautsch,  Beiträge  zur  Frage  der  Weißtannenwirtschaft,  1895.  —  Hamm,  T.,  Der  Aus- 
schlagwald, 1896.  —  Boden,  Die  Lärche,  1899.  —  Gerhardt,  P.,  Handbuch  des  deut- 
schen Dünenbaus,  1900.  —  S  c  h  w  a  p  p  a  c  h,  A.,  Anbauversuche  mit  fremdländisclien  Holz- 
arten, 1901.  —  B  0  o  t  h  J.,  Die  Einfülirung  ausländischer  Holzarten  in  Preußen,  1903.  — 
M  a  y  r,  H.,  Fremdländische  Wald-  und  Parkbäume  für  Europa,  1906.  —  G  o  d  b  e  r  s  e  n, 
Kiefer,  1904.  —  Kern,  E.,  Erfahrungen  im  Korbweidenbau,  1904.  —  J  a  n  k  o  w  s  k  y,  R., 
Begründung  naturgemäßer  Hochwaldbestände,  3.  Aufl.  1904.  —  F  r  ö  m  b  1  i  n  g,  C.,  Buchen- 
hochwaldbetrieb, 1908.  —  E  r  d  m  a  n  n,  F.,  Die  Heideaufforstung,  1904.  —  R  e  u  ß,  H.,  Die 
forstliche  Bestandsbegründunir,  1907.  —  Metzger,  Dänische  Geräte  zur  Bodenbearbeitung, 
1906  und  1908.  —  G.  K.  S  p  i  t  z  e  n  b  e  r  g.  Die  Spitzenberg'schen  Kullurinstrumente,  2.  Auü. 
1898.  —  C.  R.  Heck,  Freie  Durchforst  ung,  1904.  —  M  i  c  li  a  e  1  i  f ,  Gute  Bestandspflege 
und  Starkholzzucht,  1907.  —  D  ü  e  s  b  e  r  g,  R.,  Der  Wald  als  Erzielier,  1910. 

"y.  Haudb.  d.  Forstwiss.     3.  Aufl.     II.  1 


2  VI.  L  0  r  e  y,  Waldliaii. 

Einleitung:  Begriff,  Zwecke  und  Ziele,  Hilfsfächer,  Einteilung. 

§1.  Begriff,  Zwecke  und  Ziele.  Der  Waldbau  oder  die  Bestandes- 
zuclit  befaßt  sicli  mit  der  Begründung  und  Erziehung  der  Bestände.  Alle  waldbau- 
liclien  Maßnahmen  bezwecken  die  Schaffung  von  solchen  Holzbeständen,  welche  dem 
Wirtschaftszweck  möglichst  vollkommen  entsprechen.  Diesen  bezeichnet  der  Wald- 
besitzer, sein  Wille  ist  maßgebend;  in  der  Regel  wird  tunlichst  hoher  Wert  der 
Holzbestände  angestrebt,  gegeben  in  der  Ertragsleistung.  Der  Wert  und  damit  das 
Ziel  der  Wirtschaft  kann  dabei  in  verschiedener  Weise  bestimmt  werden,  näruHrh 
entweder  als  absolut  liöchstmöglicher  Ernteertrag  auf  gegebener  Waldbodenfläche 
oder  als  relativ,  d.  h.  im  \'ergleich  zu  dem  Aufwand,  höchst  mögliche  Produktions- 
leistung. Welcher  Gesichtspunkt  maßgebend  sein  soll,  ist  von  Fall  zu  Fall  zu  be- 
stinunen.  Im  allgemeinen  ist  die  höchste  Rentabilität  das  Ziel  jeder  rationellen  W  irt- 
schaft;  jene  zu  bemessen,  ist  Sache  der  forstlichen  Statik.  Da  der  Ertrag  und  somit 
jede  Entscheidung,  welche  die  Statik  treffen  kann,  in  erster  Linie  vom  Preise  der 
Produkte  abhängt,  so  darf  im  Wirtschaftswalde  unter  allen  Umständen  nur  markt- 
fähige Ware  erzogen  werden. 

Von  anderen  als  wirtschaftliehen  Werten  wird  hier  abgesehen,  weil  die  Fälle,  in  welchen 
solche,  wie  z.  B.  Gewährung  ästhetischer  Genüsse  (Parkanlagen  etc.),  erstrebt  werden,  doch 
nur  als  Ausnahmen  zu  betrachten  sind.  Von  besonderen  waldbaidiclien  Vorkehrungen  aus 
Rücksichten  des  Schutzes  (Klima,  Boden  etc.)  wird  gelegentlich  die  Rede  sein.  —  Die  Defi- 
nierung des  Waldbaus  als  ,,Forstproduktenzucht"  (C.  Heyer)  oder  ,, Holzzucht"  (G.  L.  Hartig, 
l'fcil,  Borggreve)  ist  hier  ersetzt  durch  ,, Bestandeszucht".  Einerseits  schien  es  nicht  angezeigt, 
(he  Aufgabe  des  Waldbaus  auf  die  Anzucht  sämtlicher  Nebennulzungen,  insbesondere  derjeni- 
gen auszudehnen,  welche,  wie  Wild,  Torf,  Wiesengras,  landwirtschaftliche  Clewächse  usw., 
nicht  Teile  des  Bestandes  sind,  während  andererseits  die  Beselu-änkung  auf  das  Holz  eine  zu 
enge  Umgrenzung  darstellt,  da  solche  Nebennutzungen,  welche,  wie  Lohrinde,  Futterla\ib, 
Mast,  event.  Gras  auf  .Mähplatten  usw.,  an  die  betreffenden  Bestände  gebunden  sind,  dann 
im  Waldbau  eine  Stelle  finden  sollten,  wenn  sie  irgendwelche  besondere,  die  Bpstandesbegrün- 
ilung  oder  -erziehung  beeinflussende  wirtschaftliche  \orkehrungen  veranlassen. 

In  der  Waldbaulehre  sind  alle  Operationen  vorzutragen,  welche,  je  nach  Lage  der 
konkreten  Lmstände,  zum  Ziel  führen  können;  dabei  sind  die  allgemeinen  Gründ<>, 
welche  für  oder  gegen  die  einzelnen  Möglichkeiten  sprechen,  zu  entwickeln.  Der  wald- 
baulichen Praxis  bleibt  es  dann  überlassen,  imter  den  jeweils  gegebenen  besonderen 
Verhältnissen  zur  Erreichung  des  erstrebten  Zieles  aus  der  Zahl  der  möglichen  Wege 
denjenigen  auszuwählen,  welcher  in  bezug  auf  die  Faktoren:  Raschheit  und  Sicherheit 
des  Erfolgs  und  Kostenaufwand  die  günstigste  Kombination  darbietet.  Die  Modi- 
fikationen der  dem  Waldbau  gestellten  Aufgaben  und  der  zu  ilu-er  Lösung  verfügbaren 
Mittel  sind  äußerst  mannigfaltig.  Elieser  Vielgestaltigkeit  der  Fälle  gegenüber  gibt 
es  keine  unbedingt  besten  waldbaulichen  Maßregeln,  sondern  jede  der  letzteren  kann 
unter  bestimmt  umgrenzten  ^'oraussetzungen  ihre  Berechtigung  haben.  Was  am 
einen  Orte  bewährt  ist,  kann  unter  veränderten  Bedingungen  an  einem  andern  Orte 
weniger  gut,  ja  schlecht  sein  und  darum  durch  eine  abweichende  Behandlung  er- 
setzt werden  müssen.  Die  fast  unbeschränkte  ^'ielheit  der  \'erschiebungen,  welche 
sich  in  dem  Zusammenwirken  der  bei  der  Beurteilung  der  Fälle  hauptsächlich  ent- 
scheidenden Elemente,  wie  Standort,  Holzart,  Absatzverhältnisse  usw.  ergeben, 
schließt  die  einseitige  Bevorzugung  einer  bestimmten  Richtung  von  vornherein  aus. 
Man  kann  die  Zahl  der  als  wirtschaftlich  berechtigt  anzuerkennenden  Möglichkeiten 
verkleinern,  dai-f  jedoch  niemals  so  weit  gehen,  daß  in  dem  derart  verengerten 
Rahmen  nicht  mehr  alle  im  Walde  wirklich  vorkommenden  Fälle  Platz  finden. 

Verbietet  nun  auch  jene  Mannigfaltigkeit  der  Umstände  die  strikte  Anwendung 
jeder  Schablone    im  Waldbau,   so  müssen  do<ii,   wie  s(dK)n  nben  angedeutet  wurde, 


Begriff,   Zwecke  und  Ziele.    §  2.  'g 

gewisse,  allgemein  leitende  Ziele  für  ilie  forstliche  Produktion  aufgestellt  werden. 
.Ausgangspunkt  für  alle  Envägung  ist  hierbei  zunächst  der  Standort.  Durch  diesen 
ist  —  wenn  man  v(in  absolut  besten  Böden  und  Lagen  absieht,  welche  auch  kaum  je 
in  groÜer  Ausdehnung  dem  Forstwirtschaftsbetrieb  überwiesen  sind  —  inuner  nur 
eine  beschränkte  Reihe  von  waldbaulichen  Möglichkeiten  bedingt,  unter  denen  man 
zu  wählen  hat.  Die  Entscheidung  wird  durch  die  im  übrigen  zu  beachtenden  Momente 
(Wert  der  Produkte,  Absatzgelegenhoit,  Gewälnamg  gewisser  Nebennutzungen,  Ar- 
beitsgelegenheit usw.)  begründet.  So  kann  z.  B.  für  viele  Standorte  als  waldbaulich 
möglich,  bezw.  mit  gleicher  Aussicht  auf  Erfolg  ausführbar,  die  Anzucht  der  Buche 
mit  eingesprengten  Eichen,  Eschen,  Ahornen  und  andererseits  etwa  der  Fichte  oder 
Tanne,  beides  unter  mehrfacher  .Modifikation  bezüglich  des  Verfahrens  im  einzelnen 
(Art  der  Bestandsbegründung,  des  Durchforstungsbetriebs  usw.)  in  Frage  kommen. 
Die  Entscheidung  liegt  dann  außerhalb  des  Waldbaus.  Der  letztere  zeigt,  zunächst 
unabhängig  von  anderen  Rücksichten,  wie  man  auf  einer  Waldbodenfläche,  eventuell 
in  verschiedener  Weise,  Bestände  schaffen  kann.  Auf  Grund  statischer  Untersu- 
chungen, welche  alle  konkurrierenden  Momente,  insbesondere  auch  die  volkswirt- 
schaftlichen, bei  der  Begutachtung  einbeziehen  müssen,  erhalten  dann  die  wald- 
baulichen Operationen  jeweils  ein  örtlich  und  zeitlich  modifiziertes  Gepräge.  Je 
nachdem  der  spezielle  Wirtschaftszweck  ein  verschiedener  ist,  erstehen  in  der  Folge, 
durch  die  Kunst  des  Wirtschafters,  auch  unter  gleichen  äußeren  Bedingungen  ganz 
verschiedene  Bestandesbilder. 

Daß  alles,  was  erreicht  werden  soll,  mit  möglichst  geringem  Aufwand  erreicht 
werde,  ist  oberster  Wirtschaftsgrundsatz.  Daraus  folgt,  daß  nicht  nur  die  direkten 
Ausgaben,  natürlich  inuner  unter  der  Voraussetzung  eines  genügenden  Erfolgs,  auf 
ein  geringstes  Maß  beschränkt  werden  müssen,  sondern  namentlich  auch,  daß  an 
Zeit  möglichst  zu  sparen  ist.  .Jede  Abkürzung  der  Umtriebszeit  ist  im  allgemeinen  ein 
Gewinn  in  dem  Sinne,  daß  alle  wirtschaftlichen  Maßnahmen,  welche  uns  ohne  unver- 
hältnismäßige Kostenmehrung  gestatten,  die  erforderliche  Menge  an  Produkten  von 
bestimmter  Beschaffenheit  (z.  B.  Nutzholzstämme  einer  gewissen  Stärke)  in  k  ü  r- 
z  e  s  t  e  r  Zeit  zu  erziehen,  vor  anderen  den  \'orzug  verdienen,  um  so  mehr,  als  da- 
durch auch  die  für  das  Einzeljahr  des  Umtriebs  verfügbare  Fläche  entsprechend 
größer  ausfällt. 

Das  Bestreben,  den  Produktionsaufwand  im  ganzen  und  im  einzelnen  tunlichst 
herabzumindern,  schließt  überdies  auch  die  Forderung  sorgfältigster  Schonung  des 
Bodenkapitals  ein.  Unsere  waldbauliche  Arbeit  muß  die  Erhaltung  und  womöglich 
Mehrung  derjenigen  Eigenschaften  des  Bodens,  von  welchen  dessen  Leistungsfähig- 
keit abhängt,  gewährleisten.  In  dieser  Erwägung  bietet  sich  für  die  Beurteilung  der 
einzelnen  wirtschaftlichen  Operationen  sowie  ganzer  Betriebsarten  ein  bisher  nicht 
berülirter,  überaus  wichtiger  Maßstab  dar:  die  Nachhaltigkeit  der  Waldwirtschaft 
ist  wesentlich  davon  abhängig,  daß  der  einzelne  Bestand  keinenfalls  mehr  als  die  Zin- 
sen des  Bodenkapitals,  nicht  aber  Teile  des  letzteren  selbst  für  sich  beansprucht.  Ja 
man  sieht  sich  sehr  häufig  vor  die  Aufgabe  gestellt,  vor  allem  eine  Besserung  des 
Bodenproduktionsvermögens  durch  richtig  gewählte  und  durchgeführte  waldbauliche 
Operationen  zu  bewirken,  auch  wenn  dadurch  unter  Umständen  erhebliche  Aus- 
gaben veranlaßt  werden.  Immerhin  ist  die  Bodenpflege  stets  nur  Mittel  zum  Zweck, 
und  -Aufwendungen  in  dieser  Riclitung  sind  nur  so  lange  zu  rechtfertigen,  als  sie 
sich  in  dem  höheren  Wert  der  demnächst  und  in  der  Zukunft  erwachsenden  Bestände 
belohnt  machen. 

§  2.  Hilfsfächer,    Einteilung:    Diejenigen  Disziplinen,  deren  Kenntnis 

1* 


4  N  I.  L  0  r  c  y.  Waldbau. 

der  Waldbau  voraussetzen  muß,  die  also  füglich  als  Hilfsfächer  desselben  bezeichnet 
werden  können,  sind  Standortslehre,  bezw.  Bodenkunde  und  Klimatologie,  sowie  die 
Forstbotanik,  einschließlich  Physiologie  und  Biologie  der  Holzgewächse. 
Das  Gesamtgebiet  des  Waldbaus  läßt  sich  folgendermaßen  einteilen: 
I.  Das  Bestandesmaterial ;  II.  die  Betriebsarten ;  III.  die  Bestandesbegründung; 
IV.  die  Bestandeserziehung. 

Erster  Abschnitt. 
Das   B  e  s  t  a  n  d  e  s  III  a  t  e  r  i  a  1. 

§  3.  In  diesem  Abschnitte  ist  im  wesentlichen  die  Wahl  der  geeignetsten  Holz- 
art zu  besprechen  und  damit  eine  wichtige  \'orfrage  für  alle  waldbauliche  Tätigkeit 
zu  erledigen. 

Die  waldbaulich  wichtigeren  Holzarten  sind: 

a)  Laubhölzer:  Rotbuche,  Fagus  silvatica,  —  Stieleiche,  Quercus  pe- 
dunculata,  —  Traubeneiche,  Quercus  sessiliflora,  —  Roteiche,  Quercus  i'ubra,  — 
Kastanie,  Castanea  vesca,  —  Hainbuche  (Weißbuche,  Hagebuche,  Hornbaum),  Car- 
pinus  betulus,  —  Rüster,  Rusche  oder  Ulme,  Ulmus  (effusa,  campestris  und  mon- 
tana),  —  Esche,  Fraxinus  excelsior,  —  Weißesche,  Fraxinus  alba,  —  Ahorn,  Acer 
(pseudoplatanus,  platanoides,  campestre),  — Erle,  Alnus  (glutinosa.  incana,  viridis), 

—  Birke,  Betula  (verrucosa,  pubescens),  —  Sorbus-Arten,  z.  B.  die  \'ogelbeere,  S. 
aucuparia;  Eisbeere,  S.  torminalis;  Mehlbeere,  S.  Aria,  —  Linde,  Tilia  (parvifolia 
und  grandifolia),  —  Falsche  Akazie,  Robinia  Pseudacacia,  —  Zitterpappel  (Aspe), 
Populus  tremula,  und  sonstige  Pappeln,  wie  P.  alba,  nigra,  canadensis,  —  Weide, 
Salix  (caprea,  fragilis,  amygdalina,  acutifolia,  alba,  viminalis,  daphnoides,  purpurea), 

—  Walnuß,  Juglans  (nigra,  cinerea), — Hickory,  Carya  alba. 

b)  Nadelhölzer:  Weißtanne  (Edeltanne),  Abies  pectinata,  —  Fichte, 
Picea  excelsa,  —  Sitkafichte,  Picea  sitchensis,  —  Weißfichte,  Picea  alba,  —  Stech- 
fichte, Picea  pungens,  —  gemeine  Kiefer  (Föhre,  Forle,  Forche),  Pinus  silvestris, 

—  Schwarzkiefer,  Pinus  Laricio  austriaca  (syn,  nigricans)  und  Pin.  Laricio  Poire- 
tiana  (syn.  corsicana),  —  Bergkiefer  (Legföhre),  Pinus  montana,  —  Zürbelkiefer 
(Arve),  Pinus  Cembra,  —  Weymouthskiefer,  Pinus  Strobus,  —  Bankskiefer,  Pinus 
Banksiana,  —  Pechkiefer,  Pinus  rigida,  —  Lärche,  Larix  europaea,  —  Japanische 
Lärche,  Larix  leptolepis,  —  Douglasie,  Pseudotsuga  douglasii,  und  Ps.  glauca,  — Law- 
sonszypresse,  Chamaecyparis  Lawsoniana,  —  Riesenlebensbaum,  Thuja  gigantea. 

Bestimmend  bei  der  Wahl  der  Holzart  sind  die  w  a  1  d  b  a  u  1  i  c  li  e  n  E  i  g  e  n- 
sc haften,   sowie  die  wirtschaftliche    Bedeutung  der  einzelnen  Art . 

^^'  a  1  d  b  a  u  1  i  c  n  e    Eigenschaften    der    Holzarten. 

Sie  kommen  zum  Ausdruck  in  den  Standortsansprüchen,  in  den  Entwicklungs- 
und Wuchsverhältnissen  des  einzelnen  Baumes  und  im  \'erhalten  der  Holzart  im 
Bestand, 

I,  S  t  a  n  d  o  r  t  s  a  n  s  p  r  ü  c  h  e, 

§  4,  Mit  S  t  a  n  dort  bezeichnet  man  die  Gesamtheit  der  durch  Lage  und 
Boden  bedingten  Einwirkungen,  unter  denen  eine  Holzart  lebt.  Die  Beziehungen  im 
einzelnen,  welche  zwischen  Standort  und  Holzart  bestehen,  sind  in  diesem  Handbuche 
im  wesentlichen  in  der  Standortslehre,  sowie  zum  Teil  in  der  Forstbotanik  (s.  dort) 
erörtert.  Es  handelt  sich  dabei  hinsichtlich  der  Lage  um  die  allgemeine  geogra- 
phische Lage,  sowie  um  die  durch  Meereshöhe.  Xeigungsrichtung  und  Neigungswinkel, 


Das  Bestandesmatciial.    §  5.  5 

Bodenausfonnung  und  Uiiigebung  dos  W'aldortcs  nälicr  uinsclinebene  örtliche 
Lage.  Der  Boden  wird  durch  seine  Nährkraft,  d.  li.  durch  seine  chemische  Zusam- 
mensetzung und  weiterhin  dunMi  seine  physikaHschen  Eigenschaften  nach  Wert  und 
Güte  bestimmt. 

\"om  Standpunkte  des  Waldbaues  aus  möclite  in  Ergänzung  der  vorausgehenden 
Abschnitte  Standortslehre  und  Forstbotanik  des  Handbuchs  auf  folgendes  noch 
besonders  hingewiesen  werden. 

A.  Lage  und  Klima. 

g  5.  Das  Entscheidende  für  die  Existenz  von  Baum  und  Wald  ist  die  in  ihren 
Hauptzügen  von  der  geographischen  Breite  und  Länge,  von  der  Meereshöhe  und  von 
der  Entfernung  zum  Meere  näher  bestimmte  Lage,  und  zwar  nicht  deshalb,  weil  hin 
und  wieder  auch  die  Bodeneigenschaften  mittelbar  oder  unmittelbar  von  ihr  beein- 
flußt werden,  sondern  weil  von  iiir  die  das  Pflanzenleben  in  erster  Linie  bedingen- 
den klimatischen  \'erhältnisse  abhängen.  Der  Boden  kommt,  sofern  es  sich  nicht 
um  Böden  handelt,  die  aus  geognostischen  oder  anderen  Gründen  an  der  unteren 
Grenze  der  Ertragsfähigkeit  stehen,  erst  in  zweiter  Linie,  namentlich  bei  Klima- 
gleichheit, als  bestimmender  Faktor  in  Betracht. 

So  erklärt  es  sich,  daß  manche  Holzarten,  eben  weil  sie  an  bestimmte  Lagen, 
d.  h.  an  bestimmte  klimatische  ^'erhältnisse  gebunden  sind,  im  Waldbau  eine  weit 
weniger  ausgedehnte  Verwendung  finden,  als  sie  ihnen  zugestanden  werden  könnte 
und  wegen  ihres  wirtschaftlichen  ^^'ertes  auch  gern  eingeräumt  werden  würde,  wenn 
allein  die  Bodenansprüche  maßgebend  wären. 

Die  mit  der  Lage  wechselnden,  die  Verteilung  und  Ausformung  der  Waldregio- 
nen regelnden  Klimafaktoren  sind  Wärme  (mittlere  Jahrestemperatur),  Luftfeuchtig- 
keit, Niederschlagsmenge,  sowie  Länge  und  Intensität  der  Frostperiode  (Eintreten 
des  ersten  und  letzten  Frostes,  tiefster  Kältegrad),  ^'on  ihnen  hängen  zunächst 
Dasein  und  Charakter  des  Waldes,  in  gegebenem  Waldgebiete  aber  auch  der  Erfolg 
der  wirtschaftlichen  Tätigkeit  im  Walde  ab. 

Wird  als  Maßstab  für  die  W  ä  r  m  e  a  n  s  p  r  ü  c  h  e  der  Holzarten  der  Durch- 
schnittswert der  Hauptvegetationszeit  unserer  nördlichen  Halbkugel,  d.  i.  Mai  bis 
August,  benutzt,  so  ist  nach  M  a  y  r  eine  Durclischnittstemperatur  (Viermonatstem- 
peratur =  Tetratherme)  von  mindestens  10°  Bedingung  für  Ansiedelung  und  Ent- 
wicklung von  Wald,  d.  h.  von  Bäumen,  die  höher  als  8  m  werden. 

In  bezug  auf  den  zweiten,  für  die  \\'aldbildung  unbedingt  notwendigen  Faktor, 
die  Feuchtigkeit,  hält  M  a  y  r  Waldansiedelung  auf  natürlichem  Wege  überall  dort 
für  ausgeschlossen,  wo  während  der  Hauptvegetationszeit  weniger  als  50  mm  Regen 
fallen,  gleichgültig,  ob  der  Feuchtigkeitsgehalt  der  Luft  hier  hoch  oder  niedrig  ist. 
Die  Luftfeuchtigkeit  spielt  erst  in  jenen  Länderstrichen  eine  Rolle,  wo  während  der 
4  Sommermonate  zwischen  50  und  100  mm  Regen  fallen,  insofern  hier  Waldbildung 
unterbleibt,  wenn  die  Luftfeuchtigkeit  während  der  Hauptvegetationszeit  unter  oO% 
herabsinkt.  In  Gebieten  mit  mehr  als  100  mm  Regen  nimmt  der  Einfluß  der  Luft- 
feuchtigkeit in  dem  Maße  wieder  ab,  in  dem  die  Niederschlagsmenge  zunimmt.  Bei 
70%  Luftfeuchtigkeit  und  100  mm  Regenmenge  kann  jede  Holzart  gedeihen;  ein 
Mehr  von  Feuchtigkeit  sichert  nur  die  natürliche  und  künstliche  Verjüngung. 

Je  luftfeuchter  und  reicher  an  Niederschlägen  ein  \^'aldgebiet  ist,  um  so  mühe- 
loser und  erfolgreicher  sind  alle  unsere  auf  \'erjüngung  und  Erziehung  gerichteten 
waldbaulichen  Maßnahmen.  Feuchte  Luft  stumpft  die  extremen  Temperaturgrade 
ab  und  verringert  damit  die  Frostgefahr,  während  umgekehrt  trockne  Luft  zu  rasche- 


6  \  I.  L  o  r  c  y,  Waldbau. 

rer  Ahkühluns:  und  größeren  Temperatursrhwankungen  hinneigt.  Das  niederschlags- 
reiclie  und  in  bezug  auf  Luftfeuchtigkeit  gk>ichmäßigere  Küsten- oder  insulare  Küma 
erleichtert  deshalb,  sofern  nicht  der  Wind  hier  als  störender  Faktor  auftritt,  die 
Waldbildung  und  Waldbehandlung  weit  melir  als  das  Inlandskliina  rnit  seinen  Ex- 
tremen in  Temperatur  und  Luftfeuchtigkeit.  Die  gegen  Frost  und  Dürre  empfind- 
lichen Holzarten  gedeihen  z.  B.  in  Deutschland  im  Osten  weniger  gut  als  im  Westen, 
weil  Luftfeuchtigkeit  imd  \^'ärme  hier  in  westöstlicher  Piichtung  abnehmen.  .le  weiter 
der  Einfluß  der  durch  ^^'inde  von  der  See  aus  landeinwärts  getragenen  Feuchtigkeit 
reicht,  um  so  günstiger  gestalten  sich  die  Verhältnisse  für  den  Pflanzenwuchs  im 
Innern  der  Kontinente.  Sonst  finden  sich  hier  dem  Küstenklima  analoge  ^'erhältnisse 
nur  in  den  mit  Wald  bedeckten  Gebirgen,  wo  vermehrte  Niederscidäge  und  eine 
konstante  höhere  Luftfeuchtigkeit  der  Waldbildung  gleich  förderlich  sind  wie  im 
Küstengelände. 

In  ihrer  Gesamtheit  bestimmen  die  klimatischen  Standortsfaktoren  das  nach 
Norden  bezw.  oben  von  der  Kältegrenze,  nach  Süden  bezw.  unten  von  der  Wärme- 
grenze umschlossene  natürliche  \'erbreitungsgebiet  einer  jeden  Holzart.  Je  nach  den 
Ansprüchen  an  das  Klima  gruppieren  sich  die  Holzgewächse  nach  Gattung  und  Art, 
so  zwar,  daß  gleichen  Klimazonen  Bäume  mit  gleichen  oder  ähnlichen  biologischen 
Eigenschaften  entsprechen.  Da  mit  der  südlicheren  Lage  der  einzelnen  Klimazone  die 
von  ihr  gebotene  mittlere  Wärmemenge  zunimmt,  sehen  wir  hier  mehr  Baumgattungen 
an  der  Waldbildung  beteiligt  als  in  den  nördlicheren  Zonen.  Die  Zahl  der  Gattungen 
und  Arten  ninuut  von  Süden  nach  Norden  zu  ab.  Infolgedessen  werden  die  \\'ald- 
bilder  nach  Norden  zu  einheitlicher  und  einförmiger,  während  der  Süden  Holzarten 
mit  weiter  auseinander  liegenden  Ansprüchen  und  ferneren  verwandtschaftlichen  Be- 
ziehungen zum  Nebeneinanderleben  befähigt.  Die  in  horizontaler  Hinsicht,  gewisser- 
maßen im  Grundriß,  beim  Durchwandern  verschiedener  Klimazonen  von  Süden  nacli 
Norden  bemerkbare  Erscheinung  des  Zurücktretens  und  allmähliclien  \'erschwindens 
der  einzelnen  wärmebedürftigeren  Holzarten  wiederholt  sich  im  Kleinen,  im  .\ufriß, 
beim  Besteigen  jedes  höheren  Gebirges.  Die  ^^'aldtypen,  die  uns  im  Süden  in  den 
höheren  Erhebungen  entgegentreten,  finden  wir  in  um  so  tieferen  Lagen,  schließlich 
in  der  Ebene,  je  mehr  wir  uns  nach  Norden  bewegen. 

Nach  der  vom  Klima  bedingten  Anordnung  der  Baumarten  unterscheidet  Ma yr 
6  Waldzonen:  die  tropische  Zone  (Palmetum),  die  subtropische  der  immergrünen 
Eichen  und  Lorbeerbäume  (Lauretum),  die  gemäßigt  warme  des  winterkahlen  Laub- 
waldes in  ihrer  wärmeren  und  kühleren  Hälfte  (Castanetum  und  Fagetum),  die  ge- 
mäßigt kühle  der  Fichten,  Tannen  und  Lärchen  (Picetum,  Abietum  oder  Laricetum) 
und  die  kühle  Zone  der  Krummhölzer  und  Halbbäume  (.^Ipinetum  oder  Polaretum). 
^'om  deutschen  bezw.  mitteleuropäischen  \\'aldgebiete  gehört  der  größte  Teil  dem 
Fagetum  und  der  Region  der  Nadelhölzer  an. 

Es  ist  ohne  weiteres  klar,  daß  die  Einreihung  einer  jeden  Holzart  in  die  ihr  zu- 
kommende Waldzone  diejenige  Grundlage  für  Anbau  und  Erziehung  aller  Holzarten 
ist,  ohne  deren  Beachtung  eine  erfolgreiche  Waldwirtschaft  nicht  denkbar  ist.  In- 
nerhalb ihrer  Waldzone  und  zwar  im  mittleren  Teile  ihres  ursprünglichen  natürlichen 
Verbreitungsgebietes  muß  die  einzelne  Holzart  die  ihr  zusagendsten  klimatischen 
Verhältnisse  und  damit  die  \'orbedingungen  zu  höchsten  Massen-  und\\ertsleistungen 
finden. 

Sowohl  in  diesem  Teile,  dem  klimatischen  Optimum,  wie  überhaupt  im  ge- 
samten natürlichen  \'erbreitungsgebiet  einer  Holzart  sind  nun  aber  die  wichtigsten 
Klimafaktoren:  Wärme,  Luftfeuchtigkeit,  Licht,-^^■ind  u.  s.  f.  nicht  überall  gleiche. 


Das  Bestandesniaterial.    §  5.  7 

Vieliaelii-  vci-iiia"r  die  so«:,  ö  r  l  1  i  r  h  e  I.  a  i,'  e  dfii  der  allgemeinen  geographischen 
Lage  eigentinnlichen  Klimaeharakter  wesentlirli  y.u  beeinflussen.  Dies  führt  dann 
zum  Entstehen  eines  auf  größerem  oder  kleinerem  Gebiete  herrsclienden  sog.  ört- 
lichen K  1  i  m  a  s.  l'nd  dieses  wiederum  hat  zur  Folge,  daß  das  Auftreten  einer 
llfilzart  iniierlialli  ilires  Verbreitungsgebietes  kein  einheitliches  und  gleichmäßiges  ist, 
sondern  um  so  verschiedenartiger  sich  gestaltet,  je  größer  die  von  der  Geländeaus- 
formung geschaffenen  Lnterschiede  in  der  Meereshöhe,  der  Exposition,  Abdaciiung 
und  Oberflächengestaltung  der  einzelnen  Standorte  sind. 

1.  Die  Meeres  höhe  beeinflußt  zunächst  die  Temperatur,  die  Feuchtigkeit  der 
Luft  und  die  Niederschlagsmenge  und  führt  in  den  höheren  Lagen  zu  einer  Ver- 
stärkung der  durch  Frost,  Schnee  und  \\'inde  der  Baumvegetation  zugefügten  Schä- 
den. Diese  schädigenden  klimatischen  Einflüsse  werden  im  Forstschutz  (s.  dort) 
näher  besprochen.  Hier  sei  nur  ergänzend  nochmals  darauf  hingewiesen,  daß  das 
verschiedene  Wärmebedürfnis  die  Holzarten  veranlaßt,  verschiedene  Regionen  der 
absoluten  Höhe  aufzusuchen.  Daß  die  oberen  Grenzen  des  Vorkommens  der  ein- 
zelnen Holzarten  in  den  verschiedenen  Gebirgen  hierbei  nicht  immer  die  gleichen 
sind,  sondern  mehr  oder  weniger  auffällige  \'erschiebungen  in  den  Höhenzonen 
derselben  Holzart  vorkommen,  wird  angesichts  der  \"erscliiedenartigkeit  in  der 
Massenerhebung  und  Ausformung   der  Gebirge  leicht  verständlich. 

In  den  oberen  Regionen  der  höheren  Gebirge  ist  eine  geregelte  Forstwirtschaft 
nicht  mehr  möglich.  Kälte,  Schnee,  Sturm  und  Abnahme  der  Feuchtigkeit  ver- 
hindern hier  die  Bildung  geschlossener  Bestände  und  halten  den  Baumwuchs  mehr 
und  mehr  auf,  sodaß  schließlich  nur  Kriech-  und  Krüppelformen  den  Wald  an  seine 
vertikale  Grenze  begleiten. 

2.  N  e  i  g  u  n  g  s  r  i  c  h  t  u  n  g  ,  Exposition,  d.h.  Neigung  eines  Bodens 
gegen  die  Himmelsgegend.  Da  cet.  par.  der  Einfluß  der  Sonne  auf  eine  ^^'ald- 
bodenfläche  durch  sie  bedingt  ist,  so  kommt  die  \'erschiedenheit  der  Exposition 
zunächst  in  entsprechender  Verschiedenheit  der  Erwärmungsverhältnisse  zum  Aus- 
druck. Tatsächlich  macht  sich  aber  in  den  mittleren  Höhenlagen  der  Unterschied 
der  einzelnen  Expositionen  besonders  hinsichtlich  des  Feuchtigkeitsgrades  bemerklich. 
Infolge  der  direkten,  intensiveren  Erwärmung  durch  die  Sonne  sind  die  Süd-  und 
Südwestlagen  im  allgemeinen  weniger  feucht  als  die  Nord-  und  Nordostseiten.  Die 
Böden  in  ersteren  sind  trockener;  die  Holzpflanzen  werden  überdies  zu  energischerer 
Blattverdunstung  gereizt,  so  daß  diejenigen,  welche  in  den  genannten  Beziehungen 
anspruchsvoller  sind,  von  den  Süd-  und  Südwesthängen  fern  bleiben. 

Recht  empfindlich  ist  in  dieser  Hinsicht  z.  B.  die  Weißtanne,  welche  gern  die  nörd- 
lichen und  östlichen  Lagen  einnimmt,  während  das  Umsetzen  der  Exposition  nach  Süd  und 
West  oft  sofort  durch  das  .\uftreten  der   Kiefer  charakterisiert  ist '). 

Die  Bestandesverjüngung  wird,  sowohl  was  Wahl  der  Methode  als  auch  Ausfüh- 
rung im  einzelnen  anlangt,  durch  die  angedeuteten  Wirkungen  der  Exposition  oft 
wesentlich  beeinflußt;  dazu  kommt  die  Beziehung  der  Exposition  zu  Windgefahr, 
Schneedruck  und  Frost.  In  höheren  Gebirgslagen  muß  bezüglich  des  Gedeihens  der 
Holzarten,  von  einer  gewissen  Grenze  an,  der  meist  größeren  Wärme  der  Süd-  und 
Westseiten  das  unmittelbar  entscheidende  Wort  zugestanden  werden,  während  feuch- 
tere Luft,  bedeutendere  Niederscldagsmengen  usw.  dort  den  Faktor  Feuchtigkeit  ia 
seiner  Beziehung  zur  E.xposition  zurücktreten  lassen.  So  kommt  es,  daß  hier  die 
nach  Süden,    Südwesten   und    Südosten   geneigten   (Sommer-)Hänge    höher   hinauf 


1)  S.  die  bezügliclien  Mitteilungen  des   Forstmeisters    Graf  von   L' c  x  k  ü  1  1    aus    dem 
würll.   Schwarzwaldtorste  Neuenbürg^  Monatsciuift    für  Tor^t-  und  Jagdwesen,    Januar  1877. 


g  -  VI.  L  o  r  e  y,  Waldbau. 

bewaldet  sind  als  die  nördlichen,  nordöstlichen  und  nordwestlichen  Expositionen 
(Winterhänge),  die  ihrerseits  wieder  in  den  Vor-  und  Mittelgebirgen  bevorzugt  wer- 
den. Im  höheren  Gebirge  steigt  die  einzelne  Holzart  an  den  Südseiten  unter  Um- 
ständen 200  bis  500  m  höher  als  an  den  Nordseiten. 

3.  Neigungswinkel,  Abdachung,  I  n  k  1  i  n  a  t  i  o  n,  d.  h.  Neigung 
des  Bodens  gegen  die  Horizontale.  Im  allgemeinen  bilden,  sofern  ein  gewisses  Maß 
der  Steilheit  nicht  überschritten  wird,  auch  bedeutendere  Neigungen  kein  Hindernis 
der  Holzkultur,  wenn  auch  Bestandesbegründung  und  -erziehung,  sowie  namentlich 
auch  die  Ernte  und  der  Transport  der  Forstprodukte  in  steileren  Lagen  oft  mit 
erhöhten  Schwierigkeiten  zu  kämpfen  haben.  Stärker  geneigte  Hänge  sind  vielfach 
trockener  und  flachgründig,  sind  Bodenrutschungen  ausgesetzt  und  bedingen  dadurch 
häufig  besondere  Aufmerksamkeit  bei  der  Wahl  der  Betriebsart  und  der  Ver- 
jüngungsmethode. Andererseits  treten  Versumpfungen  mehr  in  ebenen  Lagen  auf. 
Die  Grenzen  der  landwirtschaftlichen  Bodenbenutzung  und  der  Waldwirtschaft  sind 
an  vielen  Stellen  hauptsächlicli  durch  den  Abdachungsgrad  gezogen. 

4.  Oberflächengestaltung:  Dabei  kommt  in  Betracht  der  durch  die 
Bodenausformung  im  großen  geschaffene  orographische  Charakter  einer  Gegend, 
sowie  die  verschiedenartige  Gestaltung  der  Bodenoberfläche  im  einzelnen.  In  ersterer 
Beziehung  ist  besonders  die  Verteilung  von  Land  und  Wasser,  sowie  die  Gebirgs- 
bildung  von  Bedeutung:  Massengebirge  im  Gegensatz  zu  Kettengebirgen  mit  zahl- 
reichen Einzelzügen,  Anordnung  der  Täler,  Wechsel  der  Expositionen,  isolierte  Berg- 
kuppen, Hochplateaus  usw.  sind  zu  beachten.  Innerhalb  dieser,  den  Gesamtcharakter 
ausdrückenden  Unterschiede,  welche  die  waldbaulichen  Maßregeln  oft  ganz  direkt 
beeinflussen  (z.  B.  bei  der  Wahl  der  Holzart),  treten  dann  bei  der  Beurteilung  von 
Detailfragen  die  teilweise  sehr  greifbaren  Verschiedenheiten  im  einzelnen  in  Kraft, 
wie  insbesondere  das  Vorkommen  von  Mulden,  welche  meist  infolge  größerer  Feuchtig- 
keit und  Tiefgründigkeit  wesentlich  besseren  Holzwuchs  erzeugen,  aber  als  Tieflagen 
auch  zu  Frösten  Anlaß  geben  können,  ferner  von  Steilhängen,  flachen  Rücken  usw. 
Die  meisten  dieser  großen  und  kleinen  Unterschiede  in  der  Oberflächengestaltung 
werden  auch  insofern  wichtig,  als  von  ihnen  der  größere  oder  geringere  Schutz 
eines  Waldortes  durch  seine  Umgebung  abhängt.  Es  ist  klar,  wie  der  Verlauf  der 
Höhenzüge,  wie  einzelne  Berge  die  Wirkung  der  Winde  auf  hinterliegendes  Gelände 
modifizieren,  wie  die  Sturmgefahr  durch  die  Richtung  der  Täler  und  Höhen  be- 
einflußt wird,  wie  größere  Wasserflächen  bei  dem  Auftreten  von  Frösten,  Duft- 
und  Eisbruch  mitwirken  können.  Zu  allen  solchen  Umständen,  die  sich  teils  aus 
größei-er  Entfernung,  teils  aus  der  Nähe  fühlbar  machen,  tritt  dann  der  Einfluß  des 
unmittelbar  benachbarten  Geländes  mit  seiner  Bestockung  (vorliegende  höhere  Holz- 
bestände oder  Kahlfläche  —  junge  Kultur,  Wiese,  Feld  —  in  ihren  Beziehungen 
zu  Winden,    Randverdämmung  usw.). 

B.  Boden,  insbesondere  physikalische  Eigenschaften  desselben. 

§  6.    Als  solche  gelten  Feuchtigkeit,  Gründigkeit  und  Bindigkeit. 

Fast  alle  unsere  Holzarten  zeigen  da  das  beste  Gedeihen,  wo  keine  jener  Eigen- 
schaften in  einem  ihrer  Extreme  vorhanden  ist;  weder  Nässe,  noch  Trockenheit,  weder 
Festigkeit  noch  Lockerheit  kann,  sobald  ein  bestimmtes  Maß  überschritten  wird,  als 
zuträglich  bezeichnet  werden.  Hinsichtlich  der  Gründigkeit  ist  allerdings  im  allge- 
meinen nur  das  eine  Extrem,  die  Flachgründigkeit  einer  freudigen  Entwickelung  oft 
hinderlich,  während  Tiefgründigkeit  nur  in  den  seltenen  Fällen  einmal  nachteilig  wer- 
den kann,  wenn  sie,  —  sei  es,  weil  die  atmosphärischen  Niederschläge  zu  rasch  in  den 


Das  Bcstandcjinalerial.    §  6.  9 

Boden  einsinken,  sei  es,  weil  ein  Heran Idringen  des  Grundwassers  aus  der  Tiefe  bis 
zum  Wurzelraum  nicht  mehr  stattfindet,  —  Trockenheit  zur  Folge  hat.  Eine  gewisse 
mittlere  Beschaffenheit  des  Bodens  ist  also  im  großen  und  ganzen  die  zuträglichste  und 
bietet,  da  sie  fast  alle  Holzarten  wenigstens  zuläßt,  in  waldbaulicher  Beziehung  dem 
Wirtschafter  den  weitesten  Spielraum.  Freilich  zeigen  nicht  entfernt  alle  oder  auch 
nur  eine  Mehrheit  unserer  Holzarten  bei  der  nämlichen  mittleren  Bodenbeschaffenheit 
gleich  gute  Entwickelung;  ihre  .Vnspriiche  und  demgemäß  ihr  Gedeilien  sind  mannig- 
fach abgestuft.  Ausgeschlossen  aber  ist  auf  diesen  Böden  mittlerer  Eigenschaften 
im  allgemeinen  keine  Holzart.  In  solchem  Falle  wird  dann  die  Auswahl  einer  be- 
stimmten Holzart  wesentlich  durch  ihr  Verhalten  im  Bestand,  sowie  durch  ihre 
wirtschaftliche  Bedeutung  bedingt,  während  überall,  wo  irgend  welche  Extreme  der 
Bodenbeschaffenheit  vorliegen,  diese  bei  der  Entscheidtmg  über  die  anzubauende 
Holzart  in  erster  Linie  maßgebend  werden.  Die  Zahl  der  Möglichkeiten  ist  dann  meist 
eine  sehr  beschränkte. 

Es  ist  bekannt,  daß  und  inwieweit  der  Humus  geeignet  ist,  die  physikalischen 
Eigenschaften  des  Bodens  zu  modifizieren,  indem  er  zwischen  den  Extremen  ver- 
mittelt, insbesondere  einem  lockeren  Boden  mehr  Bindigkeit,  einem  festen  größere 
Lockerheit  gewährt,  durch  bedeutende  Wasseraufnahme  und  wasserhaltende  Kraft  die 
Feuchtigkeit  reguliert,  als  schlechter  Wärmeleiter  ausgleichend  wirkt  und  durch  Koh- 
lensäure-Entwickelung  den  mineralischen  Boden  aufschließt.  Als  absolute  Bedingung 
für  die  Waldvegetation  kann  er,  sofern  im  übrigen  der  Boden  die  nötigen  mineralischen 
Nährstoffe  sowie  die  erforderlichen  physikalischen  Eigenschaften  besitzt,  nicht  ange- 
sehen werden.  Immerhin  leuchtet  ein,  daß  die  waldbauliche  Tätigkeit  auf  ununter- 
brochene, reichliche  Humusbildung  abheben  muß.  Dabei  handelt  es  sich  aber  durch- 
aus nicht  um  Anhäufung  größerer  Streumassen,  sondern  vor  allem  um  einen  regelmäßi- 
gen normalen  Fortgang  der  Streuzersetzung  und  der  Mengung  der  Zersetzungsstoffe 
mit  dem  mineralischen  Boden. 

Im  einzelnen  sind  die  Ansprüche  der  Holzarten  an  den  Boden  außerordentlich 
verschieden.  Erwägt  man  überdies,  daß  auch  für  das  Gedeihen  einer  b  e  s  t  i  m  m- 
t  e  n  Holzart  nicht  ein  durchweg  gleichbleibendes  Maß  der  verschiedenen  Boden- 
eigenschaften gefordert  wird,  sondern,  namentlich  durch  verschiedene  Lage  bedingte 
Schwankungen  zulässig  sind,  so  erhellt,  daß  eine  Charakteristik  der  Holzarten  nach 
ihren  Bodenansprüchen  nur  ganz  im  allgemeinen  und  in  großem  Zuge  möglich  ist. 
Sie  kann  auch  mehr  nur  in  der  Weise  erfolgen,  daß  die  Grenze  angedeutet  wird,  unter 
welche  bezüglich  der  einzelnen  Bodeneigenschaft  nicht  herunter-,  bezw.  über  welche 
nicht  hinaufgegangen  werden  darf,  nicht  aber  kann  man  etwa  innerhalb  dieser  Grenzen 
ein  bestimmtes  Maß  als  jeweilig  absolut  bestes  bezeichnen.  Dies  ist  schon  durch  die 
große  Zahl  zusammenwirkender  Faktoren  ausgeschlossen.  Es  gilt  hier  das  gleiche 
wie  bei  der  vorerwähnten  Lage.  Die  spezielle  Einwirkung  der  einen  oder  der  anderen 
Gruppe  von  Produktionsfaktoren  läßt  sich  um  so  weniger  leicht  feststellen,  als  in  vielen 
Fällen  Ungunst  der  Lage  durch  vorteilhafte  Bodenbeschaffenheit,  wenn  nicht  ausge- 
glichen, so  doch  in  ihrem  ertragsmindernden  Einfluß  abgeschwächt  wird.  Zu  be- 
achten ist,  daß  aus  dem  tatsächlichen  Vorkommen  einer  Holzart  nicht  ohne  weiteres 
auf  deren  Wohlbefinden  Schlüsse  gezogen  werden  können.  Anbaufähigkeit  und  Anbau- 
würdigkeit  sind  sehr  zu  unterscheiden;  für  jede  Holzart  gibt  es  eben  ein  Optimum 
ihres  \'orkommens,  an  welches  sich  Zonen  geringerer  Leistung  anschließen.  Bei  der 
Beurteilung  des  waldbaulichen  Wertes  einer  Holzart  entscheidet  überhaupt  das  Ver- 
halten der  Holzart  im  Bestand  viel  mehr  als  die  Entwickelung  des  Einzelbaumes. 
Die  besten  Standorte  werden  natürlich  zunächst  von  den  begehrlichsten  Holzarten  in 


10  VI.  L  0  r  c  y,  Waldbau. 

Besclilag  genommen,  so  daß  sicli  weniger  anspruchsvolle  vielfach  mit  geringeren  Böden 
und  schlechteren  Lagen  begnügen  müssen,  obwohl  auch  sie  gern  an  dem  Genuß  der 
besseren  Standorte  teilnehmen  würden   (z.  B.  die  gem.   Kiefer). 

§  7.  1)  Feuchtigkeit:  Ausgehend  von  der  überaus  wichtigen  Rolle,  welche 
dem  Wasser  in  der  Pflanzen-Ernährung  zukommt,  und  von  der  daraus  folgenden  und 
durch  die  Tatsachen  allseits  bestärkten  Ueberzeugung,  daß  jede  Holzart  unter  sonst 
gleichen  Verhältnissen  auf  frischem  Boden  besser  gedeiht  als  auf  trockenem,  muß 
man  sorgsame  Bodenpflege  im  Sinne  der  Wassererhaltung  als  eine  unabweisbare 
Forderung  hinstellen.  Was  in  dieser  Hinsicht  zu  beachten  und  vorzukehren  ist, 
wird  späterhin  berührt  werden. 

Für  trockenen  Boden  taugen  noch  die  gemeine  Kiefer  und  die  gemeine  Birke, 
Bet.  verrucosa,  die  Robinie  und  eventuell  einzelne  Pappeln  und  Weiden.  Einen 
mindestens  feuchten,  wenn  nicht  nassen  Boden  verlangt  z.  B.  die  Schwarzerle,  die 
Ruchbirke,  Bet.  pubescens;  auf  solchem  gedeihen  ferner  viele  Weiden,  auch  woiil 
Vogelbeere  und  Krummholzkiefer.  Stagnierende  Nässe  bedingt  fast  immer  eine  mehr 
oder  minder  zweifelhafte  Entwickelung,  während  fließendes  oder  nur  vorübergehend 
stagnierendes  Wasser  auch  im  Ueberschuß  kein  Hindernis  guten  Wachstums  ist,  wie 
die  Weiden  an  Bach-  und  Flußufern  und  die  üppige  Entwickelung  bes.  der  Stieleichen, 
Eschen,  Uhnen  in  zeitweise  überschwemmten  Auewaldungen  beweisen.  Selbst  die 
Rotbuche  findet  sich  da  und  dort  in  Inundationsgebieten  nicht  selten.  Fraxinus  america 
soll  sich  (nach  Brecher)  hier  besser  bewähren  als  Frax.  excelsior;  Carya  alba,  Robi- 
nie und  Lärche  haben  sich  nach  Ueberschwemmungen  gut  gehalten.  Zeitiumkl, 
namentlicli  Dauer  etc.  der  Ueberschwemmung  sind  dabei  aber  von  Einfluß. 

Weitaus  die  meisten  unserer  Holzarten  meiden  die  Extreme  und  befinden  sich 
nur  auf  frischen,  höchstens  feuchten  Böden  wohl,  mit  der  Abstufung,  daß  man  einen 
nur  frischen  Boden  für  die  in  der  Uebersicht  zu  Eingang  dieses  Abschnittes  genann- 
ten Nadelhölzer,  sowie  für  Eiche,  Buche,  Ahorn,  Linde,  einen  feuchteren  dagegen 
für  Esche,  Erle,  Ulme,  Pappeln  und  Weiden  vorziehen  wird.  Auch  von  den  Aus- 
ländern, mit  welchen  Anbauversuche  gemacht  werden,  scheinen  die  meisten  einen  nur 
frischen  Boden  zu  lieben. 

2)  Gründigkeit.  Man  versteht  darunter  die  Mächtigkeit  der  von  den  ^^'ur- 
zeln  durchdi'ingbaren  Bodenschicht.  Flachgründige,  d.  h.  nur  bis  30  cm  tiefe  Böden 
sind  oft,  insbesondere  an  Hängen,  zugleich  trocken,  seltener,  bei  undurchlassendem 
Untergrund,  in  ebener  Lage,  zu  naß  und  in  beiden  Fällen  meist  von  geringer  Er- 
tragsfähigkeit. Hiervon  abgesehen  aber  müssen  sie  dem  Gedeihen  derjenigen  Holz- 
arten hinderlich  sein,  welche  ein  tiefgehendes  Wurzelsystem  haben,  namentlich  dann, 
wenn  letzteres  durch  eine  stark  ausgebildete  Pfahlwurzel  charakterisiert  ist,  welche 
sich,  auf  einem  festen,  unzerklüfteten  Untergrund  aufsitzend,  nicht  normal  entwickeln 
kann.  Aus  diesem  Grunde  taugen  z.  B.  Eiche,  Esche,  L^lme,  Linde  und  auch  die 
Tanne  nicht  auf  einen  flachgründigen  Boden,  während  sich  die  Fichte  mit  ihren 
flachstreichenden  Wurzeln  daselbst  noch  gut  zurechtfindet.  Auch  Buche,  Birke  u.  a, 
sind  von  einem  nicht  gründigen  Boden  keineswegs  ganz  ausgeschlossen.  Immerhin 
sind  auch  für  Holzarten,  welche  ihre  Wurzeln  in  der  Regel  nicht  weit  in  die  Tiefe 
senken,  mitteltiefgründige  (30 — 60  cm  tiefe)  und  noch  besser  tiefgründige,  über  60  cm 
tiefe  Böden  wegen  ihres  meist  besseren  Feuchtigkeitszustandes  entschieden  vorzu- 
ziehen. Flachgründigkeit  macht  sich  fast  immer  durch  geringes  Höhenwachstum  be- 
merklich.    Man  vergleiche  hierzu  auch  die  Bemerkungen  zu  §  8,  2,  S.  12. 

3)  Bindigkeit:  ^^on  dem  Grade  derselben  ist  die  Entwickelung  der  Holz- 
bestände insofern  beeinflußt,  als  mit  ihr  die  Ausbildung  der  feinen  Saugwurzeln,  die 


Das  Bcstandesmaterial.    §  8.  W 

Standfestigkeit  der  Bäume,  sowie  der  Feuclitigkeitsgelialt  und  die  Üurcldüfluiig  des 
Bodens  in  Beziehung  stellen.  I  >ie  Extreme  (einerseits  strenger  Tonboden,  bald  zu 
naß  und  kalt,  bald  zu  hart  und  rissig,  wenn  trocken,  andererseits  Flugsand)  sind  in 
jedem  Falle  nachteilig.  Zu  den  Holzarten,  für  deren  normale  I^eistung  ein  lockerer 
Boden  gefordert  werden  muß,  gehören  z.  B,  Ulme,  Esche,  Kastanie,  Erle,  Robinie, 
von  den  Nadelhölzern  Kiefer,  Douglasie;  die  meisten  andern  zeigen  auf  einem  Boden 
von  mittlerem  Biiidiirkeitsgrad  voll  befriedigendes,  zum  Teil  sogar  ihr  bestes  Gedeihen. 

II.   E  n  t  w  i  c  k  c  1  u  n  g  s  -    und    W  u  c  h  s  v  e  r  h  ä  1 1  n  i  s  s  e    des    einzelnen 

Bau  m  e  s. 

§  8.  Da  es  sich  hier  nicht  um  eine  botanische  Charakteristik,  sondern  um  die 
bei  waldbaulichen  Maßnahmen  besonders  zu  beachtenden,  bezw.  zu  verwertenden 
Eigenheiten  in  der  Entwickclung  der  einzelnen  Holzarten  handelt,  so  sind  diese, 
unter  Voraussetzung  normaler  \'erhältnisse,  vorab  also  eines  geeigneten  Standortes, 
hauptsächlich  nur  im  Hinblick  auf  folgende  Fragen  zu  untersuchen: 

1)  Wie  vollzieht  sich  die  Keimung?  Bleiben  die  Kotyledonen  unter  der  Erde 
oder  werden  sie  mit  heran fgenonunen?  —  2)  Wie  sieht  das  Wurzelsystem  aus?  — 
3)  Ist  die  Holzart  in  der  .lugend  rasch-  oder  langsamwüchsig?  Welchen  \'erlauf 
nimmt  überhaupt  ihre  Höhenentwickelung  absolut  und  im  Vergleich  zu  derjenigen 
anderer  Holzarten?  —  4)  Wie  verhält  sich  die  Holzart  gegen  Beschädigungen  aller 
Art?  Ist  sie  insbesondere  in  ihrer  Jugend  gegen  Frost  und  Hitze  empfindlich?  ist 
sie  dem  Schneedruck  und  der  Sturmgefahr  besonders  ausgesetzt?  —  5)  Wann  be- 
ginnt sie  regelmäßig  zu  fruktifizieren?  in  welchem  Umfange  darf  auf  ^^'iederkelu• 
waldbaulich  verwendbai-er  .Masten  gerechnet  werden? 

Auf  die  meisten  der  vorstehenden  Fragen  geben  die  Abschnitte  Forstbotanik 
und  Forstschutz  des  Handbuches  Antwort,  so  daß  wir  uns  hier  auf  eine  Gruppie- 
rung der  Hauptholzarten  nach  den  vorgenannten  Gesiclitspunkten,  sowie  auf  einige 
ergänzende  Bemerkungen  beschränken  können: 

1)  Keimung:  Die  Kotyledonen  bleiben  unter  der  Erde  bei  der  Eiche,  Roß- 
kastanie, Kastanie,  Hasel,  .Juglans  und  Carya,  während  die  übrigen  Laubhölzer,  sowie 
die  Nadelhölzer  oberirdisch  (epigäisch)  keimen,  d.  h.  ihre  Keimblätter  über  den  Bo- 
den erheben.  Die  Durchdrinsrung  der  über  dem  Samen  lagernden  Bodenschicht  be- 
deutet Leistung  einer  mechanischen  Arbeit,  die  um  so  größer  ist,  je  umfangreicher 
die  Kotyledonen  sind  und  je  dicker,  bindiger  und  schwerer  die  über  dem  Samen 
lagernde  Erdschicht  ist.  Bei  den  unterirdisch  (hypogäisch)  keimenden  Holzarten: 
Eiche,  Kastanie  usw.  kann  die  Bedeckung  des  Samens  entsprechend  stärker  sein. 
Vergl.  hierzu  §  57.  E. 

2)  W  u  r  z  e  1  s  y  s  t  e  m:  Holzarten  mit  weitverzweigtem  Wurzelsystem  bean- 
spruchen damit  einen  größeren  Nahrungsraum,  sind  aber  u.  U.  auch  auf  ärmerem, 
trockenerem  Boden  noch  zuwachskräftig  (Akkommodationsfähigkeit  von^^'eidenarten). 
Durch  Bäume  mit  flachstreichenden  Wurzeln  wird  zunächst  nur  die  obere  Boden- 
schicht, von  solchen  mit  tiefgehenden  Wurzeln  werden  entsprechend  tiefer  liegende 
Schichten  behufs  Nahrungsaufnahme  in  Anspruch  genommen;  erstere  kömien  auf 
flachgründigem  Boden,  wo  letztere  versagen,  eher  noch  gedeihen.  Holzarten  mit  tief- 
gehender Pfahlwurzel,  dann  besonders  auch  solche  mit  mehreren  starken,  tiefeindrin- 
genden Wurzelsträngen  sind  standfester  als  solche  mit   flachstreichenden  Wurzeln. 

Nach  Bau  und  Habitus  des  Wurzelsystems  unserer  Holzgewächse  unterscheidet 

M.  B  ü  s  g  e  n  1)  das  lang  auslaufende,  durch  dicke,  spärlich  verzweigte  Würzelchen 

1)   Studien   über   die  Wurzelsystemc   einiger  dikotyler  Holzpflanzen.    Flui'a  95.  Bd.  S.  58. 


22  ^  I-  L  0  r  e  y,  Waldbau. 

ausgezeichnete  Extensivsystem  und  das  Intensivsystem,  bei  welchem  die  letzten  Aus- 
zweigungen  geringere  Dicke  haben,  aber  mit  sehr  viel  mehr  Faserwürzelchen  besetzt 
sind  als  beim  Extensivsystem.  Durch  diese  verschiedene  \'erteilung  der  Wurzel- 
substanz im  Boden  werden  Unterschiede  in  der  ^lethode  der  Ausnutzung  desselben, 
speziell  in  der  Wasserversorgung  bedingt.  Extensive  Wurzelsysteme  finden  sich  bei 
Holzgewächsen,  die  wenigstens  zum  Teil  feuchten  Klimaten  und  Standorten  ange- 
hören, z.  B.  bei  der  Esche,  und  scheinen  mehr  für  Wirtschaft  mit  reichlichem  Was- 
servorrat geeignet,  Intensivsysteme,  wie  sie  z.  B.  die  Buche  zeigt,  hingegen  sind  der 
Ausnutzung  kleinerer  Wassermengen,  d.  h.  periodisch  trockenen  Standorten  angepaßt. 

Als  Holzarten  mit  tiefgehenden  Wurzeln  sind  zu  nennen:  Eiche,  Ulme,  Esche, 
Ahoi'n  (besonders  Acer  pseudoplatanus),  Kastanie,  Schwarzerle,  Linde,  auch  Weiß- 
tanne, Kiefer,  Weymouthskiefer,  Lärche.  \'on  den  genannten  haben  manche  eine  bis 
in  höheres  Alter  kräftig  entwickelte  Pfahlwurzel,  wie  z.  B.  Eiche,  Kastanie,  wäh- 
rend bei  anderen,  wie  Erle,  Lärche,  früher  oder  später  das  Wachstum  der  Pfahlwurzel 
nachläßt,  dagegen  mehrere  schräg  in  den  Boden  eindringende  starke  Seitenwurzeln 
(,, Herzwurzeln")  das  Gerüst  des  Wurzelsystems  bilden. 

Flachstreichende  Wurzeln  haben  Birke,  Robinie,  Pappeln  und  Weiden,  sowie 
Fichte,  während  andere  Holzarten,  wie  Buche,  Hainbuche,  Weißerle,  eine  Mittelstel- 
lung einnehmen.  Abgesehen  von  den  unzweideutig  ausgeprägten  Extremen  ist  diese, 
wie  überhaupt  jede  ähnliche  Abgrenzung,  angesichts  der  zahlreichen  Uebergänge 
keine  sichere,  zumal  auch  bei  der  gleichen  Holzart  je  nach  der  Bodenbeschaffenheit 
oft  auffällige  ^'erschiedenheiten  und  vielfache  Uebergänge  vorkommen.  Namentlich 
ist  die  Bildung  einer  ausgeprägten  Pfahlwurzel  nicht  bei  allen,  eine  solche  von  Haus 
aus  aufweisenden  Holzarten  in  gleicher  Weise  Bedingung  einer  guten  Entwickelung 
(Eiche),  sondern  unter  Umständen  (Tanne  auf  weniger  gründigen  Böden)  kann  eine 
starke  eigentliche  Pfahlwurzel  durch  kräftigere  Entwickelung  seitlicher  Wurzeln  er- 
setzt werden. 

3)  H  ö  h  e  n  e  n  t  w  i  c  k  e  1  u  n  g  1) :  Für  viele  waldbauliche  Fragen  (Erzielung 
genügenden  Bestandesschlusses  und  damit  guter  Bodendeckung,  Schädigung  durch 
Wild,  Weidevieh,  Frost  usw.)  ist  namentlich  die  Jugendentwickelung  der  Holzarten 
entscheidend.  Einzelne  machen  schon  in  den  ersten  Lebensjahren  bedeutende  Längs- 
triebe, während  andere  erst  nach  einer  Reihe  von  .Jahren  mit  einer  energischeren 
Höhenentwickelung  beginnen.  Unter  Zugrundelegung  des  Jugendwachstums  teilt 
man  die  Holzarten  in  rasch-  und  langsamwüchsige  ein  und  rechnet  zu  den  letzteren: 
Buche,  Hainbuche,  Tanne,  wogegen  man  Erle,  Birke,  Robinie,  Esche,  Ahorn,  Kasta- 
nie, Pappeln,  Weiden,  die  meisten  Pinus-Arten  und  die  Lärche  als  raschwüchsig  be- 
zeichnen und  endlich  den  Ulmen,  Linden,  Pirus-  und  Sorbus-Arten,  sowie  der  Fichte 
eine  mittlere  Stellung  einräumen  muß.  Doch  auch  hier  finden  sich  von  Fall  zu 
Fall,  d.  h.  nach  Standort,  Witterung,  Behandlung  usw.  mancherlei  \'erschiebungen. 
Nach  der  Bodenzusammensetzung  z.  B.  kann  sich  die  Skala  der  Schnellwüchsigkeit 
der  Holzarten  während  der  ersten  Jugendjahre  hin  und  wieder  geradezu  umkehren. 
Eine  ziemlich  rasche,  vielfach  aber  bald  nachlassende  Jugendentwicklung  zeigen 
auch  unsere  beiden  einheimischen  Eichenarten.  Wie  überhaupt  in  ihrem  biologischen 
Verhalten  finden  sich  aber  auch  in  der  Wuchsenergie  merkbare  Unterschiede  bei 
ihnen:  der  Traubeneiche  wird  ziemlich  allgemein  rascherer  Wuchs  und  längeres  An- 

1)  Ueber  die  Art  der  Errrittelung  des  Höhenzuwachsganges  ist  die  Holzmeßkunde  von 
v.  Guttenberg  in  diesem  Handbuche  zu  vergleichen.  Daselbst  finden  sich  überdies  die 
Enlwickelungsgeselze  nach  dem  dcrmaJigen  Stand  unserer  Kenntnis  zusammengestellt.  —  Auf 
die  Frage  der  Bedeutung  des  Hühenwachstums  bei  Anlegung  gemischter  Bestände  wird  nocli  zu- 
rückgekommen werden. 


Das  Bestandesmaterial.    §  8.  13 

dauern  kräftiger  Hölieiientwickeluiig  ziieikaniit.  Mil  zunehmendem  Alter  ändert  sicli 
bei  vielen  Holzarten  das  Höhenwachstum.  Die  in  der  Jugend  langsam  wüchsigen 
Holzarten,  Buche,  Tanne.  Ficlite  fangen,  zusagende  Boden-  und  Standortsverliäit- 
nisse  vorausgesetzt,  mit  Eintritt  des  Bestandsschlusses  an,  kräftige  Höhentriebe  zu 
schieben,  während  umgekehrt  das  Höhenwachstum  der  ii|i  der  Jugend  raschwüchsigen 
Arten  um  so  früher  und  um  so  intensiver  naciizulassen  pflegt,  je  weniger  der  Stand- 
ort ihren  Ansprüchen  genügt.  Der  bei  den  einzelnen  Holzarten  verschiedene  Zeit- 
punkt dieses  Nachlassens  verdient  namentlich  beim  Zusammenordnen  derselben  im 
Mischbestande  sorgfältige  Beachtung. 

Endlich  ist,  wenn  auch  weniger  für  eigeullicli  waldbauliche  Maßnahmen,  als  im 
Hinblick  auf  die  Rentabilität  des  Betriebs  (Haubarkeitserträge),  die  absolute  Höhe, 
welche  überhaupt  erreicht  wird,  von  Bedeutung.  In  dieser  Hinsicht  stehen  die  Na- 
delhölzer (Tanne  und  Fichte  bis  zu  40  Meter  und  mehr)  im  allgemeinen  den  Laub- 
hölzern voran.  Entscheidend  ist  hierbei  nicht  sowohl  die  Höhe  einzelner  besonders 
gut  entwickelter  Exemplare,  als  vielmehr  die  mittlere  Höhe  haubarer  Bestände.  Es 
verdient  volle  Aufmerksamkeit  des  Wirtschafters,  daß  der  Höhemvuchs  zwar  in  erster 
Linie  eine  Funktion  der  Bodengüte,  zum  Teil  aber  auch  ein  Produkt  der  Bestands- 
erziehung ist.  Alle  im  freieren  Stand  zu  baldiger  Kronenabwölbung  und  Kronenaus- 
breitung und  damit  zur  Kurzschaftigkeit  hinneigenden  Holzarten,  d.  i.  die  Mehr- 
zahl unserer  Laubhölzer,  ganz  besonders  die  Buche  und  Stieleiche,  müssen  durch 
Erziehung  in  engem  \'erbande  während  der  Jugend-  und  schwachen  Stangenholzperiode 
gezwungen  werden,  dem  ihnen  zunächst  nur  von  oben  gebotenen  Lichte  entgegen- 
zuwachsen, um  auf  diese  Weise  die  von  der  Nutzholzwirtschaft  geforderte  größere 
astreine   Schaftlänge   zu   erzeugen. 

4)  Verhalten  der  Holzarten  gegen  Beschädigungen.  Wild-, 
^^'eidevieh-,  sowie  Insektenschäden  kommen  insofern  in  Betracht,  als  sie  (wie  Rüs- 
selkäferfraß in  Kulturen.  Maikäferschaden.  Auftreten  gewisser  Schmetterlinge  u.  a.) 
auf  die  waldbaulichen  Anordnungen  einen  bestimmten  Einfluß  ausüben.  Immerhin 
werden  unsere  wirtschaftlichen  Entschließungen  häufiger  und  stärker  durch  das 
A'erhalten  der  \^■aldbäume  gegen  Frost  und  Hitze,  gegen  Schneeschaden  und  Sturm 
bedingt. 

Hinsichtlich  dieser  Gefahren  und  der  sie  bedingenden  Momente  wird  auf  den 
Forstschutz  verwiesen.  Hier  soll  nur  hervorgehoben  werden,  daß  eine  in  bezug 
auf  ihre  Massen-  und  Wertserträge,  sowie  ihr  \'erlialten  gegen  den  Boden  usw.. 
vielleicht  weniger  geschätzte  Holzart  gerade  durch  ihre  Unempfindlichkeit  gegen  Frost 
und  Hitze  für  gewisse  konkrete  Fälle  eine  besondere  Bedeutung  erlangen  kann,  in 
dem  sie  empfindlichere  Holzarten  endweder  ganz  vertritt  oder  ilmen  als  wirksames 
Schutzholz  (Mischung.  Voranbau)  beigesellt  wird.  Beispiele:  Hainbuche  statt  der 
Rotbuche  zum  Unterbau  auf  feuchten  Stellen,  Kiefer  als  Schutz-  und  Treibholz  für 
Eiche.  Birkenvoranbau  in  Frostlöchern.  Ebenso  können  manche  Holzarten  wegen 
besonderer  Gefährdung  (z.  B.  Fichte  in  Sturmlagen)  örtlich  von  unseren  Erwägungen 
bezüglich  der  Wahl  der  Holzart  ausgeschlossen  erscheinen. 

5)  Fruktifikation:  Soweit  die  Bestandesbegründung  durch  Pflanzung 
stattfindet,  ist  der  Waldbau  mit  seinen  Operationen  von  dem  Eintritt  guter  Samen- 
jahre nur  in  mäßigem  Umfange  abhängig.  Einmal  läßt  sich,  was  an  Pflänzlingen 
nicht  aus  Schlägen  entnonunen  werden  kann,  sondern  besondere  Anzucht  erheischt, 
aus  verhältnismäßig  kleinen  Mengen  des  betreffenden  Samens  erzielen,  so  daß  auch 
in  samenarmen  Jahren  oft  wenigstens  dieses  geringe  Quantum  brauchbaren  Samens 
zu  erlangen  ist.  und  zum  andern  kann  im  Falle  reichlicher  Mast  meist  für  mehrere 


14  VI.  L  o  r  e  y,  Waldbau. 

Jahre  vorgesorgt  werden,  weil  man  bei  der  Pflanzung  nicht  immer  gerade  auf  ein 
ganz  bestimmtes  Alter  der  Pflänzlinge  angewiesen  ist.  Dagegen  ist  die  Kultur  durch 
Saat  in  weit  erheblicherem  Maße,  sowie  die  natürliche  Samen- Verjüngung  voll- 
ständig an  die  Masten  gebunden,  und  es  ist,  namentlich  für  das  regelmäßige  Fort- 
schreiten der  Wirtschaft  im  größeren  nachhaltigen  Betriebe,  oft  von  wesentlichem 
Einfluß,  ob  und  in  welchen  Zwischenräumen  Samenjahre  in  genügender  Art  wieder- 
kehren (vergl.  den  Abschnitt  über  Bestandesbegründung). 

Man  kann  zwar  für  Saaten  (Nadelhölzer)  unter  Umständen  auch  noch  einige  Jahre 
alten  Samen  verwenden,  überdies  den  Samen,  wenn  den  Anforderungen  der  Zucht- 
wahl dabei  nicht  entgegengetreten  wird,  aus  weiter  Ferne  herbeischaffen,  aber  diese 
Behelfe  fehlen  bei  der  Naturbesamung.  Wenn  nun  letztere  auch  bei  allen  Holzarten 
stattfindet,  so  ist  der  Wirtschaftsbetrieb  im  großen  doch  meist  nur  bei  Tanne  und 
Buche,  sowie  vielfach  bei  Fichte,  da  und  dort  auch  bei  Eiche,  Esche,  Ahorn  und 
Kiefer  auf  Naturverjüngung  begründet.  Die  Benutzung  natürlicher  Ansamung  von 
Eiche,  Esche,  Ahorn  usw.  wird,  weil  sie  vielfach  nicht  nur  als  erwünschte  Ergänzung 
der  künstlichen  Kultur  erscheint,  sondern  letztere  geradezu  überflüssig  machen  kann, 
neuerdings  mit  Recht  vielenorts  in  größerem  Umfange  angestrebt.  In  erster  Linie 
kommen  für  unsere  Frage  Tanne,  Fichte  und  Buche,  event.  Kiefer  und  Eiche  in  Be- 
tracht, da  Holzarten  wie  Esche  und  Ahorn,  dann  auch  Hainbuche  und  Birke  meist 
sehr  regelmäßig  Samen  tragen  oder  doch  nur  selten  gänzlich  versagen.  Obwohl  schon 
vom  ausgehenden  Stangenholzalter  an  oft  bedeutendere  Masten  vorkommen,  und  zwar 
auf  schlechterem  Standort  gewöhnlich  früher  als  auf  besserem,  wird  ihre  regelmäßige 
Wiederkehr  meist  erst  von  einem  späteren  EnLwickelungsstadium  an  beobachtet, 
welches  demgemäß  als  volle  Mannbarkeit  bezeichnet  werden  kann.  Erst  wenn  diese 
eingetreten  ist,  läßt  sich  die  ^'erjüngung  mit  Sicherheit  leiten. 

Man  kann  rechnen*),  daß  bei  der  Tanne  etwa  vom  70. — 80.  Jahre  an  in  mildem 
Klima  alle  3,  in  rauherem  alle  5 — 7  Jahre  eine  reichliche  Mast  eintritt;  bei  der  Fichte 
geschieht  dies  vom  60.  Jahre  an  (mit  entsprechenden,  örtlich  allgemein,  sowie  durch 
die  mehr  zufälligen  Einflüsse  der  Jahreswitterung  bedingten  Schwankungen  auf- 
und  abwärts)  durchschnittlich  alle  5  Jahre.  Die  gemeine  Kiefer  fruktifiziert  früher 
und  oft  auch  reichlicher,  so  daß  etwa  vom  40.  Jahre  an  in  je  3jährigen  Perioden  auf 
eine  genügende  Samenmenge  zu  zählen  ist.  Buchensamenjahre,  wenn  auch  eigentliche 
Vollmasten  selten  sind,  doch,  je  nach  Oertlichkeit,  vom  70. — 80.  Jahre  an  alle  5 — 10 
Jahre.  Aehnlich  wie  die  Buche  (im  ganzen  wohl  etwas  günstiger)  verhalten  sich  die 
Eichen,  doch  bewegt  sich  die  Buche  mehr  in  Extremen,  während  bei  Eichen  Haib- 
und Sprengmasten  häufiger  sind. 

Von  besonderem  Einfluß  auf  die  Samenentwickelung  sind  der  allgemeine  Cha- 
rakter des  Klimas  und  die  Witterungsverhältnisse  des  einzelnen  .lahres.  Die  Frukti- 
fikation  beginnt,  von  der  nicht  unbedeutenden  Beeinflussung  durch  die  spezifische  \'er- 
anlagung  des  Einzelindividuums  abgesehen,  im  allgemeinen  um  so  früher,  je  wärmer 
das  Klima  ist.  Die  Samenjahre  treten  nach  Häufigkeit  und  Ergiebigkeit  zurück,  je 
nördlicher  bezw.  höher  der  in  Frage  kommende  Standort  liegt.  In  der  Einflußsphäre 
der  Jahreswitterung  spielen  naßkalte  Sommer,  ganz  besonders  aber  Spätfröste,  welche 
die  Blüten  vernichten,  eine  große  Rolle.  Warme  Sommer  wirken  fördernd  und  stei- 
gern die  Fruktifikation  bei  Eiche  im  gleichen,  bei  Buche  im  folgenden  Jahre.  Außer- 
dem wirkt  auch  das  Licht  auf  die  Anlage  und  Ausbildung  der  Blütenknospen  anre- 
gend ein.    Die  späte  Mannbarkeit  und  geringe  Fruktifikation  unserer  gleichaltrigen 

1)  Vergl.  u.  a.  H  e  ß,  ,,Die  Eigenschaften  und  das  forstliche  Verhallen  der  wichtigeren 
.  .   Holzarten",  woselbst  in  Anmerl<uiigen  die  öpezialliteratur  nachgewiesen  ist. 


Das  Beslandesniaterial.    §  9.  J5 

Bestände  hängt  nfl  niclit  zum  weuifislea  mil  der  anjjstliclieii  l^rhaltuii^  des  vollen  Be- 
standsschlusses zusammen ;  vergl.  Zweck  und  Bedeutung  der  ^'o^•bel•eitungsschläge. 
§  -iO. 

III.    \"  0  r  li  a  1  t  e  n    der    Holzarten    im    Bestand. 

Da  es  der  Waldbau  fast  ausnahmslos  iiiclit  mit  Einzelbäumen,  sondern  mit  Be- 
ständen, d.  li.  mit  einer  \'iellieit  irgendwie  zusannaengeordnetcr  Individuen  zu  tun 
hat,  so  ist  die  Würdigung  der  einzelnen  Holzarten  recht  eigeullicli  ilunh  deren  \er- 
halten  im  Bestände,  beim  Zusammenleben  mit  Individuen  der  gleichen  oder  anderer 
Art  bedingt.  Dabei  ist  jenes  \'erhalten  hauptsächlich  nach  zwei  Richtungen  hin  zu  be- 
gutachten; nämlich  es  fragt  sich:  1)  welchen  Einfluß  äußert  die  Holzart  im  Bestand 
auf  den  Boden;  der  sie  trägt?  und  "2)  was  leistet  der  Bestand  als  solcher  für  die  Zwecke 
der  Wirtschaft? 

A.  Einfluß  der  Holzarten  auf  den  Boden. 

!;  9.  Der  Bestand,  welcher  dem  Boden  bestimmte  Beträge  an  Nährstoffen  entzieht 
und  ihn  dadurch  ärmer  macht,  soll  hierfür  durch  diejenigen  Substanzen,  welche  die 
Holzgewächse  zur  Streudecke  und  somit  demnächst  zur  Humusbildung  beitragen, 
also  in  erster  Linie  durch  den  jährlichen  Blatt-  und  Nadelabfall,  durch  Blüten-  und 
Fruchtteile,  Zweige  etc.  soweit  möglich  Ersatz  leisten.  Außerdem  soll  durch  das  Kro- 
nendach des  Bestandes  die  Einwirkung  von  Sonne  und  ^^"ind  in  solchem  Maße  vom 
Boden  fern  gehalten  werden,  daß  diesem  hierdurch  das  gehörige  Maß  von  Feuchtig- 
keit, sowie  vor  allem  ein  normal  verlaufender  stetiger  Gang  der  Humusbildung  ge- 
.sichert,  die  Streudecke  im  wesentlichen  bewahrt  und  zugleich  die  Entwickelung  zu 
massenhafter  Forstunkräuter  hintangehalten  werde.  Diese  Wirkungen  sollen  vom  Kro- 
nendach ausgehen,  d.  h.  von  der  Gesamtheit  aller  Baumkronen,  welche  sich  über  einer 
bestimmten  Fläche  befinden.  Die  nach  Holzart  und  Lebensbedingungen  überaus  ver- 
schiedene Ausgestaltung  der  einzelnen  Krone  ist  —  von  der  gegenseitigen  Beeinflussung 
der  Individuen  und  der  Wirkung  wirtschaftlicher  Maßnahmen  abgesehen  —  allgemein 
bedingt  durch  die  der  Holzart  eigene  Art  der  Ast-  und  Zweigbildung,  durch  Größe, 
Gestalt,  Anordnung,  Menge,  Dauer  der  Blätter  und  Nadeln.  In  den  weitaus  meisten 
Fällen  —  außer  auf  besonders  kräftigen  bezw.  feuchten  Böden,  deren  Erschöpfung  in 
bezug  auf  Mineralstoffe  und  Wassergehalt  nicht  zu  fürchten  ist  —  leistet  in  den  voran- 
gedeuteten Richtungen  nur  ein  gut  geschlossenes  Kronendach  Genügendes,  wobei 
allerdings  vielfach  das  Ideal  nicht  darin  besteht,  daß  die  einzelnen  Kronen  sich  in 
gleicher  Höhe  gewissermaßen  zu  einer  einzigen  Etage  zusammenfügen.  Der  Erhaltung 
und  Pflege  der  Bodenkraft  ist  es  oft  weit  förderlicher,  wenn  an  Stelle  eines  gleich- 
mäßig geschlossenen  Kranendaches  Einzelbäume  und  Gruppen  verschiedensten  Alters 
und  damit  verschiedenster  Höhe  und  Ausformung  den  Raum  über  dem  Boden  derart 
mit  Aesten  und  Zweigen  anfüllen,  daß  die  zur  Zersetzung  der  Streu  notwendige  \^'ärme 
in  genügendem  Maße  dem  Boden  zugeführt  wird.  Jedenfalls  aber  ist  zur  Herstellung 
jenes  Schutzdaches  über  dem  Boden,  sowie  zur  Rücklieferung  einer  hinreichenden 
Menge  an  hunmsbildenden  Substanzen  auf  der  Flächeneinheit  eine  gewisse,  mit  dem 
Alter  des  Bestandes  wechselnde  Anzahl  von  Holzpflanzen  erforderlich,  welche  genügend 
nahe  zusammenstehen  und  deren  Kronen  in  sich  entsprechend  dicht  sind.  Na- 
mentlich in  höherem  Alter,  wenn  der  einzelne  Baum  einen  größeren  Standraum  ein- 
nimmt, ist  die  Beschaffenheit  der  Einzelkrone  für  die  Intensität  des  Bodenschutzes 
bedingend.  In  der  Jugend  fällt  ja  zweifellos  die  auf  gegebener  Fläche  sich  vorfin- 
dende Zahl  der  Individuen  am  meisten  ins  Gewicht,  aber  mit  fortschreitender  Ent- 


16  \l.  L  0  r  e  y,  Waldbau. 

•Wickelung  (zunehmender  natürlicher  und  künstliciier  Bestandesreinigung)  tritt  diesem 
Moment  der  Einfluß  der  einzelnen  Krone  mehr  und  mehr  als  gleichwertig  zur  Seite. 
Nun  verhalten  sich  aber  unsere  Holzarten  in  Beziehung  auf  die  Ausbildung  ihrer 
Kronen  außerordentlich  verschieden.  Zwar  besitzen  nicht  bloß  diejenigen,  welche 
sich  auch  im  Alter  noch  durch  dichte  Kronen  auszeichnen,  sondern  auch  viele  von 
denen,  bei  welchen  dies  nicht  der  Fall  ist,  in  der  Jugend  reichliche  Belaubung  oder 
Benadelung;  aber  mit  zunehmendem  Alter  lichten  sich  die  Kronen  mehr  und  mehr 
aus.  Sie  rücken  überdies  (infolge  Absterbens  der  unteren  Aeste)  immer  weiter  vom 
Boden  in  die  Höhe.  Durch  die  sowohl  im  Boden  als  im  Kronenraume  stattfindende 
seitliche  Beengung  gehen  ferner  viele  Individuen  ein,  so  daß  durch  dies  alles  bald  früher 
bald  später  (nach  Holzart,  Standortsverhältnissen  usw.)  eine  oft  sehr  weitgehende  Un- 
terbrechung des  Kronenschlusses  eintritt,  eine  Lichtstellung,  die  sich  durch  Ueber- 
kleidung  des  Bodens  mit  Unkräutern,  durch  zu  rasche  oder  auch  durch  unvollkom- 
mene Humuszersetzung,  Austrocknung  etc.  bemerkbar  macht.  Da  im  allgemeinen  der 
Waldboden  in  seiner  Produktionsfähigkeit  hierdurch  geschädigt  wird,  so  muß  für 
dauernden  Kronenschirm  gesorgt  werden.  Dies  geschieht  am  einfachsten,  indem  man 
überhaupt  nur  solche  Holzarten  in  die  Bestände  bringt,  deren  Kronendach  sich  bis 
ins  höhere  Alter  gut  geschlossen  erhält.  Zu  diesen  gehören  Tanne  und  Buche,  dann 
auch  die  Fichte.  Sie  sind  vor  allen  anderen  berufen,  die  Hauptmasse  des  Waldes 
zu  bilden,  und  können,  richtige  Bestandespflege  vorausgesetzt,  ohne  Gefährdung 
der  Bodenkraft  in  reinen  Beständen  auftreten,  d.  h.  solchen,  die  nur  aus  E.xem- 
plaren  der  nämlichen  Holzart  zusammengesetzt  sind. 

Sache  einer  zweckmäßigen  Bestandeserziehung  (s.  dort  vierter  Abschnitt)  aber 
ist  es,  darauf  zu  halten,  daß  man  mit  der  Bevorzugung  reiner  Bestände  der  genannten 
Holzarten  im  Dienste  der  Bodenpflege  nicht  aus  einem  Extrem  ins  andere  fällt.  Mit 
vollem  Rechte  nämlich  beschuldigt  man  das  bis  in  die  neueste  Zeit  herrschende  Dogma 
von  der  Erhaltung  des  dauernden  vollen  Bestandsschlusses  in  den  Fichten-,  Buchen- 
und  Tannenbeständen,  daß  mit  ihm  nicht  in  allen  Fällen  eine  Förderung,  sondern  oft 
genug  eine  Verminderung  der  Bodengüte  und  eine  Erschwerung  der  Waldbegründung, 
namentlich  der  natürlichen,  herbeigeführt  werde.  In  den  durch  Kahlschlagbetrieb 
oder  schlagweise  Naturverjüngung  geschaffenen  gleichaltrigen,  also  gleichwüchsigen 
imd  dauernd  in  Dichtschluß  erhaltenen  reinen  Beständen  von  Fichte,  Buche  und 
Tanne  lagern  sich,  wie  die  Erfahrung  lehrt,  beim  Vorhandensein  ungünstiger  Verwe- 
sungsbedingungen, d.  i.  in  Lagen  mit  niederer  Temperatur,  bei  Ueberschuß  oder 
Mangel  an  Feuchtigkeit  oder  bei  mangelndem  Kalkgehalt  des  Bodens,  leicht  pflanz- 
liche Reste  in  Gestalt  mehr  oder  minder  mächtiger  Streuschichten  ab.  Man  nennt 
solche  meist  dicht  gelagerte,  wenig  oder  nicht  zersetzte  Streumassen  Trockentorf 
(früher  Rohhumus).  Sie  haben  sowohl  in  chemischer  wie  physikalischer  Hinsicht 
eine  ungünstige  Veränderung  des  Waldbudens  zur  Folge  und  sind  für  Boden  und 
Bestand  überwiegend  schädlich.  Wie  im  vorangehenden  Abschnitt  ,, Forstliche  Stand- 
ortslehre"  näher  ausgeführt  ist,  verursachen  stärkere  Trocken torf schichten,  zumal 
auf  den  Sandböden,  das  Entstehen  von  Ortstein,  veranlassen  Auslaugung  der  lös- 
lichen Mineralstoffe,  führen  zur  Versauerung  und  Verdichtung  des  Bodens,  min- 
dern seine  Durchlüftbarkeit  und  beeinträchtigen  das  für  die  normale  \'ei-wesung 
aller  organischen  Reste  außerordentlich  wichtige  Tierleben  im  Boden,  sowie  die  für 
die  \'erwesungsvorgänge  gleich  wichtige  Bakterienflora,  kurz,  sie  machen  den  Boden, 
wie  man  zu  sagen  pflegt,  krank.  Die  sauren  Zersetzungsprodukte,  die  in  den  reinen 
Schattenholzbeständen  überall  dort  entstehen,  wo  infolge  Erhaltung  dauernden  Dicht- 
schlusses die  Bedingungen  zum  raschen  Fortgang  der  ^"erwesung  fehlen,  führen  na- 


Das  Bestandesmaterial.     §  9.  17 

mentlicK  bei  Buche  i),  Fichte  und  Tanne  '^)  zum  Versagen  der  Naturverjüngung. 
Ilirer  Bildung  kann  nur  dadurch  vorjicbougt  werden,  daß  durch  entsprechende  und 
namenlhch  frühzeitigere  Sclihißuntcrhrechung  für  hinreichenden  Wärme-  und  Luft- 
zutritt zum  Boden  und  damit  für  Förderung  der  Venhmstung  und  Streu  Zersetzung 
Vorsorge  getroffen  \\^ird. 

Holzarten,  die  sich  später  licht  stellen,  werden,  um  der  oben  genannten  Gefahr 
der  Bodenverunkrautung  zu  entgehen,  entwedei  in  so  niedrigen  Umtrieben  bewirt- 
schaftet, daß  bei  der  Aberntung  des  Bestandes  die  für  den  Bodenzustand  bedenkliche 
Lichtung  noch  nicht  eingetreten  ist,  oder  es  muß,  wenn  man  sie  älter  werden  lassen 
will,  im  Zeitpunkte  der  beginnenden  Auslichtung  durch  besondere  Maßnahmen  (Un- 
terbau) für  Bodenschutz  gesorgt  werden. 

Die  mehrerwähnten  Holzarten  Tanne,  Buche  und  Fichte  werden  im  Verein  mit 
einigen  Nebenholzarten  als  schattenertragende  oder  kurz  Schatten- 
holzarten bezeichnet,  weil  man  die  Dichtigkeit  ihrer  Krone,  welche  wesentlich 
darauf  beruht,  daß  Blätter  bezw.  Nadeln  im  Innern  derselben  sich  noch  längere  Zeit 
hindurch  lebend  erhalten,  als  einen  Beweis  höheren  Schattenerträgnisses  ansieht. 
Im  Gegensatz  hierzu  steht  das  Verhalten  anderer  Holzarten,  deren  Kronen  sich  bald 
lichten,  indem  die  von  den  äußeren  Blatt-  bezw.  Nadelschichten  umschatteten  Organe 
im  Kroneninnern  nicht  mehr  lebensfähig  bleiben.  Diese  Holzarten  werden  deshalb 
I  i  c  h  t  b  e  d  ü  r  f  t  i  g  oder  kurz  Lichthölzer  genannt. 

Die  schon  seit  mehr  als  einem  Jalirhundert  gebräuchliche  Einteilung  der  Holzarten 
in  Licht-  und  Schattenhölzer  gründet  sich  auf  das  eben  angedeutete  verschiedene  Verhalten, 
das  sich  zeigt,  wenn  man  Bestände  der  einzelnen  Holzarten  während  ihrer  Entwicklung  sich 
selbst  überläßt.  Den  Holzarten  wohnt  in  der  Tat  eine  verschiedene  Lichtempfindlichkeit 
inne;  sie  sind  auf  einen  verschiedenen  Lichtgenuß,  auf  ein  verschiedenes  Minimum  desselben 
abgestimmt.  Der  Lichtbedarf  der  einzelnen  Holzart  und  die  mit  ihm  zusammenhängende 
Fähigkeit,  Beschattung  zu  ertragen,  sind  aber  keine  absolute  und  unabänderliche  Größen, 
sondern  wechseln  mit  den  Standortsverhältnissen,  der  geographischen  Breite,  der  Meeres- 
höhe, dem  Alter,  der  Jahreszeit  und  dem  Entwicklungsstadium  des  Einzelindividuums.  In- 
folgedessen ist  es  allerdings  nicht  angängig,  die  in  einem  heranwachsenden  Bestände  sich 
abspielenden  Vorgänge  der  Bestandesausscheidung,  d.  h.  des  allmählichen  Unterdrückt- 
werdens und  .\bslerbens  einer  größeren  oder  geringeren  Anzahl  von  Individuen  und  das 
Tempo  dieses  Vorganges  lediglich  unter  Zugrundelegung  der  Lichtempfindlichkeit  und  des 
wechselnden  Lichtgenusses  zu  betrachten.  Hierbei  spielen  vielmehr  Klima,  Bodengüte  und 
namentlich  Bodenfrische  als  mitwirkende  Faktoren  eine  wesentliche  Rolle.  Der  Lichtan- 
spruch einer  Holzart  ist  um  so  größer,  ihr  Schattenerträgnis  mithin  um  so  geringer,  je  kühler, 
schlechter  oder  trockner  der  Standort  ist.  Auf  gutem,  namentlich  frischen  Boden  oder  in  war- 
mem Klima  verträgt  eine  unter  mittleren  Verhältnissen  auf  ein  hohes  Lichtgenußminimum 
angewiesene  Holzart,  d.  h.  eine  Lichtholzart,  so  viel  Beschattung,  daß  sie  ihren  Lichtholz- 
charakter fast  zu  leugnen  scheint,  und  umgekehrt  verlangt  eine  Schattenholzart  in  Stand- 
ortsverhältnissen, die  an  der  unteren  Grenze  ihrer  Ansprüche  liegen,  auf  trockenem,  armen  Bo- 
den oder  in  nördlicheren  bezw.  höheren,  kühlen  Lagen  so  viel  Licht,  daß  sie  kaum  mehr  als 
Schattenholzart  bezeichnet  werden  kann.  Diese  noch  keineswegs  hinreichend  geklärten  Wech- 
selbeziehungen zwischen  Lichtgenuß  und  Standort  sind  mehrfach,  neuerdings  wieder  für 
F  r  i  c  k  e ')  Veranlassung  gewesen,  alltägliche  Erscheinungen  des  Waldbaues,  wie  ungenü- 
gende Entwicklung  des  Jungwuchses  im  Halbschatten  oder  unter  dem  Schirm  älterer  Bäume, 
Wiederverschwinden  des  Aufsclilages  und  dergl.  nicht  auf  Lichtmangel,  sondern  auf  mangelnde 
Bodenfeuchtigkeit  infolge  Konkurrenz  seitens  der  Wurzeln  der  älteren  Bäume  zurückzuführen. 
So  richtig  und  wertvoll  der  von  Fricke  gelieferte  Nachweis  der  Mitwirkung  dieser  Wurzel- 
konkurrenz beim  Gedeihen  beschatteten  Jungwuchses  auch  ist,  so  wenig  berechtigt  ist  die 
hieraus  abgeleitete  Folgerung,  daß  die  übliche  Einteilung  der  Holzarten  in  Licht-  und  Schat- 
tenholzarten sich  nicht  halten  lasse  und  wissenschaftlich  nicht  begründet  sei.  Die  mehr 
oder  minder  ausgeprägte  Fähigkeit  unserer  Holzarten,  unter  sonst  gleichen  Verhältnissen 
mehr  oder  weniger   Schatten    zu  ertragen,    bleibt    als  Tatsache  bestehen.     Sie  bedarf  aller- 


1)  Vgl.   hierzu:     C.   F  r  ö  ni  b  1  i  n  g.   Der  Buchenhochwaldbetrieb.   Berlin  1908. 

2)  H.  St  oll,   Das  Versagen  der  Weißtannenverjüngung  im  mittleren  Murgtale.  Naturwiss. 
Ztschr.  f.  Forst-  und  Landwirtschaft  1909,  S.  351. 

3)  Fricke,    „Licht-   und    Schattenholzartcn",     ein   wissenschaftlich    nicht   begründetes 
Dogma.    Z.  i.  d.  ges.   Forstw.   1904,   S.  315. 

Handb.  d.  Forstwiss.     3.  Aufl.     II.  A 


18  VI.  L  0  r  e  y  ,    Waldbau. 

dings  noch  der  .Aufhellung   hinsichtlich   ihrer  anscheinend   sehr  engen  und  nur  schwer  zu  iso- 
lierenden Beziehungen  zu  den  Faktoren  der  Bodengüte  bezw.   der  Bodenfrische. 

Als  extreme  Repräsentanten  der  Lichthölzer  können  Lärche  und  Birke  gelten; 
sie  zeichnen  sich  vor  allen  andern  durch  ihre  besonders  dünne  Krone  aus.  Zwischen 
den  beiden  genannten  Extremen,  den  absoluten  Schattenhölzern  Eibe,  Tanne  und 
Buche  und  den  Lichthölzern  Birke  und  Lärche,  schalten  sich  in  mannigfacher  Ab- 
stufung die  übrigen  Holzarten  ein.  Keiner  unserer  Waldbäume  liebt  oder  bedarf 
den  Schatten,  abgesehen  von  der  .Jugendzeit,  in  welcher  vielen  von  ihnen  Schutz 
gegen  Frost  und  Hitze  gewährt  werden  muß.  Das  letztere  aber  kann  im  großen 
Forstbetrieb  meist  nur  durch  das  Kronendach  eines  Schutzbestandes  geschehen, 
ist  also  mit  Beschattung  verknüpft.  Alle  Holzarten  entwickeln  sich  vielmehr  kräf- 
tiger in  der  Lichtstellung. 

Tanne  und  Buche  brauchen  in  der  Jugend  Schutz  gegen  Frost  und  Hitze  und  ertragen 
die  Beschattung,  die  Tanne  aber  länger  und  intensiver  als  die  Buche.  Weit  weniger  schutz- 
bedürftig, zumal  gegen  Sonnenbestrahlung,  ist  die  junge  Fichte;  ihr  Schattenerträgnis  ist 
entschieden  geringer  als  dasjenige  der  Buche.  Immerhin  muß  man  die  Fichte,  so  lange  nur 
die  zwei  großen  Gruppen:  Schatten-  und  Lichthölzer  gebildet  werden,  den  Schattenhölzern 
zuzählen.  Mit  ihr  konkurriert  allenfalls  in  bezug  auf  die  Fähigkeit,  l  Schatten  zu  ertragen, 
die  Weymouthskiefer,  von  Laubhölzern  vielleicht  die  Hainbuche.  Alle  anderen  Holzarten 
sind  als  Jungwüchse  sofort  sehr  dankbar  für  vollen  Lichtgenuß  und  erhalten  sich  unter  dem 
Schatten  von  Oberständern  im  allgemeinen  nur  dann  einige  Zeit  wuchskräftig,  wenn  das,  was 
ihnen  im  Schatten  an  atmosphärischen  Niederschlägen  (Regen,  Tau  etc.)  abgeht,  durch  Boden- 
frische,  feuchte  Luft,  gute  Ernährung  reichlich  ersetzt  wird.  Hin  und  wieder  bezeichnet  man 
diejenigen  Holzarten,  die  in  der  Mitte  zwischen  ausgesprochenen  Lichthölzern  und  ebensolchen 
Schattenhölzern  stehen,  und  hinsichtlich  ihres  Schattenerträgnisses  in  der  Jugend  oft  auch 
mehr  den  Schattenhölzern  nahekommen,  als  Halbschattenholzarten.  Je  nach 
den  Standortsverhältnissen  steigert  sich  das  Lichtbedürfnis  dieser  Holzarten  früher  oder 
später  bis  zu  dem  der  typischen  Lichthölzer.  —  Von  dem  Verhalten  in  der  ersten  Jugend  ist 
dasjenige  während  der  weitern  Entwickelung  des  Bestandes  zu  unterscheiden.  Das  kriti- 
sche Alter,  in  welchem  sich  die  größere  oder  geringere  Fähigkeit  einer  Holzart,  dichte  und 
damit  reine  Bestände  dauernd  zu  bilden,  deutlich  ausspricht,  ist  gemeinhin  die  Zeit  des  be- 
ginnenden Stangenholzes.  Außer  bei  Lärche  und  Birke  tritt  die  Sorge  um  den  Bodenschutz 
im  reinen  Bestände  einer  Lichtholzart  meist  erst  von  jenem  Zeitpunkte  ab  an  uns  heran; 
ja  in  Beständen  mancher  lichtkroniger  Nadelhölzer,  wie  z.  B.  der  Kiefer,  kann  man  sich 
dieser  Sorge  oft  noch  weiterhin,  bis  ins  mittlere,  ja  höhere  Stangenholzalter  entschlagen, 
sofern  eine  dichte  Moosdecke  den  Boden  überkleidet  und  ihm  den  erforderlichen  Schutz 
(Feuchtigkeit  etc.)  gewährt. 

Von  verschiedenen  Schriftstellern  sind  die  Holzarten  in  bezug  auf  ihre  Fähigkeil,  Schat- 
ten zu  ertragen,  bezw.  sich  im  geschlossenen  Bestände  zu  hallen,  klassifiziert  worden').  Die 
von  ihnen  aufgestellte  Skala  stimmt  nicht  in  allen  Einzelheiten  überein.  Dies  kann  auch  nicht 
anders  sein,  denn  die  Beobachtungsgebiete,  welchen  die  betreffenden  Bücher  entstammen,  sind 
sehr  verschieden;  immerhin  treffen  die  Abweichungen  zumeist  nur  die  eine  mittlere  Stellung 
einnehmenden  Holzarten.  Manche  Verschiebung  ist  auch  rein  lokaler  Natur,  durch  die  Eigenart 
des  Standorts  bedingt-),  Ueberdies  ist,  wie  oben  erwähnt,  die  exakte  komparative  Beobach- 
tung äußerst  schwierig,  weil  meist  viele  Faktoren  gleichzeitig  wirksam  sind.  Zu  den  Schatten- 
hölzern zählt  man  allgemein:  Eibe,  Buche,  Tanne,  Fichte,  Douglasie,  Schierlingstanne,  zu  den 
Lichthölzern:  Lärche,  Birke,  Eiche,  Kiefer,  Pappel,  Weide;  zu  den  Halbschaltenhölzern:  .\horn, 
Esche,  Ulme,  Erle,  Linde,  Weymouthskiefer,  Robinie  Zu  beachten  ist,  daß  zu  den  ziemlich 
viel  Schalten  ertragenden  Holzarten  die  Weymouthskiefer  gehört,  welche  sowohl  dadurch  wie 
auch  durch  ihre  Raschwüchsigkeit  für  manche  Spezialfälle  waldbaulicher  Arbeit,  wie  z.  B.  Aus- 
pflanzen von  Schneebruchlücken,  allen  Wegen  usw.  besonders  geeignet  erscheinen  kann.  Ferner 
sei  nochmals  betont,  daß  die  Fichte  keineswegs  der  Buche  und  noch  weniger  der  Tanne  gleich- 
geordnet werden  darf. 

Tatsächlich  kommen  auch  von  andern  Holzarten,  als  der  Tanne,  Buche  und 
Fichte,  ausgedehnte  reine  Bestände  vor;  diese  sind  dann  aber  entweder  Kinder  der 
Not  oder  in  besonders  günstigen  Verhältnissen,  sehr  oft  auch  in  eigenartigen  wirt- 

1)  Vergl.  u.  a.  G.  H  e  y  e  r,  Verhalten  der  Waldbäume  gegen  Licht  und  Schatten,  1852. 
—  v.  F  i  s  c  h  b  a  c  h,  „Forstwissenschaft",  4.  Aufl.  1886,  S.  5.  —  K  r  a  f  t  in  AUg.  F.-  u.  J.-Ztg. 
von  1878,    S.   164.  —  G  a  y  e  r,    „Waldbau",    4.   Aufl.   S.   31  ff. 

2)  In  dieser  Beziehung  macht  z.  B.  G  a  y  e  r  auf  die  erhöhten  Lichtansprüche  bei  kur- 
zer Vegetationsdauer  (Gebirg,  Norden),  dann  auf  den  Einfluß  der  örtlichen  Lichtintensität, 
die  Wirkung    häufiger    Nebel  usw.    aufmerksam. 


Das  Bestandesmaterial.     §  10.  jg 

schaftlichen  Bedingungen  begründet.  Alle  diese  Umstände  können  die  theoretisch 
als  Ausnahme  zu  betrachtende  Bildung  reiner  Bestände  durch  Lichtholzarten  ge- 
gebenenfalls geradezu  als  Regel  erscheinen  lassen.  So  findet  sich,  um  das  prägnanteste 
Beispiel  herauszugreifen,  die  Kiefer  auf  weiten  Flächen  in  reinen  Beständen,  und 
zwar  zumeist  auf  Böden,  welche  für  andere,  anspruchsvollere  Holzarten  nicht  mehr 
taugen,  wo  man  also,  um  überhaupt  Wald  zu  haben,  mit  der  Kiefer  im  reinen  Be- 
stand zufrieden  sein  muß.  Man  befindet  sich  hier  in  einer  Zwangslage,  aus  der  man 
eben  niemals  herauskommen  kann.  So  lange  solche  Bestände  noch  jung  und  gut 
geschlossen  sind,  ist  die  Leistung  der  Kiefer  auch  in  Rücksicht  auf  die  Bodenkraft 
eine  befriedigende.  Die  Fälle,  in  welchen  Lichtholzarten,  wie  gerade  nicht  selten 
die  Kiefer,  aus  wirtschaftlichen  (Rentabilitäts-)Gründen  rein  angebaut  werden, 
sind  für  unsere  Frage  zunächst  weniger  von  Interesse.  Es  mögen  nur  noch  Schwarz- 
kiefer (Wiener  Wald),  Krummholzkiefer  (Hochgebirg,  Moore),  Erle  (nasse  Partien), 
sodann  Esche,  Eiche  (auf  kräftigen  Böden  der  Flußniederungen,  doch  hier  meist 
mit  einem  Unterholz)  als  Beispiele  dafür  aufgeführt  werden,  daß  unter  besonderen 
Umständen  Lichthölzer,  zumal  solche,  welche  eine  mehr  mittlere  Stellung  ein- 
nehmen, in  reinen  Beständen  vorkommen.  Ueberdies  ist  der  Eichenschälwald  als 
typische  Form  besonders  zu  erwähnen,  bei  welcher  der  niedrige  Umtrieb  ent- 
scheidend ist.  —  Anbau  von  Schutzbeständen  (aus  Birke,  Kiefer),  sowie  Anzucht 
von  reinen  Beständen  (etwa  der  Eiche)  in  der  Absicht,  sie  später  zu  unterbauen, 
kommen  als  nicht  dauernd  beizubehaltende  reine  Bestände  hier  nicht  weiter  in  Be- 
tracht. 

B.  Verhalten  der  Holzarten  untereinander.    Gemischte  Bestände'). 

§  10.  1.  A  1 1  g  e  m  e  i  n  e  s.  Da,  wie  wir  gesehen  haben,  nur  eine  ziemlich 
kleine  Anzahl  von  Holzarten  geeignet  ist,  für  sich  allein,  d.  h.  in  reinem  Bestände, 
dem  Boden  den  erforderlichen  Schutz  zu  gewähren,  da  sich  aber  gerade  unter  den 
übrigen,  den  Lichthölzern,  eine  Reihe  unserer  wertvollsten,  für  die  vielseitigsten 
Verwendungszwecke  gesuchten  Nutzhölzer  befinden,  auf  deren  An-  und  Nachzucht 
nicht  verzichtet  werden  kann,  so  müssen  sich  den  reinen  Beständen  ,,g  e  m  i  s  c  h  t  e" 
zugesellen,  d.  h.  solche,  welche  aus  Individuen  zweier  oder  mehrerer  Holzarten  zu- 
sammengesetzt sind,  wobei  dann  die  Lichthölzer  derart  mit  Schattenhölzern  zu- 
sammengebracht werden  sollen,  daß  letztere  die  Sorge  für  den  Bodenschutz  in  der 
Hauptsache  übernehmen,  während  jene,  in  der  Minderzahl,  ohne  besonderen  Nach- 
teil für  die  Bodenkraft  mitwachsen.  Die  Lichthölzer  tragen  ja  auch  ihrerseits,  wenn 
auch  in  mehr  odei  weniger  bescheidenem  Maße,  zum  Bodenschutz  bei,  so  daß  eine 
geeignete  Zusammenordnung  von  Licht-  und  Schattenhölzern  vollkommen  genügt, 
um  die  Produktionskraft  eines  Waldortes  dauernd  zu  sichern.  Die  zwei  großen 
Gruppen  Licht-  und  Schattenhölzer  gestatten  folgende  drei  Arten  von  Mischungen: 
a)  Schattenhölzer  untereinander,  b)  Schatten-  mit  Lichthölzern,  c)  Lichthölzer 
untereinander.  Außerdem  sind  bezüglich  der  Mischungen  Unterschiede  dahin  zu 
machen,  ob  sie  bleibend  oder  vorübergehend  sind,  ob  die  einzelnen  Holzarten 
gleichzeitig  oder  zu  verschiedener  Zeit  auf  die  Fläche  kommen,  ob  sie  demnach 
gleichalt  oder  ungleichaltrig  sind,  endlich  ob  eine  regelmäßige  (reihen-,  streifen-, 
bandweise)  oder  unregelmäßige,  mehr  gruppen-  oder  horstweise  Verteilung  der  ein- 
zelnen Holzarten  beliebt  wird,  oder  aber  ob  ein  Grundbestand  mit  Exemplaren 
einer  anderen  Holzart  in  einzelständiger  Anordnung  der  letzteren  durchstellt  ist. 
a)  Beispiele  vorübergehender   Mischungen:    1)  Anzucht  von  Scliutz- 

1)  Vergl.  Carl  H  e  y  e  r,  „Beiträge  zur  Forstwissenschaft"   II.   Hell,  1847,  S.  l  ff. 

2« 


20  ^  I-  Lorey,    Waldbau. 

beständen:  Birke,  Lärche  oder  Kiefer  auf  Blößen  behufä  Nachzuclit  von  Tanne,  Fichte  oder 
Buche;  Kiefer  in  üntermischung  mit  Eiche,  um  letztere  durch  Seitenschutz  gegen  Frost  zu 
sichern;  —  2)  Milanzucht  einer  Holzart,  welche  i  ine  frühe  Zwischennutzung  abwerfen  soll, 
z.  B.  Fichte  (Weihnachtsbäume!)  in  Pflanzkulturen  zwischen  ausländischen  Hölzern  (Douglas- 
tanne). —  b)  Beispiele  ungleichzeitiger  Mischungen:  1)  Voranbau  eines 
Schutzbestandes,  nachfolgendes  Einbringen  der  Hauptholzart;  2)  Unterbau  von  Lichthölzern 
(Eiche)  mit  Schattenhölzern.  —  c)  Beispiele  ungleich  alteriger  Mischun- 
gen sind  unter  a  und  b  einbegriffen 

Die  Entscheidung  darüber,  ob  reine  oder  gemischte  Bestände  herangezogen 
werden  sollen,  wird,  wenn  zwingende  waldbauliche  Momente  nicht  vorliegen,  in 
letzter  Linie  von  der  Rentabilität  getroffen.  Sofern  eine  Anzahl  kaum  entbehr- 
licher Holzarten  im  reinen  Bestand  nicht  oder  wenigstens  nicht  in  hohem  Umtriebe 
ohne  Gefährdung  der  Bodenkraft  erzogen  werden  können,  sind,  wie  bereits  hervor- 
gehoben wurde,  Mischbestände  eine  unabweisbare  Notwendigkeit.  Es  könnte  sich 
aber  weiterhin  die  Erwägung  aufdrängen,  ob  nicht  auch  solche  Holzarten,  welche 
vermöge  ihres  dichten  Kronenschlusses  zu  reinen  Beständen  taugen,  wegen  be- 
sonderer Vorzüge  der  Mischbestände  allgemein  besser  in  Untermischung  mit  andern 
Holzarten  angebaut  werden,  ob  also  die  Begründung  gemischter  Bestände  nicht 
ganz  allgemein  als  Regel  hingestellt  werden  soll.  Solcher  Vorzüge  passend 
gemischter  Bestände  werden  in  der  Tat  mehrere  angeführt  i),  und  zwar 
wird  neben  der  schon  genannten  Möglichkeit  der  Starkholzerziehung  von  Licht- 
hölzern in  der  Hauptsache  folgendes  zugunsten  der  Mischbestände  geltend  gemacht: 
a)  Gemischte  Bestände  gewähren  größeren  Schutz  gegen  gewisse  Gefahren,  indem 
die  einzelnen  Mischholzarten  in  verschiedenem  Maße  (manche  eventuell  gar  nicht) 
bedroht  sind  und  dadurch  für  den  Bestand  im  ganzen  eine  höhere  durchschnittliche 
Widerstandsfähigkeit  entsteht.  Wenn  letztere  auch  nicht  selten  nur  mittelbar  der 
Mischung,  zunächst  jedoch  der  durch  sie  ermöglichten  kräftigeren  Kronenent- 
wicklung, besserer  Gesundheit  im  allgemeinen  usw.  zu  verdanken  ist,  so  bedeutet 
doch  in  sehr  vielen  Fällen  schon  die  Verschiedenheit  der  Holzarten  an  sich  eine 
größere  Sicherheit  für  den  Bestand.  Beispiele:  Mischung  von  Laubholz  mit  Nadel- 
holz als  Schutz  gegen  Feuer,  Pilze  und  Insekten,  desgleichen  gegen  Schneedruck; 
flach-  und  tiefwurzelnde  Holzarten  bilden  unter  Umständen  einen  sturmsichereren 
Bestand  als  flaclnvurzelnde  allein;  frostharte  und  -empfindliche  Holzarten  in  Mi- 
schung zum  Schutz  der  letzteren  usw.  —  b)  Gemischte  Bestände  ,. können"  die 
Holzmassenproduktion  steigern.  Allgemein  ließe  sich  dieser  Satz  vielleicht  aus  den 
verschiedenen  Bodenansprüchen  der  Holzarten,  aus  der  Verschiedenheit  ihrer  Wur- 
zelbildung (flach-  und  tiefwurzelnde),  ihrer  Kronenform,  namentlich  aber  aus  den 
besseren  Bodeneigenschaften,  welche  Lichtliölzern  im  Grundbestande  von  Schatten- 
hölzern  zu  gute  kommen  usw.,  ableiten.  Es  wird  aber  gut  sein,  wenn  man  sich 
solcher  allgemeiner  Folgerung  gegenüber  zunächst  skeptisch  verhält  und  das  Er- 
gebnis einer  größeren  Anzahl  einwandfreier  komparativer  Untersuchungen  abwartet. 
Einige  Erhebungen,  welche  den  in  Frage  stehenden  Vorzug  gemischter  Bestände 
bestätigen,  liegen  zwar  vor,  aber  nur  in  beschränkter  ZahP),  längst  noch  nicht  ge- 
nügend, um  alle  einschlagenden  Beziehungen  mit  Bestimmtheit  nachzuweisen.  An- 
dererseits haben  z.  B.  neuere  Untersuchungen,  welche  die  württembergische  forstliche 
Versuchsstation  in  Fichten-Buchen-Mischbeständen  angestellt  hat,  um  deren  Wuchs- 
leistung im  Vergleich  zu  derjenigen  reiner  Fichten-  und  reiner  Buchenbestände  zu 
erfahren,  durchaus  keine  Ueberlegenheit,  sondern  teilweise  sogar  ein  nicht  uner- 


1)  Vergl.   Carl   Heyer  daselbst   S.   32  ff. 

2)  Carl  H  e  y  e  r  a.  a.  O.  S.  35  ff.    —  Bergmann,   Grundzüge  der  Geschichte  und 
Wirtschaft  der   Kgl.   Oberförsterei  Eberswalde,   1905,    S.   26. 


Das  Bestandesmalorial.    §  10.  21 

liebliches  Zurückbleiben  der  Mischbcstiinde  ergeben  i).  Zur  vollen  Klärung  der 
Frage  sind  noch  zahlreiche  Aufnahmen  nötig.  So  wäre  z.  B.  auch  hinsichtlich 
einiger,  in  größerer  Ausdehnung  vorkomincnder  Nadclholzmischungen,  wie  Tanne 
und  Kiefer,  Tanne  und  Fichte,  Tanne,  Fichte  und  Kiefer  (Schwarzwald,  Vogesen), 
welche  offenbar  Gutes  leisten,  der  zahlenmäßige  Vergleich  ihrer  Massenproduktion 
mit  derjenigen  reiner  Bestände  jener  Holzarten  auf  gleichem  Standort  noch  durch 
ausgedehnte  Untersuchungen  zu  führen.  Nadelhölzer,  wie  Kchte,  Kiefer,  Tanne, 
bilden,  in  Buchen  eingesprengt,  erfahrungsgemäß  oft  besonders  bedeutende  Dimen- 
sionen heraus.  Daß  übrigens  eine  Mehrproduktion,  wenn  sie  insgesamt  eintritt, 
wohl  wesentlich  auf  freiere  Kronenentwickelung  einzelner  sclineller  wüchsiger  Bäume 
im  Mischbestande  zurückzuführen  sein  dürfte,  während  eine  Wachstumssteigerung 
in  gleichalterigen,  gleichhohen  Beständen  durch  die  Mischung  allein  kaum  oder 
doch  nur  in  beschränktem  Maße  verursacht  werden  möchte,  hat  Wagener^)  her- 
vorgehoben. Der  den  Mischbeständen  in  Verbindung  mit  der  Massensteigerung 
vielfach  noch  nachgerühmte  Vorzug  der  Wertsteigerung  trifft  jedenfalls  noch  weni- 
ger zu  als  der  höherer  Massenerträge.  Der  einzelne,  in  Mischung  mit  einem  Schat- 
tenholz astrein  und  vollholzig  erwachsene  Lichtholzstamm  kann  für  sich  allein  be- 
trachtet sehr  wohl  eine  Wertssteigerung  im  Vergleich  zum  gleichalten  Stamm  des 
reinen  Lichtholzbestandes  erkennen  lassen,  der  Gesamtwertsertrag  des  Mischbestan- 
des bleibt  deshalb  nach  den  vorliegenden  Erfahrungen  hinter  dem  Gesamtwerts- 
ertrag des  reinen  Bestandes  zurück.  In  finanzieller  Hinsicht  sind  die  Mischbestände 
zweifellos  minderwertiger  als  die  reinen  Bestände.  —  c)  Gemischte  Bestände  dienen 
zur  ^'erminderung  der  Betriebsklassen.  Dies  geschieht  einmal  dadurch,  daß  sie  eine 
einheitliche  Schlagordnung  (normale  Altersstufenfolge)  gestatten,  wo  sonst,  wenn 
man  von  jeder  Holzart  jährlich  einen  Ertrag  haben  möchte,  ebensoviele  selbstän- 
dige Schlagordnungen  nötig  wären,  als  Holzarten  vorhanden  sind  (bei  kleiner  Ge- 
samtfläche insbesondere  ganz  undurchführbar);  sodann  dadurch,  daß  innerhalb 
gewisser  Grenzen  ein  Ausgleich  der  Umtriebszeiten  im  Mischbestande  möglich  er- 
scheint; Verschiedenheit  der  Umtriebszeit  wäre  sonst  ein  zwingender  Grund  für  Aus- 
scheidung besonderer  Betriebsklassen  der  einzelnen  Holzarten.  Beispiele:  Kiefer, 
für  sich  mit  SOjährigem,  Buche,  für  sich  mit  120jährigem  Umtrieb  zu  behandeln, 
lassen  sich  unter  Umständen  in  der  Mischung,  in  welcher  ein  besserer  Bodenschutz 
und  Bestandesschluß  als  im  reinen  Kiefernbestand  bewahrt  bleibt,  zu  einem  mitt- 
leren Umtrieb  von  100  Jahren  vereinigen.  Es  kommt  hinzu,  daß  manche  Holzarten 
gar  nicht  in  solcher  Masse  auf  dem  Markte  begehrt  werden,  als  daß  es  sich  lohnen 
würde,  durch  reine  Bestände  den  Bedarf  nachaltig  decken  zu  wollen,  während  man 
sie  andererseits  doch  im  Handelsverkehr  nicht  ganz  entbehren  kann  (Ahorn,  Linde, 
Eisbeere  usw.).  —  d)  Die  Mischung  verschiedener  Holzarten  kann  ein  Mittel 
bieten  zur  Herbeiführung  rascli  und  regelmäßig  verlaufender  Streuzersetzung,  die 
im  Gegensatz  zur  Anhäufung  von  mehr  oder  weniger  toten  Humusmassen  nur  er- 
wünscht ist.  Denn  die  Art  der  Zersetzung  (Umfang,  Raschheit  derselben)  ist  beim 
Laub  bezw.  den  Nadeln  verschiedener  Holzarten  eine  wesentlich  verschiedene,  und  es 
leuchtet  ein,  wie  günstig  es  wirken  kann,  wenn  leicht  und  rasch  zersetzbare  Streu- 
mengen zu  widerstandsfähigeren  hinzutreten.  Leicht  zersetzbar  ist  z.  B.  das  Laub 
von  Esche,  Ahorn,  Hainbuche,  sind  die  Nadeln  von  Weymouthskiefer  und  Dougla- 
sie.    Besonders  vorteilhaft  ist  im  Hinblick  auf  die  normale  Zersetzung  der  Streu 


1)  Vergl.  L  o  r  e  y  ,    Mischbestände   aus  Fichte   und  Buche.     Allg.  Forst-  und  Jagd-Ztg. 
1902,  S.  41. 

2)  Vergl.  W  a  g  e  n  e  r  ,  „Waldbau",  S.   141  ff. 


22  VI.  L  o  r  e  y  ,    Waldbau. 

die  Mischung  von  Laubholz  (Buche)  mit  Fichte  oder  Tanne.  Die  mit  der  Lockerung 
des  Kronendaches  durch  das  winterkahle  Laubholz  in  Verbindung  stehende  stärkere 
Einwirkung  der  Atmosphärilien  auf  die  Streudecke  führt,  von  den  Vorteilen  der  Mi- 
schung der  Streu  ganz  abgesehen,  zu  rascherer  Zersetzung  des  Pflanzenabfalles.  — 
e)  Gemischte  Bestände  tragen  unzweifelhaft  zur  Verschönerung  der  Gegend  bei. 

Diesen  Vorzügen  stehen  aber  doch  manche  nicht  unerhebliche  Bedenken 
gegenüber:  a)  Selbst  wenn  wirklich  allgemein  die  Mischung  eine  Massen  produk- 
tionssteigerung  bedingen  würde,  müßte  von  ihr  abgesehen  werden,  falls  die  Gesamt- 
Werts  erzeugung  des  Bestands  dadurch  eine  beschränktere  würde,  daß  gering- 
wertige Holzarten  (z.  B.  Buche)  einen  Teil  der  Stellen  einnehmen,  an  welchen 
höherwertige  (Nutzhölzer,  wie  Fichte,  Tanne  etc.)  stehen  könnten.  Es  ist  freilich 
in  vielen  Fällen  fraglich,  ob  diejenige  Holzart,  welche  heute  die  vorteilhafteste  ist, 
dauernd  den  Vorzug  verdienen  wird,  oder  ob  ihr  nicht  eine  andere  in  Zukunft  den 
Rang  ablaufen  wird.  Im  allgemeinen  wird  aber  jedenfalls  das  Nutzholz  dem  Brenn- 
holz überlegen  bleiben,  so  daß  es  recht  wohl  verständlich  ist,  wenn  man  sich  insbe- 
sondere gegen  eine  erhebliche  Beimischung  der  Buche  zu  schattenertragenden 
Nadelhölzern  (Tanne,  Fichte)  ablehnend  verhält.  —  b)  Gemischte  Bestände  ver- 
ursachen, in  Absicht  auf  Forsteinrichtung,  Bestandesbegründung  und  -erziehung, 
Holzernte  usw.  manche  Wirtschaftserschwerung,  während  umgekehrt  reine  Bestände 
sämtliche  waldbaulichen  Operationen,  ganz  besonders  die  in  Mischbeständen  hoch- 
wiclitigen  Erziehungsmaßnahmen  vereinfachen,  die  Erntearbeiten,  die  Abgabe  und 
den  Transport  des  Holzes  erleichtern  und  nach  der  betriebstechnischen  Seite  viel 
bequemer  sind.  Wohl  hauptsächlich  aus  letzterem  Grunde,  der  aber,  selbst  wenn 
die  Tatsache  an  sich  richtig  ist,  niemals  für  die  Wahl  des  Wirtschaftsverfahrens 
allein  entscheidend  sein  darf,  finden  sich  gemischte  Bestände  längst  noch  nicht 
oder  längst  nicht  mehr  in  der  für  sie  von  einer  Mehrzahl  von  Forstwirten  gewünsch- 
ten Verbreitung.  Daß  reine  Bestände  dann,  wenn  die  eine  Holzart  örtlich  un- 
zweifelhaft die  tauglichste,  bezw.  vorteilhafteste  ist,  den  Vorzug  verdienen,  bedarf 
keiner  nochmaligen   Hervorhebung. 

In  solchen  gemischten  Beständen,  in  denen  zwei  oder  mehrere  Holzarten  nicht 
zu  annähernd  gleichen  Teilen  vertreten  sind,  sondern  eine  Holzart  entschieden 
überwiegt,  bildet  diese,  die  wohl  auch  als  die  herrschende  bezeichnet  wird,  den  sog. 
Grundbestand,  während  die  anderen  Holzarten  als  beigesellte  oder  Neben- 
holzarten erscheinen.  Diese  Unterscheidung  bezieht  sich  zunächst  nur  auf  Häu- 
figkeit des  Vorkommens  im  Bestände.  An  Wertsleistung  und  damit  auch  an  Be- 
deutung für  den  Effekt  der  Wirtschaft  ist  die  beigesellte,  in  der  Minderheit  vorhan- 
dene Holzart  nicht  selten  der  den  Grundbestand  bildenden  überlegen,  so  daß  sie 
eigentlich  zur  führenden,  zur  Hauptholzart  wird.  Insbesondere  gilt  dies  von  den 
Mischungen  der  Rotbuche  mit  Nutzhölzern. 

!iü',2)  Allgemeine    Regeln    für    die    Anlage    gemischter    Be- 
stände. 

§  11.  Voraussetzung  ist,  daß  die  Holzarten  an  sich  für  den  betreffenden  Stand- 
ort passen. 

a)  Den  Grundbestand  der  Mischung  muß  eine  schattenertragende  Holzart 
bilden,  d.  h.  eine  solche,  welche  in  dem  in  §  9  angegebenen  Sinne  die  Bodenkraft 
erhält.  —  b)  Werden  Schattenhölzer  miteinander  gemischt,  so  müssen  sie  entweder 
gleichen  Höhenwachstumsgang  haben,  oder  es  muß  die  langsamer  wüchsige  einen 
Vorsprung  besitzen  oder  durch  wirtschaftliche  Maßregeln  (Freihieb)  geschützt  wer- 
den.   Bei  allen  Mischungen  ist  natürlich  die  relative  Beteiligung  der  verschiedenen 


Das  BeslandesiiiaUM-ial.     §  11.  03 

Holzarten  von  Belang.  Es  ist  z.  B.  sehr  viel  leichter,  eine  geringere  Zahl  von  Exem- 
plaren der  rascher  wüchsigen  Fichte  im  Buchengrundbestande  hoch  zu  bringen  als 
umgekehrt  wenige  Buchen  im  Fichtengrundbestande.  —  c)  Schattenhölzer  und 
Lichthölzer  taugen  nur  dann  zu  einer  Mischung,  wenn  die  letzteren  dauernd  die 
ersteren  überragen,  was  dann  geschieht,  wenn  sie  entweder  rascher  in  die  Höhe 
gehen  als  die  Schattenhölzer  oder,  im  Falle  gleicher  oder  gar  geringerer  Höhenent- 
wickelung,  einen  entsprechenden  Altersvorsprung  vor  diesen  haben. 

Zur  Erläuterung  der  Sätze  b  und  c  sei  darauf  hingewiesen,  daß  keine  einzige  Holzart 
—  auch  die  Schattenhölzer  nicht  —  bei  andauernder  Ueberschirmung  sich  gut  zu  entwickeln 
vermag.  Mindestens  muß  der  Gipfel  schirnifrei  sein,  d.  h.  frei  zum  Luftraum  hinautschauen, 
ohne  daß  die  .^este  von  Nachbarn  über  ihn  hereinragen.  Wenn  auch  ausgesprochene  Schatten- 
hölzer, wie  in  erster  Linie  die  Tanne,  selbst  durch  eine  länger  dauernde,  mehr  oder  minder 
intensive  Beschirmung  noch  nicht  geradezu  zum  Absterben  gebracht  werden,  so  ist  ihr  Wuchs 
doch  unter  solchen  Verhältnissen  ein  kümmerlicher.  Dabei  finden  sich  naturgemäß  nach  Holz- 
art, Beschaffenheit  des  Individuums,  .\lter,  Standörtlichkeit,  Maß  und  Zeitdauer  der  Ueber- 
schattung  usw.  die  mannigfaltigsten  Abstufungen.  Lichthölzer  sind  in  dieser  Hinsicht  sehr 
viel  empfindlicher.  Dies  liegt  schon  im  Begriff  des  Lichtholzes.  Bei  extremen  Lichthölzern 
(Lärche)  genügt  es  zur  freudigen  Entwickelung  keineswegs,  wenn  ihr  Gipfel  freien  Himmels- 
raum über  sich  hat,  sondern  sie  verlangen  dazu  auch,  daß  ihre  Krone,  oder  doch  wenigstens 
deren  oberer  Teil,  seitlich  nicht  beengt  ist.  Im  allgemeinen  sind  die  einzelnen  Holzarten  in 
dieser  Hinsicht  um  so  anspruchsvoller,  je  größer  ihr  Lichtbedürfnis  ist.  Jedenfalls  ist  dieses 
verschiedene  Verhalten  bei  der  Frage  nach  der  Mischungsmöglichkeit  in  erster  Linie  zu  be- 
achten. Die  Möglichkeit  der  Mischung  ist  auch  wesentlich  von  dem  relativen  Höhenwachs 
tum  der  Holzarten  abhängig,  d.  h.  davon,  wie  sich  durchschnittlich  die  Höhenentwickelung 
einer  Holzart  zu  derjenigen  einer  anderen  Holzart  vollzieht.  Jede  Holzart  hat  ihre  (namentlich 
durch  den  Beginn  des  raschen  Ansteigens,  sowie  durch  die  Lage  des  Wendepunktes  in  der 
Jugend  und  dann  des  Kulminationspunktes  im  späteren  .'Mter)  besonders  charakterisierte 
Höhenkurve.  Die  absoluten  Werte  der  Ordinalen  ändern  sich  innerhalb  der  nämlichen  Holzart 
nach  dem  Standort,  der  Waldbehandlung  usw.,  während  das  relative  Verhalten,  trotz  der  mit 
wechselnder  Standortsgüte  sich  verschiebenden  Lagerung  der  charakteristischen  Kurven 
punkte,  namentlich  des  Maximums,  doch  ungefähr  das  gleiche  bleibt  (cfr.  IL  3  dieses  Abschnit- 
tes S.  12).  Wird  eine  Holzart  von  einer  anderen  überwachsen,  so  wird  sie  dadurch  meist  (Be- 
schattung, Entzug  der  Niederschläge  etc.)  geschädigt,  kann  jedoch  auch,  vorübergehend 
wenigstens,  (durch  Schutz  gegen  Frost,  Hitze)  in  ihrer  Entwickelung  gefördert  werden,  letzteres 
aber  nur,  wenn  die  überwachsende  Holzart  nicht  zu  massenhaft  beigemengt  und  nicht  zu  dicht- 
kronig  ist,  weil  anderenfalls  die  schädigenden  Einflüsse  überwiegen.  Ueberdies  ist  ein  solcher 
Schutz  meist  nur  in  der  Jugend  von  Belang.  Namentlich  wenn  gleichzeitige,  bezw.  gleichalterige 
Mischungen  beliebt  werden,  ist  in  erster  Linie  die  Höhenentwickelung  im  jugendlichen  Alter 
entscheidend.  Eine  Licht holzart  verträgt,  wie  schon  angeführt  wurde,  dauernde  Ueberwach- 
sung  in  keinem  Falle,  am  allerwenigsten  durch  eine  Schattenholzart,  während  umgekehrt 
der  lockere  Kronenschirm  nicht  zu  zahlreicher  Lichthölzer  (wie  Lärche,  Birke)  einem  Schatten- 
holz die  normale  Entwickelung  nicht  notw-endig  benimmt.  Seitenlicht  (Bestandesränder,  Steil- 
hänge) wirkt  modifizierend. 

d)  Lichtbedürftige  Holzarten  sind  zu  dauernden  Mischungen  nicht  zu  ver- 
binden. Folgt  aus  a.  Ausnahmen  ergeben  sich  in  den  nämlichen  Fällen,  in  welchen 
auch  reine  Bestände  aus  Lichthölzern  unbeanstandet  bleiben  (cfr.  S.  19).  —  e)'Die 
Mischung  kann,  je  nach  Umständen,  eine  gruppen-  und  horstweise  oder  eine  Einzel- 
mischung sein. 

Man  spricht  von  Einzelmischung,  wenn  Einzelexemplare  verschiedener  Holzarten  in 
der  Zusammenordnung  zum  Bestand  mit  einander  abwechseln  oder  die  E.xemplare  einer 
Holzart  einzeln  in  dem  durch  eine  andere  Holzart  gebildeten  Grundbestande  eingesprengt 
sind.  Treten  dagegen  die  einzelnen  Holzarten  in  einer  Mehrzahl  von  Exemplaren  zusammen, 
bilden  also  für  sich  Gruppen  oder  (bei  größerer  Flächenausdehnung  dieser  Verbände)  Horste, 
und  setzen  dann  im  wesentlichen  solche  Verbände  je  der  gleichen  Holzart  in  .Abwechselung 
die  Bestände  zusammen,  so  hat  man  die  gruppen-  oder  horstweise  Mischung.  Gruppe  und 
Horst  gehen  ineinander  über;  eine  für  alle  Fälle  bestimmte  Größe  der  Fläche  als  Grenze  für 
beide  läßt  sich  nicht  angeben.  Man  könnte,  wenigstens  bei  Lichthölzern,  vielleicht  die  Gruppe 
im  Gegensatz  zum  Horste  dann  noch  als  gegeben  ansehen,  wenn  im  Alter  der  beginnenden 
natürlichen  Lichtstellung  vom  umgebenden  Bestandesrand  her  noch  eine  für  den  Boden 
genügende  Beeinflussung  {Laubabfall,  Beschattung)  bis  zur  Mitte  der  betr.  Fläche  hin  statt- 
findet, während  man  einen  Horst  hat,  sobald  die  bodenschützende  Wirkung  des  Grundbestan- 
des sich  nicht  mehr  auf  die  ganze  Fläche  erstreckt. 


24  VI. 

Eine  allgrcmein  bindende  Regel  soll  in  Beziehung  auf  die  Unterscheidung  ad  e  nicht 
aufgestellt  werden.    Heyers  Waldbau  verlangt  im  allgemeinen  (5.  .\ufl.  S.  53)  Einzelmischung, 
während  viele  neuere  Waldbauschriften  (z.  B.  Gay  er)')  mehr  für  gruppen-  und   horstweise 
Mischung  eintreten.    Bei  Beantwortung  der  Frage,  ob  man  reine  oder  gemischte  Bestände  vor 
sich  habe,  also  bei  der  Definierung  dieser  beiden  Bestandesarten,  muß  grundsätzlich  daran  fest- 
gehalten werden,  daß  ein  Mischbestand  im  strengen  Sinne  des  Wortes  eigentlich  nur  dann  vorlie- 
gen würde,  wenn  durchgängig  in  obigem  Sinne  Einzelmischung  vorhanden  wäre.  Bestände,  in 
welchen  in  der  Hauptsache  Einzelbäume,  bezw.  an  deren  Stelle  auch  wohl  kleine  Gruppen 
(Trupps)  der  verschiedenen  Holzarten  in  Untermischung  stehen,  finden  sich  z.  B.  bei  Tanne  und 
Fichte.   So  oft  eine  Lichtholzart  mit  in  Konkurrenz  tritt,  ist  das  Verhalten  in  der  Regel  so,  daß 
man  einen  mehr  oder  minder  zusammenhängenden  Grundbestand  der  Schattenhölzer  hat,  in 
welchem  die  Lichthölzer  verteilt  sind,  und  nun  kommt  es  darauf  an,  ob  diese  Verteilung  (künst- 
lich oder  durch  die  Natur)  so  bewirkt  ist,  daß  die  Individuen  der  Lichtholzarl  zumeist  in 
Gruppen  und  Horsten  zusammenstehen  oder  als  Einzelexemplare  auftreten.    Horste,  ja  selbst 
Gruppen  (also  kleine  Horste)  einer  beigesellten  Holzart  sind,  genau  genommen,  nichts  anderes 
als  reine  Bestände,  mithin  treffen  für  sie  a  priori  alle  die  für  solche  geltenden  Sätze  zu,  nur 
dadurch  modifiziert,  daß  von  den  Rändern  des  Horsts  her  der  Einfluß  des  umgebenden  Holzes 
sich  auf  eine  gewisse  Erstreckung  hin  geltend    macht.     Namentlich  wäre  ein    größerer  Horst 
aus  Lichthölzern  zunächst  ebenso  bedenklich,  wie  ein  reiner  Bestand  aus  solchen.      Diese  und 
die  weitere  Erwägung,  daß  eine  gegenseitige  Beeinflussung  der  Mischhölzer  im  Sinne  der  Stamm- 
pflege nur   dann  möglich  ist,  wenn  die  Individuen  der  verschiedenen  Arten    miteinander   in 
Konkurrenz  treten,  führt  zu  Einzelmischung.   .\ber  es  ist  zu  beachten,  daß  letztere  die  Bestandes- 
erziehung erschwert,  indem  man  die  einzeln  eingesprengten  Beiholzarten  nicht  so  leicht  im  Auge 
behalten  kann,  als  dies  bei  horstweiser  Anordnung  derselben  möglich   ist  -).     Die  Lichthölzer 
werden  im  vorgeschritteneren  -\lter  von  den   Schattenhölzern  immer  mehr  oder  weniger  be- 
drängt.   Hat  man  Lichtholzgruppen  und  -Horste,  so  haben  nur  die  Randstämme  derselben  den 
Kampf  zu  bestehen,  während  die  Bäume  in  deren  Innerem  sich  nur  mit  ihresgleichen  abfinden 
müssen.    Sofort  aber  ist  zu  erwägen,  ob  der  bodenschützende  Einfluß  des  umgebenden  Grund- 
bestandes sich  bis  in  die  Mitte  der  betr.  Fläche  erstreckt,  oder  ob  nicht  für  letztere  noch  beson- 
dere Mittel  zur  Bewahrung  der  Bodenkraft  (Unterbau)  erforderlich  werden.   Die  kleinere  Gruppe 
kann  solcher  Maßnahmen  wohl  entraten;   aber  sobald  man  mit  Horsten  operiert,  löst  sich  das 
Ganze  unzweifelhaft  in  einen  Komplex  aus  einzelnen  reinen  Beständen  auf,  für  welche  nur  an  den 
Rändern  die  Bedingungen  des  Mischbestandes  noch  als  vorhanden  eingeräumt  werden  können. 
Die  ganze  Frage  wird  eigentlich  vom  Standort  entschieden.    Man  sollte  —  soweit  sich  dies  mit 
der  Uebersichtlichkeit  der  Wirtschaft,  einem  Betrieb  in  großem  Zuge,  der  manchen  Vorteil 
bietet,  verträgt  —  grundsätzlich  auf  jedem  (kleinen  oder  großen)  Waldbodenteil  diejenige  Holz- 
art erziehen,  welche  für  ihn  am  besten  paßt,  bezw.  auf  ihm  am  besten  rentiert.    Freie  Wahl 
hätte  man  hiernach  also  nur  auf  Böden,  welche  durchgängig  gleichartig  sind  und  mehrere  Holz- 
arten zulassen.    Hier  kann  man  mischen  oder  (Schattenhölzer)  rein  anbauen,  man  kann  Einzel- 
mischung  oder  horstweise  Anordung   wählen,    und    hier    wäre    die  Einzelmischung   im  allge- 
meinen vorzuziehen.    In  sehr  vielen  Fällen,  und  vorab  fast  stets  im  Hügelland  und  Gebirg,  also 
wohl  auf  dem  größeren  Teil  unserer  gesamten  Waldbodenfläche,  wechselt  aber  die  Standorts- 
güte,   oft   innerhalb  der  einzelnen  Waldableilung   (Mulden,    Rücken  etc.).      Will    man    auch 
nicht   jeden    einzelnen    kleinen    Unterschied    berücksichtigen,    so    muß    doch    eine  sorgfältige 
Begutachtung  der  Bodenproduktionsfähigkeit  in  dem  Maße  gefordert  werden,   daß  man  nicht 
größere  in  sich  nicht  gleichartige  Flächenteile  gleichwohl  mit  Gewalt  als  einheitliche   Ganze 
bewirtschaftet,  sondern  bessere  Partien  den  anspruchsvolleren  Holzarten  (z.   B.  tiefgründige, 
frische  Böden  der  Eiche)  zuweist,  diese  dagegen  von  geringeren  Partien  (steinigen,  trockenen 
Köpfen  usw.)  fern  hält.    Wie  weit  man  bei  solcher  Ausscheidung  ins  Detail  arbeiten  soll,  läßt 
sich  nicht  allgemein  bestimmen.    Jedenfalls  aber  geht  dadurch  die  Einheitlichkeit  des  Bestandes 
innerhalb  des  einzelnen  Waldteiles  verloren  und  der  Gesamtbestand  gestaltet  sich  zu  einer  An- 
zahl von  Einzelbeständen,  die  in  sich  gleichartig  (reine  Bestände,  event.  mit  Unterbau),  aber 
auch  wieder  Mischbestände  sein  können.    Es  kann  sich  im  einzelnen  naturgemäß  eine  größere 
oder  geringere  Mannigfaltigkeit  ergeben,  je  nachdem  man  der  einen  oder  anderen  der  dabei 
auftretenden  Erwägungen  (sorgsamste  Ausnutzung  jeder  kleinen  Bodenverschiedenheit  einer- 
seits, oder  Vereinheitlichung  der  Wirtschaft  und  \ereinfachung  der  Forsteinrichtung  anderer- 
seits etc.)  das  größere  Gewicht  beimißt.    In  den  meisten  Fällen  wird  Vermeidung  der  Extreme 
im  Interesse  der  Wirtschaft  (wenigstens  bei  großem  Waldbesitz)  gelegen  sein. 

3)  Spezielle  Regeln: 

§  12)  a)  S  c  h  a  1 1  e  n  h  ö  1  z  e  r  unter  einander: 

1)  T  a  n  n  e    und    Fichte:    Die  Tanne,  in  der  Jugend  langsamer  wüchsig,  wird  von 


1)  G  a  y  e  r,  „Maldbau"  und  dessen  ,,Der  gemischte  Wald,   seine  Begründung  und  Pflege, 
insbes.  durch  Horst-  und  Gruppenwirtschaft",  1886. 

2)  Durch  regelmäßige  \'erteilung  etwa  in  Reihen   oder  dergl.  läßt  sich  übrigens  manchmal, 
wenn  auch  keineswegs  immer,   helfen. 


Das  Bestandesinalerial.     S  12.  25 

der  Kiclilc  übcrlioll,  koiuml  aber  wieder  nach,  falls  die  Ficlitc  niciil  zu  zahlreich.  Selir  Rute 
Miscliung  ')  ,  die  bei  nalürlieher  N'erjüiiguiif,'  \vie<ler  erscheint,  wenn  durch  Heduküon  der 
Fichten  auf  eine  geringere  Zahl,  sodann  durch  IJunkelhaltcn  des  Samenschlags  (so  daß  der 
Fichtenanflug  zunächst  wieder  vergehl,  während  sich  die  Tanne  hält)  die  Tanne  vorerst  begün- 
stigt wird.  Die  hin  und  wieder  angewendete  regelmäßige  reihenweise  Mischung  führt  gemein- 
hin zu  keinem  befriedigenden  Hesultal.  ebensowenig  wie  die  regelmäßige  Einzelmischung.  Die 
Tanne  wird  in  solchen  Mischungen,  namentlich  dann,  wenn  der  Boden  den  von  ihr  gestellten 
höheren  Ansprüchen  in  bezug  auf  Nährkraft  und  Tiefgründigkeit  nicht  entspricht,  von  der 
Fichte  von  Jugend  auf  überwachsen  und  bleibt,  wenn  ihr  nicht  ganz  energisch  zu  Hilfe  ge- 
kommen wird,  sitzen.  —  2)  Tanne  und  Buche:  Die  größere  Nutzfähigkeit  der  Tanne 
verlangt  besondere  Rücksichtnahme  auf  diese  Holzart;  sie  soll  herrschende  Holzart  sein  und 
ist,  naniontlich  auf  der  Buche  behagendem  Standort,  in  der  Jugend  vor  der  Buche  zu  schüt- 
zen. Bei  der  \erjüngung  ist  zunächst  nur  auf  Tanne  zu  wirtschaften  und  erst,  weim  deren 
Nachwuchs  gesichert  ist,  die  für  die  junge  Buche  nötige  lichtere  Stellung  zu  geben.  Größere 
Sicherheit  der  mit  Buche  durchstellten  Tannenbestände  gegen  Stürme!  —  3)  Buche  mit 
Fichte:  .\uch  hier  ist  die  Buche  an  sich  die  minderwertige  Holzart.  Sie  wird  von  der 
Fichte  bald  überholt  und  bei  reichlicher  Beinuschung  derselben  in  eine  mehr  untergeordnete 
Stellung  gedrängt.  Will  man  die  Buche  gleichwertig  erhalten  (wozu  aber  meist  kein  Grund 
vorliegen  dürfte),  so  muß  sie  an  Zahl  überwiegen.  Im  allgemeinen  wird  es,  auch  mit  Rücksicht 
auf  den  Boden  etc.,  genügen,  wenn  die  Buche  in  der  Zusammenordnung  mit  Tanne  oder  Fichte 
oder  mit  beiden  etwa  V« — Vs  der  Bestandesmasse  ausmacht  und  zwar  mehr  in  Gestalt  eines 
Zwischen-  und  Füllholzes,  weniger  als  herrschender  Stamm.  Tritt  die  Buche  aber  nicht  herr- 
schend, sondern  mehr  nur  als  bodenpflegendes  Füllholz  auf,  so  bereitet  die  Verjüngung  solcher 
Bestände,  vorausgesetzt,  daß  die  Mischung  in  dem  genannten  Nerhällnis  auch  in  dem  neuen 
Bestände  beibehalten  werden  soll,  meist  große  Schwierigkeiten  und  endet  vielfach  mit  dem 
Ergebnis,  daß  an  Stelle  des  ehemaligen  Mischbestandes  ein  reiner  Fichten-  bezw.  Tannenbestand 
tritt,  dem  nur  auf  künstlichem  Wege  (durch  Unterbau  oder  Saat)  die  gewünschte  Durch- 
sprengung mit  Buche  verschafft  werden  kann.  —  4)  Tanne,  Fichte  und  Buche: 
Treffliche  Mischung,  wenn  Tanne  und  Fichte  überwiegen.  Wo  die  Buchenbrennholzpreise 
besonders  hoch  stehen,  oder  sich  für  Buchennutzholzverwendung  ausnahmsweise  günstige  Ge- 
legenheit bietet,  kann  man  der  Buche  in  der  Mischung  selbstredend  mehr  Raum  gönnen.  Bei 
der  ^'erjüngung  entscheidet,  falls  die  Mischung  erhalten  bleiben  soll,  zunächst  wieder  die  für 
die  Tanne  geeignete  dunkle  Schlagstellung. 

b)  Schatten-  und  Lichthölzer: 

1.  T  a  n  n  e  als  Grundbestand:  Charakteristisch  ist,  daß  die  Tanne  anfänglich  von  allen 
Lichthölzern  überw'achsen  wird,  ihnen  (namentlich  den  Laubhölzern)  aber  im  Stangenholzalter 
(früher  oder  später)  vielfach  wieder  nachkommt,  ja  viele  von  ihnen  erheblich  überwächst. 
Gleichalterige  Mischungen  der  Tanne  mit  lichtbedürftigen  Laubhölzern,  wie  Eiche,  Esche, 
Ahorn  finden  sich  in  den  Haupttannengebieten  von  Natur  kaum  anders  als  so,  daß  diese  Holz- 
arten einzeln  da  und  dort  eingesprengt  sind,  oder  so,  daß  die  gleichzeitig  beigesellte  Buche  ge- 
wissermaßen die  Vermittelung  übernimmt.  Jene  Mischung  planmäßig  herbeizuführen,  liegt 
meist  kein  Grund  vor.  —  Dagegen  kann  sich  wirtschaftlich  sehr  empfehlen  ')  die  Mischung 
der  Tanne  mit  der  Kiefer,  welch  letztere  Holzart  den  höheren  Tannenumtrieb  meist  trefflich  aus- 
hält und  dabei  besonders  wertvolle  Stämme  herausbildet.  —  Tanne  mit  Lärche  insofern  be- 
denklich, als  es  im  geschlossenen  Bestände  oft  nicht  gelingt,  der  lichtbedürftigen  Lärche,  welche 
selbst  seitliche  Bedrängung  übelnimmt,  den  erforderlichen  Vorsprung  dauernd  zu  wahren.  — 
Tanne  und  Birke  nur  insolange  zulässig,  als  die  vorwüchsige  Birke  die  Gipfel  der  Tanne  nicht 
beschädigt  (event.  Schneitelung  der  Birke). 

2.  F  i  c  h  t  e  als  Grundbestand:  Die  Fichte  verhält  sich  im  allgemeinen  ähnlich  wie  die 
Tanne,  geht  nur  von  vornherein  rascher  in  die  Höhe  und  bedarf  deshalb  in  der  Jugend  nicht 
in  dem  Maße,  wie  die  Tanne,  der  Unterstützung  im  Ivampt  mit  anderen  Holzarten.  F'ichte 
mit  Kiefer  meist  gut.  Bei  gleichzeitiger  Mischung  der  Fichte  und  Kiefer  muß  aber,  falls  man 
nicht  denmächst  einen  Kiefernbestand  mit  Fichtenunterwuchs  haben  will,  die  Fichte  an  Zahl 
beträchtlich  vorherrschen.  Je  nach  dem  Standort  ist  die  Gefahr  für  die  Fichte  größer  oder 
geringer  (auf  trockenen  Böden  bleibt  die  Fichte  rascher  zurück).  Die  von  der  Kiefer  nicht  völlig 
unterdrückten  Fichten  holen  aufbesseren  Böden  die  Kiefer  später  wieder  ein,  zumal  bei  erhöhtem 
Lichtgenuß,  wie  z.  B.  infolge  Schneebruch*.  Bislang  völlig  zurückgebliebene  Fichten  erweisen 
sich  dann  oft  noch  als  sehr  entwickelungsfähig,  indem  sie  in  die  entstandenen  Lücken  einwach- 
sen. Bei  reihenweiser  oder  Einzelmischung  von  Fichte  und  Kiefer  ist  darauf  zu  achten,  daß 
auf  Böden,  die  das  Hochwerden  der  Fichte  nicht  erwarten  lassen  und  ihr  von  vornherein  die 
Rolle  als  Bodenschutzholz  zuweisen,  die  Kiefer  in  hinreichend  engem  Verband  erzogen  wird, 
da  sonst  die  über  die  Fichten  hinauswachsenden  Kiefern  ästige  Sperrwüchse  werden.  —  Fichte  mit 


1)  Z.  B.  in  vielen  Revieren  des  Schwarzwaldes.     Die  Mischung  ist  daselbst  meist  eine  grup- 
pen-  und  horstweise,  wie  dies  durch  den  Gang  der  N'erjüngung  bedingt  ist. 

2)  Z.  B.  Oberförsterei  Wasselnheim  —  Elsaß. 


26  VI.  Lorey,    Waldbau. 

Lärche  meist  noch  weit  zweifelhafter  wie  Tanne  mit  Lärche,  weil  die  Fichte  der  Lärche  rascher 
nachdrängt.  Bei  räumlicherer  Bestandesstellung  und  im  Genüsse  reichlichen  Seitenlichtes 
(höhere  Gebirgslagen,  steile  Hänge)  gelingt  es  der  Lärche  eher,  ja  bisweilen  sehr  gut,  sich  zu 
behaupten,  insbesondere,  wenn  sie  der  Fichte  reichlich  beigesellt  ist.  —  Fichte  mit  Birke,  wie 
Tanne  mit  Birke.  —  Desgleichen  Fichte  mit  Eiche,  Esche,  Ahorn,  Ulme  etc.  Will  man,  um  in 
einem  Fichtengebiet  genügende  Mengen  von  Eichenholz  zu  erziehen,  etwa  Fichte  und  Eiche 
in  Mischbeständen  haben,  so  empfiehlt  sich  Einbringen  der  Eiche  in  Horsten  bezw.  flächen- 
weise Sonderung.  Bei  reihenweiser  oder  Einzelmischung  wird  die  Eiche  meist  früher  oder 
später  von  der  Fichte  totgedrückt.  Diese  Mischung  empfiehlt  sich  nach  vielen  übereinstim- 
menden Erfahrungen  gar  nicht.  Ebensowenig  ist  der  Unterbau  älterer  Eichenbestände  mit 
Fichte  zu  empfehlen:  auf  nicht  sehr  frischen  Böden  führt  der  Fichtenunterwuchs  zur  Zopf- 
dürre  und   Zuwachsrückgang  der   Eichen. 

3.  Buche  als  Grundbestand:  Die  Buche  ist  für  die  meisten  lichtkronigen  Laubhölzer 
die  gegebene,  ebenso  aber  auch  für  Kiefer  und  Lärche  eine  treffliche  Mischholzart,  welche  durch 
ihre  schirmende  Krone  und  ihren  Laubabfall  auf  den  Boden  in  hervorragendem  Maße  günstig 
wirkt.  Nur  muß  man  sorgen,  daß  die  Lichthölzer,  falls  sie  nicht  entschieden  rascher  wüchsig 
sind  als  die  Buche,  von  letzterer  nicht  bedrängt  (seitliche  Beengung  der  Krone  ist  oft  schon 
verderblich)  oder  gar  überwachsen  werden.  In  Untermischung  mit  der  Buche  zieht  man  die 
Halbschattenhölzer  Hainbuche,  Linde  am  besten.  Sodann  werden  Ahorn,  Esche,  Ulme,  Birke, 
Aspe  etc.,  vor  allem  aber  die  Eiche  zweckmäßig  mit  der  Buche  zusammengebracht.  Ahorn  kann 
in  der  Jugend  recht  vordringlich  werden  und  ist  dann,  wenn  die  Buche  nicht  zu  sehr  zurück- 
treten soll,  zu  reduzieren;  Esche  und  Ulme  in  großer  Zahl  sind  (wegen  des  besonders  wert- 
vollen Holzes)  meist  nur  erwünscht.  Der  Mischung  der  Buche  mit  Esche  und  Ahorn  kommt 
örtlich  (z.  B.  in  der  schwäbischen  Alb)  besondere  Wichtigkeit  zu.  Birke  und  .\spe  dürfen  mit 
Rücksicht  auf  Bodenschutz  und  Massenproduktion  nicht  in  größerer  Menge  und  jedenfalls  nicht 
in  größeren  Gruppen  oder  gar  Horsten  vorkommen.  —  Von  hervorragender  Bedeutung  ist  die 
Mischung  der  Buche  und  Eiche,  und  zwar  handelt  es  sich  hier  zunächst  um  (wenigstens  annähernd) 
gleichalterige  Mischung  (Unterbau  der  Eiche  ist  später,  §  84  besprochen).  Ob  Eiche  oder 
Buche  vorwüchsig  ist,  läßt  sich  zwar  nicht  ganz  allgemein  angeben  '),  doch  ist  in  dieser 
Hinsicht  der  schon  S.  13  berührte  Unterschied  zwischen  Stieleiche  und  Traubeneiche  zu 
beachten;  der,  ausweislich  zahlreicher  Beobachtungen^),  mehr  Schatten  und  Seitendruck 
ertragenden,  anspruchsloseren,  schnellwüchsigeren  und  durch  bessere  Schaftbildung  (vielleicht 
infolge  der  kräftigeren  Endknospe)  gekennzeichneten  Traubeneiche  wird  die  Konkurrenz  mit 
der  Buche  leichter.  Nach  den  Erfahrungen  im  Solling  ^)  hält  die  Traubeneiche  im  rascheren 
Wachstum  aus  und  bleibt  infolgedessen  im  gleichalterigen  Buchengrundbestande  mitherrschend, 
die  Stieleiche  vermag  auf  gutem  Boden  wohl  in  der  ersten  Jugend  mit  der  Buche  Schritt  zu  hal- 
ten, unterliegt  aber  bald.  Immerhin  wird,  wie  auch  im  Spessart  zu  beobachten  ist,  auch  die  Trau- 
beneiche im  Stangenholzalter  von  der  Buche  oft  eingeholt  und  so  hart  bedrängt,  daß  einzeln 
stehende  Exemplare  sich  im  umgebenden  Buchenbestande  nur  zu  halten  vermögen,  wenn 
ihnen  durch  Freihieb  seitens  der  Wirtschaft  ausgiebigste  Hilfe  gewährt  wird.  Letztere  muß 
schon  im  Gertenholzalter  einsetzen  und  durch  alle  Lebensalter  des  Bestandes  andauern:  eine 
im  großen  Betrieb  sehr  weitgehende  Forderung,  welcher  nicht  ohne  oft  beträchtliche  Kosten, 
jedenfalls  aber  nur  bei  größter  Aufmerksamkeit  und  Ausdauer  des  Wirtschaftspersonals  genügt 
werden  kann.  Horstweises  Einbringen  der  Eiche  (Horste  von  beträchtlicherem  Umfang  am 
meisten  empfohlen)  in  Gestalt  des  Vorbaus  (am  besten  durch  Saat),  so  daß  die  Eiche  einen  ent- 
sprechenden Höhenvorsprung  hat,  sichert  deren  Heraufwachsen  inmitten  des  später  sich  ringsum 
einstellenden  Buchenaufschlags;  man  kommt  dann  aber,  wie  schon  oben  S.  24  betont  wurde, 
zu  reinen  Beständen,  welche  demnächst  unterbaut  werden  müssen  '). 

c)    Lichthölzer    unter    einander. 

Besondere  Fälle  sind  z.  B.  Birke,  Eiche  etc.  eingesprengt  in  die  Kiefernbestände  auf  Sand- 
böden, wo  man  sich,  um  überhaupt  etwas  Laubholz  zu  erziehen,  mit  dieser  an  sich  zweifel- 
haften Mischung  begnügen  muß.  Sodann:  Erle  mit  Esche,  auch  Birke  (bes.  Betula  pubescens) 
etc.  auf  nassen  Standorten;  Eiche  mit  Ulme,  Esche,  Erle,  Pappel  u.  a.  auf  den  fruchtbaren, 
tiefgründigen  Böden  der  Flußniederungen  usf. 

Die  ehemals  häufigere  Mischung  zweier  Lichthölzer,  die  von  Kiefer  und  Eiche,  die  durch 
das  Vorkommen  guter  Eichen  auf  hinreichend  frischen  und  tiefgründigen,  mineralisch  nicht 
zu  armen  Kiefernstandorten  gewissermaßen  legRimiert  sind,  kann  dort,  wo  der  Boden  eine 
befriedigende  Entwicklung  der  Eiche  gewährleistet,  besser  ersetzt  werden  durch  die  Mischung 

1)  Ed.  H  e  y  e  r  (cfr.  u.  a.  Zeitschrift  f.  Forst-  u.  Jagdwesen,  Novbr.  1886)  führt  das  tat- 
sächlich oft  raschere  in  die  Höhewachsen  der  Eichen  gegenüber  der  Buche  auf  die  geringere 
Empfindlichkeit  der  Eiche  gegen  Frost,  bezw.  das  bessere  Ueberwinden  der  Frostschäden  zurück; 
in  frostfreier  Lage  (Nord-,  Westhänge)  sei  die  Buche  in  der  Jugend  vorwüchsig. 

2)  Cfr.  u.  a.  N  e  y  in  „Aus  dem  Walde"  Nr.  49  von  1899. 

3)  Verhdlgn.  d.  Hils-SoUing  Forstvereins.    27.  Vers.  1890,  S.  10  ff. 

4)  Vergl.  Gay  er,  „Die  neue  Wirtschaftsrichtung  in  den  Staatswaldungen  des  Spes- 
sarts",  1884. 


Das  Bestandesmaterial.     §  13.  27 

der  Eiclic  mit  einem  dann  zweifellos  auch  cnlwicklunfjbfäliigen  ScliaLlenholz.  AuS  ausgespro- 
chenem Kiefernboden  aber,  wo  die  Eiche  die  ihr  nötigen  Bodenverhältnisse  nicht  findet  und 
deshalb  von  der  Kiefer  leicht  überwachsen  wird,  hat  diese  Mischung  ebensowenig  Berechtigung 
wie  die  auf  eine  totale  Verkennung  der  Lärchennatur  schließen  lassende  Mischung  der  Kiefer 
mit  der  Lärche.  —  Auch  die  hier  und  da  aus  .Ausbesserungen  lückiger  Eichcnkulturen  hervor- 
gegangene Mischung  von  Eiche  und  Lärche  hat  meist  zu  keinem  anderen  Ergebnis  als  zu  früh- 
zeitig zurückgehenden  und  verunkrautenden   Beständen  geführt. 

Alle  Erfahrungen  mit  Mischungen  von  Lichlholzarten  unter  sich  weisen  darauf  hin,  daß 
solche  Mischungen  nur  auf  den  besten  und  auf  den  schlechtesten  Böden  zulässig  sind.  Auf  den 
ersteren  findet  sich  der  notwendige  Bodenschutz  meist  von  selbst  in  Gestalt  von  Strauchwerk 
und  Unterholz  (Auewaldungen)  ein  oder  kann  durch  Unterbau  eines  Schattenholzes  geschaffen 
werden;  auf  den  letzteren,  wo  meist  sowieso  nur  Lichthölzer,  Kiefer  und  Birke  gedeihen,  macht 
es  nichts  aus,  ob  diese  rein  oder  in  Mischung  auftreten. 

Bestände  aus  Kiefer  und  Eiche  in  der  Form  abwechselnder  breiter  Streifen  aus  den  beiden 
Holzarten  sind  füglich  als  entsprechend  viele  schmale  reine  Bestände  zu  betrachten.  Die  Eichen- 
streifen, welche  meist  höheres  Alter  erreichen  sollen,  müssen  unterbaut  werden. 

C.  Holzaptenweehsel. 

§  13.  Ist  es  für  die  Erzielung  dauernd  höchster  Ertragsleistung  notwendig,  nach 
Abtrieb  eines  Bestandes,  also  etwa  von  Umtrieb  zu  Umtrieb,  mit  der  Holzart  zu  wech- 
seln ?  Da  die  Holzarten  verschiedene  Ansprüche  an  die  Mineralbestandteile  des  Bodens 
machen,  so  liegt  der  Gedanke  nahe,  ob  nicht  durch  regelmäßigen  Holzartenwechsel  in 
dem  Sinne,  wie  die  Landwirtschaft  einen  Fruchtwechsel  eintreten  läßt,  von  einem  be- 
stimmten Boden  dauernd  die  höchstmöglichen  Erträge  an  Forstprodukten  erzielt 
werden  können.  Vorausgesetzt,  daß  die  hierbei  für  einen  konkreten  Fall  etwa  in 
Wahl  kommenden  Holzarten  im  übrigen  wirtschaftlich  gleichwertig  sind,  läßt  sich 
gegen  einen  solchen  Wechsel  an  sich  nichts  einwenden,  Aber  einmal  ist  diese  Voraus- 
setzung in  den  weitaus  meisten  Fällen  nicht  zutreffend,  und  sodann  ist  der  Wechsel 
der  Holzart  als  Regel  mindestens  keine  Notwendigkeit,  weil  —  bei  einer  den  Boden 
sorgsam  pflegenden  Wirtschaft  —  durch  den  relativ  sehr  geringen  und  je  nur  in 
langen  Zeiträumen  erfolgenden  Entzug  an  Mineralstoffen  keine  so  weit  gehende 
Schwächung  der  Bodenkraft  stattfindet,  daß  bei  wiederholter  Anzucht  der  gleichen 
Holzart  ein  Nachlassen  im  Ertrag  oder  gar  ein  völliges  Versagen  zu  befürchten  ist. 
Wo  freilich  die  nötige  Bodenpflege  fehlt,  wo  insbesondere  rücksichtslose  Streunutzung, 
unbedachte  Verlichtung  der  Bestände  usw.  das  fernere  Gedeihen  einer  irgend  an- 
spruchsvollen Holzart  zweifelhaft  machen,  da  kann  die  Vermittelung  einer  minder 
begehrlichen  Holzart  zum  Zwecke  der  Bodenverbesserung  angerufen  werden  müssen 
{Kiefernanbau  auf  zurückgegangenen  Laubholzböden).  Derartige  durch  eine  Notlage 
herbeigeführte  Holzartenwechsel  lassen  sich  vielfach  nachweisen  (nord westdeut- 
sches Heidegebiet).  Ebenso  tritt  jetzt  in  vielen  Fällen  aus  rein  wirtschaftlichen 
Gründen  eine  wertvollere  Holzart  an  Stelle  einer  minderwertigen  (Umwandlung  von 
Buchenorten  in  Nadelholz),  ein  Vorgang,  welcher  stets  gerechtfertigt  ist,  wenn  damit 
unzweifelhaft  eine  dauernd  höhere  Rentabilität  des  Waldes  herbeigeführt  wird. 
Auch  Gründe  des  Forstschutzes  (Wildschaden,  Schnee,  Insekten  etc.)  können  da  und 
dort  einen  Holzartenwechsel,  zumal  den  Uebergang  von  reinen  zu  gemischten  Be- 
ständen, rätlich  erscheinen  lassen.  Solche  und  ähnliche,  durch  Rücksichten  der  Wirt- 
schafthchkeit  und  den  ungestörten  Verlauf  des  Forstbetriebes  gebotene  besondere 
Maßnahmen  sind  immerhin  nicht  geeignet,  einen  Holzartenwechsel  als  Regel  zu 
empfehlen.  Es  scheint  aber,  als  legten  in  unseren  im  Banne  der  modernen  Betriebs- 
formen stehenden  Wirtschaftswäldern  die  in  den  gleichalterigen  geschlossenen  Be- 
ständen unserer  Hauptholzarten  sich  ausbildenden  ungünstigen  Humusverhältnisse 
dem  Wirtschafter  nahe,  durch  Mischung  einem  wenigstens  partiellen  Holzarten- 
wechsel nachzugehen,  um  dem  weiteren  Fortschreiten  des  mancherorts  bemerkbar 


28  ^"'-  Lorey,    Waldbau. 

werdenden  Bodenrückganges  (durch  Trockentorfbildimg)  vorzubeugen.  Man  muß 
H.  .Jentsch  beistimmen,  wenn  er  darauf  hinweist^),  daß  die  immer  lauter  erhobene 
Forderung  gemischter  Bestände  ein  Zugeständnis  an  das  „Naturgesetz  des  Frucht- 
wechsels" ist  und  daß  in  den  gemischten  Beständen  ein  modifizierter  Fruchtwechsel 
erblickt  werden  kami.  Nicht  unbeachtet  darf  bleiben,  daß  Mischbestände  nicht  nur 
im  Hinblick  auf  den  physikalischen  Zustand  des  Bodens  wertvoll  sind,  sondern  auch 
als  geeignetes  Mittel  gegen  einseitige  Inanspruchnahme  seines  Nährstoffgehaltes  an- 
gesehen werden  müssen.  In  teilweisem  Zusammenhang  mit  dem  Streben,  der  Not- 
wendigkeit eines  totalen  Holzartenwechsels,  einer  vollständigen  Umwandlung  vor- 
zubeugen, steht  ferner  die  Frage,  ob  nicht  auch  im  Walde,  in  analoger  Weise  wie  im 
Landwirtschaftsbetriebe,  mit  künstlicher  Düngung  nachgeholfen  werden  sollte.  Tat- 
sächlich ist  man  dieser  Frage  in  neuester  Zeit  näher  getreten,  indem  man  die  Düngung 
nicht  mehr  auf  die  Saat-  und  Pflanzbeete  der  Forstgärten  beschränkte,  sondern  sie 
auch,  wenigstens  versuchsweise,  auf  Kulturflächen  des  freien  Waldes,  in  Gerten-  und 
Stangenhölzern  angewendet  hat.  Nur  planmäßig  eingeleitete  Versuche  größeren  Um- 
fanges  und  unter  verschiedenartigen  Verhältnissen  können  uns  die  notwendigen  Auf- 
schlüsse gewähren  (vgl.  vierter  Abschnitt,  Bodenpflege). 

§  14.  Ihrer  wenn  auch  nur  äußerlichen  Verwandtschaft  mit  der  Frage  des 
Holzartenwechsels  wegen  mögen  hier  die  beachtenswertesten  Erfahrungen  folgen,  die 
mit  der 

Einführung    ausländischer    Holzarten 
in  deutsche  bezw.  mitteleuropäische  Waldgebiete  gemacht  worden  sind. 

Die  seit  1870  wieder  aufgegriffene  Frage  nach  dem  Werte  fremder,  namentlich 
nordamerikanischer  Holzarten  für  unsere  heimische  Forstwirtschaft  hat  bereits  in 
den  letzten  .Jahrzehnten  des  18.  Jahrhunderts  die  forstlichen  Gemüter  lebhaft  be- 
wegt und  würde  ihrer  Lösung  weit  näher  gebracht  sein,  wenn  sie  seinerzeit  von  den 
Vertretern  der  sog.  forstlichen  Ausländerei  (v.  Münchhausen,  v.  Veitheim,  du  Roi, 
V.  Burgsdorf,  v.  Wangenheim)  auf  eine  so  sichere  Basis  gestellt  worden  wäre,  wie  es 
in  der  Neuzeit  seitens  der  forstlichen  Versuchsanstalten  geschehen  ist.  Da  das  nicht 
der  Fall  war  und  da  das  ehedem  treibende  Motiv  der  .Anbauversuche,  die  drohende 
Holznot,  seine  Wirksamkeit  bald  verlor,  schlief  die  Bewegung  zugunsten  der  fremden 
Holzarten  unter  dem  Drucke  der  damaligen  politischen  Verhältnisse  um  so  schneller 
wieder  ein,  als  sich  Männer  wie  Georg  Ludw.  Hartig  und  Pfeil  angesichts  der  vielen 
Mißerfolge  der  Einführungsversuche  berechtigt  sahen,  die  Exotenfrage  als  Schwär- 
merei und  Torheit  hinzustellen.  Infolgedessen  sind  es  nur  wenige  Holzarten,  vor 
allem  die  Weymouthskiefer,  die  ihr  Heimatsrecht  im  deutschen  Walde  aus  der  Zeit 
der  ersten  Anbaubewegung  datieren.  Wohl  aber  ragen  in  Gärten  und  Parks  stehende 
stark-  und  hochstämmige  Exemplare  einer  Reihe  anderer  noi  damerikanischer  Laub- 
und Nadelhölzer,  meist  Platanen,  Tulpenbäume,  Eichen,  Walnüsse  usw.  aus  dem 
18.  .Jahrhundert  in  die  Gegenwart  hinein  und  künden  als  lebende  Zeugen,  daß  der  guten 
Entwicklung  dieser  Holzarten  in  unserem  Klima  Hindernisse  nicht  entgegenstehen. 

Die  neuzeitliche  Steigerung  des  Nutzholzbedarfes  und  die  mit  ihr  in  Verbindung 
stehende  Tatsache,  daß  eine  Anzahl  fremder  Holzarten,  die  unseren  heimischen  Nutz- 
hölzern auf  dem  Markte  bedenkliche  Konkurrenz  machen-),  Klimaten  entstammen, 
welche  den  unsrigen  gleich  oder  ähnlich  sind,  regten  die  Exotenfrage  von  neuem  an. 


1)  Fruchtwechsel  in  der  Forstwirtschaft,  Berlin  1911,  S.  87. 

2)  Vergl.  hierzu  Unwin,    Die   forst-  und  Volkswirtschaft!.  Bedeutung  der  .^nbauversuche 
mit  nordamerikanischen  Holzarten  für  Deutschland  und  .Nordamerika.    Zbl.  f.  d.  ges.   Forslw. 

903,   S.   8,   56,   153,   207. 


Das  Bestandesmaterial.     §  14.  29 

Die  Propaganda  für  Wiederaufnahme  der  Anbauversuche  setzte  mit  dem  kaufmän- 
nisch ganz  plausiblen  Hinweis  ein,  daß  wir  einen  großen  Teil  des  jetzt  dem  Auslande 
mit  teurem  Gelde  bezahlten  Holzes  doch  viel  bequemer  im  eigenen  Lande  erzeugen 
köiniten.  Der  Gedanke  ist  sicherlich  nicht  zu  verwerfen;  es  wird  ja,  schon  wegen  des 
beschränkten  Areales,  das  den  fremden  Holzarten  im  deutschen  Walde  nur  zugewie- 
sen werden  kann,  an  ein  vollständiges  Hintanhalten  des  Importes  fremden  Holzes  nie 
gedacht  werden  können.  Jedenfalls  aber  gehörte  es  zu  den  waldbaulichen  Aufgaben 
des  forstlichen  Versuchswesens,  die  Bedingungen  festzustellen,  unter  welchen  ein  der- 
artiges Unternehmen  erfolgversprechend  sein  möchte.  Der  Verein  deutscher  forst- 
licher Versuchsanstalten  hat  sich  diese  Frage  auch  angenommen  und  seit  etwa  30  Jah- 
ren mehr  oder  weniger  umfangi-eiche  Anbauversuche  mit  ausländischen  Holzarten 
eingeleitet  ^).  Ein  ganz  hervorragendes  Verdienst  um  die  Anbahnung  dieser  Ver- 
suche und  um  die  Wiederbelebung  des  Einführungsgedankens  hat  sich  der  begeisterte 
Vorkämpfer  desselben,  J  o  h  n  B  o  o  t  h  ,  teils  durch  seine  unverdrossene  litera- 
rische Tätigkeit-),  teils  dadurch  erworben,  daß  er  den  Fürsten  Bismarck  für  seine 
Ideen  zu  interessieren  und  dessen  mächtige  Befürwortung  zu  gewinnen  verstand. 

Bei  der  Beurteilung  einer  ausländischen  Holzart  hinsichtlich  ihrer  Einführungs- 
möglichkeit sind  Anbaufähigkeit  und  A  n  b  a  u  w  ü  r  d  i  g  k  e  i  t  zu  unter- 
scheiden. Erste  Voraussetzung  für  die  Einführung  ist,  daß  die  betreffende  Holzart 
unser  Klima  verträgt,  d.  h.  aus  klimagleichen  Verhältnissen  stammt.  Entscheidend 
sind  dabei  sowohl  die  mittleren  Jahrestemperaturen  bei  uns  und  in  ihrem  Heimat- 
lande als  namentlich  auch  die  niedrigsten  Wintertemperaturen,  auf  welche  wir  zeit- 
weise rechnen  müssen,  sowie  die  Temperatur  in  der  eigentlichen  Vegetationsperiode, 
fernerhin  auch  insbesondere  die  Feuchtigkeitsverhältnisse  (Seenähe,  Luftfeuchtig- 
keit, Niederschlagsmengen  usw.).  Gedeihen  die  fremden  Gehölze  im  Walde  oder 
außerhalb  desselben,  im  Garten  und  Park,  so  ist  ihre  Anbaufähigkeit  unzweifelhaft 
bewiesen,  nicht  aber  ihre  Anbauwürdigkeit  im  forstlichen  Sinne.  Um  diese  zu  be- 
jahen, muß  die  in  Frage  kommende  fremde  Holzart  auf  einem  bestimmten  Standort 
im  Vergleich  zu  der  für  denselben  passenden  heimischen  Holzart  mehr  oder  doch 
mindestens  dasselbe  leisten.  Dekorative  Werte  und  Befriedigung  unseres  Schönheits- 
gefühles sind  es  nicht,  die  im  Walde  über  Anbauwürdigkeit  entscheiden.  Hier  gilt 
im  allgemeinen  als  anbauwert  nur  das,  was  materielle  oder  wald  bauliche 
Vorteile  bietet.  Diejenige  Holzart  ist  anbauwürdig,  die  die  heimischen  Arten  in  der 
Holzmassenerzeugung  in  quanti-  oder  qualitativer  Hinsicht  übertrifft,  die  also  in 
gleicher  Zeit  mehr  und  möglichst  auch  besseres,  durch  wertvolle  technische  Eigen- 
schaften bezw.  durch  gute  Formausbildung  ausgezeichnetes  Holz  erzeugt.  In  bezug  auf 
diesen  Punkt  ist  eine  Bemerkung  von  Prof.  Mayr-München  beachtenswert.  Mayr^) 
weist  darauf  hin,  daß  alle  Arten  ein  und  derselben  Baumgattung  ein  in  seinem  ana- 
tomischen Aufbau  und  damit  auch  in  vielen  physiologischen  und  technischen  Eigen- 
schaften gleiches  Holz  erzeugen,  gleichgültig,  wo  diese  Arten  wachsen,  und  daß  des- 
halb durch  Einführung  von  Holzarten,  deren  Gattung  in  unserem  Walde  schon  ver- 
treten ist,  d.  h.  durch  Einführung  fremder  Fichten,  Tannen,  Lärchen  usf.  ein  an  Güte 


1)  Arbeitsplan  für  Anbauversuche  mit  ausländischen  Holzarten,  sowie  Arbeitsplan  für 
Untersuchung  des  forstliclien  \erhaltens  ausländischer  Holzarten,  vergl.  Gang  hof  er,  Das 
forsll.  Versuchswesen.  II.  Bd,  S,  169  und  191. 

2)  Vergl.  John  Booth,  Die  Douglas-Fichte.  Berlin  1877.  —  D  e  r  s.  ,  Die  Naturali- 
sation ausländischer  Waldbäunie  in  Deutschland.  Berlin  1882.  —  D  e  r  s.  ,  Die  nordamerikani- 
schen Holzarten  und  ihre  Gegner.  Berlin  1896.  —  D  e  r  s.  ,  Die  Einführung  ausländischer  Holz- 
arten in  die  Preußischen  Staatsforsten  unter  Bismarclc  und  Anderes.    Berlin  1903. 

3)  H.  Mayr,    Fremdländische  Wald-  und  Parkbäume  für  Europa.    Berlin  1906.  S.  219. 


30  VI.  L  0  r  e  y  ,    Waldbau. 

besseres  Holz  als  das  der  heimischen  Art  nicht  erzeugt  werden  kann.  Für  die  Kiefern 
gilt  dieser  Satz  nach  Mayr  mit  der  Einschränkung,  daß  des  Holzes  wegen  nur  jene 
Arten  bei  uns  in  erster  Linie  anbauwürdig  sind,  deren  Sektion  im  heimischen  Walde 
noch  nicht  vertreten  ist,  d.  h.  also  die  nicht  zur  Sektion  Pinaster  gehörigen  Arten. 
Soweit  lediglich  die  Erzeugung  hochwertigeren  Holzes  in  Frage  kommt,  empfiehlt  es 
sich  am  meisten,  solche  Holzarten  einzuführen,  deren  Gattungen  (wie  z.  B.  Douglasie, 
Chamaecyparis,  Thuja,  Carya  etc.)  überhaupt  noch  nicht  im  deutschen  Walde  ver- 
treten sind. 

Sind  Massen-  oder  Wertssteigerungen  des  Nutzungsergebnisses  nicht  zu  erwar- 
ten, so  muß  die  fremde  Holzart  waldbauliche  Vorteile  gewährleisten,  wenn  sie  An- 
spruch auf  die  Bezeichnung  ,, anbauwürdig"  erheben  will.  Sie  muß  entweder  in  der 
Genügsamkeit  hinsichtlich  der  Bodenansprüche  unsere  in  dieser  Richtung  beschei- 
densten einheimischen  Holzarten  übertreffen,  muß  also  selbst  auf  den  geringsten 
Böden  noch  fortkommen  und  Erfolge  in  Aussicht  stellen,  oder  aber,  sie  muß  über 
Eigenschaften  verfügen,  die  ihr  im  Kampf  mit  elementaren  Gefahren  (Frost,  Trocken- 
heit, Schnee,  Wind)  eine  größere  Widerstandsfähigkeit  sichern.  Im  einzelnen  Falle 
mag  dieser  oder  jener  ausländischen  Holzart,  z.  B.  Nadelhölzern  mit  stechenden  Na- 
deln, auch  größere  Widerstandsfähigkeit  gegen  tierische  Gefahren  (Wildverbiß)  als 
Vorzug  angerechnet  werden. 

Die  bisherigen  Erfolge  der  Anbauversuche,  die  von  den  forstlichen  Versuchs- 
anstalten der  verschiedenen  deutschen  Bundesstaaten,  am  umfangreichsten  von 
Preußen  1)  (1910  auf  417  ha),  ferner  in  Oesterreich  und  von  zahlreichen  Privatwald- 
besitzern mit  hauptsächlich  nordamerikanischen  und  einigen  japanischen  Holzarten 
seit  rund  3  Jahrzehnten  angestellt  wurden,  sind  nicht  einheitlich.  Neben  Mißerfolgen 
aller  Art,  die  zur  Streichung  mancher  zunächst  als  anbauwürdig  angesehenen  Holzart 
aus  der  Liste  der  brauchbaren  Fremdländer,  vielfach  auch  zur  abfälligen  Beurteilung 
und  Verwerfung  der  ganzen  Exotenfrage  führten,  haben  die  Anbauversuche  auch 
recht  erfreuliche  Ergebnisse  gezeitigt.  Mehrere  der  eingeführten  Holzarten  haben  sich 
den  einheimischen  Arten  in  bezug  auf  Massen-  oder  Wertsleistung  überlegen  und 
damit  zur  Verwendung  im  forstlichen  Großbetrieb  geeignet  gezeigt,  anderen  wieder 
kommt  unter  besonderen  Verhältnissen  eine  derartige  waldbauliche  Bedeutung  zu, 
daß  sie  zum  mindesten  eine  wertvolle  Bereicherung  der  Gehölzflora  Deutschlands 
darstellen. 

Es  ist  selbstverständlich,  daß  sorgfältiges  Studium  des  Verhaltens  der  Exoten 
in  ihren  Heimatländern  und  volle  Berücksichtigung  der  Standortsansprüche  den 
Anbauversuchen  als  Grundlage  dienen  muß,  damit  nicht,  wie  es  oft  genug  geschehen 
ist,  Kulturarbeiten  mit  fremdländischen  Holzarten  unternommen  werden,  die  schon 
in  ihrer  ersten  Einleitung  als  verfehlt  erscheinen.  Es  seien  hier  u.  a.  nur  die  in  ver- 
schiedenen Schriften  niedergelegten  wertvollen  Forschungsergebnisse  des  Prof.  De. 
Mayr2)-München  erwähnt. 


1)  Vergl.  hierzu  die  Veröffentlichung  von  Danckelmann,  Anbauversuche  mit  aus 
ländischen  Holzarten  in  den  preußischen  Staatsforsten.  Ztschr.  f.  Forst-  u.  Jagdw.  1884,  S.  289, 
3-15  und  die  den  gleichen  Gegenstand  behandelnden  Arbeiten  Schwappachs;  ebendas.  1891, 
S.  18;  1896,  S.  327;  1901,  S.  137;  1909,  S.  27;  1911,  S.  591.  —  Auch  aus  Württemberg  (AUg. 
F.-  u.  J.-Ztg.  1897,  S.  14  u.  83),  Bayern  {forstl.-naturw.  Ztschr.  1892),  Baden  (W  i  m  m  e  r, 
Anbauversuche  usw.  Berlin  1909)  und  aus  Oesterreich  (C  i  e  s  1  a  r  ,  Ueber  Anbauversuche  etc. 
Zentralbl.  f.  d.  ges.  Forstw.  1901)  liegen  Nachrichten  über  die  bisher  erzielten  Resultate  vor. 

2)  H.  Mayr,  Die  Waldungen  von  Nordamerika,  ihre  Holzarten  usw.  München  1890.  — 
D  e  r  s.  ,  Aus  den  Waldungen  Japans.  München  1891.  —  D  e  r  s.,  Monographie  der  Abietineen 
des  japanischen  Reiches.  Tokio  1890.  —  D  e  r  s.  ,  Fremdländische  Wald-  und  Parkbäume  für 
Europa.    Berlin  1906. 


Das  Bestandesmaterial.     §  14.  3J 

Aus  der  ziemlich  langen  Reihe  von  Holzarten,  die  nach  den  bisher  gesammelten 
Erfahrungen  in  mehr  oder  minder  hohem  Maße  anbauwürdig  sind,  seien  nur  die  wich- 
tigsten hervorgehoben. 

A.  \  a  d  e  1  h  ö  1  z  e  r.  1  Douglasie  (Pseudotsuga  Douglasii  Carr.).  In  der  grünen 
(Küsten-) Form  auf  frischem  Sand  und  mildem  Lehmboden  eine  ganz  hervorragende,  die  Fichte 
weit  zurücklassende  Massenerzeugerin  (am  Südharz  laufend- jähriger  Durchschnittszuwachs 
eines  28jähr.  Bestandes  27,2  Fm. !).  Hin  und  wieder,  namentlich  in  Saat-  und  Pflanzenschulen, 
Frostschaden.  Zu  engen  Verband  beim  Auspflanzen  vermeiden;  frühzeitige  und  kräftigere 
Durchforstungen  erwünscht.  Die  blaue  (Gebirgs-)Form  (Ps.  glauca  Mayr.)  zwar  frosthärter, 
aber  wegen  Langsamwüchsigkeit  weniger  brauchbar.  Die  grüne  Form  ist  die  wertvollste  aller 
anbauwürdigen  Exoten,  eignet  sich  zum  Reinanbau  und  in  Mischung  (Buche). 

2.  S  i  t  k  a  f  i  c  h  t  e  (Picea  sitchensis  Trautv.  et  Meyer).  Rascliwüchsig,  auf  zusagenden 
feuchten,  moorigen  Standorten  die  heimische  Fichte  in  der  Massenerzeugung  ganz  wesentlich 
übertreffend  (If. -jähriger  Zuwachs  eines  25  jähr.  Bestandes  auf  einer  pommerschen  Versuchs- 
fläche (nach  Schwappach)  26,5  Fm.).  Ihrer  Widerstandsfähigkeit  gegen  Seewinde  wegen  im 
Küstengebiet  brauchbarer  als  die  einheimische  Fichte;  im  trockeneren  Binnenlande  durch  Spät- 
fröste leidend,  buschig  werdend  und  nur  dort  der  heimischen  Art  überlegen,  wo  es  dieser  zu 
feucht  ist.  Geringerer  Verbißschaden  infolge  ihrer  steifen,  scharf  stechenden  Nadeln,  hingegen 
aber  gern  gefegt. 

3.  Amerikanische  Silbertanne  (Abies  concolor  Gord.).  Einzige  Tannenart, 
die  auf  günstigem  frischen  Lehmboden  der  heimischen  Art  durch  Raschwüchsigkeit  und  Wider- 
standsfähigkeit gegen  extreme  Temperaturgrade  überlegen  ist;  lichtbedürftiger  als  Ab.  pectinata. 

4.  Weymouthskiefer  (Pinus  Strobus  L.).  Ihre  waldbaulich  sehr  brauchbaren 
Eigenschaften:  Raschwüchsigkeit,  Schattenerträgnis,  Widerstandsfähigkeit  gegen  Frost,  Sturm, 
Schnee,  reicher  Nadelabfall)  haben  ihr  seit  langem  schon  volles  Bürgerrecht  in  den  heimischen 
Waldungen  erworben.  Gedeiht  nachhaltig  aber  nur  auf  tiefgründigen,  lehmigen,  humosen 
und  namentlich  hinreichend  frischen  Böden,  sonst  nur  in  der  Jugend  befriedigend  und  bald 
(im  Alter  von  25 — tO  Jahren)  versagend.    Hallimasch  und  Blasenrost  örtlich  sehr  gefährlich. 

5.  Banks  kiefer  (Pinus  Banksiana  Lamb.).  Anspruchslose,  in  der  Jugend  sehr  rasch- 
wüchsige ^"oranbauholzart  für  ärmste  Böden  (Flugsand,  Dünen,  Sumpf-  und  Moorpartien), 
gutes  Füllholz  für  lückige  KiefernkuUuren.    Keine  Nutzholzerzeugerin. 

6.  Pechkiefer  (Pinus  rigida  Milk).  Ebenfalls  keine  für  Reinanbau  taugliche  Nutz- 
holzerzeugerin, aber  geeignetes  Mischholz  für  Kiefernkulturen  auf  armen  Böden. 

7.  Japanische  Lärche  (Larix  leptolepis  Murr.).  Auf  zusagendem  (kräftigen) 
Boden  der  tieferen,  höchstens  mittleren  Lagen  in  der  Jugend  raschwüchsiger  als  die  heimische 
Art;  außerdem  widerstandsfähiger  gegen  Krebs  und  Motte,  bisweilen  aber  schlechtschaftiger. 

8.  Lawsonszy  presse  (Chamaecyparis  Lawsoniana  Park).  Vorzügliches  Holz.  Auf 
gutem  Standort  (frischer  lehmiger  Sand-  oder  sandiger  Lehmboden)  und  bei  hinreichender 
Luftfeuchtigkeit  nach  den  ersten  Jugendjahren  ziemlich  raschwüchsig;  liebt  Seitenschutz, 
daher  für  Kahlflächen  ungeeignet,  tauglich  für  Löcheranbau  in  Buche  und  Kiefer.  In  der  Ju- 
gend nicht  völlig  frosthart,  leidet  in  Frostlagcn  leicht  unter  Pilzangriffen  (Hallimasch  und  Pesta- 
lozzis funerea). 

9  Riesenlebensbaum  (Thuya  gigantea  Nutt.).  Standortsansprüche  und  wald- 
bauliches Verhalten  wie  bei  der  vorigen  Art;  geeignet  zum  gruppenweisen  Einbau  in  lückige 
Buchenverjüngungen. 

B.  Laubhölzer.  1.  Roteiche  ( Quercus  rubra  L.).  Raschwüchsiger  und  bezüg- 
lich der  Bodenansprüche  genügsamer  als  unsere  deutschen  Eichen;  gute  Schaftbildung;  Holz 
infolge  größerer  Porosität  dem  der  heimischen  Eichen  nicht  ganz  gleichwertig;  gehört  aber 
dank  ihrer  guten  waldbaulichen  Eigenschaften  zu  den  wertvollsten  aller  eingeführten  auslän- 
dischen  Holzarten. 

2.  Weißesche  (Fraxinus  alba  =  americana  L.).  Waldbauliches  Verhalten  dem  der 
heimischen  Esche  ähnlich;  etwas  später  austreibend  als  diese,  daher  etwas  weniger  durch  Spät- 
fröste gefährdet;  gegen  Stau-  und  Ueberschwcmmungswasser  ebenfalls  weniger  empfindlich 
als  die  heimische  Art. 

3.  Kanadische  Pappel  (Populus  canadensis  Moench.).  Auf  günstigem  Standort 
infolge  geradezu  erstaunlicher  Raschwüchsigkeit  größte  Holzerzeugerin  unserer  Breiten. 

4.  Spätblühende  Traubenkirsche  (Prunus  serotina  Ehrh.).  Raschwüch- 
sig, auf  Buchenboden  geradschaftig,  auf  armem  und  zu  feuchtem  Boden  aber  sperrig  wachsend; 
brauchbar  als  Füllholz  in  Laubholzverjüngungen. 

5.  Schwarze  W  a  1  1  n  u  ß  ( Juglans  nigra  L.).  Nur  für  beste  (Aue-)Böden  in  mildem 
Klima  ohne  Spätfröste  geeignet,  hier  raschwüchsig,  licht  bedürftig,  Erzeugerin  hochwertigen 
Holzes,  .\uspflanzung  infolge  starker  Pfahlwurzelbildung  schwierig,  daher  nur  Saat  mit  vorge- 
keimten Nüssen. 

6.  Weiße  Hickory  (Carya  alba  Nutt.).  Zunächst  langsamwüchsig,  später  in  freiem 
Stand  sich  gut  entwickelnd;  frischer,  tiefgründiger  Eichenboden  beansprucht. 


oo  VI.  L  0  r  e  y  ,    Waldbau. 

Die  höheren  Ansprüche,  die  vom  größeren  Teil  der  wertvollen  ausländischen  Laubhölze 
an  Klima  (Wärme)  und  Boden  gestellt  werden,  bringen  es  mit  sich,  daß  diesen  nicht  in  dem 
Maße  wie  den  exotischen  Nadelhölzern  im  deutschen  Walde  die  Bedingungen  zu  hoffnungs- 
reicher Entwicklung  geboten  werden  können  und  daß  für  die  Erziehung  gerade  der  dem  Holz- 
wert nach  hervorragendsten  Arten  hauptsächlich  nur  der  Süden  und  Westen  unseres  \aler- 
landes  in  Betracht  kommen.  Da  wir  aber  in  einzelnen  einheimischen  Laubhölzern,  wie  Eiche 
und  Esche,  für  bessere  Böden  Holzarien  haben,  die  den  fremden  Laubhölzern  in  Qualität  und 
Verwendb.Trkcit  nicht  nachstehen,  so  i^t  schließlich  die  Einführung  fremder  Laubhölzer  nicht 
so   brenn«  nd. 

Ob  die  im  vorstehenden  angeführten  fremdländischen  Holzarten  die  ihrer  forst- 
lichen Verwendbarkeit  nach  den  bisherigen  Erfahrungen  erteilte  günstige  Zensur  in 
Zukunft  durchhalten  werden,  wissen  wir  noch  nicht.  Wir  urteilen  zunächst  noch  zu 
sehr  nach  den  in  der  Kinderstube  der  Exoten  gesammelten  Erfahrungen  und  sind  dort, 
wo  waldbauüche  Fehler  in  der  Behandlung  der  Exoten  gemacht  wurden,  und  dort, 
wo  der  Faktor  Wild  nicht  oder  in  nicht  genügendem  Maße  bei  der  Versuchsanordnung 
ausgeschaltet  wurde,  wohl  oft  zu  voreilig  absprechenden  Urteilen  gekommen.  Auf 
der  anderen  Seite  aber  fehlt  es  unter  Hinweis  auf  besonders  günstige  Einzelerfolge 
ebensowenig  an  übertrieben  optimistischen  Beurteilungen.  Wie  alle  forstlichen  Maß- 
nahmen wird  auch  die  Ausländerfrage  von  der  Zeit  gelöst.  Die  letzte  Entscheidung 
über  die  Anbauwürdigkeit  der  einen  besseren  Boden  beanspruchenden  fremd- 
ländischen Holzarten  wird  jedenfalls  unter  der  Voraussetzung,  daß  alle  waldbau- 
lichen Forderungen  durch  die  eingeführte  Holzart  erfüllt  werden,  der  Rentabilität 
zufallen. 

IV.    Wirtschaftliche    Bedeutung    der    H  o  1  z  a  r  t  e  n  i). 

§  15.  Zur  Erreichung  der  in  der  Einleitung  kurz  skizzierten  Ziele  des  Waldbaues 
sind  die  einzelnen  Holzarten  in  sehr  veischiedenem  Maße  geeignet.  Ihre  wirtschaft- 
liche Bedeutung  beruht  hauptsächlich  auf  der  Massen-  und  Wertserzeugung,  letztere 
bedingt  durch  die  Verhältnisse  des  Holzmarktes,  ferner  auf  der  Arbeitsgelegenheit, 
welche  eine  Holzart  bietet,  auf  ihrem  Verhalten  gegen  den  Boden,  auf  der  Art  der  Be- 
triebsführung, bezw.  Wirtschaftseinrichtung,  soweit  diese  durch  die  Holzart  beein- 
flußt ist,  auf  der  Art  und  dem  Umfang  gewisser  an  sie  geknüpfter  Nebennutzungen, 
auf  ihrer  Widerstandsfähigkeit  gegen  Gefahren,  sowie  endlich  auf  ihrer  Tauglichkeit, 
bestimmten  besonderen  Anforderungen  (Schutzwald  u.  dergl.)  zu  genügen. 

1.  Massen-  und  Wertserzeugung:  Für  die  auf  der  Massen-  und 
Wertserzeugung  beruhende  Wertschätzung  einer  Holzart  entscheidet  in  erster  Linie 
deren  Verbreitungsgebiet.  Es  gibt  Holzarten,  welche  schon  vermöge  ihres  ausgedehn- 
ten Vorkommens  den  Markt  beherrschen  und  dadurch  anderen,  die  nur  in  beschränk- 
tem Umfang  an  der  Bestockung  unserer  Waldungen  teilnehmen,  an  Bedeutung  weit 
überlegen  sind.  Besonders  wertvolle  Eigenschaften  und  dementsprechend  hoher 
Preis  werden  eben  doch  immer  in  Verbindung  mit  der  Masse  wirksam ;  das  größte  Pro- 
dukt aus  Masse  mal  durchschnittlicher  Preis  der  Masseneinheit  ist  ausschlaggebend. 
Von  den  in  Deutschland  heimischen  Holzarten  sind  Kiefer,  Fichte,  Buche  die  ver- 
breitetsten.  Oertlich  (auf  größeren  oder  kleineren  Einzelgebieten)  sind  die  Verhält- 
nisse sehr  verschieden.  Hier  und  da  tritt  die  Weißtanne,  auch  wohl  die  Eiche,  stark 
in  den  Vordergrund  -). 

Ganz  Deutschland  hat  (auf  rund  14  Mill.  ha  Wald  =  fast  26%  der  Gesamt- 
fläche) 67,5%  Nadelholz  und  32,5%  Laubholz.    Hieraus  erhellt  die  größere  Bedeu- 

1)  Zu  vergleichen:  Weber,  „Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft",  s.  Handbuch,  insbes. 
,,Die  Forstwirtschaft  vom  privatwirtschaftlichen  Gesichtspunkte  aus  betrachtet". 

2)  Cfr.  u.  a.  die  Erörterungen  inBorggrcves  Holzzucht  2.  Aufl.  S.  63  ff.  Im  übrigen 
gibt  die   Statistik  der  einzelnen  Länder  die  etwa  gewünschte  spezielle  Auskunft. 


Das  Bestandesmaterial.     §  lö.  33 

tung  des  Nadelholzes  für  die  deutsche  Forstwirtschaft.  Erwägt  man  weiterhin,  daß 
fast  45%  der  Gesamtvvaldfläche  der  Kiefer  und  23%  der  Fichte  und  Tanne  (Tanne 
gegen  die  Fichte  erheblich  zurücktretend)  zufallen,  während  die  sonstigen  Nadelhölzer 
(Lärche,  Arve  etc.)  nur  mit  verhältnismäßig  kleinen  Beträgen  beteiligt  sind,  und  be- 
denkt man  ferner,  daß  vom  Laubholz  ca.  14%  dem  Buchenhochwald,  etwa  7%  der 
Eiche  (Hochwald  und  Schähvald),  5%  dem  Mittelwald  gehören,  so  ergibt  sich,  daß  — 
zunächst  lediglich  der  großen  Verbreitung  und  demgemäß  Massenerzeugung  wegen  — 
Kiefer,  Fichte,  Buche  im  allgemeinen  geradezu  als  führende,  als  Hauptholzarten,  be- 
zeichnet werden  dürfen.  Tanne  und  Eiche  schließen  sich  ihnen  an.  Die  übrigen  Holz- 
arten spielen  in  der  Gesamtheit  des  deutschen  Waldes  eine  mehr  untergeordnete 
Rolle,  obwohl  natürlich  örtlich,  je  nach  den  besonderen  Standorts-  und  sonstigen  Ver- 
hältnissen, bald  die  eine,  bald  die  andere  mehr  in  den  Vordergrund  tritt,  ja  die  Füh- 
rung übernimmt. 

Besondere  Erwähnung  verdient  an  dieser  Stelle  die  örtlich  große  Verbreitung 
der  Schwarzkiefer,  welche  in  Niederösterreich  (bes.  in  den  Kalkbergen  des  Wiener 
Waldes)  auf  etwa  80  000  ha  bestandbildend  auftritt  und  in  diesem  Kronland  rund  Vs 
des  Gesamtwaldes  ausmacht. 

Die  Massenerzeugung  ist  absolut,  die  Wertsbildung  stets  relativ  zu  bemessen, 
d.  h.  letztere  ist  abhängig  nicht  nur  von  der  tatsächlichen  Brauchbarkeit  einer  Holz- 
art für  einen  gegebenen  Verwendungszweck,  sondern  auch  vom  Marktpreis,  welcher 
wesentlich  durch  das  Verhältnis  von  Angebot  und  Nachfrage  bedingt  ist.  Alle  Preis- 
bestimmungsgründe kommen  dabei  in  Betracht,  insbesondere  wird  die  Konkurrenz 
der  Surrogate  (Kohle,  Torf  etc.  für  Brennholz,  Eisen,  Steine  für  Bauholz)  wirksam  i). 
Bekanntlich  haben  sich  die  Bedingungen  des  Holzmarktes  in  den  letzten  Jahrzehnten 
bedeutend  verändert:  Nutzholzwirtschaft  im  Gegensatz  zur  Brennholzerzeugung 
ist  die  Losung  der  waldbaulichen  Produktion  -),  was  gleichbedeutend  ist  mit  der 
relativ  hohen  Wertschätzung  und  dementsprechend  immer  weiter  schreitenden  Aus- 
dehnung des  Gebietes  der  ausgesprochenen  Nutzholzarten  im  Vergleich  namentlich 
zur  Buche,  welche  als  spezifische  Brennholzart  mehr  und  mehr  an  Terrain  verliert 
und  im  raschen  Verlauf  des  Umwandlungsprozesses  wohl  noch  viel  weiter  zurück- 
gedrängt werden  würde,  wenn  nicht  ihre  trefflichen  waldbaulichen  Eigenschaften, 
vorab  in  bezug  auf  die  Bewahrung  der  Bodenkraft,  die  Einbuße,  welche  sie  am  Holz- 
wert erlitten  hat,  wenigstens  zum  Teil  zu  paralysieren  berufen  wären.  Eine  Holzart, 
welche  mit  der  größten  Wahrscheinlichkeit  dauernd  ihren  Wert  auf  dem  Holzmarkte 
bewahren  wird,  weil  ihre  Nutzholzqualität  unbezweifelt  ist  und  bleiben  wird,  ist  die 
Eiche.  Auch  Esche  und  die  sonstigen  edlen  Laubhölzer,  sowie  die  Lärche  berechtigen, 
wenn  auch  wohl  schon  in  etwas  engeren  Grenzen,  zu  dieser  Hoffnung.  Die  gedeihliche 
Entwickelung  dieser  Holzarten  ist  aber  meist  an  sehr  bestimmt  umgrenzte  Bedin- 
gungen (namentlich  bezüglich  des  Standorts)  gebunden,  so  daß  durch  ihren  erweiterten 
Anbau  und  intensive  Pflege  wohl  örtlich  (z.  B.  Esche  und  Ahorn  in  der  schwäb.  Alb) 
eine  bemerkbare  Veränderung,  im  allgemeinen  jedoch  kaum  eine  besonders  weit- 
gehende Umgestaltung  der  Physiognomie  des  Waldes  herbeigeführt  wird.  Dagegen 
müssen  einige  Nadelhölzer,  wie  vorab  Kiefer  und  Fichte,  als  Holzarten  bezeichnet 
werden,  welche  vermöge  ihrer  verhältnismäßigen  Anspruchslosigkeit  und  der  Leichtig- 
keit ihres  Anbaues  im  Verein  mit  einer  sehr  hohen  Nutzfähigkeit  allerdings  so  umfäng- 
liche Gebiete  teils  schon  erobert  haben,  teils  noch  in  Besitz  nehmen  können,  daß 
der  ganze  Charakter  ausgedehnter  Waldgebiete  dadurch  verändert  wird.    Obwohl 

1)  Weber,  Aufgaben  der  Forstwirtschaft,  s.   Handbucli  I.  Bd. 

2)  Zu  vergl.  W  a  g  e  n  e  r  in  Allg.  Forst-  u.  Jagd-Zeitung  von  1877,  S.  7  ff. 

Uaiidh.  a.  Forstwiss.    3.  Aufl.     II.  3 


34  VI.  L  o  r  e  y  ,    Waldbau. 

auch  die  Tanne  an  manchen  Orten  eine  Schmälerung  ihres  Gebietes  zu  verzeich- 
nen hat,  die  übrigens  durch  erweiterten  Anbau  an  anderen  Orten  ziemlich  ausge- 
glichen werden  dürfte,  ist  tatsächlich  vorzugsweise  der  Besitzstand  der  Buche 
gefährdet.  Sie  ist  jetzt  schon  auf  weiten  Gebieten  durch  die  genannten  Nadelhölzer 
ersetzt  worden  und  wird,  wo  die  augenblicklichen  Preisverhältnisse  für  die  Beur- 
teilung der  Rentabilität  in  erster  Linie  maßgebend  sind,  unweigerlich  auch  einen 
noch  weitern  Rückgang  erfahren.  Doch  ist  es  gewiß  sehr  am  Platze,  wenn  sich  ge- 
wichtige Stimmen  1)  warnend  erheben,  um  ein  zu  allgemeines  Verdrängen  der  Buche 
zu  verhüten.  Niemand  bezweifelt  die  höhere  Nutzfähigkeit  der  Nadelhölzer;  soll- 
ten letztere  auch  schließlich  (etwa  wegen  fehlender  Absatzgelegenheit  zumal  für 
schwächere  Sortimente)  zum  Teil  ins  Brennholz  geschnitten  werden  müssen,  so  würde 
ihre  in  einer  gegebenen  Zeit  pro  Flächeneinheit  erzeugte  größere  Masse  wohl  immer 
noch  das  ersetzen,  was  die  Buche  an  Brennwert  pro  Masseneinheit  vor  ihnen  voraus 
hat.  Selbst  wenn  man  berücksichtigt,  daß  die  Nadelhölzer  von  viel  größeren  und 
mannigfaltigeren  Gefahren  bedroht  sind  als  die  Buche  und  deshalb  nicht  die  gleiche 
Sicherheit  der  Ertragsleistung  zu  bieten  vermögen  wie  diese,  muß  ihre  Ueberlegenheit 
im  gi-oßen  und  ganzen  zugegeben  werden.  Immerhin  sollte  man  keinesfalls  in  zu 
weitem  Maße  ausgedehnte  reine  Nadelholzwaldungen  schaffen.  Ist  die  Buche  auch 
im  reinen  Bestand  nicht  mehr  allgemein  existenzberechtigt,  so  sollte  man  sich  doch 
möglichen  Veränderungen  der  wirtschaftlichen  Lage  (eventuell  gänzlich  veränderten 
Absatz-  und  Transportbedingungen  etc.)  gegenüber  den  Rückweg  offen  halten,  indem 
man  der  Buche  wenigstens  die  gebührende  Stelle  im  gemischten  Walde  gönnt.  Sie 
wird  durch  ihre  schon  mehrfach  erwähnte  überaus  günstige  Einwirkung  auf  den 
Boden  diese  Rücksichtnahme  stets  reichlich  lohnen.  Außerdem  ist  auch  eine  ge- 
legentlich gesteigerte  Nutzholzverwendung  für  die  Buche  keineswegs  ausgeschlossen. 
Angesichts  der  Verwendungsfähigkeit  und  Dauer  der  imprägnierten  Buchenschwelle, 
weiterhin  angesichts  der  steigenden  Verwertung  der  Buche  zu  Holzpflaster  und  zur 
Bedielung  der  Wohnräume  ist  eine  solche  Hoffnung  nicht  unberechtigt.  Dem  Buchen- 
holz wohnt  in  der  Tat  ein  höherer  Gebrauchswert  inne,  als  das  zur  Zeit  noch  vorhan- 
dene Vorurteil  gegen  seine  Verwendung  als  Nutzholz  ihm  zugesteht.  Das  kann  sich 
aber  ändern.  Gerade  die  mangelnde  Sicherheit  bezüglich  der  Vorausbestimmung 
der  zukünftigen  wirtschaftlichen  Verhältnisse  in  ihrer  Gesamtheit  kann  uns  mahnen, 
gemischte  Bestände  überhaupt  und  insbes.  auch  solche,  in  denen  die  Buche  vertreten 
ist,  zu  begünstigen^).  Von  der  Buche,  der  schon  oben  genannten  Eiche,  die  ihres 
besonderen  Wertes  wegen  ohnehin  anders  zu  beurteilen  ist,  und  von  den  sonstigen 
sog.  edlen  Laubhölzern  abgesehen,  bedürfen  die  übrigen  Laubhölzer,  weil  sie  meist 
ihre  ganz  spezifische  Nutzbarkeit  besitzen  (z.  B.  Birke  für  Geschirrhölzer,  Erle  zu 
Zigarrenkisten,  Aspe  für  die  Zündholzfabrikation)  und  für  den  gi-oßen  Betrieb  kaum 
irgendwo  oder  wenigstens  nur  auf  ganz  beschränkten  Standörtlichkeiten  einmal  als 


1)  Z.  B.  G  a  y  e  r  in  seiner  mehr  zitierten  .Sclirift :  ,,Der  gemisclite  Wald". 

2)  Einen  besonders  prägnanten  Ausdruck  hat  die  Beurteilung  des  Werts  der  Rotbuche  in 
den  Verhandlungen  der  Versammlung  deutscher  Forstmänner  zu  Stuttgart  (1897)  und  in  den 
daran  sich  anschließenden  literarischen  Debatten  gefunden.  Während  von  den  einen  die  Buche 
im  Hinblick  auf  ihre  mangelhafte  Rentabilität  in  reinen  Beständen  geradezu  als  verlorene  Holzart 
bezeichnet  wurde,  haben  andere  dieselbe  mehr  oder  minder  energisch  in  Schutz  genommen.  Aus 
der  umfänglichen,  zur  ,, Buchenfrage"  erwachsenen  Literatur  seien  u.  a.  erwälml  die  Aufsätze 
von  Endres  (AUg.  Forst- u.  J.-Z.  1898,  S.  91),  H  e  i  ß  (ebendas.  1898,  256),  Dr.  H  c  c  k  (ebendas. 
1898,  257),  N  (A.  F.- u.  J.-Z.  1898,  383),  B  in  Prakt.  Forstwirt  für  die  Schweiz  (1898,  49),  Trebel- 
j  ah  r  (Mündener  forstl.  Hefte  1898,  14.  Heft),  Kutsch,  Die  Stellung  des  Buchenhochwaldes  im 
deutschen  Nationalvermögen,  Gießen  1898.  —  Vgl.  auch  H  u  In  a  gl ,  Die  Buchenfrage  in  der 
österr.  Forstwirtschaft,  Wien  1900. 


Das  Bestandesmaterial.     §  15.  35 

mitherrschende  oder  gar  herrschende  Holzarten,  sondern  meist  nur  in  untergeord- 
netem Maße  in  Frage  kommen,  der  besonderen  Fürbitte  weit  weniger.  2.  A  r  b  e  i  t  s- 
gelegenheit:    Hierüber  enthält  Handbuch  I  (vgl.  Weber,  Aufgaben  der  Forst- 
wirtschaft) die  nötigen  Angaben.    Der  Waldbau  läßt  sich  bei  Bemessung  seiner  Maß- 
nahmen in  der  Regel  zwar  nicht  von  der  Erwägung  leiten,  ob  eine  Holz-  oder  Betriebs- 
art mehr  oder  weniger  umfängliche  Arbeitsgelegenheit  bietet,  trotzdem  läßt  sich  dieses 
Moment  doch  auch  wieder  nicht  von  den  übrigen  wirtschaftlichen  Beziehungen,  von 
den  Rücksichten,  welche  der  Gesamtbetrieb  zu  nehmen  hat,  einseitig  loslösen.    Auch 
der  Waldbau  sollte  vor  seinen  Entscheidungen  über  den  engen  Kreis  seiner  eigensten 
Interessen  hinaus  Umschau  halten,  um  einerseits  für  seine  Arbeiten  stets  genügende 
Kräfte  verfügbar  zu  haben  und  andererseits  auch  wieder  vorhandenen  Kräften   die 
erwünschte  Betätigung  zu  gestatten  und  sie  dadurch  dem  Walde  zu  erhalten.    Dabei 
kommen  in  erster  Linie  die  mit  der  Begründung,  Erziehung,  Ernte  eines  Holzbestan- 
des verknüpften  Arbeiten  in  Betracht;  daneben  aber  auch  solche,  welche  durch  die 
Gewinnung  gewisser  Nebennutzungen  (Waldfeldbau,  Hackwald,   Harznutzung  usw.) 
bedingt  sind,   sowie  diejenigen,  welche  sich  schließlich  nach  der  vollzogenen  Ernte 
an  das  Rohprodukt  anlehnen,  bezw.  sich  mit  dessen  Verwendung  befassen.    Daß  die 
Holz-  und  Betriebsarten  in  diesen  Beziehungen  sehr  verschieden  zu  werten  sind, 
erhellt   aus   den   späteren    Abschnitten.     3.     Verhalten    der     Holzarten 
gegen   den    Standort:     Die   Erörterungen    auf    S.   15    geben    über   die  ein- 
schlägigen Beziehungen  Aufschluß.     Es  sei  an  dieser  Stelle  nur  wiederholt  hervor- 
gehoben, daß  bei  aller  waldbaulichen  Tätigkeit  die  Bodenpflege  auch  um  deswillen 
vorangestellt  werden  muß,  weil  wir  im  allgemeinen  kein  Recht  haben,  etwa  zugunsten 
der  Gegenwart  wirtschaftliche  Maßregeln  zu  ergreifen,  infolge  deren  wir  der  Zukunft 
in    Gestalt  eines  geschwächten   Bodens   einen  minder  leistungsfähigen   Kapitalteil 
hinterlassen,  als  wir  ihn  von  der  Vergangenheit  überkommen  haben.    4.  W  i  r  t  - 
Schaftseinrichtung:    Von   der  absoluten   Ertiagsziffer   (Etat)   abgesehen, 
bei  deren  Bemessung  natürlich  auch  die  größere  oder  geringere  Sicherheit  der  Ertrags- 
leistung mit  berücksichtigt  wird,  sind  es  hauptsächlich  zwei  Fragen,  welche  den  Zu- 
sammenhang der  Holzart  mit  der  Forsteinrichtung  andeuten,  nämlich:  1.  für  welche 
Betriebsart  (Hochwald,  Niederwald,  Mittelwald)  eignen  sich  die  verschiedenen  Holz- 
arten,  bezw.  wie  werden  sie  verjüngt?   und  2.  werden  sie  in  reinen  oder  in   ge- 
mischten Beständen  erzogen?    Daß  der  Femelwald  und  alle  ihm  sich  nähernden 
Betriebsformen  im  Gegensatz  zu  schlagweiser  Behandlung,  und  daß  ebenso  gemischte 
Bestände  im  Gegensatz   zu   reinen  i)   die  Forsteinrichtung  erschweren,  steht  außer 
allem  Zweifel;    dei   Nachweis  dafür  ist  übrigens  an  anderer  Stelle  zu  führen.    Es 
wird  auch  nicht  zu  beanstanden  sein,  daß  dieser  Umstand  bei  der  Würdigung  der 
einzelnen    Holzarten    mit    beachtet   wird.     Dagegen  wäre    es    verkehrt,    wenn    be- 
stimmte waldbauliche   oder  sonstige  Vorzüge   einer  Betriebsform  oder  Holzarten- 
mischung irgend  einer  starren  Forsteinrichtungsregel  zum  Opfer  gebracht  würden, 
da  natürlich  die  waldbaulich  höchste  Leistung  des  Forstes  stets  erste  und  wichtigste 
Forderung  an  die  Wirtschaft  sein  muß.    Ein  passender  Ausgleich  zwischen  den  hier 
und  da  sich  widerstreitenden  Interessen  wird  in  den  meisten  Fällen  unschwer  gefun- 
den werden  können.  —  5.    Nebennutzungen:   An  ganz  bestimmte  Holzarten 
sind  direkt  gebunden  z.  B.  Lohrinde,  Harz,  Mast,  Futterlaub  u.  a.  m.    Durch  Ver- 
mittelung  der  Betriebsart  hängen  mit  der  Holzart  zusammen  z.  B.  Produkte  des 
Waldfeldbaues,  die  landwirtschaftlichen  Nutzungen  im  Hackwald,  Gräserei  in  Pflanz- 


1)  Vergleiche  auch  1.  Abschn.,  III.  B.,  S.  19  ff.  dieser  Abhandlung. 


36  VI.  L  o  r  e  y  ,    Waldbau. 

kulturen  u.  dgl.  —  6.  Widerstandsfähigkeit  gegen  Gefahren: 
Die  schon  mehrfach,  erstmals  bereits  §  8,  S.  13  unter  4,  angedeuteten  Beschädi- 
gungen können  den  wirtschaftlichen  Wert  einer  sonst  recht  schätzbaren  Holzart 
unter  Umständen,  bezw.  für  bestimmte  Oertlichkeiten  so  herunterdrücken,  daß  man 
auf  ihre  Anzucht  geradezu  verzichten  muß.  So  verbietet  sich  z.  B.  in  wildreichen 
Forsten,  wenn  man  nicht  besondere  Schutzmaßregeln  (Eingattem)  ergreifen  will, 
zuweilen  der  Anbau  der  Esche,  der  Eiche,  der  Weißtanne  vollständig,  obwohl  diese 
Holzarten  ohne  die  Gefährdung  durch  Schälen  oder  Abäsen  hohen  Ertrag  erwarten 
ließen.  In  ausgesprochenen  Schneebruchlagen  hat  man  möglichst  mit  der  Kiefer 
fern  zu  bleiben;  dem  Sturm  besonders  exponierte  Orte  taugen  nicht  für  die  Fichte 
usw.  Auch  hier  darf  wieder  daran  erinnert  werden,  wie  vielfache  Gelegenheit,  solche 
Gefahren  abzuschwächen,  durch  geeignete  Holzartenmischung  gegeben  ist.  — 
7.  Besondere  örtliche  Anforderungen:  Dahin  gehört  z.  B.  eine 
gewisse  Anpassung  an  die  Bewiitschaftungsweise  umgebender  Waldungen,  sofern 
es  sich  um  kleinere  Enklaven  handelt  (z.  B.  ein  sturmgefährdeter  Fichtenbestand 
inmitten  eines  größeren  Schälwaldgebietes);  ferner  die  Rücksichtnahme  auf  Servi- 
tuten, deren  Befriedigung  häufig  eine  bestimmte  Holzart  fordert;  sodann  eine  Reihe 
spezieller  wirtschaftlicher  Aufgaben,  wie  die  Anzucht  von  Faschinenhölzern,  Bö- 
schungsbefestigangen  usw. 

Im  allgemeinen  kann  die  tatsächliche  Verbreitung  der  Holzarten  als  Maßstab 
derjenigen  wirtschaftlichen  Bedeutung  dienen,  welche  ihnen  beigelegt  wird,  mit 
der  Einschränkung  natürlich,  daß  für  die  Wertschätzung  seitens  der  Gegenwart 
nur  die  unter  unsern  Augen  entstehenden  Jungbestände  beweiskräftig  sind,  während 
alle  älteren  Hölzer  nur  bezüglich  der  Anschauung  jener  Zeit,  in  welcher  sie  begründet 
sind,  ein  Urteil  zulassen.  Entscheidend  für  den  Betrieb  im  großen  ist,  wie  wir  re- 
kapitulierend nochmals  hervorheben,  immer  nur  die  kleine  Zahl  von  Holzarten, 
welche  ausgedehnte  Gebiete  (eventuell  auch  in  reinen  Beständen)  einnehmen,  d.  h. 
Kiefer,  Fichte,  Buche,  Tanne.  Alle  übrigen  Holzarten,  selbst  die  Eiche,  sind,  so 
sehr  sie  auch,  örtlich  oder  allgemein  für  bestimmte  Verhältnisse,  unsere  Aufmerk- 
samkeit in  Anspruch  nehmen,  doch  in  ihren  Existenzbedingungen  jenen  herrschen- 
den Holzarten  gegenüber  meist  äußerst  beschränkt,  so  daß  an  eine  den  Umfang 
ihres  jetzigen  Gebietes  weithin  überschreitende  Verbreitung  derselben  nie  zu  denken 
ist.  Um  so  mehr  sollte  man  ihnen  da,  wo  ihre  Anzucht  ohne  greifbare  Benachteili- 
gung anderer  Interessen  zulässig  erscheint,  einen  Platz  anweisen,  um  dem  Walde 
die  in  den  verschiedensten  Beziehungen  so  schätzenswerte  Mannigfaltigkeit  zu  er- 
halten, oder,  wo  sie  verloren  ist,  wieder  zu  verschaffen. 


Zweiter  Abschnitt. 
Die  Betriebsarten. 

§  16.  Vorbemerkungen:  Ehe  wir  zum  angewandten  Teile  des  Wald- 
baues, d.  h.  zur  Besprechung  und  Erörterung  der  bei  Begründung  und  Erziehung 
der  Bestände  zu  beachtenden  Handgriffe  und  Maßnahmen  übergehen,  müssen  wir 
uns  Klarheit  verschaffen  über  die  bei  unserer  Wirtschaftsführung  innegehaltene 
zeitliche  Aneinanderreihung  der  von  uns  jeweils  angewendeten  waldbaulichen  Ope- 
rationen.    Die   Erreichung  des  vorgesteckten  Wirtschaftszieles  erfordert,   daß   wir 


Die  Betriebsarten.     §  IG.  37 

unsere  Maßnahmen  planmäßig  gruppiei-en  und  zu  einer  bestimmten,  regelmäßig 
wiederkehrenden  Wechselfolge  zeitlich  verbinden.  Wir  nennen  eine  solche  plan- 
mäßige Kombination  bestimmter,  zeitlich  aufeinander  folgender  wirtschaftlicher  Ope- 
rationen Betriebsart  oder  Betriebsform  und  definieren  diesen  forst- 
lichen Begriff  kurzhin  als  Art  und  Weise  der  Verjüngung  und  Erziehung  eines  Be- 
standes oder  Waldes. 

Je  nachdem  sich  die  zur  Verjüngung  führenden  Maßnahmen  zeitlich  oder  wirt- 
schaftlich voneinander  unterscheiden  und  je  nachdem  die  spätere  Behandlung  und 
Erziehung  des  durch  die  ^'erjüngung  entstandenen  Bestandes  in  dieser  oder  jener 
Weise  geregelt  und  gehandhabt  wird,  entstehen  verschiedene  Betriebsarten,  deren 
wenige,  scharf  voneinander  getrennte  Grundformen  durch  zahlreiche  Zwi- 
schen- und  Uebergangsformen  verbunden  werden.  Als  gleichbedeutend 
mit  Betriebsart  wird  meist  das  Wort  ,, Bestandesform"  angewendet.  Das  ist  nicht 
ganz  zutreffend,  denn  die  Bestandesform,  d.  i.  das  Bild,  was  ein  Bestand  als  Folge 
der  Bewirtschaftungsweise  dem  Beschauer  darbietet,  ist  das  Resultat  der  Betriebsart, 
nicht  aber  diese  selbst. 

Angesichts  der  großen  Zahl  möglicher  Kombinationen  (aus  Holzart,  Bestandes- 
begründung, bezw.  Verjüngung,  Bestandespflege,  Erziehung  usf.  mit  allen  ihren  Mo- 
difikationen) ist  es  begreiflich,  daß  sich  im  Walde,  sofern  auch  die  feineren  Unter- 
scheidungsmerkmale beachtet  werden,  tatsächlich  viele  mehr  oder  weniger  von- 
einander abweichende  Betriebsarten  vorfinden.  Sie  alle  sind  durch  menschlichen 
Eingriff,  durch  wirtschaftliche  Kunst  (bisweilen  auch  Künstelei)  herausgebildet, 
während  die  Urwaldform  überall  das  im  gi-oßen  ganzen  gleiche,  wenn  auch  durch 
Holzart,  Standort  usw.  modifizierte  Gepräge  trägt.  Zum  Verständnis  des  Wesens 
der  Betriebsarten  aber  ist  es  erforderlich,  einzelne  scharf  ausgeprägte  Formen  als 
typische  herauszugreifen  und  an  ihnen  gewissermaßen  Schulbegriffe  zu  entwickeln, 
die  dann  als  feststehend  zu  betrachten  sind.  Zwischen  diese  Grundformen  lassen 
sich  die  übrigen  in  mannigfaltigster  Reihe,  oft  mit  kaum  merklichen  Uebergängen, 
einschalten. 

Es  ist  als  bedenklich  zu  bezeichnen,  namentlich  im  Interesse  der  Anfänger  im 
Studium,  die  erst  in  das  vielgestaltige  Gebiet  des  Waldbaues  eingeführt  werden 
sollen,  daß  einige  Lehrbücher  eine  verhältnismäßig  große  Anzahl  von  Betriebsarten 
als  selbständige  Formen  aufführen  und  beschreiben,  während  man  einen  Teil  dersel- 
ben recht  wohl  als  Uebergangsformen  bezeichnen  und  sich  demgemäß  auf  eine  kleine 
Anzahl  von  Grundformen  beschränken  kann.  Das  Verständnis  wird  durch  jenes 
Vorgehen  offenbar  nicht  gefördert.  Vielmehr  ist  dadurch  manche  irrtümliche 
Auffassung  entstanden,  und  manche  umfängliche  Diskussion  wäre  zu  vermeiden 
gewesen,  wenn  man  sich  zunächst  nur  an  wenige,  wirklich  wesentliche  Unter- 
scheidungsmerkmale gehalten,  diese  entsprechend  scharf  betont  und  dadurch  erst 
aus  der  reichen  Fülle  waldbaulicher  Formen  einige  große  Hauptgruppen  gebildet 
hätte.  Deren  weitere  Zerlegung  wäre  einem  vorgeschritteneren  Stadium  wirt- 
schaftlicher und  wissenschaftlicher  Erkenntnis  vorzubehalten  gewesen.  Manche 
Schriftsteller  fürchten,  wie  es  scheint,  durch  eine  solche  Beschränkung  bei  dem 
Lernenden  die  Meinung  zu  er\vecken,  als  ob  man  es  im  Walde  wirklich  nur  mit  einer 
geringen  Zahl  bestimmt  zu  charakterisierender  Formen  zu  tun  habe.  Man  scheut 
die  Schablone,  die  ja  sicheilich  wenn  irgendwo  so  namentlich  in  waldbaulichen 
Dingen  zu  meiden  ist.  Und  doch  kommt  man  zunächst  mit  einer  kleinen  Reihe 
von  Grundformen  aus;  weitergehende  Scheidungen  lassen  sich  jederzeit  leicht  an- 
schließen. 


38  VI.  L  o  r  e  y  ,    Waldbau. 


Erstes  Kapitel. 

üebersicht  und  allgemeine  Würdigung  der  als  Grundformen  zu 
betrachtenden  B  e  t  r  i  eb  sar  t  e  n^). 

§  17.    I.  U  6  b  e  r  s  i  c  h  t   der    Grundformen. 
Man  unterscheidet: 

A.  Hochwaldformen  oder  S  a  m  e  n  h  o  1  z  b  e  t  r  i  e  b  e. 

Die  Verjüngung  erfolgt  durch  Samen;  das  Bestandesmaterial  sind  infolgedessen 
Kernwüchse,  d.  h.  Bäume,  die  sich  aus  Samen  entwickelt  haben.  Die  Funktionsdauer 
des  einzelnen  Individuums  ist  mit  dessen  Abtrieb  zu  Ende  ^);  jedes  Individuum  wird 
nur  einmal  Gegenstand  der  Nutzung  (Durchforstung  oder  Haubarkeitsnutzung)  3). 

B.  Ausschlag  holzbetriebe. 

Die  Nutzung  erstreckt  sich  nur  auf  oberirdische  Teile  des  Individuums.  Dessen 
Funktion  ist  mit  der  einmaligen  Nutzung  nicht  zu  Ende;  an  dem  nicht  genützten 
Teile  entstehen  vielmehr  Ausschläge  (Stock-,  Wurzel-  oder  Schaf tausschläge),  durch 
welche  die  Neubegründung  des  Bestandes  erfolgt. 

C.  Mittelwaldbetrieb. 

Die  Verjüngung  erfolgt  hier  teils  durch  Samen,  teils  durch  Ausschläge;  der  Mittel- 
wald stellt  eine  Kompositionsform  von  A  und  B,  von  Samenholz-  und  Ausschlagholz- 
betrieb dar. 

A.  Die  Hoehwaldformen. 

§  18.  Die  Hochwaldbetriebsarten  lassen  sich  nach  der  Zeit  der  Verjüngung  unter- 
scheiden in 

I.  Vorverjüngungsbetriebe,  d.s.  diejenigen  Betriebsarten,  bei  de- 
nen die  Verjüngung  vor  der  gänzlichen  Entfernung  des  Altholzbestandes  erfolgt. 
Stehenbleibende  Teile  des  Altholzes  (Mutterbäume)  dienen  der  Verjüngung,  indem 
sie  den  zur  Neubegründung  des  Bestandes  nötigen  Samen  tragen  und  abwerfen.  Im 
Falle  des  Ausbleibens  von  Samenjahren  kann  die  Bestandsneubegründung  auf  künst- 
lichem Wege,  durch  Saat  oder  Pflanzung  (Unterbau)  erfolgen. 

II.  Nachverjüngungsbetriebe,  d.  s.  diejenigen  Betriebsarten,  bei 
denen  die  Verjüngung  nach  der  gänzlichen  Entfernung  des  Altliolzbestandes  erfolgt. 
Etwaige,  zunächst  stehenbleibende  Reste  des  Altholzes  (Ueberhälter)  dienen  nicht 
oder  nur  zufällig  der  Verjüngung. 

§  19.  Die  Vorverjüngurgsbet  riebe  werden  nach  der  Dauer  der 
Verjüngung  unterschieden : 

1.    Plenter-   oder  F  e  m  e  1  b  e  t  r  i  e  b  ""j.      Die   Verjüngung   erstreckt  sich 

1)  M  a  r  t  i  n  (Forstl.  Statik,  2.  Bd.  1911,  S.  1)  untersclieidpt  nur  4  Betriebsarten:  Nieder- 
waldbolricb,  Mittelwaldbetrieb,  Plenterbetrieb  und  regelmäßigen  Hochwaldbetrieb  und  hält  die 
weitere  Ausdehnung  des  Begriffes  Betriebsart  auf  andere  Formen  nicht  für  empfehlenswert,  wäh- 
rend Gay  er  (Waldbau,  4.  .*\ufl.  1898,  3.  Abschn.)  9  Betriebsarten  unterscheidet;  Kahltlächen- 
forra,  Schirmschlagform,  Saumschlagform,  Femelschlagform,  femelartige  Hochwaldform,  Femel- 
form,    Ueberhaltform,    Unterbauform,    Niederwaldformen,    Miltehvaldformen. 

2)  Fortvegetieron  im  Boden  verbleibender  Stöcke  während  des  folgenden  ümtriebs  bleibt 
insofern  unbeachtet,  als  man  bei  der  Begründung  des  neuen  Bestandes  die  etwa  erwachsenden 
Ausschläge  nicht  grundsätzlich  einbezieht,  wenn  ihnen  auch  da  und  dort  aus  bestimmten  Grün- 
den (Holzartenmischung,  Bodenschutz  usw.)  eine  Stelle  gegönnt  wird. 

3)  Finden  Aufastungen  statt,  so  erfolgt  der  bezügliche  Holzanfall  nur  im  Interesse  der 
Bestandeserziehung,  die  Wegnahme  einzelner  Organe  geschieht  hier  nicht  zum  Zweck  einer  Re- 
produktion. 

4)  Plenter-  oder  Plänterbetrieb  fälschlich  abgeleitet  von  plantare,  richtiger  nach  dem  Bei- 
spiel C.  Wagners  Blenderbelrieb  von  ,, Blender"    =   beschattender  Baum.    \'on  den  forstlichen 


Die   Betriebsarten.     §  19.  39 

Über  die  ganze  Umtriebszeit  und  über  die  ganze  Fläche  unter  Benützung  aller  eintre- 
tenden Samenjahre,  sie  hört  nie  auf.  Infolgedessen  sind  im  Plcntervvalde  alle  Alters- 
klassen in  gruppen-  oder  horslweiser  oder  einzelständiger  Anordnung  vertreten.  In- 
wieweit Repräsentanten  jedes  einzelnen  Jahres  vorhanden  sind,  hängt  von  der  Wie- 
derkehr der  Samenjahre  bezw.  von  wirtschafthchen  Eingriffen  ab.  Da  Samenjahre 
nicht  von  .lahr  zu  .lahr,  sondern  meist  nur  in  größeren  Zeitzwischenräuinen  kommen, 
sind  mehrjährige  Altersdifferenzen  zwischen  den  im  Alter  benachbarten  Bestands- 
individuen die  Regel.  ,Fe  jünger  die  einzelne  Altersstufe  ist,  um  so  zahlreicher  pflegt 
sie  vertreten  zu  sein. 

Bei  120jiilir.  Umtriebe,  d.  Ii.  bei  .\nnalime  von  120  Jahren  als  demjenigen  .\ltcr,  das  von 
der  ältesten  Slamml<lasse  normal  erreicht  werden  soll,  sind  unter  der  Voraussetzung,  daß  alle 

fünf  Jahre  ein  Samenjahr  kommt,  beispielsweise  also  5-,  10-,  15-,  20- 90-,  95-,  100-,  105-, 

110-,  115-  imd  120jähr.  Individuen  vorhanden.  Die  Intervalle  können  größer  oder  kleiner  sein; 
sie  brauchen  überdies  nicht  gleich  groß  zu  sein;  tatsächlich  sind  sie  auch  fast  immer  verschieden. 
Charakteristisch  ist  aber  immer,  daß  Jungwüchse,  mittelalte  Stämme,  Althölzer  in  dem  näm- 
lichen Bestände  angetroffen  werden.  Dementsprechend  ist  das  Kronendach  da  und  dort  unter- 
brochen, keinenfalls  in  annähernd  gleicher  Höhe  über  dem  Boden  nur  eine  Etage  bildend. 
Bis  alle  Individ<ien  des  jetzt  vorhandenen  Bestandes  genutzt  sind,  verfließt  bei  normalem  \"er- 
lauf  der  Nutzung  die  ganze  Umtriebszeit.  Erst  nach  deren  Verlauf  ist,  obwohl  die  Verjüngung 
fortwährend  im  Gang  ist.  ein  in  allen  seinen  Teilen  neuer  Bestand  vorhanden. 

Bei  den  übrigen  Vorverjüngungsbetrieben  wie  auch  bei  den  Nachverjüngungen 
erstreckt  sich  die  \'erjüngung  immer  nur  auf  die  mit  dem  ältesten  Holze  bestockten 
Teile  der  Waldfläche  und  beansprucht  dementsprechend  nicht  die  ganze  Umtriebs- 
zeit, sondern  nur  einen  mehr  oder  weniger  großen  Teil  derselben.  Man  bezeichnet 
die  jeweilig  zur  Verjüngung  bestimmte  Fläche  als  Schlag  und  die  weiter  zu  nen- 
nenden Betriebe  als  S  c  h  1  a  g  b  e  1 1  i  e  b  e.  Sie  unterscheiden  sich  nach  der  Dauer 
der  Verjüngung.  Je  schneller  die  Veijüngung  vor  sich  geht,  je  kürzer  der  hieifür 
vorgesehene  Zeitraum  (Verjüngungszeitraum)  ist,  umso  gleichalteriger  wird 
der  neue  Bestand,  während  umgekehrt  lange  Verjüngungszeiträume  zu  ungleich- 
altrigen Beständen  führen,  weil  dann  die  Abkömmlinge  einer  Reihe  aufeinanderfolgen- 
der Samenjahre  im  Bestände  vereinigt  werden. 

2.  Plenterschlag-  oder  Femelsch  lagbetrieb.  Die  Ver- 
jüngungsmaßregeln  werden  nicht  gleichzeitig  und  nicht  gleichmä- 
ß  i  g  auf  der  ganzen  Fläche  eingeleitet,  sondern  zunächst  nur  löcher-  oder  horstweise 
an  bestimmten  Stellen  (Angriff sp unk t'^n)^)  und  greifen  unter  Benutzung  meh- 
rerer Samenjahre  nach  und  nach  auf  die  noch  unberührten  Teile  des  Bestandes  über. 
Der  Verjüngungszeitraum  umfaßt  eine  je  nach  Ilolzait,  Standort  und  speziellem 
Wirtschaftszweck  (bezw.  Waldbehandlung)  bald  längere,  bald  kürzere  Reihe  von 
Jahren.  Wie  schon  aus  dem  allmählichen  Fortschreiten  der  Verjüngung  und  aus  der 
Zuhilfenaiune  einei  Mehrzahl  oft  weit  genug  auseinander  liegender  Samenjahre  her- 
vorgeht, dauert  es  aber  immer  relativ  lange,  bis  ein  größerer  Bestand  auf  diese 
Weise  vollkommen  verjüngt  ist.  Im  Zusammenhang  damit  steht  eine  mehr  oder 
minder  ausgeprägte  U  n  g  1  e  i  c  h  a  1 1  r  i  g  k  e  i  t  des  aus  der  Verjüngung  hervorge- 
henden Bestandes. 

Wie  viel  Zeit  die  Verjüngung  des  ganzen  Bestandes  erfordert,  ist  für  die  Methode 
an  sich  ohne  Belang,  obwohl  das  entstehende  Bestandesbild  dadurch  natürlich  we- 
sentlich beeinflußt  wird.     Man  findet  lange  und  kürzet  e  Vei jüngungszeiträume ;  über 

Versuchsanstalten  ist  aber  die  Schreibweise  ,, Plenterbetrieb"  angenommen.  —  Femelbetrieb  von 
„femella"  bezw.  von  .Vusfemeln,  d.  h.  Entfernen  der  (vermeintlichen)  Femellae  beim  Hanf  über- 
tragen. 

1)  Horst-  und  gruppenweise  Verjüngung  G  a  y  e  r  s  ,  vgl.  dessen  „Der  gemischte  Wald" 
S.  68  ff. 


40  VI.  L  0  r  e  y  ,    Waldbau. 

die  halbe  Umtriebszeit  wird  dabei  wohl  kaum  hinausgegangen;  also  wird  z.  B.  bei 
120jährigem  Umtrieb  ein  Tannenbestand  in  längstens  60  Jahren  vollständig  verjüngt. 
Der  Bestand  hat  ein  femelartiges  Ansehen,  besonders  während  der  Verjüngungsdauer, 
insofern  stets  die  der  Länge  des  Veijüngungszeitraumes  entsprechenden  Altersstufen 
vorhanden  sind.  In  einem  mit  60  jährigem  Verjüngungszeitraum  begründeten  Tan- 
nenbestande  werden  z.  B.  30 — 90jährige  Bäume,  oder,  so  lange  die  Vei-jüngung  im 
Gang  ist,  Altholzgruppen,  sowie  gleichzeitig  wieder  Jungwüchse  angetroffen.  Der 
Unterschied  vom  eigentlichen  Femelwald  springt  in  die  Augen;  es  fehlen  die  Zwischen- 
glieder der  Altersreihe.  Ist  die  Verjüngungsdauer  =  a  Jahre,  so  ist  bei  der  Umtriebs- 
zeit =  u  in  jedem  Stadium  der  Bestandesentwickelung  ein  Zeitraum  von  u — a  Jah- 
ren nicht  durch  Stämme  vertreten. 

3.  S  c  h  i  r  m  s  c  h  1  a  g  b  e  t  r  i  e  b.  Auch  hier  vollzieht  sich  die  Verjüngung  in 
einer  längeren  oder  kürzeren  Reihe  von  Jahren.  Die  Verjüngungsmaßnahmen  aber 
erstrecken  sich,  um  wenn  möglich  mit  einem  einzigen  Samenjahr  die  ganze 
Betriebsfläche  zu  besamen,  gleichmäßig  über  den  ganzen  Bestand.  Das 
setzt  voraus,  daß  das  zu  verjüngende  Altholz  durch  seine  ganze  Erstreckung  mög- 
lichst gleichartig  ist,  und  hat  zur  Folge,  daß  der  entstehende  Jungbestand, 
wenn  sonst  die  Besamung  in  der  gewünschten  Weise  in  kürzester  Zeit  —  tunlichst  eben 
durch  ein  Samenjahr  — gelingt,  ganz  oder  wenigstens  annähernd  gleichaltrig 
wird.  Der  Verjüngungszeitraum  i.^^t  mithin  bei  diesem  Betriebe  im  allgemeinen  k  ü  r- 
z  e  r  als  beim  Plenterschlagbetriebe.  Mancherorts  bezeichnet  man  den  Schirmschlag- 
betrieb auch  als   Dunkelschlag  Wirtschaft. 

Während  beim  Femelschlagbetrieb  der  Verjüngungszeitraum  nicht  allein  von 
dem  längere  oder  kürzere  Zeit  hindurch  andauernden  Belassen  der  Mutterbäume  im 
Bestände,  sondern  namentlich  auch  von  der  im  Belieben  des  Wirtschafters  liegenden 
rascheren  oder  langsameren  Ausbreitung  des  Verjüngungsprozesses  über  alle  Bestan- 
despartien abhängig  ist,  entscheidet  für  die  Veijüngungsdauer  beim  Schirmschlag- 
betrieb nur  das  Tempo,  in  welchem  man  mit  den  Vorlichtungen  und  demnächst  nach 
erfolgtei  Besamung  mit  Abräumung  der  Mutterbäume  vorgeht,  bezw.  vorgehen  muß. 
Wie  viel  Zeit  hierfür  nötig  wird,  ist  wiederum  für  die  Methode  an  sich  gleichgültig. 

4.  S  a  u  m  s  c  h  1  a  g  b  e  t  r  i  e  b.  Der  zu  verjüngende  Bestand  wird  von  einer 
Seite,  der  Angriffsfront  (Osten,  Nordosten,  Norden,  Nordwesten)  aus  auf  schmalen 
Streifen  =  Säumen  nach  den  Grundsätzendes  Schirmschlag-  oder  Plenterschlagbetrie- 
bes behandelt.  In  dem  Maße  die  natürliche  Ansamung  auf  dem  zuerst  in  Angriff 
genommenen  Streifen  gelungen  ist,  schreiten  die  auf  Verjüngung  gerichteten  Maß- 
nahmen auf  einem  weiteren  Streifen  nach  dem  Bestandesinnern  vor,  während  auf 
dem  ersten,  bereits  besamten  Streifen  die  Bestandspflege  für  die  dem  Jungwuchs 
nötige  allmähliche  Lichtstellung  Sorge  trägt.  Diese.''  stufen-  oder  schrittweise  Vor- 
dringen der  Verjüngung  fühlt  zu  streifenförmigen,  dem  Alter  nach  ineinander  über- 
gehenden Kleinbeständen  und  hat,  wenn  sonst  die  Verjüngung  eines  Bestandes  von 
einem  Ende  zum  anderen  nicht  zu  lange  dauern  soll,  nur  geringe  Flächenausdehnung 
der  zu  verjüngenden  Bestände  und  öftere  Wiederkehi  von  Samenjahren  zur  Voraus- 
setzung. 

Je  breiter  die  Verjüngungsstreifen  werden,  umsomelir  geht  der  Saumsolilagbetrieb  in 
den  reinen  Schirmschlag-  bezw.  Plenterschlagbetrieb  über.  Die  bisher  zunächst  von  Ost  oder 
Nordost  versuchte  Saumschlagverjüngung  ist  neuerdings  in  der  von  Prof.  Wagner')- 
Tübingen  lebhaft  empfohlenen  und  unter  dem  Namen  „B  1  e  n  d  e  r  s  a  u  m  s  c  h  1  a  g"  ein- 
geführten Form  sehr  populär  geworden.  Das  Wesentliche  und  Neue  des  Wagner'schen  Verfah- 
rens ist  die  Verlegung  der  Angriffsfront  auf  die  Nord-  bezw.  Nordwestseite  des  zu  verjüngenden 
Bestandes. 

1)  Die  räumliche  Ordnung  im  Walde,   1907. 


Die  Betriebsarten.     §  20.  4J 

§  20.  Die  N  a  c  h  V  e  r  j  ü  n  g  u  n  g  s  b  e  t  r  i  e  b  e  werden  nach  der  Art  und 
Weise  der  Verjüngung  unterschieden. 

5.  K  a  h  1  s  c  h  1  a  g  b  e  t  r  i  e  b.  Die  Verjüngung  erfolgt,  nachdem  der  Bestand 
auf  der  Fläche  kahl  abgetrieben  ist,  durch  Saat  oder  Pflanzung,  also  künstlich 
und  meist  gleichzeitig  auf  der  ganzen  Fläche.  Es  ei"wächst  infolgedessen  ein  gleich- 
altriger   gleichmäßiger  Jungbestand. 

Wenn  tatsächlich  manclimal  zwei  oder  mehrere  Jahre  bis  zur  Neubegründung 
eines  Bestandes  vergehen,  so  tragen  sekundäre  Umstände,  welche  mit  dem  Wesen 
der  Methode  in  keinem  Zusammenhang  stehen,  wie  z.  B.  Unmöglichkt  it  raschen  Ro- 
dens, Insektengefahr  (Rüsselkäfer)  u.  dergl.  die  Schuld.  Ein  einziger  Hieb  (Kahl- 
abtrieb) räumt  den  Altholzbestand  hinweg;  danach  kann  sich  die  Begründung  des 
neuen  Bestandes  unmittelbar  anreihen.  In  kürzester  Frist  könnte  sich  also  der  Vor- 
gang (Fällung,  Abfuhr,  Saat  oder  Pflanzung)  im  Verlaufe  etwa  eines  halben  Jahres 
abspielen,  was  wirtschaftlich  immerhin  als  ein  einjähriger  Zeitraum  (eine  Zuwachs- 
periode) aufzufassen  wäre. 

6.  K  a  h  1  s  c  h  1  a  g  mit  R  a  n  d  b  e  s  a  m  u  n  g.  Es  handelt  sich  bei  diesem 
Betriebe  um  schmale  Kahlschläge  (Saumschläge),  deren  Wiederverjüngung  den  Rand- 
bäumen des  anstehenden  Bestandes,  also  der  Natur  überlassen  bleibt.  Während  die 
Naturverjüngung  im  allgemeinen  Voi"verjüngung  ist,  haben  wir  es  hier  mit  einem 
und  zwar  dem  einzigen  Fall  von  natürlicher  Nachverjüngung  zu  tun.  Verlauf,  Rich- 
tung und  Breite  der  Saumschläge  wechseln,  sind  aber  für  Gelingen  und  Ergiebigkeit 
der  natürlichen  Ansamungen  von  großer  Bedeutung. 

Soweit  bei  den  unter  5  und  6  genannten  Kahlschlägen  Ueberhälter  nicht  stehen 
gelassen  werden,  finden  sich  beim  Kahlschlagbetrieb  Altholz  und  Jungwüchse  nie- 
mals auf  der  nämlichen  Fläche.  Hierin  unterscheidet  sich  der  Kahlschlagbetrieb  sehr 
scharf  von  den  Vorverjüngungsbetrieben,  bei  denen  stets  während  des  Verjüngungs- 
zeitraumes Teile  des  alten  und  neuen  Bestandes  gleichzeitig  vorhanden  sind. 

Alle  übrigen  noch  vorkommenden  Hochwaldformen  sind  nur  als  Modifikationen 
der  vorstehend  in  ihren  Hauptmerkmalen  charakterisierten  Grundfornien  zu  betrach- 
ten. Es  sind  Uebergangsformen  mit  engerer  oder  minder  enger  Anlehnung  an  diese 
oder  jene  Grundform.  Zum  Teil  werden  hierbei  durch  sekundäre  Maßnahmen  z.  B., 
durch  Unterbau,  Bestandsbilder  geschaffen,  die  in  ihrer  Eigenartigkeit  den  Eindruck 
neuer  selbständiger  Formen  erwecken. 

So  ist  es  z.  B.  nur  eine  Modifilvation  des  Kahlschlagbetriebes,  wenn  ein  voi-übergehender 
Ueberhalt  zur  Beschirmung  der  nachfolgenden  Kultur  gegen  Frost  oder  Sonnenhitze,  vielleicht 
auch  zur  Zurückhaltung  von  L'nkrautwuchs  oder  von  Stockausschlägen  belassen  wird.  Man 
nennt  eine  solche  Schlagführung  hin  und  wieder  „Schulzschlag"  oder  wohl  auch  „Schirm- 
schlag". Bei  den  Vorverjüngungsbetrieben  kann  man  sich  an  Stelle  der  unter  1  bis  4  genann- 
ten vier  Grundformen  nur  mit  deren  zwei:  Femelbetrieb  und  Schirmschlagbetrieb  begnügen. 
Streng  genommen  lassen  sich  in  der  Tat  auch  nur  diese  beiden  Formen  festhalten.  Der  Saum- 
schlagbetrieb ist  ja,  wie  oben  erwähnt,  nichts  anderes  als  saumweiser  Schirmschlagbetrieb,  und 
der  Femelschlagbetrieb  zerfällt,  sobald  man  den  Horst  oder  die  Gruppe  als  wirtschaftliche  Ein- 
heit betrachtet  —  was  grundsätzlich  gewiß  zulässig  ist  —  in  eine  Anzahl  von  kleinen  Schirm- 
schlagbetrieben. Da  wir  jedoch  gewohnt  sind,  —  aus  Zweckmäßigkeitsgründen  und  doch  auch 
infolge  einer  gewissen  Berechtigung  im  Sinne  der  Logik  —  die  von  der  Waldeinteilung  geschaf- 
fenen Wirtschaftsfiguren,  wie  Abteilungen  und  Unterabteilungen  etc.,  auch  in  Absicht  auf  wald- 
bauliche Behandlung  als  Ganze  zu  betrachten,  so  mag  hier,  wo  nicht  die  Einzeloperalion,  son- 
dern der  Betrieb  in  Frage  steht,  jene  Trennung  durchgeführt  und  der  Femelschlagbetrieb  als 
ü'irundform  der  Samenverjüngung  durch  auf  der  Fläche  stehende  iMutterbäume  behandelt 
werden.  Bestimmend  wirkt  dabei  besonders  auch  der  Wunsch  mit,  es  möchte  tunlichste  Ein- 
heitlichkeit der  Definierung  erreicht  und  damit  das  Verständnis  gefördert  werden.  G  a  y  e  r 
hat  in  seiner  Schrift  „Der  gemischte  Wald"  für  das,  was  hier  als  „Femelschlagbetrieb"  cha- 
rakterisiert ist,  die  Bezeichnung  ,, hörst-  und  gruppenweise  \  erjüngung"  gewählt,  weil  er  sich 
vor  der  Verwechselung  mit  dem   Femelschlagbetrieb   H  e  y  e  r  s   ( =    unserem   Schirmschlag- 


42  VI.  L  o  r  e  y  ,    ^^■aldbau. 

betrieb)  scheut.  Es  ist  dies  aber  nicht  als  zwingender  Grund  anzuseilen,  die  Bezeichnung  Fe- 
melschlagbetrieb  ganz  zu  meiden,  da  die  .Sache,  um  welche  es  sich  handelt,  doch  so  schart'  ge- 
k?nnzeichnct  ist,  daß  Mißverständnisse  kaum  zu  erwarten  sind. 

B.  Die  Aussehlagholzbetriebe. 

§  21.  Die  hierher  gehörigen  Betriebsarten  sind  dadurch  voneinander  verschie- 
den, daß  die  oberirdische  Masse  des  Einzelindividuums  in  mehr  oder  weniger  weit- 
gehender Weise  Gegenstand  der  Nutzung  ist.     Man  unterscheidet: 

1.  Nieder  wald-oder  Stockschlagbetrieb:  Bei  der  Ernte  wird 
die  gesamte  oberirdische  Holzmasse  genutzt,  so  daß  nichts  als  der  Stock  mit  den  Wur- 
zeln verbleibt.  Stockausschläge  und  eventuell  Wurzelbrut  bilden  den  jungen  Be- 
stand. Ein  im  jährlichen  Nachhaltbetrieb  befindlicher  Niederwald  hat  eine  der  Um- 
triebszeit  entsprechende  Anzahl  von  einzelnen  Flächen  bezw.  Beständen  in  Alters- 
abstufung  von  je  1  .Jahr. 

2.  Kopfholzbetrieb:  Ein  Teil  des  Schaftes  bleibt  stehen;  an  seinem 
oberen  Ende  entwickeln  sich  Ausschläge,  welche  Gegenstand  der  folgenden  Nut- 
zung sind.  Bei  öfterer  Wiederholung  derartiger  Nutzung  bilden  sich  am  Schaftende 
Wülste  und  köpf  artige  Verdickungen. 

3.  Sc  hneitel  holzbetrieb:  Der  ganze  Schaft  bleibt  erhalten.  Die  Nut- 
zung erstreckt  sich  nur  auf  die  Aeste,  an  deren  Abhiebsstellen  Ausschläge  liervor- 
treiben;  diese  liefern  dann  die  Holzmasse  für  den  nächsten    Hieb. 

C.  Der  Mittelwaldbetrieb. 

§  22.  Der  Mittelwald  ist  eine  Verbindung  von  Niederwald  mit  plenterartigem 
Hochwald.  Auf  derselben  Fläche  wird  gleichzeitig  ein  im  wesentlichen  Brennholz 
lieferndes,  aus  ausschlagsfähigen  Holzarten  bestehendes  sog.  Unterholz  und  ein 
hochstämmig  erwachsendes,  der  Nutzholzerzeugung  dienendes  O  b  e  r  h  o  1  z  erzogen. 

Beim  jedesmaligen  Abtriebe  des  im  10  bis  20  jährigen  Umtriebe  bewirtschafte- 
ten Unterholzes  wird  ein  Teil  der  bestwüchsigsten  Ausschläge  stehen  gelassen,  ebenso 
werden  die  beim  vorhergehenden  Abtriebe  zur  Ausfüllung  der  Fehlstellen  usw.  durch 
Pflanzung  eingebrachten  Kernwüchse  erhalten.  Diese  stehengelassenen  Teile  des 
bisherigen  Unterholzes  gehen  mm  in  die  Oberholzklasse  über  und  führen  zunächst 
den  Namen  Laßreiser  oder  L  a  ß  r  e  i  t  e  1.  Beim  nächsten  Abtriebe  des  Unter- 
holzes haben  die  Laßreiser  das  doppelte  Alter  des  Unterholzumtriebes.  Ein  Teil  von 
ihnen  wird  gleichzeitig  mit  dem  Unterholz  entnommen,  der  andere  Teil  bleibt  stehen 
und  bildet  während  des  dritten  Unterholzumtriebes  die  ,,0  b  e  r  s  t  ä  n  d  e  r",  deren 
bei  den  späteren  Unterholzabtrieben  übergehaltene  Teile  ab  und  zu  als  a  n  g  e  h  e  n  d  e, 
später  als  starke  oder  Hauptbäume  bezeichnet  werden.  Die  ältesten  Ober- 
hölzer werden  beim  Unterholzschlage  =  Mittelwaldschlage  mit  genützt. 

Jedem  Unterholzabtriebe  entspricht  somit  eine  Oberliolzklasse.  Das  Umtriebs- 
alter  des  Oberholzes  ist  ein  Mehrfaches  des  Unterholzumtriebes,  so  daß  im  normalen 
Mittelwald  der  Altersunterschied  der  verschiedenen  Oberholzklassen  immer  durch 
den  Unterholzumtrieb  oder  durch  ein  Vielfaches  desselben  angegeben  wird. 

Ein  im  jährlichen  Nachhaltsbetriebe  stehender  normaler  Mittelwald  hat,  wenn  der  Unter- 
holzumtrieb u,  der  Oberhülzumtrieb  U  Jahre  umfaßt, 1  =  n  Oberholzklassen,  da  die  Laß- 

u 

reiser,  die  nach  Abtrieb  des  Unterholzes  zum  Oberholz  übertreten,  vor  dem  Abtrieb  noch  dem 
Unterholz  angehören.    Er  bietet  dann  folgendes  Bild: 

Wir  haben  u  Flächenteile,    bezw.  Schläge  (im  Normahvald  gleichwertig  in  ihrer  Ertrags- 
leistung).   Diese  sind  unmiltelbar  vor  einem  Hieb  bestockt  mit 


Die  Betriebsarten.     §  23.  43 

a)  1-,  2-,  3-  ....  u  jülirigciu   l/nlorholz, 

b)  je  mit  den  n  Oberliolzklasson,  welclie  z.  B.  für  den  Schlag  mit  iijähriareiu  Unterholz 
2u-,   3u-  .  .  .  nu-,  (n  +  1)  u  =  Ujährig^e   Stämme 

und  für  den  Schlag  mit  Ijührigcm  Unterholz 
(u  +  1)-,  (2u  +  1)-,  ....  (nu  +  1)  jährige  Slüiiime  cnlhallen. 
Die  Zalil  der  Stämme  in  den  einzelnen  Olierholzlvlassen  bildet  eine  abnehmende  Reihe, 
sofern  sich  die  ursprünglicli  in  beträchtlicher  Menge  übergehaltenen  Laßreitel  stetig  vermin- 
dern. Denn  sowohl  die  Entwickehmg  der  einzelnen  Oberliolzstämme,  als  die  Rücksicht  anf 
kräftiges  Erwachsen  genügender  Unterholzmengen  fordert  es,  daß  bei  jedem  Hieb  des  Unter- 
holzes nicht  nur  gleichzeitig  die  älteste  Oberholzklasse  genutzt,  sondern  auch  in  die  übrigen 
Oberholzklassen  eingegriffen  wird,  indem  man  nutzholztaugliche  Stämme  entfernt  und  einen 
zu  dichten  Stand  des  Oberholzes  ermäßigt.  In  welchem  Betrage  dabei  die  Stammzahlen  im 
einzelnen  reduziert  werden,  ist  von  einer  großen  Reihe  so  sehr  wechselnder  Umstände  (Holzart, 
Standort,  Wirtschaftszweck,  bezw.  stärkere  Betonung  bald  des  Oberholzes,  bald  des  Unter- 
holzes usw.)  abhängig,  daß  dafür  auch  nicht  entfernt  irgend  welche  allgemeine  Norm  aufge- 
stellt werden  kann.  Ueberhaupt  zeigt  der  .Mittclwald,  bedingt  durch  Art,  Menge  und  Verteilung 
des  Oberholzes,  wohl  die  vielfältigst  abgeänderten  Formen.  Nach  dem  verschiedenen  Maße, 
in  dem  Ober-  und  Unterliolz  an  der  Zusammensetzung  des  Mittelvvaldes  teilnehmen,  unter- 
scheidet man  hochwaldartigen,  niederwaldartigen  .Vlittehvald  und  solchen  im  gewöhnlichen 
Sinne.  Je  mehr  das  Oberliolz  überwiegt,  umsomehr  nimmt  der  Mittelwald  naturgemäß  hoch- 
waldartigen Charakter  an  und  umsomelu-  tritt  die  stammweise  \erleilimg  der  Oberliolzklassen 
des  niederwaldartigen  und  gewöhnliclien  .Mittelwaldes  gegenüber  einer  melir  hörst-  und  flächen- 
weisen zurück. 

II.  W  ü  r  d  i  g  u  n  g    der    Grundformen. 

§23.  Vorbemerkungen.  Abgesehen  von  denjenigen  Wäldern,  in  wel- 
chen Schutzwaldcharakter  oder  besondere  vom  Waldbesitzer  verfolgte  Zwecke  (Wild- 
park) die  der  Wirtschaftsführung  zu  gründe  zu  legende  Betriebsart  vorschreiben, 
sind  bei  der  Wahl  der  Betriebsart  deren  ökonomische  und  waldbauliche  Leistungen 
ausschlaggebend.  Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  daß  in  unseren  Wirtschaftswäldern 
die  ökonomischen,  im  Nutzeffekt  zum  Ausdruck  kommenden  Leistungen  im  Laufe 
der  Zeit  einen  überwiegenden  Einfluß  auf  die  Bevorzugung  und  Ausbreitung  der 
in  dieser  Richtung  vorteilhaftesten  Betriebsarten  gewonnen  und  die  vom  natürlichen 
Prinzip  geforderten  Rücksichten  hin  und  wieder  in  einer  zu  weit  gehenden  Weise  in 
den  Hintergrund  gedrängt  haben.  Der  Einfluß,  den  die  einzelnen  Betriebsarten  auf 
den  Boden  ausüben,  ist  für  ihre  Beurteilung  zweifellos  unbedingt  maßgebend,  weil 
die  dauernde  Erhaltung  bezw.  Steigerung  des  Produktionsfaktors  ,, Bodenkraft"  die 
wesentlichste  Bedingung  aller  Nachhaltigkeit  ist.  Die  von  Gay  er  u.  a.,  neuerdings 
von  C.  Wagner  inaugurierte  Bewegung  zugunsten  schärferer  Betonung  der  waldbau- 
lichen Leistungen  der  Betriebsarten  verdient  deshalb  volle  Beachtung.  Andererseits 
ist  aber  auch  in  dieser  Richtung  eine  einseitige,  über  die  ökonomischen  Werte  hinweg- 
sehende Wertschätzung  zu  vermeiden.  Zum  mindesten  kann  es  angesichts  der  Ver- 
schiedenartigkeit der  waldbaulichen  und  wirtschaftlichen  Eigenschaften  unserer  Holz- 
arten und  angesichts  der  Verschiedenheit  der  Standortsverhältnisse  nicht  als  richtig 
bezeichnet  werden,  in  e  i  n  e  r  Betriebsart  ihrer  waldbaulichen  oder  sonstigen  Vorzüge 
wegen  die  für  alle  Holzarten  und  alle  Produktionsgebiete  gemeinsame,  passendste 
und  beste  zu  erblicken. 

.Jede  vernünftige  Wirtschaft  wird  diejenige  Betriebsart  wählen,  die  unter  den 
gegebenen  Umständen  das  günstigste  Verhältnis  zwischen  Ertrag  und  Produktions- 
kosten aufweist  und  zwar  nachhaltig.  Diese  gebotene  Rücksichtnahme  auf  die  Nach- 
haltigkeit und  auf  Vermeidung  von  Augenblickserfolgen  umschließt  von  selbst  die 
Beachtung  des  waidbaulichen  Wertes  der  zu  wählenden  Betriebsart.  Maßgebend 
für  die  Bemessung  der  ökonomischen  Effekte  verschiedener  Wirtschaftsverfahren 
ist  die  Bodenrente  bezw.  der  Bodenertragswert,  und  dasjenige  Wirtschaftsverfahren, 
das  uns  bei  Wahrung  der  natürlichen,  produktiven  Forderungen  das  Maximum  des 
Bodenertragswertes  in  Aussicht  stellt,  ist  das  günstigste. 


44  VI.  L  o  r  e  y  ,    Waldbau. 


A.  Hochwald. 


§  24.  Im  Wesen  des  Hochwaldbetriebs,  wenn  auch  nicht  grundsätzhch  da- 
durch bedingt,  hegt  es,  daß  er  mit  höherem  Umtrieb  behandelt  wird  i).  Aus 
diesem  Umstände  hauptsächlich  ergeben  sich  hinsiclitlich  der  wirtschaftlichen  Lei- 
stung die  Unterschiede  gegenüber  dem  Ausschlagswald  und  dem  Mittelwald.  Bei 
letzterem  steht  nur  das  Oberholz  in  höherem  Umtrieb,  während  das  Unterholz  meist 
in  kurzen  Zwischenräumen  (von  10 — 20  Jahren)  abgetrieben  wird;  bei  den  Ausschlags- 
waldungen kommt  überhaupt  nur  ein  niederer  Umtrieb  (von  Ijähiigem  bei  Flecht- 
weiden bis  etwa  SOjährigem  bei  Eilen)  in  Betracht. 

Jene  Unterschiede  treten  am  klarsten  zu  Tage,  wenn  man  zunächst  die  beiden 
extremen  Formen:  Hochwald  und  Niederwald  vergleicht. 

Folge  des  höheren  Umtriebs  ist  beim  Hochwald  zunächst  die  seltenere  Sorge 
für  Neubegründung  eines  Bestandes  auf  der  nämlichen  Fläche.  Dagegen  muß  aber 
derjenige  Waldbesitzer,  welcher  nicht  anders  als  in  aussetzendem  Betrieb  wirtschaf- 
ten kann,  länger  auf  einen  Abtriebsertrag  warten  und  empfängt  nur  in  Gestalt  der 
Zwischen-  und  etwaigen  Nebennutzungen  mehr  oder  minder  belangreiche  Abschlags- 
zahlungen. Soll  ein  jährlicher  Betrieb  durchgeführt  werden,  so  bedarf  es  in  den 
meisten  Fällen  —  (beim  Plenterbetrieb  nicht)  —  einer  relativ  (im  Verhältnis  zur 
Umtriebszeit  stehend)  großen  Fläche,  damit  der  einzelne  Jahres-  oder  Periodenschlag 
noch  eine  für  die  erfolgreiche  wirtschaftliche  Behandlung  genügende  Größe  erhält. 
Unzertrennlich  mit  dem  höheren  Umtrieb  verbunden  ist  für  den  Nachhaltbetrieb  das 
größere  Holzvorratskapital,  mit  welchem  der  Hochwald  arbeitet,  ein  Umstand,  wel- 
cher an  sich,  d.  h.  immer  dann,  wenn  er  nicht  durch  andere  Momente  paralysiert  wird, 
eine  geringere  Verzinsung  erwarten  läßt.  Wenn  der  Hochwaldbetrieb  eine  zu  hohe 
Kapitalanhäufung  aber  vermeidet  und  durch  bessere  Ausnützung  der  das  Produk- 
tionskapital nicht  erhöhenden  Naturkräfte  (durch  Bodenpflege,  Ausnützung  der  Na- 
turverjüngung, intensiven  Durchforstungs-  und  Lichtungsbetrieb)  auch  auf  Kürzung 
des  Produktionszeitraumes  bedacht  ist,  so  ist  er  in  bezug  auf  Rentabilität  dem  Nie- 
derwald immer  und  dem  Mittelwald  in  den  meisten  Fällen  überlegen.  Weniger  gün- 
stig stellt  sich  das  Verhältnis  des  Hochwaldes  zu  Nieder-  und  Mittelwaldbetrieb  in 
bezug  auf  Sicherheit  vor  Gefahren:  ersterer  ist  durch  Sturm,  Schnee,  Feuer,  Insekten 
zweifellos  mehr  gefährdet  als  jene.  Dieser  Nachteil  ist  aber  nur  zum  Teil  auf  die 
Verschiedenheit  in  der  Umtriebshöhe  zurückzuführen.  In  höherem  Maße  wird  er 
von  der  Verschiedenheit  der  Holzart,  namentlich  von  dem  mehr  oder  weniger  voll- 
ständigen Fehlen  der  Nadelhölzer  im  Nieder-  und  Mittelwaldbetrieb  bedingt. 

Auf  der  anderen  Seite  wiederum  ist  der  Hochwald  für  alle  Holzarten  tauglich, 
liefert  bei  entsprechend  hohem  Umtriebe  alle  verschiedenen  Sortimente,  erzeugt 
Nutzholz  in  größter  Menge  und  bester  Quahtät  und  ist  somit  diejenige  Betriebsart, 
die  den  gesteigerten  Bedürfnissen  des  Marktes  nach  Nutzholz  weit  mehr  gerecht  wird 
als  Nieder-  und  Mittelwald,  deren  Nutzholzprozente  nur  ausnahmsweise  über  5  bezw. 
40  steigen.  In  seinem  größeren  Holzvorrate  bietet  der  Hochwald  ferner  eine  oft 
willkommene  Gelegenheit  zur  Kapitalanlage  und  gewährleistet,  wenn  richtig  geleitet, 
wegen  der  selteneren  Wiederkehr  der  Abtriebsnutzung  die  vollständigere  Erhaltung 
der  Bodenkraft.  Daß  der  Hochwald  auch  die  absolut  höchsten  Massenerträge  lie- 
fert, darf  als  sicher  angenommen  werden,  wenn  es  auch  an  Zahlen  nicht  fehlt,  die 
wenigstens  dem  Mittelwald  die  Ueberlegenheit  in  dieser  Richtung  zu  sichern  schei- 
nen.   Diese  Zahlen,  welche  die  höheren  Massenerträge  des  Mittelwaldes  dartun  sollen, 

1)  Ausnahme  z.   B.   die  Anzucht  von  Weihnachtsbäunichen  auf  besonderen   Flächen. 


Die   Betriebsarten.      §  21.  45 

beruhen  entweder  darauf,  daß  ein  Ertrag  des  Mittelvvaldes  zugrunde  liegt,  der  über 
den  normalen  Durchschnitt  hinaufgeht,  wie  es  bei  Abnutzung  ungewöhnlicher  Aut- 
speicherungen von  Oberholz  leicht  vorkommen  kann,  oder  aber  sie  stützen  sich  auf 
unzulässige  Vei gleiche  mit  zu  geringen  Zuwachsleistungen  oder  zu  geringen  Stand- 
ortsbonitäten des  Hochwaldes.  Abgesehen  davon,  daß  im  Nieder-  und  Mittelwalde 
viele  Individuen  im  jüngeren  Alter,  in  welchem  der  durchschnittliche  Zuwachs  noch 
weit  unter  seinem  Kulminationspunkt  steht,  abgenutzt  werden,  weisen  schon  die 
natürlichen  Faktoren,  von  denen  die  Zuwachsbildung  abhängt,  darauf  hin,  daß  weder 
der  Mittelwald  und  noch  viel  weniger  der  Niederwald  den  Hochwald  in  der  nachhal- 
tigen Holzmassenerzeugung  zu  übertreffen  vermögen. 

Bei  den  einzelnen  Hochwaldformen  machen  sich  die  vorstehend  angedeuteten 
Vor-  und  Nachteile  in  sehr  verschiedenem  Maße  geltend. 

1.  Plenter-   oder   Fem  elbetrieb  ^): 

Als  Vorzüge  müssen  geltend  gemacht  werden:  die  Möglichkeit,  höhere  Ab- 
triebsalter in  nachhaltiger  Wirtschaft  mit  jährlichen  Erträgen  auch  auf  kleiner 
Fläche  einzuhalten;  ferner  die  weitestgehende  Sicherung  der  Bodenkraft  (gegeben 
namentlich  in  entsprechender  Bodenfrische),  weil  niemals  Bodenstellen  in  größerem 
Umfang  völlig  bloßgelegt  werden;  sodann  die  Gewährung  eines  bedeutenden  Lich- 
tungszuwachses schon  in  einem  verhältnismäßig  frühen  Stadium  der  Baumentwicke- 
lung. Dabei  werden  die  Stämme,  weil  schon  bald  mehr  freiständig  erwachsend,  wi- 
derstandsfähiger gegen  Sturm  und  Schneebruch,  wie  denn  alle  einem  ungleichmäßigen 
Kronendach  nachgerühmten  Vorteile  im  Femelwald  in  besonderem  Maße  angetrof- 
fen werden  müssen.  Für  gefährdete  Gebirgslagen,  Schutzwaldungen  etc.  ist  der  Fe- 
melbetrieb die  geeignetste,  ja  oft  einzig  zulässige  Wirtschaftsform. 

Dagegen  beschränkt  sich  seine  Anwendbarkeit  auf  nur  wenige  Holzarten,  auf 
die  eigentlichen  Schattenhölzer  Tanne,  Buche,  allenfalls  Fichte;  denn  alle  Jung- 
wüchse müssen  mehr  oder  minder  im  Druck  heraufwachsen,  also  die  Fähigkeit  haben, 
sich  mindestens  in  starkem  Seitendruck  längere  Zeit  entwickelungskräftig  zu  erhalten. 
Dem  vorerwähnten  starken  Lichtungszuwachs  steht  mithin  eine  (je  nach  den  Um- 
ständen verschiedene)  Einbuße  an  Zuwachs  in  der  Jugend  gegenüber.  Die  Wirt- 
schaftsführung hat  diese  Einbuße  möglichst  zu  reduzieren,  kann  sie  aber  begreiflich 
niemals  ganz  vermeiden.  —  Die  Fällung  und  Holzbringung  ist  erschwert  —  (geübte 
Holzhauer  wissen  übrigens  diesen  Nachteil  auf  ein  geringeres  Maß  zu  beschränken, 
als  der  Uneingeweihte  meinen  sollte!)  — ;  die  Bäume  werden  großenteils  weniger  ast- 
rein und  weniger  vollholzig  als  im  geschlossenen  Bestände,  die  tiefer  angesetzten  Kro- 
nen erhöhen  zwar  den  Zuwachs,  nehmen  aber  gleichzeitig  den  jüngeren  Bestandes- 
gliedern mehr  Licht  weg  und  vermehren  das  Reisholzprozent.  Für  die  hin  und  wie- 
der behauptete  Ueberlegenheit  des  Plenterbetriebes  über  die  schlagweisen  Betriebe  in 
bezug  auf  Massen-  und  Wertsleistungen  fehlen  noch  hinreichende  Beweise.  Der  ein- 
zelne zutreffende  Fall  bietet  keine  Gewähr  für  die  allgemeine  Richtigkeit  dieser  Behaup- 
tung. Die  im  Plentervvald  vorliegenden  Wachstumsbedingungen,  die  Schwierigkei- 
ten der  Ernte  im  allgemeinen  und  die  der  rechtzeitigen  Nutzung  des  Einzelstammes 
machen  eher  die  gegenteilige  Annahme  wahrscheinhch.  Es  kommt  weiter  hinzu,  daß 
der  ganze  Betrieb,  weil  er  mehr  zersplittert  ist  und  sich  mit  seinen  Operationen  über 


1)  Vergl.  Fürst,  ,,Pläiiterwald  oder  sctilagweiser  Hochwahi".  Berlin  1885.  —  Schu- 
berg, Schlaglichter  zur  Streitfrage:  ,, schlagweiser  Hochwald-  oder  Femelbetrieb"  (Forstw. 
Zentralbi.  v.  1886,  S.  129,  193).  —  V  o  n  h  a  u  s  e  n  ,  ,,Der  schlagweise  Hochwaldbetrieb  und  der 
Fenielbelrieb"  {XUg.  F.-  u.  J.-Z.  1882,  S.  289).  —  Düesberg,  Der  Wald  als  Erzieher,  1910.  — 
Wer  nick.    Plenterwald,  eine  Studie.    Allg.  F.-  u.  J.-Z.  1910,  Juli — Okt. 


46  VI.  Lorey,    Waldbau. 

einen  größeren  Teil  des  ganzen  Waldes  erstreckt,  weniger  übersichtlich  ist  und  der 
sicheren  Ertragsbestimmung,  der  Buchführung  etc.  größere  Schwierigkeiten   bietet. 

So  wenig  aber  in  der  geringeren  Uebersichtlichkeit,  sowie  in  der  durch  den  Be- 
trieb etwa  geforderten  größeren  Intelligenz  und  Arbeitsleistung  der  Beamten  bei 
der  Schlagauszeichnung,  Beaufsichtigung  des  Fällungsbetriebs  usw.,  ein  Hindernis 
für  die  Durchführung  erblickt  werden  darf,  so  verfehlt  wäre  es,  wollte  man  nicht 
in  der  größeren  Einfachheit  anderer  Betriebsarten  einen  immerhin  erwähnenswerten 
Vorzug  derselben  anerkennen.  Es  ist  kaum  anzunehmen,  daß  der  Plenterbetrieb 
außerhalb  der  höheren  Gebirgslagen,  wo  er  gewiß  die  beste  Betriebsart  darstellt, 
zur  ,, Bestandsform  der  Zukunft"  i)  werden  oder  in  der  von  Düesberg  i)  empfohle- 
nen Form  in  den  Kiefernbeständen  Norddeutschlands  viel  Feld  erobern  wird. 

2.  Plenter-  oder    Femelsch  lagbetrieb  ^). 

Dem  in  Bayern,  im  Schwarzwald  und  in  den  Vogesen  in  den  Buchen-Tannen- 
Fichten-Mischbeständen  bevorzugten  hörst-  und  gruppenweisen  Betriebe  werden 
Erzielung  horstweise  gemischter  Bestände,  bessere  Erhaltung  der  Bodenkraft,  Si- 
cherheit der  natürlichen  Verjüngung  und  erhöhtere  Ausnützung  des  Lichtungszu- 
wachses nachgerühmt.  Es  steht  fest,  daß  durch  die  dem  Plenterschlagbetrieb  eigen- 
tümliche ungleichmäßige  Hiebsführung  und  Schlagstellung  und  die  dadurch  beding- 
ten Unterschiede  im  Grade  und  in  der  Dauer  der  Ueberschirmung  sowohl  das  Ent- 
stehen wie  namentlich  auch  die  schnellere  oder  langsamere  Entwicklung  von  Horsten 
und  Gruppen  der  verschiedenen  Holzarten  reguliert  werden  kann.  Soweit  der  Ent- 
wicklungsgang der  in  Mischung  befindlichen  Holzarten  es  verlangt,  kann  den  ein- 
zelnen Horsten  ein  grundsätzlich  verschiedenes  Alter  gewährt  werden  dergestalt,  daß 
den  langsamwüchsigeren  Holzarten  ein  Vorsprung  vor  den  rasch  sich  entwickelnden 
gegeben  wird.  Die  Altersdifferenz  der  Horste  wird  der  verschiedenen  Wuchskraft 
der  in  Frage  kommenden  Holzart  angepaßt.  Auch  in  reinen  Beständen  hat  die  in 
den  einzelnen  \'erjüngungshorsten  von  innen  nach  außen  fortschreitende  Verjüngung 
ein  wellenförmiges  Profil  des  entstehenden  Bestandes  zur  Folge.  Die  Verjüngungs- 
horste fallen  von  ihrer  Mitte  aus  kegelförmig  nach  den  Rändern  zu  ab  und  stoßen, 
wenn  der  ganze  Bestand  verjüngt  und  die  letzten  Mutterbäume  geräumt  sind,  ohne 
Steilränder  aneinander.  Man  bringt  mit  der  so  geschaffenen  stufigen  Form  des  Be- 
standes eine  größere  Widerstandsfähigkeit  gegen  Schneeschäden  in  Zusammenhang 
und  schließt  aus  dem  Vorhandensein  einer  im  Vergleich  zum  gleichaltrigen  Bestand 
größeren  Kronenoberfläche  und  größeren  Blattmenge  auf  lebhaftere  Wuchsenergie 
und  erhöhten  Zuwachs.  Ob  und  in  welchem  Betrage  der  Betrieb  größere  und  nament- 
lich wertvollere  Massen  erzeugt  als  ein  anderer,  insbesondere  als  ein  richtig  geleiteter 
Schirmschlagbetrieb,  dessen  Bäume  frühzeitig  aus  dem  Zustande  starker  Kronen- 


1)  A.  E  n  g  1  e  r  ,  Aus  Theorie  und  Praxis  des  Femelsclilagbetriebes.  Scliweiz.  Zlsclir. 
f.  Forstw.  1905,  S.  123  ff.  —  Düesberg,   Der  Wald  als  Erzieher,  S.  93 — 132. 

2)  Hier  insbes.  zu  vergleichen  G  a  y  e  r  s:  ,,Der  gemischte  Wald",  sowie  G  a  y  e  r  ,  „Ueber 
den  Femelschlagbetrieb  und  seine  Ausgestaltung  in  Bayern"  1895,  ferner  Bericht  über  die  19. 
N'ersammlung  deutscher  Forstmänner  in  Kassel  1890,  S.  17.  ,,Die  wirtschaftliche  und  finanzielle 
Bedeutung  des  hörst-  und  gruppenwe'sen  Femelschlagbetriebes  im  Hochwald",  sowie  Bericht 
über  die  II.  Hauptversammlung  des  aeutschen  Forstvereins  in  Regensburg  (1901)  S.  106:  ,, Be- 
ruht in  dem  Femelschlagvcrfahren,  sowie  in  der  Kombination  desselben  mit  dem  .Saumschlag- 
verfahren das  vorzüglichste  Mittel,  Mischbestände  in  sicherster  und  vollkommenster  Weise  zu 
erziehen?"  ,, Wirtschaftsregeln  für  die  Kgl.  Bayerischen  Forstämter  Kehlheini-Nord  und  Süd" 
herausgegeben  von  der  Kgl.  Ministerial-Forstabteilung  (den  Mitgliedern  der  Forstversammlung 
zu  Regensburg  gewidmet).  —  W  a  p  p  e  s  ,  Ueber  das  Prinzip  und  die  Anwendbarkeit  des  Femel- 
schlagverfahrens.  Zbl.  f.  d.  ges.  Forstw.  1904.  S.  387;  A.  Engler,  Aus  Theorie  und  Praxis 
des  Femelschlagbetriebes.  Schweiz.  Ztschr.  f.  Forstw.  1905,  S.  29,  61,  99,  123.  —  Blum,  Aus 
Theorie  und  Praxis  des  Femelschlagbetriebes.    Allg.  F.-  u.  J.-Ztg.  1906,  S,  119. 


Die  Betriebsarten.     §  24.  47 

Spannung  befreit  werden,  ist  noch  nicht  genügend  untersucht.  Wie  allen  Naturver- 
jüngungen ist  auch  dem  Plenterschlagbetrieb  eine  gewisse  Erschwerung  bei  der  Ernte 
und  beim  Transport  der  Mutterbäume  eigentümlich.  Beschädigungen  des  Jungwuch- 
ses und  der  noch  stehenden  Althölzer  sind  unvermeidlich,  treten  aber  um  so  mehr 
zurück,  je  geschickter  und  vorsichtiger  die  Arbeiter  zu  Werke  gehen,  und  lassen  .-ich 
wohl  bis  zur  Unschädlichkeitsgrenze  zurückdrängen.  Der  Gedanke  an  größere  Sturm- 
gefahr der  in  der  Verjüngung  stehenden  Bestände  scheint  zwar  nach  den  bayrischen 
Erfahrungen  unberechtigt,  bleibt  aber  für  alle  exponierteren  Lagen  und  weniger 
sturmfesten  Holzarten  naheliegend. 

Der  Femelschlagbetrieb  tritt  in  Konkurrenz  hauptsächlich  mit  dem  Schirm- 
schlag- und  dem  Kahlschlagbetrieb,  lilr  ist  im  allgemeinen  für  alle  Holzarten  zuläs- 
sig, welche  nicht  so  ausgesprochene  Lichthölzer  sind,  daß  sie  jeden  Sclürmdruck  oder 
alle  Seitenbeschattung  auch  in  der  Jugend  verbieten.  Die  Verbindung  mit  Kahlab- 
säumungen  und  künstlichem  Anbau  ist  nicht  ausgeschlossen,  vielmehr  öfters  geboten. 
3.  S  c  h  i  r  m  s  c  h  1  a  g  b  e  t  r  i  e  b : 

Der  Betrieb  findet  ebenfalls  in  der  natürlichen  Verjüngung  durch  Samenabfall 
(Mutterbäume  auf  der  Fläche)  Ziel  und  Begründung.  Der  Boden  wird  niemals  bloß- 
gelegt, wohl  aber  wird  dadurch,  daß  man  den  ganzen  Bestand  gleichmäßig  durchlich- 
tet, die  Entstehung  einer  leichten  Bodenbenarbung  eher  möglich  als  bei  dem  mit 
einzelnen  kleinen,  unzusammenhängenden  Bestandespartien  operierenden  Femel- 
schlagbetrieb. Keineswegs  bedeutet  dies  aber  schon  eine  entschiedene  Schädigung 
der  Bodenkraft,  wenn  nur  bei  den  betreffenden  Hieben  stets  mit  der  nötigen  Vorsicht 
verfahren  wird.  Allerdings  entsteht  grundsätzlich  ein  gleichförmiger  Bestand.  An 
sich  ist  ein  solcher  aber  nur  dann  zu  beanstanden,  wenn  durch  ihn  den  Rücksichten 
der  Bodenpflege  nicht  genügend  entsprochen  wird.  Ausdehnung  des  Verjüngungs- 
zeitraumes bietet  auch  bei  diesem  Betrieb  die  Möghchkeit  länger  andauernden  Lich- 
tungszuwachses.  Das  Zusammenfassen  mehrerer  Jahresschläge  in  einen  Periodenschlag 
gestattet  die  Durchführung  des  jährlichen  Nachhaltbetriebs  auf  kleinerer  Gesamtfläche 
als  beim  Kahlschlagbetrieb ;  freilich  ist  der  reine  Femelbelrieb  in  dieser  Hinsicht  nicht 
zu  erreichen.  Dagegen  ist  die  Uebersichtlichkeit  im  Schirmschlagbetrieb  größer  als 
im  Femelwald  und  auch  als  im  Femelschlagbetrieb.  Die  angestrebte  Gleichmäßigkeit 
der  Schlagstellung  beun  Schirmschlagbetrieb  spricht  für  dessen  Anwendung  in  gleich- 
förmigen, hauptsächlich  von  ein  und  derselben  Holzart  gebildeten  Beständen. 
4.  Saumschlagbetrieb. 

Diese  Betriebsweise  ist,  wie  schon  S.  41  angedeutet  wurde,  nur  eine  Abart  des 
Schirm-  bezw.  Plenterschlagbetriebes.  Die  natürliche  Verjüngung  findet  auf  schma- 
len Streifen  statt,  die  man  je  nach  dem  gleichmäßigen  oder  ungleichmäßigen  Stande 
der  Samenbäume  als  S  a  u  m  s  c  h  i  r  m  s  c  h  1  ä  g  e  bezw.  Saumplenter- 
schläge bezeichnen  darf.  Der  Wert  aller  Säumverjüngung  beruht  in  der  Erhöhung 
der  für  das  Gelingen  der  natürlichen  Ansamimg  sehr  bedeutsamen  Bodenfeuchtigkeit. 
Auf  dem  am  Bestandesrande  liegenden  Verjüngungsstreifen  kommen  die  bei  günsti- 
gem Winde  hereingewehten  Niederschläge  mehr  zur  Wirkung  als  auf  einer  größeren 
mit  Samenbäumen  mehr  oder  weniger  gleichmäßig  überstellten  Fläche,  wo  sie  von  den 
Kronen  der  Samenbäume  um  so  stärker  abgefangen  werden,  je  größer  deren  Zahl  ist. 
Hinsichtlich  der  von  der  Saumverjüngung  angestrebten  besseren  Ausnützung  der 
Niederschläge  macht  es  aber  einen  großen  Unterschied,  ob  der  Verjüngungsstreifen 
am  Ost-  oder  Südrande  bezw.  am  West-  oder  Nordrande  des  zu  verjüngenden  Bestan- 
des gelegen  ist.  Die  der  Sturmgefahr  wegen  zeither  zumeist  von  Osten  herein  einge- 
leitete Verjüngung  führte  infolge  der  intensiveren  Besonnung  durch  die  Vormittags- 


48  VI.   Lorey,  Waldbau. 

und  Mittagssonne,  ferner  infolge  der  ungehinderten  Einwirkung  der  trockenen  Ost- 
winde, sowie  infolge  der  stärkeren  Abhaltung  der  von  Westen  kommenden  Regen  zu 
keinem  befriedigenden  Ergebnis.     Vielmehr  sind  Austrocknung  des  Bodens,  Dürre 
und  Spätfrostschäden  die  gewöhnlichen  Begleiterscheinungen  der  von  Osten,  Süd- 
osten oder  Süden  herein  versuchten  Verjüngung.    Prof.  Wagner-  Tübingen  ist  es 
zu  danken,  die  infolgedessen  stark  in  Mißkredit  gekommene  Saumverjüngung  dadurch 
wieder  zu  Ehren  gebracht  zu  haben,  daß  er  an  der  Hand  praktischer  Erfahrungen  auf 
die  ganz  anders  gearteten  Verhältnisse  der  an  den  West-,  Nordwest-  und  Nordrändern 
liegenden  Verjüngungsstreifen  aufmerksam  machte.   In  dem  von  Wagner^)  empfoh- 
lenen ,,Blendersaumschla  g",  einer  von  Norden,  unter  Umständen  (bei  Feh- 
len von  Sturmgefahr)  auch  von  Nordwesten  vorrückenden  Saumverjüngung,  ist  der 
Saumschlagbetrieb  wieder  in  die  Zahl  der  brauchbaren  Betriebsarten  aufgenommen 
worden.    Auf  den  am  Nord-  oder  Nordwestrande  liegenden  Verjüngung«streifen  bleibt 
die  Bodenfrische  besser  bewahrt,  weil  die  im  Osten  und  Süden  stehende  Sonne  weni- 
ger einwirkt  und  weil  die  von  Westen  kommenden  Regen  mehr  oder  weniger  vollen 
Zutritt  zum  Boden  haben.     Die  Folge  ist,  wie  die  Beobachtungen  im  Walde  bestäti- 
gen, Gelingen,  und  zwar  teilweis  überraschend  gutes  Gelingen  der  Naturverjüngungen. 
Die  Würdigung  des  Saumschlagverfahrens  kann  sich  deshalb  auf  die  Bewertung 
des  Wagnerschen  Blendersaums  beschränken.    Dadurch,  daß  die  Verjüngung  allmäh- 
lich streifenweise  nach  dem  Bestandsinnern  zu  vorrückt  und  daß  auf  den  bereits  an- 
gesamten Streifen  eine  mehr  oder  weniger  rasch  durchgeführte  Räumung  der  Samen- 
bäume für  Regulierung  des  Lichtgenusses  sorgt,  wird,  ähnlich  wie  beim  Plenterschlag- 
betrieb, dem  Wirtschafter  die  Mögüchkeit  geboten,  Mischungen  zu  schaffen.     Auf 
dem  Verjüngungsstreif eri  behauptet  sich  zunächst  der  Aufschlag  der  Schattenhölzer 
Tanne  und  Buche.     Je  mehr  beim  Fortschreiten  der  Verjüngung  auf  dem  zuerst  in 
Angriff  genommenen  Streifen  die  Samenbäume  geräumt  werden,  um  so  mehr  sind 
die  Bedingungen  für  Ansamung  der  lichtbedürftigen  Holzarten,  vor  allem  der  Fichte, 
gegeben.      Der  Altersvorsprung,   den  der   Schattenholzjungwuchs  hat,   sichert  vor 
schnellem  Ueberwachsen  durch  die  Fichte  und  andere  natürlich  angeflogene  oder 
künstlich  eingebrachte  lichtbedürftigere  und  schnellwüchsigere  Holzarten.     Dem  in 
Erhaltung  des  Mischwuchses  liegenden  Vorzuge  treten  alle  der  natürlichen  Verjüngung 
als  solcher  eigentümlichen  Vorteile  und  Nachteile  zur  Seite.     In  sturmgefährdeten 
Lagen  und  gebirgigem  Gelände,  ferner  dort,  wo  Samenjahre  selten  sind  oder  ein  Licht- 
holz, vor  allem  die  Kiefer,  die  standortsgemäße  herrschende  Holzart  ist,  stehen  der 
Anwendbarkeit  des  Blendersaumschlages  Bedenken  entgegen.    Auch  die  Notwendig- 
keit einer  großen  Anzahl  von  Anhieben  und  Transportgelegenheiten  (Wegen)  bereitet 
der  allgemeinen  Durchführung  der  Blendersaumverjüngung  Schwierigkeiten,  die  in 
den  ausgedehnten  Fichtengebieten  um  so  größer  erscheinen,  je  mehr  mit  der  Zahl  der 
Anhiebe  von  Norden  die  Sturmgefahr  wächst. 
5.  Kahlschlagbetrieb. 
Sein  wesentlichster  Vorzug  ist  seine  Einfachheit  und  Uebersichtlichkeit,  sowohl 

1)  C.  W  a  g  n  e  r  ,  Die  Grundlagen  der  räumlichen  Ordnung  im  Walde.  2.  Aufl.  1911. 
Derselbe,  Der  Blendersaumschlag  und  sein  System,  1912.  —  Vgl.  hierzu  u.  a.:  Thal  er, 
Natur-  oder  Kunstverjüngung;  sowie  Wagners  Erwiderung.  AUg.  F.- u.  J. -Ztg.  1908,  S.  8 
und  153;  Eberhardt,  Die  räumliche  Ordnung  im  Walde  und  die  Naturverjüngung,  ebendas. 
1908,8.113.  —  Eulefeld,  Die  Waldwirtschaft  von  Prof.  Wagner,  ebendas.  1908,  S.  353.  — 
Fürst,  Strittige  Fragen  auf  dem  Gebiete  des  Waldbaues.  Forstwiss.  Zentralbl.  1908,  S.  505. 
—  Fabrieius,  Die  Anwendbarkeit  des  Wagner'schen  Verjüngungsverfahrens,  ebendas.  1909, 
S.  401.  (Erwiderung  von  C.  Wagner,  das.  541);  Derselbe,  Zu  dem  Artikel  des  Herrn  Prof. 
C.  Wagner-Tübingen  über  die  Gaildorfer  Waldwirtschaft,  ebendas.  1910,  S.  37.  —  K  i  e  n  i  t  z  , 
Aus  dem  Gebiete  des  Blendersaumschlags.  Ztschr.  f.  F.-  u.  Jw.  1910,  215.  —  C  i  e  s  1  a  r,  Wag- 
ners Blendersaumschlag.    Zbl.  f.  d.  ges.  Fw.  1910,  S.  49. 


Die  Betriebsarten.     §  24.  4g 

im  Hinblick  auf  die  Operationen  des  Waldbaues  (Unabiiängigkeit  von  der  zufälligen 
Beschaffenheit  des  Altbestandes,  dem  Eintritt  von  Mastjahren  etc.)  und  der  Holz- 
ernte einschl.  Holzbringung  (Hiebsführung  zu  beliebiger  .Jahreszeit,  ohne  Rücksicht 
auf  Jungwuchs  etc.),  als  auf  die  Maßnahmen  der  Forsteinrichtung  und  Wirtschafts- 
kontrolle. Voraussetzung  ist  aber,  daß  die  Holzart  für  die  Nachzucht  im  Freien 
(künstlicher  Anbau  oder  Besamung  durch  Randbäume)  geeignet  ist,  und  daß  eine  Ge- 
fährdung der  Bodenkraft  nicht  befürchtet  ■werden  muß.  Der  Betrieb  ist  also  von  vorn- 
herein nicht  zu  wählen  für  Tanne  und  Buche,  obwohl  er  auch  für  diese  Holzarten  aus- 
hilfsweise da  und  dort  eintreten  kann.  Bezüglich  der  Bodenkraft  werden  dem  Kahl- 
schlag die  größten  Vorwürfe  gemacht.  Unzweifelhaft  ist  das  zeitweilige  Bloßlegen 
des  Bodens  kein  Gewinn  (Verschlechterung  insbes.  der  physikalischen  Bodeneigen- 
schaften, Humusverflüchtigung  etc.),  es  sei  denn,  daß  der  Nachteil  durch  die  Vorteile 
nachfolgender  Bodenbearbeitung  (Roden  im  Waldfeldbau,  Rabattenkultur  in  nassem 
Terrain  u.  dergl.)  paralysiert  wird.  Immerhin  aber  tritt  im  Hochwaldbetrieb  jenes 
vollständige  Entblößen  des  Bodens  nur  in  großen  Zwischenräumen  ein  und  dürfte 
kaum  als  so  unbedingt  verderblich  erachtet  werden,  wie  es  ab  und  zu  hingestellt  wird, 
wenn  nur  durch  sofort  nachfolgende  tüchtige  und  gründliche  Kultur  der  Boden  rasch 
wieder  gedeckt  wird.  Das  ist  allerdings  eine  nicht  immer  leicht  zu  erfüllende  Be- 
dingung, zumal  außer  den  zunächst  entscheidenden  Witterungseinflüssen  oft  auch  In- 
sekten (Maikäfer.  Rüsselkäfer  u.  a.  m.)  auf  den  Kahlflächen  in  verderblicher  Weise 
auftreten  oder  Unkräuter  im  Uebermaß  sich  einstellen.  Die  Entstehung  eines  ge- 
nügend geschlossenen  Jungbestandes  kann  dadurch,  ganz  besonders  auch  durch  W'ild- 
schäden,  auf  Jahre  hinaus  vereitelt  werden.  Gegen  derartig  widrige  Einflüsse  muß 
man  sich  möglichst  sichern,  indem  man  zu  große  und  namentlich  von  Jahr  zu  Jahr 
aneinandergereihte  Kulturflächen  vermeidet,  die  Art  der  Kultur  richtig  wählt  und 
für  genügende  Pflege  derselben  sorgt.  Ein  zweifelloser  Nachteil  des  Kahlschlagbetrie- 
bes ist  die  durch  ihn  unaufhaltsam  herbeigeführte  Uniformierung  der  Bestände.  Die 
wohltätigen  Mischungen  verschwinden.  Dem  gegenüber  aber  steht  das  ökonomische 
Uebergewicht  reiner  Bestände,  wie  auch  die  trotz  aller  Jugendkrankheiten  der  Kul- 
turen doch  immerhin  große  Erfolgssicherheit  des  \"erjüngungsgeschäftes.  Mit  dieser 
Erfolgssicherheit  steht  allerdings  ein  oft  nicht  unbedeutender  Kulturaufwand,  also 
eine  die  Rentabilität  wesentlich  beeinflussende  Erhöhung  des  Produktionskapitales 
in  Zusammenhang.  So  richtig  von  den  Anhängern  der  Naturverjüngung  hierauf 
hingewiesen  wird,  so  berechtigt  ist  der  von  den  Kahlschlagfreunden  erhobene  Einwand, 
daß  auch  die  natürlichen  Verjüngungen  meist  nicht  kostenlos  gelingen  und  daß  der 
Kahlschlag  in  vielen  Fällen  weit  schneller  zu  lückenlosen  Verjüngungen  führt  als 
die  Naturverjüngung. 

Tatsächlich  sind  mittelst  des  Kahlschlagbetriebs  und  nachfolgender  künstlicher 
Kultur  auf  weiten  Strecken  vortreffliche  Bestände  begründet  worden  (bes.  Fichte, 
Kiefer,  Eiche  etc.),  und  obwohl  zweifelsohne  da  und  dort  auf  großen  Flächen  auch 
entschiedene  Mißerfolge  zu  verzeichnen  sind,  so  sind  diese  doch  nicht  alle  als  unver- 
meidliche Folgen  des  Betriebs  an  sich  zu  charakterisieren,  sondern  sicherlich  teilweise 
auf  wirtschaftliche  Fehler  oder  auf  Ungunst  des  Standsortes  zurückzuführen.  Jeden- 
falls sind  die  Beweise,  welche  zugunsten  des  Betriebs  erbracht  werden  können,  min- 
destens ebenso  zahlreich,  als  die  gegenteiligen,  so  daß  es  —  eine  hier  und  da  zu  weit 
gehende  Ausdehnung  desselben  zugegeben  —  doch  nicht  gerechtfertigt  ist,  den  Kahl- 
schlag ganz  allgemein  zu  bekämpfen,  bezw.  auch  für  diejenigen  Fälle  zu  verwerfen, 
in  welchen  er  unleugbar  guten  Erfolg  sichert.  Man  könnte  wohl  die  Frage  stellen, 
ob  in  solchen  Fällen  nicht  durch  Schirmschlag  oder  Femelschlag  der  gleiche  waldbau- 

Handb.  d.  Forstwiss.    3.  Aufl.     II.  4 


50  ^  I-  L  o  r  e  y  ,    Waldbau. 

liehe  Erfolg  erzielt  worden  wäre?  Bejahendenfalls  würde  dann  ein  zwingender  Grund 
für  den  Kahlschlag  nicht  vorhanden  gewesen  sein.  Aber  es  blieben  dann  doch  die  an- 
dern zu  seinen  Gunsten  angeführten  Momente  in  Kraft.  Wer  freilich  überhaupt  einen 
gleichmäßigen  Bestand  (auch  den  gleichförmigen  Schirmschlag)  nicht  billigen  kann, 
muß  sich  gegen  Kahlschlag  bedingungslos  abweisend  verhalten,  mindestens  ihn  nur 
als  Ausnahme  zulassen.  Aber  es  sind  nur  wenige,  welche  so  einseitig  eine  bestimmte 
waldbauliche  Richtung  vertreten.  Vielmehr  begegnen  sich  mit  wenig  Ausnahmen 
alle  bedeutenderen  neueren  Schriftsteller  auf  dem  Gebiete  des  Waldbaues  in  dem 
fortwährenden  Hinweis  darauf,  daß  starres  Verfolgen  von  Extremen  zu  vermeiden 
und  jeder  Betriebsart,  je  nach  den  örthchen  Bedingungen,  ihre  Stelle  einzuräu- 
men ist.  Dies  gilt  natürlich,  wie  es  jetzt  anläßlich  der  Würdigung  verschiedener 
Hochwaldformen  ausgesprochen  ist,  nicht  minder  von  allen  übrigen  Betriebsarten. 
Für  die  Wahl  des  einen  oder  des  anderen  Verjüngungsverfahrens  ist  der  Standort  von 
ausschlaggebender  Bedeutung.  Ein  Generalisieren  zugunsten  eines  bestimmten  Be- 
triebes ist  unzulässig. 

6.  Kahlschlag    mit     Randbesamung. 

Der  nur  für  Holzarten  mit  leichten  flugfähigen  Samen  in  Betracht  kommenden 
Naturverjüngung  durch  den  Seitenstand  ist  eine  größere  Bedeutung  nicht  beizumes- 
sen. Die  der  Windgefahr  wegen  meist  von  Osten  herein  vorrückenden  schmalen 
Kahlschläge  sind  mit  denselben  Mängeln  behaftet,  die  oben  bei  Besprechung  der  Ost- 
rand-Saumschläge erwähnt  wurden.  Sie  sind  namentlich  der  Austrocknung  ausge- 
setzt, Samen  sich  meist  nur  unvollkommen  an  und  bedüifen  bei  der  Verjüngung  um 
so  mehr  künsUicher  Nachhilfe,  je  breiter  und  unkrautwüchsiger  sie  sind. 

B.  Aussehlagswald. 

§  25.  Charakteristisch  sind  kurze  Umtriebszeit,  dementsprechend  baldiger  Ein- 
gang von  Abtriebsnutzung,  häufige  Wiederkehr  der  Ernte  auf  der  nämlichen  Fläche, 
Kahlabtrieb  und  damit  in  Verbindung  Bloßlegung  des  Bodens  und  Gefährdung  der 
Bodenkraft.  Wenn  auch  in  normalen  Verhältnissen  bei  nicht  zu  alten  Stöcken  eine 
rasche  Wiederbedeckung  des  Bodens  stattfindet,  so  ist  doch  infolge  des  hohen  Mi- 
neralstoffbedarfs der  Ausschläge  das  Nährstoffkapital  des  Bodens  met  r  als  beim 
Hocbwaldbetrieb  gefährdet.  Die  vom  Ausschlagswald  gelieferten  Erträge  sind,  so- 
weit es  sich  lediglich  um  Holz  handelt,  nach  Masse  und  Wert  meist  gering.  Das 
Nutzholzprozent  ist  gewöhnlich  sehr  bescheiden,  die  Rentabilität  des  Betriebes  des- 
halb keine  hohe,  obgleich  infolge  des  geringen  Holzvorrates  das  Produktionskapital 
verhältnismäßig  klein  ist.  Vorteilhaft  erscheint  der  Ausschlagswald  nur  durch  die 
von  ihm  gebotene  Möglichkeit  einer  jährlichen  Nachhaltsvvirtschaft  auf  kleiner  Fläche 
und  im  Hinblick  auf  die  geringe  Bedrohung  durch  äußere  Gefahren.  Schnee,  Sturm, 
Insekten,  Feuer  schaden  wenig,  nur  der  Frost  wird  hin  und  wieder  den  Stöcken  des 
Niederwaldes  gefährlich.  Es  ist  selbstverständlich,  daß  nur  ausschlagsfähige  Holz- 
arten, also  Laubiiölzer,  für  die  hier  zu  nennenden  Betriebe  sich  eignen. 

1.  Niederwald. 

Er  ist  diejenige  Betriebsart,  die  unter  den  Ausschlagswaldungen  fast  allein  im 
großen  angewendet  wird.  Für  ihn  gelten  alle  vorstehend  angeführten  Momente.  Sehr 
niedrige  Umtriebe  (Anzucht  von  Flechtweiden)  sind  auch  auf  ganz  gutem  Standort 
nur  bei  entsprechender  Bodenbearbeitung,  event.  Düngung  dauernd  leistungsfähig, 
selbst  die  höheren  (z.  B.  Eichenschälwald)  fordern  sorgsamste  Bestandes-  und  bezw. 
Bodenpflege.  Der  Niederwaldbetrieb  zeichnet  sich  durch  größte  Einfachheit  und 
Uebersichtlichkeit  aus,  vermag  aber  nur  dann  einen  befriedigenden  Ertrag  zu  liefern,. 


Die  Betriebsarten.     §  26.  5J 

wenn  seine  besonderen  Erzeugnisse,  z.  B.  Weidenruten,  Rebpfähle,  Faschinen  usw. 
günstige  Marktverhältnisse  finden  und  infolgedessen  relativ  hoch  in  Wert  stehen.  Der 
nur  Brennholz  erzeugende  Niederwald  ist  im  allgemeinen  nicht  gewinnbringend  und 
daher  nur  dort  gerechtfertigt,  wo  er  durch  die  Ungunst  des  Standortes  bedingt  wird, 
z.  B.  an  steilen,  flachgründigen  Hängen  oder  in  Bruch-  und  Geröllpartien.  Vor  dem 
Preisrückgang  der  Eichenlohrinde  war  es  vielerorts  dem  Eichenniederwalde  ( =  Eichen- 
schälwalde) möglich,  einen  im  Vergleich  zum  Durchschnittsertrag  des  Hochwaldes 
befriedigenden  Reinertrag  zu  erzielen.  Da  das  heut  nicht  mehr  möglich  ist,  hat  der 
Eichenschälwald  seine  Existenzberechtigung  auf  großen  Flächen  verloren,  namentHch 
dort,  wo  er  sich  in  Hochwald  überführen  läßt. 

2.  K  o  p  f  h  o  1  z  b  e  t  r  i  e  b. 

Konmat  als  forstlicher  Betrieb  höchstens  in  Flußniederungen  in  Frage,  wenn 
Schutz  gegen  Eisgang  und  Wasser  notwendig  ist.  Hier  sowohl  wie  auch  auf  land- 
■wirtschaftlichem  Gebiete,  auf  Wiesen  entlang  der  Bäche  usw.,  handelt  es  sich  fast 
durchgängig  um  Weiden  und  Pappeln,  deren  Ausschläge  als  Futterlaub,  meist  je- 
doch zu  gröberen  Korbflechtereien  (Bandweiden)  Verwendung  finden.  Rücksichten 
der  Bodenpflege  zugunsten  der  Holzproduktion  werden  nicht  genommen. 

3.  Schneitelbetrieb. 

Forstlich  bedeutungslos.  Meist  nur  in  geringem  Umfange  an  Einzelbäumen 
(Eichen)  und  außerhalb  des  Waldes  zum  Zwecke  der  Futterlaubgewinnung  seitens 
des  Landwirtes  ausgeübt. 

C.  Mittelwald. 

§  26.  Der  Mittelwaldbetrieb  ermöglicht  die  Anzucht  sämtlicher  Holzarten. 
Für  das  Unterholz  sind  natürlich  nur  Laubhölzer  mit  bedeutender  Reproduktions- 
kraft tauglich.  Aber  als  Oberholz  lassen  sich,  obwohl  manche  und  insbesondere  dicht- 
kronige  Holzarten  zu  diesem  Zwecke  wegen  zu  starker  Beschattung  des  Unterholzes 
nur  schlecht  taugen,  wenn  es  der  Waldbesitzer  wünscht,  sämtliche  Holzarten  ver- 
wenden. Der  Mittelwald  liefert  alle  denkbaren  Sortimente.  Kann  er  auch,  in  bezug 
auf  Qualität  der  Oberholzstämme,  mit  manchen  Leistungen  des  Hochwaldes  (ast- 
reines, geradschaftiges  Holz)  nicht  konkurrieren,  so  erzeugt  er  doch  andererseits 
wieder  manche  Ware  (z.  B.  Schiffsbauhölzer)  in  besonderer  Güte.  Ertragsreich  sind 
die  als  Mittelwälder  behandelten  Forste  zumeist  nur  in  den  Niederungen  unserer 
Flüsse  (Auewaldungen),  für  welche  sich  diese  Betriebsform  trefflich  eignet.  Sie 
verdient  aber  auch  insofern  Beachtung,  als  sie  eine  jährliche  Nachhaltwirtschaft  auf 
kleiner  Fläche  gestattet  und  dabei  doch  durch  den  Oberholzbetrieb  auch  Nutzholz 
verschiedenster  Art,  wenn  auch  in  beschränkter  Menge,  ergibt  (z.B.  sehr  beliebte  Wirt- 
schaftsform für  den  oft  nicht  beträchtlichen  Waldbesitz  von  Gemeinden).  Die  Ge- 
fahren, welche  den  Mittelwald  bedrohen,  sind  im  ganzen  ziemlich  gering. 

Die  Wirtschaftsführung  erfordert  aber  viel  Fleiß  und  Umsicht,  will  man  nicht 
baldigen  Rückgang  der  Erträge  erleben ').  Der  Kahlhieb  im  Unterholz  bedeutet 
—  wenn  auch  wegen  des  Oberholzschirmdaches  weniger  wie  im  Niederwald  —  immer- 
hin eine  Gefährdung  der  Bodenkraft,  welcher  durch  sorgfältige  Erhaltung  ausschlags- 
kräftiger Holzarten  tunlichst  begegnet  werden  muß.  Ebenso  ist  die  richtige  Auswahl, 
Menge,  Verteilung,  Pflege  etc.  des  Oberholzes  von  größter  Wichtigkeit.   Die  Rekru- 


1)  Geringwertige  Mittelwaldungen  finden  sicli  zahlreich,  häufig  infolge  nicht  genügender 
Rekrutierung,  sowie  rücksichtsloser  Ausübung  der  Gras-  und  Weidennutzung,  wodurch  'die  etwa 
sich  einstellenden  Naturansamungen  vernichtet  werden. 

4* 


52  "^'I-  L  0  r  e  y  ,    Waldbau. 

tierung  erfolgt  durch  reichliches  Einpflanzen  von  starken  Pflänzlingen,  namentlich 
Halbheistern  und  Heistern  (Eiche,  Esche,  Ulme,  Nadelhölzer  usw.)  nach  jedem 
Abtrieb  des  Unterholzes.  Besondere  Schwierigkeiten  entstehen  im  Mittelwald  für 
die  Forsteinrichtung,  soweit  das  Oberholz  in  Betracht  kommt;  Ertragsveranschla' 
gungen  sind  ziemlich  unsicher^).  Die  Erträge  selbst  sind  begreiflich  außei-ordentlich 
verschieden  ^). 

Zweites  Kapitel. 

Modifikationen  der  Grundformen,  Zwischen-  und  Uebergangsformen. 

Besondere  Fälle. 

Wie  schon  in  den  Vorbemerkungen  zum  zweiten  Abschnitte  hervorgehoben  wor- 
den ist  und  auch  aus  den  Erörterungen  der  späteren  Abschnitte,  namentlich  aus  denen 
über  Bestandeserziehung,  näher  hervorgeht,  darf  die  Anzahl  der  sich  zwischen  den 
Grund-Betriebsarten  einschaltenden,  sie  modifizierenden  und  in  schärferer  Aus- 
prägung sich  zu  gewissen  eigenartigen  Formen  ausbildenden  Betriebe  füglich  als 
eine  unbeschränkte  betrachtet  werden.  Deshalb  kann  an  dieser  Stelle  auch  nur 
auf  einige  Fälle  noch  besonders  aufmerksam  gemacht  werden,  die,  sei  es  durch 
ihr  häufigeres  Auftreten,  sei  es  durch  die  Art  ihrer  Merkmale  vor  anderen  Beach- 
tung verdienen  dürften. 

Dabei  können  als  Modifikationen  solche  Formen  bezeichnet  werden,  bei  welchen 
die  Grundform,  der  sie  zugehören,  noch  klar  erkennbar,  bezw.  nur  in  mehr  nebensächlichen 
Punkten  verschoben  ist;  als  Uebergangsformen  solche,  welche  sich  zwischen  zwei 
Grundformen  einschalton  und  ebensowohl  der  einen  als  der  anderen  zugezählt  werden  können. 
Als  besondere  Fälle  endlich  dürfen  gewisse  Wirtschaften  namhaft  gemacht  werden, 
die  sich  zwar  aus  einer  bestimmten  Grundform  herausentwickeln  lassen  und  sich  noch  mehr 
oder  minder  an  sie  anlehnen,  aber  doch  durch  Einfügung  irgend  welcher  neuer  Faktoren 
ein  entschieden  abweichendes  und  entsprechend  selbständiges  Gepräge  zeigen.  Scharfe  Tren- 
nung nach  diesen  drei  Rubriken  ist  allerdings  nicht  möglich,  vielmehr  werden  vielfach  Zweifel 
darüber  entstehen,  ob  man  eine  vorgefundene  Wirtschaftsform  da  oder  dort  einreihen  soll.  Doch 
ist  eine  solche  feinere  Rubrizierung  auch  ziemlich  gleiehgiUig. 

A.  Hochwald. 

§27.  1.  Femelartiger  Hochwald  betrieb^): 
Diese  Wirtschaftsform  würde  als  eine  Vereinigung  des  Femelbetriebs  und  Fe- 
melschlagbetriebs,  auch  wohl  dieser  beiden  mit  dem  Schirmschlagbetrieb  im  näm- 
lichen Bestand  aufgefaßt  werden  können.  Sie  äußert  sich  —  ganz  nach  dem  jeweiligen 
Bedürfnis  der  einzelnen  Bestandespartie  und  frei  von  allem  schablonenmäßigen  Ge- 
bundensein an  ein  einzelnes  der  in  den  genannten  Grundbetrieben  verkörperten  Prin- 
zipien —  bald  in  femelweiser,  bald  in  mehr  schlagweiser  Behandlung  der  Gruppen 
und  Horste  und  berücksichtigt  in  gleicher  Weise  die  gesicherte  natürliche  Ver- 
jüngung der  Bestände  (wo  nötig  mit  künstlicher  Beihilfe  in  beschränktem  Um- 
fang), wie  die  Ausformung  der  Stämme  zu  möglichst  starken,   hochwertigen  Sor- 


1)  Vergl.  Handbuch  unter  XIII.  Forsteinrichtung. 

2)  Nachweise  in  den  statistischen  ^'eröffenllichungcn  verschiedener  Länder.  —  Vergl.  z.  B. 
auch:  Vereinshefte  des  Elsaß-Loth.  Forstvereins  für  1885;  ferner  Brecher,  Aus  dem  Auen- 
mittelwalde  S.  61  ff.,  sowie  Lauprecht,  Aus  dem  Mühlhäuser  Mittolwalde,  Suppl.  zur  Allg. 
F.-  u.  J.-Z.  VIII.  Bd.,  1.  Heft  (S.  54  ff.)  von  1871.  Hamm,  Der  Ausschlagwald  1896.  D  e  r- 
selbe,  „Leitsätze  für  den  Mittelwaldbelrieb"  (Fw.  Zbl.  1900,  S.  392).  Lieber  die  statische  Seite 
des  Mittelwaldbetriebs  zu  vergleichen  Stoetzer,  Die  finanzielle  Seite  der  Mittelwaldwirt- 
schaft (Tharandter  Jahrbuch  1890,  S.  75);  ferner  Sc  hu  borg,  Zur  Betriebsstatik  im  Mittelwalde, 
1898.  —  Martin,    Forstliche  Statik,  2.  Bd.  1911,  S.  10  f. 

3)  Vergl.  S  c  h  u  b  e  r  g  s  Schlaglichter  zur  Streitfrage:  schlagweiser  Hochwald-  oder  Femel- 
betrieb. Forstw.  Zentralblatt  v.  1886,  S.  129  u.  S.  194;  siehe  auf  S.  53  die  Bemerkung  über  diese 
höchst  dankenswerte  Arbeit. 


Die  Bctrieb?arten.     §  27.  g3 

timenten  (intensive  Auswirkung  des  Lichtungszuwachses).  Ein  solcher  Betrieb 
paßt  nur  für  entschiedene  Schattenhölzer,  hauptsächlich  l'iir  die  Weißtannc,  und 
erscheint  in  seiner  Durchführung  zumeist  als  eine  Konzession  an  die  Grundsätze  des 
Femelbetriebs.  Das  Abweichende  von  diesem  bestellt  darin,  daß  nicht  ein  ganzer  Um- 
trieb  zur  Schaffung  eines  neuen  Bestandes  an  Stelle  eines  jetzt  vorhandenen  gefordert, 
sondern  die  \'erjiingung  in  kürzerer  Zeit,  jedenfalls  aber  doch  in  langem  Zeitraum 
(30,  40,  ja  60  Jahren)  bewerkstelligt  wird,  und  daß  sich  je  nach  Umständen  größere 
oder  kleinere  gleichförmig  behandelte  Gruppen  (wie  im  Femelschlagbetrieb)  ein- 
schieben. Ob  dabei  mehr  durch  Aushieb  einzelner  Stämme  oder  mehr  in  Gestalt 
gruppen-  und  horstweiser  Bewirtsciuü'tung  vorgegangen  wird,  hängt  in  erster  Linie 
von  der  zufälligen  Beschaffenheit  des  Bestandes  (Aushieb  alles  schadhaften 
Holzes,  besonders  breitkroniger,  hervorragend  starker  Stämme,  Förderung  von 
\'orwuchshorsten  usw.)  ab.  Jedenfalls  ist  ein  ungleichförmiger  Bestand  das  Wirt- 
schaftsziel. Die  behaupteten  Vorzüge  eines  solchen  kommen  in  diesem  Betrieb  voll 
zur  Geltung.  In  den  Alpen  werden  (nach  Engler  ^)  viele  gewöhnlich  als  Plenter- 
waldungen bezeichnete  Waldungen  femelschlagweise  bewirtschaftet,  indem  meistens 
nur  2  oder  3  Altersklassen  miteinander  gemengt  sind  und  nach  kürzerer  oder  län- 
gerer Zeit  auf  der  einzelnen  Bestandsfläche  alles  ältere  Holz  verschwindet. 

Die  Abhandlung  Schubergs,  auf  welche  S.  52  Anm.  3  verwiesen  ist,  bringt  hinsichtlich 
der  Tanne,  welche  bes.  im  badischen  Schwarzwald  vielfach  im  ,,femelartigen  Beirieb"  bewirt- 
schaftet wird,  den  auf  zahlreiclie  exalite  Erliebungen  über  die  Zuwaclisleistung  in  diesem  Be- 
trieb im  Gegensatz  zum  Scliirmschlagbetrieb  gestützten  Xacliwcis,  daß  der  letztere  sowohl  in 
der  Gesamtmasse  als  aucli  namentlich  bezüglich  der  \erteilung  der  Einzelstämme  auf  die  ver- 
schiedenen Nutzholzklassen  erheblich  hinter  dem  femelartigen  Betrieb  zurückbleibt.  Bei  glei- 
chem durchschnittlichem  Alter  liefert  dieser  einen  weit  höheren  Prozentsatz  an  Stämmen  der 
ersten  Klasse,  weil  er  keine  entwickelungsunfähigen  Individuen  lediglich  eines  gleichmäßigen 
Bestandesschlusses  wegen  beläßt  und  eben  infolge  der  zeitigen  Entfernung  aller  dieser  zweifel- 
haften Glieder  den  übrigen  einen  erhöhten  Lichtgenuß  gewährt.  Immerhin  könnte  man  fragen, 
ob  nicht  bei  der  V'ergleichung  ab  und  zu  gegen  einen  Grundsatz  der  Statik  einigermaßen  ver- 
stoßen ist,  nämlich  den,  daß  man  jede  der  gegeneinander  abzuwägenden  Wirtschaftsformen 
im  Zustand  ihrer  höchsten  Leistungsfähigkeit  betracliten  soll.  Dann  darf  aber  auch  der  Schirm- 
schlag keine  Kranken  aufweisen  und  muß  derart  durchlichtet  sein,  daß  auch  in  ihm  ein  genü- 
gender Liclitungszuwachs  zur  Geltung  kommt.  (Ob  man  dann  bei  der  Tanne,  insbesondere 
durch  bedingungslosen  Aushieb  aller  Krebsbäume  nicht  von  selbst  zu  einer  femelartigen  Form 
kommt,  ist  eine  andere  Frage.) 

2.  Ueber  haltbetrieb  und  zw  ei  hiebiger  Hochwaldbe- 
trieb 2) : 

a)  Wenn  von  den  hiebsreifen  Bäumen  eines  Hochwaldbestandes  eine  gewisse  An- 
zahl von  der  Abtriebsnutzung  ausgeschlossen  wird  und  im  nachgezogenen  Jungwuchse 
bis  in  den  nächsten  Uratrieb  hinein  stehenbleibt,  so  entsteht  die  Ueber  haltform. 
Zweck  derselben  ist  die  Anzucht  besonders  starker  Stämme,  wie  sie  der  gewöhnliche 
Umtrieb  nicht  zu  erzeugen  vermag.  Man  will  aber  nicht  für  die  ganze  Wirtschaft 
oder  für  einzelne  ganze  Bestände,  um  solche  Starkhölzer  zu  gewinnen,  den  Umtrieb 
erhöhen,  sondern  die  übliche  Umtriebszeit  für  die  Hauptmasse  der  Bestände  durch- 
weg beibehalten.  Der  gewünschte  Erfolg  ist  nur  zu  erreichen,  wenn  die  übergehalte- 
nen Stämme  (Ueberhälter,  Waldrechter,  Oberständer)  genügend  lange  Zeit  nach  dem 
Abtrieb  des  Grundbestandes,  möglichst  während  der  ganzen  folgenden  Umtriebszeit, 
fortwachsen.     Sie  müssen  also  an  sich  entsprechend  wuchskräftig  sein  und  unter  Be- 

1)  E  n  g  1  e  r  ,  Aus  der  Theorie  und  Praxis  des  Femelschlagbetriebes.  Scliweiz.  Zeitschr. 
f.  Forslw.  1905,  S.  6i. 

2)  Vergl.  T  ä  g  e  r  ,  ,,Zum  zweihiebigen  Kiefernhochwaldbetrieb"  {Festgabe  zur  Görlitzer 
Forstversammlung  1885).  —  Derselbe,  „Zum  zweihiebigen  Kiefernhochwaldbetrieb"  im 
Tharandter  Jahrb.  v.  1887,  S.  1  ff.  —  Meyer,  „Zur  Frage  des  Leberhaltsbetriebs  resp.  des  zwei- 
hiebigen Hochwaldes"  in  Zeitschr.  f.  F.-  u.  Jw.  1887,  S.  13  ff. 


K4  ^  I-  L  0  r  e  y  ,    Waldbau. 

dingungen  belassen  werden,  die  ihre  fernere  gedeihliche  Entwickelung  sichern.  Man 
darf  deshalb  nur  durchaus  gesunde,  gut  geformte  und  gleichmäßig  bekrönte  Stämme 
zum  Ueberhalt  bestimmen  (nicht  etwa  die  allerstärksten)  und  muß  für  Erhaltung  der 
Bodenkraft  sorgen. 

Mittelhohe  Umtriebe  eignen  sich  am  meisten;  man  hat  dann  Hoffnung,  daß  we- 
nigstens ein  Teil  der  Oberständer  den  vollen  zweiten  Umtrieb  aushält. 

Der  Betrieb  findet  sich  in  den  verschiedenartigsten  Formen,  weil  er  sich  aus  je- 
der beliebigen  Grundform  herausentwickeln  kann.  Immer  aber  sollten  die  Ueber- 
haltbäume  möglichst  allmählich  an  den  freien  Stand  gewöhnt  werden,  wozu  unter 
Umständen  schon  lange  Zeit  (20—40  Jahre)  vor  ihrer  endgültigen  Freistellung  der 
Freihieb  eingeleitet  werden  muß,  falls  nicht  die  Wirtschaftsform  an  sich  schon  (wie 
im  Femelbetrieb  oder  femelartigen  Betrieb)  allmähliches  Gewöhnen  an  den  Freistand 
bedingt.  Mit  dem  Uebergang  in  die  Ueberhaltstellung  muß  jede,  wenn  auch  nur 
vorübergehende  Minderung  der  Bodentätigkeit  vermieden  werden. 

Ueber  die  Leistungen  des  Ueberhaltbetriebes  gibt  man  sich  vielfach  Täuschungen 
hin.  Sie  sind  in  vielen  Fällen  keineswegs  so  befriedigende,  wie  man  namentlich  in  frü- 
herer Zeit  annahm.  Die  Erkenntnis  dieser  Täuschung  hat  in  der  neueren  Zeit  zu  ei- 
ner wesentlichen  Einschränkung  des  Ueberhaltbetriebes  geführt.  Auf  gutem  Boden 
zeigen  gesunde  und  mittelstarke  Ueberhaltstämme  in  den  ersten  .Jahrzehnten  nach 
der  Freistellung  allerdings  eine  lebhafte  Zuwachssteigerung,  einen  erfreulichen  Lich- 
tungszuwachs, dem  bei  Eiche,  Kiefer,  Lärche  und  anderen  Wertshölzern  auch  eine 
mehr  oder  weniger  beträchtliche  Wertszunahme  zur  Seite  steht.  Je  nach  der  Boden- 
güte früher  oder  später,  manchmal  schon  wenige  Jahre  nach  der  Freistellung  lassen 
Massen-  und  damit  Wertzuwachs  aber  nach  und  vermögen  dann  oft  nicht  mehr  den 
Schaden  zu  paralysieren,  den  Wurzeln  und  Krone  des  Ueberhälters  am  nachwachsen- 
den Jungwuchse  anrichten.  Hierzu  kommt,  daß  der  einzelne  Ueberhaltstamm  den 
doppelten  Umtrieb  oft  nicht  aushält,  sondern  aus  Gründen  verschiedenster  Art  (Rin- 
denbrand, Sturmbeschädigung,  Insekten,  Blitz  usw.)  vor  der  Hiebsreife  des  Haupt- 
bestandes genützt  werden  muß,  wenn  der  weiteren  Holzentwertung  vorgebeugt  wer- 
den soll.  Derartige  Vorentnahmen  (Auszugshauungen)  sind  ebenso  störend,  wie  für 
den  Hauptbestand  gefährlich  und  hinterlassen  meist  unbequeme  Löcher,  die  nur 
schwer  sich  ausfüllen  lassen.  Aus  allen  diesen  Gründen  empfiehlt  sich  der  Ueberhalt- 
betrieb  nur  auf  den  besten  Böden,  die  einen  nachhaltigen  Lichtungszuwachs  in  Aus- 
sicht stellen,  und  nur  für  solche  Holzarten,  deren  Massenzuwachs  eine  erhebliche 
Wertsteigerung  in  sich  schließt,  das  sind  vor  allem  Eiche,  weiterhin  Kiefer,  Lärche, 
Ahorn,  Esche.  Je  lichtbedürftiger  die  übergehaltene  Holzart  und  je  schattenertragen- 
der der  Hauptbestand  ist,  um  so  mehr  treten  die  Verdämmungsschäden  zurück.  Ganz 
besonders  rechtfertigt  sich  das  Ueberhalten  der  Eiche  im  Buchengrundbestande.  Ob 
gruppenweiser  Ueberhalt  dem  Einzelüberhalt  vorzuziehen  ist,  bedarf  der  Entschei- 
dung von  Fall  zu  Fall ;  jedenfalls  erfordert  die  Ueberhaltgruppe  Unterbau,  wenn  nicht 
natürlicher  Unterwuchs  sich  einstellt.  Die  Ansichten  über  die  zweckmäßige  Anzahl 
der  auf  der  Flächeneinheit  zu  belassenden  Ueberhälter  sind  verschieden  und  müssen 
es  sein,  da  Bodengüte  und  Schattenerträgnis  des  Hauptbestandes  bei  der  Bemessung 
der  Zahl  der  Ueberhaltstäname  entscheidend  sind. 

Der  mehr  oder  weniger  günstige  Wirtschaftserfolg  des  Ueberhaltbetriebes  hängt  weiterhin 
auch  von  der  Betriebsart  ab,  mit  welcher  der  Ueberhalt  verbunden  wird.  Am  mißlichsten  sind 
in  dieser  Hinsicht  die  Bedingungen  im  Kahlschlagbelrieb,  z.  B.  beim  Ueberhalt  einzelner  Kiefern 
beim  .\btrieb  des  Bestandes.  Die  wünschenswerte  allmähliche  Freistellung  der  Ueberhälter 
unterbleibt  hier  oft,  der  Ueberhaltstamm  wird  vielfach  aus  dem  vollen  Bestandsschluß  frei- 
gestellt und  leidet  dann  unter  den  Folgen  der  ungewohnten' Wuchsverhältnisse,  während  an- 


Die  Betriebsarten.     §  28.  55 

dererseits  seine  zunächst  kleine  Krone  nicht  in  der  Lage  ist,  den  verstärkten  Lichtgenul3  in 
gehörigem  Maße  aii'izunützen. 

Im  Schirmschlagbetrieb  (z.  ß.  Ueberhalt  wuchskräftiger  Eichen,  Eschen,  auch  einzelner 
Buchen  etc.  im  gemischton  Laubholzhochwald)  liegen  die  Verhältnisse  insofern  günstiger,  als 
während  des  VerjQngungszeitraunios  allmähüche  Kreistollung  bewirkt  und  der  Boden  nicht  ent- 
blößt wird.  —  .\uch  mit  dem  Feinelschlagbetrieb  würde  sich  ein  eigentlicher  Ueberhaltbetrieb 
(stammweise  oder  vielleicht  grundsätzlich  mehr  gruppenweise)  sehr  gut  verbinden  lassen. 
b)Der  zw  ei  hiebige  oder  zweialtrige  Hochwald  darf  als  be- 
sonderer Fall  des  Ueberhaltbetriebs  bezeichnet  werden.     Er  entsteht,  wenn  bei  nicht 
zu  hohem  Umtrieb  verliältnismäßig  viele  Stämme  zum  Zwecke  der  Starkholzerziehung 
als  Ueberhälter  belassen  werden.     Die  Oberständer  erscheinen  dann  nicht  als  eine 
Zugabe  zum  Grundbestand,  sondern  sind  der  eigentlich  entscheidende  Bestandesteil, 
während  der  nachzuziehende  Bestand  zwar  auch   zu  nutzholzliefernden   Stämmen 
heranwachsen,  nebenbei  aber  für  Schutz  und  Erhaltung  der  Bodenkraft  sorgen  soll. 
Der  zweihiebige  Hochwald  ist  somit  nichts  anderes  als  ein  Lichtwuchsbetrieb.     Er 
arbeitet  am  besten,  wenn  ihm  nur  mittelhohc  Umtriebszeiten  (70,  80  höchstens  100 
Jahre)    zu  Grunde  gelegt,    die  Ueberhaltstämme   in    diesem  Alter   also    freigestellt 
werden.    Anderenfalls  werden  trotz  aller  Sorgfalt  viele  Ueberhälter  vor  der  Zeit 
abständig  1).     Gegenüber  einer  allgemeinen  Erhöhung  der  Umtriebszeit  hat  man  den 
Vorteil,  daß  nur  die  wirklich  guten  Stämme  dem  hohen  Alter  zugeführt  werden.   Von 
geringeren  Böden  ist  der  Betrieb  fernzuhalten^). 

Das  frühzeitige  \'orbereiten  auf  die  Ueberhallstellung,  d.  h.  das  Freistellen  der  dazu  be- 
stimmten Bäume  ist  stets  nur  so  allmählich  auszuführen,  daß  eine  schädliche  Verlichtung  des 
Bestandes  dabei  nicht  eintritt. 

Als  besondeie  hierher  gehörige  Formen  sind  zu  nennen: 
der  zweialtrige  Hochwald  Burckhardts, 
der  modifizierte  Buchenhochwaldbetrieb  von  v.  Seebach, 
die  Homburgsche  Nutzholzwirtschaft. 
Sie  sind  im  vierten  Abschnitt  besprochen. 

Wie  sich  unter  bestimmten  Umständen  auch  einmal  ein  ,, Dreifacher  Hochwaldbetrieb" 
(innerhalb  einer  Umtriebszeit  Nutzung  gewissermaßen  von  drei  verschiedenen  Beständen  auf 
der  nämlichen  Fläche:  20.jähriger  Kiefernschutzbestand,  110jährige  Buchen,  140jährige  Eichen) 
entwickeln  kann,  hat  Wilb  rand  in  der  AUg.  F.-  u.  J.-Z.  (1879,  S.  41  ff.)  gezeigt.  Doch  gehört 
die  betr.  Wirtschaft  melir  nur  dem  Namen  nach  hierher;  sie  ist  ein  Unterbaubetrieb  mit  beson- 
derer Modifikation. 

3.  U  n  t  e  r  b  a  u  -    und    L  i  c  h  t  w  u  c  h  s  b  e  t  r  i  e  b. 

Beide  sind  nicht  eigentlich  besondere  Betriebsarten,  sondern  mehr  nur  bestimmte 
Formen  der  Bestandeserziehung  und  werden  als  solche  im  4.  Abschnitt  näher 
besprochen.  Sie  schließen  sich  nach  Zweck  und  Form  eng  an  die  oben  genannten 
zweialtrigen  Betriebe  an  und  können  sowohl  aus  dem  Kahlschlagbetrieb  wie  auch 
aus  den  Vorverjüngungsbetrieben  heraus  entwickelt  werden.  Von  den  zweialtrigen 
Betrieben  im  engeren  Sinne  unterscheiden  sie  sich  dadurch  ,  daß  zwar  das  Wirt- 
schaftsziel wie  dort  auf  die  Nutzbarmachung  des  Lichtungszuwachses  an  freigestell- 
ten Stämmen  gerichtet,  neben  diesen  Stämmen  aber  ein  natürlich  entstandener  oder 
durch  Unterbau  usw.  geschaffener  Bestandsteil  vorhanden  ist,  dem  ohne  Rücksicht 
auf  eigene  Werterzeugung  in  erster  Linie  der  Schutz  des  Bodens  zufällt. 
B.Niederwald    und    Mittelwald. 

§  28.  Zwischen  beiden  Betriebsarten,  sowie  zwischen  diesen  und  dem  Hochwald 
schieben  sich  mehrere  Uebergangsformen  ein,  welche  sich  in  verschiedenartiger  Weise 
gegenseitig  annäliern  können. 

1)  Auszugshiebe,  vergl.  vierter  Abschnitt,  §  72. 

2)  T  ä  g  e  r  a.  a.  O.  will  auch  noch  auf  Kiefernboden  3.,  ja  4.  Güte  mit  seinem  Betrieb  gute 
Starkhölzer  erziehen;  auf  Boden  2.  Bonität  soll  mit  Fichte  unterbaut  werden.  Entsprechende 
Rentabilität  wird  von  T.  nachgewiesen. 


56  VI.  L  o  r  e  y  ,    Waldbau. 

So  kann  man  im  N  i  e  d  e  r  w  a  1  d  einzelne  Oberständer  überhalten  und  gewinnt 
dadurch,  namentlich  wenn  man  einen  Teil  derselben  noch  länger  als  durch  den  nächst- 
folgenden Umtrieb  stehen  läßt,  eine  mittelwaldartige  Form.  Eine  solche  kann  für 
etwaige  Betriebsumwandlungen  (z.  B.  Eichenschälwald  in  Eichenhochwald,  bei  rück- 
gängigen Rindenpreisen)  von  hoher  Bedeutung  werden. 

Oder  man  läßt  im  Niederwald  an  den  Wegrändern  Hochstämme  stehen,  bezw. 
pflanzt  daselbst  hochstämmig  zu  erziehende  Holzarten  (Lärche  etc.)  an,  um  wenig- 
stens ein  mäßiges  Quantum  stärkerer  Nutzholzsortimente  zu  erhalten.  Durch  den 
Oberstand  wird  ja  im  allgemeinen  der  Ertrag  an  Ausschlagholz  geringer,  dafür  aber 
erhält  man  stärkere,  im  Nutzwert  höher  stehende  Stangen.  In  einzelnen  Fällen  kann 
auch  Beschattung  des  Bodens  oder  Schutz  der  Ausschläge  vor  Frost  Veranlassung 
zum  U eberhalt  sein. 

Der  M  i  1 1  e  1  w  a  1  d  kann  ein  liochwaldartiges  Aussehen  gewinnen  oder  anderer- 
seits mehr  nach  Art  des  Niederwaldes  beschaffen  sein,  je  nachdem  man  dem  Oberholz 
eine  mehr  oder  minder  umfängliche  Beteiligung  gestattet.  Die  besonderen  Umstände 
des  Wirtschaftsbetriebes  können  Uebergänge  nach  der  einen  oder  anderen  Seite  hin 
rätlich  erscheinen  lassen.  Die  neuere  Zeit  neigt  dazu,  die  niederwaldartige,  durch 
Vorherrschen  des  Ausschlagholzes  gekennzeichnete  Form,  sowie  den  sog.  regulären 
Mittelwald,  in  welchem  Ober-  und  Unterholz  in  annähernd  gleichmäßiger  Verteilung 
vertreten  sind,  zu  verlassen  und  die  durch  größeren  Oberholzreichtum  rentabler  wer- 
dende hochwaldartige  Form  zu  begünstigen.  Dem  Oberholz  verschafft  man  hierbei 
durch  Auspflanzen  größerer  Löcher  eine  mehr  horstweise  Verteilung.  In  dem  Maße  • 
die  Horste  erweitert  werden,  nähert  sich  der  Mittelwald  alsdann  der  Plenterschlag- 
form und  geht  in  Hochwald  über. 

C.  Haupt-    und    Neben  nutzungsbetriebe. 

§  29.  Als  besondere  Formen  des  Hoch-  bezw.  Niederwaldbetriebes  seien  liier 
noch  die  im  Abschnitt  Forstbenutzung  näher  geschilderten  Verbindungen  forst- 
und  landwirtschaftlicher  Produktion  erwähnt ,  die  als  W  a  1  d  f  e  1  d  b  a  u  bezw. 
Hackwald-  oder  Haubergswir  tschaft  in  früheren  Zeiten  eine  grö- 
ßere Rolle  gespielt  haben  als  in  der  Gegenwart. 

1.  Waldfeldbau'):  stellt  eine  Verbindung  von  Hochwaldbetrieb  und  land- 
wirtschaftlicher Produktion  dar.  Erfolgt  der  Anbau  landwirtschaftlicher  Erzeugnisse 
(Roggen,  Buchweizen,  Kartoffel)  nach  der  Rodung  der  ursprünglich  mit  Holz  bestock- 
ten Fläche  als  Vorbau,  wechseln  mithin  land-  und  forstwirtschaftliche  Ernten  mit- 
einander ab,  so  haben  wir  es  mit  Röderlandbetrieb  zu  tun.  Erfolgt  hinge- 
gen der  Anbau  land-  und  forstwirtschaftlicher  Nutzpflanzen  gleichzeitig  auf  dersel- 
ben Fläche,  dergestalt,  daß  zwischen  den  mehr  oder  weniger  weit  voneinander  ent- 
fernten Holzpflanzenreihen  eine  Anzahl  von  .Jahren  landwirtschaftlicher  Zwischenbau 
getrieben  wird,  so  handelt  es  sich  um  W  a  1  d  f  e  1  d  b  a  u  im  engeren  Sinne.  Beide 
zunächst  auf  Erzeugung  landwirtschaftlicher  Werte,  vom  waldbaulichen  Standpunkte 
weiterhin  auf  Förderung  der  Holzkultur  durch  Bodenbearbeitung  und  auf  Erhöhung 
der  Waldrente  gerichteten  Betriebe  haben  ihre  Bedeutung  verloren.  Von  Ausnahmen 
abgesehen  kommt  hierbei  höchstens  der  Forstwirt,  nicht  aber  der  Landwirt  auf  seine 
Rechnung.  Der  Waldboden  ist  zumeist  kein  Feldboden  oder  erfordert,  um  ihn  zu 
solchem  umzugestalten,  so  große  Aufwendungen  für  Bodenbeaibeitung,   daß   seine 


1)  Vgl.  Bericht  über  die  X^■.  Versammlung  deutscher  Forstmänner  zu  Darmstadl  1886, 
S.  81 — 145;  S  p  e  i  d  e  1  ,  Der  Waldfeldbau  im  württemb.  Oberschwaben,  .\llg.  V.-  u.  J.-Z.  1888, 
S.  276;  Köhler,  Ueber  den  Waldleldbau  in  Oberschwaben,  das.  1898,  S.  117,  spricht  sich 
gegen  denselben  aus. 


Die   bcirii'bsarloii.      §  30.  57 

nur  kurzfristige  Benutzung:  zur  Anziuhl  von  Feldgewächscn  sich  nicht  lohnt.  Auch 
vom  forsthchen  Stnndj)unlvte  erscheint  der  landwirtschaftliciie  Vor-  oder  Zwischen- 
bau nicht  immer  einwandsfrei,  weil  er,  meist  ohne  Düngung  verlaufend,  zur  Verar- 
mung des  Bodens  führt,  wenn  er  eine  Reihe  .Jahre  hintereinander  auf  einer  Fläche 
betrieben  wird. 

2.  H  a  c  k  w  a  1  d  -  oder  H  a  u  b  e  r  g  s  w  i  r  t  s  c  h  a  f  t  *)  :  \' erbindung  von 
Niederwald  mit  landwirtschaftlichem  Fruchtbau.  Nach  dem  Stockschlag  werden 
die  schwächeren  Reisigteile  und  der  Bodenühorzug  verbrannt,  teils  durch  ein  über 
den  Schlag  hinweglaufendcs  Feuer,  durch  ,,Ueberlandbrennen"  oder  ,, Sengen",  teils 
nach  Zusammenbringen  des  Reisigs  und  des  abgeschälten  Bodenüberzuges  in  Haufen, 
durch  sog.  ,, Schmoren".  Nach  dem  Brennen  (,, Hainen")  und  folgender  Bearbeitung 
des  Bodens  wird  zwischen  den  Ausschlagstöcken  1 — 2  Jahre  Getreide  angebaut.  Der 
seit  Jahrhunderten  in  Hessen  und  Baden  (Odenwald,  Schwarzwald,  Siegen)  mit  dem 
Eichenschälwald  verbundene  Betrieb  hat  für  die  in  Frage  kommenden  Gegenden  mit 
einer  nur  kleinen  und  noch  dazu  ziemlich  unfruchtbaren  Feldfläche  und  mit  inten- 
sivem Lebensmittelbedarf  eine  ziemlich  hohe  volkswirtschaftliche  Bedeutung.  Der 
Umtrieb  ist  16 — 20  jährig.  Kürzere  Umtriebe  gefährden  infolge  der  öfteren  Wieder- 
keiu"  des  Getreidebaues  die  Bodenkraft. 

Drittes  Kapitel. 
Betriebsumwandlungren. 

I.  Allgemeines. 

§  30.  ^'eranlassung  zur  Betriebsumwandlung,  d.  h.  zu  dem  planmäßigen  Ueber- 
gang  von  einer  Betriebsart  zur  anderen,  ist  nicht  selten  gegeben.  Die  Gründe  hierzu 
können  sehr  verschiedene  sein.  Sie  liegen  zum  Teil  in  veränderten  Interessen  des 
Waldbesitzers  (Anlage  eines  Wildparks  usw.)  oder  in  der  Ueberzeugung  von  der  höhe- 
ren Leistungsfähigkeit  einer  Betriebsart  gegenüber  der  bisher  eingeführten  in  bezug 
auf  Bodenpflege,  Massen-  und  Wertserzeugung  usf.,  vielfach  auch  in  veränderten 
Marktverhältnissen,  d.  h.  in  der  durch  einen  Umschwung  auf  dem  Gebiete  der  Holz- 
verwertung herbeigeführten  veränderten  relativen  Wertschätzung  der  verschiedenen 
Forstprodukte.  Hin  und  wieder  zwingt  auch  die  Unmöglichkeit,  den  zeitherigen  Be- 
trieb infolge  Rückgangs  der  Bodenkraft  oder  infolge  Auftretens  schädlicher  Einflüsse 
(Rauch)  ferner  beizubehalten,  zur  Betriebsumwandlung.  Mithin  sind  es  teils  persönliche, 
teils  sachliche  Gründe,  welche  entscheidend  werden.  Letztere  haben  oft  nur  örtliche, 
manchmal  aber  mehr  allgemeine  Bedeutung,  wie  beispielsweise  der  Einfluß  geringe- 
rer Absatzfähigkeit  des  Brennholzes,  ebenso  der  Lohrinde  infolge  auswärtiger  Kon- 
kurrenz usf.  Ihren  Zielpunkt  finden  fast  alle  bezüglichen  Maßregeln  in  Herbeiführung 
einer  höheren  Rentabilität  der  Wirtschaft.  Es  ist  aber,  wie  schon  oben  S.  43  her- 
vorgehoben wurde,  durchaus  falsch,  wenn  man  lediglich  die  ökonomischen  \'orteile 
bei  der  Entscheidung  der  Frage,  ob  eine  Betriebsumwandlung  zweckmäßig  oder  not- 
wendig ist,  sprechen  läßt.  Die  Umwandlung  einer  weniger  rentablen  Betriebsart  in 
eine  ökonomisch  wertvollere  ist  immer  nur  dann  gerechtfertigt,  wenn  die  Ertrags- 
steigerung nachhaltig  ist,  also  nicht  auf  Kosten  der  Bodenkraft  geschieht. 

Am  einschneidendsten  wirken  diejenigen  Umwandlungen,  bei  denen  eine  Aen- 
derung  der  Holzart  und  der  Betriebsart  zugleich  in  Frage  kommen,  während  sich 


1)  Vgl.  Bernhardt,  Die  Haubergswirtschaft  im  Kreise  Siegen  1867.  S  t  r  o  li  e  c  k  c  r  , 
Die  Hackwaldwirtscliaft.  2.  Aufl.  1867.  \' 0  g  e  1  m  a  n  n  ,  Die  Reulberge  des  Schwarzwaldes. 
•2.   .-Vun.   1871. 


58  ^  I-  Lorey,    Waldbau. 

jene  Vorgänge  verhältnismäßig  einfacher  abspielen,  die  entweder  nur  einen  Holzarten- 
wechsel oder  nur  eine  Betriebsänderung  darstellen.  Je  beträchtlicher  zwei  inein- 
ander überzuführende  Betriebsarten  in  ihrem  Gesamtcharakter  von  einander  abwei- 
chen, um  so  schärfer  treten  die  den  Uebergang  vermittelnden  Operationen  zu  Tage. 
In  vielen  Fällen  kann  nur  ein  allmähliches  Aufgeben  des  bestehenden  Betriebes  Platz 
greifen.  Wenigstens  wird  immer  dann,  wenn  größere  Wirtschaftsobjekte  in  Be- 
tracht kommen,  jedes  durch  starke  Sprünge  sich  äußernde  Vorgehen  ausgeschlos- 
sen werden  müssen.  Die  Gründe  hierfür  liegen  in  den  Rücksichten  auf  den  Holz- 
markt, auf  das  verfügbare  Kulturmaterial,  die  erforderhchen  Arbeitskräfte,  auf  nach- 
haltige Gestaltung  der  Holzabnutzung  usw.  Besonders  dann,  wenn  die  neu  einzu- 
führende und  die  bisherige  Betriebsart  in  der  Höhe  der  Umtriebszeit  wesentlich  von 
einander  abweichen  und  mithin  die  vom  Nachhaltsbetrieb  geforderten  normalen 
Holzvorräte  ebenso  große  Unterschiede  aufweisen,  kann  der  Uebergang  meist  nur 
langsam  und  unter  sorgsamster  Abwägung  aller  begleitenden  Umstände  bewerk- 
stelligt werden.  Derartige  Umwandlungen  können  nur  unter  Zugrundelegung 
eines  die  Entwickelung  der  Waldverhältnisse  voraussehenden,  langfristigen  Um- 
wandlungs-  oder  Betriebsplanes  vorgenommen  werden.  Ohne  Entwerfung  eines 
solchen  Planes  lassen  sich  Umwandlungen  in  größeren  Waldungen  nicht  mit  der  wün- 
schenswerten Klarheit  und  Sicherheit  durchführen.  Waldbau  und  Forsteinrichtung 
haben  hier  gemeinsam  zu  operieren.  Bei  einzelnen  Beständen,  kleinen  Parzellen  un- 
teriiegt  jedoch  selbst  ein  plötzlicher  Uebergang  oft  nicht  dem  mindesten  Bedenken. 

n.  Umwandlungen    innerhalb    des    Hochwaldbetriebes. 

§  31.    A.   Der  Kahlschlagbetrieb  soll  verlassen  werden: 

1 .  Uebergang  vom  Kahlschlagzum  Schirmschlagbetrieb. 
Dieser  Uebergang  läßt  sich,  wenn  die  Holzart  beizubehalten  ist,  in  meist  sehr 

einfacher  Weise  bewerkstelligen,  indem  man  im  haubaren  oder  nahe  haubaren  Be- 
stand die  natürliche  Verjüngung  (je  nach  Bedarf  unter  entsprechender  künstlicher 
Beihilfe)  mit  ihren  verschiedenen  Hiebsführungen  an  Stelle  des  Kahlhiebs  treten  läßt. 
Im  einzelnen  können  sich  freilich  mannigfaltige  Modifikationen  des  Schemas  ergeben. 
Zusammenfassen  mehrerer  Jahresschläge  zum  Periodenschlag  wird  erforderlich.  Aen- 
derungen  der  Umtriebszeit  und  im  Gefolge  davon  des  Normalvorrats  bringt  diese 
Ueberführung  nicht  grundsätzlich  mit  sich.  Soll  die  Holzart  wechseln,  so  muß 
künstliche  Kultur  (bisweilen  durch  Unterbau,  z.  B.  Tanne  unter  Kiefer)  eintreten. 

2.  Vom  Kahlschlag  zum  Femelsch  lagbetrieb,  femel- 
artigen    Betrieb    und    Femelbetrieb. 

Die  Umwandlung  vollzieht  sich  im  allgemeinen  ähnlich  wie  die  vorbesprochene. 
An  Stelle  gleichmäßiger  Behandlung  des  ganzen  Bestandes  tritt  der  Horst  oder  die 
Gruppe,  wodurch  zunächst  der  Femelschlagbetrieb  erreicht  wird.  Der  Weg  von  die- 
sem zum  femelartigen  Betrieb  und  schließlich  zum  eigentlichen  Femelbetrieb  ist  leicht 
zu  finden ;  doch  wird  man  sich  zumeist  mit  Beibehaltung  einer  der  Uebergangsformen 
begnügen  und  nicht  gerade  dem  reinen  Femelwald  zusteuern. 

B.  Ueberführung  des  Femelbetriebes  in  einen  schlagweisen  Betrieb. 

Der  betreffende  Wirtschaftsplan  muß  zunächst  die  Bildung  der  Orts-  und  Be- 
standesabteilungen, sowie  die  Hiebszüge  vorsehen,  wobei  die  jeweilige  Beschaffen- 
heit der  Femelbestände,  die  verschiedenartige  Beteiligung  und  räumliche  Gruppierung 
der  Altersklassen  zumal  für  die  Uebergangszeit  besonders  zu  beachten  sind,  damit  der 
neue  Zustand  nicht  mit  zu  großen  Opfern  erreicht  wird.  Die  zuwachsärmsten  Teile, 
sowie  solche  mit  dem  höchsten  Durchschnittsalter  kommen,  soweit  es  die  Schlagfolge 
zuläßt,  in  erster  Linie  zur  Behandlung.    Inzwischen  muß  der  Gang  der  Durchhiebe  in 


Die   Botriehsarleii.      §   32.  59 

den  übrigen  Teilen  eine  Minderung  der  Altersunterschiede  anstreben. 

C.  Uebergang  vom  Schirmschlag  zum  Femelschlag  oder  Saumschlag  und  umge- 
kehrt. 

1 .  Die  Ueberführung  des  Schirmschlags  zum  Femel-  oder  Sau  ra- 
se ii  1  a  g  wird  erreicht,  indem  man  die  Verjüngung  nicht  gleichmäßig  über  die  ganze 
Bestandesfläche  hin,  sondern  hörst-  und  gruppenweise,  bezw.  streifenweise  vom  Rande 
herein  einleitet  und  durchführt. 

2.  Vom  Femelschlag  zum  Sciiirmschlag  gelangt  man  durch  all- 
mähliches Verschwindenlassen  der  durch  Altersunterschiede  gekennzeichneten  Grup- 
pen und  Horste. 

D.  Uebergang  zum  Kahlschlag. 

Die  vorhandenen  Bestände,  gleichgültig  welcher  Betriebsart  sie  angehören,  wer- 
den schlagweise  kahl  abgetrieben,  nachdem  die  Abgrenzung  der  Schlagflächen  im 
Sinne  der  späteren  Hiebsfolge  geschehen  ist. 

Es  leuchtet  ein,  daß  fast  alle  diese  Umwandlungen  sich  nicht  ohne  mancherlei 
Opfer  in  der  Uebergangszeit  vollziehen  lassen.  Vielfach  werden  Bäume  und  Bestände 
schon  vor  oder  erst  nach  ihrer  Hiebsreife  genutzt.  Es  ist  die  Aufgabe  der  die  Aufstel- 
lung des  Umwandlungsplanes  besorgenden  Forsteinrichtung,  durch  Schaffung  hin- 
reichender Anhiebe  und  Wahl  einer  geeigneten  Hiebs-  und  Verjüngungsfolge  solche 
Verluste  auf  das  geringste  Maß  zu  beschränken. 

HI.    Der   Hochwaldbetrieb   wird   aufgegeben. 

§  32.     A.    Uebergang  zum  Niederwald: 

Bei  dieser  in  der  forstlichen  Praxis  nur  selten  vorkommenden  Umwandlung  ist, 
wenn  infolge  Mangels  ausschlagfähiger  Holzarten  gleichzeitig  ein  Wechsel  in  der  Holz- 
art eintreten  muß,  künstliche  Bestandesbegründung  nach  vorausgegangener  Abräu- 
mung  des  vorhandenen  Bestandes  unvermeidlich.  Die  Umwandlung  erfolgt  unter 
Zugrundelegung  einer  dem  Niederwaldumtrieb  entsprechenden  Schlageinteilung.  Soll 
insbesondere  ein  jährlicher  Nachhaltbetrieb  mit  u-jährigem  Umtriebe  entstehen,  so 
braucht  man  u  Schläge,  welche  dann  nach  und  nach  in  u  Jahren  umgewandelt  werden. 

Ist  die  gewünschte  Holzart  schon  vorhanden  (Eiche,  Erle),  so  kann  unter  gün- 
stigen Verhältnissen  die  künstliche  Kultur  ganz  entfallen.  Die  jüngeren  noch  gut 
ausschlagsfähigen  Bestände  werden  auf  dem  Stock  gesetzt.  Bei  älteren  Beständen 
wird  damit  nicht  Genügendes  erreicht;  künstliches  Einbringen  von  Kernpflanzen  zur 
Ausfüllung  von  Fehlstellen  wird  dann  nicht  zu  umgehen  seini). 

B.  Uebergang  zum  Mittelwald: 

Erfolgt,  soweit  das  Unterholz  in  Betracht  kommt,  im  ganzen  nach  gleichen  Grund- 
sätzen wie  bei  A.  Wie  rasch  sich  die  einzelnen  Oberholzklassen  in  der  erforderlichen 
Art  (nach  Holzart,  Menge,  Verteilung  usw.)  herstellen  lassen,  ist  von  der  Holzarten- 
beteiligung und  der  Betriebsform  (gleichalterig  oder  ungleichalterig)  im  Hochwald 
abhängig.  Soweit  jüngere,  gesunde  und  entwicklungskräftige  Bäume,  die  zum  Ober- 
holz taugen,  nicht  vorhanden  sind,  lassen  sich  die  Oberholzklassen  erst  nach  und 
nach  bei  den  späteren  Unterholzabtrieben  heranbilden.  Nachhilfen  durch  Einbringen 
von  Kernpflanzen  zur  Anzucht  von  Laßreisern  und  durch  Auspflanzen  von  Fehl- 
stellen mit  Stummelpflanzen  zur  Anzucht  von  Unterholz  werden  meist  notwendig 
sein. 

IV.  Niederwald  oder  Mittel  wald  ist  in  Hochwald  über- 
zuführen. 


1)  Vergl.  die  in  §  68  zitierten  Aufsätze  von  O  s  t  e  r  li  e  1  d   über  den  Edelkastaniennieder- 
wald. 


60  VI.  Lorey,    Waldbau. 

§  33.     A)  N  i  e  cl  e  r  w  a  1  d  i) : 

Die  Verschiedenheit  der  Umti-iebszeit  bedingt  es,  daß,  wenn  der  Niederwald  in 
einen  Hochwald-Nachhaltbetrieb  übergeführt  werden  soll,  bedeutende  Holzvorrats- 
massen angesammelt  werden  müssen,  damit  ein  der  gewählten  Umtriebszeit  ent- 
sprechender Vorrat  vorhanden  ist.  Wird  die  Holzart  beibehalten,  so  genügt  das 
Aufhören  mit  den  Niedenvaldhauungen  und  das  Fortwachsenlassen  der  Stockaus- 
schläge, welche  entsprechend  zu  durchforsten  sind.  Allerdings  ist  hiermit  eine  Ver- 
zichtleistung des  Waldbcsitzers  auf  Erträge  verbunden,  die  gemildert  werden  kann, 
wenn  als  Uebergangsstadium  eine  mittelwaldartige  Form  gewählt  wird.  Beim  Hieb 
wird  dann  immer  eine  größere  Anzahl  von  Laßreiteln  übergehalten  und  so  allmäh- 
lich der  Hochwald-Vollbestand  angebahnt. 

Soll  ein  teilweiser  oder  vollständiger  Holzartenwechsel  eintreten,  so  ist  künst- 
licher Anbau  erforderlich.  Nach  dem  Abtrieb  des  Stockausschlages  ist  die  neue  Holz- 
art in  kräftigen  Exemplaren,  zweckmäßigerweise  in  Gruppen  und  Horsten,  einzu- 
bringen und  durch  geeignete  Bestandspflege  vor  dem  Ueberwachsen  durch  die  Stock- 
ausschläge zu  schützen.  Im  einzelnen  Falle,  namentlich  dann,  wenn  heruntergekom- 
mene Niederwälder  in  Nadelholz  umgewandelt  werden  sollen,  ist  die  Rodung  der 
Laubholzstöcke  eine  zwar  kostspielige,  aber  empfehlenswerte  Maßnahme,  um  dem 
sonst  unvermeidlichen  Ausschneiden  und  Köpfen  der  sich  vordrängenden  Stock- 
ausschläge zu  entgehen.  Man  kommt  dann  allerdings  zur  Kahlflächenkultur  und  zu 
reinen  Beständen.  Ist  die  Herstellung  von  Mischungen  erwünschter  oder  die  volle 
Beseitigung  der  Stöcke  aus  Gründen  des  Bodenschutzes  (z.  B.  an  Hängen)  nicht  zu 
empfehlen,  so  bleibt  es  Aufgabe  einer  sorgsamen  Bestandspflege,  den  besseren  Teil 
der  Stockausschläge  hoch  zu  bringen  und  Verdammen  der  eingebrachten  Nadelholz- 
pflanzen zu  vermeiden.  Die  Modifikationen  der  Ueberführung  von  Niederwald  in 
Hochwald  sind  überaus  zahlreich. 

Die  geringe  Rentabilität  des  Eichenschälwaldes  ist  Veranlassung  dazu, 
daß  diese  Betriebsform  neuerdings  vielfach  in  Hochwald  und  zwar  auf  allen  geringeren 
Böden  in  Nadelholzhochwald  übergeführt  wird^). 

B)  Mittel  wald3). 

Soll  ein  solcher  in  einen  Hochwald-Schlagbetrieb  übergeführt  werden,  so  ist  es, 
je  nach  der  Art  und  Beschaffenheit  des  Oberholzes,  oft  weniger  die  Menge,  als  die 
Verteilung  der  verfügbaren  Holzmasse,  welche  geändert  werden  rnuß.  Jede  normale 
Betriebsklasse  des  schlagweisen  Hochwaldbetriebes  zeigt  weit  erheblichere  Alters- 
unterschiede ihrer  Bestände,  als  sie  im  Mittelwald  von  Schlag  zu  Schlag  vorhanden 
sind,  wo  sich  alle  analogen  Glieder  (Unterwuchs,  einzelne  Oberholzklassen)  zweier  in 
der  Schlagfolge  benachbarter  Bestände  je  nur  um  1  Jahr  im  Alter  verschieben,  so 


1)  E  m  ni  e  1  li  a  i  n  z  ,  Umwandlung  der  nassauisclien  Niederwaldungen.  Ztschr.  f.  F.-  u. 
Jw.  1902,  523,  ebenda  1903,  S.  619.  —  Kruhöffer,  Die  Ueberführung  von  Niederwald  in 
Hochwald,  Silva  1909,  S.  681.  —  P  e  t  i  t  h  ,  Die  Ueberführung  bezw.  Umwandlung  der  Eichen- 
schälwaldungen in  Hochwald.  Allg.  F.-  u.  J.-Z.  1907,  S.  272.  —  v.  Fischbach,  Ueberführung 
des  Eichenschälwaldes  zu  rentableren  Betrieben,  Forslw.  Zentralbl.  1898,  S.  333. 

2)  Hey  er,  „Eichenschälwald-Umwandlungen  im  Odenwald"  (Forstw.  Zentralbl.  1902, 
S.  415). 

3)  Zu  vergl.  u.  a.  Böhme,  ,, Ueberführung  des  Mittelwaldes  in  Hochwald"  (Forstw. 
Zentralbl.  von  1885,  S.  332  ff.),  woselbst  für  verschiedene  Jlittehvaldkategorien  Sjiezialregeln 
angegeben  werden.  —  Im  sächs.  Forstverein  stand  1882  die  Umwandlung  rückgängiger  Miltel- 
waldungen  in  Hochwald  zur  Debatte,  ebenso  auf  der  Deutschen  Forstvcrsammlung  in  Metz  1893, 
auf  der  Badischen  Forstversammlung  1899,  desgleichen  auf  der  Thüringischen  Forstversammlung 
1909,  desgl.  auf  der  Versammig.  d.  deutschen  Forstvereins  1902  und  1907.  —  Weitere  Literatur: 
Jäger,  Vom  Mittelwald  zum  Hochwald,  1889.  —  Brauns,  Ueberführung  des  Mittelwal- 
des in  Hochwald  in  der  Oberf.  Bischofsrode.  Ztschr.  f.  F.-  u.  Jw.  1903,  S.  530. 


Die  Betriebsarten.     §  34.  61 

daß  das  Maximum  des  Unterschieds  zweier  Bestände  gleich  dem  Ureloriiolzumtrieh 
ist.  Man  wird  der  normalen  Altersstufenordnung  des  Hochwaldes  nur  insoweit  all- 
mählich sich  nähern,  als  es  bei  möglichst  vorteilhafter  Benutzung  der  verfügbaren 
Bestände  erlaubt  ist,  damit  die  kritische  Zeit  der  Ueberleitung  keine  Verluste  bringt, 
welche  den  durch  die  ganze  Manipulation  erhofften  wirtschaftlichen  Gewinn  in  Frage 
stellen.  Vermehrung  des  Oberholzes,  Zurückdrängen  des  Ausschlagholzes  ist  allge- 
mein erforderlich.  Um  die  für  den  Hochwaldbetrieb  erwünschte  Altersstufenfolge 
in  die  Wege  zu  leiten,  empfiehlt  es  sich,  auf  den  verschiedenen  Mittelwaldflächen 
teils  die  älteren,  teils  die  mittleren  und  jüngeren  Oberhölzer  zu  begünstigen.  Die 
Art  und  Weise  und  die  Menge,  in  welcher  die  verschiedenen  Oberholzklassen  auf 
dem  einzelnen  Schlage  vertreten  sind,  werden  hierfür  den  Wegweiser  darstellen.  Je 
oberholzreiclier  ein  iMittelwald  ist,  um  so  leichter  macht  sich  seine  Ueberführung. 
Da  die  stärksten  Oberholzklassen  immer  in  der  Minderzahl  vertreten  sein  werden, 
wird  bei  der  Ueberführung  den  jüngeren  Oberhölzern  die  ausschlaggebende  Bedeu- 
tung um  so  mehr  zufallen,  als  ihre  Ergänzung  durch  Ueberhalten  zahlreicher  Laß- 
reitel  möglich  ist.  Oberholzamie  Mittelwaldungen  bedürfen  naturgemäß  umfassen- 
der künstlicher  Hilfe  und  werden  am  besten  durch  Ansaat  oder  richtiger  durch  Aus- 
pflanzen von  Löchern  und  allmähliche  Räumung  der  vereinzelten  Oberständer 
in  einen  mehr  hörst-  und  gruppenweis  zusammengesetzten,  also  plenterwaldartigen 
Hochwald  übergeführt. 

Der  letztgenannte  Weg  kann  besonders  dann  beschritten  werden,  wenn  mit  der 
Umwandlung  in  Hochwald  zugleich  ein  vollständiger  Holzartenwechsel  beabsichtigt 
ist.  In  vielen  Fällen  wird  dann  der  Kahlhieb  am  schnellsten  zum  Ziele  führen,  aller- 
dings auch  ohne  Verzicht  auf  nachhaltige  Erträge  nicht  ganz  auskommen.  Unter 
Umständen  läßt  sich  die  neu  einzuführende  Holzart  —  namentlich  dann,  wenn  es 
sich  um  ein  Schattenholz  handelt  —  auch  mittels  Unterbau  nach  vorlieriger  entspre- 
chender Schlagstellung  einbringen. 

Dritter    Abschnitt. 
Die  Bestandesbegründiiiig. 

Der  Abschnitt  bespricht  die  Art,  wie  unter  den  verschiedensten  Verhältnissen  Bestände 
begründet  werden.  Demnächst  hat  die  „Bestandeserziehung"  (vierter  Abschnitt)  aus  den  Jung- 
wüchsen haubare  Bestände  heranzubilden^). 

Erstes  Kapitel. 

Allgemeine  Gesichtspunkte. 

I.  Arten  der  Begründung  und  ihre  wirtschaftliche  Bedeutung. 

A.   Arten. 

§34.  Man  unterscheidet  natürliche  und  künstliche  Bestandsbegründung.  Bei  jener 
if  t  das  Kulturmaterial  auf  der  Fläche  bereits  vorhanden  oder  wird  von  der  Natur  auf 
sie  gebracht,  während  bei  dieser  menschliche  Tätigkeit  Samen  bezw.  Pflanzen  herbei- 
schafft und  die  sonst  erforderliche  Arbeit  leistet.  Die  natürliche  Bestandsbegrün- 
dung vollzieht  sich  entweder  durch  Samen  ^)  (durch  Abfall   desselben  von  Bäumen, 

1)  Bezüglich  der  Grenze  zwischen  Begründung  und  Erziehung  der  Bestände  ist  die  Vor- 
bemerkung zum  vierten  .\bschnitt  zu  vergleichen. 

2)  Die  aus  den  abgefallenen  Samen  entstandenen  Jungpflanzen  scheidet  man  nicht  selten 
in  .\ufschlag  und  .\nflug:  .\ufschlag  sind  im  allgemeinen  die  aus  schwereren,  direkt  herunter- 
fallenden, flügellosen  Samen  gekeimten  Pflanzen  (Eiche,  Buche  etc.),  während  man  die  aus  ange- 


62  VI.  L  o  r  e  y  ,    Waldbau. 

die  auf  oder  neben  der  Fläche  stehen)  oder  durch  Ausschlag  ^)  (Bildung  von  Wurzel-, 
Stock-  oder  Schaftlohden).  Die  künstliche  Begründung  erfolgt  entweder  durch 
Saat  oder  durch  Pflanzung.  Bei  der  Saat  bleibt  die  aus  dem  Samen  entstehende 
Pflanze  auf  ihrer  Stelle,  während  bei  der  Pflanzkultur  andei-wärts  erzogene  Pflanzen 
Verwendung  finden. 

B.  Wahl  der  Art  der  Bestandesbegründung. 

Zunächst  ist  zu  entscheiden,  ob  natürliche  oder  künstliche  Verjüngung  eintreten 
soll.  Danach  ist  innerhalb  dieser  beiden  Hauptgruppen  von  Verjüngungsmethoden 
die  Auswahl  im  einzelnen  zu  treffen. 

Die  Entscheidung  ist  bedingt  durch  Standort  und  Holzart  (ctr.  erster  Abschnitt),  dann 
insbesondere  durch  den  Wirtschaftszweck,  durch  das  Verhältnis  von  Autwand  und  Erfolg,  für 
dessen  Beurteilung  sehr  oft  in  erster  Linie  die  Gewinnung  der  erforderlichen  Arbeitsl<räfte  ins 
Gewicht  fällt,  sowie  durch  den  Umstand,  ob  auf  der  Fläche  schon  Wald  vorhanden  war  oder 
nicht.  In  letzterem  Falle  kann,  wenn  man  von  der  seltenen  Möglichkeit  einer  Randbesamung 
(von  seitlich  stehenden  Bäumen  her)  absieht,  nur  künstliche  Bestandesgründung  in  Betracht 
kommen.  Das  gleiche  gilt,  wenn  die  Fläche  zwar  bereits  mit  Wald  bestockt  war,  aber  ein  Holz- 
artenwechsel beabsichtigt  wird.  So  oft  jedoch  die  nämliche  Holzart  auf  einer  Fläche  nachge- 
zogen werden  soll,  treten  allgemein  die  natürliche  und  künstliche  Bestandesbegründung  in 
Konkurrenz.  Beide  werden  unter  Umständen  vereint  angewendet,  indem  durch  künstliches 
Einbringen  von  Samen  oder  Pflanzen  die  auf  natürlichem  Wege  bereits  entstandenen  oder  noch 
zu  erwartenden  Jungwüchse  vervollständigt  werden. 

Natürliche   odtr   künstliche    Bestandesbegründung? 

§  35.  Wenn  nicht  bestimmte  Ursachen  die  künstliche  Begründung  des  neuen 
Bestandes  fordern,  kann  und  soll  man  die  natürliche  Verjüngung  wählen.  So  lange 
man  auf  dem  Wege,  welchen  die  frei  wirkende  Natur  einschlägt,  das  durch  die  Wirt- 
schaft gesteckte  Ziel  genügend  rasch  und  sicher  erreichen  kann,  ist  zunächst  nicht  ab- 
zusehen, weshalb  man  jenen  Weg  verlassen  soll.  Vor  allem  ist  die  Verschiedenartig- 
keit der  Standortsverhältnisse  bei  der  Wahl  des  Verjüngungsverfahrens  sorgfältig  zu 
beachten.  Aber  selbst  wenn  man  erwägt,  daß  man,  wie  von  vielen  Seiten  scharf  be- 
tont wird,  bei  der  natürhchen  Verjüngung  im  allgemeinen  am  leichtesten  für  ununter- 
brochene rationelle  Bodenpflege  sorgen  kann,  daß  sie  auch  die  Begründung  gesunder 
gemischter  Bestände  erleichtere,  sowie  die  Starkbolzzucht  ohne  Erhöhung  der  Um- 
triebszeit  ermögliche,  ergibt  sich  doch  in  vielen  Fällen  eine  Entscheidung  zugunsten 
der  künstlichen  Bestandesbegründung  und  zwar  hauptsächlich  nach  Maßgabe  fol- 
gender Erwägungen:  a)  die  natürliche  Verjüngung  durch  Ausschlag  ist  ausgeschlos- 
sen bei  den  Nadelhölzern.  —  b)  Soll  die  natürliche  Verjüngung  bei  irgend  welcher 
Holzart  durch  Samen  erfolgen,  so  muß  eine  je  nach  den  Umständen  größere  oder 
geringere,  jedenfalls  genügende  Anzahl  von  tauglichen  Samenbäumen  zu  Gebote 
stehen,  welche  den  Samen  liefern.  Man  ist  also  an  das  Vorhandensein  und  das  Samen- 
tragen dieser  (der  Mutterbäume)  gebunden,  und  es  leuchtet  ein,  daß  durch  Ausbleiben 
oder  Fehlschlagen  einer  Mast  Störungen  im  Verjüngungsbetrieb  und  Verzögerungen 
in  der  Schaffung  junger  Bestände  veranlaßt  werden  können,  welche  unter  Umstän- 
den den  Gang  der  ganzen  Wirtschaft  beeinflussen,  indem  Abweichungen  von  der 
normalen  Umtrieb.  zeit,  Ersatz  eines  an  Haubarkeitsnutzungen  zu  liefernden  Hiebs- 
quantums durch  Vorgriffe,  stärkere  Durchforstungen  usw.  notwendig  werden.  Sind 
auch  solche  Störungen  im  einzelnen  meist  nicht  von  Belang,  so  können  sie  sich  doch 

flogenen  (leichten,  geflügelten)  Samen  erwachsenden  als  Anflug  bezeichnet.  Die  Trennung  ist 
keine  scharfe.    Der  Name  ,, Anflug"  wird  vor  allem  für  Nadelhölzer  oft  gebraucht. 

1)  Die  Bestandesbegründung  durch  Ausschlag  kann  nicht  wie  die  Bestandesbegründung 
durch  Samen  als  „Begründung"  im  vollen  Sinne  angesehen  werden.  Es  handelt  sich  bei  ihr  nur 
um  Wiederverjüngung.  Daß  sie  hier  mit  zur  natürlichen  Begründung  gerechnet  wird,  entspricht 
nur   dem   allgemeinen   Brauch. 


Die  Bestandesbegründung.     §  35.  63 

in  unangenehmer  Weise  häufen  (mehrmahges  Vernichten  der  Blüte  durch  Frühjahrs- 
fröste etc.),  so  daß  die  künstliche  Verjüngung,  in  diesem  Falle  ein  Kind  der  Not,  ein- 
springen muß.  Kunstverjüngung  kann  auch  als  Folge  von  Kalamitäten  wie  Insek- 
tenfraß, Schneebruch,  Sturm  etc.  notwendig  werden,  wenn  solche  den  betreffenden 
Waldort  in  einem  Stadium  der  Entwickelung  treffen,  in  welchem  er  noch  nicht  ver- 
jüngungsfähig ist.  Auch  dann,  wenn  die  erforderliche  Zahl  geeigneter  Samenbäume 
infolge  einer  Kalamität  verloren  ging  oder  wenn  bedeutende  Einschlagmassen  den 
normalen  Fällungsgang  stören  und  die  zur  Benutzung  eines  eintretenden  Samen- 
jahres notwendigen  Maßnahmen  unmöglich  machen,  kann  die  künstliche  Bestands- 
gründung zweckmäßig  oder  notwendig  werden.  —  c)  Stehen,  wie  in  der  Regel,  die 
Mutterbäume  auf  der  Kulturfläche  selbst,  so  beschatten  bezw.  überschirmen  sie, 
nach  Art,  Zahl,  Verteilung  in  verschiedenem  Maße,  die  jungen  Keimpflanzen.  Wenn 
auch  letzteren  dadurch  während  ihrer  ersten  Jugendentwickelung  meist  ein  nur 
wohltätiger,  ja  für  manche  Holzarten  und  in  bestimmten  Oertlichkeiten  geradezu  not- 
wendiger Schutz  gewährt  wird,  so  können  doch  andere  Holzarten  (Lichthölzer)  all- 
gemein, andere  in  gewissen  Lagen  diese  Beschirmung  nicht  oder  nur  kurze  Zeit  hin- 
durch vertragen.  Hieraus  kann  sich  für  eine  Anzahl  von  Fällen  i)  die  künstliche 
Verjüngung  als  Erfordernis  ergeben. 

Die  .\nsiclilen  darüber,  wie  mit,  Rücksicht  auf  die  Erfordernisse  der  einzelnen  Holzarten 
die  Grenzlinie  zwischen  natürlicher  und  künstlicher  Verjüngung  zu  ziehen  sei,  gehen  auseinan- 
der 2).  Daß  Schattenhölzer  allgemein  durch  Samenabfall,  also  natürlich  verjüngt  werden 
können,  steht,  entsprechende  Bestandesbeschaffenheit,  d.  h.  hinreichendes  Alter,  genügende 
Zahl  und  richtige  Verteilung  der  Samenbäume,  sowie  gute  Bodenbeschaffenheit  vorausgesetzt, 
außer  Zweifel;  ebenso,  daß  diejenigen  unter  ihnen,  welche  in  der  Jugend  gegen  Frost  und  Hitze 
empfindlich  sind  und  deshalb  in  der  Regel  eines  Schutzbestandes  bedürfen,  meist  mit  dem 
größeren  Vorteil  auch  wirklich  natürlich  verjüngt  werden.  Die  künstliche  Verjüngung  dieser 
scliutzbedürftigen  Holzarten,  z.  B.  der  Buche  oder  Tanne,  auf  der  Kahlfläche,  event.  auch, 
unter  Zuhilfenahme  eines  durch  eine  andere  Holzart  erst  beschafften  Scimtzbestandes  ist  Aus- 
nahme. .\ndererseits  sind  unbedingte  Lichthölzer,  wie  Lärche,  Kiefer,  Eiche,  von  der  natürlichen 
Verjüngung  zwar  keineswegs  ausgeschlossen,  verlangen  aber  auf  allen  nicht  sehr  frischen  und 
kräftigen  Böden  eine  so  rasche  Räumung  der  Mutterbäume,  daß  man  mit  ihnen  bei  künstlicher 
Verjüngung  meist  schneller  und  bequemer  zum  Ziele  kommt.  Eine  Anzahl  von  Holzarten 
(Fichte,  Esche,  Erle,  .\horn)  halten  die  Mitte  und  lassen  sich  je  nach  Lage  der  klimatischen 
und  Bodenverhältnisse  bald  natürlich  bald  künstlich  mit  größerem  Erfolg  verjüngen.  Je 
besser  der  Boden,  um  so  eher  ist  im  allgemeinen  die  natürliche  Verjüngung  durch  Samen  mög- 
lich, weil  das  geringe  Sehattenerträgnis  der  Lichthölzer  in  besseren  Lagen  durch  die  sonst  guten 
Wachstumsbedingungen  teilweise  paralysiert  wird  (z.  B.  reichlicher  Eschen-  und  Eichenanflug 
auf  frischen,  kräftigen  Böden  unter  oft  noch  sehr  dichtem  Schirmdach  der  Mutterbäume).  — 
Aehnlich  erhöht  größere  Luftfeuchtigkeit  (in  der  Nähe  des  Meeres  oder  sonstiger  großer  Wasser- 
flächen, im  Gebirge  etc.)  die  Möglichkeit  natürlicher  Verjüngung.  —  Rauhe  Lagen,  steile  Hänge, 
steinige  Partien,  Böden,  welche  bei  Freistellung  starken  Unkrautwuchs  erwarten  lassen,  fordern 
oft  natürliche,  nasse  Orte  meist  künstliche  Bestandesbegründung.  Näheres  bei  Behandlung  der 
einzelnen  Holzarten,  siehe  4.  Kap.  dieses  .\bschnittes. 

d)  Wie  schon  im  2.  Abschnitt  näher  ausgeführt  ist,  wird  die  Art  und  Weise  der 
Verjüngung  meist  schon  von  der  gewählten  Betriebsart  vorgeschrieben.  Der  Kahl- 
schlagbetrieb bedingt,  abgesehen  vom  Falle  der  Randbesamung,  die  künstliche  Ver- 
jüngung. Und  da  der  Kahlschlagbetrieb  ein  Günstling  der  Forsteinrichtung  ist,  so 
unterliegt  es  keinem  Zweifel,  daß  das  Uebergewicht,  das  die  Kunstverjüngung  vieler- 
orts über  die  Naturverjüngung  aufweist,  in  vielen  Fällen  nicht  auf  waldbauliche  Er- 
wägungen, sondern  auf  das  der  Forsteinriclttung  zugrunde  liegende  Prinzip  zurück- 
zuführen ist.     Schirmschlag-  und  Femelschlagbetrieb  und  noch  mehr  Femelbetrieb, 


1)  Die  Präzisierung  derselben  folgt  aus  dem  4.  Kapitel  dieses  Abschnittes  ,, Betriebsarten 
und  BestandesbegrOndung  bei  den  einzelnen  Holzarten". 

2)  Zu  vergl.  u.  a.  die  Verhandlungen  der  Versammlung  deutscher  Forstmänner  zu  Frank- 
furt a.  M.  1884  über  das  Therna:  ,,Auf  welchem  Standpunkt  befindet  sich  augenblicklich  die  Frage 
der   natürlichen  Verjüngung?"    Versammlungsbericht   bei  Sauerländer,    Frankfurt  a.  M.  1885 


64  VI.  L  0  r  e  y  ,    'Waldbaii. 

Niederwald  und  Mittelwald  operieren  meist  mit  Beschaffung  ihrer  Jungwüchse  auf 
natürlichem  Wege.  —  e)  Als  Vorzug  der  künstlichen  Bestandesbegründung  wird  auch 
(insbesondere  bei  der  Pflanzung)  eine  gleichmäßigere  Verteilung  der  jungen  Indivi- 
duen auf  der  Fläche  geltend  gemacht,  woraus  sich  dann  auch  eine  gleichmäßigere 
und  bei  lichterem  Stande  raschere  Entwickelung  der  Einzelstämme  von  Jugend  auf 
ergibt.  Bei  der  Naturverjüngung  kann  eine  reiche  Mast  unter  günstigen  Verhältnissen 
zu  dicht  stehende  Jungbestände  schaffen,  die,  wenn  sie  nicht  in  ihrer  Entwickelung 
sitzen  bleiben  sollen,  schon  frühzeitig  kostspielige  Maßnahmen  der  Bestandspflege, 
Verdünnungen  durch  Ausschneiden  und  Läuterungen  notwendig  machen.  —  f)  Wer 
auf  regelmäßige  Mischungen  Gewicht  legt,  wird  auf  dem  Wege  der  künstlichen  Ver- 
jüngungen solche  weit  eher  herzustellen  imstande  sein  als  durch  Naturverjüngung. 
• —  g)  In  hohem  Maße  entscheidet  auch  der  Bodenzustand  eines  Bestandes  über  die 
Anwendbarkeit  dieser  oder  jener  Verjüngungsmethode.  Die  natürliche  Verjüngung 
setzt  einen  solchen  Zustand  des  Bodens  voraus,  daß  das  Ankeimen  der  Samen  und 
das  Weiterwachsen  der  Keimlinge  möglich  ist.  Man  bezeichnet  diesen  Bodenzustand 
als  Bodengare  und  ist  überall  dort,  wo  diese  Bodengare  infolge  starker  Verunkrau- 
tung oder  infolge  von  Anhäufung  von  Trockentorfmassen  fehlt,  nicht  berechtigt,  eine 
erfolgreiche  Naturverjüngung  ohne  Maßnahmen  der  Bodenvorbereitung  zu  erwar- 
ten. Die  Kunstverjüngung  führt  in  solchen  Fällen,  trotzdem  sie  auch  eine  mehr  oder 
weniger  umfängliche  Bodenbearbeitung  nicht  umgehen  darf,  oft  schneller  und  siche- 
rer zum  Ziele  als  die  Naturverjüngung.  —  h)  Auch  der  Kostenaufwand  ist  in  man- 
chen Fällen  (Waldfeldbau,  arme  Böden,  seltene  und  nicht  ergiebige  Samenjahre, 
umfangreiche  Nachbesserungen  im  Falle  natürlicher  Verjüngung  etc.)  bei  künstlicher 
Kultur  geringer,  obwohl  eingeräumt  werden  muß  ,  daß  im  allgemeinen  gerade  im 
Sinne  der  Kostenersparnis  die  natürliche  Bestandesbegründung  den  Vorzug  verdient. 
Jede  Kulturausgabe  belastet  den  Bestand,  mit  Zins  und  Zinseszins  bis  zum  Abtrieb 
anwachsend,  derart,  daß  möglichste  Ersparnis  geboten  ist.  Erstmaliger  x\ufwand 
und  Kosten  etwaiger  Nachbesserungen  sind  stets  zu  kombinieren.  Entscheidend  ist 
der  vollkommene,  nicht  nur  der  erstmalige,  oft  nur  vorübergehende  Kulturerfolg. 
Die  Frage,  ob  künstliche  oder  natürliche  Verjüngung,  bedarf,  wie  aus  vorstehen- 
den Andeutungen  hervorgeht,  recht  häufig  der  besonderen  örtlichen  Untersuchung, 
da  uns  die  Zweifelsfälle,  in  welchen  beide  Arten  möglich  sind,  in  großer  Zahl  und  viel- 
seitiger Gestalt  entgegentreten.  Ausschlaggebend  ist  der  nach  jenen  allgemeinen 
Gesichtspunkten  unter  gleichmäßiger  Berücksichtigung  aller  konkurrierenden  Mo- 
mente zu  bemessende  wirtschaftliche  Gesamteffekt.  Oertliche  Erfahrung  ist  für  die 
Beurteilung  höchst  wertvoll,  jedoch  stehen  unverkemibar  Gewohnheit  und  durch 
sie  bestärkte  ^'orurteile  nicht  selten  sachgemäßen  Aenderungen  hindernd  im  Wege. 

In  bezug  auf  die  allgemeinen  Gesichtspunkte  sei  nur  wiederholt  daran  erinnert,  daß  allein 
in  der  Durchführbarkeit  einer  natürlichen  Verjüngung  deren  vollgültige  Motivierung  noch  nicht 
liegen  kann.  Die  natürliche  Verjüngung  darf  vielmehr,  um  gerechtfertigt  zu  erscheinen,  keinen- 
falls  weniger  leisten  als  die  künstliche  Bostandesbegründung,  und  als  Maßstab  dient  die  Ge- 
samtwertserzeugung auf  gegebener  Fläche  unter  voller  Berücksichtigung  des  Faktors  ,,Zeit", 
bezw.  Umtriebszeit.  Dies  sei  hauptsächlich  deshalb  nochmals  betont,  weil  neuerdings  mehrfach 
für  längeres  Warten  auf  natürliche  Besamung  (bes.  im  Kiefernschirmschlag)  plaidiert  wird, 
indem  für  zeitweiliges  Fehlschlagen  der  Verjüngung  auf  den  Lichtungszuwachs  am  Oberstand 
als  einen  genügenden  Ersatz  hingewiesen  wird.  Ist  dieses  bewußte,  lange  Zuwarten  gleichbedeu- 
tend mit  Verlängerung  der  Umtriebszeit  über  die  normale  Dauer  hinaus  —  ob  die  Umtriebszeit 
an  sich  lioch  oder  niedrig  bemessen  ist,  kommt  dabei  nicht  in  Betracht — .  so  ist  es  allgemein  zu 
verwerfen;  denn  ebensowenig,  wie  derWald  derUmtriebszeitwegendaist,  dürfen  Ordnung,  Ueber- 
sichtlichkeit  und  höchste  Rentabilität,  welch  letztere  mehr  oder  weniger  immer  nur  bei  einer 
bestimmten  Höhe  der  Umtriebszeit  erreicht  wird,  der  natürlichen  \'erjüngung  zuliebe  geopfert 
werden.  Wo  diese  gar  nur  zweifelhaften  Erfolg  verspricht,  darf  nicht  bloß  die  künstliche  Ver- 
jüngung unter  Schirmstand,  sondern  auch  der  Kahlschlag  in  vielen  Fällen  die  Konkurrenz  ganz 


Die  Bestandesbegründuug      §  SU.  ß5 

beruhigt  aufnehmen.  Die  Losung:  „Fort  mit  jedem  Kahlschlag!"  ist  jedenfalls  als  eine  ein- 
seitige Auffassung  waldbaulicher  und  gosamtwirlschaftliclier  Verhältnisse  anzusehen  und  be- 
ruht auf  weitgehender  Nichtbeachtung  umfangreicher  wirtschaftlicher  Erfolge,  wie  sie  tatsäch- 
lich mit  dem  Kahlschlage  erzielt  worden  sind  und  noch  erzielt  werden! 

C.  Historisches. 

§  36.  Im  Hochwaldbetriebe  hat  die  natürliche  Verjüngung  vielfach  der  künst- 
lichen Bestandesbegründung,  sowohl  der  Saat  als  der  Pflanzung,  weichen  müssen 
und  zwar  auch  in  Fällen,  in  welchen  natürliche  Verjüngung  recht  wohl  möglich  ist. 
Der  Grund  liegt  hauptsächlich  in  der  relativ  hohen  Sicherheit  vieler  Methoden  der 
künstlichen  Verjüngung,  sowie  in  dem  Umstände,  daß  man  bei  der  Kunstverjüngung 
den  Vorgang  der  Bestandesbegründung  unabhängig  von  dem  mehr  oder  minder  zu- 
fälligen Eintreffen  gewisser  Vorbedingungen  (wie  der  Mast  für  natürliche  Besamung, 
Vorhandensein  eines  wenigstens  annähernd  normalen  Altholzbestandes  usw.)  in  je- 
dem beUebigen  Zeitpunkte  einleiten  und  durchführen  kann.  Dadurch  wird  bis  zu 
einem  gewissen  Grade  größere  Regelmäßigkeit  und  Uebersichtlichkeit  in  dem  ganzen 
Verjüngungsbetriebe  gewährleistet  und  auch  den  Interessen  der  Forsteinrichtung  am 
besten  entsprochen.  Insbesondere  hat  die  Pflanzung  bedeutend  an  Ausdehnung  ge- 
wonnen. 

Selbstredend  ist  die  natürliche  Verjüngung  die  älteste  Methode  der  Bestandes- 
begründung. Bis  in  die  zweite  Hälfte  des  achtzehnten  Jahrhunderts  findet  man  außer 
in  den  Fällen  absoluter  Notwendigkeit  (Blösenanbau  etc.)  künstlichen  Holzanbau  nur 
wenig,  hatte  auch  nach  Lage  der  Umstände  (Bedeutung  der  Jagd,  niedrige  Holz- 
preise usw.)  keinen  Anlaß,  für  Kulturen  besondere  Aufwendungen  zu  machen.  Mit 
dem  Vordringen  des  schlagweisen,  zunächst  des  Femelschlag-  und  Schirmschlag-Be- 
triebes an  Stelle  des  reinen  Femelwaldes  kam  die  künstliche  Kultur,  wenn  auch 
vorerst  nur  als  Unterstützung  der  natürlichen  Verjüngung,  mehr  und  riiehr  in  Auf- 
nahme und  erlangte  endlich  im  Kahlschlagbetrieb  die  Herrschaft.  Hierbei  war  es 
namentlich  die  schon  angedeutete  taxatorische  Rücksicht,  d.  h.  die  Sehnsucht  nach 
größerer  Uebersicht  und  Ordnung  in  der  ganzen  Wirtschaft,  die  mehr  als  die  rein 
waldbaulichen  Erwägungen  der  Ausbreitung  des  Kahlschlagbetriebes  und  damit  dem 
Vordringen  der  künstlichen  Bestandsbegründung  Vorschub  leistete.  Ueberhaupt  hat 
die  Forsteinrichtung  nicht  selten  mehr,  als  ihr  zukam,  die  Führung  im  Wirtschafts- 
betriebe übernommen.  Hier  und  da  ist  man  in  der  Wertschätzung  der  künstlichen 
Bestandesbegründung  ganz  zweifellos  zu  weit  gegangen.  Man  ließ  sich  vielenorts 
mehr  und  mehr  zur  bedingungslosen  Verfolgung  dieser  einseitigen  Richtung  verleiten, 
so  daß  mancherlei  wirtschafthche  Mißstände  nicht  ausbleiben  konnten,  und  es  ist 
wohl  begreiflich,  wenn  man  in  den  letzten  Jahrzehnten  vielfach  um  so  entschiedener 
zur  natürlichen  Verjüngung  zurückgekehrt  ist.  Daß  wir  uns  in  der  Gegenwart  einer 
der  letzteren  günstigen  Strömung  gegenüber  befinden,  erhellt  schon  aus  der  neueren 
Waldbauhteratur,  aus  den  durch  manche  waldbauliche  Werke  (insbes.  G  a  y  e  r  s 
^^'aldbau,  Borggreves  Holzzucht,  Wagners  räumhche  Ordnung  u.  a.)  ange- 
regten Debatten,  sowie  aus  der  Behandlung  einschlägiger  Probleme  in  einer  großen 
Reihe  von  Forstversammlungen  der  letzten  Jahrzehnte^).  Selbstverständlich  wird 
dem  aufmerksamen  Beobachter  der  Umschwung  der  Anschauungen  auch  im  Walde 
vielenorts  sofort  erkennbar.     Man  hat  sich  aber  davor  zu  hüten,  daß  man  nicht  aus 


1)  Vergl.  Berieht  über  die  XUI.  Versammlung  deutscher  Forstmänner  zu  Frankfurt  a.  M. 
1884  (Verlag  von  Sauerländer  1885),  insbes.  S.  18  ff  Referat  von  L  o  re y  über  das  Thema:  ,,.A.uf 
■welchem  Standpunkt  befindet  sich  augenblicklich  die  Frage  der  natürlichen  \erjüngung?"  Da- 
selbst sind  u.  a.  auch  eine  .Anzahl  .\euI3erungen  aus  der  neuesten  Literatur,  sowie  aus  \"er- 
sammlungs-Verhandlungen  angeführt. 

Handb.  d.  Foistwias.     3.   Aufl.     II.  O 


ßg  VI.  Lorey,    Waldbau. 

einem  Extrem  ins  andere  fällt  und  soll  namentlich  auch  nicht  vergessen,  daß  die 
Verschiedenartigkeit  der  Wald-  und  Standortsverhältnisse  beide  Verjüngungsprin- 
zipien nebeneinander  zuläßt. 

,.  II.  Reihenfolge  der  Kulturen. 

§  37.  Passende  Verteilung  der  einzelnen  Kulturarbeiten  auf  die  einzelnen  Jahre 
und  die  in  ihnen  verfügbare  Zeit  ist  erforderlich.  Die  Kürze  der  Kulturzeit,  die  Be- 
schaffenheit des  Kulturmaterials  und  die  Rücksicht  auf  die  Arbeitskräfte  beschrän- 
ken den  Wirtschafter  oft  in  seinen  Dispositionen.  Bei  den  Anordnungen  über  die 
Reihenfolge  der  vorzunehmenden  Arbeiten  kommt  es  darauf  an,  diejenigen  zunächst 
zu  bedenken,  welche  entweder  an  einen  bestimmten  Zeitpunkt  gebunden  sind  oder 
sich  als  die  für  den  Gesamtwirtschaftsbetrieb  wichtigsten  erweisen.  Im  allgemeinen 
gilt  der  Grundsatz,  Nachbesserungen  sobald  als  möglich  vorzunehmen ,  da  sie 
später  meist  nur  mit  größeren  Kosten  und  oft  nur  mit  geringerer  Aussicht  auf  Er- 
folg ausgeführt  werden  können.  Dasselbe  gilt  von  der  Einsprengung  von  Misch- 
hölzern in  die  Schläge.  Im  übrigen  ist  denjenigen  Kulturflächen,  auf  welchen  Boden- 
verschlechterung zu  befürchten  ist,  die  nächste  Sorge  zuzuwenden,  während  außer- 
dem solche  Flächen  baldmöglich  mit  einem  vollkräftigen  Bestände  zu  versehen  sind, 
welche  den  größten  Zuwachs  versprechen,  deren  zeitweiliges  Liegenlassen  also  den 
größten  Verlust  mit  sich  bringen  würde.  Eine  den  örtlichen  Umständen  entsprechende 
Verteilung  der  Arbeiten  auf  Herbst  und  Frühjahr  ist  besonders  wichtig.  Man  beachte 
überdies,  daß  manche  Holzarten  (Lärche  u.  a.)  verpflanzt  sein  sollten,  bevor  sie  ihre 
Knospen  öffnen,  während  mit  anderen  (Fichte)  noch  ohne  besonderen  Nachteil  kul- 
tiviert werden  kann,  nachdem  sie  schon  kleine  Triebe  gebildet  haben  ^).  Im  allge- 
meinen stellt  man  im  Frühjahr  gern  die  Pflanzungen  den  Saaten  voran. 

Zweites  Kapitel. 
Natürliche  Bestandesbegründung. 

Vorbemerkung.  Die  allgemeinen  Gründe  für  und  gegen  natürliche  Verjüngung  sind  im 
ersten  Kapitel  dieses  .Abschnitts  zu  I,  B,  §  35  angegeben  worden.  Die  Vorfrage  lautet  immer: 
ist  die  Bestandesbegründung  auf  natürlichem  Wege  überhaupt  möglich  ?  Aus  der  Bejahung 
folgt  dann  aber  noch  keineswegs,  daß  sie  auch  rötlich  ist.  Die  Naturverjüngung  etwa  durch 
überlanges  Abwarten  erzwingen  zu  wollen,  ist  ein  ebenso  großer  Fehler,  wie  der  Verzicht  auf 
sie  in  Fällen,  wo  sie  uns  ohne  besondere  Kosten  einen  guten  Nachwuchs  oder  gar  Bestände  lie- 
fert, welche  den  auf  andere  Weise  begründeten  überlegen  sind. 

Ein  Haupterfordernis  für  das  Gelingen  der  natürlichen  ^'erjüngung  ist  neben  dem 
Vorhandensein  von  Samenbäumen,  Samenjahren  und  geeignetem  Bodenzustand  die 
Einleitung  der  Verjüngung  zur  richtigen  Zeit.  Eine  zu  frühe  Verjüngung 
ist  unzweckmäßig,  weil  die  Mutterbäume,  solange  sie  noch  nicht  im  ^'ollbesitz  der 
Mannbarkeit  sich  befinden,  schwach  und  unregelmäßig  fruktifizieren.  Wird  die 
^'erjüngung  erst  im  überhaubaren  Alter  eingeleitet,  so  bietet  teils  die  dann  im  Verein 
mit  räumlicherer  Stellung  der  Mutterbäume  meist  eingetretene  Bodenverwilderung  ein 
mechanisches  Hindernis  für  normale  \'erjüngung,  teils  erzeugen  die  Mutterbäume 
nicht  mehr  den  vollwertigen  Samen,  den  sie  im  Optimum  ihrer  Mannbarkeit  —  bei 
Eiche  undBuche  im  Alter  von  80 — 120  .Jahren,  bei  Fichte  und  Kiefer  zwischen  60 — 100 
Jahren  —  erzeugten.  Der  Samen  wird  im  höheren  Alter  vielmehr  kleiner  und  leich- 
ter. Jedoch  ist  das  Zurückgehen  der  Samengüte  in  allen  khmatisch  günstigen  Stand- 
ortsverhältnissen praktisch  ziemlich  bedeutungslos,  da  hier  auch  im  höheren  Alter 

1)  Vergl.  Dr.  W  a  1  t  h  c  r  ,    ,,Wann  sollen  wir  die  Nadelhölzer  verpflanzen?"    Allg.  F.-  u. 
J.-Z.  1887,  S.  112  ff. 


Die  Bestandesbegründung.     §  38.  67 

nocli  durchaus  brauchbarer  Samen  erzeugt  wiid.  Viel  wichtiger  für  den  Erfolg  der 
Verjüngung  ist  der  Bodenzustand,  und  dieser  verlangt,  weil  er  im  höheren  Alter  durch 
stärkere  Unkrautdecken  oder  Anhäufung  nur  langsam  sich  zersetzender  Streu- 
mengen schlechter  wird,  die  F^inleitung  der  Verjüngung  zur  richtigen  Zeit  d.  h.  im 
allg.  im  früheren,  nicht  zu  hohem  Alter  des  Bestandes. 

A.  Natürliche  Verjüngung  durch  Samen. 
I.  Kablscblag  mit  Randbesamung. 

§  38.  Die  Mutterbäume,  in  geeigneter  Zahl  und  Beschaffenheit,  insbesondere  also 
im  samenfähigen  Alter,  stehen  seitlich  an  der  Verjüngungsfläche.  Man  erwartet  das 
Ueberfliegen  der  Samen  auf  diese,  was  aber  nur  für  leichte,  besonders  für  beflügelte 
Samen  (Nadelhölzer,  Ahorn,  Esche,  Hainbuche),  mit  hinreichender  Sicherheit  zu 
unterstellen  ist.  Ueberdies  dürfen  jedesmal  nur  schmale,  1 — 2  Stammlängen  breite 
Absäumungen  am  Rande  des  Samenbestandes  (in  der  Windrichtung,  damit  der 
Samen  vom  Winde  der  Kahlfläche  zugetragen  wird ;  am  Hang  womöglich  von  oben 
nach  unten)  stattfinden.  Meist  gelingt  die  Ansamung  nicht  vollständig  und  gleich- 
mäßig; man  muß  entweder  längere  Zeit  warten  oder  —  und  das  ist  das  Richtigere  — 
die  Fehlstellen  mittels  künstlicher  Kultur  nachbessern.  Schwierigkeiten  entstehen 
durch  inzwischen  angesiedelte  Unkräuter,  Stockausschläge  usw.  Man  findet  diese 
Art  der  Verjüngung  hier  und  da  in  kleinem  Umfange  mit  Erfolg  durchgeführt,  wenn 
die  Erfahrung  ihre  Zulässigkeit  nachgewiesen  hat  oder  wenn  die  Umstände  den  Auf- 
wand für  künsthche  Kultur  nicht  gestatten,  während  man  doch  (etwa  aus  Rücksich- 
ten der  Holzbringung)  von  dem  Kahlhieb  nicht  absehen  möchte.  Größere  Bedeu- 
tung kommt  dieser  Art  der  ^'erjüngung  nicht  zu. 

Als  ein  Spezialfall  der  Randbesamung  sind  die  sog.  Kulissenhiebe  zu  betracliten, 
bei  welchen  zum  Zweck  der  Verjüngung  streifenweise  aliwechselnd  10 — 30  ni  breite  Kalilhiebe 
geführt  und  Bestandesteile  von  gleicher  oder  doppelter  Breite  dazwischen  stehen  gelassen  wer- 
den. Von  letzteren  ausgehend  soll  die  Besamung  der  Kahlstreifen  stattfinden.  Daß  dies,  wenn 
Samenjahre  und  günstige  Witterung  zu  rechter  Zeit  eintreten,  sowie  Unkrautwuchs,  Boden- 
verödung etc.  nicht  hinderlich  wird,  mit  Erfolg  geschehen  kann,  wird  durch  die  Erfahrung 
bestätigt.  Ebenso  sicher  ist  aber  auch,  daß  die  geschlossen  bleibenden  Bestandespartien,  welche 
mit  Rücksicht  auf  die  Bewegung  des  Samens  meist  mit  der  Breitseite  dem  Winde  entgegen- 
stehen, oft  der  Sturmgefahr  preisgegeben  und  überdies  in  sich  zunächst  nicht  mit  den  Bedin- 
gungen einer  guten  Naturbesamung  ausgestattet  sind.  Selbst  wenn  man,  um  gleichzeitig  mit  der 
von  ihnen  ausgehenden  Randbesamung  für  sie  selbst  zu  sorgen,  einen  normalen  Samenschlag 
auf  ihnen  stellt,  ist  das  Resultat  ungewiß.  Erfahrungsgemäß  verhagert  und  verunkrautet  der 
Boden  unter  dem  Einfluß  von  Wind  und  Sonne  an  den  Rändern  der  bestandenen  Streifen. 
Kommt  nun  hinzu,  daß  tatsächlich  die  Kulturerfolge  mittelst  der  Kulissenhiebe  auch  bezüglich 
der  Kahlstreifen  vielfach  nicht  befriedigen  (Mangelliaftigkeit  insbes.  an  den  Rändern,  Holz- 
abfuhr, Insekten  usw.),  so  bleibt  ein  Grund  so  zu  verfahren,  kaum  übrig;  man  geht  viel- 
mehr besser  entweder  vollständig  zur  Freikultur  oder  zur  Samenschlagstellung  für  die  ganze 
Fläche  über. 

Mit  anderen  hat  namentlich  Borggreve  —  Holzzucht,  2.  Aufl.  S.  186  ff.  —  auf  Grund 
der  Beobachtung,  daß  eine  Zeit  lang  in  den  norddeutschen  Kieferebenen  dem  Kulissenhieb 
in  der  Praxis  der  Kiefernverjüngung  mehrfach  in  größerem  Umfang  Raum  gewährt  wurde, 
sehr  energisch  gegen  ihn  Front  gemacht.  —  Zu  vergleichen  übrigens  Danckelmanns  Bemerkun- 
gen hierzu.  Zeitschr.  f.  F.-  u.  Jagdwesen,  S.  66  ff.  von  1887.  — 

Der  Kampf  gegen  die  Kulissenschläge  wird  nicht  sowohl  in  erster  Linie  gegen  die  vor- 
stehend geschilderten  Hiebsführungen  unternommen,  bei  welchen  ausschließlich  oder  doch  ganz 
vorwiegend  durch  Randbesamung  die  Wiederbestockung  erwartet  wird,  sondern  allgemein 
gegen  das  Prinzip  derartiger  Wechselstellung  von  Kahlfläche  und  Bestandesstreifen,  also  insbes. 
auch  dann,  wenn,  wie  in  der  .Mehrzahl  der  Fälle,  künstliche  Kultur,  z.  B.  Pflanzung  mit 
1jährigen  Kiefern  auf  vielen  preußischen  Kulissenschlägen  (Regierungsbezirk  Bromberg),  als- 
bald erfolgt.  Von  anderer  Seite  werden  die  Kulissenschläge  in  Schutz  genonunen,  wenigstens 
für  bestimmte  \erhältnisse  (cfr.  H  o  1 1  w  e  g  in  der  Zeitschrift  für  Forst-  und  Jagdwesen  1901, 
S.  323  ff.).  Wenn  nun  auch  die  Kulissenverjüngung  durch  künstliche  Kultur  eigentlich  an 
anderer  Stelle  besprochen  werden  sollte,  so  möge  doch  die  ganze  Kulissenfrage  hier  ihre  Er- 

5* 


68  VI.  L  0  r  e  y  ,    Waldbau. 

ledigung  finden.  Es  handelt  sich  zumeist  um  Kulissen  im  Kiefernwald  der  norddeutschen 
Ebene,  auf  ärmeren  Sandböden,  oft  bei  sehr  geringen  atmosphärischen  Niederschlägen,  bei 
großer  Ausdehnung  der  zu  verjüngenden  Flächen,  woselbst  mit  großen,  weithin  sich  erstrecken- 
den Kahlschlägen  oft  schlechte  Erfolge  erzielt  worden  sind  Hier  hat  man  (zumal  in  1883  bis 
1897)  vielfach,  nach  sorgfältig  erwogenem  Plane,  40 — 70  m  breite  Kulissenhiebe  geführt  und 
die  Flächen  bepflanzt,  da  auf  durchgehends  natürliche  Verjüngung  der  Schläge  nicht  zurück- 
gegriffen werden  sollte.  Einige  Wuchsbehinderung  durch  Beschattung  und  Rückstrahlung 
an  den  Rändern  sei  zwar  erfolgt;  Randlichtung  mindert  diese  Schädigung.  Schütte,  Insekten- 
schäden, Windwurf  seien  nicht  gesteigert,  auch  Fällungsschwierigkeiten  ergeben  sich  nicht; 
vielfach  seien  einwandfreie  Jungwüchse  entstanden. 

Aus  diesen  Andeutungen  ergeben  sich  ganz  klar  die  einzelnen  Einwendungen,  welche 
(zum  Teil  auch  oben  schon)  gegen  die  Kulissenhiebe  erhoben  werden.  Als  allgemein  anzu- 
wendende Form  der  Verjüngung  kann  man  sie  um  so  weniger  empfehlen,  da  man  mit  Schmal- 
sclüägen,  über  welche  später  (unter  der  Rubrik  ,, Kahlschlagbetrieb")  zu  sprechen  ist,  in  voll- 
kommen wirksamer  Weise  den  Nachteilen  großer  Kahlhiebe  vorbeugen  kann. 

IL  Die   Mutterbäume  stehen  auf  der  Verjüngungsfläche. 

§  39.  1.  Allgemeines.  Die  Mutterbäume  dienen  nicht  nur  der  Begründung 
des  neuen  Bestandes  durch  ihren  Samenabfall,  sondern  beschirmen  auch  den  Jung- 
wuchs. Wesentlich  von  dem  Einfluß  dieser  Ueberschirmung  hängt  es  ab,  ob  man 
die  Eigenschaft  der  Altholzstämme,  Samen  auszustreuen,  mit  mehr  oder  weniger 
Erfolg  bei  der  Begründung  des  neuen  Bestandes  benutzen  kann.  Der  Einfluß 
der  Ueberschirmung  i)  macht  sich  teils  im  und  am  Boden,  an  dessen  Feuchtigkeits- 
und Wärmeverhältnissen  und  an  dessen  äußerem  Zustand  bemerkbar,  teils  trifft  er 
die  den  Boden  bekleidenden  Pflanzen,  in  Sonderheit  also  auch  die  Holzpflanzen, 
deren  Nachzucht  wir  beabsichtigen.  Ueberdies  wird  auch  das  Tierleben  auf  der  Kul- 
turfläche durch  das  Vorhandensein  eines  Kronenschirms  von  Mutterbäumen  berührt. 

1.  Der  Boden.  Im  großen  und  ganzen  ist  der  Einfluß  der  Ueberschirmung  gün- 
stig, es  sei  denn  in  sehr  nassen  Lagen,  deren  Wasserüberschuß  beseitigt  werden  muß. 
In  Betracht  kommen  hauptsächlich  die  Wirkungen  der  Sonne,  der  atmosphärischen 
Niederschläge,  der  Winde,  und  zwar  sämtlich  in  bezug  auf  Bodenwärme  und  Boden- 
feuchtigkeit und  damit  im  Zusammenhang  auf  Humuszersetzung  usw.  Der  Kronen- 
schirm der  Mutterbäume  hält  die  Sonnenstrahlen  vom  Boden  ab  und  schützt  ihn 
vor  intensiver  Erwärmung  und  Austrocknung.  Weiterhin  wird  durch  die  Baum- 
kronen ein  Teil  der  atmosphärischen  Niederschläge  vom  Boden  ferngehalten.  Der 
Zutritt  des  Windes  zum  Boden  wird  gehemmt,  sodaß  diesem  die  Feuchtigkeit 
besser  bewahrt  bleibt. 

2.  Die  jungen  Holzpflanzen.  Zu  Sonne,  Niederschlag  und  Wind 
gesellen  sich  als  wirkende  Faktoren  die  Wärmeausstrahlung  gegen  den  Luftraum, 
der  Anspruch  des  Oberstandes  an  das  Nährstoffkapitel  des  Standorts,  die  Unkräuter 
und  die  Tiere,  a)  Die  Sonne  wirkt  durch  Licht  und  Wärme.  Wie  sich  diese 
beiden  in  die  Gesamtleistung  teilen,  ist  noch  nicht  genügend  aufgeklärt.  Jedenfalls 
kommt  aber  in  physiologischer  Beziehung  dem  Licht  ein  ganz  hervorragender  An- 
teil an  der  Sonnenarbeit  zu.  Im  Licht,  wenn  auch  nicht  im  direkten  Sonnenlichte, 
sondern  vielmehr  im  zerstreuten  (diffusen)  Lichte,  wachsen  unsere  Holzpflanzen 
sämtlich  besser  als  im  Schatten  oder  Halbschatten,  vorausgesetzt,  daß  alles  zu  ihrer 
freudigen  Entwickelung  Nötige  vorhanden  ist.  Namentlich  muß  der  Boden  hinrei- 
chend frisch  sein,  damit  den  im  höheren  Licht-  und  Wärmegenuß  stärker  verdunsten- 
den Holzpflanzen  die  nötige  Feuchtigkeit  nicht  fehlt,  um  die  austrocknende  Wirkung 

1)  Zu  vergl.  Borggreve,  „Holzzucht",  2.  Aufl.  S.  118  ff.  Daselbst  findet  sich  eine  sehr 
vollständige  Andeutung  der  Einzelmomente,  welche  zur  ,, Gesamtwirkung  der  Beschirmung" 
zusammentreten.  Der  Vielgestaltigkeit  der  Kombinationen  gegenüber  ist  eine  allseits  erschöpfende 
Behandlung  kaum  denkbar.  Immerhin  lassen  sich  gewisse,  stets  wiederkehrende  und  allgemein 
festzuhaltende  Gesiclitspunkte  unschwer  gewinnen. 


Die  Bestandesbegründung.     §  39.  gg 

der  Sonnenwärme  auszugleichen.  Je  liclitbedürftiger  eine  Holzart  ist,  um  so  weniger 
lange  verträgt  sie,  wie  schon  im  allg.  Teil  S.  17  näher  ausgeführt  ist,  Ueberschirmung. 
b)  Wenn  die  atmosphärischen  Niederschläge  den  Ilolzpflanzen  durch  den 
Kronenschirm  zum  Teil  entzogen  werden,  so  ist  diese  Wirkung  nicht  unter  allen 
Umständen  eine  nachteilige,  sie  kann  vielmehr  in  längeren  Regenzeiten  oder  auf 
kalten,  undurchlassenden  Tonböden  als  eine  günstige  angesehen  werden.  Immer- 
hin aber  muß  in  sehr  vielen  Fällen,  in  welchen  die  Rätlichkeit  einer  natürlichen  Ver- 
jüngung bezweifelt  wird,  wie  z.  B.  für  die  Kiefer  auf  Sandboden,  die  Zurückhaltung 
der  atmosphärischen  Niederscliläge  durch  die  Baumkronen  zu  den  bedenklichen  Um- 
ständen der  Ueberschirmung  gerechnet  werden.  Entscheidend  ist  der  Wasserbedarf 
der  nachzuziehenden  Holzart  und  hier  wieder  die  Frage,  ob  in  den  kritischen  Zeiten 
längerer  Trockenheit  überhaupt  nur  durch  einen  Schirmstand  oder  in  welchem 
Maße  etwa  durch  einen  solchen  b  e  s  s  e  r  für  die  Erhaltung  der  nötigen  Feuchtigkeit 
gesorgt  wird.  Daß  im  allgemeinen  unter  einem  noch  nicht  sehr  stark  gelichteten  Kro- 
nenschirm der  Mutterbäume  mehr  Feuchtigkeit  verfügbar  und  damit  die  Gefahr 
durch  Trockenheit  geringer  ist,  darf  als  erfahrungsmäßig  feststehend  betrachtet  wer- 
den, c)  Der  Wind  wirkt  austrocknend  auf  den  Boden  und  wird,  wie  schon  oben 
erwähnt,  durch  eine  teilweise  Ueberschirmung  am  Geltendmachen  dieser  unerwünsch- 
ten Wirkung  gehindert.  Ebenso  schützt  Ueberschirmung  auch  vor  dem  nament- 
lich im  Laubholz  bemerkbar  werdenden  Verwehen  des  Laubes,  d)  Die  Wärm  e- 
ausstrahlung  kommt  einmal  in  Betracht  wegen  der  Spätfröste  (klarer  Himmel, 
ruhige  Luft),  sodann  wegen  der  Taubildung.  Die  Wirkung  des  Kronenschirms  ist 
ersteren  gegenüber  unzweifelhaft  günstig,  wogegen  die  Beeinträchtigung  der  Tau- 
bildung nachteilig  ist.  Für  viele  Fälle  bedeutet  die  Verminderung  der  Wärmeaus- 
strahlung durch  den  Schirm  der  Mutterbäume  und  die  damit  zusammenhängende 
Zurückhaltung  von  Spätfrostschäden  ein  außerordentlich  wichtiges  Moment.  Eine  der 
übelsten  Jugendkrankheiten  der  Kahlschlagkulturen,  die  den  Wirtschafter  hin  und 
wieder,  beim  Anbau  der  sog.  Frostlöcher,  zur  Verzweiflung  bringen  kann,  wird  durch 
die  Verjüngung  unter  Schirm  gemindert,  wenn  nicht  ganz  aufgehoben,  e)  Die  Be- 
teiligung der  Mutterbäume  und  andererseits  der  Forstunkräuter  am  Nährstoff- 
kapital des  Bodens  (Wurzelkonkurrenz)  muß,  sobald  eine  gewisse  Grenze 
überschritten  wird,  den  jungen  Holzpflanzen  nachteilig  werden.  Geht  man  davon 
aus,  daß  der  noch  geschlossene  Altbestand  alles,  was  an  Nährstoffen  verfügbar  ist, 
für  sich  ausnutzt,  so  gestattet  erst  eine  Durchlichtung  desselben  die  Entwickelung 
eines  Jungwuchses.  Für  dessen  Entstehung  und  Ernährung  genügt  zunächst  eine 
sehr  mäßige  Schlußunterbrechung.  Unterbleibt  dann  aber  eine  weitere  Auflocke- 
rung des  Schirmbestandes,  so  geht  der  Jungwuchs  wieder  ein,  er  vermag  sich 
im  Existenzkampf  mit  den  Wurzeln  der  Schirmbäume  um  so  weniger  zu  behaupten, 
als  letztere  auch  durch  Kronenverdichtung  und  Kronenausbreitung  dem  Jung- 
wuchs den  notwendigen  Lichtgenuß  verkürzen.  Neben  der  Wurzelkonkurrenz  der 
Mutterbäume  kommt  für  den  Jungwuchs  weiterhin  die  Konkurrenz  der  Forstun- 
kräuter in  Betracht,  die  bei  jeder  stärkeren  Lichtung,  auf  gutem  wie  auf  schlechtem 
Boden,  leicht  bedenklich  werden  können.  Durch  Beschirmung  lassen  sich  viele  von 
ihnen,  in  erster  Linie  alle  lichtbedürftigeren,  bekämpfen.  Die  schädigende  Wirkung 
der  Unkräuter  beruht  außer  auf  Inanspruchnahme  der  Nährstoffe  und  insbesondere 
der  Feuchtigkeit  des  Bodens,  auch  auf  Beschattung  (Verdammung)  der  Holzpflanzen. 
In  welchem  Maße  das  eine  oder  das  andere  der  Fall  ist,  läßt  sich  überhaupt  nicht 
und  am  wenigsten  allgemein  angeben.  Je  nach  der  Art  und  Menge  kann  das  Unkraut 
auch  nützlich  wirken,  insofern  es  die  Holzpflanzen  vor  Frost,  Austrocknung  etc. 


70  VI.  L  orey  ,    Waldbau. 

schützt,  f)  Bezüglich  schädhcher  Tiere  ist  an  die  durch  Ueberschirmung  geminderte 
(event.  verhütete)  Gefahr  durch  Mäuse,  Engerhng,  Rüsselkäfer  zu  erinnern.  Boden- 
frische unter  dem  Schirm  von  Mutterbäumen  fördert,  wenn  die  nötige  Wäiine  nicht 
fehlt,  die  regelmäßige  Streuzersetzung,  die  höchst  wirksame  Arbeit  der  Regenwür- 
mer usw. 

Aus  den  vorstehenden  Andeutungen  geht  hervor,  daß  der  Kronenschirm  der 
Mutterbäume  im  großen  und  ganzen  bezw.  in  den  weitaus  meisten  Fällen  der  Ent- 
wickelung  des  Jungwuchses  förderlich  ist.  Leitet  man  hieraus  ab,  daß  die  natürliche 
Verjüngung  die  Regel  zu  bilden  habe,  so  ist  das  waldbaulich  richtig,  schließt  aber  nicht 
aus,  daß  in  zahlreichen  Fällen  die  Verjüngung  unter  Schirm  nicht  so  viel  leistet  wie 
die  Verjüngung  auf  freier  Fläche,  wo  vermehrte  Niederschläge,  Taubildung,  Licht 
und  Wärme  im  speziellen  Falle  günstig  wirken.  Man  hat  also  zu  erwägen,  welche 
Momente  jeweils  in  dem  allein  entscheidenden  Gesamteffekt  der  Beschirmung,  in  dem 
die  vielgestaltigsten  Einzelwirkungen  vereinigt  sind,  nach  Lage  der  Umstände  vor- 
aussichtlich die  wichtigsten  sein  und  einen  vorwiegenden  Einfluß  äußern  werden. 

Die  ganze  Frage  ist,  wie  S.  63  schon  angedeutet  wurde,  überhaupt  nur  hinsicht- 
lich eines  Teils  unserer  Holzarten  eine  kritische,  sofern  bei  Tanne  und  Buche  kaum 
jemand  ohne  Not  von  der  natürlichen  Verjüngung  Abstand  nehmen  wird,  während 
man  manche  andere  Holzarten,  zumal  so  entschieden  lichtbedürftige  wie  die  Lärche, 
meist  durch  Pflanzung  an  die  Orte  bringen  wird,  wo  man  ihrer  bedarf.  Auch  die 
Eichen,  Esche,  Ahorne  sind  keine  für  die  allgemeine  Entscheidung  —  pro  oder  contra 
natürliche  Verjüngung  —  maßgebenden  Holzarten,  schon  wegen  des  im  ganzen  nicht 
großen  Gebietes,  in  welchem  sie  wirklich  in  der  Wirtschaft  führende  Holzarten  sind. 
Dagegen  ist  bei  der  Fichte  die  Frage  zweifelhaft.  Bei  dieser  Holzart  hat  man  viel- 
fach die  Möghchkeit  der  natürhchen  Verjüngung,  und,  wo  man  von  ihr  abgeht,  könnte 
die  Angabe  der  Gründe  dafür  gefordert  werden.  Die  weitaus  erheblichsten  Beden- 
ken aber  gegenüber  der  auf  natürliche  Verjüngung  gerichteten  Forderung  treten  uns 
bei  der  Kiefer  entgegen,  deren  Jungwüchse  im  allgemeinen  keines  besonderen  Schutzes 
gegen  Frost  und  Hitze  bedürfen  und  sich  im  vollen  Lichtgenuß  unzweifelhaft  freu- 
diger entwickeln  als  unter  einem  nur  einigermaßen  dichten  Kronenschirm.  —  Alles 
Nähere  über  die  einzelnen  Holzarten  im  4.  Kapitel  dieses  Abschnittes. 

Die  natürliche  Verjüngung  durch  einen  auf  der  Fläche  stehenden  Mutterbestand 
scheidet  sich  in  die  vier  charakteristischen  Formen  des  Schirmschlagbetriebes  i), 
Femelschlagbetriebes,  Saumschlagbetriebes  und  Femelbetriebes. 

Die  Charakteristik  dieser  vier  Betriebsarten  findet  sich  im  II.  Abschnitte.  Es  sei 
hier  nochmals  kurz  hervorgehoben,  daß  der  S  c  h  i  r  m  s  c  h  1  a  g  b  e  t  r  i  e  b  die  Ver- 
jüngung auf  größerer  Fläche  gleichzeitig  und  gleichmäßig  in  Angriff  nimmt  und  wo- 
möglich (grundsätzlich  wenigstens)  mit  Hilfe  einer  einzigen  Mast  durchführt,  so 
daß  ein  gleichalter  und  gleichartiger  Jungbestand  ersteht.  Der  Femelschlag- 
betrieb  schafft  zunächst  über  die  zu  verjüngende  Fläche  hin  zerstreute  Ver- 
jüngungszentren, verjüngt  diese  durch  noch  nicht  angegriffene  Teile  des  Altbestan- 
des getrennten  Partien  zuerst  und  schreitet  von  ihnen  aus  allmählich  unter  Benutzung 
einer  Reihe  aufeinanderfolgender  Samenjahre  vor,  indem  er  die  Verjüngungszentren 
ringsum  erweitert,  stets  neue  Angriffspunkte  einschaltet  und  so  nach  und  nach  den 
ganzen  Bestand  aufrollt.  Der  Benutzung  verschiedener  Masten  entsprechend  ist 
der  Jungbestand  aus  ungleichaltrigen  Gruppen  und  Horsten  zusammengesetzt,  die, 
dem  Verjüngungsgange  gemäß,  nicht  mit  steilen  Rändern  aneinanderstoßen,  sondern 
gewissermaßen  ineinander  überfheßen  sollen.    Der  Sa  um  seh  lagbetrieb  stellt 

1)  Femelschlagbetrieb  H  e  y  e  r  s;  ctr.  S.  41. 


Die  BestandesbegrQndung.     §  40.  71 

einen  streifenweise  vom  Hände  aus  nach  dena  Bcstandsinnern  vorrückenden  Schinn- 
schlag- bezw.  Plenterschlagbetrieb  dar.  Im  F  e  m  e  1  w  a  1  d  e  endlich  stehen  alle 
Altersklassen  auf  der  Flacheneinheit  untereinander,  die  Verjüngung  knüpft  sich  je- 
weils an  den  Aushieb  einzelner  Stämme  bezw.  Gruppen  von  solchen.  Bis  alle  Teile 
des  Bestandes  durch  neue  ersetzt  sind,  vergeht  die  ganze  Umtriebszeit.  Alle  Samen- 
jahre während  derselben  tragen  durch  Lieferung  von  Jungwüchsen  zur  Bildung  des 
neuen  Bestandes  bei;  dieser  enthält  somit  wiederum  alle  Altersklassen. 

§  40.  2.  Die  Verjüngung  im  S  c  h  i  r  m  s  c  h  1  a  g  b  e  t  r  i  e  b.  Bei 
schulgerechter  Ausführung  des  Schirmschlagbetriebes  unterscheidet  man  das  V  o  r- 
b  e  r  e  i  t  u  n  g  s-,  das  S  a  m  e  n  s  c  h  1  a  g-  und  das  L  i  c  h  t  u  n  g  s  s  t  a  d  i  u  m.  Das 
Vorbereitungsstadium  beginnt  in  dem  Moment,  wo  in  dem  bis  dahin  mehr  oder  weni- 
ger regelmäßig  durchforsteten  Vollbestande  zum  Zwecke  der  Herstellung  günstiger 
Verjüngungsverhältnisse  eine  stärkere  Kronendurchlichtung  erfolgt.  Die  hierzu  not- 
wendigen Eingriffe  in  den  Bestand  heißen  Vorbereitungsschläge,  Vorbereitungshiebe, 
Vorhiebe  oder  Vorlichtungen;  sie  können  in  der  Ein-  oder  Mehrzahl  erfolgen.  Als 
Samen-  oder  Besamungsschlag  bezeichnet  man  den  unmittelbar  zum  Zwecke  der 
Besamung  im  Samenjahre  stattfindenden  Eingriff  in  die  Bestandsmasse.  Das  Lich- 
tungsstadium endlich  umfaßt  die  nach  eingetretener  Besamung  auf  schnellere  oder 
langsamere  Entfernung  der  Mutterbäume  gerichteten  Licht-,  Auslichtungs-  oder 
Nachlichtungshiebe,  deren  letzter,  der  Räumungsschlag,  die  letzten  Mutterbäume 
entnimmt  und  den  verjüngten  Bestand  allein  zurückläßt.  Bei  der  Schirmschlag- 
verjüngung geht  man  von  einem  bestimmten  Jahre  aus,  in  welchem  man  die  Ver- 
jüngung wünscht  1).  Die  zum  Zweck  der  Verjüngung  auszuführenden  Maßnahmen 
umfassen  eine  Reihe  von  vor  und  nach  diesem  Zeitpunkt  liegenden  Jahren,  welche 
man  in  ihrer  Gesamtheit  den  ,,Verj  üngungszeitraum"  nennt.  Der  erste 
Eingriff  in  den  Bestand,  welcher  unmittelbar  dazu  bestimmt  ist,  die  Verjüngung  ein- 
zuleiten, bezeichnet  den  Anfangs-,  der  Hieb  des  letzten  Mutterbaumes  den  Endpunkt 
jenes  Zeitraums.  Die  Fällungen  während  desselben  erstrecken  sich  auf  haubares 
Holz.  Der  Verjüngungszeitraum  ist  je  nach  den  örtlichen  Bedingungen  bald  länger 
bald  kürzer.  Seine  Dauer  wird  teils  durch  die  Häufigkeit  der  Mastjahre  (Frucht- 
barkeitszeitraum), namentlich  aber  durch  die  Länge  der  Zeit,  während  welcher 
der  Jungwuchs  des  Schutzes  der  Mutterbäume  bedarf,  bestimmt;  er  kann  sich 
so  lang  erstrecken ,  als  der  Nachwuchs  die  Ueberschirmung  durch  die  Mutter- 
bäume, ohne  Not  zu  leiden,  noch  verträgt.  Eine  Ausdehnung  des  Ueberhaltens 
von  ]Mutterbäumen  über  das  den  besten  Verlauf  des  Verjüngungsprozesses  garan- 
tierende Maß  hinaus  findet  ihre  Begründung,  wo  sie  beliebt  wird,  außerhalb  des 
Gebietes  des  Waldbaues  (z.  B.  längerer  Bezug  eines  Lichtungszuwachses  an  den 
Mutterbäumen,  Verteilung  der  Fällungen,  Ausstattung  der  Perioden  etc.).  Diejenige 
Holzart,  bei  welcher  sicli  der  scharf  ausgeprägte  Schirmschlagbetrieb  —  in  Bayern 
neuerdings  vielfach  ,, Dunkelschlagbetrieb"  genannt  —  am  häufigsten  findet,  ist  die 
Rotbuche. 

a)  Vorher  eitungssta  diu  m.  Der  Uebergang  aus  den  Durchforstungen 
in  den  Vorbereitungshieb,  bezw.  in  die  Vorbereitungshiebe  —  denn  sehr  oft,  ja  meist 
werden  die  bezüglichen  Fällungen  nicht  auf  einmal  vorgenommen  —  kann  ein  all- 


1)  Daß  diese  talsächlich  nicht  immer  gerade  in  diesem  einen  Jahre,  sondern  bald  etwas 
früher,  bald  etwas  später  erfolgt,  und  daß  man  nicht  auf  das  Einzeljalir,  sondern  auf  einen  durch 
örtliche  Erfahrung  bekannten,  bald  längeren  bald  kürzeren  Zeitraum,  innerhalb  dessen  man 
durchschnittlich  eine  genügende  Mast  erwarten  darf,  alle  auf  die  Verjüngung  abzielenden  Ope- 
rationen einrichtet,  bedarf  kaum  der  Erwähnung.  Für  die  Darstellung  des  normalen  ^"erlaufs  darf 
man  aber  anstandslos  alles  auf  das  normale  Besamungsjahr  beziehen. 


72  VI    Lorey  ,    Waldbau. 

mählicher  sein.  Manchmal  wird  er  durch  stärkere  Durchforstungen  bezw.  Lichtungs- 
hiebe so  vermittelt,  daß  eine  Grenze  zwischen  den  Maßnahmen  der  Bestandspflege 
und  den  auf  Verjüngung  abzielenden  Eingriffen  gar  niclit  zu  finden  ist.  Wo  man 
bei  der  Bestandspflege  die  in  der  Gegenwart  mehr  und  mehr  vertretenen  Grundsätze 
der  schärferen  Durchforstung  beobachtet,  entfällt  die  Notwendigkeit  besonderer 
Vorbereitungshiebe.  Die  Besamung  vollzieht  sich  in  solchen  Beständen,  wie  man 
zu  sagen  pflegt,  ,,aus  vollem  Orte".  Ueberhaupt  ist  die  Vorbereitung  keineswegs 
immer  notwendig.  Holzarten,  die  sich  im  späteren  Alter  sowie  so  licht  stellen,  ma- 
chen Vorbereitungshiebe  meist  entbehrlich.  Der  Zweck  des  Vorbereitungshiebs  ist, 
die  für  die  Besamung  besten  Bedingungen  herzustellen  und  zwar  sowohl  auf  dem 
Boden  wie  im  Bestand.  Der  letztere  soll  so  beschaffen  sein,  daß  er  im  Moment 
der  Besamung  nicht  nur  das  erforderliche  Material  an  Mutterbäumen,  sondern 
auch  eine  solclie  Anzahl  von  Stammindividuen  enthält,  wie  sie  für  den  dem  Boden 
und  demnächst  dem  jungen  Aufschlag  zu  gewährenden  Schutz  nötig  ist.  Die  auf 
Herbeiführung  dieses  Bestandeszustandes  gerichteten  Fällungen  abzuschließen,  ist 
später  die  Aufgabe  des  Besamungsschlages.  Die  Vorhiebe  bereiten  dort,  wo  die 
vorhergehenden  Bestandspflegemaßregeln  nicht  hinreichend  genug  waren,  den  Be- 
samungsschlag vor,  indem  sie  durch  allmähhche  Durchlichtung  des  Kronenschlus- 
ses teils  eine  stärkere  Kronenentwickelung ,  teils  erliöhten  Zuwachs,  reichliches 
Fruchttragen,  sowie  größere  Standfähigkeit  der  stehenbleibenden  Stämme  zu  be- 
wirken suchen.  Hierbei  ergreift  der  Hieb,  ohne  größere  Löcher  zu  schaffen,  zu- 
erst solche  Holzarten,  welche  zur  Besamung  nichts  beitragen  sollen,  z.  B.  Hain- 
buchen in  Mischbeständen  mit  der  Rotbuche,  wenn  man  demnächst  keine  oder  nur 
wenige  Hainbuchen  im  Jungwuchse  wünscht.  Außerdem  werden  schon  beim  Vor- 
bereitungshieb fehlerhafte  Stämme,  wie  tief  gegabelte,  drehwüchsige,  ferner,  so- 
weit tunlich,  überalte,  schwere  Stämme  entfernt,  welche  für  eine  gleichmäßige 
Schlagstellung  stets  hinderlich  sind  und  überdies,  wenn  ihr  Aushieb  erst  stattfindet, 
nachdem  die  Besamung  bereits  erfolgt  ist,  durch  ihren  Fall,  durch  das  Aufarbeiten 
und  Anrücken  oft  schwere  Beschädigungen  der  Jungwüchse  herbeiführen.  Die  Be- 
samung hat  in  der  Hauptsache  von  den  Stämmen  der  kraftvollen,  normalen,  mittleren 
Klassen  auszugehen.  Schwaches,  besonders  unter-  und  zwischenständiges  Material 
ist,  soweit  es  nicht  etwa  durch  zu  dichten  Stand  die  Besamung  beeinträchtigt,  zu  er- 
halten, weil  es  meist  zur  Schaffung  eines  Schirmdaches  trefflich  geeignet  ist  und  auch 
später  noch,  ohne  besondere  Gefährdung  des  Aufschlags  durch  die  Fällung,  leicht 
ausgezogen  werden  kann.  Auch  im  Sinne  gleichmäßiger  Verteilung  der  Fällungen, 
der  Etatserfüllung,  wenn  die  Mast  fehlschlägt  usw.,  sind  die  Vorbereitungshiebe 
äußerst  schätzenswert,  indem  sie  dann  vielleicht  weiter  ausgedehnt  werden  können 
und  durch  ihren  Holzanfall  zur  Ertragsausgleichung  dienen.  Sie  sichern  in  solchen 
Fällen  eine  gewisse  Beweglichkeit  der  Wirtschaft. 

Gleichzeitig  soll  durch  die  Vorhiebe,  wie  oben  schon  angedeutet  wurde,  eine 
Wirkung  auf  den  Boden  ausgeübt  werden,  da  sich  eine  Unterbrechung  des  Kronen- 
schlusses stets  durch  Veränderungen  im  Zustand  der  Bodenoberfläche  (raschere  Zer- 
setzung der  Streuschicht,  Begrünung)  kennzeichnet.  Hierin  hegt  sogar  der  Haupt- 
zweck der  Vorbereitung.  Der  Boden  soll  für  die  Ansamung  empfänglich  gemacht, 
d.  h.  in  eine  solche  Beschaffenheit  versetzt  werden,  daß  die  Samen  keimen  und  die 
Keimlinge  anwachsen  können.  Eine  genügende  Bodengare,  d.  h.  eine  entsprechend 
weit  vorgeschrittene  Zersetzung  der  Streudecke,  die  Beseitigung  etwa  vorhandener 
Rohhumusmassen  ist  erforderlich,  wenn  die  Mast  gut  anschlagen  soll.  \\'ieweit  die 
Kronenschlußunterbrechung  speziell  zur  Herbeiführung  jenes  Bodenzustands  gehen 


Die  Bestandesbegründung.     §  40.  73 

muß,  ist  nacli  Lage  des  Falles  (Arl  der  Streudecke,  Bodenschicht,  Feuchtigkeit  etc.) 
verschieden.  Im  ganzen  sind  langsame  Vorbereitungshiebe  zum  Zweck  der  Bodenvorbe- 
reitung plötzlichen,  stärkeren  Eingriffen  vorzuziehen.  Auf  sog.  tätigen  Böden,  auf 
denen  infolge  eines  hinreichenden  Kalkgehaltes  und  infolge  Vorhandenseins  der  son- 
stigen Zersetzungsfaktoren  die  Anhäufung  unzersetzter  Streumassen  überhaupt  nicht 
vorkommt,  entfällt  die  Notwendigkeit  der  Bodenvorbereitung  sehr  oft.  Wohl  aber 
ist  eine  solche  A'orbereitung  dort  notwendig,  wo  sich  infolge  Trägheit  des  Bodens, 
d.  h.  infolge  von  Kalkarmut,  oder  kühler  Lage  (Nordlage),  dichten  Schlusses,  zu 
großen  \A'asserreichtums,  kurz,  infolge  Fehlens  der  die  Slreuzersetzung  fördernden 
Bedingungen  Trockentorf  angesanmielt  hat.  Hier  muß  durch  eine  entsprechende 
Schlußunterbrechung,  sei  es  auf  dem  Wege  der  Durchforstung  oder  auf  dem  der 
^'orhereitungshiehe,  für  das  Auftreten  einer  schwachen  Bodenflora  gesorgt  werden, 
damit  unter  deren  und  der  Atmosphärilien  Einfluß  die  der  Ansamung  und  dem  Ge- 
deihen des  Jungwuchses  äußerst  hinderlichen  unzersetzten  Streumengen  in  Humus 
überführt  werden.  A^'o  der  Vorhieb  hierzu  nicht  zureicht,  muß  eine  mechanische 
Bodenbearbeitung  zu  Hilfe  konmien.  In  der  Regel  soll  durch  geeignete  Bestands- 
pflege und  Hiebsführung  eine  besondere  Bodenbearbeitung  unnötig  gemacht  werden. 
Sie  ist  jedoch  nicht  immer  ganz  zu  umgehen,  zumal  auf  geringeren  Standorten,  und 
besteht  dann  namentlich  im  Entfernen  von  Moospolstern  (Polytrichum  commune), 
welche  die  Samen,  bezw.  die  aus  ihnen  sich  entwickelnden  Würzelchen  nicht  zum 
mineralischen  Grund  gelangen  lassen,  im  Grobschollighacken  (Kurzhacken)  u.  dergl.^). 
Oft  genügt  es,  diese  Maßregeln  nur  streifen-  oder  platzweise  durchzuführen.  Auch 
Schweineeintrieb  kann  sich  unter  Umständen  sehr  empfehlen.  Da  und  dort  findet 
auch  auf  besten  Böden  grundsätzlich  immer  eine  Bodenbearbeitung  statt,  damit 
in  jeder  denkbaren  Weise  eine  gute  Besamung  und  die  rasche  Entwickelung  der  Keim- 
pflanzen befördert  wird  (Buchenverjüngung  in  Dänemark  als  Beispiel  ^). 

Im  großen  Durchschnitt  wird  das  Richtige  getroffen  sein,  wenn  der  Vorberei- 
tungshieb 10 — 20  %  des  bis  dahin  kräftig  durchforsteten  Bestandes  an  Masse  entnimmt. 
Er  erstreckt  sich  auf  die  demnächst  in  Samenschlag  zu  stellende  Fläche.  An  den 
Schlagrändern  ist  der  Bestand  (gegen  Sonne  und  Wind)  dunkler  zu  halten.  Vor- 
sichtige Fällung  ist  ebenso  selbstverständlich,  wie  etwa  die  Verschonung  der  der 
\"erjüngung  entgegenzuführenden  Bestände  mit  Streunutzung  u.  dgl. 

Ob  und  inwieweit  etwa  von  früheren  Masten  her  bereits  vorhandener  Aufschlag 
oder  Anflug  bei  der  allgemeinen  Bestandesverjüngung  mitbenutzt  werden  kann  und 
soll,  bleibt  späterer  Erörterung  vorbehalten. 

b)  Samenschlag:  Wenn  die  Vorbereitungshiebe  im  Bestand  noch  nicht  den- 
jenigen Grad  der  Durchlichtung  herbeigeführt  haben,  welcher  für  die  eigentliche  Be- 
samung und  für  die  Bescliirmung  des  Aufschlags  während  der  ersten  Zeit  nach  der 
Keimung  erwünscht  erscheint,  wird  durch  einen  besonderen  Hieb,  den  sog.  Besa- 
mungsschlag, nachgeholfen.  Man  könnte  ihn  grundsätzlich  vielleicht  den  Vorberei- 
tungshieben noch  zuzählen  und  aus  diesen  unmittelbar  zu  den  nach  erfolgter  Besa- 
mung nötig  werdenden  Nachhchtungen  übergehen.  Dadurch  jedoch,  daß  der  Besa- 
mungsschlag an  ein  bestimmtes  Jahr,  dasjenige  des  Masteintritts,  geknüpft  ist,  wäh- 
rend die  \' orbereitungshiebe  ohne  Rücksicht  auf  das  Samenjahr  den  Bestand  nur  ganz 
allgemein  für  die  Ausnutzung  einer  erhofften  Mast  tauglich  machen  wollen,  unter- 

1)  So  finden  sich  z.  B.  im  geschlossenen  Buchenort  auch  nicht  selten  Laubschichten  von 
solcher  Mächtigkeit,  daß  in  ihnen  zunächst  zur  rascheren  Reduzierung  eine  etwas  lebhaftere  Zer- 
setzungstätigkeit wachgerufen  werden  muß.  Eventuell  muß  die  Laubschichte  teilweise  entfernt 
werden.    Hier  und  da  teilweises  Unterpflügen  derselben  —  (Vogelsberg). 

2)  Darauf  wird  bei  spezieller  Besprechung  der  Rotbuche  zurückgekommen  werden. 


74  ^"I-  L  0  r  e  y  ,    Waldbau. 

scheidet  er  sich  von  den  Vorhieben.  Diese  sind,  weil  man  nicht  siclier  voraus  weiß, 
wann  sich  die  Mast  einstellen  wird,  bisweilen  noch  nicht  bis  zu  dem  für  die  Besamung 
geeignetsten  Maß  der  Durchlichtung  vorgeschritten.  Kommt  nun  ein  Samenjahr, 
so  besorgt  alsbald  der  Besamungsschlag  das  noch  Fehlende.  Auch  hierbei  ist  Gleich- 
mäßigkeit der  Stellung  und  im  allgemeinen  eine  dunkle  Haltung  des  Schlages  anzu- 
streben. Der  Eingriff  in  den  Bestand  soll  nicht  stärker  sein,  als  daß  die  Keimung 
sicher  von  statten  geht,  und  sich  der  Aufschlag  bis  zur  nächsten  Nachlichtung,  welche 
in  der  Regel  nicht  vor  dem  zweiten,  vielleicht  erst  im  dritten  auf  die  Besamung  fol- 
genden Jahre  vorgenommen  wird,  normal  entwickelt.  Den  Keimpflanzen  ist  durch 
ein  relativ  dichtes  Schirmdach  zunächst  die  nötige  Bodenfeuchtigkeit  zu  garantieren 
und  jeder  energische  Kampf  mit  vordringlichen  Unkräutern  möghchst  zu  ersparen. 
Ein  allgemein  gültiges  Maß  läßt  sich  für  die  Schlagstellung  nicht  geben,  weil  sie  je 
nach  Holzart,  Bestands-  und  Standortsbeschaffenheit  eine  verschiedene  sein  muß. 
Insbesondere  kommt  es  darauf  an,  wie  weit  man  mit  den  Vorbereitungshieben  schon 
gegangen  war.  Im  großen  Durchschnitt  wird  man  eine  brauchbare  Stellung  gefunden 
haben,  wenn  unmittelbar  nach  der  Besamung  noch  etwa  0,7 — 0,6  des  normalen  Voll- 
bestandes vorhanden  sind.  Modifikationen  im  einzelnen  sind  vorbehalten.  Hoch- 
angesetzte Kronen  z.  B.,  welche  mehr  Seitenlicht  zulassen,  erfordern  weniger  starkes 
Eingreifen  als  kurzschaftiges  Holz;  letzteres  aber  stockt  meist  auf  geringerem  Boden, 
weshalb  man  auch  hier  vorsichtiger  sein  muß.  Lichthölzer  fordern,  sofern  man  es 
mit  der  natürlichen  Verjüngung  bei  ihnen  versuchen  will,  immerhin  eine  etwas  kräf- 
tigere Kronendurchbrechung  als  ausgesprochene  Schattenhölzer,  wie  z.  B.  die  Tanne. 
Gegen  starken  Unkrautwuchs  hält  man  den  Bestand  dunkler.  Dichterer  Schluß  kann 
endlich  auch  auf  trockenen  und  mageren  Böden,  an  steilen  Hängen  zur  Erhaltung 
der  Feuchtigkeit,  wie  unter  Umständen  gegen  Ueberhandnehmen  nasser  Stellen 
(Carex  brizoides  in  Buchenbeständen!)  angezeigt  sein. 

Wie  schon  erwähnt  wurde,  ist  der  Samenschlag  erst  zu  stellen,  wenn  auf  das 
Eintreten  der  Mast  mit  Sicherheit  gezählt  werden  darf.  Seine  Größe  ist  zumeist 
von  dem  häufigeren  oder  selteneren  Vorkommen  guter  Mastjahre,  d.  h.  von  dem 
Fruchtbarkeitszeitraum,  dem  durchschnittlichen  Intervall  zwischen  zwei  Mastjahren, 
abhängig  und  jeweils  so  zu  bemessen,  daß  im  jährlichen  Nachhaltbetrieb  innerhalb 
der  Umtriebszeit  der  gesamte  Wald  verjüngt  wird.  Von  dem  Fruchtbarkeitszeit- 
raum unterscheidet  sich  der  durch  die  Dauer  der  Ueberschirmungsbedürftigkeit  des 
Jungwuchses  bedingte  Verjüngungszeitraum  (siehe  oben).  Decken  sich  beide,  so 
staltet  sich  der  Vorgang  der  Verjüngung  am  übersichtlichsten.  Kehren  die  Mast- 
jahre, wie  dies  meist  der  Fall  ist,  in  Zwischenräumen  wieder,  die  kürzer  sind  als  der 
Verjüngungszeitraum,  so  kann  nicht  jede  Mast  ausgenutzt  werden.  Jährliches  Samen- 
tragen würde  die  Bildung  von  Jahresschlägen  gestatten;  anderenfalls  wird  eine 
entsprechende  Anzahl  von  Jahresschlägen  in  einen  Periodenschlag  zusammengefaßt. 

Die  Bodenvorbereitung,  von  welcher  schon  gelegentlich  der  Besprechung  des 
Vorbereitungshiebes  die  Rede  war,  wird  mit  Vorteil  erst  unmittelbar  vor  dem  Samen- 
abfall vorgenommen.  Die  Holzhauerei  im  Samenschlag  muß  vor  der  Keimung  be- 
endet sein.  Zweckmäßigerweise  nimmt  man  sie  im  Herbst  vor  oder  nach  dem  Ab- 
fall des  Samens  vor,  um  durch  die  Arbeiten  der  Holzemte  im  ersten  Falle  der  Boden- 
verwundung, im  anderen  Falle  dem  Unterbringen  des  abgefallenen  Samens  zu  dienen. 

c)  A  u  s  1  i  c  h  t  u  n  g  s  s  t  a  d  i  u  m.  In  den  nach  der  Besamung  zu  führenden 
Hieben  liegt  im  allgemeinen  die  Hauptschwierigkeit  bei  der  Leitung  des  Verjüngungs- 
prozesses, weil  man  in  jedem  einzelnen  Falle  die  Grenze  zu  bemessen  hat,  von  der 
ab  die  wohltätigen  Wirkungen  der  Beschirmung  durch  den  Nachteil  überboten  wer- 


Die  Bestandesbegiündung.     §  41.  75 

den,  der  diircli  längeres  Zurückhalten  der  Entwickelung  des  Nachwuchses  ersteht. 
Der  Gefährdung  durch  Frost,  üürre,  Unkraut  usw.  steht  das  in  verstärktem  Liclit- 
genuß  (bei  genügender  Bodenfeuchtigkeit)  unzweifelhaft  freudigere  Heraufwachsen 
des  Aufschlags  gegenüber.  So  sehr  sich  einerseits  \'orsicht  in  der  Richtung  empfeh- 
len kann,  daß  man  der  sicheren  Behütung  vor  jenen  Gefahren  den  höheren  Wert  bei- 
mißt, so  kann  doch  durch  eine  zu  weitgehende  Aengstlichkeit,  welche  den  Jungwuchs 
zu  lange  unter  dem  Schirmdach  der  llutterbäume  kümmern  läßt,  ebenso  viel  ge- 
schadet werden.  Sobald  die  Verjüngung  planmäßig  eingeleitet  ist,  wird  deren  best- 
möglicher rascher  Vollzug  in  erster  Linie  maßgebend.  Das  Gedeihen  des  neuen 
Bestandes,  nicht  die  tunlichst  potenzierte  Wertsteigerung  im  a  1 1  e  n  ,  ist  von  da 
ab  für  die  Wirtschaftsführung  bestimmend,  wenn  auch  eine  möglichst  günstige  Kom- 
bination beider  Rücksichten  stets  anzustreben  ist.  Allmähliche  Gewöhnung  des 
Jungwuchses  an  freiere  Stellung  durcli  langsames  Nachhauen  im  Mutterbestande 
wird  sich  vielenorts  empfehlen,  während  in  anderen  Fällen  ein  beschleunigtes  Tempo 
der  Abräumungen  erwünscht,  ja  notwendig  sein  kann  (z.  B.  frostfreie  Lagen  im  Ge- 
gensatz zu  Frostlokalitäten,  lichtbedürftige  Holzarten  gegenüber  Schattenhölzern 
usw.).  In  bezug  auf  den  zeitlichen  und  räumlichen  Gang  der  Lichtungshiebe  sind 
Boden  und  Bodenfrische,  Entwicklungsenergie  des  Jungwuchses,  Sturmgefahr  der 
Mutterbäume  zu  berücksichtigen.  Auch  ist  die  Holzart  entscheidend,  sofern  ganz 
allgemein  der  Aufschlag  und  x\nflug  von  Lichthölzern  zu  seinem  Gedeihen  rascherer 
und  energischerer  Freistellung  bedarf  als  solcher  von  Schattenhölzern.  Es  kann  als 
Regel  gelten,  daß  die  Lichtung  im  Oberstand  nicht  früher  als  im  zweiten  Winter  nach 
der  Besamung  beginnt  (,, Kräftigungshieb"  Grebes),  nachdem  die  jungen  Pflanzen 
wenigstens  einigermaßen  erstarkt  sind.  Es  ist  selbstverständlich,  daß  bei  den  Nach- 
hieben die  ursprüngliche  Gleichmäßigkeit  der  Schlagstellung  nicht  gewahrt  werden 
kann,  sondern  ganz  von  selbst  verloren  geht.  Einzelne  Stellen  werden  vielleicht 
schon  früher  oder  doch  schon  vollständiger  besamt  sein  als  andere,  auf  einzelnen  wird 
sich  infolge  zufällig  stärkeren  Lichteinfalls  etc.  der  Aufschlag  kräftiger,  unter  Um- 
ständen zu  förmlichen  Vorwuchshorsten  entwickelt  haben.  Daß  man  solchen  Par- 
tien Luft  macht,  um  sie  noch  mehr  zu  fördern,  daß  durch  allmähliche  Erweiterung 
der  im  Altbestande  hierdurch  entstehenden  Lücken  nach  und  nach  die  zwischen- 
hinein  noch  vorhandenen  Oberstandspartien  zusammenschrumpfen,  bis  die  vollstän- 
dige Schlagräumung,  der  Räumungsschlag,  eintritt,  leuchtet  ein.  Von  diesen  mehr 
zufällig  entstehenden  Ungleichartigkeiten  im  Jungbestande,  welche  übrigens  kaum 
je  so  bedeutend  sind,  daß  sie  nicht  df  m  Auge  bald  wieder  verschwänden,  unterschei- 
den sich  wesentlich  diejenigen,  welche  als  Ergebnis  der  Verjüngung  im  Femelschlag- 
betriebe  erscheinen. 

§41.  3.  Der  Femelschlagbetrieb.  Wie  schon  mehrfach  kurz  ange- 
führt worden  ist,  will  der  Femelschlagbetrieb  grundsätzlich  keine  gleichmäßig  über 
die  ganze  Fläche  sich  erstreckende  Verjüngung  herbeiführen  und  demgemäß  auch 
keinen  gleichaltrigen  Jungbestand  schaffen,  sondern  erhält,  indem  er  die  einzelnen 
Bestandespartien  nacheinander  behufs  ihrer  Verjüngung  in  Angriff  nimmt,  in  dem 
erwachsenden  neuen  Bestand  Altersunterschiede,  welche  der  Länge  des  Verjüngungs- 
zeitraumes und  der  Zahl  und  Aufeinanderfolge  der  während  desselben  benutzten  ein- 
zelnen Masten  entsprechen.  Der  Verjüngungszeitraum  ist  —  da  die  Bewältigung 
der  Aufgabe,  zumal  bei  vorsichtiger,  feinster  Wirtschaftsführung,  mehr  Zeit  erfordert 
als  eine  Verjüngung,  bei  welcher  durch  wenige,  über  die  ganze  Fläche  sich  erstreckende 
Hiebe  alles  Erforderliche  erledigt  wird  —  demgemäß  ein  meist  längerer,  kaum  je 
unter  30  Jahre  heruntergehend. 


76  VI.  Lorey,    Waldbau. 

Der  Vorgang  ist  im  allgemeinen  folgender: 

Man  macht  planmäßig  da  und  dort  stärkere  Eingriffe,  während  die  zwischen- 
liegenden Partien  noch  intakt  bleiben.  Diese  als  Angriffs-  oder  Vorbereitungs-,  in 
Bayern  auch  als  Gruppenhiebe  bezeichneten  Eingriffe  sollen  die  wertvolleren  Bestan- 
desglieder kräftigen,  sie  zur  Fruktifikation  anregen  und  sollen  den  Boden  empfäng- 
lich machen,  verfolgen  mithin  dieselben  Zwecke  wie  die  Vorhiebe  des  Schirmschlag- 
betriebes. Die  Einzelstellen,  von  welchen  die  Verjüngung  ausgeht,  sind  entweder 
nur  größere  oder  kleinere  Löcher,  absichtlich  gehauen,  vielleicht  auch  mehr  zufällig 
entstanden  (Tannenwirtschaft:  durch  Sturm,  Aushieb  von  Krebsbäumen  etc.),  oft 
ohne  jeglichen  Oberstand,  Partien,  welche  nicht  selten  bereits  besamt  sind,  anderen- 
falls von  den  Randbäumen  her  sich  leicht  besamen,  —  oder  es  sind  Flächenteile, 
manchmal  gleich  anfangs  von  etwas  größerer  Ausdehnung,  auf  welchen  zunächst 
(wie  beim  Vorbereitungshieb  des  Schirmschlags)  geeignete  Mutterbäume  stehen  blei- 
ben, bis  die  Besamung  erfolgt  ist,  und  der  junge  Wuchs  des  Schutzes  nicht  mehr 
bedarf.  Die  Schutzwirkung  der  Mutterbäume  tritt  dabei  insofern  zurück,  als  der 
rings  um  den  Junghorst  noch  geschlossene  Bestandesrand  entsprechenden  Seiten- 
schutz gewährt,  so  daß  die  Räumung  der  Schirmbäume  meist  bald  erfolgen  kann. 
Regelmäßige  Figuren  sind  natürlich  ebenso  wenig  Bedingung  wie  gleichmäßiger 
Abstand  der  einzelnen  Verjüngungszentren  voneinander,  wenn  auch  deren  annähernd 
gleiche  Verteilung  über  die  Gesamtfläche,  sowie  tunlichst  die  Kreisform  erwünscht 
ist.  Es  muß  sich  eben  bei  der  Durchführung  von  Fall  zu  Fall  alles  nach  den  örtlichen 
Umständen  richten;  eine  scharf  ausgeprägte  Schablone  ist  ausgeschlossen.  Je  nach 
der  Entwickelung  der  Jung-wüchse  und  dem  Eintritt  neuer  Samenjahre  wird  dann 
am  Rande  in  schmäleren  oder  breiteren  Ringen  weiter  gelichtet,  es  werden  ,,Um- 
randungs"-  oder  ,,Umrändelungshiebe"  geführt.  Neue  Jungwüchse  erstehen  in  An- 
gliederung  an  die  im  Inneren  der  Verjüngungsplätze  heraufwachsenden  Partien, 
neue  Angriffspunkte  werden  zwischen  den  alten  eingeschoben,  und  es  ist  klar,  wie 
durch  solches  Verfahren  nach  und  nach  der  ganze  Altbestand  durch  junge  Gruppen 
und  Horste  ersetzt  wird.  Größere  unbesamte  Lücken  entstehen  dabei  also  nirgends, 
sondern  nur  kleine  Löcher  und  schmale  Absäumungen,  deren  Besamung  sich  vom 
Rande  oder  von  Schirmbäumen  aus  leicht  vollzieht.  Als  Vorzug  einer  solchen  Un- 
gleichförmigkeit  im  Verjüngungsgange  wird  größerer  Zuwachs,  besonders  infolge 
bedeutenderer  Boden-  und  Luftfrische,  vollkommenste  Bewahrung  der  Bodenkraft, 
auch  wohl  örtlich  verminderter  Schneeschaden  und  Windwurf  bezeichnet.  Zwei- 
fellos sind  durch  die  allmählich  vorschreitende  Femelschlag-Verjüngung  örtlich 
schon  sehr  gute  Erfolge  zu  verzeichnen,  indem  man  tadellose  Jungbestände  in 
großer  Ausdelmung  erzielt  hat.  Namentlich  wird  in  Bayern,  wo  auf  G  a  y  e  r  s  ener- 
gische Anregung  hin  die  Methode  ins  feinste  ausgebildet  worden  ist,  seit  mehreren 
Jahrzehnten  nach  ihr  erfolgreich  gearbeitet.  Man  braucht  aus  den  dortigen  be- 
friedigenden Erfolgen  jedoch  noch  nicht  auf  eine  unbedingte  Räthchkeit  dieser 
Wirtschaft,  die  vorzugsweise  für  Tanne,  Fichte  und  Buche,  ganz  besonders  aber  für 
Mischbestände  dieser  Holzarten  in  Betracht  kommt,  zu  schließen,  sondern  kann  die 
Frage  aufwerfen,  ob  nicht  in  den  reinen  und  niu-  wenig  gemischten  Beständen  in  vie- 
len Fällen  eine  durch  den  ganzen  Bestand  hindurch  annähernd  gleichmäßige  und 
gleichzeitige  Durchführung  der  Verjüngung  —  stets  die  erforderliche  Durchlichtung 
im  Kronenschirm  vorausgesetzt  —  die  nämliche  Wertsproduktion  an  den  gleichmäßig 
verteilten,  sämtlich  mit  gehörigem  Lichtungszuwachs  arbeitenden  Mutterbäumen 
erzielen  würde  und  ob  dabei  nicht  unter  voller  Schonung  der  Bodenkraft  ein  allen  An- 


Die  Bestandesbegründung.     §  42.  77 

forderungen  entsprecliender  Nachwuchs  erzogen  werden  könnte  ').  Unbestrittenen 
Wert  aber  hat  die  hörst-  und  gruppenweise  Verjüngung  überall  dort,  wo  die  Wirt- 
schaft auf  Erhaltung  der  vorhandenen  Mischung  gerichtet  ist.  Die  von  ihr  gebotene 
Beweglichkeit  bei  der  Anbahnung,  Pflege  und  Erweiterung  von  Verjüngungspunk- 
ten gewährleistet  mehr  als  jede  andere  Betriebsart  die  Möglichkeit,  dem  verschiede- 
nen Lichtbedürfnis  und  dem  ungleichen  Entwicklungsgang  der  in  Frage  kommenden 
Mischholzarten  so  Rechnung  zu  tragen,  da(3  horstweis  gemischte  Bestände  wieder 
entstehen.  Andererseits  ist  nicht  zu  verkennen,  daß  bei  der  Gruppenverjüngung 
durch  die  Verteilung  mehr  oder  minder  geschlossener  kleiner  Beständchen  über  die 
ganze  Fläche  hin  vielfach  bedenkliche  Umstände  (Frostgefahr,  Gefährdung  durch 
Stürme,  Entzug  der  Niederschläge  etc.)  herbeigeführt  werden.  Die  unbedingten  An- 
hänger des  Femelschlagbetriebe?  stehen  zwar  auf  dem  Standpunkte,  daß  gerade  diese 
Gefahren  im  Femelschlagverfahren  weniger  bedenklich  werden,  und  weisen  zur  Er- 
härtung ihrer  Ansicht  auf  eine  Reihe  von  Beispielen  hin,  in  welchen  Schädigungen 
wie  die  angedeuteten  ausgeblieben  sind. 

Für  Schirmschlagbetrieb  und  Femelschlagbetrieb  ist  noch  zu  erwähnen,  daß  bei 
der  Nachlichtung  solchen  Partien,  welche  zunächst  unbesamt  geblieben  sind,  durch 
eine  Unterbrechung  im  Kronendach  oft  am  leichtesten  geholfen  werden  kann,  daß 
also  solche  Stellen  im  Bestände  keineswegs  immer  besonders  dunkel  zu  halten  sind. 
Vorsichtiger  Fällungsbetrieb,  mit  Rücksicht  auf  den  Unterwuchs,  ist  geboten.  Nach- 
besserung durch  Saat  oder  Pflanzung,  Einbringen  von  Mischhölzern,  soweit  es  nicht 
mittels  Vorverjüngung  (z.  B.  Eiche  im  Buchengrundbestand)  schon  erfolgt  ist,  hat 
zugleich  mit  den  Auslichtungen,  spätestens  bald  nach  ihnen  stattzufinden.  Stock- 
löcher, im  Falle  der  Rodung,  bieten  besonders  geeignete  Stellen  zur  Einpflanzung.  Der 
Femelschlagbetrieb  kann  sich,  falls  nur  mit  ganz  kleinen  Löchern  operiert  wird, 
offenbar  dem  reinen  Femelbetrieb  nähern.  Er  kann  andererseits,  wenn  die  Verjün- 
gungszentren größere  Flächen  einnehmen,  und  die  Erweiterungsringe  breit  sind, 
mehr  und  mehr  einer  Auflösung  des  Ganzen  in  einzelne  im  Schirmschlagverfahren 
behandelte  Teile  gleichkommen. 

§  42.  4.  D  e  r  S  a  u  m  s  c  h  1  a  g  b  e  t  r  i  e  b.  Wie  ebenfalls  schon  oben  (S.  41) 
ausgeführt  wurde,  ist  der  Saumschlagbetrieb  nichts  anderes  als  eine  Anwendung  der 
Verjüngungsgrundsätze  des  Schirmschlag-  bezw.  des  Plenterschlagbetriebes  auf 
schmalen,  vom  Rande  herein  allmählich  nach  dem  Bestandsinnern  vorrückenden 
Verjüngungsstreifen.  C.  Wagner-  Tübingen,  der  den  Saumschlagbetrieb  in  der 
von  ihm  empfohlenen  als  Blendersaumschlag  bezeichneten  Form  zu  neuem  Leben 
erweckt  hat,  legt  den  Schwerpunkt  des  Saumschlagbetriebes  auf  die  Hiebsrichtung, 
weil  von  dieser  die  mehr  oder  weniger  austrocknende  Einwirkung  der  Sonne  und  da- 
mit der  Erfolg  der  Saumverjüngung  in  erster  Linie  beeinflußt  wird.  Als  normale 
Hiebsrichtungen  kommen  nach  Wagner 2)  nur  in  Betracht:  Nordwest-Südost  für 
Laubhölzer  und  besonders  geschützte  Lagen,  Nord-Süd  für  Nadelhölzer  und  die  we- 
niger festen  Laubhölzer  in  besonders  gefährdeter  Lage.  Der  vom  nördlichen  oder 
nordwestlichen  Bestandsrande  aus  beginnende  und  sich  langsam  nach  Süden  bezw. 
Südosten  vorwärts  bewegende  Hieb  besteht  zunächst  in  einem  ungleichförmigen  Auf- 
lockern eines  Saumes  des  bisher  geschlossenen  Bestandsrandes.  Durch  die  Ent- 
nahme unerwünschter  und  zu  stark  vertretener  Holzarten  und  zwar  immer  zuerst 


1)  Vergl.  hierzu  die  schon  oben  (S.  46)  angeführte  Literatur,  sowie  Schuberg,  Schlag- 
lichter zur  Streittrage  ,, schlagweiser  Hochwald-  oder  Femelbetrieb"  im  forstw.  Zentralbl.  von 
1886,  S.  129  ff.  und  S.  193  ff.  Diese  Abhandlung  von  Seh.,  welche  sich  auf  umfängliche  exakte 
Untersuchungen  stützt,  ist,  weil  bestimmte  Zahlen  gegeben  werden,  sehr  interessant. 

2)  Grundlagen  d.  räuml.  Ordnung  i.  Walde.    1907,  S.  135  ff. 


78  ^  I-  L  o  r  e  y  ,    Waldbau. 

der  dichtbekrontesten  Exemplare  werden  Löcher  und  Kleinflächen  für  die  erste  An- 
samung geschaffen.  Diese  erfolgt  im  noch  dunklen  Schirm  und  im  Seitenschutz  des 
geschlossenen  Bestandes.  Der  Dunkelstand  befähigt  bei  Verjüngung  von  Mischbe- 
ständen zunächst  nur  die  Schattenhölzer  Tanne  und  Buche  zur  Bildung  von  Anflug- 
gruppen, die  sich  beim  langsamen  Fortgang  des  Hiebes  und  beim  Lichterstellen  all- 
mählich erweitern.  Fortgesetzte  Entnahme  der  noch  stehenden  Mutterbäume  vom 
Schlagrande  herein  bereitet  den  erstarkenden  Anflug  auf  den  Freistand  mehr  und 
mehr  vor.  Mit  dem  zunehmenden  Lichtgenuß  finden  auch  die  lichtbedürftigeren 
Holzarten,  zunächst  Fichte,  Ahorn,  Esche,  später  Kiefer  und  Lärche  günstige  Lebens- 
bedingungen auf  dem  nach  außen  gelegenen  Teile  des  Verjüngungsstreifens  und  ver- 
mögen sich  hier  anzusiedeln.  —  Den  jeweilig  in  Verjüngimg  befindlichen  Streifen 
kann  man  sich  gewissermaßen  aus  3  in  verschiedenen  Stadien  der  Verjüngung  befind- 
lichen Säumen  zusammengesetzt  denken.  Der  dem  geschlossenen  Bestand  nächste 
Saum  befindet  sich  in  Samenschlagstellung,  die  beiden  anderen  nach  dem  Schlag- 
rande zu  gelegenen  Säume  im  mehr  oder  weniger  vorgeschrittenen  Auslichtungssta- 
dium. In  dem  Maße  der  Verjüngungsstreifen  vom  Schlagrande  herein  gelichtet  und 
durch  Räumung  der  Mutterbäume  abgebaut  wird,  schiebt  sich  sein  dunkelster  Teil, 
der  Samenschlagsaum,  gegen  den  geschlossenen  Bestand  vorwärts.  Die  Geschwindig- 
keit, mit  der  dieses  Vorrücken  geschieht,  hängt,  abgesehen  von  wirtschaftlichen  Mo- 
menten, vom  Gelingen  der  Ansamung  und  von  den  Bedürfnissen  des  Anfluges  ab. 
Selbstverständlich  nimmt  auch  die  größere  oder  geringere  Häufigkeit  der  Samen- 
jahre sowohl  auf  das  Tempo  des  Hiebsfortschrittes  wie  namentlich  auch  auf  die  Breite 
des  ersten  Ansamungssaumes  und  damit  auf  die  Breite  des  Verjüngungsstreifens 
überhaupt  Einfluß.  Je  seltener  die  Samenjahre  sind,  um  so  mehr  muß  das  einzelne 
ausgenützt,  um  so  breiter  mithin  der  Dunkelsaum  angelegt  werden.  Die  Breite  des 
Verjüngungsstreifens  aber  richtet  sich  auch  nach  der  Holzart.  Den  breitesten,  vom 
Dunkel  des  geschlossenen  Bestandes  bis  zum  stark  gelockerten  Lichtstand  abgestuf- 
ten Verjüngungsstreifen  verlangen  die  Schattenhölzer;  auch  die  Fichte  verträgt  ihn, 
obwohl  für  sie  schon  ein  ziemlich  schmaler  Streifen  genügt.  Lichthölzer  verjüngen 
sich  am  besten  auf  einen  schmalen  und  lichten  Verjüngungsstreifen.  Wie  bei  jeder 
anderen  Naturverjüngung  ist  auch  hier  schließlich  der  Boden  in  zeitlicher  und  räum- 
licher Hinsicht  maßgebend  für  den  Gang  der  Verjüngung.  Je  geringer  seine  Besa- 
mungsfähigkeit infolge  von  Neigung  zur  Verunkrautung,  fehlender  Bodenfrische  oder 
infolge  anderer  Ursachen  ist,  um  so  mehr  ist  Vorsicht  bei  der  Lichtstellung  und  in 
bezug  auf  die  Schnelligkeit  des  Verjüngungsganges  geboten.  Schwierige  Böden 
lassen,  um  die  Sicherheit  der  Verjüngung  zu  erhöhen,  meist  Maßregeln  der  Bearbei- 
tung angezeigt  erscheinen.  Ueber  die  Vor-  und  Nachteile  des  von  Wagner  als  bestes 
Verjüngungsverfahren  angesehenen  Saumschlagverfahrens  vgl.  das  oben  im  2.  Ab- 
schnitt (S.  47)  hierüber  Gesagte. 

§  43.  5.  Die  Verjüngung  im  Femelbetrieb:  Ein  im  eigent- 
lichen Femelbetrieb  bewirtschafteter  Wald  unterscheidet  sich  seinem  Wesen  nach 
von  dem  mit  langer  Verjüngungsdauer  femelschlagartig,  d.  h.  nicht  gleiclunäßig  durch 
die  ganze  Fläche  hin,  sondern  gruppen-  oder  horstweise  behandelten  Walde  dadurch, 
daß  in  ihm  alle  Altersstufen  —  die  Abstufungen  im  einzelnen  in  kleineren  Zwischen- 
räumen —  vertreten  sind,  während,  wie  wir  gesehen  haben,  im  Femelschlagbetrieb 
der  zwischen  den  ältesten  und  jüngsten  Hölzern  bestehende  Altersunterschied  im 
Höchstfalle  nur  gleich  der  Verjüngungsdauer  ist.  Hieraus  ergibt  sich  bezüglich  der 
Verjüngung  im  reinen  Femelwald  als  charakteristisches  Merkmal,  daß  der  ganze  Wald 
gleichzeitig  in  wirtschaftlicher  Behandlung  steht.     Es  trifft  der  Hieb  zwar  keines- 


Die  BestandesbegrQndung.     §  44.  79 

wegs  in  jedem  einzelnen  Jahre  die  ganze  Fläclie,  wohl  aber  kehrt  er  in  meist  kürzeren 
Zeitzwischenräumen  auf  die  Einzelfläche  wieder.  Bald  mit  mehr,  bald  mit  weniger 
Regelmäßigkeit  wechseln  im  Plenterwaldc  kleinere  und  giößere,  ältere  und  jüngere 
Partien  miteinander  ab,  indem  da  und  dort  die  ältesten  Stämme  genutzt  werden 
und  an  ihre  Stelle  Jungwüchse  treten,  um  welche  sich,  nach  vorgängiger  Absäumung 
im  Altholz  neue  Jungwüchse  anlegen,  so  daß  auf  diese  ^^"eise  allmählich  die  Verjün- 
gung des  ganzen  \^^aldes  erfolgt.  Beim  Femelschlagbctrieb  konzentriert  sich  der 
Verjüngungsprozeß  in  der  einzelnen  Waldabteilung  auf  die  Zeit  der  Verjüngungs- 
dauer, so  daß  sich  im  Gesamtwalde  die  einzelnen  Periodenflächen  deutlich  vonein- 
ander abheben.  Im  reinen  Femelwalde  hingegen  vollzieht  sich  die  Verjüngimg  fort- 
gesetzt in  jedem  Umlauf  der  Hauungen.  Einzelne  Teile  der  verschiedenen  Perioden- 
flächen des  Femelschlagbetriebes,  bald  kleinere  Gnippen.  bald  größere  Horste,  sind 
im  Femelwalde  gewissermaßen  untereinander  geworfen,  so  daß,  wenn  auch  keines- 
wegs in  jedem  kleinsten  Bestandteile,  so  doch  innerhalb  der  einzelnen  Abteilung, 
alle  Altersklassen  vertreten  sind,  selbstverständlich  nicht  durchweg  in  Abstufungen 
von  Jahr  zu  Jahr,  sondern  je  nach  der  Häufigkeit  des  Eintritts  von  Samenjahren  in 
mehr  oder  minder  ungleichen,  meist  mehrere  Jahre  umfassenden  Abstufungen. 

B.  Natürliche  Verjüngung  durch  Ausschlag. 

Vorbemerkung:  Sie  ist  nur  möglich  bei  Holzarten  mit  entsprechender 
Reproduktionskraft,  schließt  also  die  Nadelhölzer  aus.  Die  genutzten  Bestandes- 
teile werden  durch  Ausschlag  aus  den  auf  der  Fläche  verbliebenen  Baumteilen  er- 
setzt, und  hierdurch  wird  der  neue  Bestand  erzeugt.  Man  unterscheidet  Niederwald, 
Kopfholzbetrieb  und  Schneitelholzbetrieb.  Beim  Niederwald  wird  der  gesamte 
oberirdische  Baumteil  genutzt;  die  Begründung  des  neuen  Bestandes  vollzieht  sich 
durch  Stockausschläge  (event.  in  Verbindung  mit  VVurzelausschlägen)  aus  den  im 
Boden  verbliebenen  Stöcken  mit  ihren  Wurzeln.  Der  Kopfholzbetrieb 
nimmt  dem  einzelnen  Kernwuchs  einen  Teil  seines  Schaftes.  An  der  Abhiebsstelle 
brechen  Zweige  hervor,  welche  die  nächste  Nutzung,  die  Nutzung  des  ..nächsten  Um- 
triebs",  und  somit  gewissermaßen  den  neuen  Bestand  darstellen.  Infolge  wiederhol- 
ter Nutzung  dieser  Aeste  entsteht  am  Schaftende  ein  Wulst  oder  Kopf.  Beim 
Schneitelbetrieb  werden  dem  einzelnen  Stamme  nur  seine  Zweige  und  Aeste 
genommen,  während  der  Schaft  ihm  in  ganzer  (oder  annähernd  ganzer)  Länge  belassen 
wird.  Die  Regeneration  erfolgt  durch  Ausschläge  an  den  einzelnen  Aststummeln 
bezw.  Schaftwunden. 

I .  \'  e  r  j  ü  n  g  u  n  g    im    Niederwald. 

§  44.  1.  Holzarten  und  Ausschlagsverraögen:  Außer  den 
baumartig  envachsenden  Laubhölzem  werden  auch  viele  strauchartige,  als  Klein- 
nutzhölzer, Faschinenhölzer  u.  dgl.  verwendbare  Holzarten  im  Niederwald  angezo- 
gen. Zu  ersteren  gehören  vor  allen  die  Eichen,  dann  Erlen,  Kastanie,  Akazie, 
Weiden,  auch  Esche,  Ulme,  Hainbuche  u.  a.,  zu  letzteren  z.  B.  Hasel,  Schneeball, 
Hartriegel,  Heckenkirsche,  Schwarz-  und  Weißdorn  usw.  Die  meisten  dieser  Holz- 
arten treiben  nur  Stockloden,  wie  Rotbuche,  Hainbuche,  Eiche,  Kastanie,  Esche, 
Ahorn,  Birke  u.  a.;  bei  einigen  brechen  außer  solchen  auch  Wurzelloden  hervor,  wie 
bei  Weißerle,  Rüster,  Feldahorn,  Akazie,  Pappel,  Kirschen  usw.  Die  Reproduktions- 
kraft der  verschiedenen  Laubhölzer  ist  nicht  gleich  groß  und  von  ungleicher  Dauer 
und  wird  von  den  äußeren  Verhältnissen,  namentlich  von  der  Bodengüte  und  dem 
Lichtgenuß  beeinflußt.     Am  längsten  hält  die  Ausschlagsfähigkeit  bei  Eiche,  Hörn- 


8Q  VI.  L  o  r  e  y  ,    Waldbau. 

bäum,  Erle  und  Linde  aus,  während  Buche,  Birke,  Ahorn  und  Esche  schneller  nach- 
lassen. Je  älter  der  Stock  ist,  um  so  schwächer  ist  sein  Ausschlagsvermögen  und 
um  so  mehr  bleiben  die  Ausschläge  im  Höhenwuchs  zurück.  Flachgründige,  arme 
Böden  erzeugen  ebenso  keine  hoch  werdenden  Ausschläge,  wenn  sie  auch  —  nament- 
lich in  warmen  Lagen  —  die  Reichlichkeit  des  Ausschlags  nicht  beeinflussen.  — 
2.  Die  Verjüngung:  Sie  erfordert  keine  besonderen  waldbaulichen  Maßregeln, 
da  ihr  Gelingen,  d.  h.  die  Entstehung  eines  normalen  Jungbestandes,  wenn  anders 
sich  die  passende  Holzart  auf  geeignetem  Standort  in  einem  guten  Bestand  vorfindet, 
und  keine  besonderen  Störungen,  wie  Spätfröste,  Hagelschläge  u.  dgl.  eintreten,  in 
der  Hauptsache  nur  von  einem  rationellen  Nutzungsbetrieb  abhängig  ist.  Im  all- 
gemeinen führt  man  die  Stockschläge  im  zeitigen  Frühjahr  (März)  aus.  Man  umgeht 
dann  die  beim  Herbsthieb  bestehende  Gefahr,  daß  die  Stöcke  bei  strenger  Kälte 
zugrunde  gehen  und  hat  auch  die  in  Herbstschlägen  infolge  zeitigen  Austreibens  der 
Stöcke  leicht  vorkommenden  Spätfrostschäden  nicht  zu  fürchten.  Ausnahmen  vom 
Frühjahrs  =  (Saft-)Hieb  machen  sich  nur  dort  nötig,  wo  die  nur  bei  Frost  mögliche 
Zugänglichkeit  des  Geländes  die  Winterfällung  bedingt  (Erlenniederwälder),  oder  wo, 
wie  in  den  Eichenschälwaldungen,  die  Gewinnung  der  Rinde  Hauptzweck  der  Ver- 
jüngung ist.  Hier  findet  die  Nutzung  erst  nach  dem  Laubausbruche  im  Mai  bis 
Juni  statt,  weil  vorher  die  Rinde  nicht  in  gewünschter  Weise  sich  loslöst.  Stock- 
schläge zum  Zwecke  der  Futterlaubgewinnung  werden  im  Sommer  (Juni— August) 
geführt.  —  Bei  der  Hiebsführung  in  Stockschlägen  empfiehlt  es  sich,  da  Wind- 
gefahr nicht  in  Betracht  kommt,  in  umgekehrter  Richtung  wie  beim  Hochwaldbetrieb, 
von  Westen  oder  Süden,  zu  hauen,  um  Wärme  und  Licht  in  die  Schläge  zu  bringen. 
Bei  der  Nutzung  der  Ausschläge,  die  bei  schwächerem  Material  mit  Heppen,  bei  stär- 
kerem mit  Axt  oder  Säge  geschieht,  ist  auf  möglichst  tiefen  Abschnitt  und  glatte, 
am  besten  etwas  geneigte  Schnittflächen  zu  achten.  Einkerbungen  der  Abhiebs- 
flächen, wie  sie  entstehen,  wenn  die  Beilschläge  von  zwei  Seiten  aus  und  von  oben 
geführt  werden,  sind  zu  vermeiden,  weil  sonst  das  in  dem  Einschnitt  stehen  bleibende 
Regenwasser  zur  Fäulnis  der  Schnittfläche  beiträgt.  Die  Nachbesserungsarbeiten  in 
Niederwäldern,  zum  Ersatz  eingegangener  bezw.  zu  alter  Stöcke,  werden  am  besten 
durch  Pflanzung,  ev.  mit  Verwendung  von  Stummelpflanzen,  besorgt. 

3.  Die    praktisch    wichtigen    Stockschlag-Betriebe. 

a)  Eichenniederwald.  Hauptsächlich  zum  Zwecke  der  Rindengewin- 
nung betrieben,  hat  der  Eichenniederwald  nach  der  Reichsstatistik  von  1900  noch 
446  500  ha  =  3,2%  der  Gesamtwaldfläche  Deutschlands  als  E  i  c  h  e  n  s  c  h  ä  1  w  a  1  d 
eingenommen.  Wenn  auch  der  seit  1890  eingetretene  beträchtliche  Rückgang  des 
Rindenpreises  —  nach  J  e  n  t  s  c  h  i)  kostete  1  Ztr.  Rinde  1890  im  Durchschnitt 
6,01,  1905:  3,19  M.  —  hier  und  da  zur  Verminderung  der  Schälwaldfläche  geführt 
hat  und  vielleicht  noch  führen  wird,  stellt  der  Eichenschälwaldbetrieb  doch  noch 
immer  einen  namentlich  in  Süd-  und  Westdeutschland  sehr  beachtenswerten  und 
unter  den  Ausschlagbetrieben  den  wirtschaftlich  wichtigsten  Betrieb  dar.  Verwendet 
werden  Stiel-  und  Traubeneiche,  letztere  ihrer  etwas  besseren  und  anhaltenderen 
Ausschlagsfähigkeit  wegen  im  allgemeinen  lieber.    Die  ihr  gleichfalls  hin  und  wieder 

1)  Jentsc  h,  Untersuchungen  über  die  Verhältnisse  des  deutschen  Eichenschälwald- 
betriebes.  Berlin  190G;  Derselbe,  Der  deutsche  Eichenschälwald  und  seine  Zukunft. 
Berlin  1899;  Derselbe,  Der  Eichenschälwald  in  den  Niederlanden.  Mündener  forstl.  Hefte, 
16.  Hfl.  1900,  S.  89.  —  S  c  h  e  n  c  k  ,  Die  Rentabilität  des  deutschen  Eichenschälwaldes.  Darm- 
stadt 1896.  —  Bericht  üb.  d.  XXVI.  Vers,  deutscher  Forstmänner  1898:  Gegenwärtige  Verhält- 
nisse und  Zukunft  des  Eichenschälwaldes.  —  W  a  c  h  s  ,  Der  augenblickliche  Stand  der  Eichen- 
schälwaldfrage.   Silva  1908,   Nr.   20  und   21. 


Die  Bestandesbegründunsr      §  44.  gl 

nachgerühmte  bessere  Rindenqualität  wird  von  anderer  Seile  bestritten  und  eher 
der  Stieleiche  zugesprochen.  Unterschiede  in  dieser  Hinsicht  sind  anscheinend  Folge 
des  Standortes,  nicht  der  Eichenart.  Umtrieb,  rd.  löjährig,  schwankt  zwischen 
12  und  20  Jahren;  in  neu  angelegten  Schälwäldern  erstmalig  etwas  länger,  da  Kem- 
wüchse  bis  zur  gewünschten  Erstarkung  längere  Zeit  brauchen  als  Stockausschläge. 
Die  Neubegründung  von  Eichenschälwäldern  geschieht  durch  Saat  oder  Pflanzung 
und  setzt,  wenn  sie  rentabel  sein  soll,  kräftige,  wenn  auch  nicht  tiefgründige  Böden 
in  warmen  Lagen  (Weinlagen)  voraus.  Saat,  meist  in  Riefen,  6 — 10  hl  für  1  ha; 
Pflanzung,  meist  mit  3jährigen  Stummelpflanzen  in  Reihenverband  2:1m  oder 
Ouadratverband  1,3 — 1,5  m.  Mischungen  sind  zu  vermeiden.  Wo  sie  früher  als 
richtig  angesehen  wurden,  auf  ärmeren  Böden,  auf  denen  die  eingemischte  Holzart 
(Kiefer,  Weymouthskiefer,  Lärche,  Akazie)  den  Boden  bessern  und  den  Ertrag  er- 
höhen sollte,  gehört  der  Schälwald  heut  nicht  mehr  hin.  Die  sich  von  selbst  ein- 
stellenden Mischhölzer  (Aspe,  Sahlweide,  Hasel,  Hombaum),  die  sog.  Raumhölzer 
oder  Unhölzer.  sind  zeitig  und  nach  Bedarf  wiederholt  so  gründlich  wie  möglich 
auszujäten.  Durchforstungen,  die  neben  der  Entfernung  der  Raumhölzer  die  unter- 
drückten Eichenausschläge  fassen  und  mit  Antastungen  der  besseren  Schälstangen 
verbunden  werden  können,  sind  im  Interesse  der  Erhöhung  des  Rindenertrages  emp- 
fehlenswert und  erfolgen  zweckmäßigerweise  mindestens  zweimal  bei  ISjährigem  Um- 
triebe. Abtrieb  im  Mai  oder  Juni  (vgl.  hierzu  Handbuch,  unter  IX.  Forstbenutzung  B.). 
Nonnale  Schälwalderträge  auf  gutem  Standorte  beim  Abtrieb  jiro  ha  zwischen  80 
und  1.30  Ztr.  Rinde  schwankend.  Hierzu  kommen  20 — 30  fm  Schälholz  und  (meist 
als  Zwischennutzung)  6 — 15  fm  Raumholz.  In  Hessen  ist  für  Schälwaldungen  mit 
weniger  als  80  Ztr.  Rindenertrag  generell  Umwandlung  in  Hochwald  angeordnet 
worden. 

b)  K  a  s  t  a  n  i  e  n  n  i  e  d  e  r  w  a  1  d '^).  In  Weinbaugegenden,  in  Deutschland 
namentlich  im  Elsaß,  zur  Erziehung  von  Rebpfählen  geeignet.  Erfordernisse:  tief- 
gründiger, kräftiger  Boden,  mildes  Klima,  freie,  sonnige  Lage.  Im  Elsaß  weisen  die 
östlichen  und  südöstlichen  Hänge  der  Vorberge  bessere  Kastanienniederwälder  auf 
als  die  meist  trockeneren  und  flachgründigen  Süd-  und  Westhänge.  Umtrieb 
15 — 20jährig.  Mischung  ist  auf  den  besseren  Böden  zu  vermeiden,  auf  steinigen 
und  sandigen  Standorten  mit  Robinie  vorteilhaft.  Wo  letztere  die  Kastanienstock- 
ausschläge  bedrängt,  muß  sie  bei  der  im  7 — 10jährigen  Alter  des  Stockschlages  not- 
wendig werdenden  Durchforstung  entfernt  werden.  Gleichzeitig  werden  die  besse- 
ren Ausschläge  von  Zwieseln  und  stärkeren  Seitenästen  befreit.  Zuwachs  auf  gu- 
tem Boden  beträchtlich  (14 — 16  fm  für  ha  und  Jahr).  Hieb  im  März  und  April, 
in  der  Pfalz  und  im  Elsaß  vielfach  aber  auch  im  Herbst.  Dem  Erfrieren  der  Stöcke 
beugt  man  dann  durch  Erd-  oder  Laubbedeckung  vor. 

c)  R  o  b  i  n  i  e  n  n  i  e  d  e  r  w  a  1  d  ^).  Weniger  für  Deutschland,  als  für  Ungarn 
bedeutungsvoll;  dort  sind  jetzt  nahezu  70  000  ha  mit  Robinie  bestockt.  Lockerer, 
frischer  Sandboden  verlangt;  auf  sterilem,  nährstoffarmem  Boden  versagt  die  Ro- 
binie trotz  ihrer  zweifellos  vorhandenen  Genügsamkeit.     Immerhin  hat  sie  sich  in 

1)  K  a  y  s  i  n  g  ,  Anbau.  Bewirtschaftung  und  Ertrag  des  Kastanienniederwaldes.  Bericht 
Ob.  d.  XII.  Vers,  deutscher  Forstmänner  1883,  S.  118  —  Ilse,  Ueb.  Edelliastanienzucht  im 
Oberelsaß.  AUg.  F.-  u.  J.-Z.  1898,  S.  225.  —  Osterheld,  D.  Kastanie  am  pfälzischen  Vorge- 
birge. Allg.  F.-  u.  J  -Z.  1895,  S.  22.  —  H  a  1 1  b  a  u  e  r  ,  Edelkastanie  und  Akazie  als  Waldbäume 
im  Oberelsaß.    Allg.  F.-  u.  J.-Z.  1896,   S.  249. 

2)  Eberts,  D.  Akazien-Niederwald.  .\llg.  F.-  u.  J.-Z.  1899,  S.  168,  290;  1900,  S.  74.  — 
Bund,  D.  Zucht  der  .\kazie.  Ztschr.  f.  F.-  u.  Jw.  1899,  S.  199.  —  E.  V  a  d  a  s  ,  D.  Bedeutung 
der  Robinie  f.  d.  Forstwirtschaft  Ungarns.  Selmecbanya  1910.  —  F  ekele,  Erdeszeti  Kiscrietek 
1909,  Hft.  3  und  4. 

Haudb.  d.  Forstwiss.    3.  Aufl.    II.  6 


82  VI.  Lore  y,    Waldbau. 

Ungarn  bei  der  Fkigsandbindung  gut  bewährt.  Für  den  Niederwald  ist  sie  hervor- 
ragend geeignet,  weil  sie  durch  zähe  Ausschlagsfähigkeit  (Stock-  und  Wurzelausschlag) 
und  schnelles  Wachstum  ausgezeichnet  ist.  Nach  der  Pflanzung  werden  die  Pflan- 
zen auf  den  Stock  gesetzt,  am  besten  im  Vorfrühling  (März).  Umtrieb  nach  Maß- 
gabe des  gewünschten  Sortimentes  10 — 30  jährig:  bei  Erzeugung  von  Rebpfählen 
7 — lOjährig;  wenn  auf  Brennholz  und  Werkholzsortimente  gearbeitet  wird,  15 — 
20jährig;  wenn  stärkeres  Nutzholz  verlangt  wird,  30  jährig.  Höhere  Umtriebszeiten 
empfehlen  sich  nicht  infolge  sehr  raschen  Zuwachsabfalles  vom  30  jährigen  Alter  an. 
Fekete  gibt  für  Ungarn  die  Waldrente  des  30jährigen  Robinienniederwaldes  mit 
35,5  kr,  die  Bodenrente  mit  11,16  kr  an  und  weist  darauf  lün,  daß  der  Robiniennieder- 
wald damit  alle  anderen  Holz-  und  Betriebsarten  weit  hinter  sich  läßt.  Aus  Deutsch- 
land sind  bei  15 — 20  jährigem  Umtriebe  Reinerträge  von  90  und  mehr  Mark  pro  Jahr 
und  ha  bekannt. 

d)  E  r  1  e  n  n  i  e  d  e  r  w  a  1  d  ^):  Ist  in  Ueberschwemmungs-,  Stauwasser-  und 
Niederungsmoorgebieten  hin  und  wieder  die  einzige  Betriebsart,  um  dem  Boden 
einen  Ertrag  abzugewinnen.  Beiden  Erlen  ist  ein  energisches  und  lang  anhaltendes 
Ausschlagsvermögen  eigentümlich,  das  sich  bei  der  Weißerle  in  Bildung  zahlreicher 
Wurzelausschläge,  bei  der  Schwarzerle  in  Bildung  von  Stockloden  bemerkbar  macht. 
Bei  Tiefabschnitt  oder  Anhäufeln  bewurzeln  sich  die  Stockloden  oft  von  selbst.  Bei 
der  Anlage  und  Ausbesserung  von  Erlenniederwäldern  ist  Pflanzung  unumgänglich, 
da  des  verdämnienden  Gras-  und  Unkrautwuchses  wegen  auf  natürliche  Besamung 
nicht  zu  rechnen  ist.  Die  zur  Verwendung  kommenden  Pflanzen  müssen  so  hoch 
sein,  daß  sie  der  Verdämmungsgefahr  durch  das  Gras  entwachsen  sind.  Dreijährige, 
einmal  verschulte  vmd  gut  bewurzelte  Pflanzen  sind  zu  empfehlen.  Die  oft  sich  nö- 
tig machende  Hügel-  oder  Rabattenpflanzung  krankt,  abgesehen  von  ihrer  Kost- 
spieligkeit, an  dem  Nachteil,  daß  sich  bei  Hochwasser  die  Mäuse  in  die  Aufhöhungen 
flüchten  und  durch  Fraß  bedeutenden  Schaden  anrichten.  Umtrieb  mit  Rücksicht 
auf  den  Wertzuwachs  stärkerer  Sortimente  meist  höher  als  in  den  Stockschlägen 
anderer  Holzarten,  30-,  40-  auch  50  jährig.  Die  Abtriebszeit  muß  in  den  Brüchern 
vielfach  in  den  Winter  verlegt  werden,  weil  zu  anderer  Zeit  das  Gelände  nicht  zu- 
gänglich ist.     Baldige  Abfuhr  der  Ernte  ist  dann  selbstverständlich. 

e)  W  e  i  d  e  n  n  i  e  d  e  r  w  a  1  d  -).  .Je  nachdem  der  Weidenstockschlag  der  Er- 
zeugung von  Flechtruten  oder  von  sog.  Bandstöcken,  d.  i.  stärkerer  zu  Faßreifen 
benutzter  Ausschläge  dient,  wird  er  in  1-  oder  Sj ährigem,  im  anderen  Falle  3-  bis 
5  jährigem  Umtrieb  bewirtschaftet.  Zur  Anlage  einer  Weidenkultur  eignet  sich 
jeder  einigermaßen  nährstoffreiche  Boden,  sobald  er  die  nötige  Frische  besitzt.  Hu- 
musreicher, milder  Lehmboden  mit  nicht  zu  hochstehendem  Grundwasser  ist  am 
besten;  reiner  Sand,  Torfboden  und  vollständig  trockener  Boden  eignen  sich  nicht. 
Ueberschwemmungsgelände  ist  um  so  brauchbarci',  je  weniger  infolge  der  periodisch 
wiederkehrenden  Ueberstauungen  Ersatz  für  die  durch  die  Nutzung  der  Ruten  aus- 
geführten Nährstoffe  notwendig  ist.  Stagnierende  Nässe  wird  von  den  Weiden  nur 
dann  vertragen,  wenn  Dammkultur  angewendet  wird.     Die  Neuanlage  einer  Weiden- 


1)  Forslrc  liier,  Erlenwirtschaft  im  Niederungsmoorgebiet  der  Kgl.  Oberförstcrei 
Memonien.  1903. 

2)  Krähe,  Die  Korbweidenkultur.  5.  Aufl.  Aachen  1897.  — Kern,  .achtzehnjährige 
praktisclic  Erfahrungen  im  rationellen  Korbweidenbau  und  Bandstockbetriebe.  Dresden  1904.  — 
G  r  a  m  s  -  S  c  h  ü  n  s  e  e  ,  Wann  und  wie  sollen  die  Weidenruten  geschnitten  werden?  AUg. 
F.-  u  J.-Z.  1903,  S.  100.  —  D  e  r  s.,  Die  Bandstockgewinnung,  das.  1904,  S.  380.  —  D  e  r  s.,  Ar- 
beiten in  der  Weidenkultur  vom  Frühjahr  bis  zum  Herbst,  das.  1903,  S.  257.  —  D  e  r  s.  ,  Die 
Ausbesserung  der  nach  einigen  Jahren  schwächer  werdenden Weidenkulturcn,  da«.  1908,  S.  70. 


Dio  Beslandesbegründung.     §  43.  83 

kiiltur  geschieht  im  Fnilij;ihr  (Mitte  März  bis  Ende  Apiil)  mit  30  cm  langen  Steck- 
lingen, die  in  gut  rigolten  Buden  senkreciiL  und  vollständig  im  Reilienverband  50  :  10 
cm,  bei  Bandstockerziehung  öO  :  30  cm  eingesteckt  werden.  Weitere  Verbände 
führen  zur  \'erästelung  der  Ruten  und  zur  leichteren  Verunkrautung  des  Bodens.  Die 
zahli'eichen  Weidenarten  luid  Kreuzungen  wertlen  nach  der  Länge  und  Stärke  ihrer 
Ruten,  sowie  nach  der  Ausschlagsfähigkeit  der  Stöcke  und  deren  Dauer  beurteilt. 
Als  Flechtweide  empfiehlt  sich  in  erster  Linie  die  Hanfweide  (Salix  viminalis),  weil 
sie  vorzügliche  seidanke  Ruten  ergibt  und  jährlichen  Schnitt  der  Ruten,  also  1  jäh- 
rigen Umtrieb,  gut  ausiiält.  Die  ebenfalls  empfohlene  Mandelweidc  (S.  amygdalina) 
verästelt  zu  stark.  Kreuzungssorten  sind  in  Masse  im  Handel,  taugen  aber  meist 
nicht  viel.  Für  Bandstockbetrieb  hält  Hauptmann  K  e  r  n  ,  eine  Autorität  auf  dem 
Gebiete  der  Weidenzucht,  S.  dasyclados  X  purpurea  ihrer  Schnelhvüchsigkeit  we- 
gen für  besonders  geeignet.  Ein  guter  Weidenstockschlag  macht  dauernde  Pflege, 
Bodenbearbeitung,  Düngung  (bei  schlechterem  Boden),  vor  allem  aber  Bekämpfung 
des  Unkrautes  notwendig.  Verunkrautete  Kulturen  gehen  zu  Grunde.  Bei  ratio- 
neller Pflege  und  Unterbringen  der  humosen,  die  Unkrautsamen  beherbergenden 
oberen  Bodenschicht  gelegentlich  der  erstmaligen  Anlage  genügt  einmaliges  Behacken 
und  Jäten  im  Frühjahr  (Mai,  .luni),  um  das  Unkraut  so  lange  zurückzuhalten,  bis 
es  durch  den  dicliten  Schluß  der  Ruten  selbst  unterdrückt  wird.  Wie  lange  ein  Stock 
ausschlagfähig  bleibt,  hängt  sowohl  von  der  Weidenart  und  den  Standortsverhält- 
nissen, wie  auch  von  der  Intensität  der  Nutzung  und  der  Umtriebszeit  ab.  Viele 
Weidenarten  vertragen  den  1  jährigen  Umtrieb  nicht.  Schwächer  werdende  Lei- 
stungen bei  jährlichem  Schnitt  können  dadurch  wieder  gehoben  werden,  daß  man 
die  Ruten  hin  und  wieder  2  jährig  werden  läßt.  Bei  Neuanlagen  erfolgt  der  erste 
Schnitt  zweckmäßigerweise  im  ersten  Winter.  Die  jedesmalige  Nutzung  der  Aus- 
schläge erfolgt  in  der  Zeit  der  vollkommenen  Saftruhe  (ab  Dezember).  Je  glatter 
am  Stock  die  Ruten  mit  Hilfe  eines  scharfen  Messers  geschnitten  werden,  um  so 
gesunder  bleibt  der  Stock ;  Stummel  müssen  möglichst  vermieden  werden.  Bei  guter 
Behandlung  der  Stöcke  geht  die  Ausschlagsfähigkeit  nur  langsam  zurück.  Rodung 
und  Neukultur  aber  empfiehlt  sich  dann,  wenn  die  Erträge  nicht  mehr  befriedigen. 
Je  besser  der  Boden  an  sich  ist  oder  je  mehr  durch  energische  Düngung  für  Erhaltung 
der  Produktionskraft  des  Bodens  gesorgt  wird,  um  so  länger  läßt  sich  der  Termin 
der  unter  Umständen  500  bis  1000  M.  für  1  ha  erfordernden  Neubegi-ündung  hinaus- 
schieben. In  rationellen  Flechtweidenbetrieben  sind  Reinerträge  von  300  bis  500  M. 
für  1   iia  und  Jahr  keine  Seltenheit. 

II.    K  o  p  f  h  o  1  z  b  c  t  r  i  e  b. 

§  45.  Der  Betrieb  ist  gerichtet  auf  periodische  Nutzung  der  an  geköpften  Laub- 
hölzern und  zwar  an  Baumweiden,  Pappeln,  Hornbaum,  Robinie  und  Platane  ent- 
stehenden Ausschläge.  Eine  weitergehende  forstliche  Bedeutung  kommt  dem  Be- 
trieb nicht  zu,  da  meist  nur  Flußufer,  Niederungsgebiete  mit  L'eberschwemmungs- 
gefahr  und  Viehweiden  als  geeignet  zur  Besetzung  mit  Kopfbäumen  angesehen  wer- 
den. Hin  und  wieder  ist  die  Ueberpflanzung  rückgängiger  Weidenheger  mit  Kopf- 
bäumen von  Weide  und  Pappel  erfolgreich  gewesen.  Bei  der  Anlage  von  Kopfbaum- 
kulturen empfiehlt  sich  die  \'erwendung  bewurzelter  Stämmciien  aus  Baumschulen 
mehr  als  die  Verwendung  der  2,5  bis  5  m  langen,  im  Ankommen  nicht  ganz  sicheren 
unbewurzelten  Setzstangen.  Der  Umtrieb  wird  je  nach  Wuchsenergie  und  Verwen- 
dungszweck der  Ausschläge  bemessen  und  schwankt  zwischen  3  Jahren  (bei  Weiden) 
und  6 — 8  Jahren  bei  Robinie,  Platane  usw.     Die  geemteten  Ausschläge  finden  je 

6* 


g^  VI.  L  0  r  e  y  ,    Waldbau. 

nach  der  Holzart  als  Flecht-  und  Faschinenmaterial,  Bindweiden  und  vielfach  als 
Futterlaub  Verwendung.  Bei  der  Nutzung  werden  die  Ausschläge  entweder  dicht 
am  Kopf  oder  unter  Belassung  längerer  Stummel,  sog.  Hörner,  weggenommen. 

HI.  S  c  h  n  e  i  t  e  1  h  o  1  z  1 )  e  t  r  i  e  b . 
§  46.  Der  hauptsächhch  der  Futterlaubgewinnung  dienende  Betrieb  erstreckt 
sich  auf  die  zeitweilige  Wegnahme  von  Schattreisern  und  Ausschlägen  von  Laubholz- 
bäumen, deren  Schaft  unverkürzt  geblieben  oder  erst  in  größerer  Höhe  geköpft  worden 
ist.  Die  stärkeren  Seitenäste  werden  gestummelt  und  die  an  den  verbliebenen  30  cm 
langen  Aststummeln  sich  bildenden  Ausschläge  periodisch  genützt.  Wiederkehr  der 
Nutzung  wie  beim  Kopfholzbetrieb. 

Drittes  Kapitel. 
Künstliehe  Bestandesbegpündung. 

Vorbemerkungen.     Arten  der   Begründung  und  Wahl  zwischen 

Saat  und  Pflanzung. 

Unter  dem  Einfluß  des  Umstandes,  daß  die  oben  (S.  49)  genannten  Vorteile 
der  Kahlschlagwirtschaft  augenfälliger  und  deshalb  wirksamer  hervortreten  als  ihre 
meist  erst  in  der  Folgezeit  und  langsamer  bemerkbar  werdenden  Nachteile,  sind  Kahl- 
schlagbetrieb und  mit  ihm  künstliche  Bestandesbegründung  mehr  und  mehr  in  den 
Vordergrund  getreten.  Der  modernen  Forstwirtschaft  mit  ihrem  Streben  nach  sicheren 
und  raschen  Erfolgen  ist  die  Naturverjüngung  leider  nicht  mehr  zuverlässig  und 
nicht  mehr  schnell  genug.  Bei  der  Kunstverjüngung  hat  der  von  der  Mannbarkeit 
der  zu  verjüngenden  Bestände  und  vom  Eintritt  der  Samenjahre  unabhängige  Wirt- 
schafter den  Erfolg  seiner  Begründungsmaßnahmen  relativ  sicher  in  der  Hand.  Er 
kostet  zwar  Geld,  dieser  Erfolg,  und  zwar  gemeinhin  um  so  mehr,  je  sicherer  er  sein 
soll'  aber  er  ist  unter  sonst  normalen  Verhältnissen  auch  da,  schnell  und  leicht,  und 
diese  Vorzüge  schlagen  die  Bedenken  in  die  Flucht,  die  im  Hinblick  auf  die  Un- 
sicherheit der  Samenherkunft  und  auf  die  Forderungen  der  Bodenpflege  in  mehr 
oder  minder  erheblichem  Maße  entstehen  müssen. 

Die  Kunstverjüngung  erfolgt  als  S  a  a  t  durch  Samen  oder  als  P  f  1  a  n  z  u  n  g 
durch  Auspflanzen  ganzer  Pflanzen  (Kernpflanzen)  oder  von  Pflanzen- 
teilen (Stecklinge,  Absenker,  Stummelpflanzen  usf.). 

Wahl    zwischen    Saat    und    Pflanzung. 

§  47.  Entscheidend  ist,  wie  oben  bei  der  Wahl  zwischen  natürlicher  und  künst- 
licher Bestandesbegründung,  der  Erfolg  und  sein  Verhältnis  zum  Kostenaufwand. 
Dasjenige  Verjüngungsverfahren  ist  das  richtige,  das  unter  den  jeweilig  vorliegenden 
waldbauüchen  und  wirtschaftlichen  Verhältnissen  den  schnellsten  und  sichersten 
Erfolg  mit  den  geringsten  Kosten  verspricht.  Im  einzelnen  sind  bei  der  Wahl  zwi- 
schen Saat  und  Pflanzung  folgende  Punkte  zu  beachten: 

a)  die  Sicherheit  des  Erfolges.  Die  Ouahtät  des  Kulturmateriales  (Samen 
bei  der  Saat,  Pflänzlinge  bei  der  Pflanzung)  kann  hier  nicht  als  Grund  pro  und  contra 
verwertet  werden,  da  die  Verwendung  nur  guten  Materiales  als  selbstverständlich  vor- 
ausgesetzt werden  muß.  Immerhin  bietet  auch  in  dieser  Hinsicht  wie  in  vielen  anderen 
Punkten  die  Pflanzung  eine  größere  Garantie,  denn  sie  gestattet  bei  hinreichendem 
Vorrat  an  Pflanzen  „Auswahlpflanzung"  i),  d.  h.  ausschließliche  Vei-wendung  kräftiger, 

1)  Der  von  M  a  y  r  (Waldbau  auf  naturgeselzl.  Grundlage,  S.  410,  426)  stammende  Aus- 
druck ist  hier  nicht  im  Sinne  Mayrs  gebrauclit.  M.  versteht  unter  ,,.\uswahlptlanzung"  ein  Ver- 
fahren,  bei  welchem  die  besten  und  kräftigten  Pflanzen  in  einem  Verbände  von  4 — 5  m  ausge- 


Die  Bestandesbegründung.     §  47  35 

geradschaftiger  guter  Pflanzen,  deren  zufriedenstellendes  Jugendwachstum  eine  eben- 
solche Weiterentwicklung  erwarten  läßt.  Die  Saat  gestattet  eine  derartige  künst- 
liche Zuchtwahl  nicht,  sondern  bringt  auch  bei  Verwendung  besten  Saatgutes  eine 
Menge  minderwertiger  Pflanzen  auf  die  Fläche.  Dieser  Nachteil  wird  allerdings  da- 
durch wieder  ausgeglichen,  daß  unter  der  weit  größeren  Anzahl  von  Pflanzenindivi- 
duen, die  bei  der  Saat  auf  die  Fläche  kommen,  auch  schnellwüchsige  und  gutver- 
anlagte Pflanzen  in  mehr  oder  minder  großer  Menge  vorhanden  sind.  Unter  den 
Faktoren,  welche  den  Kulturerfolg  beeinflussen,  ist  zunächst  die  Witterung  der  er- 
sten, auf  die  Ausführung  der  Kultur  folgenden  Wochen  oder  Monate,  eventuell  der 
nächsten  .Jahre  zu  nennen.  Schädlich  wirken  vor  allem  Witterungsextreme,  wie  an- 
dauernde Trockenheit,  Hitze,  zu  große  Kälte,  Fröste  usw.  Weder  Saaten,  noch 
Pflanzkulturen  sind  vor  Schädigungen  durch  die  je  nach  der  Bodenbeschaffenheit 
und  nach  der  Lage  mehr  oder  weniger  gefährlichen  Witterungsextreme  sicher;  sie 
leiden  aber  unter  sonst  gleichen  Verhältnissen  in  verschiedenem  Maße.  Trocken- 
heit z.  B.,  ebenso  wie  Hitze,  werden,  obwohl  alles  auf  die  Zeit  ihres  Eintritts  ankommt, 
Pflänzlingen  mit  tiefer  gehenden  Wurzeln  oft  weniger  gefährlich  als  Keimlingen. 
Gleiches  gilt  von  Frösten,  soweit  es  sich  um  das  Ausfrieren  handelt.  Platzregen 
bringen  an  Hängen  durch  Abschwemmen  einer  Saat  häufiger  Schaden  als  einer 
Pflanzung.  Starker  Schneefall,  längeres  Liegenbleiben  des  Schnees  kann  einer 
jungen  Saat,  die  vollständig  überdeckt  wird,  durch  Druck  und  Lichtentzug  eher 
nachteilig  werden  als  einer  Pflanzung.  Andererseits  vermag  eine  dickere  Schnee- 
decke aber  den  Frostschaden  zu  vermindern.  Die  total  von  Schnee  umlagerten 
kleineren  Sämlinge  leiden  meist  weniger  als  die  über  den  Schnee  mit  ihren  Gipfel- 
trieben herausragenden  höheren  Pflänzlinge,  die  namentlich  in  Spätwinter,  wenn  die 
Sonne  schon  wieder  höher  steigt  und  unter  Tags  stärkere  Erwärmung  erzeugt,  leicht 
Spätfrostschaden  aufweisen.  Unter  Schneeschaden  und  zwar  Schneedruckschaden 
haben  die  aus  Saaten  hervorgegangenen  Jungbestände  auch  dann  meist  mehr  zu  lei- 
den als  die  Pflanzbestände,  wenn  sie  sehr  dicht  geschlossen  aufwachsen,  so  daß  die 
einzelne  Pflanze  nicht  gehörig  zu  erstarken  vermag.  Wenn  auch  die  meteorischen  Ein- 
wirkungen sowohl  nach  Art  wie  nach  dem  Grade  ihrer  Schädlichkeit  nicht  anders  als 
im  Sinne  eines  auf  örtlicher  Erfahrung  beruhenden  Wahrscheinlichkeitsschlusses  in 
Rechnung  gezogen  werden  können,  so  sind  doch  Saaten  durch  sie  mehr  gefährdet  als 
Pflanzungen.  Gleiches  gilt  weiter  bezüglich  des  Unkrautwuchses.  Es  ist  deshalb  fest- 
zuhalten, daß  auf  nassen,  trockenen,  mageren  Böden,  auf  allen  zur  Verunkrautung  nei- 
genden Standorten,  in  Frost-  und  Schneelagen  und  anderen  irgend  einer  Gefahr  aus- 
gesetzten Oertlichkeiten  die  Pflanzung  am  Platze  ist.  Wo,  wie  auf  sehr  steinigen  Orten, 
die  Herstellung  der  Pflanzlöcher  Schwierigkeiten  verursacht,  ist  die  Saat  vorzuziehen. 
Letztere  bewährt  sich  der  größeren  Pflanzenzahl  wegen  auch  dort  vielfach  besser  als 
die  Pflanzung,  wo  tierische  Schädlinge,  namentlich  Wild,  Engerlinge  und  Piüsselkäfcr 
als  Kulturfeinde  zu  fürchten  sind.  Es  steht  in  solchen  Fällen  zu  hoffen,  daß  eine  zur 
Bestandsbildung  genügende  Anzahl  unbeschädigter  Pflanzen  auch  dann  übrig  bleibt, 
wenn  dem  Tierfraß  nicht  oder  nicht  genügend  entgegengetreten  werden  kann. 

b)  Jugendent  Wicklung  der  einzelnen  Pflanze.  Holzarten, 
die  sich  in  den  ersten  Jugendjahren  langsam  entwickeln  oder  während  dieser  Zeit  einer 
aufmerksameren  Pflege  bedürfen  (Tanne,  Sitkafichte,  Douglasie,  Esche,  Ahorn,  Ulme 
usw.)  werden  am  besten  gepflanzt,  nachdem  sie  in  Forstgärlen  bis  zu  der  gewünschten 
Stärke  herangezogen  worden  sind.  Die  Saat  empfiehlt  sich  hingegen  für  jene  Holz- 
pflanzt werden.  Zwischen  je  zwei  dieser  Pflanzen  kommen  zwei  minder  gute  der  gleiclien  Holzart, 
die  nach  Mayrs  Ansicht  späterhin  den  Zwischenbestand  bilden  sollen. 


86  ^''-  Lorey,    Waldbau. 

arten,  deren  Sämlinge  starke  Pfahlwurzeln  entwickeln  und  deshalb  nur  schwer  ver- 
setzt werden  können  (Walnuß,  Hickory,  Kastanie). 

c)  Entwicklung  der  jungen  Kultur.  Der  bei  einer  gut  aufgelaufe- 
nen Saat  von  vornherein  meist  verhältnismäßig  dichte  Stand  der  Pflanzen  bewirkt, 
wenn  nicht  Unkräuterwuchs,  Tierbeschädigung  (durch  Wild,  Mäuse  etc.),  Frost  und 
dergl.  dies  verhindert,  einen  dichteren,  meist  aber  erst  später  eintretenden  Schluß 
der  Kultur.  Sehr  dichter  Stand  hemmt  die  Entwicklung  der  Einzelpflanze  und  ist, 
sofern  nicht  durch  Verdünnung  der  Saat,  durch  Ausheben  oder  Ausschneiden  für  Ver- 
einzelung der  Pflanzen  gesorgt  wird,  ein  erhebliches  Hindernis  für  die  Entwicklung 
der  ganzen  Kultur.  Dichte  Saaten  stocken  sehr  bald  im  Wuchs,  sie  ,,verbutten". 
wenn  ihnen  nicht  rechtzeitig  zu  Hilfe  gekommen  wird,  und  diese  Hilfe  ist  oft  recht 
kostspielig.  Anders  die  Pflanzung.  Durch  die  gleichmäßige  Verteilung  der  Pflanzen 
und  den  ihnen  zur  Verfügung  gestellten  größeren  Wachsraum  wird  den  einzelnen  In- 
dividuen eine  weit  raschere  und  normalere  Entwicklung  ermöglicht.  Außerdem  hat 
die  Pflanzung  je  nach  dem  Alter  der  verwendeten  Pflanzen  einen  größeren  oder  ge- 
ringeren Altersvorsprung.  Infolgedessen  tritt  der  Schluß  in  den  Pflanzbeständen 
meist  weit  früher  ein  als  in  den  gleich  alten  Saaten  mit  gleichem  Abstand  der  Saat- 
reihen oder  Saatplätze.  In  den  Pflanzungen  kommt  als  verzögerndes  Moment  jedoch 
die  mit  der  Kulturausführung  verbundene  Störung  des  normalen  Entwicklungs- 
ganges der  Einzelpflanze  zum  Ausdruck.  Selbst  bei  sorgfältigster  Kulturausführung 
bedeutet  das  Umsetzen  einen  gewaltsamen  Eingriff  in  den  Lebensprozeß  der  Pflanze. 
Die  Notwendigkeit,  anzuwachsen  und  neue  Wuizeln  an  Stelle  der  beim  Umsetzen 
beschädigten  und  verlagerten  zu  bilden,  versetzt  die  Pflanze  oft  in  einen  Zustand 
des  Kümmerns,  der  um  so  anhaltender  und  intensiver  ist,  je  schlechter  die  Kultur- 
ausführung war  und  je  älter  die  Pflanze  zur  Vei^wendung  kam.  .Je  jünger  die  in  den 
Pflanzkulturen  verwendeten  Pflanzen  sind,  um  so  leichter  wachsen  sie  an.  Wenn 
sonst  andere  Gründe  nicht  die  Verwendung  älterer  und  stärkerer  Pflanzen  fordern, 
sind  Pflanzungen  mit  jüngeren  Pflanzen  nicht  nur  billiger,  sondern  auch  sicherer. 

d)  W  i  r  t  s  c  h  a  f  t  s  z  w  e  c  k.  In  Gegenden,  wo  starke  Nachfrage  nach  schwa- 
chen, bei  den  ersten  Durchforstungen  ausfallenden  Sortimenten  (Bohnen-  und  Zaun- 
stängelchen,  Baumpfählen,  Hopfenstangen  u.  dergl.)  vorhanden  ist,  kann  die  Saat 
mehr  am  Platze  sein  als  die  Pflanzung.  Die  aus  Saaten  hervorgegangenen  dicht  ge- 
schlossenen .Jungorte  geben  weit  mehr  schwaches  Durchforstungsmaterial  her  als 
die  Pflanzbestände.  Doch  läßt  sich  auch  in  solciien  durch  Wahl  eines  engeren  \'er- 
bandes  etwaigen  Bedürfnissen  des  Marktes  nach  F^eisstangen  u.  dergl.  gerecht  werden. 
Meist  liegt  der  Fall  aber  so,  daß  für  die  in  großer  Menge  ausfallenden  und  gewöhnlich 
nur  mit  größeren  Unkosten  zu  gewinnenden  .schwachen  Sortimente  jede  oder  wenig- 
stens jede  nennenswerte  Absatzmöglichkeit  fehlt.  Der  Wirtschafter  hat  dann,  z.  B. 
in  allen  verkehrsarmen  Gegenden,  weit  mehr  Interesse  daran,  Saaten  zu  vermeiden, 
weil  sie  ihm  nur  unnötige  Arbeit  und  Kosten  verursachen,  ohne  wesentliche  Gegen- 
leistungen zu  bieten. 

e)  Kostenaufwand.  Beschaffung  des  Kultunnateriales  und  Kosten  der 
Kulturausführung  wirken  zusammen,  sowohl  bei  der  ersten  Anlage  wie  bei  etwaigen 
Nachbesserungen.  Es  fragt  sich  zunächst,  ob  zur  Saat  guter  Samen  billig  zu  haben 
ist  oder  nicht,  und  analog  für  die  Pflanzung,  mit  welchem  Aufwand  die  erforderliche 
Zahl  tauglicher  Pflanzen  beschafft  werden  kann.  Begreiflich  liegen  die  Umstände 
von  Fall  zu  Fall  sehr  verschieden.  Gute  Samenjahre  begünstigen  die  Saat,  während 
hoher  Samenpreis,  sowie  nicht  genügende  Samenvorräte  zur  Pflanzung  drängen.  Hat 
man  in  natürlichen  Verjüngungen  oder  auf  Saatflächen  brauchbares  Pflanzenmaterial 


Dio  Bestandesbegründung.     §   IT.  87 

ko.stenlos  zur  \'erfüo;uii^,  so  wird  man  dieses  benutzen.  Müssen  die  nfilwendigen  Pflan- 
zen aber  erst  besonders  anj^ezo^^en  worden,  so  sind  die  Art  und  Weise,  wie  es  gesclueht 
(Anzuclit  in  Schutzbeständen,  in  Forstgärten  oder  VVanderi<ämpen  usf.),  sowie  die 
Entfernung  der  Erziehungsstättc  von  der  Kulturfläciie  zwei  den  K(jsten|)reis  der  Pflan- 
zen wesentlich  beeinflussende  Faktoren.  Der  Kulturaufwand  hängt  weiterhin  von 
der  Schwierigkeit  und  Güte  der  Kulturausführung  ab.  Es  ist  zu  erwägen,  ob  und 
welche  Bodenvorbereitungen  nötig  sind.  Durch  soiciie  können  insbesondere  Saaten 
leicht  nicht  unbeträchtlich  verteuert  werden.  Ebenso  gibt  es  gewisse  Pflanzverfah- 
ren, z.  B.  die  Hügelpflanzung,  die  infolge  umfänglicher  Vorarbeiten  kostspielig  wer- 
den. Bei  der  Saat  geht  das  Aussäen  des  Samens,  besonders  dann,  wenn  geeignete 
Maschinen  Verwendung  finden  können,  meist  rasch  und  ohne  große  Kosten  von  stat- 
ten. Eine  Kultur  mit  älteren  und  stärkeren  Pflanzen  pflegt  sowohl  hinsichtlich  der 
Beschaffung  des  Kulturmateriales  als  auch  bezüglich  der  Kulturausführung  im  all- 
gemeinen teurer  zu  sein  als  die  Saat.  Läßt  sich  hingegen  junges,  schwaches  Pflanzen- 
material und  ein  einfaches,  förderndes  Kulturverfahren  anwenden,  so  kann  sehr  wohl 
die  Pflanzung  die  billigere  Kulturmethode  darstellen  und  ihrer  meist  hohen  Erfolgs- 
sicherheit wegen  ratsam  sein.  Oertliche  Erfahrung  gibt  über  den  für  Nachbesserun- 
gen, Kulturpflege  (Bekämpfung  des  Unkrautes,  .Abhaltung  schädlicher  Tiere  usf.) 
in  Aussicht  zu  nehmenden  Kostenaufwand  Aufschluß.  Schließlich  ist  bei  Beurteilung 
der  statischen  Seite  von  Saat  und  Pflanzung  der  bereits  oben  erwähnte  Altersvor- 
sprung der  Pflanzung  mit  in  Rechnung  zu  stellen. 

f)  Z  e  i  t  a  u  f  w  a  n  d.  Da  die  für  die  Kulturausführung  verfügbare  Zeit  hin  und 
wieder,  z.  B.  im  Gebirge  beim  raschen  Uebergang  vom  Winter  in  den  Sommer,  knapp 
bemessen  ist,  so  kann  die  Schnelligkeit  des  Kulturvollzuges  für  die  Wahl  des  ^'er- 
fahrens  bedingend  werden,  zumal  wenn  Arbeitskräfte  nur  in  beschränkter  Zahl  zu 
haben  sind  und  große  Flächen  zur  Kultivierung  vorliegen.  Etwaige  Bodenvorbe- 
reitung kann  in  solchem  Falle  oft  schon  im  Herbst  vor  der  Kulturzeit  vorgenommen 
werden,  so  daß  dann  im  Frühjahr  das  Kulturgeschäft  sich  weit  rascher  erledigen 
läßt.  Die  Saat  ist  im  Hinblick  auf  den  Zeitaufwand  im  allgemeinen  die  vorteilhaftere, 
d.  h.  schneller  arbeitende  Kulturmethode. 

g)  Die  Maßregeln  der  Bestandeserziehung,  insbesondere  die  Durcli- 
forstung,  werden  durch  die  Methode  der  Bestandesbegründung,  wenn  bei  dieser  nicht 
extreme  Verhältnisse,  z.  B.  sehr  weiter  Verband  oder  sehr  dichte  Saat,  vorliegen,  meist 
nur  im  Jugendalter  der  Bestände  in  beachtenswertem  Maße  beeinflußt.  Die  Unter- 
schiede in  der  Bestandespflege  von  Saat-  und  Pflanzbeständen,  die  sich  in  öfterer  Wie- 
derkehr der  Durchforstungen  in  den  Saatbeständen  und  öfters  in  Schwierigkeiten  bei 
der  Herstellung  einer  gleichmäßigen  Bestandesdichte  in  diesen  bisweilen  bis  ins  Stan- 
genholzalter hinein  bemerkbar  machen,  verschwinden  späterhin,  vorausgesetzt,  daß 
in  den  Saatbeständen  rechtzeitig  die  notwendigen  Eingriffe  geschehen  sind. 

h)  Rücksicht  auf  gewisse  Nebennutzungen.  Grasnutzung, 
ev.  auch  Viehweide,  ist  in  den  Pflanzkulturen  im  allgemeinen  leichter  ausführbar 
als  in  den  Saaten,  namentlich  in  unregelmäßig  bestandenen  Saaten.  Es  bieten  aber 
auch  die  Zwischenstreifen  bei  Reihensaaten  eine  ebenso  gute  Gelegenheit  zur  Ent- 
nahme des  Grases,  wenn  man  nur  wartet,  bis  die  Sämlinge  einigermaßen  heraus 
sind.  Auch  in  dicht  stehenden  Nadelholzvollsaaten  läßt  sich  der  Auftrieb  von  Scha- 
fen unter  Umständen  ohne  besondere  Schädigung  der  Kultur  bewirken. 

i)  In  gewissen  besonderen  Fällen  des  Kulturbetriebes,  z.  B.  bei  Anlage 
von  Alleen,  Hecken,  Uferbefestigungen,  Weidenhegern,  kommt  stets  die  Pflanzung 
als  Kulturmethode  zur  Anwendung. 


88  VI.   L  0  r  e  y  ,    Waldbau. 

Im  Durchschnitt  sämtlicher  zu  beachtender  Faktoren  ergibt  sich  beim  Vergleich 
von  Saat  und  Pflanzung  ein  unbedingtes  Plus  zugunsten  der  letzteren.  Namentlich 
sind  es  die  den  Pflanzungen  eigentümliche  raschere  Jugendentwicklung  und  Erstar- 
kung, der  damit  zusammenhängende  schnellere  Schluß  der  Kulturen  und  die  sehr 
beachtliche  größere  Widerstandsfähigkeit  der  Pflanzungen  gegen  meteorische  Ge- 
fahren, die  der  Pflanzung  ein  nicht  wegzuleugnendes  Uebergewicht  über  die  Saat 
verschaffen.  Es  ist  aber  gewiß  nicht  richtig,  die  Saat  deshalb  prinzipiell  zu  verwerfen, 
wie  es  hin  und  wieder  geschieht.  Das  vollständige  Verdrängen  der  Saat  durch  die 
Pflanzung  ist  nur  in  den  höheren  Gebirgslagen,  nicht  aber  in  der  Ebene  berechtigt. 

Erster  Teil. 
Herstellung  eines  kulturfähigen  Waldbodens.     Urbarmachung. 

Die  natürliche  Bestandesbegründung  setzt  in  allen  anderen  Fällen,  als  demjenigen  der 
Bandbesamung,  voraus,  daß  bereits  Wald  auf  der  Fläche  vorhanden  ist.  Bei  ihr  kommt  also 
die  Frage,  wie  manche  Böden  in  einen  kulturl'äliigen  Zustand  gebracht  werden  können,  kaum 
in  Betracht.  Hier  sollen  jetzt  einige  Fälle  kurz  berülirt  werden,  in  welchen  vor  dem  Holzanbau 
gewisse  Hindernisse  einer  erfolgreichen  Kultur  beseitigt  werden  müssen.  Es  handelt  sich  um 
die  Aufforstung  von  Flächen,  welche  ohne  spezielle  Vorbereitung  einen  brauchbaren  Wald- 
bestand zu  tragen  unfähig  sind.  Im  Gegensatz  hierzu  mögen  diejenigen  Operationen  der  Boden- 
bearbeitung, welche  den  Waldboden  nicht  gleichsam  erst  schaffen,  sondern  auf  die  Steigerung 
eines  bereits  vorhandenen  Bodenproduktionsvermögens,  bezw.  auf  besseres  Anschlagen  einer 
Mast,  sicheres  Gelingen  einer  Kultur,  kräftigere  Entwickelung  der  Bestands  gerichtet  sind, 
als  unmittelbare  Maßnahmen  der  Bestandesbegründung  und  -erziehung  betrachtet  und  an  der 
betreffenden  Steell  (als  Vorarbeiten  etc.)  besprochen  werden.  Die  hier  in  Betracht  kommenden 
Fälle  (,,Oedland"  im  weitesten  Sinne)  sind  vornehmlich:  Sümpfe,  Flugsand,  Raseneisenstein 
und  Ortstein,  Heide,  Torfmoore.  Grundlegende  Erörterungen  in  bezug  auf  die  in  den  Paragra- 
phen 48  bis  einschl.  53  besprochenen  Arbeiten  finden  sich  unter  III.  ,, Forstlichen  Standorts- 
lehre" (Handbuch,  1.  Bd.),  auf  welche  hier  verwiesen  werden  muß^). 

§  48.  I.  Behandlung  von  Sümpfen^):  Die  Frage  bildet  auch  einen 
Gegenstand  der  Besprechung  für  den  Forstschutz  (vgl.  Handbuch  2.  Bd.  VII.), 
weshalb  hier  nur  einige  Bemerkungen  mehr  allgemeiner  Natur  eine  Stelle  finden 
sollen.  .Jeder  Ueberschuß  an  Wasser  (für  verschiedene  Holzarten  verschieden  be- 
messen) ist  im  allgemeinen  dem  Holzwuchs  nachteilig,  ja  macht  diesen,  wenn  eine  ge- 
wisse Grenze  überschritten  ist,  meist  unmöglich.  Sollen  Orte  mit  Wasserüberschuß 
kultiviert  werden,  so  ist  das  Wasser  vorher  zu  entfernen.  Solche  Orte  finden  sich  in 
der  Niederung,  sowie  in  den  ebenen  Lagen  und  Becken  der  Gebirge.  Im  allgemeinen 
erleichtert  das  Höhenland  den  Abzug  der  atmosphärischen  Niederschläge  durch  seine 
vielfach  geneigte  Lage  (Einfluß  der  Schichtung,  Wasseradern  etc.).  Alle  Entwässe- 
rungsarbeiten sind  nur  auf  Grund  sorgfältigster  Begutachtung  aller  ihrer  Vor-  und 
Nachteile  einzuleiten.  Erstere  bestehen  —  abgesehen  von  dem  indirekten  Gewinn, 
welcher  einer  Gegend  aus  der  Vermehrung  ihres  Waldbestandes  erwachsen  kann  —  in 
der  Hauptsache  in  der  Ermöglichung  oder  wenigstens  Steigerung  der  Holzproduktion, 
letztere  in  den  aufgewendeten  Kosten,  sowie  in  der  durch  Wasserentzug  etwa  herbei- 
geführten Schädigung  umliegenden  Geländes.  Nicht  dringend  genug  kann  gefordert 
werden,  die  gegenseitige  Abwägung  nicht  auf  das  in  Frage  stehende  Grundstück  allein 


1)  Zu  vergl.  R  a  in  a  n  n  ,  Forstliche  Bodenkunde  und  Standortslehre.  Berlin,  1893j 
dass.  3.  Aufl.  unter  dem  Titel   Bodenkunde.    1911. 

2)  \gl.  Kaiser,  ,, Beiträge  zur  Pflege  der  Bodenwirtschaft  mit  besonderer  Rücksicht 
auf  die  Wasserstandsfrage".  Berlin,  bei  Springer,  1883.  Insbes.  S.  46  ff  —  B  u  r  c  k  h  a  r  d  t  , 
„Säen  und  Pflanzen",  6.  .\ufl.  S.  546  ff.  —  „.\us  dem  Walde"  VIII.  von  1877,  S.  66  ff.  —  R  e  u  ß, 
„Ueber  Entwässerung  von  Gebirgswaldungen"  Prag  1874.  —  Kraft,  „Zur  Entwässerungs- 
frage" in  ,,Aus  dem  Walde"  VI,  S.  112.  —  E  m  e  i  s  ,  Ueber  Entwässerung  des  Kulturbodens. 
Allg.  F.-  u    J.-Z.  1901,   S,  46. 


Die  BeslandcsbDgiündung.     §  48.  §9 

zu  beziehen,  sondern  den  Einfluß  der  geplanten  \\'asserstandsverändcrung  auf  die 
Umgebung  mit  zu  berücksichtigen  '■).  Die  Zuwachsvcrluste,  welche  hier  eintreten  kön- 
nen, ergeben  in  Verbindung  mit  dem  durch  die  Entwässerung  geforderten  Baraufwand 
sowie  den  Kosten  der  nachfolgenden  Kultur  oft  eine  Aufwandssumme,  welche  geeignet 
ist,  jeden  noch  so  hohen  auf  der  Fläche  selbst  zu  erzielenden  Holzwert  zu  paralysieren, 
bezw.  geradezu  in  einen  finanzwirtschaftlichen  Verlust  umzukehren.  Insbesondere 
hat  eine  solche  weitere  Umschau  liinsichtlich  der  Sumpfstellcn  der  Gebirge  einzutreten. 
Jedenfalls  sollte,  wenn  irgend  möglich,  das  an  einer  Stelle  freigegebene  Wasser  dem 
Walde  nicht  gänzlich  entzogen  werden  und  damit  für  den  Holzwuchs  verloren  gehen, 
sondern  zur  Bewässerung  trockener  Partien  venvendet  werden,  indem  man  es  nach 
solchen  hinleitet,  in  Löchern,  Gräben,  kleinen  Sammclweihern  etc.  staut  und  damit 
seitliches  Einsickern  in  den  Boden,  sowie  reichlichere  Verdunstung,  also  vermehrte 
Feuchtigkeit  und  hierdurch  besseren  Pflanzenwuchs  herbeiführt.  In  manchen  Fällen 
ist  man  offenbar  mit  der  Entwässerung  zu  weit  gegangen.  Da  und  dort  haben  sich 
deren  Nachteile  so  bald  gezeigt,  daß  man  die  bezüglichen  Arbeiten  unterbrochen, 
Gräben  wieder  beseitigt  hat  usw.  Die  ,,Wald-  und  Wasserfrage"  —  von  einer  solchen 
wird  mit  Recht  geradezu  gesprochen  —  bildete  namentlich  in  der  neueren  Zeit,  wo 
aucli  die  Anlage  von  Wasserleitungen  für  Gemeinwesen  vielfach  zur  brennenden  Ta- 
gesfrage geworden  ist,  häufig  den  Gegenstand  eingehender  Erörterungen  bei  Ver- 
sammlungen und  in  der  Literatur.  In  Hinsicht  auf  Entwässerungen  wurde  hierbei 
stets  zu  äußerster  Vorsicht  gemahnt  und  der  Grundsatz  vertreten,  daß  das  im  Walde 
vorliandene  Wasser  dem  Walde  tunlichst  erhalten  bleiben  solle,  demgemäß  das  irgend- 
wo im  Uebermaß  auftretende  Wasser  entsprechend  zu  verteilen,  nicht  aber  zu  ent- 
führen sei. 

Erweist  sich  die  Entfernung  des  Wassers  auf  Freiflächen,  Kulturen  usw.  als 
rätlich,  so  sind  zunächst  die  Ursachen  des  Wasserüberschusses  festzustellen.  Stets 
rührt  dieser  von  übermäßiger,  die  Verdunstung  und  den  Abfluß  übersteigender  Wasser- 
zufuhr her.  Diese  ist  für  die  Folge  hintanzuhalten:  Dämme  gegen  Ueberschwemmung 
seitens  fließender  Gewässer;  oberhalb  der  zu  schützenden  Fläche  anzulegende  Sam- 
melgräben zum  Auffangen  und  demnächstiger  Ableitung  von  Wassermengen,  die  an 
Hängen  zumal  auf  undurchlassender  Schicht  herabkommen.  Oder  es  ist  der  Abfluß, 
bezw.  die  Verdunstung  zu  beschleunigen,  damit  das  gewünschte  Verhältnis  hergestellt 
werde.  Bilden  undurchlassende,  nicht  zu  mächtige  Schichten  (in  ebener  Lage  oder  in 
Einsenkungen)  das  Hindernis  des  Wasserabzugs,  so  kann  sich  unter  Umständen  schon 
das  stellenweise  Durchstoßen  derselben  als  Abhilfe  empfehlen.  Anderenfalls  müssen 
etwa  vorhandene  Wasserrinnen  (Gräben,  Bäche  etc.)  vermehrtes  Gefäll  erhalten,  oder 
es  sind  Grabensysteme  neu  anzulegen.  Hierbei  finden  offene  Gräben  im  Walde  mehr 
Anwendung  als  bedeckte  (Drains  hauptsächlich  nur  zur  Entwässerung  kleinerer 
Stellen  in  Forstgärten  usw.).  Ein  genaues  Nivellement  ist  oft  erforderlich,  bei  größeren 
Objekten  (Entwässerung  ausgedehnterer  Flächen)  meist  unentbehrlich.  Sauggräben 
zum  unmittelbaren  Herausziehen  des  Wassers  aus  dem  Boden,  Verbindungsgräben, 
Abzugsgräben  werden  bei  der  Durchführung  in  geeigneter  Weise  zu  einem  Graben- 
system verbunden. 

In  allen  Fällen  ist  zu  ei"wägen,  ob  vollständige  Wegführung  des  W'assers  (oft  in- 
folge dessen  zu  weit  gesteigerte  Trockenheit  im  Sommer!)  an  der  betr.  Oertlichkeit 
angezeigt  ist,  oder  ob  nicht  vielmehr  schon  die  Senkung  des  Wasserspiegels  um  einen 
gewissen  Betrag  die  gewünschte  Kultur  ermöghcht.    In  letzterem  Falle  wird  auf  die 

1)  Vergl.  Re  t  Is  t  a  d  l,  ,,Ueber  den  Einfluß  der  Senkung  von  Seespiegeln  a\if  benachbarte 
Forsten",  in  ,,Aus  dem  Walde"  VII.  von  1876,  S.  219  ff. 


90  VI.  Lorey,    Waldbau. 

Verbindung  der  Graben  mit  den  natürlichen  Wasserabzugsrinnen  (Bäche,  Flüsse)  ver- 
zichtet; entsprechend  tief  eingeschnittene  Stückgräben,  Löcher  usw.  können  genügen, 
der  Wasserstand  in  ihnen  gestattet  die  Beurteilung  des  Erfolges. 

§  49.  II.  F  1  u  g  s  a  n  d  1) :  Der  als  Flugsand  bezeichnete  feinkörnige,  bindemittel- 
arme und  deshalb  vom  Winde  leicht  fortbewegte  Sand  findet  sich  am  Meere  als  Dünen- 
sand und  im  Binnenland  als  Binnensand.  Seine  Entstehung  ist  am  Meere  auf  die  fort- 
gesetzte Zuführung  neuer  Sandmassen,  im  Binnenlande  meist  auf  fehlerhafte  wirt- 
schaftliche Behandlung  leichter  Sandböden,  Waldverwüstung,  intensive  Streu-  und 
Weidenutzung  und  Liegenlassen  der  entwaldeten  und  abgebrannten  Flächen  zurück- 
zuführen. Man  bezeichnet  die  zum  Oedland  gehörenden  binnenländischen  Sandge- 
biete vielfach  als  Sandschollen  oder  Sandschellen  und  erkennt  in  ihrer  L^eberführung 
in  Kulturboden  gleichwie  in  der  Bindung  und  Aufforstung  des  Dünensandes  eine  der 
wichtigsten  Aufgaben  der  modernen  Kulturtechnik.  Voraussetzung  für  die  forstliche 
Kultur  des  Flugsandes  ist  seine  Bindung,  d.  h.  seine  Beruhigung  mit  Hilfe  der 
sog.  Deckwerke. 

1 .  Bindung  und  Kultur  von  B  i  n  n  e  n  s  a  n  d  ^).  Als  Vorarbeit 
empfiehlt  sich  neben  Fernhaltung  aller  bodenlockernden  Maßnahmen  (Vieheintrieb, 
Befahren  mit  Fuhrwerken)  reine  mechanische  Einebnung  der  gröbsten  Unebenheiten, 
bestehend  in  sanfter,  glatter  Abschrägung  schroffer  Ränder  der  ausgewehten  Sand- 
kehlen, Abtragung  der  Firste  und  Köpfe  der  Dünen,  Abböschung  steiler,  zerklüfteter 
Seiten.  In  den  Sandkehlen  wirkt  Aufstellen  von  Fangzäunen  und  Einfüllung  sperri- 
gen Reisigs  und  Strauchwerks  planierend.  Die  dann  folgende  Deckung,  d.  h. 
die  Beschwerung  des  Landes  mit  Reisig,  beasteten  Kiefernstangen,  Hackreisig  (Häck- 
sel), Heidekraut,  Schilf,  Besenpfrieme,  Rohr,  Binsen  oder  anderen  sich  örtlich  dar- 
bietenden LInkräutern,  besser  noch  mit  schachbrettförmig,  streifenweise  oder  quartier- 
weise ausgelegten  Plaggen  von  Rasen,  Heide  oder  Beerkräutern  beginnt  auf  der  Wind- 
seite und  sorgt  für  Beruhigung  der  dem  Winde  am  meisten  exponierten  Rücken  und 
Seiten  der  Sandhügel.  Es  ist  selbstverständlich,  daß  von  der  Art  und  Dichte  der 
Deckung  der  Erfolg  wesentlich  beeinflußt  wird.  Je  leichter  das  Deckmaterial,  um  so 
notwendiger  ist  es,  durch  verankerte  Querstangen,  Bewerfen  mit  Sand  usf.  für 
Festliegen  zu  sorgen.  Plaggen,  die  mit  der  Wurzelschicht  nach  unten  gelegt,  anzu- 
wachsen vermögen,  sind  am  sichersten,  aber  am  teuersten.  Die  Verwendung  von 
aufrecht  gestellten  Flechtzäunen  (Koupierzäunen),  die  netzförmig  die  zu  bindende 
Fläche  durchziehen  und  zum  Brechen  des  Windes  und  Aufhalten  des  bewegten 
Sandes  dienen,  ist  beim  Dünenbau  häufiger.  Sie  haben  sich  aber  auch  bei  der 
Bindung  von  Binnensanden  und  zwar  um  so  besser  bewährt,  je  enger  sie  gestellt  und 
je  kleiner  dann  die  von  ihnen  gebildeten  Quartiere  wurden.  Die  Aufforstung  der 
Flugsandböden  erfolgt  gleichzeitig  mit  ihrer  Festlegung  oder  bald  hinterher  und  ge- 
sclüeht  durch  Pflanzung  von  Kiefer,  Bergkiefer,  Bankskiefer,  Pechkiefer.  Hin  und 
wieder  sind  auch  Laubhölzer,  namentlich  Weiden  und  Pappeln,  in  Ungarn  in  großem 
Maßstabe  und  mit  Erfolg  die  Robinie,  verwendet  worden.  Die  frülier  öfters  angewen- 
dete Saat  (Zapfensaat)  hat  sich  heim  Kiefernanbau  weniger  bewährt  als  die  Pflan- 
zung mit  Ballenpflanzen  oder  kräftigen  •2jährigen  verschulten  ballenlosen  Pflanzen. 
Kann  Düngung  mit  der  Pflanzung  verbunden  werden,  so  ist  das  im  Interesse  der  Er- 


1)  Vergl.  Wessely,    ,,Der  Europäisclie  Flugsand  und  seine  Kultur",  1873. 

2)  K  e  r  n  e  r  ,  Die  Aufrorstung  des  Flugsandes  im  ungarischen  Tiefland.  Oesterr.  Munals- 
scliritt  f.  Forstwesen  1865,  S.  3.  —  B  u  r  c  k  h  a  r  d  t  ,  Zur  Kultur  des  Flugsandes.  A.  d.  Walde, 
8.  Hft.  1877,  S.  167.  —  M  e  s  c  h  w  i  t  z  ,  Die  Flugsandbiudung  und  der  Wiederanbau  auf  einer 
Militärpachtfläche  des  Dresdener  Forstreviers.    Thar.  Jhrb.  1882,  S.  138. 


Die  Beslandosbct'rüiKjung.     §  49.  91 

höhunp;  des  meist  nur  sehr  sreririiron  N;ihrstoff<rehaRes  des  Flutjsiindes  iiiii'  erwünscht. 
Besonders  wertvoll  ist  die  Zufiihrunfi;  von  Stickstoff  durcii  Lupinenanbau  oder  durch 
Beigabe  von  Moorerde  und  anderen  Humusstoffen  bei  Herstellung  der  Pflanzlöcher. 
"2.  Bin  d  u  n  g  u  n  d  Kult  u  r  v  o  n  D  ü  n  e  n  s  a  n  d  ').  DaO  speziell  der 
Bindung  und  evcut.  Bewaldung  der  Düne  längs  der  Meeresküste  im  allgemeinen  Kul- 
turinteresse eine  hervorragende  Bedeutung  zukommt,  liegt  auf  rlci'  Hand.  Umfäng- 
liche Arbeiten  haben  in  dieser  Richtung  z.  B.  in  Südwestfrankreich,  aber  auch  in 
den  deutschen  Küstengebieten  (z.  B.  Ostpreußen:  kurische  Nehrung  usw.)  stattgefun- 
den und  werden  mit  großer  Energie  fortgesetzt.  Die  wichtigste  vorbereitende  Arbeit 
bei  der  Aufforstung  des  Dünengeländes  ist  die  S  c  h  a  f  f  u  n  g  e  i  n  e  r  V  o  r  d  ü  n  e, 
die  den  Zweck  hat,  den  von  der  See  kommenden  Sand  auch  längs  der  See  festzuhalten 
und  die  unausgesetzte  Sandzufuhr  nach  dem  Festlande  zu  verhindern.  Die  Vordüne 
wird  dadurch  künstlich  angelegt,  daß  man  entlang  der  Küste  und  in  entsprechender 
Entfernung  vom  Wasserspiegel  (40 — 50  m  an  der  Ostsee,  75 — 100  m  an  der  Nordsee) 
in  der  Richtung  der  geplanten  Düne  zwei  0.6 — 0,7  m  hohe  lockre  Strauchzäune  in 
2  m  Abstand  voneinander  im  Frühjahr  fertigt.  Sobald  sie  versandet  sind,  was  inner- 
halb der  folgenden  Wochen  geschieht,  werden  2  neue  Zäune  auf  der  Krone  des  ent- 
standenen Sanddammes  errichtet,  die  bis  zum  Herbst  ebenfalls  versanden.  Der  so 
gebildete  1,5  m  hohe  Sandwall  wird  im  Herbst  mit  Sandgras  (Amophila  arenaria  oder 
Elymus  arenarius)  bepflanzt  und  zwar  auf  der  Seeseite  netzweise,  auf  der  Binnenseite 
nur  in  parallelen,  2  m  voneinander  entfernten  senkrecht  an  der  Dünenböschung  her- 
ablaufenden Reihen.  Bei  der  Graspflanzung  werden  die  auf  der  seeseitigen  Böschung 
angewendeten  4  c[m  großen  Netze  auch  im  Innern  mit  Grasbüscheln  besetzt,  sie  wer- 
den ,,ausgebüschelt"  und  zwar  um  so  dichter,  je  höher  an  der  Dammkrone  sie  liegen. 
Da  das  Gras  den  vom  Strande  antreibenden  Sand  festhält,  verbreitert  und  erhöht  sich 
die  Vordüne  nach  und  nach.  Je  breiter  ihre  Basis  im  Vergleich  zur  Höhe  wird  und 
je  flacher  ihre  Außenböschung  ist,  um  so  größer  ist  ihre  Widerstandsfähigkeit.  Die 
fertige,  an  der  Ostsee  6  m,  an  der  Nordsee  8 — 10  m  hohe  Vordüne  bedarf  einer  stän- 
digen und  sorgfältigen  Unterhaltung,  Pflege  und  Beaufsichtigung,  damit  den  durch 
Wasser  und  Wind  herbeigeführten  Schäden  sofort  mit  Graspflanzungen  und  Errich- 
tung von  Strauchzäunen  entgegengetreten  werden  kann.  Sobald  die  Vordüne  den 
von  der  See  ausgeworfenen  Sand  vollständig  zurückhält,  kann  mit  der  Festlegung  und 
Aufforstung  der  landeinwärts  gelegenen  Dünenrücken,  der  Binnendünen,  begonnen 
werden.  Man  folgt  hierbei  der  Windrichtung,  beginnt  also  hinter  der  Vordüne  und 
rückt  landeinwärts  vor.  Von  dem  früher  geübten  Verfahren,  die  Festlegung  der  Dü- 
nen durch  Sandgraspflanzung  zu  besorgen  und  erst  nach  5  bis  6  Jahren  die  Aufforstung 
folgen  zu  lassen,  ist  man  jetzt  abgekommen,  weil  die  Aufforstung  in  diesem  Falle  in 
dem  mittlerweile  fest  gewordenen  Boden  tiefgehende  und  kostspielige  Lockerung  not- 
wendig macht.  Die  Festlegung  der  Dünen  gescliieht  jetzt  meist  durch  Bestrauchung, 
d.  h.  durch  netzförmiges  Bestecken  mit  Nadelholzreisig  oder  abgestorbenem  Rohr. 
Man  wählt  hierbei  je  nach  der  Gefährlichkeit  der  festzulegenden  Stellen  eine  engere 
oder  größere  Maschenweite  und  steckt  an  besonders  gefährdeten  Oertlichkeiten  noch 
die  Diagonalen  der  viereckigen  Felder  aus.  Das  Besteck  wird  50  cm  lang  genommen 
und  mittels  Spatens  so  in  den  Boden  geklemmt,  daß  ^/g  herausstehen.  Im  unmittel- 
baren Anschluß  an  die  im  Herbst  vorgenommene  Bestrauchung  werden  in  den  Ma- 


1)  Gerhardt,  Handbuch  de.s  deutsclien  DOnenbaues.  Berlin  1900.  —  J  e  n  l  s  c  li  , 
Dünenbefe-stigung  und  Aufforstung  im  südwestliclien  Frankreich.  Forstw.  Zenlialbl.  1907, 
S.  10,  77.  —  O  u  §  r  i  t  e  t ,  Boiseinent  de  dunes  et  de  bruyüies  en  Daneniarl<.  Bull,  de  la  Soc. 
centrale  foresti^re  de  Belgique  1909,  S.  1,t7.  —  Bock,  Der  Diuienbau.  Bericlit  üli.  d.  Vers, 
des  deutschen  Forstvereins  zu  Danzig  1906,  S.  70. 


92  ■^  J-  L  0  r  e  y  ,    Waldbau. 

sehen  je  nach  ihrer  Größe  mehr  oder  weniger  Pflanzplätze  für  die  im  zeitigen  Früh- 
jahr folgende  Bepflanzung  fertig  gemacht.  Die  Vorbereitung  dieser  Plätze  geschieht 
am  besten  durch  Mischung  des  Sandes  mit  Humus,  humosen  Lehm  oder  Moorerde, 
also  durch  Düngung.  Die  Beigabe  von  Kainit  und  Superphosphaten  scheint  nach  den 
vorliegenden  Erfahrungen  ebenfalls  günstig  zu  wirken.  Die  Pflanzplätze  dürfen,  um 
den  notwendigen  schnellen  Schluß  der  Kultur  zu  erreichen,  nicht  über  1  m  von  einan- 
der entfernt  sein  und  werden  so  zeitig  wie  möglich  im  Frühjahr  mit  je  4 — 8  Pflanzen 
bester  Beschaffenheit  bepflanzt,  damit  kleine  Horste  entstehen.  Als  Holzart  kom- 
men hauptsächüch  Kiefer  und  Bergkiefer,  in  beschränktem  Maße  Fichte  und  Weiß- 
fichte, in  den  feuchten  und  nassen  Einsenkungen  Schwarzerle  und  Birke  in  Betracht. 
Außer  diesen  sind  stellenweise  Schwarzkiefer,  Pech-  und  Bankskiefer,  auch  Rüster, 
Pappeln,  Weiden  und  Weißerle  angebaut  worden.  Am  besten  hat  sich  nach  den  in 
Dänemark  und  Ostpreußen  gesammelten  Erfahrungen  die  Bergkiefer  und  zwar  P. 
montana  var.  uncinata  bewährt.  Sie  hält  sich  dicht  geschlossen,  schützt  dementspre- 
chend den  Boden  vor  den  schädigenden  Einflüssen  von  Wind  und  Sonne  gut  und  ihre 
dichten,  derben  Nadeln  sind  gegen  die  vom  Winde  angetriebenen  Sandkörner  und 
Eiskrystalle  ebenso  unempfindlich  wie  es  die  ganze  Pflanze  gegen  Winterfrost,  plötz- 
liche Temperaturschwankungen  und  Sturm  ist.  Die  gemeine  Kiefer  ist  den  Einflüssen 
der  See  und  Seewinde  weniger  gewachsen  und  stellt  sich  auf  trockenem,  armen  Dünen- 
boden leicht  Hcht.  Eine  wesentliche  Bodenbesserung  ist  von  ihr  hier  nicht  zu  erwarten. 
Auf  frischeren  Stellen  und  in  geschützteren  Lagen  aber  ist  sie  brauchbar.  Man  pflanzt 
sie  meist  Ijährig,  die  Bergkiefer  2jährig.  Fichte  ist  weder  wind-  noch  seefest  und  paßt 
nicht  für  die  Seenähe.  Viel  geeigneter  scheint  infolge  größerer  Widerstandsfähigkeit 
die  Sitkafichte  zu  sein.  Die  amerikanische  Weißfichte  (Picea  alba),  die  man  mehr- 
fach zur  Bildung  von  Windmänteln  benutzte,  ist  ebenso  empfindlich  wie  excelsa, 
macht  aber  geringere  Ansprüche  an  die  Bodengüte  und  Bodenfrische.  Die  Schwarz- 
erle endlich  hat  sich,  hinreichende  Feuchtigkeit  vorausgesetzt,  ganz  befriedigend  selbst 
auf  ziemlich  ausgewaschenem  Seesand  entwickelt  und  ist  gegen  Wind  und  Sand  ähn- 
lich unempfindlich  wie  die  Hakenkiefer.  Die  Kosten  der  Aufforstung  einschl.  Be- 
strauchung  sind  natürlich  hoch  und  stellen  sich  für  1  ha  auf  1000 — 1200  Mk.  Bei 
Verwendung  guter  Pflanzen  sind  größere  Nachbesserungen  aber  nicht  nötig.  Sie 
müssen  aber,  auch  wenn  es  sich  um  kleine  Fehlstellen  handelt,  so  schnell  wie  möglich 
und    sorgfältig    ausgeführt   werden,    damit    der    Boden    bald    gedeckt    wird. 

§  50.  HL  Raseneisenstein  und  Ortstein  i):  Die  durch  anorgani- 
sche oder  organische  Absätze  gebildeten  Schichten  beeinträchtigen  den  Pflanzen- 
wuchs, indem  sie  das  Eindringen  der  Wurzeln  sowie  des  Wassers  in  die  Tiefe  (Versump- 
fung) und  das  Aufsteigen  des  Grundwassers  aus  der  Tiefe  hindern.  Mangelhafte  Bo- 
dendurchlüftung wirkt  ebenfalls  schädlich.  Bei  der  häufigsten  hierher  gehörigen  Er- 
scheinung, der  Ortsteinbildung,  kommt  hinzu,  daß  die  zum  Entstehen  des  Ortsteins 
führende  Anhäufung  von  Trockentorf  eine  totale  Auslaugung  und  Verdichtung  der 
oberen  Bodenschicht  zur  Folge  hat.    Diese  Verarmung  und  Verödung  der  Ortstein- 

1)  Ueber  Wesen  und  Entstehung  von  Ortstein,  vgl.  Handbuch  Bd.  I,  III.  Slandortslehre. 
—  Vgl.  überdies  .\  1  b  e  r  t ,  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Ortsteinbildung.  Zeitschr.  f.  F.-  u.  Jw. 
1910,  S.  327.  —  A.  Mayer,  Ueber  die  Ursachen  der  Bildung  von  Ortstein.  Fühlings  Landw. 
Ztg.  1910,  S.  315.  —  E  m  e  i  s  ,  Waldbauliche  Forschungen  und  Betrachtungen.  Berlin  1876.  — 
D  e  r  s.  ,  Die  Ursachen  der  Ortsteinbildung  und  ihr  Einfluß  auf  die  Landeskultur  in  Schleswig- 
Holstein.  AUg.  F.-  u.  J.-Z.  19U8,  S.  1.  —  Otto,  Erfahrungen  über  die  Oedlandaufforstungen  im 
Heidegebiet  Nordwesldeutschlands.  Bericht  üb.  d.  4.  Vers.  d.  deutsch.  Forstver.  1903,  S.  83  ff.  — 
S  c  h  i  m  m  e  1  p  f  e  n  n  i  g  ,  ,,Der  Dampfpflug  im  Dienste  der  Forstwirtschaft"  in  der  Zeitschr. 
für  Forst-  u.  Jagdwesen  \'.  Band  (1873)  S.  161  ff.  —  Müller,  Die  natürlichen  Humusformen, 
1887.  —  R  a  m  a  n  n  ,  Bildung  und  Kultur  des  Ortsteins.  Zeitschr.  f.  Forst-  u.  J.  1886,  S.  14. 


Die  Bestandesbegründung.     §  50.  93 

böden  ist  in  gleicliem  Maße  mitwirkend  bei  deren  Minderwertigkeit  wie  ihre  durch 
die  Ortsleinbildung  bedingte  Flacligründigkeit.  Sowohl  Raseneisenstein  wie  Ortstein 
bilden  sich,  wo  die  Bedingungen  dafür  gegeben  sind,  fortwährend.  Mittels  strecken- 
weisen Durchbrechens  jener  Schichten  wird  die  Verbindung  zwischen  Oberboden 
und  Untergrund  hergestellt.  Beim  Raseneisenstein  erfolgt  das  Heravisbrechen  zu- 
meist unter  Anwendung  von  Spitzhaue  und  Rodhacke.  Da  ^h  mächtige  geschlossene 
Raseneisensteinbänke  meist  in  feuchten  Gebieten  finden,  wo  eine  Senkung  des  Was- 
serspiegels der  Kultur  voraufgehen  muß,  und  die  Bearbeitung  des  Raseneisensteins 
teuer,  die  erzogenen  Bestände  aber  oft  minderwertig  sind,  bietet  die  waldbauliche 
Behandlung  solcher  Flächen  häufig  keinen  greifbaren  Vorteil. 

Auch  beim  Ortstein  muß,  wenn  er  nicht  zu  tief  und  mächtig  liegt  und  wenn  Ab- 
führung eines  etwa  vorhandenen  Wasserüberschusses  nicht  notwendig  ist,  eine  gründ- 
liche Zerstörung  der  verhärteten  Schicht  eintreten.  Das  kann  nur  durch  Tiefumbruch 
geschehen.  Welcher  Werkzeuge  man  sich  hierbei  bedient,  hängtvonder  GrößeundEben- 
heitderFlächeab.  Die  frühervielfach  angewendete  Methode,  mit  Hilfe  des  Spatens  den 
Ortstein  zu  durchbrechen  und  durch  Umkehren  der  Schichtlage  herauszuheben,  ist 
für  den  Großbetrieb  zu  teuer,  denn  der  ha  kostet  selbst  bei  nur  streifenweisem  Rigolen 
200 — 300  M.  Im  Großbetriebe  kommt  nur  die  Pflugkultur  in  Betracht;  sie  gestattet, 
die  Ortsteinschicht,  so  lange  sich  diese  in  erreichbarer  Tiefe  befindet,  zu  durchbrechen 
und  nach  oben  zu  bringen.  Eine  Methode,  die  den  Ortstein  nicht  an  die  Oberfläche  bringt, 
hat  keinen  AA'ert.  weil  sich  Ortstein  nur  bei  vollem  Luftzutritt  zersetzt.  Bei  der  Pflug- 
kultur wendet  man  teils  Gespann-,  teils  Dampfpflüge  an.  Letztere  arbeiten  ohne 
wesentliche  Erhöhung  der  Kosten  besser,  da  sie  einen  bis  80  cm  tiefen  Umbruch  fertig 
bringen,  während  der  von  Pferden  gezogene  Pflug  nicht  tiefer  als  ÖO  cm  arbeitet.  Ge- 
Möhnlich  werden  beim  Pflügen  mit  Pferden  2  Pflüge  verwendet.  Die  von  einem  \'or- 
pfluge  oder  Schälpfluge  geöffnete  Furche  vrird  von  dem  nachfolgenden  Untergrund- 
pfluge tiefer  durchgearbeitet  und  umgebrochen.  Ob  voller  oder  nur  teilweiser  Umbiiich 
der  Fläche  angezeigt  ist,  hängt  von  den  Verhältnissen  ab.  Der  geringere  Kostenauf- 
wand der  streifenweisen  Bearbeitung  spricht  scheinbar  für  allgemeinere  Anwendung 
dieser  Methode.  Im  großen  ganzen  aber  ist  der  Kostenunterschied  kein  sehr  erheb- 
licher, so  daß  namenUich  beim  Dampfpflügen  \'ollumbruch  der  Fläche  ratsam  ist.  Bei 
streifenweisem  Pflügen  müssen  die  gepflügten  Streifen  mindestens  2  bis  3  m  breit 
genommen  werden.  Sclmiale  Streifen  haben  den  Nachteil,  daß  der  Boden  hier  in  ver- 
stärktem Maße  ausgelaugt  wird,  weil  sich  die  Sickerwässer  nach  den  durchbrochenen 
Stellen  hinziehen.  Aus  demselben  Grunde  ist  auch  das  löcherweise  Durchbrechen  der 
Ortsteinschicht  nicht  empfehlenswert.  Löcherweise  Bodenbearbeitung  läßt  sich  aber 
gewölmlich  auf  unebnen,  hügeligen  Ortsteinböden  nicht  umgehen,  weil  hier  mit  dem 
Pfluge  nichts  zu  machen  ist.  In  solchem  Falle  ist  es  erwünscht,  die  Löcher  wenigstens 
möglichst  groß  zu  machen,  da  sie  sonst,  ebenso  wie  sclmiale  Streifen,  Gefahr  laufen, 
bei  dem  verhältnismäßig  raschen  Nachwachsen  des  Ortsteins  sich  schneller  wieder  zu 
schließen,  ehe  die  Pflanze  mit  ihren  Wurzeln  in  den  Untergrund  gelangt  ist.  Die 
Kosten  des  Pflügens  stellen  sich  bei  Venvendung  von  Gespannpflügen  bei  gleicher 
Leistung  höher  als  bei  Venvendung  des  Dampfpfluges,  sind  aber  im  ersteren  Falle 
meist  etwas  geringer,  weil  weniger  tief  gepflügt  wird.  Sie  schwanken  bei  Gespann- 
pflügen und  streifenweiser  Bodenbearbeitung  zwischen  60  und  110  Mk.  und  stellen 
sich  bei  Dampfpflugarbeit  und  Vollumbruch  selbst  unter  schwierigen  Verhältnissen 
im  allgemeinen  nicht  höher  als  100  bis  110  Mk.  für  1  ha.  Je  größer  die  Flächen  sind, 
die  mit  dem  Dampfpfluge  gepflügt  werden,  um  so  billiger  wird  die  Arbeit.  Stark  ver- 
heidete  Ortsteinböden  werden  vor  dem  Dampfpflügen  zweckmäßigerweise  abgebrannt, 


94  ^I    L  o  r  c- y  ,    Waldbau. 

um  die  Arbeit  zu  erleichtern  und  das  Unterbringen  der  schwer  zersetzbaren  Heide- 
polster zu  verhindern. 

Liegt  die  Ortsteinschicht  sehr  tief  oder  unter  einer  Moorschicht,  handelt  es  sich 
in  Bodeneinsenkungen  um  Abführung  überschüssigen  Wassers  und  um  Beseitigung 
stauender  Nässe,  so  läßt  sich  die  notwendige  Entwässerung  zwar  hin  und  wieder  mit 
der  Pflugkultur  verbinden,  indem  offen  liegen  bleibende  Furchen  so  weit  vertieft 
werden,  daß  sie  als  Abzugsgräben  wirken,  im  allgemeinen  aber  wird  in  den  angeführ- 
ten Fällen  Rabattierung  notwendig  werden,  um  den  Boden  in  kulturfähigen 
Zustand  zu  bringen.  Man  liebt  gleichlaufende,  hinreii'hend  tiefe  (1 — 1,2  m)  und  die 
Ortsteinschicht  durchbrechende  Gräben  aus  und  bringt  den  Ortstein  und  die  unter 
diesem  liegende  unverdorbene  Bodenschicht  auf  die  Beete  oder  Bänke,  die,  wenn  die 
Rabattierung  wirksam  sein  soll,  möglichst  nicht  über  4  m  breit  gemacht  werden  dür- 
fen. .Je  breiter  sie  werden,  um  so  billiger  stellt  sich  zwar  die  an  und  für  sich  sehr  kost- 
spielige Kulturmaßregel,  um  so  mehr  läßt  aber  auch  die  Wirksamkeit  der  Rabattie- 
rung nach.  Bei  richtiger  Ausführung  hat  sich  die  Rabattenkultui'  meist  als  ein  sehr 
vorteilhaftes  \'erfahren  gezeigt,  das  sowohl  in  bezug  auf  Bodenverbesserung  durch 
Trockenlegung  und  bessere  Durchlüftung,  wie  auch  in  bezug  auf  das  Wachstum  der 
auf  den  Beeten  geschaffenen  Kulturen  voll  befriedigte.  Leider  ist  es,  sobald  die  Grä- 
ben in  der  wünschenswerten  nahen  Entfernung  voneinander  gezogen  werden,  so 
teuer,  daß  seine  Anwendung  im  Großbetrieb  nicht  rentabel  ist.  Die  Kosten  der  Ra- 
battierung betragen  für  1  ha  250 — 350  Mk. 

Ob  sich  überhaupt  sowohl  bei  diesem  Verfahren  wie  bei  der  billigeren  Pflug- 
kultur der  Aufwand  für  die  Bodenmelioration  im  Holzertrage  bezahlt  macht,  ist  von 
Fall  zu  Fall  Gegenstand  besonderer  Rechnung.  Vielenorts  scheint  der  Holzwuchs 
die  Ausgabe  zu  lohnen  i). 

In  engstem  Zusammenhange  mit  der  Urbarmachung  der  Ortsteinböden  steht 
die  der 

§  5L  IV.  H  e  i  d  e  b  ö  d  e  n  -).  In  vielen  Fällen,  aber  keineswegs  immer,  sind 
die  vorgenannten  Ortsteinböden  mit  Heideböden  identisch.  Die  Ortsteinbildung  ist, 
wie  große  ausgedehnte,  völlig  ortsteinfreie  Heideflächen  beweisen,  keine  Vorbedingung 
der  Verheidung,  wohl  aber  finden  sich  Ortsteinbildung  und  Verheidung  oft  zusammen 
und  sind  auf  die  schon  oben  genannten  Lirsachen  (Waldverwüstung,  rücksichtslose 
Streunutzung,  Trockentorfbildung  und  damit  zusammenhängend  Auslaugung,  Aus- 
trocknung und  Verdichtung  der  oberen  Bodenschicht,  Vermoorung,  Senkung  des 
Grundwasserspiegels)  zurückzuführen.  In  Deutschland  finden  sich  große  durch  Zu- 
rücktreten des  Baumwuelises  und  durch  mehr  oder  weniger  üppiges  Auftreten  der 
Heidepflanzen,  namentlich  von  Calluua  vulgaris  und  Erica  tetralix,  ausgezeichnete 
Heidegebiete  im  Nordwesten  (Lüneburger  Heide,  Ostfriesland,  Schleswig-Holstein, 
Westfalen,  Mecklenburg),  an  der  Ostseeküste  (Mecklenburg,  Pommern,  Westpreu- 

1)  Kraft,  lieber  Ortsteinkulturen,  Zeitschr.  t.  Forst-  u.  J.  1891,  709.  —  Orlstein- 
aufforstung  mit  Kiefer  in  der  preuß.  Oberförsterei  Nienburg  (Vers,  des  Vereins  deutscher  forsll. 
Versuchsanstalten,  1894,  cfr.  Allg.  Forst-  u.  ,J.-Z.  1895,  26).  f 

2)  G  r  a  e  b  n  e  r  ,  Die  Heide  Norddeutschlands  und  die  sich  anscliließenden  Formalionen 
in  biologischer  Betrachtung,  1901.  2.  Auil.  u.  d.  Tit.:  Handbuch  der  Hcidckultur,  1904.  —  Erd- 
mann, Die  Heideauftorstung  und  die  weitere  Behandlung  der  aus  ihr  hervorgegangenen  Be- 
stände. Berlin  1904.  —  D  e  r  s.,  Die  nordwestdeutsche  Heide  in  forstlicher  Beziehung.  Berlin 
1907.  —  Emeis,  Waldbauliche  Forschungen,  Berlin  1876.  —  Borggreve,  Heide  und 
Wald.  Berlin  1875.  —  Bericht  üb.  d.  IV.  Vers,  des  deutschen  Forstvereins  zu  Kiel  1903,  S.  8.3  ff. 
(Otto,  O  u  a  e  t  -  F  a  s  1  e  m  ,  van  S  c  h  e  r  m  b  e  e  k  ,  H  a  h  n);  desgl.  \I1.  Vers,  zu  Danzig 
1906  (v.  S  y  d  o  w:  Forstliche  Behandlung  der  Oedländereien  in  Westpreußen,  S.  49).  —  Met  z- 
ger,  Ueber  die  Heide  in  Jütland  und  ileren  Aufforstung.  Mündener  forsll.  Hefte  XIII.  1898 
und  sehr  zahheiche  andere  .Artikel  der  forstl.   Zeilächriften. 


Die  Beslandesbegründung.     §  51.  95 

ßen),  in  Brandenburg  (Prignitz)  und  in  der  Lausitz.   An  das  nordwesldcnlsclie  Heide- 
gebiel  sehließen  die  jütländisehen  und  nicderländiselien  Heiden  an. 

Leber  die  Frasre  der  Heideaufrcirsliim;  wird  sclmii  seit  lange  Streil  gcffilirt,  d.  Ii.  insl)eson- 
dere  aiicli  daniber.  ob  unsere  aiisgedelnilen  lleidefläclien  in  frülierer  Zeit  einmal  \Sald  gelrairen 
Ilaben  oder  nicht,  sowie  darüber,  ob  die  Kosten  etwaiger  Aufforstung  sicli  in  den  zu  crzielienden 
Bestämlen  lohnen  werden.  Die  Debatte  im  einzelnen  zu  verfolgen,  würde  hier  zu  weit  führen. 
Der  (ledanke,  die  ausgedehnten  Heideflächen  dem  Walde  zu  gewinnen,  liegt  gewiß  ludu'.  uni- 
somehr,  als  es  sieh  zum  großen  Teile  um  ein  Wiedergewinnen  handelt. 

Denn  von  einem  großen  Teile  des  jetzigen  nordwestdeutschen  Heidegebietes  steht  fest, 
daß  sich  früher,  und  zwar  vor  nicht  langer  Zeit,  Wald  dort  vorfand,  wo  jetzt  die  Heide  herrscht. 
Der  zunächst  im  ehemaligen  Kgr.  Hannover  durch  Burckhardt  angeregte  und  lebhaft  geförderte 
Aufforstungsgedanke  begegnete  auf  vielen  Seiten  Bedenken  hinsichtlich  der  Rentabilität.  Man 
wies  von  gegnerischer  Seite  darauf  hin.  daß  die  Heideflächen  auch  ohne  Wald  keineswegs  ganz 
ertraglos  seien,  sondern  durch  Sctiatweide,  Plaggenhieb  und  Streunulzung  Erträge  brächten, 
und  daß  der  finanzielle  Effekt  der  .\ufforslung  mindestens  zweifelhaft  sei.  Erfreulicherweise 
haben  sich  staatliche  und  kommunale  Körperschaften  dadurch  nicht  abhalten  lassen,  sich  der 
Aufforstung  von  Heideböden  mit  aller  Energie  zuzuwenden.  Es  sind  schon  sehr  bedeutende 
Mittel  für  Aufforslungszwecke  \  erausgabl  worden.  In  Schleswig,  Hannover  und  Dänemark 
bildeten  sich  besondere  Heidekullurvereine  und  nahmen  sich  der  .^ufforstungsfrage  auf  das 
Tatkräftisste  an.  In  Hannover  haben  sich  neben  Forstdirektor  B  u  rc  k  h  a  rd  t  namentlich  der 
Leiter  der  Provinzialforstverwaltunsr,  Landesforstral  O  u  a  e  t  -  F  a  s  1  e  m  ,  in  Schleswig  der 
\orstand  des  Heidekulturvereins,  Forstdirektor  E  m  e  i  s,  große  \'erdienste  um  die  Heideauf- 
forstung erworben.  In  Hannover  sind  bis  1903  unter  Ouaet-Faslems  .Mitwirkung  20  000  ha,  in 
Schleswig-Holstein  seit  1876  bis  1903  17  000  ha  Heideödland  aufgeforstet  worden.  Die  1867 
gegründete  dänische  Heidegesellschaft  hat  bis  190b  bb  000  ha  ,, Plantagen",  d.  h.  Aufforstungs- 
wälder angelegt. 

Die  Aufforstungstechnik  auf  Heideböden  liat  ihre  ^laßnahmen  so  zu  treffen, 
daß  die  den  Heideböden  anhaftenden  waldbaulichen  Mängel  möglichst  verschwinden. 
Worin  diese  waldbaulichen  Mängel  bestehen,  darüber  herrscht  keine  volle  Uebciein- 
stimmung.  Während  G  r  a  e  b  n  e  r  den  Grund  für  tlie  kümmerliche  Entwicklung 
der  Waldvegetation  in  der  Hauptsache  in  einer  weitgehenden  Nährstoffarmut  erblickt 
und  dement sprecliend  Düngung  für  unumgänglich  ansieht,  steht  Erdmann  auf 
dem  Standpunkt,  daß  die  wirtschaftliche  Hilfe  ihr  Hauptaugenmerk  auf  die  Besserung 
der  physikalischen  Eigenschaften  richten  muß.  Die  Wiedergesundung  der  erkrankten 
und  zum  Teil  hochgradig  erkrankten  Heideböden  hat  nach  E  r  d  ni  a  n  n  zur  \'orausset- 
zung,  daß  dem  Boden  durch  geeignete  \orbereitung  und  durch  Auswahl  der  richtigen 
Holzarten  und  der  richtigen  Bestandszusammensetzung  die  ilim  fehlende  Durchlüft- 
barkeit  wiedergegeben  und  erhalten  wird.  Alle  Heideböden  neigen  ihrer  Kalkarmut 
wegen  zur  Rohhumusbildung  und  steigern  diese  Neigung  mit  zunehmender  Luft- 
feuchtigkeit und  Niederschlagsmenge.  Die  auf  eine  dauernde  Melioration  gerichteten 
forstwirtschaftlichen  Maßnalmien  haben  deshalb  ihre  .\ufgabe  nicht  nur  in  der  Besei- 
tigung und  Zerstörung  der  zur  Zeit  der  .\ufforstung  vorhandenen  Rohhumusschichten 
zu  erblicken,  sondern  wesentlich  auch  in  der  Beschaffung  einer  Waldbestockung,  die 
der  ferneren  Rohhumusbildung  nicht  \'orschub  leistet. 

Nach  der  wechselnden  Beschaffenheit  der  Heideböden  bedingt  ihre  Urbarmachung 
teils  eine  bloße  Bodenvorbereitung,  teils  eine  neben  dieser  notwendig  werdende,  mehr 
oder  weniger  weitgehende  Melioration.  \'on  den  bereits  unter  OL  betrachteten  Ort- 
steinböden  abgesehen,  bei  denen  Tiefumbruch,  Entwässerung  oder  Rabattierung  ^'or- 
bedingungen  einer  erfolgreichen  Kultur  sind,  verlangen  die  Heideböden  Zerstö- 
rung der  Bodendecke,  Boden lockerung  und  in  nicht  seltenen  Fällen  künst- 
liche Zuführung  von  Nährstoffen. 

Bei  der  Zerstörung  der  Bodendecke  handelt  es  sich  einmal  um  Ver- 
nichtung des  lebenden  Heidekrautes  durch  Absicheln  oder  Abbrennen  —  Unter- 
pflügen empfiehlt  sich  nicht  — ,  sodann  um  Beseitigung  der  den  Boden  abschließenden 
und  das  Gedeihen  der  jungen  Holzpflanzen  schwer  beeinträchtigenden  Heidehumus- 


96  VI.  L  0  r  e  y  ,    Waldbau. 

Schicht.  Das  hierbei  empfehlenswerteste  Verfahren,  den  Heidehumus  durch  Mischung 
mit  dem  Mineralboden  niclit  nur  unschädlich,  sondern  durch  Ausnutzung  seiner  Nähr- 
stoffe noch  dienstbar  zu  machen,  hat  nur  bei  schwachen  Humusdecken  praktische  Be- 
deutung. Das  Unterbringen  und  Vermischen  stärkerer  Heidehumusmassen  mit  Spaten 
oder  Pflug  aber  führt  infolge  der  außerordentlich  langsamen  Zersetzung  dieser  Massen 
zu  weitgehenden  Schädigungen  des  älter  werdenden  Bestandes.  Eher  empfiehlt  sich, 
jedoch  wiederum  zunächst  nur  bei  schwachen  Heidehumusdecken,  die  Zerreißung  der 
Schichten  und  ihre  Vennengung  mit  dem  Boden  mit  Hilfe  des  Waldgrubbers,  der 
dänischen  Rollegge  oder  eines  anderen  der  neuzeitlichen  Wühlwerkzeuge.  Stärkere 
Schichten  bedürfen,  wenn  sie  auf  diesem  Wege  zermürbt  werden  sollen,  einer  inner- 
halb mehrerer  aufeinander  folgender  Jahre  mehrfach  wiederholten  Durcharbeitung. 
Diese  wirkt  um  so  besser,  wenn  gleichzeitig  durch  Kalkzufuhr  für  Entsäuerung  und 
raschere  Zersetzung  des  Rohhumus  gesorgt  wird.  Wo  man  beim  Vorliegen  mächtiger 
Heidehumusschichten  keine  Zeit  hat,  die  letztgenannte  gute,  aber  zeitraubende  und 
teure  Methode  zur  Anwendung  zu  bringen,  tut  man  gut,  auf  mechanische  Beseitigung 
der  Heidehumusschicht  zuzukommen. 

Die  Bodenlockerung  ist  im  allgemeinen  in  ihrer  Wirkung  um  so  nach- 
haltiger und  besser,  je  gründlicher,  d.  h.  je  tiefer  sie  besorgt  wird  und  je  mehr  eine 
Umlagerung  und  Mengung  der  oberen  und  tiefer  gelegenen  Bodenschichten  mit  ihr 
verbunden  ist.  Löcher-  oder  platzweise  Bodenbearbeitung  mit  Spaten  oder  Wühl- 
spaten ist  nur  auf  ortfreiem  Boden  und  dort  angebracht,  wo  kein  Pflug  hin  kann.  Wo 
Pflugarbeit  möglich  ist,  ist  die  dadurch  bewirkte  Lockerung,  und  zwar  die  Tieflocke- 
rung, die  beste  Kulturvorbereitung  für  Heideböden.  Nur  auf  den  feinkörnigen  Böden 
verpufft  ihre  Wirkung  sehr  rasch,  weil  sich  diese  Böden  bereits  nach  kurzer  Zeit  wieder 
vollkommen  verdichten.  Mit  welcher  Art  von  Pflügen  die  Tieflockerung  vorgenom- 
men wird,  ob  mit  Wald-,  Schwing-  oder  Dampfpflug,  ist  Sache  örtlicher  Gewohnheit 
und  Gegenstand  finanzieller  Envägungen.  Der  Billigkeit  wegen  wird  man  dort,  wo 
verhärtete  Schichten  nicht  zu  durchbrechen  sind,  von  der  Vollbearbeitung  der  Fläche 
meist  absehen  und  auf  streifenweise  Bearbeitung  zukommen. 

Die  künstliche  Zuführung  von  Nährstoffen  durch  Düngung 
mit  Mineraldüngern,  Kalk  oder  durch  Gründüngung  würde,  wenn  sie  nicht  Geld  ko- 
stete, unter  allen  Umständen  zu  empfehlen  sein.  Der  mit  ihr  verbundene  Aufwand  aber 
macht  eine  Beschränkung  auf  die  wirklich  nährstoffarmen  Heidesande  notwendig. 
Die  vorliegenden  Erfahrungen  sind,  von  Kalkdüngung  abgesehen,  noch  zu  spärlich, 
als  daß  über  Form,  Menge  und  Art  der  Dünger  brauchbare  Fingerzeige  bereits  vor- 
handen wären.  Sicher  aber  ist  die  sowohl  in  chemischer,  wie  namentlich  auch  in 
physikalischer  und  physiologischer  Hinsicht  wirksame  Kalkzufuhr  angesichts  der 
notorischen  Kalkarmut  der  Heideböden  und  angesichts  des  Vorhandenseins  starker 
Rohhumusschichten  auf  vielen  derselben  durchaus  vorteilhaft.  Auch  der  Vor-  bezw. 
Zwischenbau  der  Lupine  scheint  nach  den  bisher  gesanunelten  Erfahrungen  eine  er- 
folgreiche Kulturvorbereitung  zu  sein,  erfordert  aber,  da  der  Boden  entweder  einen 
höheren  Nährstoffvorrat  besitzen  oder  durch  Zuführung  von  Mineraldünger  erhalten 
muß,  in  der  Regel  einen  nicht  unbeträchtlichen  Kostenaufwand. 

Die  H  o  1  z  a  r  t  e  n  f  r  a  g  e  ist  bei  der  Aufforstung  der  Heideböden  meist  in 
der  Weise  gelöst  worden,  daß  Fichte  oder  Kiefer  oder  beide  in  Mischung  angebaut 
wurden,  während  andere  Holzarten,  Weißfichte,  Bergkiefer  mehr  nur  zur  Bildung  von 
Wind-  und  Schutzmänteln  Verwendung  fanden.  Inwieweit  von  den  beiden  Haupt- 
holzarten die  eine  oder  die  andere  den  Vorzug  verdient,  darüber  entscheiden  die  kli- 
matischen Verhältnisse  des  in  Fräse  kommenden  Heidegebietes.    Während  im  See- 


Die  Boslandesbegründung.     §  52.  97 

klima  Schleswig-Holsteins  die  Kiefer  im  Alter  von  20  bis  30  Jaliren  abstirbt,  ist  sie 
auf  den  Aufforstuugsf lachen  Hannovers  die  fülirende  I  lolzart.  Die  Meinungen  darüber, 
ob  Reinanbau  von  Fichte  und  Kiefer  bessere  Erfolge  erzielt  als  die  in  dem  eben 
genannten  Heidegebiete  lange  Zeit  bevorzugte  reihen-  oder  streifenweise  Mischung 
beider  Holzarten,  sind  geteilte.  Der  Umstand,  daß  reine  Fichtenbestände  auf  zwei- 
felhaften Böden  zur  Rohhumusbildung  neigen  und  die  in  reinen  Kiefernbeständen 
später  eintretende  Verheidung  Heidehumus  zur  Folge  hat,  spricht  jedenfalls  zugun- 
sten der  Mischung,  solange  nicht  dem  von  Erdmann  u.a.  in  den  Vordergrund  gestell- 
ten Verlangen  nach  Beimischung  von  Laubhölzern  in  das  Nadelholz  nachgegangen 
werden  kann.  Zweifellos  verdient  der  Hinweis  auf  den  Wert  der  Beimischung  von 
Eiche,  Buche,  Birke  oder  Erle  um  so  mehr  Beachtung,  als  nur  Mischbestände  die 
Gewähr  dafür  bieten,  daß  die  angestrebte  dauernde  Melioration  der  kranken  Heide- 
böden durch  die  Bestockung  selbst  besorgt  wird.  Für  die  Verhältnisse  Schleswig- 
Holsteins  spricht  Otto  (Bericht  der  deutsch.  Forstver.  1903,  S.  103)  den  Laubhöl- 
zern bei  der  Aufforstung  der  Heideböden  zwar  jede  Bedeutung  ab,  doch  dürften  auch 
hier,  wie  das  Vorkommen  von  Eichenstockausschlägen  und  die  günstige  Entwicklung 
der  Fichte  in  deren  Nähe  beweisen,  der  Heranbildung  des  naturgemäßeren  Misch- 
waldes im  derzeitigen  Bodenzustand  nur  vorübergehende,  nicht  dauernde  Hindernisse 
entgegenstehen.  Inwieweit  für  die  Aufforstung  der  Heideböden  neben  den  genannten 
noch  andere  Holzarten,  namentlich  in  Nordwestdeutschland  Robinie,  Tanne,  Lärche, 
Weymouthskiefer,  vielleicht  auch  Banks-  und  Pechkiefer  in  Betracht  kommen,  be- 
darf noch  näherer  Untersuchung.  Jedenfalls  ist  an  die  günstigen  Erfahrungen  zu  er- 
innern, die  Dänemark  bei  der  Aufforstung  von  Heideböden  mit  der  Mischung  von 
Fichte  und  Bergkiefer  i),  Belgien  mit  der  Mischung  von  Kiefer  und  Pechkiefer  ^) 
gemacht  hat. 

§  52.  V.  U  n  f  r  u  c  h  t  b  a  r  e  r  H  u  m  u  s.  Außer  dem  vorstehend  unter  IV. 
näher  erwähnten,  aus  Rückständen  des  Heidekrautes  bestehenden  Heidehumus  bil- 
den sich,  wie  schon  oben  (S.  16)  ausgeführt  wurde,  auch  aus  anderen  nicht  genügend 
zersetzten  bezw.  zersetzbaren  Pflanzenresten  mehr  oder  minder  mächtige  Humus- 
schichten, die,  rasch  austrocknend  und  die  Feuchtigkeit  schlecht  annehmend,  den  Bo- 
den verschließen  und  der  Entwicklung  der  Holzpflanzen  hinderlich  sind.  Hierher  ge- 
hören die  namentlich  auf  trocknen  Böden  aus  Rückständen  von  Flechten,  namentlich 
der  Renntierfleclite  (Cenomyce  rangiferina)  entstehende  Stauberde,  der  wie  der 
Heidehumus  durch  hohen  Wachs-  und  Gerbsäuregehalt  gekennzeichnete  Heidel- 
beerhumus und  der  aus  Blättern.  Nadeln  und  Zweigen  unserer  Holzgewächse 
gebildete,  aus  zusammenhängenden,  meist  dicht  gelagerten  und  schneidbaren  humo- 
sen  Massen  bestehende  Trockentorf^).  Seine  Bedeutung  für  Boden  und  Bestand 
wurde  bereits  oben  gewürdigt  (vgl.  auch  die  Ausführungen  im  Abschn.  ,,Forstl. 
Standortslehre"    Bd.    I    des    Handbuches).     Bei    der    Frage    der    Beseitigung    der 

1)  Vgl.  P.  E.  Müller,  Leb.  d.  Verhältnis  der  Bergkiefer  zur  Fichte  in  den  jütländischen 
Heidekulluren.    Naturw.  Ztschr.  f.  L.-  u.  Forstwirtsch.  190.3,  S.  289,  378. 

2)  \.   S  c  hwa  p  p  a  c  h,   Ztschr.  f.  Forst-  u.   Jw.  1901,   S.   223,   1907,   148. 

3)  Vater,  Auf  dem  Trocknen  gebildeter  Rohhumus  und  seine  Bekämpfung.  Bericht  d. 
Sachs.  Forstver.  1903,  S.  138.  —  .M  a  1 1  h  e  s  und  Vater,  Welche  neueren  Forschungen  und  Beob- 
achtungen liegen  ob.  d.  Bedeutung  des  Humus  f.  d.  Wald  vor?  Bericlil  üb.  d.  5.  Vers.  d.  deutsch. 
Forstver.  1904,  S.  33.  —  v.  Oertzen,  Humus  und  Kulturen  auf  Humus.  Ztschr.  f.  F.- u.  Jw. 
1904,  S.  32.  —  Möller,  Die  .Nutzbarmachung  des  Rohhumus  (Trockentorf)  bei  Kiefern- 
kulturen, ebendas.  1908,  S.  273.  —  D  e  r  s.  ,  Ueb.  d.  Ergebnisse  der  von  dem  Herrn  Mi- 
nister angeordneten  praktischen  Versuche  zur  Nutzbarmachung  des  Rohhumus  bei  Kiefern- 
kulturen. Bericht  d.  .Märkischen  Forstver.  Wintervers.  1908.  —  Quaet-Faslem  und 
V.  B  e  n  t  h  e  i  m  ,  Die  Rohhumusbildung  und  deren  Bekämpfung.  Bericht  üb.  d.  19.  Vers.  d. 
Nordwestd.    Forstvereins. 

llundb.  d.  ForstwJBS.     3.   Aufl.     II.  7 


98  VI.  L  0  r  e  y  ,  Waldbau. 

schädlichen  Wirkungen  des  Trockentorfes  ist  vielfach  der  mechanischen  Entfernung 
und  Abgabe  stärkerer  Schichten  das  Wort  geredet  worden.  Je  gründlicher  diese  Ent- 
fernung vorgenommen  wird,  um  so  mehr  geht  den  Pflanzen  die  erforderliche  Stick- 
stoffzufuhr verloren.  An  der  Hand  der  günstigen  Erfahrungen  der  dänischen  Roh- 
humusbekämpfung und  zahlreicher  ^'ersuclle  hat  sich  deshalb  die  Ansicht  Bahn  ge- 
brochen, daß  es  nur  bei  starken  Trockentorfschichten  angezeigt  ist,  einen  Teil  durch 
direkte  Entfernung  zu  beseitigen,  daß  es  im  übrigen  aber  richtiger  ist,  auf  die  teihveis 
hers'orragende  Düngerwirkung  des  Trockentorfes  nicht  zu  verzichten.  Zu  diesem 
Zwecke  empfiehlt  sich  Mischung  mit  dem  Mineralboden.  Mittels  Spatens,  Hacke, 
Spitzenbergs  Wühlspaten,  Waldgrubber  usw.  ist  der  Trockentorf  seiner  chemischen 
und  physikalischen  Einwirkung  wegen  imterzubringen.  Namentlich  ist  seine  Nutz- 
barmachung auf  den  ärmeren  Böden  ratsam.  Nach  den  Erfahrungen  v.  Gertzens 
und  Möllers  hat  sich  auch  das  Ueberdecken  des  nach  dem  Abschälen  der  Boden- 
decke zutage  liegenden  Trockentorfes  mit  einer  einige  cm  hohen  Sandschicht  als  ein 
empfehlenswertes  Mittel  zur  Ausnützung  seiner  Düngerwirkung  gezeigt.  Weiterhin 
ist,  wie  beim  Heidehumus,  die  Zufuhr  künstlicher  Dünger,  namentlich  von  Kalk  und 
Thomasmehl,  eine  die  Umwandlung  der  schädlichen  Humusmassen  rasch  und  in 
günstigster  Weise  fördernde  Maßnahme. 

§  53.  VI.  Moore  ^):  Erstes  Erfordernis  ist  eine  genaue  Bodenuntersuchung 
(cfr.  Forstl.  Standortslehre,  1.  Bd.),  einschließlich  der  chemischen  Untersuchung 
der  Moorsubstanz.  Grünlandsmoore  kommen  für  die  Waldkultur  wenig  in  Be- 
tracht, wenigstens  nicht,  soweit  sie  bei  geeigneter  Behandlung  gute  Wiesen  er- 
geben. Da  und  dort  kann  sich  auf  ihnen,  nach  der  Entwässerung  und  Bedeckung 
mit  Sand,  Bepflanzung  mit  Erle  empfehlen.  Viel  ungünstiger  gestalten  sich  die 
Verhältnisse  auf  Hochmooren.  Diese  haben  im  allgemeinen  keine  Neigung,  sich 
zu  bewalden,  ein  Umstand,  der  uns  mahnt,  daselbst  mit  forsthchen  Unternehmungen 
vorsichtig  zu  sein.  Befi'iedigende  Rentabilität  des  Holzanbaues  wird  sich  meist  nicht 
ergeben,  es  sei  denn,  daß  die  Mächtigkeit  des  Torflagers  keine  zu  bedeutende  ist, 
sodaß  man  bald  zu  dem  mineralischen  Grunde  gelangen  kann.  In  diesem  Falle 
läßt  sich  durch  Rabattierung  der  für  den  Holzanbau  erforderliche  Kulturboden 
schaffen,  indem  nran  Gräben  bis  zum  mineralischen  Boden  aushebt  und  letzteren 
auf  die  zwischenliegenden  Beete  bringt.  Entwässerung  (bezw.  Senken  des  Wassers), 
am  besten  durch  offene  Gräben  (diese  mit  steilen  Wänden),  ist  unter  allen  Umständen 
erforderlich  (langsames,  allmähliches  Vertiefen  der  Gräben).  Das  Moor  setzt  sich 
unter  Umständen  bis  zu  -'^  seiner  früheren  Mächtigkeit  nieder.  Bildung  einer  Gras- 
narbe deutet  auf  genügenden  Rückgang  des  Wassers.  —  Urbannachung  event.  durch 
Vermittelung  des  Brand  fruchtbaues. 

Nach  der  Schildervin":  von  B  r  ü  n  i  n  g  s  ist  die  Sache  im  großen  Augustendorfer  Moor 
folgendermaßen  vorlaufen:  Vermessung  des  Moores,  Entwässerung  durch  Gräben  als  \'or- 
bereilung.  Das  Feuer  soll  demnäclist  durch  Zerstören  des  festen  Fasergewebes  eine  zerbröclielle, 
erdartige  Masse  und  damit  ein  erstes  Keimbett  bilden  und  durch  die  Hitze  die  Säuren  neutrali- 
sieren.   Bildung  von  Asche  ist  nicht  die  Hauptsache.    Man  brennt  auf  dem  Moore  (nicht  nach 


1)  Burckhardt,  ,,Säen  und  Pflanzen",  6.  Aufl.  S.  557  ff.  —  D  e  r  s.,  „Wald,  Moor 
und  Wild  im  Emslande"  in  ..Aus  dem  Walde"  VI,  S.  1  f.  (insbes.  S.  66  ff.).  —  Brünings, 
,,Das  Augustendorfer  Moor"  in  ...^us  dem  Walde"  IX  (1879)  S.  106.  —  D  e  r  s.  ,  ,,Der  forstl.  und 
der  landwirlscli.  Anbau  der  Hochmoore  mittelst  Brandfruchtbaues".  Berlin  bei  Springer  1881. 
—  Zu  beachten  insbes.  auch  die  verscliiedenen  Rezensionen  der  letztgenannten  Schrift,  z.  B.  forstl. 
Blätter  von  1882,  S.  51.  —  Nordwestdeutscher  Forslverein  1891,  cfr.  Zeitschr.  f.  Forst-  u.  J.  1891, 
S.  631.  —  Moore  des  Erzgebirgs  (Forstass.  Dr.  Manuel  in  Forsll.  nat.  Zeitschr.  1896,  325,  373).  — 
Moorkulluren  in  Dänemark  (z.  B.  Oesterr.  Forslzeitung  1893,  Nr.  17).  —  \erhandlungen  des 
schles.  Forstvereins  1894.  —  B  a  u  m  a  n  n  ,  Die  Moore  und  Moorkulturen  in  Bayern  (Forstl. 
nat.   Zeitsclir.   1894,   S.   89,  293). 


Die  BestandesbegrOndung.     §  53.  99 

dessen  vorherigem  Umbruch),  indem  nur  die  seine  Oberfläche  bildende  Menge  kleiner 
Hügel  („Bülten")  umgerissen,  nebst  dem  Grabenauswurf  ausgebreitet  und  angezündet  werden, 
wobei  das  Feuer  nur  oberflächlicli  angreift.  Dann  folgt  .Vussaat  von  Buchweizen.  Im  nächsten 
Jahre  wiederholtes  Brennen,  desgl.  im  dritten  und  vierten  Jahre,  stets  in  Verbindung  mit  Frucht- 
bau.  Die  Bülten  sind  nun  verzehrt  und  erst  im  fünften  und  sechsten  Jahre  kratzt  man  behufs 
erneuten  Brennens  Teile  des  eigentlichen  Bodens  flach  auf.  Wurzelgefaser,  Heidehumus  etc. 
sind  nach  den  sechs  Jahren  verschwunden.  Durch  die  sechsjährige  Vegetation  ist  neues  Leben 
in  den  toten  Boden  gedrungen.  Gebrannt  wird  stets  m  i  t  dem  Winde,  sonst  greift  das  Feuer 
zu  tief;  an  feuergefährlichen  Stellen  erfolgt  gegen  den  Wind  ein  Vorbrand.  Im  7.  Jahr  erfolgt 
der  forstliche  .\nbau  mit  Eiche.  Fichte,  Kiefer,  event.  Lärche  und  Weymouthskiefer.  Gesamt- 
kosten pro  ha  (Brennzeit  6  Jahre,  Tagelohn  2  Mark)  =  360  Mark;  Ertrag  (.5  Jalire  Buchweizen, 
1  Jahr  Roggen)  pro  ha   =  900  Mark.    Die  .\ufforstung  kostet  pro  ha  65 — 70  Mark. 

\iele  Moorkulturen,  die  in  der  angedeuteten  Weise  ausgeführt  worden  sind  und  anfäng- 
lich, oft  durch  10 — lö  Jalire,  gutes  Wachstum  zeigten,  haben  aber  nur  große  Hoffnungen  er- 
weckt und  haben  in  ihrer  Entwickelung  bald  nachgelassen,  so  daß  der  Erfolg  nur  ein  schein- 
barer war  und  ein  Ersatz  der  aufgewendeten  Kosten  nicht  entfernt  stattfand.  Von  irgend  um- 
fangreichen Mooraufforslungen  wird  deshalb  abzusehen  sein,  es  sei  denn,  daß  es  sich  um  bereits 
abgetorfte  Hochmoore  handelt,  wie  solche  z.  B.  in  Nordwestdeutschlaud  mit  Holz  angebaut 
worden  sind  und  gute  Bestände  von  Eichen,  Fichten,  Kiefern  und  Birken  tragen.  —  Nach  Prof. 
Dr.  Tacke,  Vorsteher  der  .Moor-\'ersuchsstation  in  Bremen  (Zeitschr.  f.  Forst-  und  Jagdw. 
1900,  S.  38)  kommt,  zumal  in  Niederungsmooren,  auch  für  forstliche  Zwecke  unter  Umständen 
die  Rimpau'sche  Sanddeckkultur  nach  vorheriger  Entwässerung  in  Frage.  Im  allgemeinen 
aber  ist  auch  auf  den  im  Walde  belegenen  .Mooren,  wenn  sie  überhaupt  benutzt  werden  sollen, 
landwirtschaftliche   Benutzung  vorzuziehen. 

,,F  tüchtige  .M  o  0  r  f  1  ä  c  h  e  n  (Mullwehen) ')  sind  Moorflächen,  die  durch  eine 
übertriebene  Benutzung  oder  fehlerhafte  Behandlung  ihre  natürliche  vegetabilische  Boden- 
decke verloren  haben,  so  daß  der  rohe  Moorboden  zutage  tritt,  der  dann  bei  trockener  \\'itterung 
staubig  und  flüchtig,  bei  nasser  Witterung  schlammig  und  treibend  wird".  Unterschied  von 
Sandwehen  darin,  daß  sie  auch  bei  feuchtem  Wetter  beweglieh  sind.  Entstehung  besonders 
durch  zu  ausgedehntes  Heide-  und  Plaggenhauen  oder  zu  langes  Brennen,  beides  in  \erbindung 
mit  täglichem  Auftrieb  von  Schafen  in  geschlossener  Herde  und  demnächst  .\uffrieren  des 
Bodens.  Gefahr  für  umgebendes  Gelände  durch  Ueberwehen  mit  .MuH.  —  Vorbedingung  der 
Dämpfung  ist  das  .aufhören  jeder  Benutzung  des  Bodens.  Entwässerung,  .\ufforsten  der  Mull- 
wehen mit  wenig  mächtiger  (bis  1  m)  .Moorunterlage  und  zwar  zunächst  meist  durch  .Anpflan- 
zung mit  Birke  hinter  senkrecht  zur  herrschenden  Windrichtung  verlaufenden  Wällen,  zu 
welchen  das  .Material  durch  .\ufhub  von  Gräben  beschafft  wird.  xMulhvehen  auf  mächtigem 
Moorlager  sind  nach  der  Entwässerung  zunächst  mit  Kräutern  (Rumex),  Honiggras  (Holcus) 
etc.  anzubauen  (am  sichersten  unter  Fruchtbau  von  Buchweizen  mittels  Brennens). 

An  dieser  Stelle  möge  auch  der  0  e  d  1  a  n  d  s  a  u  f  f  o  r  s  t  u  n  g  in  weitestem 
Sinne  gedacht  werden-).  Die  Sorge  für  tunlichste  .Aufforstung  des  in  Europa  allein 
etwa  "22  000  Ouadratmeilen  einnehmenden  Oedlandes  regt  sich  in  allen  zivilisierten 
Ländern.  Die  Aufforstungsarbeiten  im  Karstgebiete,  in  West-  und  Ostpreußen 
(Kassubei),  sowie  sonst  in  Deutschland,  ferner  in  \'orarlberg,  in  der  Schweiz  (z.  B. 
Schweiz.  Zeitschr.  1893,  6),  zumal  im  Schutzwaldgebiete,  in  Italien,  den  Pyrenäen 
seien  als  Beispiele  angeführt.  Auch  die  Bepflanzung  von  Alluvionen  (Hochgebirge 
und  Ebene:  Ueberschwemmungsgebiet  der  Flüsse),  je  nach  den  Verhältnissen  mit 
Erle,  Pappel,  .\kazie,  Birke,  auch  wohl  Ulme,  Esche,  Eiche,  sei  hier  erwähnt  3). 


1)  Ger  des,  „Die  flüchtigen  Moorflächen  in  Hannover  und  Oldenburg"  in  „.\us  dem 
Walde"  IX,  (1879)  S.  159  ff.  —  D.  in  Mündener  forstl.  Hefte  I,  1892,  S.  130. 

2)  Unter  Oedland  versteht  man  im  allgemeinen  diejenigen  .\reale,  welche  zwar  kulturfähig 
sind,  aber  z.  Z.  nicht  oder  nur  okkupatorisch  benützt  werden.  Event,  werden  auch  landwirt- 
schaftlich benützte  Flächen  dem  Oedland  zugerechnet,  welche  einen  äußerst  geringen  Reinertrag 
(0 — 1,20  M.)  abwerfen.  Letztere  einbezogen  hatte  Deutschland  1893  rund  3,7  .Mill.  ha  Oedland, 
woran  ca.  700  000  ha  aufzuforsten  wären,  cfr.  G  r  i  e  b  ,  Das  europäische  Oedland,  seine  Bedeu- 
tung und  Kultur,  1898,  bei  Sauerländer.  —  M  a  t  t  h  e  s  ,  Vortrag  bei  der  28.  Aers.  des  Thürg. 
Forstver.  1901,  zu  Coburg:  \  ereinsheft  S.  29 — 46.  —  Preußen  hatte  allein  im  Besitz  der  Staats- 
forstverwaltung am  1.  X.  1900  noch  34  07  3  ha  Oedland,  seit  1883  sind  70  856  ha  erworben 
worden;  61  620  ha  waren  hievon  bis  1900  aufgeforstet.  Beteiligt  sind  in  erster  Linie  die  nord- 
östl.  Provinzen. 

3)  J.  H  a  m  m  (Forstwiss.  Zentralbl.  1888,  601):  Aus  den  Waldungen  des  badischen  Rhein- 
tales. 

7* 


100  VI.  Lore  y,  Waldbau. 

Zweiter  Teil. 
Saat. 

Zum  Gelingen  der  Saatkultur  gehört,  von  Witterungseinflüssen  abgesehen,  vor 
allem  gutes   Saatmaterial,   ein  geeignetes   Keimbett  und  sachgemäße  Ausführung. 

I.  Allgemeines. 

§  54.  A.  Verschiedene  Arten  der  Saat:  Je  nachdem  die  Saat 
aus  der  Hand  oder  unter  Anwendung  einer  Maschine  ausgeführt  wird,  nennt  man 
sie  Handsaat  oder  Maschinensaat.  —  Außerdem  werden  unterschieden:  1.  Voll- 
saat, wobei  die  ganze  Fläche  möglichst  gleichmäßig  mit  Samen  bestreut  wird, 
und  2.  stellenweise  Saat,  bei  welcher  der  Samen  nur  auf  bestimmte  Stellen 
der  Saatfläclie  kommt.  Hierher  gehören:  a)  die  Streifensaat,  auch  Rinnen-, 
Rillen-,  Riefen-,  Furchensaat  genannt :  der  Samen  wird  auf  Streifen  gesäet,während  die 
zwischen  ihnen  liegenden  Teile  samenfrei  bleiben  i).  b)  die  P  1  a  1 1  e  n  s  a  a  t ,  auch 
Plätzesaat:  eine  Anzahl  Samenkörner  kommt  auf  einzelne,  über  die  Kultur- 
fläche verteilte  Plätze.  Werden  die  Platten  mangelnder  Feuchtigkeit  wegen  vertieft, 
so  spricht  man  von  ,, Löchersaat",  c)  Die  Punktsaat,  bei  welcher  man  mit 
Einzelsamen  (Eichel,  Kastanie  usw.)  operiert,  die  in  möglichst  gleichmäßiger 
Verteilung  auf  der  Fläche  untergebracht,  ,, eingestuft"  werden,  kann  füglich  als  ein 
Spezialfall  der  Vollsaat  gelten. 

B.  Wirtschaftliche  Bedeutung  der  Saatarten.  Wenn  M  a- 
s  c  h  i  n  e  n  saat  angewendet  wird,  tut  man  es,  teils  um  die  Gleichmäßigkeit  der 
Samenverteilung  zu  fördern,  teils  um  Zeit,  Arbeitsaufwand  und  Geld  zu  sparen.  Kom- 
pliziertere und  demgemäß  teure  Maschinen  kommen  meist  nur  für  große  Kultur- 
flächen und  für  regelmäßig  wiederkehrende  umfängliche  Saaten  in  Betracht.  H  a  n  d- 
s  a  a  t  ist  die  weit  häufigere  Methode.  Maschinen,  namentlich  solche,  deren  Bewegung 
Spannvieh  erfordert,  sind  überdies  meist  an  bestimmte  Eigenschaften  der  Kultur- 
fläche (nicht  zu  geneigte  Lage,  Fehlen  von  größeren,  rasch  wechselnden  Uneben- 
heiten, von  Stöcken,  Steinen  usw.)  gebunden.  In  größerem  Maßstabe  finden  Säe- 
maschinen,  und  zwar  kleinere  Handapparate,  beim  Pflanzgartenbetriebe  Anwen- 
dung. —  V  o  1 1  s  a  a  t  (breitwürfige  Saat)  gibt,  gute  Ausführung  vorausgesetzt, 
eine  gleichmäßige  Samenverteilung,  bedingt  mithin  für  die  einzelnen  Keimpflanzen 
von  vornherein  annähernd  nach  allen  Seiten  gleichen  Standraum,  wodurch  deren 
normale  Entwickelung,  sowie  in  der  Folge  gleichmäßiger  Schluß  des  .Jungbestandes 
und  damit  auch  gleichmäßige  Deckung  des  Bodens  angebahnt  ist.  Sie  arbeitet 
rasch,  verlangt  aber  das  größte  Samenquantum  und  erfordert,  sobald  der  Boden 
eine  intensivere  Vorbereitung  bedarf,  gemeinhin  sehr  beträchtliche  Lockerungskosten. 
Auch  erschwert  sie  die  Reinigung  von  Unkraut,  die  etwaige  Jugendpflege  der  Pflan- 
zen durch  Behacken,  sowie  das  Ausbringen  der  ersten  Durchforstungshölzer.  Die 
Vorzüge  und  Nachteile  der  s  t  e  1 1  e  n  \v  e  i  s  e  n  Saat  folgen  aus  dem  Vorstehenden. 
Sie  bedarf  z.  B.  weniger  Saatgut,  wenn  auch  nicht  im  Verhältnis  des  wirklich  be- 
säeten  zum  samenfrei  bleibenden  Teil  der  Fläche,  weil  man  naturgemäß  auf  den 
Einzelstellen  dichter  säet,  hat  jedoch  vielfach  einen  zu  dichten  Stand  der  Pflanzen  und 


1)  In  bezug  auf  diese  Ml  der  Saat  werden  wühl  feinere  Unterscheidungen  gemacht,  indem 
man  von  Streifensaat  spricht,  wenn  die  besäeten  Bänder  eine  gewisse  Breite  haben,  von  Riefen- 
saat oder  Rillensaat  usw.,  wenn  der  Same  nur  in  schmale  Linien  zu  liegen  kommt.  Sind  die  Strei- 
fen verlieft,  so  spricht  man  von  Fiu-chen-  oder  auch  Muldensaat, 


Die  BestandesbegrQndung.     §  55.  ]Qj 

eine  etwas  ungleicliniäßige,  von  vornherein  unsymmetrische  Entwickehin^  der  .Iiing- 
pflanzen  zur  Folge,  weil  sich  die  in  den  Streifen  stehenden  Pflanzen,  ebenso  wie  die 
Randpflanzen  auf  den  Platten  nach  der  freien  Seite  naturgemäß  seitlich  mehr  ausbreiten 
als  in  der  Streifenrichtung  bezw.  nach  dem  Innern  der  Platte  zu.  Streifensaat 
eignet  sich  oft  für  Anwendung  von  Maschinen,  erleichtert  am  meisten  die  Kultur- 
reinigung und  die  ersten  Durchforstungen,  läßt  aber  die  Zwischenstreifen  je  nach 
deren  Breite  kürzere  oder  längere  Zeit  unbedeckt,  .^uf  den  Platten  wird  das 
gedrängte  Aufwachsen  der  Pflanzen  oft  besonders  hinderlich;  rasche  Deckung  der 
zwischen  den  Platten  liegenden  Bodenpartien  kann  nur  durch  entsprechend  nahes 
Aneinanderlegen  der  Platten  bewirkt  werden.  Löchersaat  kommt  namentlich  für 
trockene,  der  Sonne  und  dem  Wind  ausgesetzte  Orte  in  Frage.  Die  Punktsaat 
kann  (siehe  oben)  als  Vollsaat  mit  größerem  Abstand  der  einzelnen  Samen  vonein- 
ander betrachtet  werden. 

II.  Das  Saatmaterial. 

§  55.  A.Beschaffung  des  Samens.  Je  mehr  die  Forstwirtschaft 
die  künstliche  Verjüngung  an  die  Stelle  der  Naturverjüngung  treten  laßt,  um  so 
wichtiger  wird  die  Frage  nach  der  Beschaffung  des  notwendigen  Saatmateriales. 
Die  neuzeitliche  Entwicklung  des  Samenhandels  weist  mit  unzweideutiger  Sicher- 
heit darauf  hin,  daß  un|er  den  verschiedenen  Beschaffungsniöglichkeiten  die  be- 
quemste, der  Kauf,  im  allgemeinen  vorgezogen  wird.  Der  fortgesetzt  steigende 
Bedarf,  das  Fehlen  öfterer  oder  hinreichender  Samenjahre  und  die  mit  dem  Aus- 
klengen  der  meist  benötigten  Nadelholzsamen  verbundenen  Umständlichkeiten 
erklären  die  sehr  zu  bedauernde  Erscheinung,  daß  der  richtigste  Weg  der  Gewinnung, 
der  der  Selbstgewinnung,  mehr  und  mehr  verlassen  wurde.  Der  in  den 
letzten  Jaiirzehnten  lebhaft  debattierten  Frage  nach  der  wirtschaftlichen  Bedeutung 
der  Samenherkunft  (=  Provenienz  des  Samens)  war  und  ist  es  vorbehal- 
ten, den  notwendigen  Umschwung  in  diesen  Verhältnissen  einzuleiten  und,  wenn 
nicht  die  vollkommene  Rückkehr  zur  Selbstgewinnung,  so  doch  die  Abstellung  der 
mit  dem  Kauf  des  Saatgutes  bisher  verbundenen  Uebelstände  zu  bewirken. 

Der  wichtigste  dieser  Uebelstände  ist  die  Unsicherheit  hinsichtlich  der  Her- 
kunft des  Samens. 

In  dem  Maße,  wie  die  moderne  Forstwirtschaft  dem  Ausbau  des  rationellen  VVirt- 
schaftswaldes  zustrebt  und  an  der  Verbesserung  und  vollen  Ausnutzung  ihrer  Pro- 
duktionsmittel arbeitet,  muß  sie  die  physiologischen,  d.  h.  die  Wuchseigenschaften 
der  Waldbäume  in  den  Bereich  ihrer  auf  Nachzucht  bester  Rassen  gerichteten  Maß- 
nahmen ziehen  und  muß  darnach  trachten,  Keime  fernzuhalten,  an  denen  auch  nur 
der  Verdacht  minderwertiger  Leistungen  haftet.  Nach  den  bis  jetzt  vorliegenden 
Beobachtungen  darf  angenommen  werden,  daß  sich  eine  Holzart  ihren  typischen 
physiologischen  und  morphologischen  Charakter  unter  dem  Einfluß  verschiedener 
klimatischer  Verhältnisse  um  so  weniger  zu  erhalten  imstande  ist,  je  größer  die  Kli- 
maunterschiede sind.  Im  Verbreitungsgebiet  einer  Holzart  bilden  sich  vielmehr 
beim  Vorhandensein  von  Klimadifferenzen  Anpassungsformen:  Standorts-,  pliysio- 
logische  oder  klimatische  Varietäten  =  klimatische  Formen  aus,  von  denen  —  zunächst 
nach  Analogieschluß,  dann  aber  auch  nach  manchen  Ergebnissen  ad  hoc  eingeleiteter 
Versuche  *)    —  wiederum   angenommen  werden  muß,   daß   sie  ihre   Eigentümlich- 


1)  Vergl.  hierzu  die  Arbeiten  von    de    V  i  1  ni  o  r  i  n  ,    Expos6   liistorique   et  descripUr  de 
r^cole  foresUAre  des  Barres.    M^moires  d'Agriculture  1862,  S.  332.  —  K  i  e  n  i  t  z  ,    Ueb.  Formen 


102  VI.  L  o  r  e  y  ,  Waldbau. 

keiten  auf  ihre  Nachkommen  vererben.  Diese  Ansicht  ^^i^d  unter  Bezugnahme  auf 
Forscliungsresultate  von  A.  Cieslar,  A.  Engler,  v.  Sivers,  P.  Schott 
u.  a.  vertreten,  während  H.  M  a  y  r  in  seinen  Lehrbüchern  und  zahlreichen  Spezial- 
artikeln  an  der  Ueberzeugung  festhält,  daß  weder  Boden  noch  Klima  imstande  sind, 
den  Pflanzen  erbliche  Eigenschaften  aufzudrücken,  und  daß  die  Provenienz  des  Saat- 
gutes keine  Bedeutung  besitzt,  solange  es  sich  lediglich  um  Standortsformen  (Klima- 
rassen) der  Holzarten  handelt.  Die  forstliche  öffentliche  Meinung  hat  sich  dieser 
Ansicht  Mayrs  nicht  angeschlossen.  Sie  leitete  vielmehr  aus  den  allerdings  erst 
kurzfristigen  Versuchen,  die  mit  Kiefer,  Fichte,  Lärche,  Schwarzkiefer,  Bergahorn, 
Esche  seitens  der  oben  genannten  Forscher  angestellt  worden  sind,  den  durch  Erfah- 
rungen der  forstlichen  Praxis  unterstützten  Satz  ab,  daß  für  einen  gegebenen  Stand- 
ort dasjenige  Saatgut  das  geeignetste  und  beste  ist,  das  von  der  örtlich  angestamm- 
ten Rasse  oder  von  solchen  Standorten  gewonnen  ist,  die  gleiche  bezw.  sehr  ähn- 
liche klimatische  Verhältnisse  aufweisen.  Diese  zuletzt  genannten  Standorte  kommen 
beim  Samenbezug  aber  erst  dann  in  Frage,  wenn  die  heimatliche  Rasse  nichts  taugt 
oder  heimischer  Samen  fehlt. 

Die  Kunstverjüngung  mit  wahllos  gekauftem  Samen  liat  zur  Folge  gehabt,  daß 
auf  großen  Flächen  Samen  ausgesäet  wurde,  der  infolge  seiner  Herkunft  aus  klima- 
tisch anders  gearteten  Gebieten  minderwertig  ist,  weil  er  von  Bäumen  stammt,  deren 
Lebensökonomie  sich  den  anders  gearteten  Verhältnissen  angepaßt  hat.  Die  aus 
solchem  Samen  hervorgehende  junge  Generation  wird  unter  äußere  Lebensbeding- 
ungen gebracht,  die  für  sie  absolut  nicht  passen,  und  die  Folge  sind  Bestände  mit 
kümmerlichem  Wachstum  und  Bäume  mit  unerwünschten  Wuchseigenschaften. 

Die  Frage  der  Samenherkunft  ist  besonders  wichtig  für  den  Nadolholzzüchter. 
Die  Nachfrage  nach  Kiefern-  und  Fichtensamen  ist  im  Laufe  der  Zeit  so  gestiegen, 
daß  die  privaten  Klengbetriebe  bei  weitem  nicht  mehr  das  notwendige  Zapfenma- 
terial im  Inlande  beschaffen  konnten,  wenn  sie  den  vom  Käufer  verlangten  niedrigen 
Preis  des  Samens  beibehalten  wollten.  Sie  erschlossen  sich  deshalb  ausländische 
und  zwar  meist  klimatisch  wärmer  gelegene  Bezugsquellen;  sie  fanden  besonders 
in  Frankreich,  Belgien  und  Ungarn  Länder,  die,  soweit  namentlich  Kiefer  in  Betracht 
kommt,  auch  in  sog.  schlechten  Zapfenjahren  einen  großen  Bedarf  an  Zapfen  zu  be- 
friedigen imstande  sind  und,  was  sehr  wesentlich  ist,  billiger  liefern  als  das  Inland. 

Die  Erfolge,  die  der  ausländische  KiefSrnsamen  bei  uns  gezeitigt  hat,  waren 
bei  einer  Reihe  von  Samen  ausländischer  Herkunft  durchaus  zufriedenstellend,  so 
bei  den  Samen  aus  Belgien,  Polen  und  den  Ostseeprovinzen ;  bei  anderen,  und  zwar 
bei  den  Samen  aus  Südfrankreich,  LTngarn  aber  derart  ungünstig,  daß  man  hier  imd 
da  von  einer  Verseuchung  des  deutschen  Waldes  spricht.  .A.uch  der  Samen  der  bal- 
tischen Kiefer,  dessen  Einführung  nach  Deutschland  von  v.  Sivers  empfohlen 
wurde,  eignet  sich  für  das  deutsche  Wuchsgebiet  nicht,  ebenso  wenig  wie  der  Samen, 
der  von  Mayr  als  besondere  Art  (P.  lapponica)  bezeichneten  nordischen  Kiefer. 
Der   an   sich   sehr   schätzenswerten    Geradschaftigkeit    und    Geringästigkeit   dieser 


und  Abarten  helmischer  Waldbäunie.  Berlin  1879.  —  Cieslar,  Zentralbl.  f.  d.  ges.  Forstw. 
1887,  S.  149;  1895,  S.  7;  1899,  S.  49;  1907,  S.  1,  49.  —  v.  Sivers,  Mitteilgn.  d.  deutsch,  dendr. 
Gesellsch.  1895,  S.  49.  —  Ders.,  Forstwiss.  Zentralbl.  1898,  S.  537.  —  S  c  h  o  1 1 ,  Rassen  der  gem. 
Kiefer.  Forstw.  Zentralbl.  1907,  S.  199,  262.  —  Ders.,  Pinus  silveslris,  d.  gem.  Kiefer,  ebend. 
1904,  S.  123,  307,  436,  515,  587.  —  E  n  g  1  e  r  ,  Einfluß  der  Provenienz  des  Samens  usw.  Mittlgn. 
d.  Schweiz.  Zentralanstalt  f.  d.  forstl.  Versuchsw.  1905,  VI  II,  S.81.  —  Ders.,  Tatsachen,  Hypothesen 
und  Irrtümer  auf  d.  tlebiete  d.  Samenprovenienzfrage.  Forstw.  Zentralbl.  1908,  S.  295.  —  May  r. 
Die  Variationen  der  Holzgewächse,  ihre  Entstehung  und  Bedeutung  für  die  Praxis,  ebenda  1908, 
S.  1.  —  Bericht  üb.  den  8.  internationalen  landw.  Kongreß  in  Wien  1907.    Sekt.  VIII. 


Die  BestandesbDgründung.     §  55.  jq3 

Kiefern  steht  Longsamwüchsigkeit ')  ^ep;enüber,  ein  Umstand,  der  diese  Provenien- 
zen für  Deutsrhinnd  elienso  aussoliließt,  wie  der  kurzscliäftif^e,  krumme  und  sperrige 
Wuchs  der  südfranzösischen  und  ungarischen  Kiefern  niiliL  dazu  angetan  ist,  unsere 
deutsclien  Kieferngebiete  zu  veredehi. 

Der  durch  den  Handel  bezogene  Fichtensamen  hat  so  hervorstechende  Rassen- 
unterschiede wie  bei  der  Kiefer  bisher  niciit  gezeitigt.  Es  ist  verständüch,  daß  die 
Herkunft  des  Samens  um  so  mehr  Beachtung  verdient,  je  größer  das  Verbreitungs- 
gebiet der  betreffenden  Holzart  ist.  Mit  der  Ausdehnung  des  \'erbreitungsgebietes 
steigert  sich  die  Möglichkeit  größerer  Klimaunterschiede,  also  auch  die  Möglichkeit 
der  Ausbildung  von  Rassen  mit  abweichenden  biologischen  Eigenschaften.  Die  Fichte 
ist  ein  Baum  der  mittleren  Gebirgslagen.  Hier  wird  der  meiste  Fichtensamen  ge- 
erntet, um  wieder  in  der  Hauptsache  in  mittleren  Gebirgslagen  zur  Aussaat  zu  ge- 
langen. D^e  klimatischen  Verhältnisse  der  Mutterbäunxe  und  der  jungen  Generation 
sind  somit  in  vielen  Fällen  wenigstens  annähernd  die  gleichen.  Für  die  Fichten- 
züchter scheint  deshalb  die  Samenherkunftsfrage  nicht  die  Bedeutung  zu  haben 
wie  für  den  Kiefernwald.  Immerhin  gilt  für  die  Fichte  dasselbe  wie  für  die  Kiefer, 
und  gerade  bei  ihr  ist  von  C  i  e  s  1  a  r  und  E  n  g  1  e  r  an  der  Hand  exakter  Versuche 
mit  Hoch-  und  Tieflagensamen  die  Vererbung  des  Zuwachsvermögens  und  einer 
Reihe  biologischer,  morphologischer  und  anatomischer  Eigentümlichkeiten  —  zunächst 
wenigstens  für  die  .Jugendjahre  —  nachgewiesen  worden.  Wie  lange  die  vererbten 
Standortseigenschaften  sich  erhalten,  bedarf  noch  näherer  Feststellung  durch  wei- 
tere Beobachtung.  .Jedenfalls  geht  aus  den  bisherigen  Erfahrungen  aber  hervor, 
daß  es  sich  auch  bei  der  Fichte  empfiehlt,  das  aus  Hoch-  und  Tieflagen,  nördlichen 
und  südlichen  Wuchsgebieten  stammende  Saatgut  auseinander  zu  halten  und  mög- 
lichst nur  auf  Standorten  zu  verwenden,  die  dem  jeweiligen  Herkunftsort  klimatisch 
entsprechen. 

Eine  andere,  zur  Zeit  noch  umstrittene,  für  die  Befürwortung  der  Selbstge- 
winnung aber  gleich  wichtige  Vererbungsfrage  ist  die  Frage  nach  der  Vererbung  von 
Individualitätscharakteren.  Es  handelt  sich  hier  um  die  Feststellung,  inwieweit 
Eigenschaften  und  Eigentümlichkeiten  der  Mutterbäume,  die  für  die  Massen-  und 
Wertsleistungen  unserer  Bestände  von  Belang  sind:  Schnell-  und  Langwüchsigkeit, 
Gerad-  und  Krummschaftigkeit,  Aestigkeit,  Zwieselwuchs,  Drehwuchs,  Grobfaserig- 
keit, Gleichmäßigkeit  des  Jahresringbaues  usf.  vererbt  werden.  Die  sog.  forst- 
liche Zuchtwahl  geht  von  der  Ansicht  aus,  daß  diese  physiologischen  und  habituellen 
Eigenschaften  nicht  immer,  wie  B  o  r  g  g  r  e  v  e  (Erblichkeit  und  Zuchtwahl  bei 
Waldbäumen.  Forstl.  Blätter  1889,  S.  33)  und  nach  ihm  M  a  y  r  vertreten,  Folge 
äußerer  Umstände  und  Wirkungen  des  Bodens,  Klimas,  der  Erziehungsform  und 
äußerer  Störungen  sind.  Sie  schließt  vielmehr  aus  den  Erfahrungen  der  landwirt- 
schaftlichen und  gärtnerischen  Praxis  heraus,  daß  die  genannten  Eigenschaften 
zum  Teil  auf  Veranlagung  beruhen  und  vererbt  werden.  Folgerichtig  steht  sie  auf 
dem  Standpunkt,  daß  es  möglich  ist,  durch  Kreuzung  die  brauchbaren  Eigenschaf- 
ten zu  steigern  und  die  Rasse  zu  veredeln.  Sie  fordert  dementsprechend  bei  der  Sa- 
menernte Beschränkung  auf  jene  Baumindividuen,  die  unseren  wirtschaftlichen 
Zwecken  am  meisten  genügen.  Zweifellos  bietet  die  Befolgung  dieser  Vorschrift,  selbst 
unter  der  Annahme,  daß  die  unbekannte  Vaterpflanze  mit  unerwünschten  Eigen- 
schaften behaftet  war,  und  bei  voller  Anerkennung  des  gewiß  nicht  wegzuleugnenden 


1)  D  e  n  g  1  e  r  ,    D.  Wachstum  von  Kiefeni  aus  einheimischein  und  nordischem  Saatgut  in 
d.  Oberf.  Eberswalde.    Zeitschr.  f.  Forst-  u.  J\v.  1908,  S.  137. 


104  '^'I'  L  0  r  e  y  ,  Waldbau. 

Einflusses  von  Boden  und  Klima  die  beste  Gewähr  dafür,  daß  zum  mindesten  eine 
Verschlechterung  der  Rasse  vermieden  wird. 

Ob  auch  die  Widerstandsfähigkeit  einer  Holzart  gegen  bestimmte  Gefahren, 
z.  B.  gegen  Frost-,  namentlich  Spätfrostschaden,  Pilzangriffe,  Lichtentzug  usw. 
durch  züchterische  Maßnahmen  des  Wirtschafters  gefördert  werden  kann,  mag  an- 
gesichts der  noch  sehr  unsicheren  Unterlagen  hierfür  dahingestellt  sein.  Sicher  sind 
auch  ohne  dieses  die  mit  der  Herkunft  des  Samens  zusammenhängenden  Erwägun- 
gen von  solcher  Tragweite,  daß  bei  der  Beschaffung  des  Saatgutes  der  Selbstgewin- 
nung unbedingt  das  Wort  geredet  werden  muß.  Sie  ermöglicht  am  besten  die  Aus- 
walü  der  geeigneten  Samenbäume,  gewährleistet  die  Nachzucht  der  heimischen 
Rasse  und  sichert  die  Beachtung  aller  jener  Maßregeln,  die  beim  Sammeln  und  bei 
der  Behandlung  und  Aufbewahrung  des  Samens  berücksichtigt  werden  müssen, 
wenn  qualitativ  hochwertiges  Saatgut  gewonnen  werden  soll. 

In  größeren  Forsthaushalten,  namentlich  in  Staatsbetrieben,  ist  die  Einführung 
bezw.  Wiedereinführung  der  Regiebeschaffung  des  Samens  um  so  wichtiger,  je  mehr 
die  herrschende  Wirtschaftsholzart  einer  Verschlechterung  der  Rasse  durch  Ein- 
führung ungeeigneten  fremden  Saatgutes  zugänglich  erscheint. 

Vor  allem  liegt  es  im  Interesse  der  Kieferngebiete,  Samen  einheimischer  Pro- 
venienz an  Stelle  des  bisher  in  großem  Umfang  ')  eingeführten  französischen  Samens 
zu  verwenden.  Es  ist  mit  Freude  zu  begrüßen,  daß  auch  der  deutsche  Samenhandel 
die  Hand  geboten  hat,  die  bei  der  Deckung  des  deutschen  Bedarfes  an  Kiefernsamen 
bisher  bestehenden  Mißstände  zu  beseitigen  -).  Dadurch,  daß  sich  eine  Reihe  von 
Großfirmen  zur  Lieferung  von  nur  deutschen  Kiefernsamen  freiwillig  verpflichtet 
haben,  wird  namentlich  den  zahlreichen  kleineren  Forstbetrieben  die  gewünschte 
Garantie  für  Versorgung  mit  geeignetem  Saatgut  gegeben.  Der  Großbetrieb  kann 
sich  diese  Garantie  durch  Selbstgewinnung  des  Samens  selbst  verschaffen. 

Der  Selbstbeschaffung  des  Samens  steht  die  Gewinnung  auf  dem  Wege  der 
Naturalabgabe  annähernd  gleich.  Es  handelt  sich  hier  um  Verpachtung  der 
Samenernte,  wobei  der  Unternehmer  u.  a.  verpflichtet  ist,  als  Vergütung  für  die  ihm 
überlassene  Nutzung  ein  bestimmtes  Quantum  des  gesammelten  Saatgutes  an  den 
Waldbesitzer  abzuliefern.  Dieses  Verfaliren  enthebt  den  Waldbesitzer  von  der  be- 
sonderen Sorge  für  die  Ernte  und  sichert  ihm,  sofern  der  Pächter  die  geeigneten 
Samenbestände  zugewiesen  bekommt  und  bei  Ausübung  der  Nutzung  hinreichend 
überwacht  wird,  den  Bezug  frischen,  vollwertigen  Saatgutes. 

Die  Gewinnung  des  Samens  in  Eigenregie  und  im  Wege  der  Naturalabgabe 
krankt  naturgemäß  an  dem  Uebelstand,  daß  in  Samenjahren  nicht  nur  der  Bedarf 
eines  Jahres,  sondern  um  so  mehr  Samen  gesammelt  werden  muß,  je  weiter  die  Samen- 
jahre auseinander  liegen.  Sie  setzt  außerdem  voraus,  daß  Aufbewahrungsmethoden 
bekannt  sind  und  angewendet  werden,  mit  deren  Hilfe  es  möglich  ist,  die  Keimkraft 
des  Samens  mehrere  Jahre  auf  einer  befriedigenden  Höhe  zu  erhalten.  Bei  Fichten- 
und  Kiefernsamen  stellt  das  neuere  Verfahren,  die  Samen  durch  Aufbewahrung 
unter  Luftabschluß  und  kühler  Temperatur  Jahre  hindurch  keimkräftig  zu  erhalten, 
die  Möglichkeit  einer  annähernden  Unabhängigkeit  vom  Markte  in  Aussicht,  wäh- 

1)  Nach  Revue  des  Eaus  et  Forgts,  1909,  April-Heft  S.  217  gehen  jährlich  130  Waggon  Kie- 
fernzapfen und  30  000  kg  geklengter  Kiefernsamen  von  Frankreich  nach  Deutschland. 

2)  Der  .'Vnregung  des  Deutschen  Forstwirtschaftsrates  zufolge  hat  sich  eine  Kontrollver- 
einigung der  Besitzer  von  Samenklenganstallen  und  Forstbaunischulen  gebildet,  die  sich  unter 
Gestattung  der  Buchkontrolle  durch  eine  Kommission  des  Deutschen  Forstwirtschaftsrates  ver- 
pflichtet, nach  den  Vorschriften  des  Deutschen  Forstwirtschaftsrates  Kiefernsamen  und  Kiefern- 
pflanzen nur  deutscher  Herkunft  zu  liefern. 


Die  Beslandesbegründung.     §  55.  1Q5 

rend  bei  Bedarf  an  Samen  nül  schnell  zurückgehender  Keimkraft  die  Bcschaffvnig 
durch  Kauf  auch  für  den  Großbetrich  nicht  immer  zu  umgehen  sein  wird.  Gerade 
bei  solchen  Samen,  die  baldige  Aussaat  erfordern  oder  sich  nur  unter  erheblicher  Ein- 
buße ihrer  Keimfähigkeit  bis  zur  Dauer  eines  Jahres  aufbewahren  lassen,  wie  Eiche, 
Buche,  Tanne,  Birke,  Erle,  Ulme,  Weide,  Pappel,  empfiehlt  sich  aber  Selbstsammeln 
in  erster  Linie.  Die  nicht  zu  umgehende  Abhängigkeit  vom  Eintreten  der  Samen- 
jahre hierbei  ist  immer  noch  das  kleinere  Uebel. 

Beim  Kauf  Wendel  man  sich  im  allgemeinen  besser  an  bewährte  große  Firmen  als  an 
kleine  Handler,  w-eil  die  großen  Anstalten  am  vollständigsten  über  die  Mittel  zur  Lieferung 
eines  tadellosen  Produktes  verfügen  und,  wie  die  oben  erwähnte  KontroUvercinigung  zeigt, 
auch  gern  bereit  sind,  berechtigten  Wünschen  der  Konsumenten  zu  entsprechen.  Es  ist  üblich, 
den  Samen  unler  Zusicherung  von  Reinheit,  guter  Beschaffenheit  und  eines  bestimmten  Kei- 
niungsprozentes  zu  kaufen.  Bei  größeren  Lieferungen  empfiehlt  es  sich,  Einhaltung  des  Liefe- 
rungstermines,  event.  Stellung  einer  Kaution  für  rechtzeitige  Lieferung  zu  verlangen  ^).  — 
Die  Samenpreise  schwanken  je  nach  dem  Ausfall  der  Ernte  bedeutend,  namentlich  bei  den- 
jenigen Holzarten,  die,  wie  z.  B.  die  Kiefer,  manchmal  in  längeren  Zeiträumen  nur  schwache 
Ernten  geben  und  bei  denen  der  Bedarf  an  Saatgut  ein  großer  ist.  Es  ist  selbstverständlich, 
daß  der  Samenpreis  mit  den  .Anforderungen,  die  an  den  Samen  selbst  gestellt  werden,  steigen 
muß.  Es  ist  total  verkehrt,  sich  beim  Ankauf  von  Samen  nicht  durch  die  Garantie  guter  Her- 
kunft und  hoher  Keimkraft,  sondern  durch  die  Billigkeit  bestimmen  zu  lassen.  Wenn  die 
Samenhandlungen  einen  nach  Keimkraft  und  Herkunft  einwandsfreien  Samen  liefern  sollen, 
müssen  sie  den  Preis  erhöhen,  weil  die  Beschaffung  des  Samen  auf  kleinerem  Gebiete  und 
die  sorgfältigere  Behandlung  beim  Kiengen,  Entflügeln,  Aufbewahren  usw.  höhere  Unkosten 
verursacht.  Der  Preis  für  Fichtensamen  hat  1880 — 95  zwischen  1,05 — 3,40  Mk.  pro  kg  ge- 
schwankt undstellt  sich  jetzt  auf  2,50  .Mk.;  Kiefer:  1880 — 95  3,05 — 8,10  Mk.;  garantiert  norddeut- 
scher Kiefernsame  ist  schon  mit  11,00  Mk.  pro  kg  notiert  worden  und  stellt  sich  jetzt  auf  6,50 
bis  8  Mk.  Tanne:  1880—95  0,38—1,67  Mk.,  im  Durchschn.  0,75  Mk.,  jetzt  0,80  Mk.  pro  kg, 
Lärchel880 — 95  1,18 — 6,37,  im  Durchschn.  2,43  Mk.,  jetzt  4,50  Mk.  pro  kg.  Eiche:  pro  hl  (=  80  kg) 
15,50  Stieleiche,  22  Mk.  Traubeneiche;  Buche:  pro  hl  (=  45  kg)  21,00  Mk.,  jetzt  36 — 40  Mk. 
Roterle:  pro  kg  0,70 — 1,00  .\lk.,  Weißeric  2,50  Mk.;  Birke  0,60 — 0,80  Mk.;  Ulme  0,40 — 0,60 
Mark;  Esche  1,00  Mk.;  Bergahorn  1,00  Mk.;  Spitzahorn  0,80  Mk.;  Hornbaum  0,80 — 1,00  Mk. 

B.  Ernte  und  Aufbewahrung  des  Samens  s.  die  betreffen- 
den Teile  im  Abschnitt  Forstbenutzung. 

C.  Prüfung  der  Samengüte.  Neben  Feststellung  der  Echtheit  des 
Samens  hat  sich  die  Prüfung  zu  erstrecken  auf  Reinheit,  Größe  und  Beschaffenheit, 
Keimzahl  und  Keimungsenergie.  Nach  dem  Befund  ergibt  sich  ein  größerer  oder 
geringerer  Gebrauchswert. 

1.  Echtheit.  Am  häufigsten  sind  Verwechslungen  zwischen  Stiel-  und 
Traubeneiche,  gem.  und  Bergkiefer,  Schwarz-  und  Weißerle,  Berg-  und  Spitzahorn. 
(Ueber  die  bezügl.  Unterscheidungsmerkmale  vergl.  Abschn.  Forstbotanik  des  Hand- 
buches.) —  2.  Reinheit.  Das  Saatgut  soll  möglichst  rein,  frei  von  Verunreini- 
gungen (Zapfenschuppen,  Teilen  von  Fruchthüllen,  Samenflügeln,  Harz,  Steinchen 
u.  dergl.)  sein.  Je  kleiner  die  Sämereien  sind,  um  so  stärker  pflegen  sie  verunreinigt 
zu  sein.  Besonders  häufig  sind  Beimengungen  bei  Lärche,  Birke,  Weide,  Pappel, 
Erle.  Die  Reinheit  wird  durch  das  Reinheitsprozent,  d.  i.  durch  den  prozentischen 
Anteil  von  wirklichen  Samenkörnern  an  100  abgezählten  Einheiten  der  Samenliefe- 
rung angegeben.  Das  Reinheitsprozent  schwankt  nach  den  Angaben  der  Züricher 
Samenkontrollstation  zwischen  28  %  (Birke)  und  99  %  (Buche).  —  3.  Größe  und 
Beschaffenheit.  Größe  und  damit  Gewicht  des  Samens  sind  insofern  von 
Belang,  als  das  größere  Samenkorn  im  allgemeinen  die  kräftigere  Pflanze  ergibt-). 

1)  Unter  den  größeren  leistungsfähigen  Klcnganstalten,  bezw.  Samenhandlungen  sind 
nicht  wenige  von  bedeutendem  Rufe  (cfr.  Abschnitt  Forstbenulzung).  Eine  Zentrale  des  (man 
darf  wohl  sagen  europäischen)   Samenhandels  ist  Darmstadt. 

2)  Vergl.  Baur,  Forstwiss.  Centralblatt  von  1880,  S.  605  ff.  —  Wenn  auch  der  Unter- 
schied, welchen  Pflanzen  aus  verschieden  großen  Samen  (z.  B.  großen,  mittleren  und  kleineren 
Eicheln)  anfänglich  zeigen,   später    (nach  3 — 6  Jahren)    mehr    und  mehr  verschwindet,  so  sind 


106  VI.  L  0  r  e  y  ,  Waldbau. 

Nach  den  Beobachtungen  von  Friedrich  waren  Fichtenpflanzen  aus  schwererem 
Samen  im  Alter  von  3  Jahren  nach  Höhe  und  \'olumen  nocli  besser  als  gleich  alte 
Pflanzen  aus  leichten  Samen.  Abgesehen  von  der  jeweiligen  .Jahreswitterung  und 
der  Bodengüte  hängt  die  Größe  des  Samens  vom  Alter  des  Mutterbaumes  und  vom 
Klima  (Höhenlage)  seines  Standortes  ab.  S  c  h  o  1 1 1)  fand,  daß  im  gleichen  Revier 
150jährige  Kiefern  auffallend  kleine  Zapfen  mit  kleinen,  leichten  Samen,  80jährige 
hingegen  größere  Zapfen  mit  größeren  Körnern  erzeugten.  Die  gleiche  Erscheinung, 
daß  der  schwerere  Zapfen  den  schwereren  Samen  liefert,  bestätigt  Friedrich  von 
Fichte.  —  Einen  Anhalt  für  flüchtige  Beurteilung  des  Wertes  des  Samens  bietet  seine 
äußere  und  innere  Beschaffenheit.  Farbe  der  Samenschale  und  des  Kerns  '-),  Wasser- 
bezw.  Oelgehalt  des  Kerns,  Geruch  und  Geschmack,  ganz  besonders  aber  die  Art  und 
Weise,  wie  der  Kern  die  Schale  ausfüllt,  orientieren  über  Frische  und  damit  über 
das  zu  erwartende  Keimungsprozent.  Lange  Zeit  aufbewahrte  oder  zu  stark  ausge- 
trocknete und  dadurch  minderwertig  gewordene  Samen  verlieren  ihre  normale  Farbe 
außen  wie  innen,  werden  leichter  und  klappern  beim  Schütteln.  Die  größeren  Säme- 
reien (Eiche,  Kastanie,  Buche)  lassen  sich  auch  nach  dem  Gewicht  beurteilen.  Taube 
Samen  sind  leicht  und  schwimmen  im  Wasser,  während  gute  Samen  untersinken.  Die 
Prüfimg  von  Eicheln  usw.  auf  diese  Weise,  die  sog.  Wasserprobe,  gibt  zwar  nach  den 
Feststellungen  Grundners^)  keine  durchaus  zuverlässigen,  aber  doch  vollkom- 
men zufriedenstellende  Resultate.  —  4.  Keimzahl  und  K  e  i  m  u  n  g  s  e  n  e  r- 
gi  e*).  Das  sicherste  Mittel,  die  Brauchbarkeit  eines  Saatgutes  festzustellen,  ist  die 
Keimprobe.  .Je  höher  das  Keimprozent,  d.  ii.  die  Zahl  der  keimenden  Körner  unter 
je  100  untersuchten  und  je  größer  die  Keimenergie  ist,  d.  h.  je  schneller  die  Samen 
unter  den  ihnen  bei  der  Keimprobe  gebotenen  günstigen  Bedingungen  keimen,  um 
so  besser  ist  der  Samen.  Er  ist  am  besten,  seine  Keimkraft  also  am  größten  kurz 
nach  seiner  Reife.  .Je  älter  er  wird,  um  so  mehr  nimmt  die  Keimkraft  auch  bei  sorg- 
fältigster Behandlung  ab.  unter  sonst  gleichen  Verhältnissen  hängt  die  Schnellig- 
keit, mit  der  die  Keimkraft  zurückgeht,  von  der  Holzart  ab.  Sehr  rasch,  oft  schon 
nach  wenigen  Tagen,  verlieren  die  Keimkraft  Ulme,  Erle,  Birke,  Weide,  Pappel. 
Bei  Eiche,  Buche,  Kastanie,  Tanne  hält  sie,  sachgemäße  Behandlung  des  Samens 
vorausgesetzt,  bis  zum  nächsten  Frühjahr  aus.  Länger  und  zwar  jahrelang  lassen 
sich  Esche,  Hornbaum,  Linde,  und  am  besten  die  Nadelliolzsamen  keimfäliig  erhal- 
ten.  Fichte  und  Kiefer  bleiben  bei  guter  Aufbewahrung  3  bis  4  Jahre  keimfähig.    Die 


doch  oft  die  ersten  Jahre  (energischer  Höhentrieb  im  Kampfe  mit  Unliräutern  etc.)  äußerst 
wichtig.  —  B  a  d  0  u  X  stellt  den  Einfluß  der  Korngröße  in  bezug  auf  die  Keimkraft  dahin 
fest,  daß  groß  und  mittelgroß  keinen  erheblichen  Unterschied  zeigen,  kleine  Körner  aber  meist 
weniger  leisten  als  große  und  mittelgroße.  —  Friedrich,  Ueber  den  Einfluß  des  Ge- 
wichtes der  Fichtenzapfen  und  des  Fichtensamens  auf  das  Volumen  der  Pflanzen.  Zlschr.  f. 
d.  ges.  Forstw.  190.S,  S.  233.  —  C  i  e  s  1  a  r ,  Ueb.  d.  Erblichkeit  des  Zuwachsvermögens, 
ebenda?.  1895,  S.  7.  —  E  n  g  1  e  r  ,  Mittign.  a.  d.  Schweiz.  Zentralanstall  f.  d.  forstl.  Versuchsw. 
VIII,  1905,  S.  182. 

1)  130jährige  Kiefern  ergaben  auf  1  hl  11  300  Zapfen  und  ein  1000-Korngewicht  \on  3,3  gr; 
80jährige  auf  1  hl  6940  Zapfen  und  4,3  gr  1000-Korngewlcht. 

2)  Der  Kern  frischer  Samen  ist  meist  weißlich  oder  gelblich,  bei  der  Esche  bläulich,  beim 
Ahorn  ein  grünes  Pflänzchen. 

3)  Grün  d  n  e  r  ,  ,,Die  Ausscheidung  keimfähiger  Eicheln  mit  Hilfe  des  Wassers".  AUg. 
F.-  u.   J.-Z.   Mai   1887. 

4)  Im  gewöhnlichen  Sprachgebrauch  pflegt  man  von  der  ,, Keimkraft"  eines  Samens  zu 
sprechen  und  braucht  diesen  das  Keimprozent  und  die  Keimenergie  umfassenden  Ausdruck 
meist  (fälschlicherweise)  nur  für  die  Keimzahl.  Die  seither  von  den  Samenhandlungen  im  besten 
Falle  garantierten  Keimprozente  schwanken  bei  Fichte  zwischen  70 — 80%,  Kiefer  70 — 75%, 
Lärche  30—40%,  Tanne  40—50%,  Eiche,  Buche  55—75%,  Erle  30 — 40%,  Birke  20—30%, 
Weide,  Pappel  5 — 10%. 


Die  Beslandesbegründung.     §  55.  107 

große  praktische  Bedeutung  möglichst  hochkeimenden  Samens  ist  zwar  längst  allen 
Forstwirten  bekannt,  ist  aber  erst  neuerdings  wieder  duirh  die  ausführliclien  Unter- 
suchungen H  a  a  c  k  s  ^)  an  Kiefernsamen  in  sehr  dankenswerter  Weise  unterstrichen 
worden  und  wird,  wie  Vorgänge  aus  neuester  Zeit  ^)  beweisen,  in  Zukunft  die  ver- 
diente Beachtung  wohl  mehr  finden,  als  es  bisher  im  allgemeinen  gescliehen  ist. 
Bei  der  Aussaat  im  Freien  ist  das  Keimprozent  wegen  der  weit  ungünstigeren  Be- 
dingungen, unter  welchen  der  Samen  auf  der  Saatfläche  keimt,  stets  geringer  als  bei 
der  Keimprobe  im  Zimmer.  Nicht  einmal  im  Forstgarten,  geschweige  denn  auf  den 
großen  Kulturflächen  erhält  man  auch  nur  entfernt  so  viel  Pflänzlinge,  als  dem 
Keimprozent  und  der  angewendeten  Samenmenge  entsprechen.  Das  ,,Pflanzen- 
prozenl",  d.  h.  die  Zahl  der  aus  100  Samenkörnern  hervorgehenden  Pflanzen  steht 
vielmehr  sehr  erheblich  hinter  dem  Keimprozent  zurück.  Von  großer  Wichtigkeit 
ist  nun,  wie  die  Untersuchungen  H  a  a  c  k  s  für  Kiefer  zeigen,  daß  Keimprozent  und 
Pflanzenprozent  nicht  parallel  gehen,  sondern  daß  das  letztere  bei  höherem  Keim- 
prozent in  schnellerem  Tempo  ansteigt,  mit  abnehmender  Keiuikraft  aber  auch  viel 
schneller  sinkt  als  das  Keimprozent  ^).  Wie  die  unten  angeführten  Zahlen  erkennen 
lassen,  liefert  der  bei  vorsichtigem  Klengbetrieb  herstellbare  95%ige  Kiefernsamen 
doppelt  so  viele  Pflanzen  als  der  im  derzeitigen  Samenhandel  als  gut  ange- 
sehene Samen  mit  75  °o  Keimkraft.  Von  Bedeutung  ist  ferner  auch  die  Keimenergie. 
Aus  schnell  keimenden  Samen  gehen  im  allgemeinen  kräftigere  und  besser  bewurzelte 
Keimlinge  iiervor.  Für  Kiefer  fand  H  a  a  c  k  ,  daß  bei  gleichem  Keimprozent  und 
verschieden  holier  Keimenergie  der  energischer  keimende  Samen  10%  Pflanzen  mehr 
gibt  als  der  langsamer  keimende.  Da  beide,  Keimprozent  und  Keimenergie,  aber  vom 
Alter  des  Samens  und  der  Art  seiner  Behandlung  abhängen,  wird  der  in  bezug  auf 
Keimzahl  hochprozentigere  Samen  im  allgemeinen  auch  der  keimenergischere  sein. 
Der  Praxis  muß  also  an  der  Beschaffung  möglichst  hochprozentiger  Samen  liegen. 
Die  Sorge  hierfür  ist  um  so  mehr  angezeigt,  je  ungünstiger  die  Verhältnisse  der  Saat- 
fläche sind.  Das  mit  dem  Keimprozent  in  verstärktem  Maße  anwachsende  Pflanzen- 
prozent erleichtert  auch  die  Aufwendung  höherer  Preise  für  ein  mit  größeren  Un- 
kosten hergestelltes  keimkräftigeres  Saatgut,  weil  ja  entsprechend  seiner  Güte  an 
der  Menge  des  Samens  gespart  werden  kann. 

Die  oben  genannte  Keimprobe  beruht  darauf,  daß  man  eine  bestimmte 
Anzahl  (50,  100,  200  Körner)  durch  andauernd  gleichmäßige  Potenzierung  der  die 
Keimung  bedingenden  Faktoren  Feuchtigkeit  und  Wärme,  bei  genügendem  Luft- 
und  Lichtzutritt  zu  rascherer  Entwicklung  veranlaßt.  Diese  Beschleunigung  ist  er- 
forderlich, damit  man  in  kürzester  Zeit  (vor  Eintritt  der  Kulturzeit)  den  gewünschten 
Aufschluß  erhält.  Gleichmäßige  Temperatur*)  ist  bei  den  Keimproben  erwünscht; 
namentlich  sollten  sie  niciit  in  Räumen  vorgenommen  werden,  welche  nachts  (in- 
folge Unterbrechung  der  Heizung)  erheblich  kälter  sind  als  am  Tage.  Die  zu  be- 
nutzenden Apparate  sind  vor  dem  Gebrauch  gründlich  zu  reinigen,  damit  Pilz- 
bildungen (Schimmel)  möglichst  hintangehalten  werden;  Tonplatten  etc.  werden  zu 
dem  Ende  vorher  ausgeglüht.    Der  Beginn  der  Keimung,  sowie  die  Zahl  der  täglich 


1)  H  a  a  c  k  ,  Ueb.  d.  Keimung  und  Bewertung  des  Kiefernsamens  nacli  Keimproben. 
Zlschr.  f.  F.-  u.  Jw.  190(5,  S.  411.  —  D  e  r  s.  ,  Die  Beschaffung  des  Kiefernsamens  einst,  jetzt 
und  künftig.    Mittlgn.  d.  deutsch.  Forstver.  1909,  S.  LS?. 

2)  Nach  einem  Ministerialerlaß  vom  29.  I.  1910  soll  das  Ziel  des  Darrbetriebe^  in  den  preuß. 
Kieferndarren  die  Gewinnung  eines  Saatgutes  von  mindestens  85°o  Keimkraft  sein. 

3)  Kiefernsamen  von  50,  55,  60,  65,  70,  75,  80,  85,  90,  95%  Keimkraft 

ergab  5,     7,  11,  14,   18,  22,  26,  Sl,  37,  44  Pflanzen. 

4)  Für  die  Keimung  der  Weymouthskiefersamen  ist  Temperaturwechsel  sehr  förderlich. 


1Q8  vi.  Lorey,  Waldbau. 

keimenden  Körner  ist  zu  notieren.  Einzelne  späte  Nachkömmlinge  dürfen  bei  der 
Beurteilung  der  Samengüte  unberücksichtigt  bleiben,  weil  solche,  im  Freien  erst 
gegen  den  Sorruner  hin  erscheinende  und  nicht  mehr  zu  normaler  Entwickelung  ge- 
langende Pflanzen  für  das  Gedeihen  der  Kultur  meist  wertlos  sind.  Daß  man  sich, 
um  sicher  zu  gehen,  nicht  mit  einer  einzelnen  Probe  begnügt,  sondern  gleichzeitig 
Parallelproben  vornimmt,  ist  selbstverständlich.  Man  pflegt  die  Keimprobe  nach  4, 
bei  Kiefer  nach  6  Wochen  abzuschließen  i).  Bei  Fichten-  und  Kiefernproben  kommt 
man  aber  schon  zu  einem  hinreichenden  Urteil,  wenn  der  Keimversuch  nach  14  Tagen 
abgebrochen  wird  und  die  bis  zu  diesem  Zeitpunkt  noch  nicht  gekeimten,  beim  Durch- 
schneiden aber  als  frisch  befundenen  Körner  den  gekeimten  zugezählt  werden.  (Milt- 
ner und  Kinzel,  Keimungshemmungen.  Natunv.  Ztschr.  f.  L.-  u.  Fw.  1906, 
S.  36.) 

Die  oben  angedeuteten  Mittel  zur  Beschleunigimg  des  Keimprozesses  sind  u.a. 
Aussaat  in  Scherben,  deren  Erde  man  ständig  feucht  erhält  und  die  man  in  einen 
mäßig  warmen  Raum  stellt  (Scherbenprobe) ;  Einlegen  des  Samens  in  dauernd  feuchte 
Flanelllappen  (Lappenprobe)  oder  Filtrierpapier;  Anwendung  besonderer  Keim- 
apparate, wie  z.  B.  der  Hannemann'schen  Keimplatte  -)  (poröse  Tonplatte  mit 
Vertiefungen  zum  Einlegen  der  Samen,  steht  in  Wasser  bis  zur  Höhe  des  Bodens 
dieser  Vertiefungen),  des  Nobbe'schen  Keimapparates  ^)  (von  einer  Wasserrinne  um- 
gebener, muldenförmiger  Tonhehälter  zum  Einlegen  der  Samen,  von  einem  mit  Luft- 
öffnung versehenen  Tondeckel  überdeckt),  der  Apparate  von  Stainer  und  Grün- 
wald *)  (poröse  mit  Vertiefungen  versehene  Tonplatten,  in  Wasser  liegend,  mit  einer 
Glas-  oder  Porzellanglocke  bedeckt),  des  Apparates  von  Coldewe  und  Schönjahn  ^) 
(Auslegen  des  Samens  auf  feuchtem  Sand,  Bedecken  mit  einer  Filzplatte  und  mit 
Glasdeckel),  Magerstein  ^),  Keimkasten  von  Dr.  Cieslar '),  Pfizenmayers  Keim- 
kasten ^)  (ein  kleiner,  blechbeschlagener,  mit  matter  Glasplatte  bedeckter  Holzkasten, 
in  welchem  auf  nassem  Torfmull  der  entsprechend  kleinere,  aus  Zinkblech  gefertigte, 
sandgefüllte,  am  Boden  siebartig  durchlöcherte  Keimkasten  steht.  Der  Apparat  wird 
auf  den  warmen  (nicht  überhitzten)  Ofen  oder  Herd  gestellt;  er  arbeitet  rasch  und 
genügend  sicher:  für  schnell  vorzunehmende  Proben  zu  empfehlen),  Keimapparat 
von  Entel  ^)  (Vertiefungen  eines  in  Wasser  eingesetzten  Gipsblockes  nehmen  die 
Samenkörner  auf)  usw. 

Die  Untersuchung  einer  Samenlieferung  auf  ihren  Gebrauchswert  wird  am 
zweckmäßigsten  an  einer  zwischen  Käufer  und  Verkäufer  zu  vereinbarenden  Samen- 
kontrollanstalt vorgenommen.  Diese  gut  eingerichteten  Anstalten  verfügen  über  alle 
erforderlichen  Hilfsmittel,  so  daß  die  Prüfung  naturgemäß  exakter  durchgeführt 
wird  als  durch  den  einzelnen  Samenkäufer,  dem  in  den  meisten  Fällen  nur  ein  mangel- 
hafter Apparat  zu  Gebote  steht.  Namentlich  dann,  wenn  es  sich  um  größere,  hohe 
Werte  repräsentierende  Lieferungen  handelt,  ist  die  staatliche  Samenprüfungsanstalt 
der  gegebene  Ort  für  die  Prüfung.  Zur  Orientierung  in  einzelnen  Fällen,  bei  kleineren 
Quantitäten  ist  die  Prüfung  durch  den  Empfänger  deshalb  nicht  ausgeschlossen. 

1)  Vgl.   Schwappach,  Bestimmungen  f.  d.  Waldsamcnprüfungsanstalt  bei  der  Haupt- 
station des  forstl.  Versuchswesens  zu   Eberswalde.     ."Mlg.  F.-  u.  J.-Ztg.  1901,  S.  33. 

2)  Allg.  Forst-  u.  Jagd-Zeitung  von  1870,  S.  153. 

3)  Nobbe,    ,, Handbuch  der  Samenkunde"   1876,  S.  507. 

4)  Vgl.  Allg.  Forst-  u.  Jagd-Zeitung  von  1884  S.  371.    Beide  .\pparate  funktionieren  gut. 

5)  Vergl.  Zeitschrift  für  Forst-  und  Jagdwesen,  Sept.  1886,  S.  481  ff. 

6)  Zentralbl.  f.  d    ges.  Forstwesen  1886,  S.  348. 

7)  Zentralbl.  f.  d.  ges.  Forstwesen  1890,  S.  251. 

8)  Allg.   Forst-  u.   Jagd-Zeitung  1893,   S.   17. 

9)  Forstw.  Zentralbl.  1897,  S.  535. 


Die  Bestandesbegründung.      §  5G.  jq9 

\'om  Staat  eingerichtete  Koiitrollanstaiteu,  welche  in  amtlicher  Eigenschaft  die  Prü- 
fung nach  bestimmten  Formen  vornehmen,  bestehen  jetzt  an  vielen  Orten;  so  z.  B. 
in  Hohenheim  (Württemberg),  Zürich  (Schweiz),  Eberswalde,  Dresden,  Mariabrunn 
(Oesterreich),  Barrcs-Vilmorin  (Frankreich)  ^). 

111.   Das  Keimbett. 

§  56.  V  o  r  b  e  m  e  r  k  u  n  g  e  n :  Da  bei  der  Keimung  Feuchtigkeit,  Wärme 
und  Sauerstoff  der  Luft  zusammenwirken,  so  muß  der  Samen  bei  der  Aussaat  in  Ver- 
hältnisse gebracht  werden,  welche  ihm  die  möglichst  ungestörte  Einwirkung  dieser 
Faktoren  darbieten.  Lichtabschluß  wirkt  hemmend.  Anhaltende  Trockenheit,  sowie 
Frost  sind  besonders  dann  schädlich,  wenn  sie  im  Zeitpunkte  der  beginnenden  Kei- 
mung eintreten.  Gegen  alle  schädigenden  Einflüsse  kann,  soweit  sie  sich  in  mäßigen 
Grenzen  halten,  also  z.  B.  die  Trockenheit  nicht  zu  lange  andauert  oder  der  Frost 
nicht  zu  heftig  auftritt,  das  Umgeben  des  Samenkornes  mit  lockerer  Erde  Schutz 
gewähren.  Ueberdies  ist  für  das  sofortige  Anwachsen  des  zuerst  aus  der  Hülle  hervor- 
brechenden Würzelchens  erforderlich,  daß  dieses  baldigst  mineralischen  Grund  er- 
reicht. 

Herstellung  eines  guten  Keirabettes:  Alle  hierauf  gerich- 
teten Maßregeln  haben  ihren  Grund  in  den  vorstehend  angedeuteten  Bedingungen 
einer  raschen,  sicheren  Keimung.  Der  Kulturkostenaufwand  wird  durch  derartige 
Vorarbeiten  stets  mehr  oder  weniger  bedeutend  erhöht,  weshalb  sorgfältigst  zu  er- 
wägen ist,  ob  sie  nötig  sind,  bezw.  ob  sie  die  gedeihliche  Entwickelung  der  jungen 
Saat  so  fördern,  daß  sich  die  Ausgabe  lohnt.  Die  billigsten  Mittel,  welche  uns  den 
Zweck  erreichen  lassen,  sind  zu  wählen.  Dabei  ist  aber  wohl  zu  beachten,  daß  —  so 
sehr  auch  die  Kulturkosten  das  Konto  des  zu  erziehenden  Bestandes  belasten  —  doch 
nicht  am  unrechten  Orte  gespart  werden  darf.  Kulturen,  bei  deren  Ausführung  man 
an  Aufwand  für  Bodenvorbereitung  gespart  hat,  werden  oft  durch  die  erforderlichen 
Nachbesserungen  zu  teueren,  oder  die  zweifelhafte  Entwickelung  des  geschaffenen 
Bestandes  bedeutet  einen  Verlust,  der  den  Kulturkosten  zugeschlagen  werden  muß. 
Statische  Envägung  ist  hier  besonders  angebracht.  Die  zur  Herstellung  eines  guten 
Keimbettes  notwendigen  Operationen  bestehen  je  nach  den  Umständen  in  der  Ent- 
fernung eines  den  mineralischen  Boden  nach  außen  abschließenden  oder  die  Keim- 
pflanzen demnächst  benachteiligenden  Bodenüberzugs,  in  der  Auflockerung  des  Bo- 
dens da,  wo  dieser  zu  fest  gelagert  ist,  und  ausnahmsweise  auch  wohl  in  Herbeischaf- 
fung des  für  die  Keimung  geeigneten  Bodens  an  Stellen,  wo  solcher  fehlt. 

A.Entfernung  eines  hinderlichen  Boden  Überzugs: 
Eine  lichte  Grasnarbe  oder  dünne  Decke  aus  Laub,  Moos,  Kräutern  (auch  Heide, 
Beerkraut),  unter  welchen  der  Boden,  genügend  locker,  sich  einigermaßen  frisch  er- 
hält, ist  im  allgemeinen  der  Saatkultur  nicht  hinderlich.  Fehlt  dieser  Ueberzug  (als 
Beweis  eines  lebendigen  tätigen  Bodens),  wie  nicht  selten  auf  trockenen,  steilen  oder 
sandigen  Orten,  so  hat  man  öfter  mit  Erfolg  versucht,  ihn  erst  zu  gewinnen,  indem 
man  die  Fläche  einige  Zeit  liindurch  vollständig  sich  selbst  überläßt.  Als  allgemeine 
ISIaßregel  ist  dies  jedoch  wegen  der  Gefahr  weitergehender  .\ushagerung  des  Bodens 
und  Zerstörung  seiner  Krümelstruktur  nicht  anzuraten.  Unbedingt  hinderlich  da- 
gegen wirkt  jede  stärkere  Bodendecke,  also  jede  zusammenhängende  dichte,  hohe 

1)  Nachrichten  über  diese  .\nslalten  bezw.  deren  Unterstützungsergebnisse  finden  sich  u.  a. 
Schweiz.  Ztschr.  f.  Forstw.  1892,  112.  Zentralbl.  f.  d.  ges.  Forstw.  1899,  339;  Tliarand.  Jahrb. 
1890,  103;  Allg.  F.-  u,  J.-Ztg.  1901,  33. 


110  ^^-  Lorey,  Waldbau. 

Laub-  oder  Nadelschiclit,  zumal  wenn  sie  sich  infolge  ungenügender  Streuzersetzung 
als  Trockentorf  charakterisiert.  Schädlich  sind  ferner  festgeschlossene  Polster  von 
Moos  und  Gräsern  oder  massige  Ueberzüge  von  Farnkräutern,  Heide,  Heidelbeere, 
Himbeere,  Brombeere,  Epilobium,  Senecio,  Digitalis  usw.  Die  Entfernung  eines 
derartigen  Ueberzugs  geschieht  meist  nur  teilweise.  Man  wendet  unter  solchen  Ver- 
hältnissen, wenn  man  überhaupt  säet,  stellenweise  Saat  an,  weil  die  Bodenvorberei- 
tung für  Vollsaat  zu  teuer  würde.  Die  Bearbeitung  erfolgt  1 .  bei  L  a  u  b  u  n  d  M  o  o  s 
mittels  des  Rechens  (event.  besondere  kräftig  gebaute  Waldrechen),  oder  durch 
Uebereggen  mit  Feld-  oder  Ketteneggen,  bei  besonders  mächtigen  Laubschichten 
auch  wohl  mittels  Pflügens  (Vogelsberg).  Weiterhin  kommt  Unterhacken  der  oberen 
Schicht  und  dadurch  Mengung  mit  dem  Mineralboden  in  Frage.  Dem  letztgenannten 
Zwecke  dienen  auch  die  dänische  Rollegge  und  die  ihr  nachgebildeten  Grubber,  deren 
vorzügliche  Leistungen  schon  oben  S.  96  ei-wähnt  wurden;  2.  bei  Gras,  Heide, 
sonstigen  F  o  r  s  t  u  n  k  r  ä  u  t  e  r  n  durch  Abschneiden  mittels  Sichel,  Sense, 
Heppe,  Beil,  Schere  etc.  ')  oder  eines  Riefenabschneiders  ^);  3.  bei  Sträuchern 
durch  Abhauen  mit  dem  Beil  oder  Abschneiden  mit  der  Durchforstungsschere, 
oder  durch  Ausstocken  (Schwarzdorn),  wenn  man  vollständige  Entfernung  wünscht. 
Auch  Abbrennen  kann  unter  Umständen  angewendet  werden  und  fördert  rasch. 
Bedingungen  hierfür  sind:  mäßig  trockenes  Wetter,  Trockenheit  des  Bodenüberzugs 
(Heide,  Gras  etc.  im  Frühjahr,  stehend;  Kräuter  nach  vorherigem  Abmähen  und 
Abwelken).  Es  ist  selbstverständlich,  daß  alle  möglichen  Vorsichtsmaßregeln  zur 
Verhütung  des  Ueberlaufens  des  Feuers  ergriffen  und  beobachtet  werden  müssen. 
Dazu  gehören  Aufgebot  der  nötigen  Mannschaft,  streifenförmige  Bodenverwomdung 
um  die  Brandfläche,  Vermeiden  von  Tagen  mit  stärkerem  Winde  usf. 

B.  Bodenlockerung:  Je  besser  die  Bodenlockerung,  um  so  besser  der 
Kulturerfolg.  Immerhin  wird  man  des  meist  erheblichen  Kostenpunktes  wegen  im 
allgemeinen  sich  begnügen,  den  Boden  nur  so  weit  zu  beaibeiten,  daß  eine  für  den 
Kulturerfolg  genügende  Anzahl  von  Samenkörnern  mit  dem  mineralischen  Boden 
in  hinreichend  innige  Berührung  kommt,  um  sich  zunächst  zu  guten  Keimpflanzen 
zu  entwickeln,  und  daß  letzteren  dann  in  dem  gelockerten  Boden  vor  allem  die  Bil- 
dung eines  normalen  Wurzelsystems  ermöglicht  ist.  Uebrigens  kann  durch  Boden- 
lockerung hin  und  wieder  die  Gefahr  des  Auffrierens  in  unenvünschter  Weise  er- 
höht werden.  Die  Mittel  der  Lockerung  sind  für  Vollsaat  und  stellenweise  Saat  ver- 
schieden. 

L  Vollsaat:  a)  Früher  hat  man  sicli  zum  Umbrechen  des  Bodens  bisweilen 
mit  Vorteil  der  Schweine  bedient,  die,  in  mäßigem  Tempo  über  die  Fläche  ge- 
trieben, eine  unter  Umständen  hinreichende  oberflächliche  Bodenverwundung  fertig 
brachten  und  gleichzeitig  durch  Vertilgen  von  Bodentieren  aller  Art  nützlich  wurden. 
Die  heutige  Zeit,  die  dem  Mastschwein  die  nötige  Fertigkeit  im  Umbrechen  des  Bodens 
nicht  mehr  zutraut,  muß  zu  anderen  Mitteln  greifen  und  besorgt  die  Bodenlockerung 
durch  Kurzhacken,  Eggen,  Grubbern  und  Pflügen  des  Bodens. 
Die  Verwendung  von  Spaten,  die  an  und  für  sich  die  beste  Bodenlockerung  verbürgt, 
kommt  der  hohen  Kosten  wegen  nur  bei  der  Bearbeitung  kleiner  Flächen  (Saat- 
kämpe) oder    bei  stellenweiser,  namentlich  Plattensaat  in  Betracht. 

Hacken  sind  Universalinstrumente  für  jede  Art  von  Bodenbearbeitung  und  sind  na- 

1)  Zum  Teil  eigens  für  diesen  Zwceli  l<onstruiertf'  Instrumente;  vergl.  Beil,  ,,Fu^^tvv. 
Kulturwerkzeuge  und  Geräte",  sowie  die  bezügliclien  Kapitel  der  größeren  Waldbauscliriften, 
z.  B.  H  e  y  e  r  s  Waldbau,  5.  Aufl.  S.  115  ff. 

2)  „Der  Riefenabschneider"  von  K  e  h  r  e  i  n.    A.  F.-  u.  J.-Z.  von  1878,  S.  37. 


Die  Bestandesbegründung.     §  56.  Hl 

nipnllich  dorl  unumgänglich,  wo  die  uipist  durch  S|ianuUral't  fdi-lljewegten  größeren  und  hei 
passenden  \'erli;iltnissen  viel  wohlfeiler  arlieitenden  Werkzeuge  den  Dienst  versagen.  Welelie 
.\rl  von  Hacken  ain  zweekniäßigslen  isl,  ist  schwer  zu  sagen.  Die  Hacken  mit  breiten  Blättern 
arbeilen  gut,  wenn  es  sich  nur  um  .\bsclialen  eines  nicht  zu  dicken  Ueberzugs  handelt.  /.\ir 
Büdenlockerung  und  zum  Beseitigen  dicker,  verfitzter  Bodendecken  sind  Hacken  mit  schmä- 
leren Blättern  aber  mehr  geeignet.  Steinige  und  verwurzelte  Böden  verlangen  sogar  die  An- 
wendung von  Spitz-  und  Rodehacken.  —  Eggen.  Außer  der  gewöhnliehen  Keldegge  kommen 
in  Tätigkeil:  die  sog,  Strauchegge,  bei  welcher  die  Enden  eingelegter  Reisigbündel  die  Boden- 
verwundung besorgen,  für  nicht  zu  dicht  benarbten  Sandboden,  auf  welchem  Kiefernsaat  aus- 
geführt werden  soll,  oft  vollkommen  genügend;  die  dreieckige  Egge,  die  Kettenegge  (aus  einer 
Anzahl  einzelner  mit  Zinken  xersehener  inid  durch  kurze  Kettenstücke  verbundener  kleiner 
Platten  bestehend  —  beweglich),  wie  z.  B.  die  Waldegge  von  Laake  (Oesterr.  Forslzeilung 
1889,  8),  eine  Keltenegge  mit  auswechselbaren  Zähnen;  neuestens  die  Federegge  ')  (mit  beweg- 
lichen Zähnen).  Eine  gut  arbeitende  Egge  (nach  Oberforstmeister  Hahn,  Zeitschr.  f.  Forst- 
u.  J.  1892,  457)  mit  rOckschlagenden  Löffelzinken  ist  die  Ingermann'sche  Waldegge.  Stöcke, 
Steine,  Wurzeln  etc.  bieten  der  Arbeit  der  gewöhnlichen  Feldegge  Hindernisse;  gegen  solche 
sucht  die  Kettenegge  und  die  Federegge  anzukämpfen.  —  Grubber.  In  neuerer  Zeit  werden 
nach  dänischem  \orbilde  die  auf  Zerreißimg  der  oberen  Bodendecke  und  auf  Mischung  der 
organischen  Stoffe  mit  dem  Mineralboden  gerichteten  Wühlapparate  empfohlen.  Der  Typus 
dieser  schweren,  durch  Pferde  fortbewegten  Werkzeuge  ist  die  dänische  Rollegge.  Nachbil- 
dungen derselben  von  teihveis  erhöhter  Leistungsfähigkeit  sind  die  Waldgrubber:  Webers 
Waldgrubber.  Auf  bereits  vorbereiteten  Böden,  in  Saatkämpen,  auf  Pflugfurchen  usw.  treten 
die  kleineren  Handapparate  (Spitzenbergs  Wühlrechen,  Wühlrad,  Wühlspaten)  an  ihre  Stelle. 
—  Waldpflüge  sind  in  mannigfacher  Gestalt  konstruiert  worden.  Es  sind  teils  Karren- 
oder Räderpflüge,  teils  Stelz-,  teils  Schwingpflüge  im  Gebrauch.  Neben  gewöhnlichen  Pflügen 
kommen  auch  Untergrundpflüge  (tiefere  Lockerung)  zur  Benutzung.  Beispiele:  Der  Wald- 
pflug, sowie  der  Untergrundpflug  von  Alemann  '),  der  Waldpflug  von  Eckert '),  derjenige  von 
Erdmann  ■■),  von  Osterheld  (zur  furchenweisen  Bodenbearbeitung  behufs  Aufnahme  der  Buchel- 
mast^),  von  Bötzel'),  von  Thaler  (A.  F.-  u.  J.-Z.  1906,  liS),  von  Schenk  v.  Schmiltburg  (ebendas. 
1907,  339;  1911,  58),  fernerhin  die  dänischen  Pflüge  (vgl.  Metzger,  Dänische  Geräte  z.  Boden- 
bearbeitung). 

Als  ein  besonderer  Fall  der  Anwendung  des  Pfluges  möge  hier  der  Kiefernanbau  auf 
Pflugwällen  (prcuß.  Oberförsterei  Dobrilugk)  erwähnt  werden  ').  Durch  das  Ausheben  ver- 
tiefter Pfluirfurchen  werden  wallartige  Erhebungen  gebildet;  auf  letzteren  wird  kultiviert.  All- 
gemein sind  auf  undurchlassendem  Boden  die  Pflugfurchen  nicht  selten  zu  naß. 

Die  volle  Bodenbearbeitung  ist  (vom  Schweineeintrieb  und  allenfalls  von  der 
oberflächlichen  \'er\vundung  eines  ebenen,  mit  kurzem  Gras  überkleideten  Bodens 
durch  die  Egge  abgesehen)  meist  zu  teuer,  als  daß  sie  ohne  übermäßige  Belastung 
der  Wirtschaft  ausgeführt  werden  dürfte.  Eventuell  ist,  wenn  man  sich  nicht  mit 
stellenweiser  Saat  begnügen  will,  von  der  Saat  überhaupt  Abstand  zu  nehmen  und 
zur  Pflanzung  überzugehen. 

2.  StellenweiseSaat.  Für  sie  tritt  vorgängige  Bodenbearbeitung  (wenig- 
stens für  Riefen-  und  Plattensaat)  fast  immer  ein.  Die  Kultur  muß,  da  sie  auf  einzelne 
Teile  der  Fläche  beschränkt  ist,  auf  diesen  in  ihrem  Erfolg  durch  besondere  Sorg- 
falt möglichst  gesichert  sein.  Der  Aufwand  für  die  Bodenbearbeitung  ist  hier  ent- 
sprechend geringer,  als  wenn  die  betreffenden  Arbeiten  auf  der  ganzen  Fläche  durch- 
geführt werden. 

a)  Streifen:  Die  R  i  c  h  t  ii  n  g  ist  in  der  Ebene  meist  nur  bedingt  durch 
die  ^^'ege,  auf  welche  die  Streifen  zur  Erleichterung  der  Holzausbringung  bei  den 
Reinigungen  und    ersten  Durchforstungen   unter  einem  annähernd  rechten  Winkel 


1)  Vergl.  über  diese  und  einige  andere  Waldeggen  von  Alle  n's  Aufsatz  in  Danckelmanns 
Zeitschrift  für  Forst-  und  Jagdwesen  1886,  S.  375  ff.  —  vergl.  auch  AUg.  F.-  u.  J.-Z.  von  1879, 
S.  262. 

2)  A  1  e  m  a  n  n  ,    Ueber  Forstkulturwesen,  3.  .\ufl.  S.  25  ff 

3)  .\llg.  Forst-  und  Jagdzeitung  von  1869,  S.  481. 

4)  Daselbst  1866,  S.  327. 

5)  Forstwiss.   Zentralbl.   1900,   131. 

6)  Holz-\'erkaufsanzeiger,   1893,  12. 

7)  Zeitschr.  f.   Forst-  u.   J.   1888,   513. 


112  VI.  L  o  r  e  y  ,  Waldbau. 

autstoßen  sollen,  sowie  allenfalls  durch  die  Windrichtung.  Es  wird  als  zweckmäßig 
angesehen,  daß  der  Wind  tunlichst  senkrecht  auf  die  Saatstreifen  trifft,  sie  aber 
nicht  in  ihrer  Längserstreckung  bestreicht.  An  Hängen  würde  die  Rücksicht  auf  die 
Holzausbringung  zur  Anlegung  der  Streifen  oft  geradezu  in  der  Richtung  des  größten 
Gefälles  (Einmündung  in  die  Tal-  und  Hangwege)  führen.  Mit  Rücksicht  auf  die  da- 
durch gesteigerte  Gefahr  des  Abschwemmens  von  Bodenkrume,  Samen  und  Pflanzen 
läßt  sich  diese  Richtung  der  Streifen  meist  nicht  einhalten.  Vielmehr  empfiehlt  sich 
hier  horizontale  Lage  der  Streifen  mit  Anhäufung  des  Abraums  am  unteren  Strei- 
fenrande. Eine  geeignete  Vermittelung  wird  nicht  selten  durch  eine  die  Richtung 
des  größten  Gefälles  in  schiefem  Winkel  durchschneidende  Erstreckung  der  Strei- 
fen gefunden.  Den  vom  Wasser  (Platzregen,  Schneeabgang  etc.)  drohenden  Ge- 
fährdungen kann  einigermaßen  auch  durch  Unterbrechung  der  Streifen  (sog.  Stück- 
rinnen) begegnet  werden.  —  Breite  der  Streifen:  hauptsächlich  abhängig  vom 
Unkrautwuchs  auf  den  zvvischenliegenden  Streifen.  Die  jungen  Pflanzen  dürfen  von 
der  Seite  her  nicht  überlagert  und  unterdrückt  werden;  durchschnittliche  Breite 
25 — 50  cm.  —  Abstand  der  Streifen:  von  Rand  zu  Rand  meist  % — 1  y.  m, 
bei  langsamwüchsigen  Holzarten  und  zur  Erzielung  eines  raschen  Bestandesschlusses 
am  geringsten.  —  Herstellung  der  Streifen:  oft,  zumal  in  sehr  unebenem 
Terrain,  nach  dem  Augenmaß;  sonst  Abstecken  unter  Anwendung  von  Pflanzschnur 
etc.,  Entfernung  des  Bodenüberzuges,  Lockern  des  mineralischen  Grundes  (mit 
Hacke  oder  Pflug),  event.  Bildung  eines  erhöhten  Aufwurfs  (und  demnächstige  Saat 
auf  die  erhöhten  Streifen,  damit  die  jungen  Pflanzen  nicht  von  Laub  etc.  über- 
deckt werden  (sog.  Dammkulturen).  Die  Kosten  betragen  bei  Anfertigung  mit  der 
Hacke  pro  ha  (bei  0,3  m  Breite  und  U/«  m  Abstand  der  Streifen)  im  ganzen  30 — 40 
Taglöhne. 

b)  Platten:  Ihre  Größe  und  Entfernung  (von  Mitte  zu 
Mitte)  ist  abhängig  von  der  Entwicklung  der  Keimpflanzen,  Art  des  Unkraut- 
wuchses, vom  Eintritt  des  Bestandesschlusses;  mittlere  Größe  0,25  GMeter  und 
mittlere  Enfernung  1— IV,  Meter.  Die  Platten  erhalten  meist  eine  quadratische 
Gestalt,  werden  auch  wohl  kreisförmig  oder  als  der  Quadratform  sich  annähernde 
Rechtecke  angelegt.  —  Anfertigung:  Abräumen  des  Bodenüberzugs,  Lockern 
des  mineralischen  Grundes   (mit  Hacke,  Kreisrechen  *),    Spitzenbergs  Wühlspaten). 

C.  Herbeischaffen  von  K  u  1 1  u  r  e  r  de  .  Für  den  Zweck  einer  Saat- 
kultur (z.  B.  zwischen  die  Steine  in  Steinräuhen  etc.):  gute  Walderde,  Kompost, 
Rasenasche.  Die  Maßregel  ist,  weil  teuer,  möglichst  zu  vermeiden;  nur  ausnahms- 
weise und  für  kleine  Flächen  kommt  sie  in  Betracht. 

Die  zeitliche  Ausführung  der  Bodenbearbeitung  richtet 
sich  teils  nach  den  vorhandenen  Arbeitskräften,  teils  nach  den  Bedürfnissen  des 
Bodens.  Zumeist  geht  sie  der  Saat  unmittelbar  voran.  Es  kann  sich  aber  nament- 
lich auf  bindigen  Böden  sehr  empfehlen,  die  im  Frühjahr  zu  besäenden  Stellen  bereits 
im  Herbst  zuvor  zu  lockern,  teils  um  die  Arbeit  im  Frühjahr  zu  verkürzen,  haupt- 
sächlich aber,  um  den  Boden  physikalisch  zu  bessern. 

IV.  Die  Aussaat. 

§  57.  A.  Saatzeit.  Eine  allgemeine  Vorschrift  in  bezug  auf  die  Saatzeit 
läßt  sich  nicht  geben.  Abgesehen  von  denjenigen  Holzarten,  deren  Samen  baldigst 
in  den  Boden  gebracht  werden  müssen,  weil  sie  ihre  Keimkraft  nach  der  Reife  rasch 

1)  Verarl.  Beil,    ,, Kulturwerkzeuge"  Fig.  90 — 96. 


Die  BestandesbegrQndung.     §  57.  j  13 

verlieren,  wie  Ulme,  Birke,  die  deshalb  im  Juni  bezw.  .luli — August  ausgesäet  wer- 
den, säet  man  entweder  im  Herbst  oder  im  Frühjahr.  Die  Frülijahrssaat  bildet  im 
allgemeinen  die  Regel  *).  Bei  der  Herbstsaat  hat  man  zunächst  den  Vorteil,  daß 
man  den  Samen  nicht  aufbewahren  muß,  sondern  im  \'ollbesitz  der  Keimkraft  aus- 
säet. Weiter  pflegen  die  Herbstsaaten  zeitiger  aufzulaufen  als  die  Frühjahrssaaten, 
sie  entwickeln  sich  dementsprechend,  sofern  Fröste  nicht  stören,  schon  im  ersten 
Sommer  kräftiger  und  nützen  namentlich  auf  trockenen  Böden  die  Frühjaiirsfeucli- 
tigkeit  besser  aus  als  die  erst  später  ausgeführten  Frühjahrssaaten.  Sie  sind  aber 
Gefahren  aller  Art  mehr  ausgesetzt  als  jene,  leiden  unter  Tierfraß  (Vögel,  Mäuse, 
Wild,  Eichhörnchen),  Abschwemmen  bei  der  Schneeschmelze,  Spätfrost  infolge 
frühen  Auflaufens  und  stehen  deshalb  im  Erfolg  sehr  oft  den  Frühjahrssaaten  nach. 
Rücksicht  auf  Arbeitskräfte,  Kürze  der  verfügbaren  Kulturzeit  im  Frühjahr,  nament- 
lich in  höheren  Lagen,  wo  der  Boden  lange  mit  Schnee  bedeckt  ist,  ferner  Unmög- 
lichkeit der  x\ufbewahrung  des  Samens  durch  den  Winter  können  gleichwohl  zur 
Herbstsaat  veranlassen.  Bei  der  Entscheidung  ist  nicht  außer  acht  zu  lassen,  daß 
bei  weit  hinausgezögerten  Frühjahrssaaten  die  Keimlinge  nicht  selten,  bevor  sie 
einigermaßen  erstarkt  sind,  durch  Trockenheit  und  hohe  Temperaturen  zu  leiden 
haben.  Verspätete  Saaten  sind  auch  den  Frühfrösten  gegenüber  oft  nicht  widerstands- 
fähig genug.  Samen  von  Holzarten,  die  infolge  eines  Keimverzuges  zu  überliegen 
pflegen,  d.  h.  nicht  sofort  nach  der  Aussaat  im  Frühjahr  keimen,  sondern  meist 
erst  nach  Ijährigem  Lagern  im  Keimbett  auflaufen,  säet  man  zuweilen  schon  im 
Herbst,  weil  dann  ein  Teil  der  Körner  bereits  im  nächsten  Frühjahr  keimt.  Immer- 
hin sind  derartige  Saaten  meist  sehr  unvollkommen.  Der  Gleichmäßigkeit  der  Saat 
wegen  empfiehlt  es  sich  mehr,  Samen  überliegender  Holzarten  (Esche,  Hombaum, 
Ahorn,  Linde)  ein  Jahr  vor  der  Aussaat  in  frischen  Boden  einzuschlagen  und  dann 
im  Frühjahr  auszusäen. 

B.  Erforderliche  Samenmenge.  Sie  ist  abhängig  von  der  Qua- 
lität des  Samens,  dem  Saatverfahren,  der  Holzart,  dem  Standort,  dem  gewünschten 
Maß  der  Bestandesdichte,  der  Bodenvorbereitung  und  dem  Wirtschaftszweck. 

l.  Qualität  des  Samens.  Je  keimkräftiger  der  zur  Aussaat  gelangende 
Samen  ist,  um  so  weniger  braucht  man,  um  unter  gegebenen  Verhältnissen  und  bei 
normalem  Verlauf  der  Witterung  die  Flächeneinheit  mit  dem  nötigen  Pflanzen- 
material zu  versehen.  Wie  das  oben  S.  107  von  der  Kiefer  angegebene  Beispiel  zeigt, 
kann  die  Samenmenge  stark  eingeschränkt  werden,  wenn  hochkeimender,  frischer 
Samen  zur  ^'erwendung  kommt.  Samen,  der  bereits  länger  aufbewahrt  wurde,  oder 
Samen  von  Holzarten,  deren  Keimungsprozent  selbst  bei  frischem  Samen  niedrig 
ist,  müssen  entsprechend  stärker  gesäet  werden.  Einen  ungefähren  Anhalt  für  die 
jeweils  zweckmäßige  Samenmenge  bietet  die  Feststellung  des  Pflanzenprozentes 
bei  den  verschiedenen  Keimprozenten,  wie  es  durch  H  a  a  c  k  für  Kiefer  geschehen 


1)  Speziell  findet  sich  meist  die  \"orschrift,  man  solle  recht  früh  säen,  um  von  der  Wyiter- 
feuchti^keit  möglichst  zu  profitieren.  Zu  beachten  ist  aber,  daß  für  die  Entwickelung  der  Samen 
auch  eine  gewisse  Wärmemenge  Bedingung  ist,  und  daß  eintretende  Kälterückschläge  die  Kei- 
mung sehr  ungünstig  beeinflussen  können.  Im  allgemeinen  hat  es  keinen  Wert,  vor  April  zu  säen: 
vergl.  auch  v.  Alten,  „Wie  wirkt  die  Saatzeit  .  .  ?"  in  Zcitschr.  f.  Forst-  und  Jagdwesen 
1887,  S.  10  ff.  Dieser  hatte  —  Revier  Kupferhütte,  Reg.-Bez.  Hildesheim  —  mit  Forche  die 
besten  Erfolge  bei  der  .\ussaat  Mitte  .\pril.  Die  Frage  muß  örtlich,  durch  mehrere  Jahre  hindurch 
und  in  .\usdelinung  des  \'ersuchs  auf  verschiedene  Hulzarten  untersucht  werden.  Insbesondere 
darf  daran  erinnert  werden,  daß  sich  für  Gebirgslagen  als  beste  Saatzeit  niclit  selten  erst  .Mai 
oder  Juni  ergeben:  in  eigentlichen  Hochlagen  ist  frühere  .\ussaat  oft  gar  nicht  möglich.  Uebrigens 
wird  für  trockene  steile  Hänge,  zumal  fürs  Gebirge,  auch  Schneesaat  (.ausstreuen  des  Samens  auf 
die  Schneedecke)  empfohlen:  cfr.  G.  Raßl  in  Oesterr.  Forstz.  1888,  282. 

Handb.  d.  Forstwiss.     3.  Aufl.     II.  8 


114  VI. 

ist.  Die  preußische  Ministerialverordnung  vom  29.  I.  1910  schreibt  unter  Beach- 
tung dieser  Feststellungen  für  Kiefer  vor,  daß  bei  85  %igem  Samen  auf  1  ha  im  Höchst- 
falle .3  kg  auszusäen  sind  und  daß  einem  kg  solchen  Samens  1,7  kg  70%iger,  1,4  kg 
75%iger,  1,2  kg  80°öiger,  0,8  kg  90%iger  und  0,7  kg  95  %iger  entsprechen.  — 
Saatverfahren:  man  rechnet  für  Streifensaat  -jz  bis  ^ji,  bei  Plattensaat  i^ 
der  Vollsaatsamenmenge.  —  Holzart;  bei  langsamwüchsigen,  empfindlichen,  zärt- 
lichen Holzarten  und  solchen  mit  schlechtem  Ausformungsvermögen  säet  man  dich- 
ter als  bei  Holzarten  mit  entgegengesetzten  Eigenschaften.  —  Standort:  je 
schlechter  der  Boden,  je  mehr  Gefahren  der  Standort  aufweist  (Unkrautwuchs, 
Frost,  Dürre,  Insekten  etc.),  um  so  mehr  Samen.  —  Bestandes  dichte: 
alle  Extreme  sind  falsch;  sehr  oft  wird  zu  dicht  gesäet.  Dichte  Saaten  imponieren 
aber  nur  in  der  .Jugend.  Später  verursachen  sie,  wenn  sie  nicht  verhütten  sollen, 
kostspielige  Verdünnungsniaßregeln.  Ausbesserungen  zu  dünner  Saaten  sind  aber 
auch  nichts  Angenehmes.  Die  richtige  Dichte  ist  nicht  leicht  zu  treffen,  ist  zum 
Teil  Glückssache.  Mit  10  Jahren  soll  möglichst  auch  beim  Schattenholz  der  Schluß 
eingetreten  sein.  Dichtere  Saaten  können  wirtschaftlich  dort  gerechtfertigt  sein, 
wo  der  Markt  für  die  schwächsten  Durchforstungs-  und  Reinigungssortimente 
empfänglich  ist  oder  wo  Anzucht  von  Pflanzenmaterial  (Schlagpflanzen)  beab- 
sichtigt ist.  —  Bodenvorbereitung:  je  sorgfältiger  diese  ist,  um  so  gün- 
stiger die  Bedingungen  des  Keimens,  um  so  mehr  kann  also  an  Saatgut  gespart 
werden.  —  Wirtschaftszweck:  siehe  Bestandesdichte. 
Durchschnittliche  Zahlenangaben  i) : 

a)  Anzahl    der    Samen    pro    Maß-,    b  e  z  w.    G  e  w  i  c  h  t  s  e  i  n  h  e  i  t  ^j : 
Eiche  pro  hl    (=  70—100  kg)   18  000 — 25  000  Stück.  —  Buche  pro  hl  (=  50  kg)  150  000 

bis  200  000  Stück.  —  Gem.  Kiefer  (ungeflügelt)  pro  kg  150  000  Körner.  —  Fichte  pro  kg  150  000 
Körner.  —  Tanne  pro  kg  20  000  Körner.  —  Lärche  pro  kg  160  000  Körner. 

b)  Samen  menge    pro    1ha    bei    Vollsaat: 

Eiche  7 — 15  hl.  —  Buche  3 — 6  hl.  —  Gem.  Kiefer  (ohne  Flügel)  6 — 8  kg.  —  Fichte  8  bis 
12  kg.  —  Tanne  60 — 80  kg. 

C.  Beförderung  der  Keimung:  Mehrfach  ist  die  Frage  erwogen 
worden,  ob  man  nicht  durch  besondere  Behandlung  der  Samen  vor  der  Aussaat  die 
Keimung  beschleunigen  und  dadurch  vielleicht  über  gewisse  Mißlichkeiten  (schlech- 
tes, unregelmäßiges  oder  verzögertes  Keimen  infolge  langen  Liegens  im  Boden  etc.) 
hinauskommen  könne.  Als  einfachstes  Mittel  erscheint  das  Anquellen  des  Samens 
in  Wasser  einige  Tage  vor  der  Aussaat.  Für  den  Kulturbetrieb  im  großen  ist  im  all- 
gemeinen das  Anquellen  nicht  anzuraten,  weil  —  abgesehen  von  der  Umständlichkeit 
des  Verfahrens  und  der  Erschwerung  der  Aussaat  —  der  aufgelaufene  Samen,  wenn 
nach  der  Saat  eine  Periode  der  Trockenheit  oder  Kälte  folgt,  zu  leicht  (meist  weit 
mehr  als  nicht  gequollener)  notleidet.  Empfehlenswert  ist  das  Anquellen  bei  dem 
schlecht  keimenden  Lärchensamen  und  auch  bei  Bucheckern,  wenn  diese  im  Winter- 
lager stark  ausgetrocknet  sind.  ^lan  mischt  sie  dann  entweder  mit  feuchtem 
Sand  oder  feuchtet  sie  im  geschlossenen  Raum  durch  Ueberbrausen  an  und  säet  sie 
aus,  wenn  die  Keime  sich  zeigen. 

1)  Zu  vergleichen  hier  und  in  betreff  des  gesamten  Kullurbetriebes  bei  Zahlenangaben  in 
dem  Forst-  und  Jagd-Kalender  von  J  u  d  e  i  c  h  und  B  e  h  m  ,  jetzt  Neumeister-Retz- 
1  a  f  f ,  in  H  e  m  p  e  1  s  Taschenkalender  für  den  österr.  Forstwirt  und  in  den  verschiedenen  Wald- 
bauschriften. —  Alle  angegebenen  Zahlen  können  nur  einen  ganz  ungefähren  Anhalt  liefern  und 
sind  für  den  konkreten  Fall  event.  zu  modifizieren. 

2)  Vergl.  B  a  u  r  im  forstwiss.  Zentralblatt  von  1880,  S.  341.  —  Heß,  Encyklopädie  und 
Methodologie  1888,  11,  1  (S.  61).  —  H  e  y  e  r ,  Waldbau,  5.  Aufl.,  1.  Bd.,  1906,  S.  177.  —  Hand- 
buch, II,  Forstbenutzung. 


Die  Bestandesbegründung.     §  57.  115 

Für  den  Forstgarten,  wo  man  auf  kleinem  Raum  die  Aussaat  konzentriert  un<l,  wenn 
nötig,  jederzeit  beispringen  kann  (Bedecken  der  Beete,  Begießen  etc.),  mag  eher  einmal  vom 
.•\n(]uellcn  Gebraucli  gemacht  werden  (z.  B.  bei  Verwendung  älteren  Samens,  bei  verzögerter 
Aussaal  usw.).  Durch  Anwendung  chemischer  Agentien  {Chlorwasser,  Kalkwasser,  verdünnte 
Säuren  etc.)  hat  man  überdies  versucht,  die  Samenhülle  zu  lockern  und  dadurch  die  Keimung 
zu  befördern;  sicherstehende  Resultate  sind  nicht  zu  verzeichnen.  Denn  wenn  z.  B.  auch  Von- 
hausen (Allg.  F.-  u.  Jagd-Zeitiuig  von  1858,  S.  -iSl  und  1860,  S.  8),  sowie  H  e  f3  (Zentralblatt 
für  d.  ges.  Forstwesen  1875,  S.  463)  für  Nadclholzsamen  gute  Erfolge  hatten,  so  haben  anderer- 
seits gelegentlich  angestellte  Proben  der  Württemberg.  Versuchsstation  zu  greifbaren  Ergeb- 
nissen nicht  geführt.  Neuerdings  haben  Hiltner  und  Kinzel  (Naturw.  Ztschr.  f.  L.- 
u.  Forstw.  1906,  S.  36,  Samen  von  Pinus  silvestris,  Strobus,  Cembra  und  Peuce  mit  konzentrier- 
ter Schwefelsäure  benetzt,  dann  ausgewaschen  und  die  Schwefelsäure  mit  Kalkmilch  neutrali- 
siert. Die  durch  die  Schwefelsäure  bewirkte  Abbeizung  der  Samenschale  führte  zu  einer  Er- 
höhung der  Keimungsgeschwindigkeit.  Luft  und  Wasser  vermögen  durch  die  dünner  gewordene 
Schale  leichter  in  das  Sameninnere  einzudringen.  —  Ulmensamen  wird  bei  der  Aussaal 
zweckmäßig  mit  feuchtem  Sand  vermischt.  —  Für  die  Nüsse  von  Pinus  Cembra  wird  Vorkeimen 
in  Gruben  empfohlen  (Hallbauer  in  .-Mlg.  Forst-  u.  J.-Z.  1891,  439).  Die  Nüsse  werden  im  Herbst 
in  eine  mit  Stroh  belegte,  mit  einem  den  Luftzug  vermittelnden  Quandel  versehene  Grube, 
mit  Sägespänen  vermischt,  eingebettet;  im  Mai  haben  sie  ihre  kleinen  Keime  ausgetrieben  und 
kommen  ins  Saatbeet,  wo  die  Keimpflanzen  nach  14  Tagen  aufgehen.  —  Vorkeimen  der  Jug- 
lans-  und  Carya-Nüsse  in  Gruben  oder  in  Haufen  über  der  Erde  unter  Behandlung  mit  Sand, 
Mist,  Jauche  ■). 

D.  Die  einzelnen  Saat  m  et  h  öden.  1.  Vollsaat:  Sie  erfolgt 
meist  aus  der  Hand.  Größere  kompliziertere  Säemaschinen  kommen  für  Voll- 
saaten beim  Forstkulturbetrieb  wenig  in  Anwendung,  denn  sie  sind  nur  auf  ebenem 
Boden  ohne  Hindernisse,  wie  Steine,  Stöcke  etc.  zu  gebrauchen.  Ihre  Anschaffung 
könnte  nur  etwa  für  ausgedehnte  Nadel-Waldungen  (Kiefer)  der  Ebene  in  Frage  kom- 
men. Doch  ist  bisweilen  auch  hier  das  jährlich  zu  bewältigende  Objekt  und  damit 
die  bei  der  Arbeit  zu  erzielende  Ersparnis  zu  gering  im  Vergleich  zu  den  Anschaffungs- 
kosten. Dort  aber,  wo  die  Arbeitskräfte  teuer  oder  unzureichend  sind,  hat  man 
allen  Grund,  sich  von  der  Menschenhand  zu  emanzipieren  und  zu  schneller  und 
demzufolge  billiger  arbeitenden  Säemaschinen  überzugehen.  Beim  Gebrauch  einer 
gutfunktionierenden  Maschine  ist  die  Ersparnis  an  Zeit,  Arbeit  und  oft  auch  Samen 
dann  so  bedeutend,  daß  die  Maschine  bald  amortisiert  ist.  Zumeist  wird  es  sich  aber 
um  Maschinen  zur  Streifensaat  handeln,  da  Vollsaat  aus  dem  oben  (S.  100)  ge- 
nannten Grund  so  wie  so  nur  äußerst  selten  zur  Anwendung  kommt.  Bei  der  Hand- 
saat sind  geübte  Arbeiter  zu  verwenden  (die  Zahl  derselben  in  maximo  bestimmt 
durch  die  Forderung  ständiger  Kontrolle  seitens  des  Schutzbeamten).  Abstecken 
der  Saatgänge,  an  Berghängen  horizontal.  Vorrücken  von  oben  nach  unten;  in  der 
Ebene  oft  Teilung  des  Samenquantums  und  Besäen  der  Flächen  in  zwei  Richtungen 
(in  die  Länge  und  in  die  Quere).  Unterlassen  der  Saat  bei  starkem  Wind.  Bei  Misch- 
saaten (z.  B.  Kiefer  und  Fichte)  Ausstreuen  der  verschiedenen  Samenarten  nicht 
in  Untermengung,  sondern  nacheinander  zur  Erzielung  einer  gleichförmigen  Misch- 
ung. —  2.  Stellenweise  Saat:  Gleichmäßige  Verteilung  des  Samens  auf 
den  Streifen  und  Plätzen  ist  zu  erstreben.  Nicht  immer  werden  bei  Streifensaaten 
die  Streifen  breit  besäet,  sondern  ab  und  zu  werden  auf  ihnen  erst  noch  besondere 
Furchen  (Rillen,  Riefen,  Rinnen)  zur  Aufnahme  des  Samens  gefertigt.  Im  Falle 
diese  Rillen  nicht  in  der  Längsrichtung  der  Streifen,  sondern, quer  wie  die  Sprossen 
einer  Leiter  gezogen  werden,  spricht  man  von  Leitersaaten.  Werden  die  Streifen  alle 
2 — 3  m  unterbrochen  und  die  Teilstücke  in  dieser  oder  jener  Form  besäet,  so 
nennt  man  eine  solche  Saat  Stückriefensaat.  Gleichviel,  welche  Methode  man  an- 
wendet, für  alle  gilt:  Nicht  zu  dicht  säen!  Aussaat  aus  der  Hand,  oder,  auf  günstigem 


1)  Allg.  Forst-  und  J.-Z.    1887,    362.    —    Schwappach,    (Zeitschr.  f.  F.  und  J.  1888, 
14   und  509). 

8* 


JJ6  V-  Lorey,    Waldbau. 

Terrain,  unter  Benutzung  von  Säeapparaten  bezw.  -Maschinen  zur  Erhöhung  der 
Gleichförmigkeit  des  Ausstreuens  und  Förderung  der  Arbeit.  Zu  den  einfachen 
Apparaten,  welche  von  Arbeitern  getragen  werden,  gehören  z.  B.  das  Säehorn,  die 
Saatflinte  ^)  und  der  Harzer  Saattrichter.  Neben  ihnen  gibt  es  eine  große  Reihe  von 
Maschinen,  die  teils  von  Arbeitern  geschoben  oder  gezogen,  teils  unter  Zuhilfenahme 
von  Spannkraft  fortbewegt  werden.  Sie  bestehen  in  der  Hauptsache  aus  einem 
auf  einem  fahrbaren  Karrengestell  montierten  Samenbehälter,  aus  dem  der  Samen 
so  herausfließt,  wie  es  die  im  oder  am  Samenkasten  befindliche  verstellbare  Ver- 
teilungsvorrichtung oder  Ausflußöffnung  zuläßt.  Zu  nennen  sind  die  älteren  Maschinen 
von  Runde,  Roch,  Göhren,  ferner  die  Sacksche  Säemaschine,  eine  zweiarmige 
Handdrillmaschine  ^),  die  Waldsäemaschine  von  Pollack  (Oesterr.  Forstztg.  1895, 
S.  61),  bei  welcher  das  rotierende  Rad  eine  Schüttelvorrichtung  in  Bewegung  setzt, 
u.  a.,  sowie  die  kompliziertere  und  teuere  (Preis  140  Mk.),  aber  zur  Bewältigung 
großer  Flächen  in  der  Ebene  sehr  leistungsfähige  gute  Maschine  von  Drewitz  ^). 
Für  Saat  in  Pflugfurchen  empfiehlt  Schenk  v.  Schmittburg  seine  von  ihm  konstruierte 
Düngerstreu-  und  VValdsamensäemaschine  (Allg.  Forst-  und  J.-Ztg.  1911,  58).  Für 
ebene  und  gut  vorbereitete  Böden,  namentlich  Saatbeete,  eignen  sich  weiterhin  die 
Hackersche  und  die  nach  ihrem  Prinzip  gebauten  anderen  kleineren  Maschinen. 
Als  Maschine  für  Plattensaat  ist  der  ,,Plattensäer"  von  Zitny  *)  empfohlen. 

E.  Unterbringen  und  Bedecken  des  Samens:  Die  Bedeck- 
ung mit  Erde  (zum  Schutz  gegen  Frost,  Austrocknen,  Tierfraß  etc.)  soll  für  größere 
Samen  im  allgemeinen  stärker  sein  als  für  kleine,  desgl.  darf  sie  stärker  sein  für 
solche,  welche  beim  Keimen  die  Kotyledonen  unter  der  Erde  lassen.  Das  Maximum 
soll  aber  selbst  bei  Eicheln,  .Juglans-  und  Carya-Nüssen,  Kastanien  10  cm  nicht  über- 
schreiten. Bedeckung  bei  Nadelhölzern,  wie  Kiefer,  Fichte  etc.  nur  etwa  5 — 10  Milli- 
meter, bei  Birke,  Aspe.  Weide  nur  ganz  leichtes  Vermengen  mit  der  Bodenkrume 
oder  Andrücken  an  den  Boden.  In  bezug  auf  die  zweckmäßigste  Bedeckungshöhe 
sind  mehrfach  exakte  Versuche  angestellt  worden,  wie  z.  B.  von  einer  Reihe  forst- 
licher Versuchsanstalten  (Württemberg,  Schweiz  etc.).  Die  Ergebnisse  können  nur 
einen  allgemeinen  Anhalt  bei  Bemessung  der  Bedeckungshöhe  bieten,  weil  im  ein- 
zelnen Falle  eine  ganze  Reihe  von  Faktoren  mitwirkt,  wie  Bodenart  und  Boden- 
zustand, Bedeckungsmaterial  (Komposterde,  Erde  mit  Sägespänen  oder  Torfmull 
gemischt,  Rasenasche,  gewöhnliche  Erde)  und  vor  allem  die  Witterung.  Auf  einiger- 
maßen bindigen  Böden  kann  ein  starker  Regen  ein  Verschlammen,  eine  \'erkrustung 
der  Oberfläche  bewirken,  derart,  daß  selbst  eine  ganz  mäßige  Bedeckung  das  Her- 
vorbrechen der  Keimlinge  aus  kleinen  Samen  hindert,  während  ohne  solche  Schä- 
digung eine  etwas  stärkere  Bedeckung  weniger  geschadet  haben  würde.  Herbst- 
saaten pflegt  man  im  allgemeinen  etwas  stärker  zu  decken  als  Frühjahrssaaten. 
1.    V  o  1 1  s  a  a  t:    Anwendung  der  Egge,  event.  auch  Handarbeit  (Rechen),  Ueber- 


1)  B  a  n  d  o  ,  „Saatflinte  und  Säehorn"  in  Zeitsclir.  für  Forst-  und  Jagdwesen  von  Danckel- 
mann  1869,  S.  449. 

2)  Voigt,    Zeitschr.  f.  Forst-  und  Jagdwesen  1888.    S.  703. 

3)  B  e  r  n  h  a  r  d  t  in  Zeitschr.  für  Forst-  und  Jagdwesen  1875,  S.  285.  —  R  o  1  o  f  f  ,  ,,.\llg. 
Forst-  und  Jagd-Zeitung"  1876,  S.  48.  An  letztgenannter  Stelle  wird  berichtet,  daß  die  Maschine 
auch  auf  geneigtem  Terrain  verwendbar  ist.  2  Arbeiter  ziehen,  1  Arbeiter  führt  dieselbe.  .\ni 
besten  auf  niittelbindigeni  Boden,  nicht  gut  auf  festem  oder  ganz  lockerem  und  nicht  gut  bei 
einem  an  die  Werkzeuge  sicli  festhängenden  Boden.  Abhängigkeit  auch  vom  Wetter  (Regen  bei 
lockerem  Sandboden  oft  günstig,  nachteilig  bei  vielen  Vertiefungen,  wie  Stocklöcher  usw.).  Er- 
sparnis an  Samen,  nicht  an  .\rbeit.  Kosten  der  Aussaat  (reiner  .Arbeitsaufwand)  pro  lia  2 — 3 
Mark.    Sorgfältige  Bodenbearbeitung  ist  erforderlich. 

4)  cfr.  Z  i  t  n  V  ,    ,, Zentralblatt  für  das  ges.  Forstwesen"  von  1882,  S.  61  ff. 


Die  Bestandesbegründung.     §  57.  117 

erden.  Auftrieb  von  Viehherden.  —  2.  Stellenweise  Saat,  und  zwar  bei 
Streifen:  Pflug  (Eichelsaat),  ferner  besondere  Maschinenteile  (Rechen)  an  den  Säe- 
maschinen,  Handarbeit  (Hacke,  Rechen);  bei  Plätzesaat  event.  Anwendung  des 
Kreisrechens. 

F.  Pflege  der  Saatkulturen:  Es  handelt  sich  um  den  Schutz  der 
Samen  und  demnächst  denjenigen  der  Keimpflanzen,  sowie  um  die  erforderlichen 
Nachbesserungen.  I.  Schutz  der  Samen  ist  vor  allem  zu  gewähren  gegen 
Tiere  (siehe  Forstschutz);  gegen  Hitze  und  Frost  schützt  das  Bedecken.  II.  Die 
Keimpflanzen  sind  zu  behüten  vor  Unkrautwuchs,  Wild  und  Weidevieh,  Hitze 
und  Frost.  1.  Gegen  Unkraut:  Vollsaaten  werden  unter  Umständen  durch  Schaf- 
auftrieb gesichert,  wobei  davon  ausgegangen  wird,  daß  die  Schafe  die  Holzpflanzen 
(bes.  Fichte  und  Kiefer)  verschonen.  In  Streifen-  und  Plätzesaaten  wird  zu  starker 
Unkrautwuchs  durch  mechanische  Eingriffe:  Abschneiden,  Umpflügen  usw.  un- 
schädlich gemacht.  Welche  \\'erkzeuge  dazu  benützt  werden,  ist  Sache  der  lokalen 
Gewohnheit;  hin  und  wieder  finden  Jätepflüge  (Roth-Gerhardsche  Jätepflug,  Allg. 
Forst-  und  J.-Ztg.,  1911  S.  58)  erfolgreich  ^'er^vendung.  Unter  Umständen  genügt 
Niedertreten  des  Unkrautes  ^),  auch  wohl  (in  den  ersten  Jahren,  bei  langsam  wach- 
senden Holzarten)  vorsichtiges  Abmähen  über  die  Köpfe  der  Holzpflanzen  hinweg. 
Eine  Sicherung  gegen  das  Unkraut  kann  auch  dadurch  gewonnen  werden,  daß  man 
die  zwischen  den  Saatstreifen  und  Saatplätzen  liegenden  Bodenteile  künstlich  mit 
einer  unschädlichen  oder  gar  nützlichen  Pflanze  bestockt,  welche  ihrerseits  das 
schädhche  Unkraut,  zumal  Gräser,  zurückhält.  Zu  diesem  Zwecke  mag  Lupinus 
perennis  empfohlen  sein,  die  durch  die  Jahr  um  Jahr  wiederkommende  Blattfülle 
in  jenem  Sinne  günstig  wirkt  und  überdies  als  Papilionacee  eine  Bereicherung  des 
Bodens  an  Stickstoff  herbeiführt  -).  Auch  die  Beisaat  von  Waldkorn  ( Johannis- 
Staudenkorn)  hat  sich  auf  unkrautwüchsigen  Böden  bewährt  (Tharand.  Jhrb.  1905, 
201).  Der  dichte  Blattfilz  dieses  Kornes  läßt  Unkraut  nicht  aufkommen,  und  auch 
nach  Aberntung  des  Kornes  hindern  die  stehengebliebenen  Stoppeln  den  ^^'uchs 
des  Unkrautes  noch  ganz  erheblich.  —  2.  Wild  und  W  e  i  d  e  v  i  e  h  :  Um- 
friedigung der  Saatfläche  (Drahtzäune  neuestens  vielfach  üblich;  ein  Geflecht 
aus  verhältnismäßig  schwachem  Draht,  auf  ein  Stangengitter  aufgespannt,  gegen 
das  Durchkriechen  des  Wildes,  genügt;  Kosten  der  Zäune  —  gegen  Rot-  und  Reh- 
wild —  pro  lauf.  Meter  ca.  1  Mark,  inkl.  Holzmaterial).  —  3.  Hitze  und  Frost: 
Fruchtbeisaat.  Ansaat  unter  Schutzbeständen  (Voranbau  frost-  und  hitzebeständi- 
ger, raschwüchsiger,  lichtkroniger  Holzarten:  Birke,  Kiefer  etc.),  event.  Zwischen- 
saat oder  -pflanzung  einer  Schutzholzart.  Durch  diese  Maßregeln  wird  natürlich 
zugleich  das  Unkraut  bekämpft.  Die  sehr  beträchtlichen  Kosten  derartiger  Maß- 
nahmen weisen  aber  darauf  hin,  daß  es  viel  richtiger  ist,  in  Frost-  und  Dürrelagen 
von  der  Saat  überhaupt,  namentlich  aber  von  der  Saat  empfindlicher  Holzarten 
abzusehen  und  lieber  zu  pflanzen.  Auch  Bodenlockerung  kann  in  manchen  Fällen 
gegen  Austrocknung  in  Frage  kommen.  —  III.  Verdünnungen  und  Ver- 
dichtungen (Nachbesserungen).  Zu  dicht  aufgelaufene  Saaten  ma- 
chen baldige  Verdünnung  notwendig,  wenn  sie,  zumal  auf  ärmeren  Böden,  später 
nicht  sitzen  bleiben  sollen.  Die  Verdünnung  geschieht  durch  Ausheben  von  Büscheln, 
Ausrupfen  oder  Ausschneiden.  Wenn  möglich,  sucht  man  das  überschüssige  Pflan- 
zenmaterial weiter  zu  verwenden.    Lückige  Saaten  und  Fehlstellen    bedürfen  der 


1)  Brombeere  schlägt  nach  dem  Abschneiden  sehr  kräftig  wieder  aus.  —  Abschlagen  von 
Farnkraulwedeln  mit  Stöcken. 

2)  Koch,    Allg.  Forst-  und  J.-Z.  1902.,  S.  11. 


118  VI.  Lorey,    Waldbau. 

Verdichtung  durch  Nachbesserung.  Nachsaat  ist  in  solchen  Fällen  nur  dann  prak- 
tisch, wenn  die  ganze  Fläche  oder  doch  größere  Teile  mißlungen  sind.  Richtig  ist 
Nachbesserung  mittels  Pflanzung.  Sie  hat  nicht  eher  zu  geschehen,  als  das  Nach- 
besserungsbedürfnis klar  vor  Augen  liegt,  im  allgemeinen  nicht  vor  dem  dritten 
Jahre.  In  Saaten  sind  Fehlstellen  oft  nicht  gleich  im  ersten  oder  zweiten  .Jahre  mit 
Sicherheit  zu  erkennen.  Bezüglich  der  Nachbesserungen,  sei  es  in  Saat-  oder  Pflanz- 
kulturen oder  in  natürlichen  Verjüngungen,  möge  vor  zu  kleinlichem,  ängstlichem 
Vorgehen  gewarnt  werden.  Es  ist  eine  unangebrachte  Pedanterie,  jede  kleinste  Lücke, 
die  beim  Heranwachsen  des  Bestandes  von  selbst  bald  verschwindet,  nachzubessern. 
Andererseits  ist  es  oft  falsch,  dem  sog.  ,, Zuziehen"  der  Fehlstellen  zu  viel  Gewicht 
beizulegen.  Namenthch  erfordern  Holzarten,  die  zu  Sperrwüchsigkeit  neigen,  enge 
Erziehung  in  der  Jugend,  also  Nachbesserung  im  Interesse  der  Formausbildung. 
—  Ueber  Düngung  zurückbleibender  Saaten  s.  unter  Pflanzung.  V.   §  67. 

Dritter  Teil. 
Pflanzung. 

I.   Allgemeines. 

§  58.  A.Arten  der  Pflanzung.  Unterschieden  werden :  1 .  Pflanzung 
mit  bewurzelten  und  mit  unbewurzelten  Pflänzlingen,  erstere  entweder  natürlich 
bewurzelt  (Kernpflanzen  aus  Samen  oder  Wurzelloden)  oder  künstlich  bewurzelt 
(Ableger),  letztere  Steckreiser  oder  Setzstangen.  —  Ballenpflanzen  (die  Wurzeln 
sind  von  einem  Erdballen  umgeben)  und  ballenlose  Pflanzen.  —  Stummelpflanzen 
(der  Schaft  wird  über  dem  Wurzelknoten  abgeworfen)  und  ungestummelte  Pflanzen. 
Schlagpflanzen  =  Wildlinge  (Pflanzen  aus  Saaten  oder  natürlichen  Verjüngungen), 
Kamppflanzen,  entweder  Saat-  oder  Schulpflanzen  (aus  Saat-  bezw.  Schulbeeten  der 
Pflanzenerziehungsstätten).  —  2.  Einzelpflanzung  oder  Büschelpflanzung,  je  nach- 
dem ein  oder  mehrere  Pflänzlinge  in  das  Pflanzloch  kommen.  —  3.  Ungeregelte  oder 
geregelte  Pflanzung.  Bei  letzterer  werden  die  Pflanzen  in  bestimmter  gleichförmiger 
Weise  räumlich  verteilt.  Diese  räumliche  Ordnung  nennt  man  ,, Verband".  Als 
solche  geregelte  Verbände  unterscheidet  man:  Quadrat-,  Rechtecks-  oder  Reihen-, 
Fünf-  und  Drei-  oder  Dreiecks-Verband.  Beim  Quadratverband  stehen  die  Pflanzen 
in  den  Ecken  eines  Quadrates,  beim  Rechtecks-  oder  Reihenverband  in  den  Ecken 
eines  Rechteckes,  dessen  längere  Seite  den  Reihen-,  dessen  kürzere  Seite  den  Pflan- 
zenabstand innerhalb  der  Reihe  angibt.  Der  Fünfverband  ist  ein  Quadratverband 
mit  Auspflanzung  des  Diagonalensclmittpunktes,  der  Drei-  oder  Dreiecksverband 
ein  Verband,  bei  dem  die  Eckpunkte  gleichseitiger  Dreiecke  bepflanzt  werden. 

B.  Wirtschaftliche  Bedeutung.  1.  Pflanzung  mit  be- 
wurzelten Pflänzlingen  bildet  die  Regel  ( Setzreiser  oder  Setzstangen  nur  bei 
Pappel  und  Weide) .  Künstlich  bewurzelte  Pflanzen  (Absenker,  Ableger)  finden  ebenfalls 
nur  ausnahmsweise  Verwendung.  —  Ballen pflanzung:  beste  Pflanzmethode,  weil 
bei  ihr  die  Wurzeln  nicht  entblößt  werden.  Sie  ist  jedoch  teuer  bei  älteren  Pflanzen 
mit  großen  Ballen,  deren  Aushebung  entsprechend  umständlich  und  zeitraubend  ist. 
Bedingung  ist  ein  den  Ballen  haltender  (nicht  lockerer)  Boden.  Für  kleine  Pflanzen 
ist  dieser  Bedingung  viel  leichter  genügt,  als  für  große,  so  daß  die  Anwendung  der 
Ballenpflanzung  sich  schon  aus  diesem  Grunde  in  ziemlich  engen  Grenzen  bewegt.  — 
Stummelpflanzen  sind  nur  bei  ausschlagsfähigen  Holzarten  (Laubhölzern), 
zunächst  bei  Eiche,  Erle,  Birke,  Robinie,  Kastanie,  Esche,  Ahorn  möglich  und  finden 
besonders  bei  der  Ergänzung  von  Nieder-  und  Mittelwaldungen  Verwendung.    Der 


Die  Beslandesbegründung.     §  59.  119 

Schaft  wird  mehr  oder  weniger  knapp  über  den  Wurzeln  schräg  und  glatt  abgeschnit- 
ten; es  wird  also  nur  die  Wurzel  verpflanzt.  Am  Schaf tstunmiel  entstehen  Aus- 
schläge, die  bis  auf  einen  (den  besten  und  kräftigsten)  entfernt  werden.  Stummeln 
empfiehlt  sich  beim  Auspflanzen  von  Laubhölzern,  die  an  den  Wurzeln  stark  beschä- 
digt sind,  z.  B.  beim  Bezug  der  Pflanzen  von  auswärts,  wenn  durch  Fehler  in  der 
Verpackung,  beim  Transport  usw.  ein  Teil  der  feineren  ^^'urzeln  vertrocknet  ist.  Die  Aus- 
schläge der  Stummel  sind  nach  Erfahrungen  der  Praxis  meist  aber  kräftiger,  wenn 
die  Pflanzen  erst  nach  dem  Anwachsen,  nicht  vor  dem  Einsetzen  gestummelt  werden. 
Dann  aber  kann  man  naturgemäß  nicht  mehr  von  Stummelpflanzen  sprechen.  —  Im 
großen  und  ganzen  findet  Pflanzung  mit  bewurzelten,  ballenlosen,  in  ihrem  ober- 
irdischen Teile  unverkürzten  Pflänzlingen  Anwendung.  —  2.  Büschelpflan- 
zung ist,  besser  war  bei  einzelnen  Holzarten  (Fichte)  in  manchen  Gegenden  (Harz) 
verbreitet.  Als  Vorzüge  werden  angegeben  besseres  Gelingen  der  Kultur,  rascher  Be- 
standesschluß, Sicherheit  gegen  Gefahren  (Wildverbiß,  Schutz  vor  Schälschaden, 
geringerer  Schneeschaden  usw.).  Die  Büschelpflanzung  ist  im  allgemeinen  zu  ver- 
werfen. Sie  führt  zu  Verwachsungen,  macht  zeitige  Reinigungsmaßregeln  notwendig, 
wenn  die  Pflanzen  im  Büschel  sich  nicht  drängen  und  in  der  Entwicklung  hindern 
sollen,  zieht  wohl  auch  Rotfäule  für  die  bleibende  Pflanze  nach  sich  und  zeitigt  — 
das  ist  die  Hauptsache  —  wenn  sie  nicht  rechtzeitig  durchschnitten  wird,  geringere 
Wuchsleistungen  als  die  Einzelpflanzung.  Die  behauptete  größere  Widerstandsfähig- 
keit gegen  Schneeschaden  trifft  nur  in  jüngeren  Kulturen  in  schneereichen  Gegenden, 
nicht  aber  für  die  späteren  Altersstufen  zu.  In  jüngeren  Kulturen  schützt  das  Büschel 
die  inneren  Pflanzen  gegen  Auswuchte  n  der  Seitenäste  durch  den  Schnee.  Die  Bü- 
schelpflanzung findet  noch  in  Dänemark  bei  der  Auspflanzung  lückiger  Buchenver- 
jüngungen, bei  Unterbau  mit  Buche  als  sog.  Blockpflanzung,  d.  i.  Pflanzung  größerer 
Erdballen,  die  aus  dichten  Buchenverjüngungen  oder  aus  Buchensaatbeeten  aus- 
gehoben worden  sind,  Anwendung.  Sonst  ist  man  allgemein  und  mit  Recht  zur  Einzel- 
pflanzung übergegangen.  —  3.  Annähernd  gleichmäßige  \'erteilung  der  Pflanzen  ist 
in  den  weitaus  meisten  Fällen  anzustreben.  Sie  läßt  sich  (durch  geübte  Arbeiter)  oft 
auch  ohne  genau  abgesteckten  Verband  in  genügender  \\'eise  erreichen.  Ausnahms- 
weise, wie  z.  B.  unter  Umständen  beim  Unterbau,  wird  mehr  gruppenweise  Anord- 
nung der  Pflanzen  bevorzugt.  —  Geregelte  Verbände,  bei  welcher  jeder 
Pflanze  ihre  bestimmte  Stelle  angewiesen  ist,  erfordern  die  besondere  Arbeit  des  Aus- 
steckens der  Pflanzplätze,  fördern  aber  die  Ausführung  der  Pflanzung,  sichern  der 
einzelnen  Pflanze  den  gleichen  Wachsraum,  gestatten  genaue  Berechnung  der  Pflanzen- 
zahl, leichte  Nachbesserung  (sofortiges  Auffinden  der  Fehlstellen),  Grasnutzung 
zwischen  den  Pflanzreihen,  Herstellung  regelmäßiger  Mischungen  ^)  und  gewähren 
Erleichterung  beim  Holzausbringen,  bei  manchen  Maßregeln  des  Forstschutzes  usw. 
—  Terrainunebenheiten,  Steine,  Stöcke,  Vorwüchse  etc.  sind  oft  Hindernisse  ihrer 
Durchführung. 

II.  Das  Pflanzmaterial  -'). 

§59.   A.   Erforderliche   Eigenschaften:   Normale  Entwickelung 
des  Pflänzlings,  insbes.  gute  Wurzelausbildung,  stufiger,  kräftiger  Schaft,  genügende 


1)  Geeignete  Bestandesmischungen  sind  übrigens  oft  viel  mehr  von  der  speziellen  Boden- 
beschaffenheit an  der  einzelnen  Stelle,  als  von  der  Regelmäßigkeit  des  Verbandes  abhängig. 

2)  Vergl.  u.  a.  Fürst,  ,,Die  Pflanzenzucht  im  Walde"  4.  Aufl.  1907,  woselbst  alle  Einzel- 
heiten der  Pflanzenerziehung  in  erschöpfender  Weise  abgehandelt  sind.  Zahlreiche  Literatur- 
nachweise und  Erfahrungszahlen  etc.  daselbst. 


120  VI-  L  o  r  e  y  ,    "Waldbau. 

Blatt-  bezw.  Nadelmenge  (nicht  zu  geil  oder  in  gedrängtem  Stande  spindelig  erwach- 
sen!). —  Die  für  eine  Kultur  zu  wählende  Stärke  bezw.  Höhe  ')  und  damit  im  Zu- 
sammenhang das  Alter  der  Pflänzlinge  sind  abhängig  von  dem  speziellen 
Zweck  der  Kultur,  von  den  Verhältnissen,  in  welche  die  Pflanzen  dabei  gebracht 
werden  und  dem  dadurch  bedingten  Pflanzverfahren.  Im  allgemeinen  verdient, 
wo  immer  angängig,  die  Verwendung  junger,  d.  h.  kleiner  Pflänzlinge  (gutes 
Anwachsen,  Billigkeit  des  Verfahrens  in  Absicht  auf  Pflanzenbeschaffung,  Ausheben, 
Transport,  Einsetzen)  den  Vorzug.  2 — 4jährige  Pflanzen,  von  der  diesem  Alter  unter 
mittleren  \'erhältnissen  entsprechenden  Höhe  werden  am  häufigsten  benutzt.  In 
besonderen  Fällen  kommen  auch  1jährige  (Kiefer),  sowie  andererseits  ältere  resp. 
stärkere  und  höhere  Pflänzlinge  (Loden,  Halbheister,  Heister)  in  Anwendung:  z.  B. 
Tanne  (langsame  .Jugendentwickelung)  überhaupt  meist  5 — Gjährig.  Stärkere  Pflan- 
zen aller  Holzarten  werden  im  allgemeinen  bei  Nachbesserungen,  Randpflanzungen, 
Kultur  von  Viehweiden,  bei  bedeutendem  Unkrautwuchs,  in  Frost-  und  Hoch- 
lagen usw.  verwendet. 

§  60.  B.Arten  der  Pflanze  nbeschaffung.  Es  kommen  in  Be- 
tracht: Kauf,  Entnahme  aus  Schlägen,  besondere  Anzucht  und  zwar  entweder  in 
Freilagen,  unter  Schutzbeständen  oder  in  Forstgärten.  1.  Kauf:  nur  aus- 
nahmsweise zulässig;  im  allgemeinen  sollte  jedes  Revier  (mindestens  jeder  Forst) 
seinen  Bedarf  selbst  decken.  So  lautete  bis  vor  wenigen  Jahren  die  allgemeine  Re- 
gel, und  an  derselben  sollte  auch  heute  noch  tunlichst  festgehalten  werden,  schon  des 
großen  Interesses  wegen,  das  jeder  Forstwirt  gerade  an  der  Anzucht  seines  Pflanzen- 
materials nehmen  muß.  Die  hierbei  gebotene  Gelegenheit  zu  Beobachtungen  und 
Versuchen  aller  Art  sollte  nicht  fortfallen;  unnützes,  kleinliches  E.xperimentieren 
hat  natürlich  zu  unterbleiben.  In  neuerer  Zeit  haben  es  jedoch  viele,  insbesondere 
große  Pflanzenzüchtereien  (z.  B.  Heins-Halstenbek  in  Holstein)  durch  weitestgehende 
Vervollkommnung  ihrer  Einrichtungen  dahin  gebracht,  daß  sie  tadellose  Pflänzlinge 
in  jeder  beliebigen  Menge  zu  Preisen  anbieten  können,  welche  hinter  den  Kosten,  mit 
welchen  die  Pflanzen  im  Forstgarten  des  einzelnen  Wirtschaftsganzen  meist  nur  er- 
zogen werden  können,  erheblich  zurückbleiben.  So  ist  es  nicht  zu  verwundern,  daß 
von  der  so  gegebenen  Möglichkeit  der  Bedarfsbefriedigung  durch  Ankauf  mehr  und 
mehr  Gebrauch  gemacht  wird.  Immerhin  sollte  das  finanzielle  Moment  nicht  allzu- 
sehr betont  werden.  Auch  für  das  Schutzpersonal  bietet  die  Pflanzenzucht  erweisüch 
sehr  oft  besonderen  Reiz  und  nicht  zu  unterschätzende  Anregung.  Gegen  den  Kauf  der 
Pflanzen  in  den  großen  Pflanzenzuchtbetrieben  spricht  auch  der  Umstand,  daß  die 
Pflanzen  auf  dem  mehr  oder  weniger  langen  Transportwege  jedenfalls  nicht  besser 
werden,  in  vielen  Fällen  aber  leiden,  und  daß  sie  femer  vielfach  in  Lagen  erzogen 
werden,  die  den  klimatischen  Verhältnissen  des  späteren  Standortes  gar  nicht  ent- 
sprechen. Der  wünschenswerten  Erfüllung  der  oben  (S.  102)  erwähnten  Provenienz- 
forderungen wird  durch  Ankauf  der  Pflanzen  aus  einer  weit  entfernten  Pflanzen- 
zuchtanstalt fernerhin  auch  nicht  Vorschub  geleistet.  Außerdem  begibt  sich  der 
Waldbesitzer,  der  den  Kauf  der  Pflanzen  der  Selbstzucht  vorzieht,  in  ein  gewisses 
Abhängigkeitsverhältnis  zu  der  pflanzenliefernden  Stelle,  das  unter  Umständen,  bei 
Elementarschäden,  Pilzepidemien  usw.,  die  den  Pflanzenzuchtbetrieb  treffen,  recht 

1)  Mit  Reclit  wird  mehrfach  (z.  B.  Flury,  Mttlgn.  d.  Schw.  Zentralanstalt  IV,  S.  189)  be- 
tont, daß  die  Hölie  der  Pflanzen  in  erster  Linie  anzugeben  sei,  nicht  deren  Alter,  weil  die  näm- 
liche Höhe  auch  bei  der  gleichen  Holzart  unter  verschiedenen  Entwicklungsbedingungen  bei 
verschiedenem  Alter  erreicht  werde,  und  doch  eine  bestimmte  Höhe  des  Gipfels  über  dem  Boden 
in  vielen  Fallen  der  entscheidende  Faktor  sei,  wie  z.  B.  beim  Kampf  mit  Unkraut,  in  Frostlagen, 
gegen  Wildverbiß  usw. 


Die  Bestandesbegründung.     §  Gl.  121 

störend  werden  kann  ^).  —  2.  E  n  t  n  a  li  m  e  aus  Schlägen,  natürlichen  Ver- 
jüngungen und  Saaten,  teils  zum  Zweck  unmittelbarer  Venvendung  für  die  Kultur, 
teils  zu  vorgängiger  Verschulung  in  Pi'lanzbeete.  Gewinnung  eines  billigen,  oft  (auf 
geeignetem  Boden,  bei  nicht  zu  dichtem  Stand)  trefflichen  Materials  (mit  oder  ohne 
Ballen,  je  nach  Umständen).  Sorgfältiges  Ausheben  (nicht  Ausreißen  und  Abbrechen 
der  Wurzelenden)  ist  Bedingung.  —  3.  Besondere  Anzucht:  a)  in  Frei- 
lagen, durch  Saat,  namentlich  ab  und  zu  behufs  Anzucht  von  Ballenpflanzen, 
auf  mäßig  bindigem  Boden  mit  leichter  Grasnarbe.  Mit  Vorteil  werden  auch  die 
wieder  eingeebneten  Stocklöcher  starker  Stämme  zur  Pflanzenzucht  mit  benutzt; 
infolge  der  gründlichen  Bodenlockerung  sind  die  Ergebnisse  hier  oft  besonders  gute. 
—  b)  unter  1  i  c  h  t  s  c  h  i  r  m  i  g  e  n  S  c  h  u  t  z  b  e  s  t  ä  n  d  e  n  ,  z.  B.  Buche 
(für  Zwecke  des  Unterbaues,  Main-Rheinebene)  durch  Saat  in  Kiefernbeständen,  am 
besten  in  stark  durchforsteten  Stangenorten  oder  angehenden  Baumhölzern,  nach  ober- 
flächlicher Zubereitung  des  Keimbeetes  (Entfernung  des  Moospolsters,  leichtes  Durch- 
hacken des  Bodens,  event.  Umgatterung  gegen  Wild).  Das  Verfahren  liefert  oft  mas- 
senhaftes Material  olme  große  Kosten,  eignet  sich  aber  nur  für  Erziehung  von  Scliat- 
tenhölzern.  —  Hier  und  da  Anzucht  von  Pflänzlingen  auf  Waldfeldern  unter  dem 
Schutz  von  Getreide  (z.  B.  Haferschutz-Saaten  zum  Ausheben  der  Pflänzlinge  im 
3.  Jahre).  —  c)in  Forstgärten  oder  Kämpen  für  Pflänzlinge,  welche  beson- 
derer Sorgfalt  bedürfen,  insbesondere,  wenn  Verschulen  nötig  ist.  Wo  die  Gelegen- 
heiten des  Pflanzenbezugs  ad  1,  2,  3  fehlen  oder  nicht  benutzt  werden  sollen,  ergibt 
sich  die  Anzucht  im  Forstgarten  von  selbst.  Sie  ist  tauglich  für  alle  Holzarten,  aber 
meist  relativ  teuer.  Für  viele  Arten  der  Pflanzkultur  ist  sie  unentbehrlich,  im  ganzen 
aber  doch  auf  das  notwendige  Maß  zu  beschränken. 

C.  Forstgartenbetrieb  insbesondere'^). 

§  61.  1.  Arten.  Die  Forstgärten  sind  entweder  nur  Saatschulen  (Saat- 
kämpe) zur  Erziehung  von  Pflanzen,  welche  unmittelbar  von  der  Stelle,  wo  sie  ge- 
keimt sind,  zur  Kultur  verwendet  werden,  oder  Pflanzschulen  (Pflanzkämpe), 
in  welchen  die  Keimpflanzen  erst  noch  versetzt  (verschult,  verstopft,  umgelegt)  wer- 
den, bevor  sie  auf  die  Kulturfläche  kommen.  Meist  sind  Saat-  und  Pflanzbeete  in 
einem  Forstgarten  vereinigt,  doch  kommen  auch  größere  Kampanlagen  vor,  in  wel- 
chen sich  nur  Verschulpflanzen  finden  (z.  B.  Tannensämlinge  aus  Bestandessaaten, 
Buchen  aus  natürlichen  ^'erjüngungen).  —  Man  unterscheidet  außerdem  ständige 
und  unständige  (sog.  Wander-)Forstgärten.  Erstere  werden  durch  längere  Zeit 
andauernd  benutzt,  letztere  nur  kürzere  Zeit,  nur  die  Pflanzen  für  bestimmte  Kul- 
turen liefernd.  Die  unständigen  Forstgärten  werden  natürlich  möglichst  unmittelbar 
bei  oder  auf  der  Kulturfläche  angelegt,  deren  Pflanzenbedarf  sie  demnächst  decken 
sollen.  Ist  die  betr.  Kultur  erledigt,  so  werden  sie  wieder  aufgegeben,  bezw.  bilden 
dann  mit  einem  Rest  ihrer  Pflanzen  Teile  der  Kultur.  Ständige  Gärten  sind  teurer 
in  der  ersten  Anlage  (sorgfältigere  Bearbeitung  etc.),  erfordern  bei  beginnender  Er- 
schöpfung künstliche  Düngung  und  liegen  oft  weiter  von  der  Kulturstelle  entfernt, 
verursachen  demzufolge  oft  größere  Transportkosten.  Gewöhnlich  leiden  sie  auch 
durch  Verunkrautung  mehr  als  die  unständigen  Kämpe.  Sie  sparen  dagegen  auch 
wieder  an  erstmaligem  Aufwand  (Bodenvorbereitung,  Umfriedigung  etc.),  insofern 


1)  Vergl.  Schwarz,  Der  Waldpflanzenzuclitbetrieb  in  und  um  Halstenbeck.  For^■lw. 
Zbl.  1903,  472;  —  d  e  r  s.,  In  Sachen  des  Waldpflanzenzuchlbetriebes,  das.  1904,  629;  —  H  ü  r- 
mann,   Der  Waldptlanzenzuchlbetrieb  in  und  um  Halstenbeck,  das.  1904,  141. 

2)  Vergl.  hierzu  die  umfassenden  Angaben  in  Fürsts  ,, Pflanzenzucht"  (cfr.  Anm.  2,  S.  119), 
sowie  zahlreiche  Artikel  der  verschiedenen  forstlichen  Zeitschriften. 


122  ^  ••  Lorey,    Waldbau. 

sich  dieser  auf  eine  längere  Benutzungsperiode  verteilt,  sind  leichter  zu  beaufsichtigen, 
gestatten  wegen  der  großen  Pflanzenmenge,  die  in  ihnen  im  Laufe  der  Jahre  erzogen 
werden  soll,  die  ausgiebigere  Beschaffung  von  Apparaten,  Schutzvorrichtungen, 
unter  Umständen  die  Anlage  von  Bewässerungsvorrichtungen  usw.,  im  ganzen  also 
einen  feineren,  intensiveren  Betrieb.  Beide  Arten  sind,  je  nach  Umständen,  in  Uebung. 
Das  entscheidende  Moment  ist  vielfach,  zumal  wenn  Ballenpflanzen  bei  der  Kultur 
in  Anwendung  kommen  sollen,  der  Pflanzentransport.  Bietet  sich  günstige  Gelegen- 
heit, nah  bei  einer  demnächst  zu  kultivierenden  Fläche  Wandersaat-  und  -pflanzbeete 
anzulegen,  so  wird  sie  benutzt,  im  großen  und  ganzen  jedoch  sind  wohl  die  ständigen 
Forstgärten  mehr  beliebt,  obwohl  finanzielle  Erwägungen  oft  für  Wanderkämpe 
sprechen.  Für  die  Erziehung  der  einer  sorgfältigeren  Pflege  bedürfenden  und  oft 
länger  im  Forstgarten  stehenden  Laubhölzer  eignet  sich  der  günstiger  gelegene  und 
dauernd  überwachte  ständige  Forstgarten  im  allgemeinen  mehr  als  der  kleinere  un- 
ständige Garten.  Diesem  kommt  aber  für  die  Erziehung  der  weniger  Pflege  bedürf- 
tigen, in  großer  Menge  gebrauchten  Nadelhölzer  eine  überlegene  Bedeutung  zu. 

2.  Wahl  des  Platzes.  a)Lage:  Außer  möglichster  Nähe  bei  den  Kultur- 
flächen sowie  bequemer  Erreichbarkeit  und  Beaufsichtigung  kommt  die  Umgebung, 
Abdachung,  Exposition  in  Betracht.  Steilere  Hänge  sind  im  allgemeinen  ausgeschlos- 
sen, etwas  geneigte  Lagen  dann  erwünscht,  wenn  ausnahmsweise  die  Wahl  eines  etwa 
zu  feuchten  oder  eines  zu  trockenen  Ortes  nicht  umgangen  werden  kann,  und  im  erste- 
ren  Falle  für  Wasserabzug  gesorgt  werden  muß,  im  letzteren  die  Möglichkeit  einer 
Bewässerung  ins  Auge  gefaßt  wird.  Süd-  und  Südwestseiten  sind  im  Hügelland  und 
Mittelgebirge  wegen  Hitze  und  Trockenheit  ebenso  zu  vermeiden,  wie  ungeschützte 
Ostseiten  (Frostgefahr).  Für  die  Anzucht  von  Holzarten,  die  kühle  Temperatur  sowie 
größere  Luftfeuchtigkeit  und  Bodenfrische  lieben,  eignen  sich,  von  den  höheren  Ge- 
birgslagen abgesehen,  am  besten  sanft  geneigte  nördliche,  nordwestliche  und  nord- 
östliche Abdachungen.  In  den  höheren  Lagen  sind  die  Südhänge  besser,  die  überall 
zu  bevorzugen  sind,  wenn  Wärme  beanspruchende  Holzarten  erzogen  werden  sollen. 
Schutz  durch  umhegende  Bestände  kann  sehr  erwünscht  sein;  unter  Umständen 
wirken  solche  aber  auch  nachteiüg  (event.  Verdammen  durch  dieselben,  Reflex  der 
Sonnenstrahlen  am  Trauf).  Frostgefahr  in  tiefen  Talsohlen.  Nähe  von  Wasser  er- 
wünscht, soweit  Wasserlieferung  in  trockenen  Perioden  in  Frage  kommt.  Plätze  im 
Inneren  des  Waldes  verdienen  den  Vorzug  vor  solchen  am  Rande,  weil  letztere  vom 
Felde  her  von  den  Mäusen  schärfer  bedroht  werden,  die  sich  im  Herbst  in  den  Wald 
ziehen.  Schneebruch-  und  Windbruchlöcher  nicht  selten  verwendbar,  sofern  sie  noch 
nicht  stark  verunkrautet  sind.  Ueberhaupt  ist  der  Kampf  mit  dem  Unkraut  sehr  zu 
beachten;  man  legt  deshalb  Forstgärten  nicht  gern  auf  größere  Kulturflächen.  — 
b)  Boden:  Zu  fordern  ist  genügende  minerahsche  Kraft  in  Verbindung  mit  den 
nötigen  physikalischen  Eigenschaften.  Insbesondere  soll  der  Boden  nicht  zu  zäh  und 
fest  (kalter  Tonboden)  sein.  Böden  mittlerer  Beschaffenheit  (sandiger  Lehmboden) 
sind  vorzuziehen  ''■).  Im  Zweifelsfalle  wähle  man  lieber  einen  etwas  zu  lockeren  als 
einen  zu  festen  Boden.  Beachtung  des  Untergrunds,  hauptsächlich  in  betreff  des 
Wasserabzugs  muß  dringend  empfohlen  werden.  Zu  feuchter  oder  undurchlässiger 
Boden  eignet  sich  der  Gefahr  des  Auffrierens  wegen  nicht.  —  c)  Größe:  Da  nur 

1)  Die  Meinung,  als  ob  Pflänzlinge  für  magere  Kulturstellen  auch  in  Forstgärten  mit  geringen 
Böden  erzogen  werden  müßten,  ist  irrig.  Eher  schon  sind  Pflanzen  für  rauhe  Lagen  vor  Verzärte- 
lung im  Forstgarten  zu  bewahren.  Die  Forderung,  die  ^"egetation  solle  allgemein  im  Forstgarten 
sich  nicht  früher  entwickeln,  als  auf  den  Kulturstellen,  ist  zu  weitgehend,  stimmt  nicht  fürs  Hoch- 
gebirge. Für  letzteres  ist  zu  beachten,  daß  Südseiten,  falls  der  Boden  genügend  frisch  ist,  um  so 
mehr  den  Vorzug  verdienen,  je  höher  die  Lage  ist. 


Die  Bestandesbegründung      §  Gl.  ]^23 

die  Pflanzenzucht  für  den  eigenen  Bedarf  liier  in  Betracht  kommt,  so  ist  die  Flächen- 
größe entsprechend  der  Zahl  der  jährlich  erforderlichen  Pflünziinsje,  dem  Alter  und 
der  Behandlung  derselben  (Dauer  ihres  Verbleibens  in  dem  Forstgarten,  verschult 
oder  unverschult,  Verschulungsverband  usw.)  zu  bemessen  >).  Um  in  der  Lage  zu 
sein,  nur  tatsächlich  gutes  Pflanzenmaterial  zum  Auspflanzen  zu  bringen,  empfiehlt 
es  sich,  mehr  Pflanzen  zu  erziehen,  als  man  braucht.  Das  zahlreiche  minderwertige 
Material  kann  dann  auf  den  Komposthaufen  wandern.  —  d)  Gestalt:  Möghchst 
regelmäßig  in  Rücksicht  auf  Umfriedigung  (Ouadratform!)  und  Einteilung.  Wo 
Seitenschutz  von  Wichtigkeit  ist,  kann  ein  langgestrecktes  Rechteck  den  Vorzug  ver- 
dienen; ebenso  in  geneigten  Lagen  (die  größere  Seite  horizontal). 

3.  Bodenbearbeitung  und  Verbesserung,  a)  Nach  gründ- 
licher Rodung  der  Stöcke  und  Entfernung  möglichst  auch  der  schwächeren  Wurzeln 
des  \'orbestandes  empfiehlt  sich  im  allgenieinen  voller  Umbruch  des  Bodens  mit 
Pflug,  Spaten  oder  Hacke.  Hand  in  Hand  damit  Entfernung  von  Steinen.  Die  ver- 
hältnismäßige Leichtigkeit  der  Bodenbearbeitung  bei  früherem  Ackerland  darf  nicht 
für  die  Wahl  des  Platzes  maßgebend  sein.  Ackerland  kann  wohl  ausnahmsweise  in 
Betracht  kommen,  ist  jedoch  meist  ausgebaut  und  neigt  zur  Verunkrautung.  Auch 
die  mehrjährige  Ueberlassung  des  ausgewählten  Platzes  an  die  Landwirtschaft  zum 
Anbau  von  Hackfrüchten,  wodurch  allerdings  gute  Bodenbearbeitung  gewährleistet 
wird,  ist  wegen  des  damit  verbundenen  Entzugs  von  Mineralstoffen  nicht 
ratsam.  Vornahme  der  ersten  tiefen  Bodenbearbeitung  im  Herbst  empfiehlt  sich, 
damit  der  Boden  im  Winter  von  Frost  zermürbt  wird.  Ist  der  gewählte  Ort  stark 
verunkrautet,  so  bricht  man  iim  schon  im  Vorsommer  um,  damit  das  Unkraut  ver- 
west. Durchschnittliche  Tiefe  der  Bodenbearbeitung  30 — 40  cm.  Das  Belassen  ein- 
zelner Bäume  in  der  Forstgartenfläche  ist  aus  Gründen  der  Beschattung,  Abhaltung 
von  Niederschlägen  und  Wurzelkonkurrenz  zu  vermeiden.  —  b)  Planierung, 
soweit  nötig,  insbes.  Einebnen  der  Stocklöcher,  wird  mit  dem  Umbruch  unmittelbar 
verbunden,  event.  Terassierung  an  Hängen,  falls  man  zur  Wahl  eines  stärker  geneigten 
Platzes  gezwungen  ist:  die  einzelnen  Beete  sollen  horizontal  liegen.  Unbearbeitete 
Streifen  zwischen  ihnen  können  die  Beetpfade  ersetzen,  dienen  als  Lagerstellen 
für  Steine,  Unkraut  usw.  Die  darauf  abgelagerten  Materialien  können  gegen  Ab- 
flutung Sicherung  bieten.  —  c)  Besserung  der  physikalischen  und  chemi- 
schen Bodeneigenschaften  sollte  von  vornherein  möglichst  nicht  er- 
forderhch  sein.  In  erster  Linie  sind  Flächen  bei  der  Wahl  als  Pflanzenerziehungsstätte 
unberücksichtigt  zu  lassen,  die  in  physikalischer  Hinsicht  einer  Melioration  bedürfen. 
Mangelnder  Nährkraft  läßt  sich  viel  leichter  abhelfen.  Im  schlimmsten  Falle,  wenn 
sich  im  ganzen  Revier  kein  geeigneter  Platz  finden  läßt,  muß  auch  auf  Besserung 
mangelhafter  physikalischer  Bodeneigenschaften  zugekommen  werden.  Entweder  ist 
dann  mangelnder  Bodenmächtigkeit  durch  Rabattenbildung  oder  Zuführung  guter 
Erde  abzuhelfen,  oder  durch  Entwässerung,  event.  Drainierung  für  Trockenlegung 
nasser  Stellen  zu  sorgen,  oder  der  Bindigkeitsgrad  des  Bodens  bedarf  einer  Korrektur. 
Das  letztere  ist  das  häufigste.  Zu  bindige  Böden  sind  dann  durch  wiederholte  Locke- 
rung und  Beimengung  von  lockernden  Substanzen  (Sand,  Sägespänen,  Torf,  Humus, 
Komposterde,  Rasenasche,  Gerberlohe,  Mergel,  Stalldünger,  Gründüngung),  zu  lockere 
durch  die  gleichen  Beimengungen  in  günstigeren  Zustand  überzuführen. 


1)  Etwa  4 — 5%  der  jährlichen  Kulturfläclie  dürfte  z.  B.  für  den  Fall  einer  Fichtenwirtschaft 
bei  Verwendung  durchweg  4jähriger  Pflanzen  nach  2jähriger  Verschulung  genügen.  Bei  Ver- 
wendung ajähriger  Saatpflanzen  stellt  sich  in  der  Fichtenwirlschaft  der  Bedarf  an  Saatkamp- 
fläche  auf  1 — 1,5%  der  Kulturfläche. 


124  ^'I-  Lorey,    Waldbau. 

Mit  der  steigenden  Bedeutung  der  Pflanzkultur  und  dem  damit  zusammen- 
hängenden Streben  nach  größter  Leistungsfähigkeit  und  Verbilligung  der  Pflanzen- 
erziehung hat  die  Erhöhung  ungenügender  Nährkraft  des  Bodens  durch  Düngung 
mehr  und  mehr  Anklang  gefunden.  Für  Wanderkämpe,  deren  Benutzung  nur  durch 
wenige  Jahre  währen  soll,  ist,  falls  nicht  besonders  ungünstige  Verhältnisse  vorliegen, 
die  Düngung  entbehrlich.  Sie  findet  aber  auch  hier  schon  vielfach  Anwendung. 
Ständige  Forstgärten  können  ohne  Düngung  nicht  auskommen.  Wenn  sie  auch  nicht 
vom  ersten  Anfang  ihrer  Benutzung  an  die  Düngung  erforderlich  machen,  so  bedingt 
doch  die  stärkere  Inanspruchnahme  des  Nährstoffkapitales  durch  die  Pflanzenerzieh- 
ung bald  genug  kräftige  Nachhilfe  durch  Düngerzufuhr  und  man  tut  gut,  nicht  erst 
dann  zu  beginnen,  wenn  schon  eine  merkliche  Erschöpfung  eingetreten  ist. 

Die  wichtigsten  Stoffe,  welche  dem  Boden  durch  die  Düngung  wieder  zugeführt 
werden  müssen,  sind  Stickstoff,  Phosphorsäure  und  Kali,  event.  auch  Kalk,  der,  ab- 
gesehen von  seiner  direkt  nährenden  Wirkung,  auch  noch  eine  Reihe  günstiger  che- 
mischer und  physikahscher  Wirkungen  auf  den  Boden  ausübt.  Wo  es  sich  lediglich  um 
Erhöhung  des  Nährstoffkapitales  des  Bodens  handelt,  werden  tierische,  pflanzliche, 
Mineral-  oder  sog.  Mengedünger  zugeführt.  Als  tierische  Dünger  kommen  in  An- 
wendung: Stallmist  (am  besten  Rindviehdünger,  weniger  gut,  weil  zu  hitzig,  Roß- 
oder Schafdünger),  Poudrette,  Jauche,  Knochenmehl,  Guano,  künstlicher  Guano 
(wie  Fischmehl,  Blutmehl  etc.);  als  Pflanzendünger:  Rasenasche,  Holzasche,  Torf- 
asche, Humus  (Dammerde),  Gerberlohe,  Gründüngung ');  Mineraldünger  (natürliche 
und  künstliche)  sind  u.  a.:  Mergel,  Aetzkalk,  Gips,  Staßfurter  Abraumsalze,  bes. 
Kainit,  Chilisalpeter,  Thomasmehl,  Superphosphat,  Doppelsuperphosphate,  schwefel- 
saures Ammoniak;  als  JMengedünger  kommt  zunächst  Kompost  verschiedenster  Art 
(unter  Beigabe  von  Aetzkalk,  Sägespänen,  Torfmull,  kräftiger  Düngemittel,  nament- 
lich aus  der  Reihe  der  tierischen  und  mineralischen  Stoffe)  in  Verwendung^).  Tierische, 
pflanzliche  und  Mengedünger,  event.  nur  aus  tierischen  und  mineralischen  Einzel- 
düngemitteln zusammengesetzt,  empfehlen  sich,  da  sie  den  Boden  an  a  1 1  e  n  für  die 
Pflanze  wichtigen  Nährstoffen  bereichern,  namentüch  dann  am  meisten  und  allge- 
mein, wenn  über  die  Art  der  Bodenerschöpfung  Zweifel  bestehen.  Die  pflanzüchen 
Dungstoffe,  in  erster  Linie  Humus  und  Gründüngung,  verbessern  außerdem  den 
physikalischen  Zustand  des  Bodens  in  vorteilhaftester  Weise  und  unterstützen  die 
Wirkung  der  konzentrierten  Handelsdünger.  Gründüngung  erfolgt  am  zweckmäßig- 
sten durch  Anbau  von  Leguminosen  auf  der  später  zur  Pflanzenzucht  zu  verwendenden 
Fläche  oder  auf  brachüegenden  Teilen  von  Forstgärten.  Für  kalkarme,  sandige  Böden 
eignet  sich  nach  den  Untersuchungen  von  E  n  g  1  e  r  und  G  1  u  t  z  (Mittlgn.  d.  Schweiz. 
Zentralanst.  f.  d.  forstl.  Versuchw.  VH  Bd.  S.  319)  die  gelbe  Lupine,  für  Lehm-  und 
Tonböden  Futterwicke,  für  kalkreiche  Böden  Ackererbse  und  Saubohne.  Einsaat 
im  Mai  und  zwar  entweder  breitwürfig  (pro  Ar  2 — 3  kg  Lupinensamen)  oder  in  Reihen 
mit  ungefähr  25  cm  Reihenabstand  (1,5—2  kg  pro  Ar).  Während  der  Blüte  (August, 
September)  werden  die  Pflanzen  angewalzt  und  grün  untergehackt.  Gegenüber  der 
Gründüngung  mit  Gräsern  und  Unkräutern  gewährt  die  Gründüngung  mit  Legumi- 

1)  Vergl.  „Lupinenbau  in  Forsten"  in  ,,Aus  dem  Walde"  VIII,  S.  160. 

2)  Liter.  Angaben  siehe  in  Fürst,  Pflanzenzucht,  4.  Aufl.  S.  36  ff.  Man  vergl.  außerdem! 
Grundner  ,,Die  Düngung  im  Forstbetriebe,  insbes.  in  Forstgärten"  (Harzer  Forstverein 
1897);  R  a  m  ni  ,, Rationelle  Düngung  der  Forstgärten",  im  Bcriclit  über  die  17.  Vers,  des  württ. 
Forstvereins  zu  Calw,  1900;  ferner  .M  a  t  t  h  e  s  ,,Ueber  künstliche  Düngung  im  forstl.  Betriebe" 
(Vers.  Thüringer  Forstwirte  zu  Eisenach,  1900).  Zahlreiche  Mitteilungen  über  Einzelversuche 
finden  sich  in  den  versch.  forstl.  Zeitschriften.  —  H  e  1  b  i  g,  Ueber  Düngung  im  forstl.  Betriebe. 
Neudamm  1906;  —  Vater,  Düngungsversuche  in  Saatkämpen  auf  Sandsteinböden  usw.  Tharand. 
Jhrb.  1905,    S.  116.  — 


Die  BestandesbegrQndung.     §  Gl.  125 

nosen  infolge  der  Fähigkeit  dieser  Pflanzen,  den  Stickstoff  der  Luft  zu  assimilieren, 
den  wichtigen  Vorteil  der  Stickstoffanreicherung  im  Boden,  eine  Wirkung,  die  nanient- 
licii  dann  in  Erscheinung  tritt,  wenn  vor  der  Einsaat  der  Legunxinosen  eine  kräftige 
Rlineraldüngung  mit  Phosphorsäure,  Kali  und  Kalk  stattfand  '). 

In  neuerer  Zeit  finden  im  Forstgartenbetrieb  die  oben  genannten  künstlichen 
Mineraldünger  (=  konzentrierte,  relative  oder  Hilfsdünger)  mehr  und  mehr  \"erwen- 
dung,  weil  sich  mit  ihnen  dem  Boden  die  notwendigsten  Pflanzennährstoffe  in  be- 
liebiger Menge  auf  leichte  Weise  zuführen  lassen. 

.\ls  SpeziakU'inger  für  P  h  o  s  p  h  o  r  s  ä  u  r  e  d  ü  n  g  u  n  g  verwendet  man  hauptsächlicli 
Superpliosphat,  Doppelsuperpliosphat  und  Thomasmehl.  Letzteres  empfiehlt  sich  für  Sand- 
und  saure  Böden  und  wird,  da  es  für  rasche  Düngungen  ungeeignet  ist,  in  der  Regel  im  Herbst 
gegeben  und  untergearbeitet.  Die  schneller  wirkenden  Sviperphosphate  kommen  für  schwere 
Böden    in  kalter   Lage   in   Betracht   und  eignen  sich  mehr  zur  Obenaufdüngung  im  Frühjahr. 

Hauptdüngemittel  für  Kalidüngung  ist  Kainit  mit  ungefähr  12,4''ö  Kaligehalt. 
Da  das  in  ihm  enthaltene  Chlor,  frisch  an  die  Pflanzenwurzeln  gebracht,  ätzend  wirkt,  wird 
Kainit  entweder  im  Frühjahr  nu'hrere  Wochen  vor  Beginn  der  \'egelation  oder  besser  noch  schon 
im  Herbst  oder  Winter  in  den  Boden  eingebracht.  Seiner  ätzenden  \\'irkung  wegen  ersetzt  man 
den  Kainit  namentlich  auf  schweren  Böden  neuerdings  mit  N'orteil  durch  den  natron-  und 
chlorärmeren  „40prozentigen  Kalidünger". 

.\ls  Stickstoffdünger  finden  außer  Guano  und  Knochenmehl  hauptsächlich 
Chilisalpeter  und  schwefelsaures  .\mmoniak  Verwendung.  Bei  Chilisalpeter  tritt  die  Wirkung 
sofort  ein,  hält  aber  nicht  lange  an.  Man  benützt  ihn  deshalb  zur  Obenaufdüngung  kurz  vor 
oder  während  der  \'egetation  und  gibt  ihn  nur  in  kleineren  Mengen  (auf  1  qm  20  Gr.).  Schwe- 
felsaures Amnumiak  muß  sich,  um  wirksam  zu  werden,  im  Boden  zunächst  in  ein  salpeter- 
saures Salz  umwandeln,  fordert  hierzu  einen  gewissen  Kalkgehalt  des  Bodens  und  kann  ent- 
sprechend seiner  langsamen  Löslichkeit  im  Herbst  eingebracht  werden. 

.\ußer  den  genannten  künstlichen  Düngemitteln  sind  noch  einige  andere  neuerdings 
in  den  Handel  gebrachte  konzentrierte  Dünger,  z.  B.  Kalisuperphosphat,  Ammoniaksuperphos- 
phat für  \erwendung  im  Forstgartenbetriebe  beachtenswert. 

Besondere  Bedeutung  kommt  ferner  der  Kalkdüngung  zu  und  zwar  weniger  der 
Zuführung  eines  direkten  Nährstoffes  wegen,  sondern  namentlich  deshalb,  weil  durch  den  Kalk 
der  physikalische  Zustand  des  Bodens  gebessert,  schwerer  Boden  z.  B.  gelockert  und  erwärmt 
wird,  und  weil  außerdem  die  im  Boden  in  einer  für  die  Pflanzen  nicht  aufnehmbaren  Form 
vorhandenen  Nährstoffe  in  assinalierbare  Verbindungen  übergeführt  werden.  Die  Zuführung 
von  Kalk  geschieht  zumeist  in  Form  von  u  n  g  e  li  r  a  n  n  t  e  m  kohlensauren  Kalk, 
gebranntem  oder  .\  e  t  z  k  a  1  k,  Gips  oder  Mergel.  .\ußerdem  ist  Kalk  ein  Neben- 
bestandteil einzelner  oben  genannter  Mineraldünger,  z.  B.  des  Superphosphates  und  des  Tho- 
masmehles. Für  nasse,  kalte  und  schwere  Böden  eignet  sich  unter  den  Kalkdüngern  am  besten 
der  in  physikalischer  Hinsicht  am  energischsten  wirkende  A  e  t  z  k  a  1  k.  Bei  Zufülirung  von 
Aetzkalk  ist  gleichzeitige  Düngung  mit  schwefelsaurem  Ammoniak  zu  vermeiden,  da  sich  sonst 
freies,  den  Pflanzenwurzeln  schädliches  Ammoniak  bildet,  .\etzkalk  wird  pulverförmig  aus- 
gestreut und  sofort  unlergehackt.  Auf  trockenen  leichten  Böden,  wo  es  sich  mehr  um  eine 
nachhaltige  Düngung  handelt,  wird  am  besten  zermahlener,  ungebrannter  kohlen- 
saurer Kalk  verwendet.  Der  langsam  wirkende  Mergel,  ein  Gemenge  von  kohlen- 
saurem Kalk  mit  Ton  oder  Lehm  und  Sand,  eignet  sich  der  letzteren  Bestandteile  wegen  besonders 
für  sandige  Böden,  ist  aber,  um  wirksam  zu  werden,  in  größeren  Quantitäten  zuzuführen  und  wird 
durch  die  Transportkosten  leicht  zu  teuer.  Gipsdüngung  ist  in  physikalischer  Hinsicht  wenig 
wertvoll,  verdient  aber  auf  trägen,  an  sich  nicht  nährstoffarmen  Böden  als  indirekte  Düngung 
zur  ,\ufschließung  der  Nährstoffe  Beachtung. 

Ausführung  der  Düngung.  Von  großem  Einfluß  auf  den  Erfolg 
der  Düngung  ist  der  Zeitpunkt  der  Ausfühftmg.  Man  spricht  von  vorausgehender 
Düngung,  wenn  vor  der  Aussaat  bezw.  vor  der  Bepflanzung  gedüngt  wird,  und  be- 
zeichnet die  Zuführung  von  Düngung  auf  mit  Pflanzen  bestockte  Beete  als  Zwischen- 
oder Kopfdüngung.  Inwieweit  die  eine  oder  die  andere  Art  zweckmäßig  ist,  darüber 
entscheiden  Bodenuntersuchung  und  das  im  Aussehen  und  in  der  Entwickelung  der 


1)  \'ergl.  hierzu:  Koch,  Düngung  durch  leliende  Papilionaccen.  .■\llf?.  Forst-  u.  J.-Ztg. 
1902,  11.  —  H  o  f  ni  ä  n  n  e  r,  Düngung  der  Pflanzgärten.  D.  prakt.  Forstwirt  f.  d.  Schweiz 
1900,  S.  6.  —  G  a  r  e  i  s,  Aus  dem  Pflanzgartenbetrieb  im  k.  bayr.  Forstamt  Anzing.  Forstw. 
Zbl.  1903,  233. 


J26  ^'I-  L  0  r  e  y  ,    Waldbau. 

Pflanzen  zum  Ausdruck  kommende  Düngerbedürfnis.  Jeder  wiederholten  Benutzung 
eines  Saat-  oder  Pflanzenbeetes  hat  grundsätzlich  eine  Düngung  voranzugehen.  Die 
Düngungen  erfolgen  meist  gelegenUich  der  zweiten  Bodenbearbeitung  im  Frühjahr. 
Gründüngungen,  überhaupt  Tiefdüngungen,  desgleichen  Düngungen  mit  Kainit  und 
Thomasmehl  werden  besser  im  Herbst  vorgenommen.  Holzart  und  Zuchtziel  bestim- 
men die  Tiefe  der  Düngung.  Tiefwurzelnde  Holzarten  (Eiche,  Kiefer)  und  Ver- 
schulungsbeete  erfordern  tieferes  Einbringen  des  Düngers  als  Saatbeete  und  als  Holz- 
arten mit  zunächst  weniger  tiefgehenden  Wurzeln.  Je  tiefer  aber  die  Düngung  unter- 
gebracht wird,  umsomehr  wird  die  Pflanze  zur  Ausbildung  eines  ausgebreiteten,  das 
Pflanzgeschäft  erschwerenden  Wurzelsystems  angeregt.  Es  ist  deshalb  im  allgemeinen 
zweckmäßiger,  nur  die  oberen  Bodenschichten  durch  Düngerzufuhr  nährstoffreicher 
zu  machen,  um  so  die  Bildung  eines  kon zentrierte ren  Wurzelbaues  zu  veranlassen.  — 
Ueber  die  Menge  des  bei  der  einmaligen  Düngung  zur  Verwendung  kommenden 
Düngers  lassen  sich  nur  ungefähre  Anhaltszahlen  geben.  Infolge  der  großen  Beweg- 
lichkeit und  Veränderlichkeit  des  Düngerwertes  im  Boden  sind  schwächere,  öfter 
wiederholte  Düngungen  vorteilhafter  als  einmalige  stärkere  sog.  Vorratsdüngungen. 
Bei  einzelnen  Düngerarten,  z.  B.  bei  Chilisalpeter  und  Kainit  wirken  stärkere  Düng- 
ungen sogar  leicht  direkt  schädlich  und  sind  schon  aus  diesem  Grunde  zu  vermeiden. 
Zulässig  und  gebräuchlich  sind  Vorratsdüngungen  nur  bei  Kalk  und  Thomasmehl. 
Je  nach  den  Bodenverhältnissen  werden  bei  der  einzelnen  Düngung  auf  1  Ar  ver- 
wendet: Chilisalpeter,  schwefelsaures  Ammoniak  2 — 4  kg,  Ammoniak-Superphosphat 
2—3  kg,  Kainit  2—6  kg,  Kalk  30—40  kg,  Guano  6  kg,  Stalldünger  2^4  Ztr.,  Kom- 
post, Dammerde  3 — 4  cbm,  Mergel  1,5  cbm. 

d)  Eine  wiederholte  Bodenbearbeitung  mit  Hacke  und  Rechen 
oder  anderen  Bodenbearbeitungswerkzeugen  (Spitzenbergsche  Kulturgeräte)  findet 
in  Verbindung  mit  der  gartenmäßigen  Zurichtung  der  Beete  und  dem  Ausheben  der 
Fußpfade  im  Frühjahr  vor  der  Bestellung  des  Forstgartens  statt.  Auf  sehr  lockerem 
Boden  ist  der  Herbstumbruch  unter  Umständen  entbehrlich,  zumeist  aber  auch 
hier  rätlich.  Wie  schon  vorstehend  erwähnt,  wird  mit  der  Frühjahrsbearbeitung 
vielfach  Düngung  verbunden.  Die  Bearbeitung  geschieht  zweckmäßigerweise  einige 
Zeit  vor  der  Ansaat  der  Beete,  damit  sich  der  gelockerte  Boden  wieder  setzt. 

4.  Einteilung,  innere  Einrichtung:  Beete  von  angemessener 
Breite  (bis  zur  Mitte  bei  den  Arbeiten  leicht  zu  erreichen)  und  Beetpfade  wechseln 
miteinander  ab.  Dazu  kommen  einzelne  breitere  Wege  für  Karren  etc.  Durchschnitt- 
liche Beetbreite  1 — 1,2  Meter,  Pfadbreite  0,3  Meter.  Da  durch  die  Beetpfade  der 
eigentlichen  Pflanzenzucht  immerhin  viel  Areal  entzogen  wird  (Y« — V^  '^^^  ganzen 
Fläche),  so  empfiehlt  sich  bei  einheitlichem  Betrieb,  d.  h.  bei  der  Anzucht  großer 
Mengen  gleichartiger  Pflänzlinge  das  Zusammenschließen  von  Beeten  (ohne  zwischen- 
belegene  Pfade)  zu  größeren  Quartieren,  welclie  dann  allerdings  bei  den  jeweiligen 
Arbeiten  (Verschulen,  Jäten  etc.)  betreten  werden  müssen.  Es  ist  deshalb  zweck- 
mäßig, sie  nicht  mit  Saat-,  sondern  bessÄ-  mit  weiter  von  einander  abstehenden  Schul- 
pflanzen zu  bestellen. 

5.  Die  Aussaat  im  Forstgarten,  a)  Arten  der  Aussaat: 
Vollsaat  oder  Rillensaat.  Bei  ersterer  erhält  man  mehr  Pflanzen  als  bei  der  Rillen- 
saat; auch  steht  den  Pflanzen  ein  gleichmäßigerer  Entwcklungsraum  für  Wurzel  und 
Krone  zur  Verfügung,  ein  Vorzug,  der  namentlich  dann  zum  Ausdruck  kommt,  wenn 
nicht  verschult  werden  soll.  Dagegen  sind  die  voll  besäeten  Beete  mühsamer  zu 
reinigen,  das  Ausfrieren  ist  bedenklicher,  weil  sich  Deckmittel  schlechter  anwenden 
lassen  als  bei  der  Rillensaat,  die  einzeln  keimenden  Pflänzlinge  (Nadelhölzer)  drücken 


Die  Bestandesbegründung.     §  61.  127 

durch  eine  etwas  verkrustete  Oberfläche  schwerer  durch.  Rillensaat  bildet  die  Hegel, 
b)  Samenmenge:  Im  allgemeinen  gelten  hier  dieselben  Envägungen  wie  für  die 
Dichte  der  Saat  überhaupt.  Nicht  zu  dicht  säen!  Weniger  dicht,  wenn  gar  nicht  oder 
erst  nach  ■2— 3  Jahren  verschult  wird.  Bedingend  ist  überdies  die  Entwickelung  der 
einzelnen  Holzart  in  der  ersten  Jugend.  Anfangs  langsamwüchsige  Holzarten  können 
dichterstehen  oder  länger  im  Saatbeet  verbleiben  (Gegensätze  z.B.  Tanne  und  Schwarz- 
kiefer, Buche  und  Akazie).  Kein  großer  Unterschied  zwischen  Voll-  und  Rillensaat 
bezüglich  der  Samenmenge  (z.  B.  bei  Kiefer  pro  1  Ar  0,5 — 1,0  kg)  i).  —  c)  Z  e  i  t  der 
Aussaat:  Auch  hier  gelten  die  allgemeinen  Bestimmungsgründe.  Möglichkeit 
ins  einzelne  gehender  Pflege  im  Forstgarten  kann  modifizierend  wirken.  Meist  Früh- 
jahrssaat. —  d)  Vollzug:  Vollsaat  stets  aus  der  Hand,  nach  vorgängiger  ge- 
höriger Herrichtung  der  Beete.  —  Rillensaat:  Richtung  der  Riefen  bald  quer 
über  die  Beete  (bequemer  für  gleichmäßige  Aussaat,  Bedeckung,  Reinigung),  bald  in 
deren  Längsrichtung.  Schmale  Rillen  (womöglich  nurl ,  höchstens  2  etwas  voneinander 
entfernte  Samenreihen  —  Doppelrillen).  Entfernung  derselben  so  gering,  daß  die 
Pflanzen  zu  seitlicher  Entwickelung  gerade  genügend  Raum  haben.  Herstellung  ent- 
weder mit  der  Hacke  oder  einem  Rillenzieher  (Spitzenberg),  oder  mit  Hilfe  von  Saat- 
latten, Saatbrettern,  Walzen  mit  entsprechenden  Erhöhungen,  wie  z.  B.  der  regulier- 
baren Saatrillenwalze  von  Holl  (Oe.  Forstz.  1898,  123),  der  Saatrillenwalze  von  Zinger 
(Allg.  Forst-  u.  J.-Z.  1890,  412)  usw.  Aussaat  aus  der  Hand  oder  unter  Benutzung 
von  Apparaten,  wie  z.  B.  Säehorn,  Saatrinne,  Saatbrett  etc.  Als  besonders  brauchbar 
hat  sich  die  Eßlingersche  Säelatte  mit  zugehörigem  Samenkasten  (Forstw.  Zentralbl. 
1890,  S.  535)  bewährt;  sie  arbeitet  rasch  und  gibt  gleichmäßige  Verteilung  des  Sa- 
mens. Empfohlen  wird  auch  die  Rillensäemaschine  von  Fekate  (Oesterr.  Forstzei- 
tung), ferner  Hackers  Gartensaatmaschine  (Oesterr.Forst-u.  J.-Z.  1890,  S.  299,  Forstw. 
Zentralbl.  1902,  327),  Hörmanns  Säeapparat  (Forstw.  Zbl.  1903,  622;  1904,  122, 
452,  639),  Schneiders,  Spitzenbergs  Säemaschine  u.  a.  Bedeckung  des  Samens  in 
erforderlicher  Höhe  mittels  Rechens,  Ueberwerfens  oder  Uebersiebens  mit  feiner  Erde, 
Rasenasche  etc.  Die  Höhe  der  Bedeckung  ist  je  nach  der  Art  des  Samens  und  des 
Deckmaterials  verschieden.  Je  lockerer  das  letztere  ist,  um  so  stärker  kann  im  all- 
gemeinen der  Samen  eingedeckt  sein.  Maßgebend  ini  einzelnen  sind  die  Bemerkun- 
gen zu  §  57,  E.  S.  116. 

6.  P  f  1  a  n  z  b  e  e  t  e  im  F  o  r  s  t  g  a  r  t  e  n.  \'  e  r  s  c  h  u  I  e  n.  Das  Ver- 
schulen  hat  den  Zweck,  den  jungen  Pflänzlingen  vor  der  Benutzung  zur  Kultur  durch 
Gewährung  freieren  Standraumes  im  gut  hergerichteten  Pflanzbeete  zu  kräftiger  Ent- 
wickelung zu  verhelfen.  Man  will  dadurch  kräftige,  gut  be\\au-zelte,  stufig  und  gleich- 
mäßig beastete  Pflanzen  erziehen,  die  sich  auf  allen,  irgend  einer  Gefahr  ausgesetzten 
Standorten  besser  bewähren  als  Saatpflanzen.  Im  einzelnen  Falle  dient  die  Verschu- 
lung  der  Erziehung  von  Ballenpflanzen.  Die  mit  dem  Verschulen  verbundenen  höheren 
Kosten  lassen  eine  Beschränkung  in  der  Verwendung  verschulter  Pflanzen  auf  solche 
Standorte  er\\"ünscht  erscheinen,  wo  die  Saatpflanze  in  ihren  Leistungen  zurücksteht. 
Man  hat  stellenweise  fast  vergessen,  daß  sich  durch  dünne  Saaten  Pflanzen  erziehen 
lassen,  die  den  verschulten  Pflanzen  qualitativ  kaum  nachstehen  und  für  viele  Ver- 
hältnisse vollauf  genügen,  w'o  man  ohne  verschulte  Pflanzen  nicht  auszukommen 
glaubt,  a)  Alter  der  Pflänzlinge:  bei  möglichst  frühem  Verschulen  ( 1  — 2- 
jährige  Pflanzen)  hat  man  leichtere  (billigere)  Arbeit  und  größeren  Erfolg,  sofern  die 


1)  Die  sciiweiz.  \crsuclisanstalt  hat  bei  Fichte  und  Kiefer  von  10  gr  Samen  pro  laufenden 
Meter  das  Maximum  an  brauchbaren  Pflanzen  erhalten,  cfr.  Mitteilungen  der  Schweiz.  Zentral- 
anstalt für  d.  forstl.  Versuchsw.  I,  1. 


J28  VI.  L  o  r  e  y  ,    Waldbau. 

Pflanzen  besser  anwachsen  und  länger  im  Verschulbeete  bleiben  können.  Sogar 
ganz  junge  Keimlinge  (aus  natürlichem  Anflug)  werden  unter  Umständen  verscliult. 
Werden  sie  einem  etwas  bindigen  Boden  entnommen,  so  kann  der  kleinste  Heyersche 
Hohlbohrer  mit  Vorteil  verwendet  werden.  —  b)Zeit  der  \'ornahme:  Herbst 
und  Frühjahr.  Die  Erfahrungen  im  Tübinger  Versuchsgarten  lassen  die  Herbst-  und 
die  Frühjahrsverschulung  als  ziemlich  gleichwertig  erscheinen.  Natürlich  ist  eine  Herbst- 
pflanzung mit  der  Pflanzung  im  nachfolgenden  (nicht  im  voraufgegangenen)  Frühjahr 
zu  vergleichen.  Dr.  Cieslar  ^)  hat  sich  gegen  die  Herbstpflanzung  ausgesprochen,  und 
Bühler  (189.5)  hält  nach  seinen  Versuchen  das  Wachstum  nach  Herbstpflanzung  bei 
allen  Holzarten  für  geringer  als  dasjenige  nach  Frühjahrspflanzung.  Geeignete  Ar- 
beitsverteilung spricht  wesentlich  bei  der  Wahl  der  Pflanzzeit  mit.  Wenn  bei  einer 
Herbstverschulung  kleine  Sämlinge  verwendet  würden,  ist  die  Gefahr  des  Ausfrierens 
besonders  zu  beachten.  Durch  Ueberschirmen,  Bodenbedeckung  usw.  wird  ihr  vor- 
gebeugt; durch  Frost  gehobene  Pflanzen  sind  rechtzeitig  wieder  anzudrücken.  — 
c)  Dauer  des  Verbleibs  im  Pflanzbeet:  meist  2 — 3  Jahre  (1  .Jahr 
ist  zu  wenig,  der  Vorteil  bei  so  kurzer  Zeit  zu  gering).  —  d)  Sorgfältige  B  o  d  e  n  z  u- 
r  i  c  h  t  u  n  g  geht  voraus.  —  e)  Ausheben,  Beschneiden,  Anschläm- 
men der  Pflänzlinge:  Da  ein  Transport  zum  Zweck  des  Verschulens  sehr 
häufig  nicht  in  Frage  steht,  so  werden  die  Pflänzlinge  am  besten  unmittelbar  aus  dem 
Saatbeet  ins  Pflanzbeet  gebracht.  Einstutzen  von  Schaft  und  Wurzel  unterbleibt  (abge- 
sehen von  zu  langen  Wurzeln  und  beschädigten  Organen).  Desgleichen  das  Anschläm- 
men. Erfordert  die  Platzfrage  (Beeträumung  etc.)  früheres  Ausheben,  oder  kommen 
Pflänzlinge  von  auswärts  (z.  B.  Schlagpflanzen  oder  durch  Ankauf  erworbene  Saat- 
pflanzen), so  ist  sorgfältiges  Einschlagen  an  feuchtem,  schattigem  Ort  nötig.  Sortieren 
der  schwachen  von  den  stärkeren  Pflänzlingen  je  für  besondere  Beete  ist  zur  Erzielung 
der  Gleichmäßigkeit  wünschenswert;  andernfalls  werden  (zumal  bei  Laubhölzern  wie 
Ahorn  und  Esche)  die  schwächeren  Pflanzen  von  den  vorauseilenden  stärkeren  in  ihrer 
Entwickelung  beeinträchtigt.  Wenn  möglich  sind  nur  gesunde,  kräftige  Pflanzen  zu 
verschulen;  alle  Schwächlinge  sind  vorher  auszumustern.  Minderwertige  Saatpflan- 
zen auf  besonderen  F^flanzbeeten  zu  verschulen,  um  aus  ihnen  noch  brauchbares  Ma- 
terial zu  erziehen,  ist  nicht  ratsam.  Sie  haben  meist  nicht  nur  stärkeren  Abgang, 
sondern  verlangen  auch  eine  sorgfältige,  um  .Jahre  verlängerte  Pflege  im  Schulbeet, 
ohne  dadurch  zu  besonders  kräftigen  Pflanzen  zu  werden.  —  f)  P  f  1  a  n  z  e  n  e  n  t- 
fernung,  Verband:  Allseits  genügender  Raum  für  die  Zeit,  welche  die  Pflanze 
im  Verschulbeet  verbringen  soll,  ist  Bedingung.  Da  diese  Zeit  nach  Entwickelung 
der  einzelnen  Holzarten  verschieden  ist,  so  kann  kein  einheitliches  Maß  angegeben 
werden.  Um  auf  gegebener  Fläche  eine  möglichst  große  Pflanzenzahl  zu  erzielen,  wird 
man  immerhin  nicht  weitständiger  verschulen,  als  notwendig  ist;  in  keinem  Falle 
sollten  sich  die  verschulten  Pflanzen  bald  wieder  gegenseitig  bedrängen.  Meist  Reihen- 
verband (z.  B.  für  1jährige  Ficliten  10:  5 — 7  cm,  2  Jahre  im  Pflanzbeet)  im  Inter- 
esse der  Beetpflege.  Sonst  ist  Ouadratverband,  wegen  der  gleichmäßigen  Verbreite- 
rung nach  allen  Seiten  hin,  besser.  —  g)  Ausführung,  Hilfsmittel:  Pflan- 
zung im  Taglohn  oder  Akkord.  Dabei  ist  scharfe  Kontrolle  sehr  angezeigt,  damit  nur 
tadelloses  Material  verwendet  wird.  Zu  beachten  ist  ferner  insbesondere,  daß  die 
Pflanzen  nicht  tiefer  eingesetzt  werden,  als  sie  im  Saatbeet  gestanden  haben,  und  daß 
Verkrümmungen  und  Umstülpungen  der  Wurzelenden  vermieden  werden.  Die  \'cr- 
schulung  kleinerer   Saatpflanzen  erfolgt  gewöhnlich  unter  Zuhilfenahme  einfacher 


1)   Mitteilungen  aus  dem  forstl.  Versuchswesen  Oesterreichs,  Heft  XI\',  1892:  „Die  Pflanz- 
zeit in  ihrem  Einfluß  auf  die  Entwicklunsr  der  Fichte  und  Kiefer". 


Die  Bestandesbegründung.     §  61.  [OQ 

oder  komplizierterer  Verschulungsapparate  (Setzholz,  Zapferbretter,  Verschulungs- 
gestell  von  Eck  ^),  Verschulungslattcn -),  Rillenpflug  ^),  \'erschulungsapparat  bezw. 
-maschine  von  Hacker^),  Thygesonsclie  Pflanzharke  ')  u.  a.)  teils  in  Löcher,  teils  in 
Gräben.  Der  Gefahr  von  Wurzelverkrümmungen  wegen  sind  im  allgemeinen  alle 
Verscluilungsmethoden  zu  verwerfen,  die,  wie  die  Handverschulung  mit  dem  Setzholz 
oder  dem  Zapfenbrette,  auf  Einsetzen  der  Pflänzchen  in  kegelförmig  in  den  Boden 
eingedrückte  Löcher  hinauslaufen.  Einwandfrei  erscheint  in  dieser  Beziehung  nur 
die  ^'erschulung  in  genügend  tief  hergestellte  Gräben,  an  deren  eine  senkrecht  abge- 
stochene Wand  die  Pflänzchen  mittels  Einhängelatten  usw.  derart  in  bestimmten 
Abständen  verteilt  werden,  daß  ihr  fächerförmig  ausgebreitetes  Wurzelsystem  auf 
der  Grabensohle  nicht  oder  eben  nur  aufstößt.  Durch  Wiedereinfüllen  und  Andrücken 
des  Grabenaushubes  werden  die  Wurzeln  der  verschulten  Pflanzen  eingebettet.  — 
Die  durch  die  Verschulung  angestrebte  Verdichtung  des  Wurzelsystems  sucht  man 
nicht  ohne  Erfolg  auch  dadurch  zu  erreichen,  daß  man  die  seitlich  ausstreichenden 
\\'urzeln  der  in  der  Saatrille  stehenden  Pflanzen  mit  einem  schneidenden  Instrument 
(Hirschfänger,  Säbel,  iMuthsche  Wurzelschnittmaschine  ^),  Kaisersches  Wurzel- 
schneidemesser ')  durchschneidet.  Im  Verschulungsbeet  angewendet,  unterstützt 
dieses  Verfahren  die  Bildung  von  Ballen  durch  Wurzelverfilzung.  —  h)  W  i  e  d  e  r- 
holung:  Zur  Erziehung  besonders  starker  Pflanzen  (Tannen  für  Kahlschläge, 
Laubholzheister  etc.)  manchmal  zweimaliges  Verschulen  (meist  nach  2 — 3  Jahren 
wiederholt). 

7.  Schutz  und  Pflege  der  Saat-  und  Pflanzbeete.  In  Re- 
vieren mit  W  i  1  d  s  t  a  n  d  ,  auch  gegen  Weidetiere,  müssen  die  Pflanzenerziehungs- 
stätten durch  Einfriedigungen  geschützt  werden.  Die  Art  der  Umfriedigung  ist  insbes. 
durch  die  abzuhaltenden  Tiergattungen  bedingt  (feste  Zäune  gegen  Sauen,  entspre- 
chende Höhe  gegen  Ueberfallen  von  Rotwild,  dicht  am  Boden  gegen  Hasen  und  Ka- 
ninchen usw.).  Unter  Umständen  transportable  Hürden,  a)  Tote  Umzäunun- 
gen: Rollsteine  (gegen  Weidvieh),  Mauern  (zu  teuer);  Planken-,  Pfosten-,  Latten-, 
Stangen-,  Spriegelzäune  (in  verschiedenster  Modifikation) ;  Drahtzäune  (starke  Hori- 
zontaldrähte, event.  an  stehende  Bäume  befestigt;  zwischengeflochtene  dünne  Verti- 
kaldrähte). Gilt  es,  Sauen  abzuhalten,  so  leisten  Spriegelzäune  (Querstangen  mit 
zwischengeflochtenem  starkem  Reisig)  wegen  ihrer  Elastizität  gute  Dienste;  sie  sind, 
zumal  wenn  erste  Durchreiserungen  oder  Durchforstungen  in  der  Nähe  das  Material 
ergeben,  auch  nicht  kostspielig.  Im  übrigen  dürften  sich  transportable,  etwa  3 — 4 
Meter  lange,  1^2  Meter  hohe  Gatter  aus  Fichtengestänge  mit  aufgespanntem  Geflecht 
aus  verzinktem  Draht  besonders  empfehlen.  Der  Draht  kann,  da  das  entsprechend 
hergestellte  Stangengatter  den  erforderlichen  Halt  verleiht,  dünn  sein.  Das  Geflecht 
braucht,  wenn  im  Winter  hohe  Schneelagen  fehlen,  vom  Boden  an  nicht  über  1  m 
hoch  zu  sein,  um  gegen  Hasen  und  Rehe  zu  schützen.    Solches  Drahtgeflecht  wird 


1)  AUg.  F.-  u.   J.-Z.   1885,   S.   197. 

2)  Das.   1884,   S.   7. 

3)  z.  B.  Schmitt,  ,, Anlage  und  Pflege  der  Fichtenptlanzschulen"  1875,  sowie  Fisch- 
bach  in  Allg.  F.-  u.  J.-Z.  1867,  S.  85. 

4)  Zentralbl.  f.  d.  ges.  Forstw.  1886,  S.  230;  1891,  S.  373.  Der  Hackersche  Verschulungs- 
apparat  (cfr.  Oester.  F.-Z.  1891,  S.  207)  arbeitet  gut  und  ist,  teurere  Maschinen  ersetzend,  be- 
sonders warm  zu  empfehlen,  wenn  große  Pflanzenmengen  zu  bewältigen  sind,  vgl.  Forstw.  Zbl. 
1903,  233;    1904,   463. 

5)  Zeitschr.  f.  Forst-  u.  Jagdwesen  von  Danckelmann  1885,  S.  25. 

6)  Bernstein,  Das  Muthsche  Pflanzenzucht-  und  Kulturverfahren.  Forstw.  Zbl. 
1906,  18;  Fürst,  Der  Muthsche  Wurzelverschnitt,  ebend.   1899,  227.  — 

7)  S  i  n  z  ,    das  Kaisersche  Wurzelsehneidemesser.    .'Mlg.  F-.  u.  J.-Z.  1906,  356. 

Handb.  d.  Forstwiss.     3.  Aufl.     II.  9 


130  ^  '•  L  0  r  e  y  ,  Waldbau. 

ZU  16 — 20  Pfg.  pro  laufd.  Bieter  bezogen.  Zur  gleichzeitigen  Sicherung  gegen  Kanin- 
chen muß  das  Geflecht  höher  sein,  da  etwa  "30  cm  in  den  Boden  eingelassen 
werden  müssen.  Sorgfältiges  Autstellen  der  Gatter  auf  den  Boden  und  scharfes  An- 
einanderschließen  ist  Bedingung.  —  b)  Lebende  Hecken:  U'eißdorn,  Fichte, 
Tanne,  Eibe,  Hornbaum.  Da  die  Anlage  und  Unterhaltung  (Beschneiden  etc.) 
viel  'Sliihe  und  Sorgfalt  erfordert  und  ein  hasendichter  Abschluß  des  Gartens  durch 
eine  Hecke  nicht  erreicht  wird,  wendet  man  besser  eine  tote  Umfriedigung  an.  — 
c)  G  r  ä  b  e  n  in  Verbindung  mit  den  Schutzmitteln  unter  a  und  b  bewirken  eine  noch 
weitergehende  Sicherung,  bes.  gegen  das  Ueberfallen  von  Wild.  —  d)  K  o  s  t  e  n  nach 
Material,  Arbeitsaufwand  sehr  verschieden  in  Hinsicht  auf  erste  Anlage  und  Unter- 
haltung i).  —  Weitere  Gefahren  drohen  Samen  und  Pflanzen  durch  Trocknis,  Frost, 
Regengüsse,  Unkrautwuchs,  pflanzliche  und  tierische  Parasiten,  Mäuse  und  \'ögel. 
Gegen  Hitze  und  Frost  sowohl  als  gegen  Platzregen  sichert  Bedecken  der  Beete 
mit  Laub,  JMoos,  Sägemehl,  Torfmull,  Brettchen,  gespaltenen  Stangen,  Stroh  (rechtzei- 
tige Entfernung  der  Bedeckung  beim  Keimen),  Bestecken  mit  Zweigen  (abfallende  Na- 
deln manchmal  störend),  Ueberdecken  mit  Schattengittern  verscliiedener  Art.  Gegen 
Trockenheit,  wenn  nötig,  Begießen  (öftere  Wiederholung).  Auch  oberflächliche  Boden- 
lockerung ist  ein  Mittel  gegen  das  Austrocknen,  denn  obwohl  die  schwache,  dabei  los- 
gelöste Oberschichte  stark  trocken  wird,  schützt  sie  doch  die  unterliegende  Boden- 
schicht, welche  feucht  bleibt.  Uebrigens  darf  solches  Behäckeln  nur  nach  einem  durch- 
dringenden Regen  geschehen.  Anwendung  von  senkrecht  stehenden  Schutzschirmen 
gegen  Wind  und  Sonne.  Gegen  Vögel  dienen  die  Schutzgitter  (zugleich  Schatten- 
gitter), gegen  Mäuse  das  Vergiften  etc.  Behandlung  des  Samens  vor  der  Aussaat 
mit  Bleimennige  in  der  Art,  daß  der  angefeuchtete  Samen  mit  trockenem  Mennige- 
pulver überstreut  und  dadurch  mit  einer  Mennigehülle  umgeben  wird,  bietet  weit- 
gehende Sicherung  gegen  Vogel-  und  Mäusefraß.  Häher,  Tauben,  Eichhörnchen  sind 
abzuschießen.  Aushängen  von  Nistkästen  zugunsten  insektenfressender  Vögel. 
Fangen  der  Maulwurfsgrillen  (cfr.  hierüber  Forstschutz,  2.  Bd.,  VH.  des  Hand- 
buchs). Ausjäten  des  Unkrautes,  je  nach  Bedarf  mehrmals  jährlich.  Pflege  der 
Pflanzen  durch  Andrücken  vom  Frost  gehobener  Pflänzlinge,  durch  Bodenlocke- 
rung, Anhäufeln  der  Erde  nach  den  Riefen  zu.  In  ganz  hervorragender  ^^'eise 
bewährt  sich  nach  Cieslar  (Zbl.  f.  d.  ges.  Forstw.  1893,  24)  Moosdeckung. 
Sie  erscheint  als  Universalmittel  gegen  Austrocknung,  Unkrautwuchs,  Bodenver- 
dichtung und  Auffrieren.  Durchrupfen  oder  Durchschneiden  zu  dichter  Saaten, 
Zwischendüngung.  Pflege  einzelner  Pflanzen,  namentlich  bei  der  Laubholzer- 
ziehung durch  Beschneiden  (Entfernung  von  Doppelgipfeln,  Zweigen,  Ausbrechen 
von  Knospen  etc.), 

8.  K  o  s  t  e  n  2).  Alle  Forstgärten  stellen  durch  Anlage  und  Unterhaltung  eine 
mehr  oder  minder  starke  Belastung  des  Kulturfonds  dar.  Die  Ausgaben  sind  auf  das 
notwendige  Maß  zu  beschränken,  jede  Spielerei  ist  zu  vermeiden.  Auf  zweckmäßiges 
Ineinandergreifen  der  Einzelarbeiten  ist  namentlich  Wert  zu  legen.   Teuer  ist  insbes. 

1)  Drahtzäune,  inkl.  Pfostenmaterial  etc.,  zum  Schutz  gegen  Hasen  und  Rehwild  kaum 
unter  0,80 — 1,00  Mk.  pro  lfd.  Meter;  bei  Befestigung  an  lebende  Bäume  ca.  0,50  Mk.  ^■erbindung 
der  Pfosten  oben  und  unten  durch  je  eine  Stange  gibt  ein  besonders  festes  Gefüge  beim  Durchflech- 
ten dünner  Vertikadrähte.  —  Bei  Anwendung  der  oben  erwähnten  Slangengatter  mit  aufgespann- 
tem Dralitgeflecht  kommt  es  bezüglich  der  Kosten  hauptsächlich  darauf  an,  ob  der  Wald  das 
Stangenmaterial  (aus  Fiehtendurchforstungen)  in  genügender  Menge  und  in  der  Nähe  des  Gar- 
tens liefert,  cfr.  Mitteilungen  der  Württ.  \  ersuchsslation,  .\llg.  F.-  und  J.-Z.  1897,  S.  104;  ferner: 
Dr.  Grieb  daselbst  S.  74  (enth.  Zusanmienstellung  der  Kosten  verschiedener  Umfriedigungen). 
—  S  c  h  u  h  m  a  c  h  e  r,    Wildgatter  2.  .Aufl.  1898. 

2)  Vergl.  Thar.  Jhrb.  1893,  110.  —  Forstw.  Zbl.  1894,  140.  — 


Die  Beslandesbegründung.     §  62.  131 

das  Verschulen  (Zeit-  und  Raumerfordeinis!).  Unter  Umständen  Verschulen  von 
Schlagpflanzen  auf  kleinen  Stellen  in  oder  bei  den  Schlägen  selbst.  Allgemein  gültige 
Kostensätze  sind  nicht  zu  gewinnen;  Abhängigkeit  derselben  insbes.  von  den  orts- 
üblichen Tagelöhnen.  Angaben  z.  B.  in  F  ü  r  s  t  s  Pflanzenzucht,  im  Forst-  und 
Jagdkalender  usw. 

In  vorstehender  Schilderung  des  Pflanzgartenbetriebs  ist  nur  das  Notwendigste 
enthalten  und  auch  das  großenteils  nur  in  Andeutungen.  Gerade  auf  dem  Gebiete 
der  Pflanzenzucht  im  Forstgarten  hat  sich  eine  große  Vielgestaltigkeit  entwickelt  mit 
zahlreicher  Modifikation  der  Durchführung  aller  einzelnen  Arbeiten,  je  nach  Oert- 
lichkeit,  Holzart,  Umfang  der  Anlage  usw.  Eigene  Erfahrung  und  Beobachtung,  zu- 
mal der  exakte  vergleichende  Versuch  führt  fortwährend  zu  größerer  Sicherlieit,  zu 
Verbesserungen,  Kostenersparnis,  also  allgemein  zu  gesteigertem  Erfolg,  namentlich 
auch  im  Punkte  der  Rentabilität.  Dabei  sollten  aber  die  Erfahrungen,  die  anderwärts 
gemacht  sind,  sorgfältig  beachtet  und  in  ausgiebigster  Weise  benutzt  werden,  damit 
nicht  Regeln,  die  sich  unter  bestimmten  \'erhältnissen  bewährt  haben,  erst  wieder 
von  Neuem  und  vielleicht  erst  nach  mancherlei  Mißerfolgen  gefunden  werden  müssen. 
Auf  das  mehrfach  erwähnte  Werk  von  Fürst  (Die  Pflanzenzucht  im  Walde)  als  auf 
einen  guten  Führer,  dann  auf  die  Resultate  des  Forstgartenbetriebs  der  schweizeri- 
schen Versuchsanstalt  (Mitteilungen  der  Schweiz.  Zentralanstalt  I,  1,2,  3,  sowie  II, 
1  u.  2),  ferner  auf  die  Mitteilungen  Weise  s  ,, Erfahrungen  und  Beobachtungen  aus 
dem  Forstgartenbetrieb"  (zu  Karlsruhe)  in  Mündener  Forstliche  Hefte  II,  S.  1,  sowie 
auf  die  Mitteilungen  der  württembg.  Versuchsstation  (Allg.  Forst-  u.  J.-Z.  1897, 
S.  104,  woselbst  auf  die  früheren  Mitt.  hingewiesen  ist)  sei  u.  a.  nochmals  besonders 
aufmerksam  gemacht.  Sehr  wertvoll  ist  auch  die  Abhandlung  von  G  a  r  e  i  s ,  Aus  dem 
Pflanzgartenbetrieb  im  kgl.  bayr.  Forstamt  Anzing.   Forstw.  Zbl.  1903,  S.  233. 

Auch  soll  an  dieser  Stelle  der  Spitzenbergschen  Kulturgeräte  gedacht  werden, 
von  welchen  sich  nicht  wenige  gerade  beim  Forstgartenbetrieb  mit  Vorteil  verwenden 
lassen  ^).  Sie  dienen,  wie  z.  B.  der  Wühlspaten  und  der  Wühlrechen,  zur  Bodenlocke- 
rung, andere  (Gitterwalze  und  Saatbedecker)  in  großer  Zahl  dem  Saatgeschäft  (zur 
Anfertigung  aller  Arten  von  Rillen,  zum  Decken  des  Samens  usw.),  wieder  andere 
sind  als  Pflanz-Geräte  konstruiert,  wie  z.  B.  die  Pflanzspaltschneider,  Pflanzholz 
mit  und  ohne  Wühlspitze,  Pflanzenlade. 

D.  Pflanzenbeschaffung  bei  den  einzelnen  Holzarten. 
§  62.  Die  bezüglich  der  Pflanzenbeschatfung  hier  folgenden  .Angaben  deuten, 
ohne  entfernt  erschöpfend  sein  zu  wollen,  nur  einige  der  Fälle  an,  welche  in  der  Praxis 
häufig  vorkommen.  l.Laubhölzer.  a)  Buche:  Erziehung  im  Saatbeet  selten, 
meist  Ver\vendung  von  Schlagpflanzen  aus  natürlichen  ^'e^jüngungen.  Empfehlens- 
wert Ansaat  unter  Kiefernschutzbestand ;  2 — 3jährig  unverschult  zur  Kultur,  bes. 
zum  Unterbau.  —  b)  Eiche:  Aussaat  im  Saatkamp,  1 — ^2jährig  verschult,  3 — 4jäh- 
rig  zur  Kultur.  Zur  Heistererziehung  nochmals  verschult  und  ca.  Gjährig  verwendet. 
—  c)  Edelkastanie.  .Juglans- Arten:  Aussaat  im  Saatkamp,  zur  Kultur 
als  1— 2jährige  Loden.  —  d)  E  s  c  h  e  ,   Ahorn,    E  r  1  e  ^) :  Aussaat  im  Saatkamp, 


1)  Spitzenberg,  Die  Spitzenbergschen  Kulturgeräte,  deren  Wesen,  Zweck  u.  wirtschaft- 
liche Bedeutung  usw.  2.  Aufl.  Berlin  1898.  —  Schwappach,  Die  Spitzenbergschen  Kullur- 
geräte  für  den  Forstgartenbetrieb.  Ztschr.  f.  Forst-  u.  Jagdw.  1902,  176.  Man  vergl.  auch  ,,Aus 
dem  Walde"   1897,   S.  345,  sowie  .Möller,  Ztschr.  f.  Forst-  u.   Jagdw.  1900,   S.  443. 

2)  Erlenaussaat  noch  im  Herbst  hat  sich  oft  bewährt:  Festschlagen  des  Bodens,  früh- 
zeitiges Bedecken  mit  Reisig  im  Frühjahr.  Erlensaatbeete  sind  bei  Frühjahrssaat  feucht  zu  halten, 
z.  B.  durch  .\uflegen  von  Moos,  Begießen  usw.  Der  Erlensamen  wird  am  besten  breitwürfig 
ausgestreut,  nur  leicht  mit  Erde  gemischt  (nicht  bedeckt).  —  Bei  Esche  und  Ahorn  ist  wegen  der 

9* 


132  ^ '•  Lorey,  Waldbau. 

1 — 2jährig  verschult,  3 — 4jährig  zur  Kultur  (Erle,  Ahorn  event.  als  Stummelpflan- 
zen). —  Ulme:  Dichte  Saat  im  Sommer  auf  frischen,  etwas  angewalzten  Beeten, 
schwache  Erdbedeckung,  dann  nochmals  etwas  anwalzen;  einmalige  Verschulung  im 
Frülijahr,  Auspflanzen  der  3jähr.  Pflanzen.  —  e)  Akazie:  Aussaat  im  Saatbeet 
(weit  säen),  zur  Kultur  als  1-  oder  2jährige  Lode.  —  2.  Nadelhölzer:  a)  Tanne: 
Schlagpflanzen,  neuerdings  auch  vielfach  Ansaat  im  Saatbeet,  in  der  Regel  2 — Bjährig 
verschult,  5jährig  zur  Kultur.  —  b)  F  i  c  h  t  e:  Ansaat  im  Saatbeet,  von  hier  2 — Sjähr. 
ausgepflanzt  oder  1 — 2j ährig  verschult,  dann  3 — 4jährig,  in  den  höheren  Lagen  auch 
5 — Gjährig  zur  Kultur.  Hin  und  wieder  auch  Material  aus  Saaten  und  natürlichen 
Verjüngungen,  dann  oft  mit  Ballen  versetzt.  —  c)  Kiefer:  Aussaat  im  Saatbeet, 
1-,  2-,  Sjährig  zur  Kultur  (im  letzteren  Falle  nach  vorheriger  Verschulung).  Schlag- 
pflanzen nur  ausnahmsweise.  —  d)  S  c  h  w  a  r  z  k  i  e  f  e  r  ,  Weymouthskie- 
fer, Lärche:  Aussaat  im  Saatbeet,  1 — 2jährig  verschult,  3 — 4jährig  zur  Kultur. 
—  e)  Zirbelkiefer:  Keimung  in  besonderen  Kästen  zum  Schutz  gegen  Tierfraß, 
dann  Verschulen  (cfr.  Förster:  Zentralbl.  f.  d.  gesamte  Forstwesen  1888,  65). 

E. Ausheben,  Beschneiden,  Transport,  Aufbewahren 
der    Pflanzen. 

§  63.    Was  im  Forstgarten  gilt,  ist  für  den  großen  Kulturbetrieb  zu  beachten. 

1.  Ausheben:  Die  Wurzeln  sollen  so  wenig  wie  möglich  verletzt  werden,  deshalb 
Umstechen  in  derjenigen  Entfernung  vom  Wurzelstock,  welche  der  Entwickelung  der 
Pflanze  entspricht,  a)  B  a  1 1  e  n  p  f  1  a  n  z  e  n:  Bewahrung  des  Ballens  in  gewünsch- 
ter Form  und  Größe.  Instrumente  zum  Ausheben  von  Ballenpflanzen  sind  außer 
dem  gewöhnlichen  Spaten  verschiedene  Hohlspaten,  der  Hohlbohrer  von  Karl  Heyer  '), 
Kegelbohrer  von  Eduard  Heyer  -),  Scherenbohrer  von  Mühlmann,  Barths  Pflanz- 
schnabel ^),  Jansas  *)  Patent-Hohlbohrer  u.  a.  m.  Bei  zu  steinigem  oder  zu  lockerem 
Boden  lassen  sich  haltbare  Ballen  nicht  stechen.  In  solchem  Falle  können  für  besonders 
schwierige  Kulturverhältnisse,  für  welche  bestes  Pflanzenmaterial  erwünscht  ist, 
durch  Verschulen  Ijähriger  Saatpflanzen  in  Ton-  oder  (nach  Forstmeister  Reuter) 
asphaltierte  Papiertöpfe  künstliche  Ballenpflanzen  erzogen  werden.  —  b)  Ballen- 
lose Pflanzen:  Ausziehen  (Ausrupfen)  ist  durchaus  zu  verwerfen,  da  selbst  auf 
lockeren  Böden  Wurzelzerreißungen  hierbei  unvermeidlich  sind.  Das  Ausheben  hat 
mit  der  Hacke  (auf  steinigen  Böden),  am  besten  mit  dem  Spaten  zu  geschehen.  Klei- 
nere, im  Saatbeet  in  Rillen  stehende  Pflanzen  werden  in  der  Weise  ausgehoben,  daß 
sie  durch  Einstechen  des  Spatens  auf  einer  Seite  der  Rille  in  einen  vorher  auf  der 
anderen  Rillenseite  gezogenen  Graben  umgelegt  werden.  Die  an  den  Wurzeln  an- 
haftende Erde  ist  vorsichtig  durch  Schütteln,  behutsames  Aufklopfen  des  Erdballens 
oder  mit  der  Hand,  eventuell  auch  durch  Abspülen  im  Wasser  zu  entfernen.   — 

2.  B  e  s  c  h  n  e  i  d  e  n.  a)  des  Wurzelteils:  beschränkt  sich  auf  glattes  Weg- 
nehmen (mit  Messer,  Schere,  Beil)  beschädigter  Teile  der  Seitenwurzeln  und  Pfahl- 
wurzel; letztere  ist  zwar  oft  (z.  B.  bei  Juglans-Arten!)  ein  Hindernis  für  die 
Pflanzung,    es  ist  aber  fraglich,    ob  ihre  Verkürzung   in  allen  bezüglichen   Fällen 


gegenständigen  Knospen  darauf  zu  achten,  daß  bei  der  häufig  vorkommenden  Beschädigung 
der  Mittellinospe  od.  des  Gipfellriebes  durch  Spätfrost  od.  andere  Ursachen  keine  Doppelgipfel 
entstehen:  event.   rechtzeitiges  Entfernen  des  schwächeren  Triebes. 

1)  V.  W  e  d  e  k  i  n  d  ,    ,,Neue  Jahrbücher  der  Forstkunde",  Heft  1. 

2)  Tharander  Jahrbuch  von  1873,  23.  Bd.,  S.  61  ff.  und  AUg.  F.- u.  J.-Z.  von  1878,   S.  39, 
sowie  Heß:  A.  F.-  u.  J.-Z.  1898,  179;  Tiemann:  A.  F.-  u.  J.-Z.  1900,  144. 

3)  Vergl.  Cieslar:  Zeitschr.  f.  d.  ges.  Forstw.  1891,  48. 

4)  Prakt.  Neuheiten  f.  d.  forstl.  Kulturbetrieb.  \'erhdlgn.  d.  Forstw.  von  Mähren  u.  Schlesien 
1908.     S.   43. 


Die  Bestandesbegründung.     §  64.  J33 

angeraten  werden  darf  i).  —  b)  des  Kronen  teils:  Bei  stärkerem  Wurzel- 
verlust ist  (nur  bei  Laubhölzern  und  Larciie)  entsprechendes  Einstutzen  der  Krone 
zweckmäßig;  letzteres  auch  zur  Erzielung  guter  Kronenform  ^)  (Hochstämme).  Ab- 
werfen des  ganzen  Schaftes,  Stummelpflanzen,  z.  B.  bei  der  Eiche,  Erle  usw.  (meist 
am  besten  hart  über  dem  Wurzelknoten).  Vgl.  das  oben  S.  119  hierüber  Gesagte.  — 
3.  Transport:  In  Körben,  in  der  Spitzenbergschen  oder  in  der  Bromberger 
(Hollwegschen)  Pflanzenlade  oder  auf  Karren  und  Wagen,  je  nach  Entfernung  und 
Pflanzenmenge.  Ballenpflanzen  werden  am  besten  auf  Tragbahren  oder  in  Körben 
getragen,  weil  bei  Wagentransport  die  Ballen  infolge  der  Erschütterung  leiden.  Die 
Pflanzen  sind  dabei  sorgfältigst  vor  Austrocknung  zu  behüten:  Schlämmen  der 
Wurzeln,  Einschlagen  in  feuchtes  Moos,  Bedecken  mit  einem  Tuch  etc.  —  4.  Au  f- 
bewahren:  Kann  das  Einpflanzen  nicht  alsbald  erfolgen,  so  ist  wiederum  sorg- 
samste Bewahrung  der  Saugvvurzeln,  sowie  Vermeidung  starker  Verdunstung  nötig. 
Zu  dem  Ende  Einschlagen  der  Pflanzen  an  feuchtem,  schattigem  Ort  in  lockere  Erde  ^). 

HI.   Herrichtung  der  Kulturfläche. 

§  64.  Eine  eigentliche  Bearbeitung  des  Bodens  für  den  unmittelbaren  Kultur- 
zweck, wie  nicht  selten  vor  einer  Saat,  findet  im  allgemeinen  nicht  statt,  es  sei  denn, 
daß  eine  der  im  3.  Kapitel,  erster  Teil  geschilderten  Urbarmachungsarbeiten  ausge- 
führt werden  muß.  Etwaige  Bodenbehandlung  des  Waldfeldbaubetriebs  kommt  an 
dieser  Stelle  nicht  in  Betracht.  Die  Pflanzlöcher  werden  in  der  Regel  kurz  vor  dem 
Einsetzen  der  Pflanzen  angefertigt.  Nur  ausnahmsweise,  auf  schweren  bindigen, 
nassen  Böden  (Tonboden)  oder  vor  dem  Einsetzen  älterer,  wertvoller  Heister  kann 
es  zweckmäßig  sein,  die  Pflanzlöcher  schon  im  Herbst  anzufertigen,  um  den  Winter- 
frost auf  die  gelockerte  Erde  einwirken  zu  lassen.  Die  zum  Anschütten  von  Hügeln 
bei  Obenaufpflanzungen  oder  zur  Ausfüllung  der  mit  Pflanzeisen,  Hohlspaten  usw. 
hergestellten  Pflanzlöcher  benötigte  Kulturerde  (Füllerde)  wird  meist  schon  im  Herbst 
vor  der  Kultur  auf  der  zu  kultivierenden  Flächen  durch  Zusammenharken  der  oberen 


1)  G  a  y  e  r  (Waldbau  4.  Aufl.  S.  365)  spricht  sich  für  möglichste  Beschränkung  des  Beschnei- 
dens  aus.  Hauptsächlich  bei  stärkeren  Pflanzen  ist  Wurzelverschnitl  oft  nötig,  bei  schwächeren 
zu  vermeiden.  Manche  (z.  B.  Schütz)  wollen  eine  lange  Pfahlwurzel  lieber  zu  einem  Knoten 
schürzen.  Nach  den  von  Borggreve  (forsll.  Blätter  1878,  S.  306)  u.  Heß  (Forstw.  Zbl. 
1882,  S.  385)  hierüber  angestellten  Versuchen  haben  Eichen  mit  geknoteten  Pflahlwurzeln  keine 
wesentlichen  Störungen  im  \A'achstum  gegenüber  Eichen  mit  eingestutzten  Wurzeln  gezeigt. 
Erwähnung  verdienen  hier  auch  die  von  L  a  u  r  o  p  u.  a.  durchgeführten  Versuche,  das  Versetzen 
von  Pfahhvurzelholzarten  dadurch  zu  erleichtern,  daß  die  Pfahlwurzeln  im  Saatbeet  bei  den  noch 
jungen  Pflanzen  durch  Einstechen  mit  scharfem  Spaten  von  der  Seite  her  abgestoßen  werden. 
Denselben  Gedanken,  nur  auf  die  Seitenwurzeln  übertragen,  verfolgen  die  oben  (S.  129)  genannten 
Verfahren  von  M  u  t  h   u.    Kaiser. 

2)  Vergl.  Geyer,   Erzieliung  der  Eiche  zum  Hochstaram,    1870. 

3)  Das  .\usheben  und  Einschlagen  in  dünne  Schichten  empfiehlt  sich  nach  B  ü  hier  (Prakt. 
Forstwirt  für  die  Schweiz,  1885,  Sept. — Okt.)  auch  zum  Zurückhalten  der  Vegetation  im  Früh- 
jahr, gegenüber  von  Kulturverzögerungen  (durch  die  Witterung,  \'erwendung  von  Pflanzen 
aus  der  Ebene  ins  Gebirg  usw.).  Bedecken  der  Beete  mit  Reisig  erwies  sich  nicht  als  zweckent- 
sprechend. Ferner:  Bühler  (Schwz.  Zeitschr.  1893,  123) :  Nadelhölzer  haben  mehr  .\bgang  als  Laub- 
hölzer, 3-  und  mehrjährige  Nadelhölzer  sind  weniger  empfindlich  als  1-  und  2jährige;  bei  niedri- 
ger Frühjahrstemperatur  kann  das  Einschlagen  bis  zu  2  Monaten  ausgedehnt  werden.  —  .Aus- 
heben im  Herbst  und  Einschlagen  über  \\'inter  ist  bei  sorgfältiger  Behandlung  ohne  Bedenken 
(cfr.  Tübinger  Versuchsgarten).  Das  Einschlagen  der  Pflanzen  in  Büscheln  ist  zu  vermeiden, 
vielmehr  reihenweise  .\nordnung  derselben.  —  Event.  Zurückhalten  der  Vegetation  bei  den 
für  die  Frühjahrskultur  vorgesehenen  Pflanzen  durch  Lagerung  (nach  dem  .\usheben)  auf  Schnee 
in  sog.  Schneegruben,  das  sind  mit  festgestampftem  Schnee  ausgefüllte  1,5  m  tiefe  Löcher,  in  welche 
die  Pflanzen  abwechselnd  mit  Reisigschichten  eingelegt  werden.  Die  Wurzeln  werden  einige  cm 
hoch  mit  frischer  Erde  eingebettet  und  das  Ganze  durch  ein  verstellbares  schräges  Reisigdach 
überdeckt,    (cfr.  u.  a.  Kozesnik,  Zeitschr.  f.  d.  ges.  Forstw.  1894,  59.) 


134  VI.  L  o  r  e  y  ,  Waldbau. 

fruchtbaren  Bodenscliicht  gewonnen  und  in  entsprechender  Verteilung  auf  der  Kultur- 
fläche in  Haufen  oder  Hügeln  zusammengesetzt.  Mit  diesen  Arbeiten  kann  im  Herbst 
eine  Düngung  mit  langsam  \«rkenden  Mineraldüngern  (Thomasmehl,  Kainit,  kohlen- 
saurer Kalk,  Mergel)  verbunden  werden.  Vergl.  hierzu  4.  Abschnitt  unter  ,, Boden- 
pflege". Unebenheiten,  Steine,  Felsen,  Stöcke  usw.  beeinträchtigen  zwar  vielfach 
einen  regelmäßigen  Verband,  sind  aber  kein  Hindernis  der  Pflanzkultur  an  sich  und 
verbleiben  zumeist  an  ihrer  Stelle,  sofern  nicht  auf  die  Nutzbarmachung  des  Stock- 
holzes Wert  gelegt  wird.  Zu  üppiges  Unkraut,  unbrauchbare  Vorwüchse,  nicht  ge- 
wünschte Oberständer  sind  zu  entfernen.  Beim  Uebergang  von  Mittelwald  zum 
Hochwald  oder  allgemein  bei  Holzartenwechsel,  zumal  beim  Uebergang  von  Laub- 
holz zum  Nadelholz,  können  die  oft  massenhaft  erscheinenden  Stock-  und  Wurzelloden 
für  die  junge  Kultur  sehr  lästig  werden  und  einen  mehrjährigen  harten  Kampf  be- 
dingen. Vorheriges  Entfernen  der  Stöcke  und  \A'urzeln  kann  sich  deshalb  empfehlen. 
Uebrigens  ist  nicht  zu  übersehen,  daß  jene  Ausschläge  unter  Umständen  als  Schutz- 
und  Treibholz  von  Wert  sein  können. 

IV.   Vollzug  der  Pflanzung. 

§  65.  A.  Pflanzzeit:  Man  unterscheidet  Frühjahrs-  imd  Herbstpflanzung. 
Bedingend  für  die  Wahl  der  einen  oder  anderen  Pflanzzeit  ist  die  Sicherheit  des  Er- 
folges und  diese  hängt  von  Standort,  Holzart,  Beschaffenheit  der  Pflanzen,  Witterungs- 
verhältnissen usw.  ab.  Hier  und  da  sprechen  auch  die  Arbeitei-verhältnisse  und  son- 
stige äußere,  den  Kostenpunkt  beeinflussende  Momente  mit.  Nach  der  aus  Erfahrung 
hervorgegangenen  Gepflogenheit  des  praktischen  Waldbaues  fällt  die  Hauptpflanz- 
zeit in  das  Frühjahr  und  endet  hier  mit  dem  Austreiben  der  Knospen.  Ausnutzung 
der  Winterfeuchtigkeit,  Vermeidung  von  Pflanzenverlusten  durch  Ausfrieren  und  Er- 
frieren oder  Umdrucken  durch  Schnee,  namentlich  aber  Ausnutzung  des  im  Früh- 
sommer besonders  lebhaften  Wurzelwachstums  rechtfertigen  die  Bevorzugung  der 
Frühjahrspflanzung  gegenüber  der  Herbstpflanzung,  namentlich  insoweit  Nadelholz- 
kulturen in  Frage  kommen.  Höhenlage  der  Kulturfläche,  Jahreswitterung  und  Kul- 
turmethode sind  bei  der  engeren  Umgrenzung  der  Pflanzzeit  auf  frühere  oder  spätere 
Zeitperioden  im  Frühjahr  maßgebend.  Kann  die  Kulturarbeit  infolge  zu  großen  Um- 
fanges  im  Frühjahr  nicht  bewältigt  werden,  ist  die  Kulturfläche  im  Frühjahr  zu  feucht, 
die  Witterung  zu  trocken  oder  die  Vegetation  zu  rasch  vorgeschritten,  so  nimmt  man 
den  Herbst  zu  Hilfe,  am  besten  die  Zeit  von  Mitte  September  bis  Ende  Oktober. 
Laubhölzer  eignen  sich  zur  Herbstpflanzung  besser  als  Nadelhölzer,  weil  ihre  Wur- 
zeln im  Herbst  kräftiger  und  nachhaltiger  wachsen  als  die  der  Nadelhölzer  ^).  Laub- 
hölzer sind  namentlich  dann  von  der  Frühjahrspflanzung  auszuschließen,  wenn  sie 
bereits  angetrieben  haben.  Ebenso  ist  Lärche  gegen  Verpflanzung  im  angetriebenen 
Zustande  sehr  empfindlich.  Die  übrigen  Nadelhölzer,  insbes.  Fichte  und  Schwarz- 
kiefer, lassen  sich  mit  mehr  Erfolg  im  Frühjahr  nach  Beginn  der  Vegetation  verpflan- 
zen. Es  empfiehlt  sich  aber  auch  bei  ihnen,  bei  späterer  Kulturzeit  die  Entwickelung 
der  Knospen  durch  Ausheben  der  Pflanzen  und  Einschlagen  an  schattigem,  kühlen 
Orte  zurückzuhalten.  Ballenpflanzung  gestattet  Außerachtlassung  des  Vegetations- 
zustandes umsomehr,  je  kleiner  die  Pflanzen  und  je  größer  der  Ballen  ist. 

B.   Herstellung  geregelter  Pflanz  verbände. 

Die  Herstellung  geregelter  Verbände  erfolgt  mit  Hilfe  der  aus  starkem  Hanf  ge- 
fertigten oder  aus  schwächeren   Drähten  zusammengedrehten   Pflanz-  und   Richt- 

1)  Vergl.  Engler,  Untersuchungen  üb.  d.  Wurzelwachstum  dei-  Holzarten.  Mltlgn. 
d.  Schweiz.  Zentralanstalt  f.  d.  forstl.  \'ersuchsw.  \U.  1903,  S.  247. 


Die  Bestandesbegründung.     §  65.  135 

schnüren  oder  aucli  mit  Hilfe  von  Pflanzketten.  Dem  gewählten  Pflanzen-  bezw. 
Reihenabstand  entsprechend  werden  die  Schnuren  und  Ketten  mit  Zeichen  oder 
Marken  versehen  (Barsche  Ptlanzkette  mit  verstellbaren  Markierungen,  Forstw.  Zbl. 
1897,  S.  651).  Nach  diesen  Zeichen  werden  an  den  straff  ausgespannten,  mit  End- 
pflöcken in  den  Boden  befestigten  Schnuren  oder  Ketten  die  Pflanzstellen  auf  der 
Kulturfläche  durch  Einhiebe  mit  der  Hacke  oder  durch  Einstecken  von  Holzstäbchen 
vorgezeichnet.  Bei  größeren  Kulturflächen  kann  die  Zuhilfenahme  einfacher  Instru- 
mente zum  Abstecken  rechter  Winkel  (W'inkelspiegel,  Kreuzscheibe,  Winkelprisma) 
angezeigt  sein,  um  regelmäßige  Kulturen  fertig  zu  bringen.  Peinliche  Genauigkeit 
ist  aber  auch  hier  Spielerei  und  kein  Haupterfordernis  guter  Kulturen. 

C.  P  f  1  a  n  z  e  n  m  e  n  g  e  und  Pflanzweite. 

Die  zur  Bepflanzung  einer  Fläche  notwendige  Pflanzenmenge  hängt  von  der 
Größe  der  Kulturfläche,  von  der  ^'erbandsa^t,  sowie  von  der  Pflanzweite  ab  und  ist 
gleich  dem  Quotienten  Fläche:  Standraum  der  Einzelpflanze.  Bei  gegebener  Kultur- 
fläche F  stellt  sich  die  Pflanzenzahl  Z  bei  Reihenpflanzung  (Abstand  der  Reihen  =  a, 

F 
Pflanzenabstand  in  den  Reihen  =  b)  auf  Z  =  — r-;  bei  Ouadratpflanzung  (Pflanzen- 

F 
abstand  =  a)  auf  Z  =  — ^ ;  bei  Dreieckspflanzung  (Pflanzenabstand  =  a)  auf  Z  = 

F  F 

„  ^„„ — 5  =  —j.  1,155  und  beim  Fünfverband  (Pflanzabstand  =  a),  der  nichts  ande- 
0.866.  a2       a-     '  ^  ' 

res  darstellt  als  einen  auf  der  Kulturfläche  zweimal  durchgeführten  Ouadratverband, 

F 
Z  =  2  ^.    Bei  gleicher  Fläche  und  gleichem  Verband  bestimmt  somit  die  Pflanz- 

weite,  d.  h.  der  Pflanzen-  bezw.  Reihenabstand  die  Pflanzenzahl  und  damit  die  Be- 
standsdichte. Ueber  die  zweckmäßigste  Pflanzenweite  hat  von  jeher  ein  lebhafter 
Meinungsaustausch  stattgefunden  und  noch  heut  ereifern  sich  die  Gemüter,  wenn  die 
,, Verbandsweite"  auf  der  Tagesordnung  von  Forstvereinsverhandlungen  steht.  Schon 
daraus,  daß  endlose  Zeitschriften-  und  A'ereinsdebatten  über  die  beste  Pflanzweite 
nicht  ins  Reine  kommen  konnten,  geht  mit  Sicherheit  hervor,  daß  es  für  die  Pflanz- 
weite keine  allgemeine  Regel  gibt.  Holzart,  Alter  und  Stärke  der  Pflanzen,  Standort, 
Schutzbedürfnis  des  Bodens  und  schließlich  auch  der  von  den  ökonomischen  Verhält- 
nissen einer  Gegend  oder  eines  Landes  wesentlich  abhängige  wirtschaftliche  Zweck 
der  zu  begründenden  Bestände  bedingen  hier  engere  und  lassen  dort  weitere  Pflanzung 
zu.  Auf  guten  und  besten  Böden  \\ird  in  neuerer  Zeit  die  weitständige  Pflanzung 
ihrer  größeren  Zuwachsleistungen  halber  mehr  empfohlen  als  die  engere.  Letztere 
ist  aber  auf  armen,  trockenen  oder  unkrautwüchsigen,  kurz  auf  Böden,  die  eine  schnel- 
lere Deckung  brauchen,  in  heißen,  steileren  Lagen,  bei  langsam  wachsenden,  kleinen 
Pflanzen  und  ganz  besonders  bei  solchen  Holzarten  durchaus  richtig,  die  auf  einen 
größeren  Standraum  mit  Sperrwüchsigkeit  und  Aestigkeit  quittieren.  .Je  energischer 
eine  Holzart  in  die  Aeste  geht,  sobald  sie  Raum  hat,  um  so  enger  muß  sie  gepflanzt 
werden,  sofern  Nutzholzerziehung  der  Zweck  der  Wirtschaft  ist.  Wächst  die  Holzart 
auch  im  Freistande  geradschaftig,  so  steht  ihrer  Auspflanzung  im  weiteren  ^'erbande 
nichts  entgegen,  wenn  auf  einen  schnelleren  Schluß  der  Kultur  verzichtet  und  eine  etwas 
gesteigerte  Aestigkeit  mit  in  Kauf  genommen  wird.  Fichte,  Tanne  und  Lärche  gestatten 
weiteren  \'erband  und  zeigen  dann  nach  den  Erfahrungen  der  zahlreichen  Kultur- 
versuchsflächen 1)  gegenüber  den  engen  Verbänden  wesentliche  Mehrleistungen  in 


1)  Vergl.  Kunze,   Ueb.  d.  Einfluß  der  Anbaumethode  auf  d.  Ertrag  der  Fichte.   Th.  Jhrb. 
Bd.  39,  45,  52,  57.   Der  s.,  Ueb.  d.  Einfluß  der  Anbaumethode  auf  den  Ertrag  der  gemeinen  Kiefer. 


136  ^''-  L  0  r  e  y  ,  Waldbau. 

Höhen-  und  Massenzuwachs  und  naturgemäß  auch  erhebhch  geringere  Kulturkosten. 
Kiefer  hingegen  und  die  Laubliölzer,  unter  letzteren  namenUich  Buche  und  Eiche, 
erfordern  engen  Verband,  wenn  sonst  sie  zu  tauglichen  Schäften  heranwachsen  sol- 
len. Der  engere  Verband  hat  weiterhin  den  für  alle  Holzarten  geltenden  Vorzug,  daß 
die  Mehrheit  der  auf  der  Fläche  stehenden  Pflanzen  dem  Wirtschafter  bei  der  spä- 
teren Bestandspflege  zwar  größere  Arbeit  macht,  ihn  aber  auch  mehr  in  den  Stand 
setzt,  nur  hoffnungs-  und  zukunftsreiches  Material  zu  pflegen.  Auch  der  Holzmarkt 
spricht  bei  der  Frage  der  engen  oder  weiten  Verbände  mit,  insofern  die  von  industrie- 
reichen Gegenden  geforderte  Erziehung  schwacher  Sortimente  auf  engere  Pflanzung 
hinweist,  während  unter  Voraussetzung  günstiger  Standortsverhältnisse  die  weit- 
ständige Pflanzung  dort  am  Platze  ist,  wo  die  Rentabilität  der  Wirtschaft  nur  durch 
Angebot  starker  Hölzer  gehoben  werden  kann.  Die  durchschnitthch  vorteilhaften 
Pflanzweiten  liegen  zwischen  1  bis  1,5  m.  Man  kann  sie  mittlere  Verbände  nennen, 
wenn  man  die  Pflanzweiten  unter  1  m  als  eng,  die  über  1,5  als  weit  bezeichnet. 

§  66.  D.  Pflanzverfahren.  Man  unterscheidet  Loch-  und  Oben- 
aufpflanzungen. Bei  ersteren  werden  die  Pflanzen  in  auf  irgend  eine  Weise 
angefertigte  Löcher  in  den  Boden,  bei  letzteren  so  in  angeschüttete  Erdhügel,  umge- 
stülpte Rasenplaggen  usw.  eingesetzt,  daß  sie  mit  ihren  Wurzeln  über  dem  gewach- 
senen Boden  stehen.  Zur  Verwendung  kommen  Ballen-  oder  ballenlose  Pflanzen. 
1.  Pflanzung  mit  Ballenpflanzen:  Dieselben  Instrumente,  die  zum 
Ausheben  der  Pflanzen  benutzt  werden  (cfr.  H,  E  dieses  Teiles,  §  63)  dienen  in  der 
Regel  auch  zum  Anfertigen  der  Pflanzlöcher,  welche  in  allen  Fällen  einen  der  Gestalt 
und  Größe  des  Wurzelballens  möglichst  entsprechenden  Raum  darstellen  sollen,  so 
daß  der  Ballen,  nach  leichtem  Druck  mit  der  Hand,  rings  an  der  Lochwandung  fest 
anschließt.  Die  Ballen  werden  mindestens  bis  zu  ihrer  oberen  Grenzfläche  in  den 
Boden  eingesenkt. 

2.  Pflanzung  mit  ballenlosen  Pflanzen.  a)Lochpflan- 
Zungen:  Nach  der  Art  und  Weise,  wie  die  Pflanzlöcher  hergestellt  werden,  unter- 
scheidet man   Hack-  und   Spalt-    oder    Klemrapflanzungen. 

l.  Gewöhnliche  H  a  c  k  p  f  1  a  n  z  u  n  g.  Anfertigung  des  Pflanzloches 
mit  Spaten  oder  Hacke  nach  Entfernung  des  Bodenüberzuges.  Bindige  und  unkraut- 
wüchsige  Böden,  sowie  ältere  Pflanzen  erfordern  größere  Pflanzlöcher.  Die  gelockerte 
Erde  wird  entweder  im  Pflanzloch  gelassen  oder  ganz  oder  teilweise  herausgenom- 
men. Im  letzteren  Falle  wird  sie  oftmals  nach  ihrer  höheren  oder  tieferen  Lage  im 
gewachsenen  Boden  als  gut  oder  weniger  gut  sortiert.  Bei  trockenem  Wetter  ist  Aus- 
heben des  Bodens  nur  dann  zulässig,  wenn  sofort  nach  Anfertigen  des  Pflanzloches 
gepflanzt  wird.  Die  Pflanzen  sollen  in  der  Regel  nach  dem  Einsetzen  so  tief  im  Boden 
stehen,  wie  vor  dem  Ausheben  i),  also  normal  etwa  bis  zur  Grenze  von  Wurzel  und 
Schaftteil.  Sehr  häufig  findet  man  bei  den  Kulturarbeitern  die  Neigung,  die  Pflanzen 
zu  tief  in  den  Boden  zu  setzen.  Alle  Wurzeln  sind  möglichst  in  ihre  natürliche  Lage 
zu  bringen  und  mit  fruchtbarer  Erde  dicht  zu  umgeben.  Ebenso  sind  Stauchung  und 
Aufwärtsbiegung  der  Wurzeln  —  sehr  oft  die  Folge  zu  kleiner  oder  schlecht  gelockerter 
Löcher  —  möglichst  zu  vermeiden.  Zur  Erzielung  natürlicher  Wurzellagerung  ist  die 
Pflanze  in  die  Mitte,  nicht  an  eine  Seite  des  Pflanzloches  zu  setzen.  Empfehlenswert 
ist  das  vielfach  geübte,  durch  v.  Uiblagger  (Forstwiss.  Zbl.  1904,  S.  463  ff.) 


Th.  Jhrb.  IV.  Suppl.-Bd.,  ferner  Bd.  43,  48,  54,  59.   —  S  i  e  f  e  r  t  u.  B  u  r  g  e  r  ,    Die  Kultur- 
versuche auf  d.  Köcherhof  im  Forstbezirk  Eltenheim,  Karlsruhe  1905. 

1)  Ausnahme  z.  B.  hier  und  da  die  Kiefer  im  Sand,  welche  daselbst  zunächst  etwas  tiefer 
eingesenkt  wird,  weil  sich  der  lose  Sand  doch  noch  merklich  setzt. 


Die  Bestandesbegründung.     §  66.  I37 

beschriebene  Verfahren,  in  dem  40 — 60  cm  im  Quadrat  großen  Pflanzloch  einen  Teil 
des  gelockerten  Erdreiches  zu  einem  Hügel  zu  formen,  die  Pflanze  hierauf  zu  stellen, 
ihre  Wurzeln  nach  allen  Seiten  entlang  der  Hügelwand  auszustreichen  und  durch 
Hereinziehen  der  zunächst  aus  dem  Loch  herausgenommenen  Erde  die  Pflanze  fest 
und  so  tief  anzuhäufeln,  \vie  sie  an  ihrem  bisherigen  Standorte  stand.  In  erster  Linie 
eignet  sich  dieses  Verfahren  für  Holzarten  mit  flachstreichenden  Wurzeln  (Fichte); 
Holzarten  mit  Pfahlwurzel  bedürfen  eher  einer  Vertiefung  des  Loches  zur  Aufnahme 
der  Pfahlwurzel.  Auf  sorgfältigsten  Vollzug  der  Pflanzung,  möghchst  unter  Verwen- 
dung von  Pflänzlingen  mit  unverstümmelten  Wurzeln,  ist  streng  zu  halten;  scharfe 
Kontrolle  ist  erforderlich  ').  Bei  der  Pflanzung  stärkerer  Exemplare  (Halbheister, 
Heister)  sind  zwei  Arbeiter  notwendig,  von  denen  der  eine  das  Senkrechthalten  der 
Pflanze,  der  andere  das  Einfüllen  der  Erde  besorgt,  oder  es  empfiehlt  sich  hierbei, 
sofern  ein  Arbeiter  das  Pflanzgeschäft  besorgt,  die  Benutzung  des  R  e  b  m  a  n  n- 
schen  Pflanzen  h  alters,  welcher  die  Pflanze  an  der  gewünschten  Stelle 
und  in  erforderlicher  Höhe  festhält,  so  daß  der  Arbeiter  beide  Hände  zum  Umfüttern 
der  Wurzeln  mit  Erde  frei  hat. 

Zu  den  Hackpflanzungen  sind  auch  jene  Pflanzmetlioden  zu  rechnen,  bei  denen  die 
Herstellung  des  Pflanzloches  durch  ein-  oder  mehrmaliges  Einstoßen,  Drehen  und  Wuchten 
eines  die  Lockerung  und  iMischung  des  Bodens  besorgenden  Werkzeuges  geschieht.  Hierher 
gehört  die  Pflanzung  nach  Biermans:  Fertigen  des  Pflanzloches  mit  dem  Spiralbohrer. 
Einsetzen  besonders  (unter  .\nwendung  von  Rasenasche)  hierfür  erzogener  Pflänzlinge  (2  bis 
äjährig),  ebenfalls  unter  \er\vendung  von  Rasenasche  oder  guter  Kulturerde.  Gut  im  Erfolg 
auf  mittelbindigem,  nicht  verwurzeltem  und  nicht  steinigem  Boden,  aber  nicht  sehr  rasch 
arbeitend.  Besondere  Arbeiter,  welche  die  Löcher  fertigen,  gehen  hier,  wie  auch  meist  bei  der 
gewöhnlichen  Pflanzung,  mit  dem  Bohrer  den  Pflanzern  voraus.  Ferner  gehört  hierher  die  Pflan- 
zung mit  Hilfe  des  Spitzenberg  sehen  Wühlspatens.  Lockerer,  steinfreier  und  nicht 
verwurzelter  Boden  vorausgesetzt,  gewährleistet  der  Wühlspaten  bei  der  vom  Erfinder  vor- 
geschriebenen Handhabung  eine  ganz  vorzügliche  Zerkrümelung  und  Mischung  des  Erdreiches. 

Als  hierher  gehörig  mögen  von  den  zahlreichen  Lochpflanzungsverfahren  noch  genannt 
sein  die  Kulturmethodo  des  Forstmeisters  K  o  z  e  -  n  i  k  -),  die  den  beiden  Haupterfordernissen 
einer  guten  Kulturausführung,  guter  Bodenlockerung  und  normaler  Wurzellagerung,  gebührend 
Rechnung  trägt;  ferner  das  Kiefernkulturverfahren  des  Forstmeisters  Splettstößer^), 
wobei  das  Pflanzloch  durch  Einstoßen,  mehrfaches  Umdrehen  und  Herausheben  eines  auf- 
klappbaren Zangenbohrers  beliebig  tief  hergestellt  wird,  und  die  sog.  Ueberwurfkultur  von  Forst- 
meister Grob  mann*),  bei  welcher  die  aus  einem  Pflanzloch  mit  dem  Spaten  ausgehobene 
Erde  in  das  leere  bereits  vorher  angefertigte  Loch  geworfen  wird.  Der  bessere  Boden  kommt 
auf  diese  Weise  nach  unten,  der  Rohboden  nach  oben.  Wenn  diese  Umlagerung  auch  nicht 
immer  zweckmäßig  sein  wird,  so  bürgt  das  Verfahren  doch  auf  alle  Fälle  für  eine  dem  An- 
wachsen der  Pflanzen  günstige  gute  Bodenlockerung. 

2.  Spalt-  oder  Klemmpflanzungen.  Die  sehr  zahlreichen  hierher 
gehörigen  Pflanzverfahren  haben  das  Gemeinsame  an  sich,  daß  sie  durch  Verringerung 
der  Bodenbearbeitung  eine  Beschleunigung  des  Kulturgeschäftes  anstreben.  Sie  über- 
treffen demzufolge  die  Hackpflanzungen  in  der  Wohlfeilheit  mehr  oder  weniger, 
stehen  ihr  aber  an  Güte  und  Wert  zum  Teil  bedeutend  nach  und  kranken  weiterhin 
an  dem  Uebelstand,  daß  sie  fast  durchgängig  auf  lockere,  steinfreie  und  wenig  ver- 
unkrautete Böden  und  auf  Verwendung  kleinerer  Pflanzen  angewiesen  sind.  In  dem 
Maße  sie  diese  Beschränkungen  außer  acht  lassen,  sinkt  ihre  Berechtigung.  Mit  keil- 
oder  spatenförmigen,  aus  Holz,  Eisen  oder  beiden  Materialien  hergestellten  kurz- 

1)  Vergl.  u.  a.  Reuß  (Wiener  Kongreß  1890:  Ueber  die  nachteiligen  Einflüsse  naturwid- 
riger Pflanzenmethoden  etc.,  Allg.  F.-  u.  J.-Z.  1891,  1),  sowie  K  0  z  e-  n  i  k:  Zeitschr.  f.  d.  ges. 
Forstw.  1889,  477  und  1892,  105.  —  Spitzenberg,  Ueber  Mißgestaltungen  des  Wurzel- 
systems der  Kiefer  und   über   Kulturmethoden.     Deutsche  Forst-Ztg.    1908,   494,   515  ff. 

2)  K  o  z  6  5  n  i  k.  Die  neue  Pflanzmethode  im  Walde.    3.  Aufl.  Wien  1908. 

3)  Splettstößer,  Einfluß  unserer  Kulturmethoden  auf  d.  Absterben  der  Kiefer. 
Ztschr.  f.  Forst-  u.  Jw.  1908,  689. 

4)  G  r  0  h  m  a  n  n,  Ueberwurfkultur  im  Vierverband.  Bericht  d.  Sachs.  Forstvereins  1897, 150. 


138  VI.  L  o  r  e  y  ,  Waldbau. 

oder  langgestielten  \A'erkzeugen  werden  in  den  durch  Hacken.  Rigolen  oder  Pflügen 
platz-  bezw.  streifenweise  mehr  oder  weniger  gelockerten,  bisweilen  auch  in  den  un- 
gelockerten  Boden  keil-  oder  spaltförmige  Löcher  gestoßen  und  durch  Hin-  und  Her- 
rütteln des  Instrumentes  erweitert.  Hierein  \\ird  die  einzusetzende  Pflanze  gehalten. 
Während  des  Einhaltens  wird  das  Loch  durch  einmaliges  oder  wiederholtes  seitliches 
Einstechen  des  Lochstoßers  und  durch  Andrücken  der  Erde  gegen  das  Pflanzloch  ge- 
schlossen. Alle  auf  diesem  Prinzip  beruhenden  Pflanzverfahren  haben  den  auf  bindigem 
Boden  in  verstärktem  Maße  hervortretenden  Nachteil  an  sich,  daß  die  Wurzeln  der 
Pflanzen  in  unnatürlicher  Weise  zusammengepreßt  und  gequetscht  werden,  ein  Uebel- 
stand,  der  namentlich  bei  mangelhafter  Ausführung  des  Pflanzgeschäftes  allerhand 
Wurzelmißbildungen  und  damit  zusammenliängend  späteres  Kümmern  und  Lückig- 
werden  der  Kulturen  zur  Folge  haben  kann.  Lockere  Böden  und  Verwendung  1-  oder 
2jähriger  Pflanzen  lassen  diese  Nachteile  weniger  herv^ortreten  und  sind  deshalb,  wie 
schon  hervorgehoben,  Bedingung  für  die  Zulässigkeit  der  Klemm-  und  Spaltpflan- 
zungen. 

Die  Praxiä  hat  eine  große  Reilie  von  Lochstoßern  erfunden,  von  denen  genannt  seien: 
Setz-  oder  Pflanzliolz,  Pflanzdolch,  Spitzenbergs  Pflanzholz  mit  Wühlspitze,  Buttlar-Eisen, 
Wartenbergs  Stieleisen,  Grünewalds  Pflanzenstichel,  v.  Alemanns  Pflanzspaten,  Ptlanzbeil, 
Pflanzlanze,  Keilspaten,  Spitzenbergs  Spaltschneider.  Verwendung  haben  diese  Instrumente 
hauptsächlich  beim  Auspflanzen  von  Kiefernjährlingen  gefunden,  denen  oft,  um  sie  besser 
in  das  teilweis  enge  Pflanzloch  hineinzubringen,  die  Wurzeln  eingeschlämmt  wurden.  Diese 
im  Eintauchen  der  Wurzeln  in  Lehmbrühe  bestehende  Maßnahme  empfiehlt  sich  nicht,  da  die 
Möglichkeit  zu  Wurzelmißbildungen  hierdurch  nur  noch  gesteigert  wird.  Viel  gebraucht  wurden 
bei  der  Kiefernjährlingspflanzung  das  Wartenbergsche  Eisen,  ein  großes  Stoßeisen  mit  Stiel 
und  Krücke,  und  das  Buttlar-Eisen.  Letzteres,  ein  spitzer  Eisenkeil  mit  gebogenem  Hand- 
griff, wird  geworfen,  so  daß  es  bis  zum  Griff  senkrecht  im  Boden  steckt.  In  das  durch  das  Her- 
ausziehen gebildete  Loch  kommt  ein  eigens  erzogener  Pflänzling  (lange  Wurzelstränge);  durch 
Beistechen  mit  dem  Eisen  wird  die  Erde  an  die  Wurzeln  gedrückt.  Das  Verfahren  fördert  sehr; 
der  nämliche  .\rbeiter  macht  das  Loch  und  setzt  die  Pflanze  (Führung  des  Eisens  mit  der  rechten, 
der  Pflanze  mit  der  linken   Hand). 

Die  Zahl  der  zu  den  Lochpflanzungen  aller  Art  erfundenen  Kulturinstrumente  ist  Legion, 
teils  sind  es  neue  Erfindungen,  teils  nur  Modifikationen  bekannter  älterer  Werkzeuge.  Uebung 
ist  Hauptsache,  gute  und  zugleich  rasche  (billige)  Arbeit  Erfordernis.  Unter  Umständen  weit- 
gehende Arbeitsteilung  nach  den  Einzelmanipulationen,  wie  Anfertigen  der  Pflanzlöcher, 
Einlegen  der  Pflanzen,  Andrücken  derselben  usw.  Rasches  Ineinandergreifen  der  einzelnen 
Arbeiten  ist  zu  bewirken,  \erwendung  von  Frauen  beim  Pflanzen  gestattet  wohlfeilere  und 
vielfach  auch  sorgfältigere  Arbeit.  Zahl  der  insgesamt  zu  verwendenden  Arbeitskräfte  nicht 
größer,  als  daß  dieselben  noch  gut  überwacht  werden  können.  Tagelohn-  und  Akkordarbeiten 
in  Uebung;  letztere  zulässig,  wenn  für  \'erfehlungen  hohe  Straten  angesetzt  sind.  Besonders 
ist  darauf  zu  achten,  daß  die  Pflänzlinge  nicht  vor  dem  Einsetzen  mit  freiliegenden  Wurzeln 
der  Sonne  und  dem  Wind  ausgesetzt  sind. 

b)  Obenaufpflanzungen.  Die  Pflanzen  werden  hierbei  nicht  in 
Pflanzlöcher,  sondern  auf  dem  Boden  gepflanzt  und  zwar  zumeist  in  angeschüttete 
Erdhügel  (Hügelpflanzung)  oder  in  umgeklappte  Rasenplaggen  (Plaggen- 
oder  Rasen  hügelpflanzung),  in  einzelnen  Fällen  —  auf  besonders  nassen, 
nicht  zu  entwässernden  Böden  —  auch  auf  erhöhte  Erddämme,  die  durch  Ausheben 
zusammenhängender  oder  unterbrochener  Gräben  hergestellt  worden  sind  (Rabat- 
t  e  n  p  f  1  a  n  z  u  ng). 

lAna  gebräuchlichsten  ist  die  Hügelpflanzung.  Der  Hügel  wird  entweder  aus 
der  auf  der  Pflanzstelle  gewonnenen  Erde  geformt  (gewöhnliche  Hügel- 
pflanzung) oder  wird  —  bisweilen  schon  im  Herbst  —  mit  guter,  auf  der  Kultur- 
fläche oder  in  deren  Nähe  gesammelter  Kultur-  (oder  Kompost-)erde  angeschüttet 
und  nach  der  Bepflanzung  mit  zwei  halbmondförmigen,  umgekehrten  Rasenplaggen 
gedeckt  (v.  Manteuffelsche^)    Hügel  pflanzung).    Beim  Manteuffel- 

1)  V.  Man  teuf  fei,    Die  Hügelpflanzung   der  Laub-  und  iXadelhölzer.    i.  ;Aufl.     Leip- 
zig 1874. 


Die  Beslandcsbegründung.     §  67.  139 

sehen  ^'erfahren  („Manteuffelei")  wird  die  Pflanze,  nachdem  der  Hügel  bis  auf  den 
gewachsenen  Boden  auseinandergezogen  worden  ist,  mit  ausgebreiteten  Wurzeln 
direkt  auf  die  Bodendecke  aufgesetzt.  Nach  sorgfältiger  Einbettung  der  Wurzeln 
wird  der  Hügel  wieder  herangezogen,  leicht  angedrückt  und  gedeckt. 

Zweck  der  Hügelpflanzung  ist  Sicherung  des  Kulturerfolges  namentlich  auf 
feuchten  und  nassen  Böden.  Durch  das  Hochsetzen  kommen  die  Pflanzen  in  solchen 
Lagen  aus  dem  meist  vorhandenen  Graswuchs  und  damit  aus  der  Frostzone  heraus ; 
außerdem  konanen  ihnen  die  in  der  Hügelerde  bezw.  in  den  verwesenden  Rasen- 
plaggen enthaltenen  Nährstoffe  zugute.  Aus  letzterem  Grunde  wendet  man  Hügel 
auch  auf  trockenen,  aber  armen  Kiesböden,  in  abgebauten  Brüchen,  beim  Zupflanzen 
von  Wegen  usw.  an.  Meist  hört  in  den  letzteren  Fällen  aber  das  Wachstum  der  zu- 
nächst gut  gedeihenden  Pflanzungen  auf,  sobald  die  Nährstoffe  des  Hügels  aufge- 
braucht sind.  Da  die  Hügelpflanzung  nicht  billig  ist.  bleibt  sie  im  allgemeinen  auf 
kleine  Flächen  beschränkt. 

In  besonderen  Fällen  wird  die  Pflanzung  nicht  mit  bewurzelten,  sondern  un- 
bewurzelten  Pflanzen-  bezw.  Pflanzenteilen,  mit  Stecklingen,  Setzstan- 
gen und  Ablegern  vorgenommen.  Mit  Stecklingen  (Setzreisern) 
bezeichnet  man  20 — 40  cm  lange,  beiderseits  glatt  abgeschnittene  Teile  ein-  oder 
2jähriger  ^^'eidenruten.  Bei  der  Anlage  von  ^^'eidenhegern,  wo  sie  fast  ausschließlich 
Verwendung  finden,  werden  sie  in  gelockerten  Boden  in  Löcher  eingebracht,  die  meist 
mit  dem  Setzholz  oder  einem  ähnlichen  Instrument  senkrecht  vorgestochen  werden, 
und  sind  zur  selbständigen  Bewurzelung  befähigt,  sofern  der  Boden  die  nötige  Frische 
besitzt.  (Vergl.  Weidenniederwald,  S.  82). — Auf  der  Fähigkeit  selbständiger  Wurzel- 
bildung beruht  auch  die  beim  Kopfholzbetriebe  bei  Pappel  und  Baumweiden  ge- 
bräuchliche ^'erwendung  von  S  e  t  z  s  t  a  n  g  e  n.  Man  versteht  darunter  2 — ^3  m 
lange  bis  5  cm  starke,  aus  kräftigen  Stockausschlägen  herausgeschnittene  Schaftteile, 
die  in  vorgestochene,  30 — 50  cm  tiefe  Löcher  senkrecht  eingepflanzt  werden.  Des 
unvermeidlichen  Einfaulens  des  Stockes  wegen  empfiehlt  sich  jedoch  die  Verwendung 
bewurzelter  Stämrachen  aus  Baumschulen  mehr  als  die  Verwendung  von  Setzstangen. 

Lückige  Nieder-  und  Mittelwälder  lassen  sich  gegebenen  Falles  durch  Benutzung 
von  Ablegern  oder  Absenkern  verdichten.  Zu  diesem  Zwecke  \\erden  tief- 
sitzende Aeste  herabgezogen  oder  Stockloden  umgelegt,  nach  Entfernung  hinderlicher 
Seitenäste  dem  Boden  glatt  angedrückt  und  10 — 20  cm  hoch  mit  Erde  bedeckt  und 
vom  Mutterstocke  getrennt,  sobald  sie  sich  bewurzelt  haben, 

V.   Schutz   und   Pflege  der  Pflanzkulturen. 

§  67.  Beschränkt  sich  im  allgemeinen  auf  die  bei  der  Pflege  der  Saatkulturen 
(vgl.  S.  117)  genannten  Maßnahmen,  d,  h.  auf  die  Bekämpfung  des  L^nki-autes,  auf 
das  Offenhalten  etwa  vorhandener  Entwässerungsgräben,  Anhäufeln  der  Erde  um 
stärkere  Heister,  Sicherung  der  Pflanzen  gegen  Wildverbiß,  gegen  Mäuse  und  In- 
sekten (Engerling,  Rüsselkäfer  usw,),  worüber  Näheres  im  Forstschutz,  L'eber  Düng- 
ung zurückbleibender  Pflanzungen  s,  unter  ,, Bodenpflege",  Abschn,  l\. 


140  ^'I-  L  o  r  e  y  ,  Waldbau. 


Viertes  Kapitel. 

Betriebsarten    und   Bes  tandesbe  gr  ü  n  dun  g   bei   den    einzelnen 

Holzarten. 

Vorbemerkung.  Nur  in  kurzen  Andeutungen  sollen  hier  die  Betriebsarten  und  die 
in  enger  Verbindung  damit  stehenden  wesentlichsten  Verjüngungs-  und  Bestandsbegründungs- 
arten zusammengestellt  werden,  welche  man  in  der  forstlichen  Praxis  bei  den  einzelnen  Holz- 
arten antrifft.  Besondere  standörlliche  und  wirtschaftliche  Verhältnisse  stellen  jeweils  spezielle 
Aufgaben.  Das  Studium  der  nachgewiesenen  Literatur  in  Verbindung  mit  der  Beobachtung 
im  Walde  muß  die  Kenntnis  der  Details  vermitteln.  Insbesondere  ist  von  den  eingangs  auf- 
geführten Werken  hier  auf  Burckhardts  Säen  und  Pflanzen,  sowie  auf  die  über  die  einzelnen 
Holzarten  vorhandene  monographische  Literatur  wiederholt  hinzuweisen. 

I.  Laubhölzer. 

§  68.    1.  Buchei). 

A.  Betriebsart.  Die  Buche  ist  ausgesprochene  Hochwald-Holzart.  Er- 
scheint sie  auch  häufig  im  Mittelwald,  sowie  da  und  dort  im  Niederwald,  so  kann  doch 
wegen  ihrer  verhältnismäßig  geringen  Reproduktionskraft  keiner  dieser  beiden  letzt- 
genannten Betriebe  auf  sie  als  Hauptholzart  gegründet  sein.  Als  Oberholzbaum  im 
Mittelwald  ist  die  Buche  überdies  zu  dichtkronig. 

Im  Hochwald  findet  sich  die  Buche  (Umtriebszeit  gewöhnlich  100 — 120  Jahre, 
Haubarkeitsdurchschnittszuwachs-auf  mittlerem  Standort  4 — 6  Fm.  pro  ha)  meist 
im  Schirmschlag-,  auch  wohl  im  Femelschlagbetrieb,  im  reinen  Bestand  sowohl,  als 
in  Mischbeständen.  Reine  oder  annähernd  reine  Bestände,  welche  bis  zu  dem  durch 
die  Konkurrenz  der  Steinkohle  herbeigeführten  Rückgang  in  der  Wertschätzung  des 
Brennholzes  vielfach  Wirtschaftsziel  waren,  können  dies  heute  nicht  mehr  sein,  da, 
selbst  wenn  sich  für  Buchennutzholz  noch  neue,  umfänghche  Verwendungsarten  finden 
oder  bereits  bekannte  sich  als  ausdehnungsfähig  erweisen  sollten,  doch  tatsächlich 
kaum  ein  besonders  hohes  Nutzholzprozent  bei  der  Verwertung  reiner  Buchenbe- 
stände von  größerer  Ausdehnung  sich  ergeben  wird,  weil  eben  jene  Venvendungsarten 
(Eisenbahnschwellen,  gebogene  Möbel,  Holzpflaster  usw.)  doch  nur  einen  im  Vergleich 
zur  Gesamtmassenerzeugung  im  Buchenwalde  nicht  sehr  erheblichen  Bedarf  bedingen. 
In  Gegenden,  welche  von  den  großen  Kohlenlagern  weiter  entfernt  sind,  hat  Buchen- 
brennholz noch  einen  besseren  Absatz.  Jedenfalls  bleibt  der  Buche  unbestritten  der 
Vorzug  eines  trefflichen  Einflusses  auf  den  Boden,  so  daß  einer  irgend  einseitigen 
Verdrängung  derselben  entschieden  widerraten  werden  muß  ^),  wenn  auch  gegen  eine 
wohl  erwogene  örtliche  Einschränkung  ihres  Gebietes  nichts  eingewendet  werden  kann. 
Sie  bleibt  Hauptholzart  im  gemischten  Bestände,  sei  es  als  bestandesbildender  Teil, 


1)  Vergl.  G  r  e  b  e,  Der  Buchenhochwald  1856.  —  K  n  o  r  r,  Studien  über  die  Buchenwirt- 
schaft 1863.  —  F  r  ö  m  b  1  i  n  g,  Der  Buchenhochwaldbelrieb  1908.  —  D  e  r  s.,  Anleitung  zur  natürl. 
Verjüngung  des  Buchenhochwaldes.  Mündener  f.  Hefte.  Hft.  I,  153;  H,  24;  III.  1892/93.  — 
V.  B  e  n  t  h  e  i  m,  Wie  sind  reine  Buchenhochwaldungen  zu  bewirtschaften?  1890.  —  Kraft, 
Zur  natürlichen  Verjüngung  der  Buche.  Ztschr.  f.  Forst-  u.  Jw.  1892,  628.  —  Martin,  Folge- 
rungen der  Bodenreinertragstheorie.  Bd.  L  1894.  Die  Buche.  —  Hufnag  1,  Die  Buchenfrage 
in  der  österr.  Forstwirtschaft.  1900.  —  Kutsch,  Die  Stellung  des  Buchenwaldes  im  deutschen 
Nationalvermögen  1898.  —  Bericht,  über  die  25.  Vers,  deutscher  Forstmänner  1897,  38;  desgl. 
1.  Vers.  d.  deutschen  Forstvereins  1900,  135.  —  Heck,  Allg.  Forst-  u.  J.-Ztg.  1897,  406;  L  o  r  e  y, 
das.  1897,  391;  Endres  das.  1898,  91.  —  S  e  11  h  e  i  m,  Zur  Buchenfrage.  Mündener  f.  Hefte 
13.  1898,  8.  —  Trebeljahr,  das.  14.  Hft.  1898,  73.  —  S  c  h  u  b  e  r  g,  Aus  deutschen  Forsten, 
IL  Die  Rotbuche  1894.  —  Wimmenauer,  Ertragstafeln  f.  d.  Buchenhochwald  in  Ober- 
hessen.   Allg.  Forst-  u.  J.-Ztg.  1893,  S.  300.  —  S  c  h  w  a  p  p  a  c  h,  Die  Rotbuche  1911.  — 

2)  Namentlich  sollte  bei  Umwandlung  in  Nadelholz,  bes.  Fichte,  eine  gewisse  Vorsicht  walten, 
vergL   S.  34. 


Die  Bestandesbegründung.     §  68.  141 

sei  es  als  höchst  schätzbares  Unterholz  im  Unterbau-  und  Lichtungsbetrieb.  Zum 
Ueberlialtbetrieb  ist  die  Buche  wenig  geeignet  (breite  Krone,  stark  beschattend,  Rin- 
denbrand etc.).  Besondere  Starkhölzer  können,  von  höheren  Umtrieben  abgesehen, 
im  zvveihiebigen  Hochwald  oder  im  v.  Seebachschen  Betrieb  erzogen  werden. 

B.Verjüngung.  Sie  erfolgt  angesichts  des  Schutzbedürfnisses  der  jungen 
Buche  gegen  Frost,  Hitze  und  Unkraut  vornehmlich  auf  natürlichem  Wege,  selten 
durch  Ausschlag  bezw.  Absenker,  ausnahmsweise  (und  dann  meist  unter  Schirm) 
durch  Saat  oder  Pflanzung. 

1.  Natürliche  Verjüngung: 

a)  Durch  Samen:  Hauptsächlich  im  Schirmschlagbetrieb.  Die  in  §  40  ge- 
schilderten Hiebsführungen  (Vorbereitungshieb,  Samenschlag,  Nachlichtungen)  haben 
insbesondere  bei  der  Rotbuche  Platz  zu  greifen,  und  zwar  kommen  sie  je  nach  Umstän- 
den mit  allen  daselbst  angedeuteten  Modifikationen  bezüglich  des  Tempos,  in  welchem 
vorgegangen  wird,  sowie  des  Grades  der  einzelnen  Eingriffe  in  den  Mutterbestand 
vor.  Wird  die  Verjüngung  ohne  länger  andauernde  allmähliche  Vorbereitungshiebe 
im  wesentlichen  durch  eine  entsprechend  stärkere  Durchlichtung  zwecks  unmittel- 
barer Schlagbesamung  eingeleitet,  so  spricht  man  von  der  ,, Verjüngung  aus  vollem 
Ort".  Eventuell  Bodenverwundung  bei  Eintritt  eines  Mastjahres  (Kurzhacken, 
Rechen,  Schweineeintrieb,  Pflug,  Egge,  dänische  Rollegge,  Webers  Waldgrubber), 
namentlich  auf  schlechteren  und  von  stärkeren  Trockentorfschichten  überlagerten 
Partien.  Wo  der  Erfolg  zweifelhaft,  wird  am  besten  nicht  lange  zugewartet,  sondern 
zur  Anpflanzung  mit  Nadelholz  (Fichte,  Douglasie,  Lärche,  Weymouthskiefer,  Forche) 
geschritten.  Gefahr  durch  Frost  und  Hitze,  sowie  durch  Forstunkräuter  ist  in  erster 
Linie  für  die  Art  der  Nachlichtung  entscheidend;  langsameres  Vorgehen  bietet  hier- 
gegen im  allg.  mehr  Schutz  als  rasches  Nachhauen.  Die  Gewinnung  eines  Lichtungs- 
zuwachses an  den  Mutterbäumen  kommt  bei  der  Buche  zwar  meist  weniger  als  Wirt- 
schaftsziel in  Betracht,  ist  aber  gerade  bei  dieser  Holzart  mehr  als  bei  jeder  anderen 
leicht  und  beachtenswert.  Die  Buche  reagiert,  wie  die  Lichtmessungen  C  i  e  s  1  a  r  s 
(Rolle  des  Lichtes  im  Walde  1904,  S.  27,  103)  und  die  Ertragsuntersuchungen 
S  c  h  w  a  p  p  a  c  h  s  (d.  Rotbuche  1911)  zeigen,  auf  Lichtstellung  durch  überraschende 
Ausbreitung  und  Verdichtung  der  Krone  und  ganz  erheblichen  Massenzuwachs. 
Genügend  reichliche  und  regelmäßige  Masten  je  nach  dem  Standort  vom  70.  bis  100. 
Jahre  ab  (oft  noch  früher). 

Galt  noch  im  ersten  Drittel  des  19.  Jahrhunderts  die  gelungene  Durchführung  der  natür- 
lichen Samenverjüngung  eines  reinen  Rotbuchenbestandes  (nacti  den  G.  Ludw.  Hartigschen 
Generalregeln:  Vorbereitungsschlag,  Samenschlag  =  Dunkelschlag,  Auslichtungsschlag)  als 
vornehmste  Aufgabe  forstlicher  Kunst,  so  ist  die  Wertschätzung  solcher  Leistung  heute  begreif- 
licherweise (cfr.  §  15,  S.  33)  nicht  mehr  die  gleich  hohe.  Trotzdem  spielt  die  natürliche  Buchen- 
verjüngung  in  der  waldbaulichen  Tätigl<eit  noch  eine  Hauptrolle,  namentlich  in  allen  Fällen, 
in  welchen  die  Buche  als  Mischholzarl  den  Grundbestand  zu  bilden  hat.  Daß  übrigens  auch 
der  reine  Buchenbestand  örtlich  noch  sehr  gewürdigt  wird,  beweisen  die  Erörterungen,  welche 
die  dänische  Buchenwirtschaft  in  den  letzten  Jahren  erfahren  hat,  im  Anschluß  an  die 
Schilderung  derselben  durch  Dr.  Metzger  {,,D  änische  Reisebilde  r",  Mündener 
forstl.  Hefte,  1896,  IX.  und  X.  Heft).  Daraufhin,  sowie  nach  den  Verhandlungen  verschiedener 
Forstversammlungen  (z.  B.  Stuttgart,  1897,  cfr.  S.  38  —  Pommerscher  Forstverein,  1900  — 
Wiesbadener  \'ersammlung,  1900)  ist  auch  die  Verjüngung  der  Buche  lebhaft  besprochen  ') 
und  namentlich  auch  in  der  Richtung  diskutiert  worden,  ob  die  im  dänischen  Buchenwalde 
angeordneten  Maßregeln  auf  Deutschland  zu  übertragen  sein  möchten.    .\uch  die  reiche  VoU- 


1)  Vergl.  u.  a.  Urich,  Dänische  und  deutsche  Buchenhochwaldwirtschaft  1897. —  Fürst, 
Forstwiss.  Zbl.  1897,  241.  —  v.  F  i  s  c  h  b  a  c  h,  Mündener  forstl.  Hefte  12.  Hft.,  42.  —  T  h  a  1  e  r, 
Allg.  F.-  u.  J.-Z.  1898,  113.  —  M  e  t  z  g  e  r,  A.  F.-  u.  J.-Z.  1898,  346.  —  E  u  1  e  f  e  1  d.  Aus  dem 
Walde  1898,  4,  sowie  Forstw.  Zentralbl  1898,  131  und  A.  F.- u.  J.-Z.  1898,  188.  —  Metzger, 
Vortrag  f.  d.  Versammlung  zu  Schwerin  1899.  —  S  p  e  i  d  e  1,  .A.  F.-  u.  J.-Z.  1899,  261.  —  G  r  a  s  e  r, 
Forstw.  Zentralblalt  1899,  121.  —  Hauch,  \.  F.-  u.  J.-Z.   1900,  225. 


142  ^'I-  L  o  r  e  y  ,  Waldbau. 

mast  des  Jahres  1888  hatte  bereits  zu  vielfachen  Aeußerungen  über  deren  zweckmäßigste 
Ausnutzung  Anlaß  gegeben. 

Die  dänische  Wirtschaft  bedient  sich  grundsätzlich  einer  intensiven  Bodenbearbeitung 
(event.  Anwendung  der  Rollegge  —  cfr.  Metzger,  Allg.  F.-  u.  J.-Z.  1900,  2  79),  sodann  vielfach 
der  Blockpflanzung  unter  schwachem  Schirmstand,  d.  h.  der  Pflanzung  von  Ijähr.  Buchen 
in  Reihen  und  zwar  durch  Einsetzen  von  Ballen  bezw.  Plaggen,  mit  je  mehreren  Pflänzlingen 
aus  engem  Stand  im  Saatbeet  entnommen.  Besonders  charakteristisch  ist  dann  eine  intensive 
Bestandspflege,  welche  —  unter  Erhaltung  des  Zwischen-  und  Unterstandes  so  lange,  bis  die 
Schaftreinigung  besorgt  ist  —  schon  frühzeitig  auf  besonders  gute  Entwickelung  einer  beschränkten 
Zahl  späterer  Haubarkeitsstämme  abzielt  (darüber  später  unter  „Bestandeserziehung').  Rasche 
Schlagräumung. 

In  der  Regel  kann  man  eine  natürliche  Buchenverjüngung  in  20  Jahren  .gut  durchführen. 
Günstige  Verhältnisse  gestatten  die  volle  Schlagräumung  schon  nach  12 — 15  Jahren;  Aus- 
dehnung des  Nerjüngungszeitraumes  auf  mehr  als  20  Jahre  nur  in  .Ausnahmefällen  erforderlich. 

Auch  im  Buchen- Verjüngungsschlage  findet  sich,  wenn  auch  nicht  so  regelmäßig  wie 
bei  der  Tanne,  so  doch  nicht  selten  von  früheren  (als  dem  planmäßig  zu  benützenden)  Mast- 
jahren her  Aufschlag  auf  der  ganzen  Fläche  oder  als  Vorwuchsgruppen  und  -Horste  vor,  welche 
jedoch  im  Schirmschlagbetrieb  im  allgemeinen  nicht  besonders  gepflegt  werden.  Dies  schließt 
jedoch  nicht  aus,  daß  man  ihn,  soweit  entwickelungsfähig,  bei  der  Verjüngung  mitbenutzt. 
Sperrwüchse  sind  nicht  zu  dulden.  Das  radikale  \'orgehen  der  dänischen  \erjüngungsmethode, 
die  selbst  einen  recht  guten  Aufschlag  entfernt,  um  eine  durchaus  gleichmäßige  %'erjüngung 
möglichst  mit  einer  Mast  zustande  zu  bringen,  erscheint  nicht  mit  Unrecht  manchem  deutschen 
Buchenzüchter  als  zu  weitgehend. 

b)  Durch  Ausschlag:  Im  Mittehvald,  soweit  die  Buche  im  Unterholz  ver- 
treten sein  soll ;  bekanntlich  gibt  sie  nicht  andauernd  reichliche  Ausschläge,  so  daß 
sie  sich  hier  wenig  eignet. 

c)  Durch  Absenker^):  Ausnahmsweise  in  besonders  kritischen  Lagen  (steile, 
sonnige  Einhänge). 

2.  Künstlicher  Anbau : 

Kommt  zur  \'erjüngung  bereits  vorhandener  Buchenbestände  ausnahmsweise 
dann  in  Frage,  wenn  man  aus  irgend  welchen  Gründen  das  Eintreten  einer  Mast 
überhaupt  nicht  abwarten  oder  es  nicht  auf  den  Erfolg  einer  nächsten  Mast  ankom- 
men lassen  will,  nachdem  bereits  eine  oder  mehrere  Besamungen  fehlgeschlagen  sind. 
Außerdem  bei  Bestandesumwandlungen,  sowie  in  Gestalt  des  Unterbaues. 

a)  Saat:  kommt  als  Vollsaat.  Riefensaat  und  Plätzesaat  vor  (letztere  beiden 
häufiger).  \'oraufgehende  Bodenverwundung  ist  auch  bei  der  ^'ollsaat  meist  wün- 
schenswert. Auf  Kahlflächen  möghchst  zu  vermeiden,  da  der  Erfolg  infolge  der 
Frostempfindlichkeit  der  jungen  Buche  hier  meist  sehr  unsicher.  Eher  ist  der  Anbau 
von  Buchen  durch  Saat  bei  Zuhilfenahme  von  Getreidebeisaat  oder  —  noch  besser, 
aber  nicht  rentabel  —  nach  Schaffung  eines  Schutzbestandes  von  Kiefer  oder  Lärche 
möglich.  Des  späteren  Auflaufens  wegen  ist  Frühjahrssaat  auf  freier  Fläche  der  Herbst- 
saat vorzuziehen,  bedingt  allerdings  gute  L'eberwinterung  der  Buchein. 

b)  Pflanzung:  meist  2 — 3jährige  Pflanzen  (manchmal  auch  Jährlinge), 
welche  (besonders  2jährige)  zweckmäßig  mit  dem  Beil  oder  der  Hacke  gepflanzt 
werden;  auch  wohl  geringe  Ballenpflanzen  mit  dem  Hohlbohrer  oder  Plaggen- 
pflanzung, wie  in  Dänemark  (cfr.  oben).  Keimlingspflanzung  ist  in  Elsaß  in  grö- 
ßerem Umfange  ausgeführt  worden  (Vers,  zu  Schirmeck  1890).  Anwendung  stärkerer 
Pflanzen  (bis  Halbheister)  für  Nachbesserung,  hier  und  da  auch  beim  Unterbau 
ganzer  Schläge,  doch  stets  teuer  und  weniger  sicher,  freilich  an  manchen  Orten 
(Heidelbeerüberzug  etc.)  nicht  zu  vermeiden.  Einzelpflanzung  ist  Regel;  auf 
trockenem,  flachem  und  steinigem  Boden  hier  und  da  Büschel.  Nach  der  Voll- 
mast des  Jahres  1888  hat  man  da  und  dort  Ballenpflanzung  (mit  je  etwa  20 
Keimpflanzen  in  1  Ballen,   zumal   zur  Nachbesserung  ungenügend   besamter   Steil- 


1)  Vergl.  u.  a.  v.  F  i  sc  h  b  a  c  h  im  Forstw.  Zentralblatt  von  1887,  S.  137  ff. 


Die  Bestandesbegründung.     §  6S.  143 

hänge  angewendet)  ^).  Pflanzmaterial  vielfach  aus  Schlägen,  oft  Anzucht  auf  be- 
sonderen Beeten  unter  Nadelholzschutzbestand,  sowie  im  Forstgarten.  Beim  Anbau 
von  Kahlflächen  ist  Pflanzung  im  allgemeinen  erfolgreicher  als  Saat,  besonders  dann, 
wenn  durch  Beimischung  einer  raschwüchsigen  Schutzholzart  für  Schutz  gegen  at- 
mosphärische Einflüsse  gesorgt  wird.  Dringend  notwendig  aber  ist  enger  Verband, 
da  sich  die  Buche  sonst  sperrwüchsig  entwickelt. 
2.  Eiche-): 

Je  mehr  allgemein  die  Ueberzeiigung  platzgreift,  daß  umfängliche  Nachzucht  der  Eiciie 
—  jedoch  nur  auf  wirklich  guten  Eichenböden,  denen  es,  im  \'erein  mit  den  erforderlichen 
klimatischen  Bedingungen,  nicht  an  mineralisclier  Kraft,  entsprechender  Gründigkeit  und 
Frische  mangelt  —  auch  im  Hinblick  auf  Rentabilität  angezeigt  ist,  um  so  lebhafter  wird  die 
zweckmäßigste  Art  ihres  Anbaues,  bezw.  ihrer  Wiederverjüngung  besprochen,  auf  Versamndungen 
sowohl,  wie  in  der  Literatur.  Die  Unterscheidung  von  Stiel-  und  Traubeneiche  wird  dabei 
mit  Recht  von  vielen  Seiten  gefordert.  .\ach  N  e  y,  ,,Die  Ausnützung  der  diesjährigen  Eichel- 
und  Buchelmast"  soll  auf  ständig  mindestens  feuchten  Orten  die  Stieleiche,  auf  frischen  Böden 
der  I.  und  II.  Bonität  die  Stiel-  und  Traubeneiche,  auf  allen  übrigen  Eichenstandorten  nur  die 
Traubeneiche  ^■erwendung  finden  (Aus  d.  Walde,  1900,  25).  Der  .\nbau  im  reinen  und  im  gemisch- 
ten BeStande,  namentlich  die  Mischung  der  Eiche  mit  der  Buche,  werden  oft  gleichzeitig  erörtert 
und  können  auch  kaum  ganz  scharf  getrennt  gehalten  werden,  da  die  Grenze  zwischen  dem  reinen 
und  gemischten  Bestände  (cfr.  §  11,  e)  nicht  unzweideutig  gegeben  ist,  und  namentlich  beim 
.\nbau  der  Eiche  deren  Einbringung  in  den  Buchengrundbestand  entsprechend  der  jeweiligen 
Bodenbeschaffenheit  oft  (Spessart,  Pfalz)  in  derart  großen  Horsten  erfolgt,  daß  nicht  mehr 
ein  gemischter  Bestand,  sondern  eine  .\uflösung  des  Bestandes  auf  der  .\bteilungsfläche  in  eine 
Mehrzahl   einzelner  reiner   Bestände   vorliegt. 

A.  Betriebsart.  Die  Eiche  ist  die  einzige  Holzart,  die  alle  mögUchen  Be- 
triebsarten nicht  nur  zuläßt,  sondern  auch  in  allen  mit  Erfolg  und  in  wirtschaftlich 
beachtenswertem  Umfange  behandelt  wird;  sie  ist  Holzart  des  Hoch-,  Mittel-  und 
Niederwaldbetriebes. 

a)  Im  H  o  c  h  w  a  1  d  e  tritt  sie  sowohl  rein  wie  in  Mischung  auf.  Reine  Bestände 
sind  nur  auf  den  allerbesten  Böden  angezeigt.  Auf  der  großen  Menge  der  mittleren 
Böden  ist  die  Erziehung  der  Eiche  in  Mischung  mit  bodenschützenden  Holzarten, 
am  besten  mit  Buche,  die  einzig  richtige  Erziehungsform,  und  allen  schlechten  Böden 
soll  man  mit  der  Eiche  überhaupt  fern  bleiben.  Die  Ausnützung  des  anhaltenden 
Wertzuwachses  bedingt  möglichste  Steigerung  der  Stärkezunahme  durch  hinreichende 
Umlichtung,  mithin  Lichtungsbetrieb  mit  Unterbau,  und  hohe  Umtriebe  (140  bis 
160  Jahre).  Auch  Ueberhalt  in  einen  folgenden  Umtrieb  wird  zur  Erzielung  besonders 
starker  Stämme  gewählt;  doch  ist  dabei  mit  Vorsicht  zu  verfahren,  damit  nicht  plötz- 
liche Freistellung  einen  Rückgang  des  ^^■achstums  bei  den  Oberständern  (Wasser- 
reiser, Zopftrocknis,  zu  starke  Kronenausbreitung  etc.)  bewirkt.  Gruppenweiser 
Ueberhalt  mit  Bodenschutzholz  in  der  Gruppe  verdient  Beachtung. 

b)  Mittelwald:  Die  Mittelwaldeiche  (Stieleiche)  liefert  auf  kräftigem 
frischem  Boden  (besonders  in  den  Auwaldungen  der  Flußniederungen)  oft  hervorragend 
wertvolle  Sortimente,  weshalb  die  Bestandespflege  auch  hier  der  Eiche  besondere 
Sorgfalt  zuwenden  sollte.  Die  Rentabilität  eines  Mittelwaldes  ist  meist  ganz  wesent- 
lich durch  die  Zahl  der  vorhandenen  Eichenoberständer  bedingt. 


1)  M  o  o  s  m  a  y  e  r.  Aus  dem  Walde  1891,  8. 

2)  Vergl.  von  Jlanteuffel,  Die  Eiche,  deren  .\nzucht,  Pflege  und  Abnutzung,  2.  Aufl. 
187-1.  —  Martin,  Folgerungen  der  Bodenreinertragstheorie,  4.  Bd.  1898,  Die  Eiche  im  Hoch- 
waldbetriebe. —  Carl,  Eichenstarkholzzucht  im  Hochwaldbetriebe.  Allg.  F.-u.  J.-Z.  1895,  S.  1  ff. 
—  Schöttle,  Leber  die  Renlabilität  der  Eichenstarkholzzucht,  das.  1898,  253.  —  Staube- 
sand, das.  1899,  41;  1901,  230;  Ztschr.  f.  Forst-  u.  Jw.  1907,  567.  —  Arndt,  .\us  der  Praxis 
der  Eichenverjüngung.  Ztschr.  f.  Forst-  u.  Jw.  1899,  641.  —  W  i  m  m  e  n  a  u  e  r,  Ertragsunter- 
suchungen im  Eichenhochwald.  .Mlg.  F.-  u.  J.-Z.  1900,  2.  —  Der  s.,  Erfahrungen  im  Lichtwuchs- 
betrieb zum  Zwecke  der  Starkholzzucht.  Silva  1911,  .Nr.  24.  ^  S  c  h  w  a  p  p  a  c  h,  Untersuchungen 
über  die  Zuwachsleistnnt.'i'n  von   Eichenhoehwaldbo-tänden  in  Preußen.    .Neudamm  1905. 


]^44  ^  I-  L  0  r  e  y  ,  Waldbau. 

c)    Niederwald,    insbesondere   E  i  c  h  e  n  s  c  h  ä  1  w  a  1  d,    vgl.   das   oben 
(S.  80)  hierüber  Gesagte. 
B.  Verjüngung. 

1.  Natürliche  Verjüngung 

a)  Durch  Samen:  Im  Hochwald  durch  Benutzung  des  unter  einzelnen  Alt- 
stämmen oder  in  Gruppen  und  Horsten  von  solchen  sich  ansiedelnden  Nachwuchses, 
sowie  durch  planmäßige  Herbeiführung  einer  Naturbesamung.  Diese  geschieht  am 
besten  nach  den  Regeln  des  Plenterschlagbetriebes,  besonders  dann,  wenn  es  sich  um 
Verjüngung  von  Mischbeständen  handelt.  Die  horstweise  Verjüngung  gestattet  am 
ehesten,  der  Eiche  den  ihr  meist  notwendigen  Altersvorsprung  vor  der  mitwachsenden 
Schattenholzart  zu  geben.  Die  von  selbst  sich  einstellende  Auslichtung  der  mann- 
baren Eichenbestände  macht  eine  auf  den  Bestand  sich  erstreckende  Vorbereitung 
im  allgemeinen  nicht  nötig,  wohl  aber  kann  Vorbereitung  des  Bodens  durch  Bearbei- 
tung angezeigt  sein.  Eine  lichte  Unkrautdecke  des  Bodens  ist  der  Ansamung  nicht 
hinderlich,  eher  förderlich.  Schwache  Masten  und  zu  lockerer  Stand  der  Mutterbäume 
bedingen  Nachsaat  aus  der  Hand.  Bei  dichterer  Samenschlagstellung  baldige  Licht- 
schläge nach  erfolgter  Ansamung. 

b)  Durch  Ausschlag:  Im  Niederwald  und  Mittelwald  durch  Stockloden; 
femer  auch  wolil  durch  Schattloden  an  Schneitelbäumen. 

2.  Künstliche  Bestandesgründung. 

Sie  bildet  im  Hochwald  immerhin  die  Regel,  weil  selbst  da,  wo  in  einem  zu 
verjüngenden  Altbestande  Eichen  in  der  gewünschten  Menge  und  Verteilung  bereits 
vorhanden  sind,  die  Nachzucht  ausschließlich  durch  Samenabfall  oft  nicht  genügend 
sicher  erscheint  (Lichtbedürfnis  der  jungen  Pflanzen,  obwohl  vielfach  überschätzt  ^), 
Abgang  durch  Mäuse,  Vögel,  Wild  etc.).  Die  Saat  wird  an  manchen  Orten  schon  seit 
längerer  Zeit,  neuerdings  allgemeiner,  vor  der  Pflanzung  bevorzugt.  Warum  sollte, 
wenn  nur  das  Verzehren  der  Eicheln  durch  Tiere  oder  etwa  Verstocken  derselben  im 
Boden  und  demnächst  Schädigung  der  Pflanzen  durch  Unkraut  hintangehalten  werden 
können,  die  junge  Pflanze  nicht  an  dem  Orte  keimen,  an  welchem  sie  im  Bestand 
stehen  soll?  Man  spart  die  Pflanzkosten,  außer  den  Kosten  der  Pflanzenerziehung, 
und  vermeidet  die  immerhin  mißliche  Behandlung  der  in  der  Jugend  schon  kräftig 
entwickelten  Pfahlwurzel. 

a)  Saat:  als  Vollsaat  (Punktsaat  unter  Anwendung  verschiedener  Eichel- 
stecker, des  Eichelhammers,  der  Hacke,  der  Pookschen  Doppelhacke  etc.),  sowie  als 
Riefen-  und  Plätzesaat.  Dichten  Saaten  wird  im  allgemeinen  der  Vorzug  gegeben, 
damit  der  Neigung  der  Eiche,  zumal  der  Stieleiche,  sich  frühzeitig  breit  in  die  Aeste 
auszulegen,  durch  engen  Stand  der  Pflanzen,  sodann  auch  dem  Unkraut  entgegen- 
gearbeitet wird.   Die  Saat  erfolgt  keineswegs  immer  auf  der  Freifläche,  vielmehr  wird 

1)  Vergl.  G  e  p  p  e  r  t,  Erfahrungen  über  die  Verjüngung  der  Eichenbestände  (Zeitschrift 
für  Forst-  und  Jagdwesen  v.  1887  S.  153  ff.).  Daselbst  wird  vom  ostpreuß.  Revier  Flatow  berichtet, 
daß  künstliche  Beslandesgründung  nach  Kahlhieb  nicht  gelinge,  während  sich  die  Eiche  unter 
dichtem  Birkenvorwuchs  in  erfreulicher  Menge  natürlich  ansame  und  lange  wuchskräftig  erhalte, 
wie  dies  ebenso  in  Kiefernstangenorten  in  solchem  Umfange  der  Fall  sei,  daß  deren  Umwandlung 
in  Eichenstände  dadurch  möglich  werde.  —  Einschleppen  von  Eicheln  in  N'adelholzbestände 
durch  Nußhäher:  die  daraus  entstehenden  jungen  Eichen  sind  oft  überaus  zählebig,  bilden  meist 
zunächst  ein  kräftiges  Wurzelsystem  aus  und  sind  infolgedessen  nach  der  Freistellung  nicht  selten 
vollkommen  entwickelungsfähig.  Vergl.  auch  Dr.  Ed.  H  e  y  e  r,  Beitrag  zum  reinen  und  gemischten 
Eichenniederwald  und  -Hochwald  etc.  (Allg.  F.-  u.  J.-Z.  v.  1884,  S.  207  u.  229).  —  \'ieltach  sehr 
gute  nat.  Verj.  durch  Samen  auf  Schieferböden  der  Rhein-  und  Moselgegend.  —  Gelegentlich 
der  Versammlung  deutscher  Forstmänner  zu  Würzburg  (1895)  hat  sich  Fürst  mehr  gegen, 
K  i  e  n  i  t  z  mehr  für  die  natürl.  Verjüngung  der  Eiche  ausgesprochen.  Die  für  letztere  erforder- 
liche Bodengare  sollte  allmählich  herbeigeführt  werden. 


Die  BestandesbegrQndungf.     §  68.  145 

da  und  dort  (cfr.  z.  B.  Kraft,  A.  F.-  u.  J.-Z.  1891,  361.  —  Hauch,  A.  F.-  u.  J.-Z.  1900, 
2"25.  —  Hils-Sollingverein  1900)  der  Ansaat  unter  lichtem  Schutzbestande,  zumal  im 
Hinblick  auf  Frost  und  Unkräuter,  der  Vorzug  gegeben.  Als  Spezialfall  der  Rillensaat 
kann  die  z.  B.  im  Spessart  manchmal  (Roiirbrunn)  angewendete  Leitersaat  gelten, 
bei  welcher  auf  40  cm  breiten  Streifen  die  Eicheln  (7 — 8  Hektol.  pro  ha)  in  Quer- 
rillen eingelegt  werden. 

b)  Pflanzung:  meist  mit  Forstgartenpflanzen  und  zwar  sowohl  mit  2jäh- 
rigen  Saatbeetpflanzen  als  auch  (in  der  Regel)  3-  bis  mehrjährigen  verschulten  Pflänz- 
lingen (bis  zum  Starkheister  zur  Nachbesserung  in  Mittelwaldungen,  Auspflanzung 
im  Wildpark  etc.);  event.  ^'erschulung  der  1 — 2jährigen  Pflanzen.  i\leist  Pflanzung 
mit  ballenlosen  Pflänzlingen.  Pfahlwurzel  bei  der  Kultur  oft  hinderlich,  dann  event. 
Einstutzen  derselben  (siehe  §  63).  Anwendung  von  Stummelpflanzen  (abwerfen  nahe 
über  dem  Wurzelknoten)  kann  sich  bei  der  Eiche  unter  Umständen  empfehlen :  sicheres 
Anschlagen,  kräftige  Triebe  (doch  nicht  selten  anfänglich  mehrere  gleichwertig). 
Anzucht  guter  Heister,  nicht  selten  durch  mehrfaches  Verschulen,  Beschneiden  etc.  ^). 
Heisterpflanzung  ist  im  Erfolg  oft  recht  zweifelhaft  und  hat  stets  nur  als  Ausnahme 
zu  gelten,  auch  wegen  der  großen  Kosten  der  Pflanzenerziehung  und  des  Pflanzge- 
schäftes, wobei  namentlich  das  Anfertigen  entsprechend  großer  Pflanzlöcher,  event. 
Formieren  von  Hügeln  (auf  feuchtem  Boden)  sehr  ins  Gewicht  fällt. 

Pflanzung  von  ■2jähr.  Pflänzlingen  in  gut  gelockerte  Riefen  fördert  rasch  und  ist  dem- 
gemäß billig,  auch  genügend  sicher,  wird  aber  (siehe  oben)  durch  Saat  vielfach  ersetzt.  Emp- 
fohlen wird  jene  Pflanzung  z.  B.  von  Mortzfeld  (Zeitschr.  f.  F.  u.  J.  1896,  2)  auf  seinen 
kleinen  (ca.  10  Ar  großen)  Löchern  im  Buchengrundbestand.  Das  von  manchen  Wirtschaftern 
(cfr.  z.  B.  Reiß,  .\.  F.-  u.  J.-Z.  1896,  309)  unternommene  Einbringen  der  Eiche  auf  kahl 
gehauene  Kulissen  ist  meist  zugunsten  des  horstweisen  .\nbaues  oder  der  Einzelmischung 
wieder  aufgegeben  worden.  Verwilderung  der  Eichen  an  den  Kulissenrändern,  sowie  örtlich 
massenhaftes  Auftreten  der  Maikäfer  wurden  dabei  besonders  beklagt.  Je  nach  Umständen 
streifenweises  Einbringen  der  Eichen  auf  Pflugfurchen. 

c)  Spezialfall  des  W  a  1  d  f  e  1  d  b  a  u  e  s  ,  wobei  die  Eiche  (mittelst  Saat  oder 
Pflanzung)  auf  gerodetem  Lande  nach  Kahlabtrieb  nachgezogen  wird. 

In  Frostlagen  bedarf  die  Eiche  vielfach  des  Schutzes  (mindestens  seitlich)  durch 
eine  frostharte  Holzart  (Kiefer,  Birke,  etc.),  welcher  durch  lichten  Vorbau  oder 
Zwischenbau  zu  gewähren  ist.  —  Wiederholt  sei  betont,  daß  nur  frische,  kräftige  Böden 
dauernd  der  Eichenzucht  gewidmet  werden  sollten.  Man  darf  die  Eiche,  so  schätzbar 
sie  als  Nutzholzart  ist,  doch  einem  zu  geringen  Standort  nicht  aufzwingen  wollen; 
sonst  sind  wirtschaftliche  Verluste  unvermeidlich ! 

3.  Hornbaum  (Hainbuche). 

A.  Betriebsart:  Zumeist  Holzart  des  Hoch-  und  Mittelwaldes,  weiterhin 
Bestandteil  des  Nieder(Busch-)waldes.  Im  Hochwald  meist  nicht  rein,  sondern  Misch- 
holz in  Laubholz-,  weniger  in  Nadelholzorten.  Im  Mittelwald  brauchbares,  gut  aus- 
schlagfähiges Unterholz:  auch  im  Oberstand  (jedoch  nicht  zu  reichlich)  zuzulassen. 
Gelegentlich  auch  Kopfholzbaum  auf  Viehweiden. 

B.  ^'erjüngung.  Natürliche  Verjüngung  infolge  von  früh- 
zeitigem, öfterem  und  reichlichem  Samentragen  ohne  Schwierigkeit,  ebenso  \  erjüngung 
durch  Stockausschlag  infolge  großer  Ausschlagfähigkeit  leicht.  Künstlicher 
Anbau  nur  in  besonderen  Fällen,  namentlich  dann,  wenn  es  sich  um  Schaffung  von 


1)  Vergl.  Schwappach,  Zur  Frage  der  Erziehung  von  Eichenheistern  (Zeitschr.  f. 
Forst-  u.  Jw.  1887,  S.  2  ff.).  Nach  den  daselbst  mitgeteilten  \'ersuchen  der  Hauptstation  für 
Versuchswesen  in  Preußen  hat  2malige  Verschulung  (zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Um- 
setzen nur  2  Jahre)  mit  möglichst  wenig  Eingriffen  in  den  natürlichen  Entwickelungsgang  die 
besten  Ergebnisse  geliefert,  sowohl  in  .\bsicht  auf  das  Pflanzenmaterial  als  auf  die  Kosten. 

Handb.  d.  Forstwiss.     a.  Aufl.     II.  10 


146  '^'I-  L  0  r  e  y  ,    Waldbau. 

Unterholz,  z.  B.  in  Eichen-  oder  Kiefernbeständen  handelt.  Schattenerträgnis  und 
Frosthärte  machen  den  Hornbaum  insbesondere  für  Unterbauzwecke  in  feuchteren, 
kälteren  Lagen,  wo  die  Buche  gefährdet  ist,  geeignet.  Dann  entweder  Saat  oder  besser 
Pflanzung  mit  2 — 3jähr.  Schlag-  oder  Saatschulpflanzen.  Bei  Erziehung  von  solchen 
im  Saatbeet  ist  Ueberliegen  des  Samens  zu  beachten.  Um  gleichmäßiges  Auflaufen 
der  Saat  lierbeizuführen,  ist  der  Samen  erst  nach  Ijährigem  Einschlagen  in  flachen 
Gräben  auszusäen. 

4.  Esche. 

A.Betriebsart.  Im  Hochwald  und  als  Oberholz  im  Mittelwald,  in  beiden 
Fällen  sehr  geschätzt  als  Nutzholz;  auch  wohl  Schneitelbaum  zur  Futterlaubgewin- 
nung (Alpen).  Im  Hochwald  meist  nicht  oder  nur  auf  kleinen  Flächen  in  reinen  Be- 
ständen ;  gewöhnlich  einzeln  oder  gruppen-  und  truppweise  eingemischt  in  Laubholz- 
(Buchen-,  Erlen-)  Bestände. 

B.Verjüngung.  Natürliche  Verjüngung  auf  kräftigem,  fri- 
schem Boden  unschwer.  Eschenanflug  stellt  sich  hier  auch  unter  dichtem  Kronendach 
nicht  selten  äußerst  reichlich  ein,  muß  aber  infolge  wachsenden  Lichtbedürfnisses 
vom  10. — 20.  Jahre  an  licht  gestellt  werden.  Vorwiegend  künstlich  erAnbau, 
ausnahmsweise  durch  Saat,  gewöhnhch  durch  die  infolge  reichhcher  Bewurzelung 
sehr  sichere  Pflanzung,  zu  welcher  ballenlose,  vorzugsweise  verschulte  Pflänzlinge 
(1 — Sjährig  verschult,  meist  2jähriges  Belassen  im  Ptlanzbeet),  seltener  Schlagpflan- 
zen benutzt  werden.  Zur  Ergänzung  des  Oberholzes  im  Mittelwald,  soweit  daselbst 
nicht  Stockausschläge  benutzt  werden,  ferner  zum  Einsprengen  in  bereits  herange- 
wachsene Buchenhegen  oder  auf  sehr  unkrautreiche  Orte  oft  stärkere  Pflanzen  (event. 
nochmals  verschulte  Heister).  Im  Saatkamp  Behandlung  des  Eschensamens  infolge 
Ueberliegens  wie  bei  Hornbaum.  Zeitige  Aussaat  des  eingeschlagenen  Samens  im 
Frühjahr  nötig,  weil  er  zeitig  keimt.  Schutz  der  aufgelaufenen  Saat  gegen  Frost  sehr 
notwendig.  Verschulung  bisweilen  schon  mit  Keimlingen  (Krautpflanzen)  nach  Er- 
scheinen des  ersten  Blattpaares  mit  Erfolg  vorgenommen.  Im  Heisterbeete  Zwiesel- 
bildungen durch  Entfernung  des  schwächeren  Triebes  korrigieren  bezw.  durch  Aus- 
brechen einer   Seitenknospe  bei  beschädigter  (erfrorener)   Gipfelknospe  vorbeugen. 

5.  A  h  o  r  n. 

A.  B  e  t  r  i  e  b  s  a  r  t:  Spitz-  und  Bergahorn  sind  Holzarten  des  Hoch-  und  JMit- 
telwaldes,  Feldahorn  hauptsächlich  Holzart  des  Auen-Niederwaldes.  Die  ersteren 
im  Hochwald  selten  rein,  meist  Mischhölzer  in  Laubholz-,  namentlich  Buchenbe- 
ständen. 

B.  V  e  r  j  ü  n  g  u  n  g.  Im  allgemeinen  wie  bei  Esche.  Natürliche  \'er- 
jüngung  ohne  Schwierigkeit,  da  Samenjahre  oft  und  reichlich.  Auf  minder  frischerii 
und  ärmerem  Boden  baldige  Nachlichtungen  voni  .Jung^vuchs  gefordert.  Kunst- 
1  i  c  h  e  Verjüngung  durch  Saat,  häufiger  durch  Pflanzung  mit  2jährigen  und  älteren 
Loden  oder  Heistern  Regel.  Platz-  und  streifenweise  Saat  hin  und  wieder  in  Buchen- 
schlägen zur  Zeit  der  Samenschlagstellung  oder  schon  einige  Zeit  vorher  im  Stadium 
des  Vorbereitungshiebes.  Im  Auslichtungsstadium  der  Buchenverjüngungen  Aus- 
füllung von  Lücken  durch  Loden-  oder  Heisterpflanzung,  ebenso  Pflanzung  im  Mittel- 
wald. 

6.  U  1  m  e. 

A.  Betriebsart:  wie  bei  Ahorn;  Mischholz  in  Buchenbeständen  (Berg- 
ulme), Oberholz  im  Mittelwald  (Feldulme).  Hier  und  im  Niederwald  auch  kräftiges 
Ausschlagholz. 

B.Verjüngung.   Natürliche  Verjüngung  infolge  Empfindlichkeit  des 


Die  Bestandesbegründung.     §  68.  147 

Keimlings  gegen  Graswuchs  seilen,  meist  künstlich  durch  Pflanzung  mit  ver- 
schieden starken  Forstgartenpflanzen  (je  nach  den  Umständen  von  der  Ijährigen  Lode 
bis  zum  Starkheister).  Aussaat  des  Samens  im  Saatbeet  im  Sommer.  Samen  verträgt 
nur  ganz  schwache  Deckung  durch  Uebersieben  oder  Vermengen  mit  oberster  Erd- 
schicht. 

7.  Erle. 

A.  Betriebsart:  im  Hochwald  auf  nassen  Böden,  dann  oft  rein,  sonst 
Mischholz  mit  Esche,  Ulme,  Pappelarten;  ferner  im  Niederwald  (Erlen-Brücher  in 
Niederungen,  hier  meist  Schwarzerle  in  30 — 40jälir.  Umtrieb;  im  Gebirge  zur  Auf- 
forstung hängiger  Partien,  in  Thüringen  zur  Aufforstung  verödeter  Muschelkalk- 
hänge Weißerle);  vereinzelt  im  Mittelwald. 

B.  V  e  r  j  ü  n  g  u  n  g.  Im  Hochwald  natürliche  Verjüngung  durch  Samen 
wegen  Gras-  und  Unkrautwuchs  des  Standortes  meist  ausgeschlossen,  hier  voi-wiegend 
Kunst  Verjüngung  durch  Pflanzung  mit  3 — 5jährigen  verschulten  Pflanzen.  Auch 
bei  Anlage  von  Ausschlag^valdungen  ist  Pflanzung  in  vielen  Fällen  nicht  zu  umgehen 
(vgl.  S.  82),  event.  Verwendung  von  Stummelpflanzen.  Auch  bei  der  Aufforstung 
von  Wildbachgebieten  mit  der  bodenbessernden  und  -bindenden  Weißerle  ist  Pflan- 
zung mit  2-  und  3jähr.  Pflanzen,  hin  und  wieder  auch  unter  erfolgreicher  Verwen- 
dung von  gestummelten  Pflanzen  Regel.  Weißerle  hat  sich  als  Vorbauholzart  bei  der 
Aufforstung  verödeter  Böden,  auch  als  Unterbauholzart  in  verlichteten,  verhagerten 
Beständen  als  sehr  brauchbar  erwiesen. 

8.  Linde:  Hoch-  und  Mittelwald.  Im  deutschen  Walde,  obwohl  wegen  ihrer 
Nutzholzciuahtät  für  manche  technisclie  Zwecke  sehr  beachtenswert,  doch  nicht  häufig 
Gegenstand  ausgedehnteren  Anbaues,  dann  fast  durchgängig  Pflanzung,  obwohl  Na- 
turverjüngung durch  Samen  infolge  beträchtlichen  Schadenerträgnisses  erfolgreich. 
Brauchbares  Ausschlagholz  im  Mittel-  und  Niederwald. 

9.  Birke. 

A.  B  e  t  r  i  e  b  s  a  r  t:  Hochwald-  und  Mittelwaldholzart,  auch  im  Ausschlag- 
walde. Reine  Bestände  im  Hochwalde  waldbaulich  unzulässig,  da  schnelle  Boden- 
vermagerung  eintritt.  In  den  nördlichen  Ländern,  wo  reine  Bestände  häufiger  vor- 
kommen, ist  Rückgang  der  Bodenkraft  weniger  auffäUig  als  bei  uns.  Im  heimischen 
Waldgebiet  ist  Birke  nur  als  Mischliolzart  imd  dann  noch  mit  Vorsicht  zu  verwenden. 
Gruppenweises  Vorkommen  führt  leicht  zu  frühzeitiger  Bestandesdurchlichtung,  des- 
halb ist  Beschränkung  auf  Einzelmischung  angezeigt.  In  Nadelholzbeständen  macht 
sich  Birke  vielfach  durch  Peitschen  und  Bereiben  der  Nadelholztriebe  unangenehm 
bemerkbar  und  führt  infolge  frühzeitiger  Hiebsreife  zu  störender  Lückenbildung. 
Die  Birke  ist  in  den  meisten  Waldgebieten  Deutschlands  nicht  eigentlich  mitbestim- 
mend für  den  Betrieb,  sondern  nur  von  sekundärer  Bedeutung.  Besondere  Bedeutung 
hat  sie  auf  ärmerem  Sandboden,  wo  sie  namentlich  zur  Einfassung  der  Wege  und 
Schneisen,  sowie  zur  Bildung  von  Feuermänteln  am  Platze  ist. 

B.  A'erjüngung.  Kleist  reichlicher  Anflug,  sobald  nur  einige  Samenbäume  vor- 
handen; auch  Stockausschläge.  Künstlicher  Anbau  durch  Saat  (z.  B.  Vollsaat  zur  Er- 
ziehung eines  Schutzbestandes ;  Behandlung  des  Bodens  nach  der  Saat  mit  der  Strauch- 
egge) oder  durch  Pflanzung  (meist  Schlagpflanzen)  am  besten  zeitig  im  Frühjahr. 

Hier  mag  besonders  darauf  hingewiesen  werden,  daß  die  beiden  Birkenarten, 
Betula  verrucosa  und  B.  pubescens,  in  ihrem  waldbaulichen  Verhalten  sehr  verschie- 
den sind.  B.  pubescens  ist  dichter  in  der  Krone,  viel  mehr  eine  Holzart  feuchter 
Böden,  findet  sich  z.  B.  in  reinen  Beständen  auf  der  Grenze  der  Brücher  (Versuchs- 
flächen in  Ostpreußen),  mit  Erträgen  bis  zu  300  Fm.  im  70.  Jahre. 

10* 


J48  ^ '•  Lorey,    Waldbau. 

10.  Robinie.  Waldbaulich  meist  nur  als  Ausschlagholz  von  Belang,  an  Bö- 
schungen zur  Befestigung,  doch  auch  auf  herabgekommenen  Böden  als  eigentlicher 
Bestand,  z.  B.  in  Mischung  (horstweise)  mit  der  Edelkastanie  i)  usw.  (vgl.  S.  81). 
Das  Holz  wird  als  Grubenholz  versvandt.  Auch  als  Stickstoffsammler  ist  die  Robinie 
zu  empfelüen,  daher  für  Zwisclienbau  zur  Bodenverbesserung  vorzüglich  geeignet. 
Die  Massen-  und  Gelderträge  des  Robinienniederwaldes  sind  sehr  hoch  (bis  12  Fm. 
für  1  .Jahr  und  Hektar  und  Preise  bis  25,  selbst  30  Mark  für  1  Fm.  Nutzholz). 

11.  Edelkastanie-).  In  Deutschland  wegen  der  klimatischen  Bedingungen, 
welche  sie  für  ihr  Gedeihen  fordert,  zumal  wegen  ihres  ^^■ärmebedürfnisses,  nur  in  be- 
schränktem Umfange  (Pfalz,  Elsaß  etc.)  als  Waldbaum  verbreitet.  Besonders  geschätzt 
als  Holzart  des  Niederwalds  (Gewinnung  von  Rebpfählen):  Stockausschläge  reichlich 
und  kräftig  (vgl.  S.  81).  Begründung  neuer  Bestände  meist  durch  Pflanzung  mit 
1— 3jährigen  (in  der  Mehrzahl  der  Fälle  2jährigen)  Loden,  Anzucht  der  nötigen  Pflan- 
zen (pro  ha  6000—8000  Stück  erforderlich)  in  rigolten  Saatbeeten  (Spitze  der  Frucht 
beim  Einlegen  nach  unten!).  Kosten  der  Erziehung  pro  1000  2jähriger  Pflanzen  ca. 
12  Mark.  Pflanzung  im  Frühjahr  mit  der  Hacke  oder  einem  Klemmeisen  (spatenartig 
abgeändertes  Buttlar'sches  Eisen);  Pflanzen  teils  unbeschnitten,  teils  (besser)  nach 
Einstutzen  der  Seitenäste  oder  als  Stummelpflanzen.  Jährliches  Reinigen  und  Be- 
hacken der  Kultur.  Bodenpflege  durch  Grabenziehen  (..Belebungsgräben").  —  Saat 
hier  und  da  als  Vollsaat  (bezw.  Punktsaat,  wie  bei  der  Eiche)  mit  3  Hektoliter  Kasta- 
nien pro  ha  (30  000  Stück)  oder  Rillen-  oder  Plätzesaat.    Gefahr  durch  Wildschweine. 

12.  P  a  p  p  e  1.  JNIeist  im  Hochwald,  doch  für  die  Betriebsart  nicht  entscheidend. 
Aspe  ist  infolge  ihrer  Verwendung  zur  Fabrikation  der  schwedischen  Streichhölzer 
sehr  gesucht  und  an  manchen  Orten  gut  bezahlt,  so  daß  ihr  Anbau  vielfach  angezeigt 
erscheint. 

Für  den  Anbau  kommen  weiterhin  besonders  Schwarzpappel  und  kanadische 
Pappel  in  Betracht.  Letztere  ist  wertvoller.  Die  Pflanzung  erfolgt  vielfach  durch 
Setzstangen,  welche  aus  Stockausschlägen  zu  gewinnen,  wohl  auch  in  der  Pflanzschule 
zu  verschulen  sind.  Bei  der  Aspe  verpflanzt  man  meist  Wurzelbrut.  Doch  wird  auch 
künstl.  Samenverjüngung  empfohlen  (Paul  in  Deutsche  Forst-Zeitg.  1899,  S.  195).  des- 
gleichen Erziehung  von  verschulten  Aspenpflänzlingen  (Forstrat  Hofmann  in  Forstw. 
Zbl.  1902,  S.  360). 

13.  Weiden^).  Im  Kopfholzbetrieb  (Flußniederungen),  sowie  im  Niederwald 
(Weidenheger),  oft  mit  nur  Ijährigem  Umtrieb  (feinste  Flechtruten).  Sorgfältige 
Bodenpflege,  Sicherung  gegen  Unkraut.  Wenn  nach  ca.  15—18  Jahren  eine  Anlage 
im  Ertrag  zurückgeht,  so  liegt  dies  weniger  an  Bodenerschöpfung,  als  an  der  in  jeder 
Nutzung  zu  erblickenden  andauernden  Mißhandlung  (trotz  rationell'' ten  Schnittes) 
der  Stöcke.    Sehr  hohe  Reinerträge.    Frische  Böden  durchschnittlich   am  besten, 

1)  Vergl.  K  a  y  s  i  n  g,  Der  Kastanienniederwald  S.  31  ff.,  ferner  E  b  e  r  t  s,  „Der  .\kazien- 
niederwald""(Allg.  F.- u.  J.-Z.  1900,  S.  75),  m.  s.  auch  Verhandlungen  der  23.  Versammlung  des 
Elsaß-Lothring:ischen  Forstvereins. 

2)  Vergl.  K  a  y  s  i  n  g.  Der  Kastanienniederwald,  1884.  —  .Aufsätze  in  der  AUg.  F.-  u.  J.-Z. 
1879,  S.  206;  1883, "s.  37  (Osterheld  —  Pfalz);  1883,  S.  241  (Rebmann  —  Elsaß).  —  E  n  g  1  e  r, 
„Die  Edelkastanie  in  der  Zentralschweiz".  —  M  e  rz,  Schweiz.  Forstver.  1895  und  v.  S  e  u  1 1  e  r, 
Schweiz.  Zeitsclir.  1895,  201.  —  Osterheld,  .\.  F.-  u.  J.-Z.  1895,  22  ,. Edelkastanie  am  pfäl- 
zischen Vorgebirge". 

3)  \'ergl.  Schulze,  Die  Kultur  der  Korbweide,  1874.  —  S  c  h  m  i  d.  Die  .\npflanzung 
und  Kultur  der  Korb-  und  Bandweiden,  1883.  —  Krähe,  Lehrbuch  der  rationellen  Korbweiden- 
kultur, 5.  .\ufl.  1897.  —  Z  Schimmer,  Anbau  der  Korbweide.  Thar.  Jahrb.  1888,  S.  23. 
—  A  u  m  a  n  n,  Weidenhegerbetrieb  in  Flußniederungen.  Zeitschr.  f.  F.  u.  J.  1894,  712.  —  Korb- 
weidenkultur längs  der  österr.  Eisenbahnen.  Oesterr.  Forst-  u.  J.-Ztg.  1894,  66.  —  P  i  c  c  i  o  1  i, 
La  coltura  dei  salici,  1896.  —  D  e  k  e  r  t,  Ueber  Weidenzucht.  Mund.  Forstl.  Hefte  9.  (1896). 
S.  15.  —  D  a  n  c  k  e  1  m  a  n  n,  Zeitschr.  f.   F.  u.  J.  1898,   S.   652. 


Die  Bestandesbegründung.     §  69.  I49 

keineswegs  nasse.  Einzelne  Weiden  (z.  B.  Salix  caspica)  auch  sehr  gut  auf  trockene- 
rem, wenn  nur  einigermaßen  mineralisch  kräftigem  Sand.  Vgl.  das  oben  (S.  82)  über 
Weidenniederwälder  Gesagte. 

Die  als  ein  Hauptteil  des  sog.  Weichholzes  in  den  Schlägen  auftretenden  Weiden, 
bes.  S.  caprea,  cinerea,  aurita  erscheinen  meist  als  Ausschläge  und  durcii  Samenanflug. 

14.  Prunus-,  Pirus-,  Sorbus- Arten.  Eingesprengt  im  Hoch- 
waldbestand, an  ^^'egrändern  (hier  bes.  Sorbus  aucuparia),  auch  als  Oberholz  im 
Mittelwald.  Großenteils  als  gute  Nutzhölzer  zu  begünstigen,  besonders  bei  den  Durch- 
forstungen zu  berücksichtigen;  doch  waldbaulich  ohne  große  Bedeutung,  weil  die 
Nachfrage  immerhin  eine  beschränkte  ist;  besonders  begehrt  ist  die  Eisbeere  (S.  tor- 
minalis). 

15.  Unterhölzer  im  M  i  1 1  e  1  w  a  1  d.  Als  solche  mögen  insbesondere 
für  viele  Auewaldungen  A'iburnum,  Lonicera,  Cornus,  Prunus,  Crataegus  u.  a.  m. 
neben  den  bereits  aufgeführten  Mittelholzarten  hier  erwähnt  sein,  weil  sie  oft  sehr 
gut  ver\vertbare  Kleinnutzhölzer  liefern.  Abtrieb  derselben  oft  alle  5 — 8  Jahre.  Be- 
sondere Pflege  findet  meist  nicht  statt. 

II.  Nadelhölzer. 

§  69.    I.Tanne»). 

A.  B  e  t  r  i  e  b  s  a  r  t.  Die  Tanne  ist,  wie  alle  Nadelhölzer,  ein  Baum  des  Hoch- 
waldes. Höchstens  im  Mittelwald  findet  sie  sich  hier  und  da  in  ganz  beschränktem 
Maße  durch  Pflanzung  einzeln  oder  in  Gruppen  dem  Oberholze  beigesellt.  Im 
Hochwald  wird  sie  im  Femelbetrieb,  Femelschlag-  und  Schirmschlagbetrieb 
und  den  Zwischenformen  dieser  Betriebe  behandelt,  während  sie  den  Kahlschlag  als 
Betriebsform  wegen  ihres  Schattenbedürfnisses  in  der  Jugend  allgemein  nicht  zuläßt. 
\\'o  Tannenkahlschläge  gleichwohl  geführt  werden,  sind  sie  Notbehelfe  infolge 
von  Betriebsstörungen,  vorübergehende  ^Maßregeln,  nicht  aber  Wirtschaftsprinzip. 
Wie  schon  früher  hervorgehoben  wurde  (z.  B.  §27),  führen  gewisse  Eigentümlichkeiten 
der  Tannen  Wirtschaft  (reichliche  Ansamung  unter  noch  geschlossenem  Kronendach, 
Zählebigkeit,  Bildung  von  Vorwüchsen,  Aushieb  von  Krebstannen  etc.)  naturgemäß 
zu  ungleichartigen,  mehr  femelartigen  Beständen  im  Gegensatz  zmn  durchweg  gleich- 
mäßig gestellten  Schirmsclilag.  Die  Umtriebszeit  ist  meist  auf  100 — 120  Jahre  fest- 
gesetzt. Haubarkeits-Durchschnittszuwachs  auf  mittlerem  Standort  7 — 9  Festmeter; 
die  durchschnittliche  Höhe  solcher  Bestände  beträgt  in  jenem  Alter  25 — 30  !Meter. 
Die  Durclmiesser  sind,  je  nach  der  Art  der  Wirtschaftsführung,  überaus  wechselnd. 
Besondere  Starkhölzer,  Stämme  von  50  und  mehr  cm  Mittenstärke,  werden  auch 
da,  wo  frühzeitig  Lichtungszuwachs  angestrebt  wird,  meist  erst  in  längerer  Zeit  (mit 
140 — 160  Jahren)  produziert.  Die  femelartigen  Betriebsformen  bieten  aber  die  beste 
Gelegenheit,  Stämme  zu  diesem  Zweck  länger  im  Bestände  zu  belassen;  im  regel- 
mäßigen Schirmschlag  müßte  man  die  Umtriebszeit  entsprechend  erhöhen  oder  zu 

1)  \'ergl.  u.  a.  G  e  r  w  i  g,  Die  WeiOtanne  im  Schwarzwalde,  1868;  Referate  und  Debatten 
bei  der  deutschen  Forstversammlung  zu  Wildbad  1880  (Die  Referate  finden  sich  in  der  AUg. 
F.-  u.  J.-Z.  von  1880:  Sehuberg  S.  304,  Probst  S.  311),  ferner  Verhandlungen  des  badischen 
Forstvereins  zu  Wolfach  1884.  —  M  a  g  e  n  a  u,  „Tannenverjüngung  auf  dem  Jura".  AUg.  F.-  u. 
J.-Z.  V.  1887,  S.  312  ff.  —  Martin,  Folgerungen  ....  2.  Bd.  1895,  Die  Weißtanne.  —  Wirtschafts- 
egeln für  Elsaß-Lothringen,  1892.  —  Carl,  Allg.  F.-  u.  J.-Z.  1893,  163,  204. —  Mencke, 
AUg.  F.-u.  J.-Z.  1897,  287.  —  Baudisch,  Zbl.  f.  d.  ges.  Forstw.  1897,  101.  —  W  e  i  n  k  a  u  f  f , 
Die  Tanne  auf  d.  Buntsandstein  des  Pfälzer  Waldes.  AUg.  F.-u.  J.-Z.  1897,  321,  345.  —  Schaa  1, 
Die  Weißtanne  in  Sachsen.  Allg.  F.-  u.  J.-Z.  1898,  200.  —  Kautzsch,  .\Ug.  F.-  u.  J.-Z.  1892, 
145,  279;  1893,  350;  1898,  220.  —  Ders.,  Beiträge  zur  Frage  der  Weißtannenwirtschaft  1895. 
—  Gretsch,  Forstw.   Zentralbl.   1898,  455.  — 


150  ^'^-  L  o  r  e  y  ,    Waldbau. 

einer  ausgesprochenen  Ueberhaltform  übergehen.  In  welchem  Umfange  die  Anzucht 
solcher  besonders  starken  Hölzer  rätlich  erscheint,  ist  Sache  lokaler  Erwägung, 
unter  dem  Gesichtspunkt  der  Rentabilität,  deren  Bemessung  sich  auf  den  Holzmarkt, 
bezw.  die  Holzpreise  stützt. 

Die  Tanne  kommt  in  ausgedehnten  reinen  Beständen,  sowie  in  verschiedenen, 
zum  Teil  hervorragend  wertvollen  Mischungen  vor,  worüber  im  1.  x\bschn.  S.  12 
das  Nötige  bemerkt  ist. 

B.Verjüngung.  Wenn  irgend  eine  Holzart,  so  ist  die  Tanne  vermöge  ihrer 
Eigenschaften  zur  natürlichen  Verjüngung  durch  Samenabfall  bestimmt.  Künstliche 
Bestandesbegründung  ist  —  abgesehen  von  den  (neuerdings  zahlreicher  auftretenden) 
Fällen,  in  welclien  die  Neuanlage  von  Tannenbeständen  erfolgen  soll  —  Ausnahme 
und  findet  meist  nur  da  statt,  wo  wirtschaftliche  Mißstände  (Ueberalthölzer,  Sturm- 
lücken etc.)  eine  natürliche  Verjüngung  überhaupt  nicht  mehr  oder  nicht  mit  der 
nötigen  Sicherheit  erhoffen  lassen. 

1.  Natürliche  Verjüngung: 

Namentlich  in  den  letzten  20  Jahren  ist  die  Naturverjüngung  der  Tanne  Gegen- 
stand eingehender  Erörterung  gewesen.  Sie  erfolgt  im  Femelbetrieb,  Schirmschlag- 
betrieb, Saumschlagbetrieb  und  im  Femelschlagbetrieb.  In  allen  diesen  Fällen  kommt 
die  Zählebigkeit  der  Tanne,  sowie  ihre  langsame  Jugendentwicklung  in  Betracht. 
Eine  Folge  ihres  großen  Schattenerträgnisses  ist,  daß  sich  Besamung  meist  ohne  be- 
sonderen Vorbereitungshieb  und  Samenschlag  oft  schon  im  70 — 80jährigen  Bestandes- 
alter reichlich  einstellt,  mindestens  auf  denjenigen  Stellen  und  in  deren  Umgebung, 
welche  durch  Auszug  von  Krebstannen,  eingesprengten  Mischhölzern  usw.  etwas 
(wenn  auch  nur  mäßig)  gelichtet  sind.  Werden  solche  Aushiebe  schadhafter  oder 
sonst  unerwünschter  Bäume  in  gesteigertem  Maße  nötig,  tritt  vielleicht  Windwurf 
hinzu,  so  entstehen  Löcher  im  Bestände,  auf  welchen  der  Jungwuchs  bald  in  die  Höhe 
geht;  deren  allmähliche  Erweiterung  führt  nach  und  nach  zur  Verjüngung  des  ganzen 
Bestandes. 

Wo  sich  dieser  die  Regel  bildende  A^organg  nicht  (gewissermaßen  ganz  von 
selbst)  abspielt,  hat  man  es  in  der  Hand,  die  ^'erjüngung  in  längerem  oder  kürzerem 
Zeitraum  mittelst  gleichförmiger  Schlagstellung  durch  den  ganzen  Bestand  hin  (regel- 
mäßige Vorbereitungshiebe  mit  gleichmäßiger,  allmählicher  Durchhchtung  etc.  — 
Schirmschlag  Gayers)  oder  derart  durchzuführen,  daß  man  die  einzelnen  Bestandes- 
partien nacheinander  verjüngt,  bezw.  sich  jene  Löcher  durch  gruppen-  und  horstweise 
Eingriffe  künstlich  schafft  (hörst-  und  gruppenweise  Verjüngung  Gayers  —  vergl. 
auch:  dritter  Absclmitt,  §  40 — 43).  Gleichmäßige  Schinnschlagstellung  auf  schmalen 
Streifen  verbürgt  den  Erfolg  event.  ebenso  sicher  wie  Löcherhiebe  und  verdient 
unter  Umständen  wegen  größerer  Uebersichtlichkeit  im  Fortgange  der  \^erjüngung 
den  Vorzug. 

Hinsichtlich  des  Verjüngungszeitraumes  wird  die  Erwägung  maßgebend,  ob 
man  im  konkreten  Falle  auf  raschere  Erstarkung  des  Jungwuchses  oder  auf  längeres 
Andauern  des  Lichtungszuwachses  an  den  Mutterbäumen  den  größeren  Wert  legt. 
Ueber  die  etwaige  Benutzung  des  Vorwuchses  siehe  §  73.  Erstreckt  sich  die  vollstän- 
dige Verjüngung  eines  Bestandes,  d.  h.  die  Ersetzung  sämtlicher  heute  im  Bestände 
vorhandener  Individuen  durch  neue,  auf  die  ganze  Umtriebszeit,  so  kommt  man  zum 
eigentlichen  Femelbetrieb. 

Im  wesentlichen  ist  es  für  die  Art  der  nat.  Tannenverjüngung  zunächst  entscheidend, 
ob  man  grundsätzlich  möglichst  e  i  n  Mastjahr  zur  Erzielung  des  Jungbestandes  benutzen 
will  (Schirmschlag)  und  demgemäß  mit  gleichmäßiger  Schirmstellung  über  die  ganze  Fläche 
hin  vorgeht,  oder  ob  der  allmählichen,  partienweisen  Verjüngung  (Femelschlagbetrieb,  Gruppen- 


Die  BestandesbegrOndung.     §  G9.  151 

und  Horstwirtschaft,  Bemitzun?  mehreror  Samenjahre)  der  X'orziisr  sesreben  werden  poII. 
Martin  stellt  beide  Methoden  an  Wert  gleich.  Genügende  Samenjahre  hat  man  fast  überall 
in  3-  bis  5jähri<ren  Zwischenräumen,  fieides  läßt  sich  machen;  aber  tatsächlich  kommt  man 
ganz  von  selbst  bei  der  Tanne  fast  immer  zu  einer  nu>hr  oder  minder  scharf  ausgeprägten 
Gruppenwirtschaft,  weil  sich,  wie  oben  angeführt  wurde,  .\nflug  in  der  Regel  schon  in  Beständen 
einstellt,  welche  noch  nicht  planmäßig  zur  \"erjüngimg  stellen,  und  dieser  Anflug  sich  wenigstens 
teilweise  bis  zur  Zeit  der  planmäßigen  \'erjüngung  wuclisUräftig  erhält,  bezw-  schon  zu  gut 
entwickelten  \'orwüchsen  ausbildet.  Nach  den  allerdings  nnr  auf  das  .Murgtal  sich  erstreckenden 
Untersuchungen  S  t  o  1  I  s  ')  scheint  es  jedoch  nicht  gleichgültig  zu  sein,  ob  Schirm  -oder  Plenter- 
schlagverjüngung gewählt  wird,  zuni  mindesten  scheint  die  Höhenlage  des  jeweiligen  Verjüngungs- 
bestandes für  den  Erfolg  der  einen  oder  der  anderen  Betriebsform  mit  entscheidend  zu  sein. 
Im  nördlichen  Schwarzwald  ist  nach  Stoll  Schirmschlagverjüngung  nur  bis  400  m  Meereshöhe, 
im  südlichen  Schwarzwalde  bis  500  m  angezeigt.  Die  höheren  Lagen  erfordern,  wenn  sonst 
die  Keinibettverhältnisse  nicht  derartig  ungünstig  werden  sollen,  daß  die  \'erjüngung  versagt, 
Plenterschlagvcrjüngung.  Der  mit  der  Schirmschlagverjüngung  zusammenhängende  dichtere 
Bestandsschluß  verhindert  in  den  höheren  Lagen  eine  hinreichende  Erwärmung  des  Bodens, 
was  Trockentorfbildung  und  damit  \'ersauerung  und  \'erdichtung  des  Keimbettes  zur  Folge  hat. 
In  diesen  Lagen  vermag  nur  starke  SchluGunterbrechung  und  Staffelung  des  Bestandes,  d.  h. 
Anwendung  des  Femelschlag-  oder  des  Femelbetriebes  die  zur  normalen  Streuzersetzung  not- 
wendige Wärmesumme  dem  Boden  zuzuführen.  Für  die  höheren  Lagen  des  Schwarzwaldes 
wird  von  Stoll  daher  die  Femelschlagform  mit  langer  N'erjüngungsdauer  und  Uebergängen 
zum  Femelwalde  empfohlen.  .Mit  der  Entscheidung  für  Schirmschlag-  oder  für  Femelschlag- 
betrieb  entscheidet  sich  in  der  Hauptsache  auch  die  wichtige  Frage,  ob  man  die  Verjüngung 
im  ganzen  rascher  oder  langsamer  durchführen  und  demgemäß  nur  kleinere  oder  größere 
.•Mtersunterschiede  im  Jungbestande  haben  will.  Da  die  Bedingungen,  unter  denen  die  Tannen- 
wirtschaft geführt  wird,  örtlich  keineswegs  die  gleichen  sind  (z.  B.  in  Baden  auf  der  West- 
seite, in  Württemberg  auf  der  Ostseite,  d.  h.  im  Regenschatten  des  Schwarzvvaldes,  —  Seenähe 
in  Oldenburg),  so  erklären  sich  die  teilweis  weit  auseinander  gehenden  Forderungen,  die  in  be- 
zug  auf  die  Länge  des  Verjüngungszeitraumes  erhoben  werden.  Die  schirmschlagartige  ^'er- 
jüngung  führt  zu  einer  verhältnismäßig  raschen\'erjüngung  in  20-  bis  30jähr.  Zeiträumen,  während 
die  femelschlagartige  Wirtschaft  zu  40-  bis  60jähr.  Verjüngungszeiträumen  hinneigt.  Es  ist 
selbstverständlich,  daß  die  N'erjüngungszeiträume  um  so  länger  werden,  je  mehr  die  Femelschlag- 
form zum  reinen  Femelbetrieb  übergeht. 

2.  Künstlicher  Anbau: 

Am  besten  unter  Schutzbestand  wegen  der  Empfindlichkeit  der  Tanne  gegen 
Frost,  Hitze  und  Unkraut.  Doch  in  Notfällen  auch  im  Freien,  dann  aber  fast  aus- 
schließlich mittelst  Pflanzung;  genügender  Erfolg  hauptsächlich  bei  großer  Luft- 
feuchtigkeit. 

a)  Saat: 

Sie  kommt  gelegentlich  (Elsaß-Lothringen)  in  abständigen  Orten  unter  dem 
Schirm  des  gelichteten  Altbestands,  dann  aber  hauptsächlich  bei  Umwandlung  anderer 
Holzarten  in  Tanne  und  beim  Unterbau  in  Anwendung,  in  Ausnützung  guter  Samen- 
jahre. Meist  als  Riefen-  oder  Plätzesaat;  Aussaat  am  besten  noch  im  Herbst.  Dabei 
erfolgt  allgemein,  ganz  besonders  aber  bei  Anlegung  horizontaler  Riefen  an  Hängen, 
mit  Vorteil  die  Aussaat  des  Samens  auf  den  am  Riefenrande  angehäuften  Auf- 
vrarf,  damit  die  Keimpflanzen  nicht,  wenn  in  der  vertieften  Riefensohle  stehend, 
von  Wasser  zugeflößt  und  von  Laub  etc.  überlagert  werden;  überdies  besonders  kräf- 
tige Wurzelbildung  auf  dem  Riefenrande.  Der  Aufwurf  befindet  sich  am  Hange  am 
unteren  Riefenrande. 

b)  Pflanzung: 

Beim  Unterbau  meist  4 — 6jährige,  einmal  verschulte  Pflanzen.  Material  für  die 
Verschulung  liefern  die  Riefen-  und  Plätzesaaten,  sowie  die  natürlichen  Besamungen; 
andernfalls  Anlegung  besonderer  Saatbeete.  Wird  in  kontinuierlichem  Zuge  die  Um- 
wandlung auf  größeren  Flächen  durchgeführt,  so  findet  man  vielfach  Saat  und  Pflan- 
zung (je  nach  dem  Ausfall  der  Samenernte,  der  verfügbaren  Pflanzenmenge  etc.)  in 
verschiedentlich  variierter  Kombination.    Dabei  verdient  der  Altersvorsprung  der 

1)  Stell,  Das  Nersagen  der  Weißtannenverjüngung  im  mittleren  Murgtale.  Nalurwiss. 
Ztschr.  f.  Land-  und  Forstwirtschaft  1909,  S.  279,  297,  34'5. 


152  VI.  L  0  r  e  y  ,    Waldbau. 

Pflanzung  Beachtung.  Venvendung  meist  ballenloser  Pflänzlinge  unter  Benutzung  der 
Hacke.  —  Zur  Pflanzung  auf  Kahlflächen  werden  (besonders  wegen  Unkräuter\vuchs 
manchmal  stärkere,  zweimal  verschulte  Pflanzen  verwendet  (teuer!). 

Gefährdung  der  Tannenkulturen  durch  Wildverbiß. 

2.  Fichte. 

A.  Betriebsart.  Ebenfalls  zunächst  Hochwald-Holzart,  jedoch  im  Ober- 
holz des  Mittelwaldes  nicht  ausgeschlossen.  Von  der  Tanne  hinsichtlich  der  für  die 
Wahl  der  Betriebsart  hauptsächlich  in  Frage  kommenden  Momente  besonders  durch 
das  abweichende  Verhalten  in  der  Jugend  unterschieden:  raschere  Entwickelung  in 
den  ersten  Jahren,  dabei  größeres  Lichtbedürfnis  und  dementsprechend  geringere 
Ausdauer  im  Schirmdruck,  wesentlich  geringere  Gefährdung  durch  Frost  und  Hitze, 
wodurch  die  Möglichkeit  des  Anbaues  auf  der  Kahlfläche  bedingt  ist.  Dazu  kommt 
andererseits  größere  Gefährdung  durch  Sturm  und  durch  Schneebruch.  Man  findet 
die  Fichte  in  allen  Hochwaldbetriebsformen,  von  der  extremen  Kahlschlagwirtschaft 
bis  zum  eigentlichen  Femelwald.  Für  den  in  früheren  Abschnitten  mehrfach  berührten 
Kampf  pro  und  contra  Kahlschlag,  bezw.  Femelbetrieb,  Femelschlag,  Schirmschlag 
oder  Saumschlag  bildet  die  Fichte  das  hauptsächlichste  Objekt.  Man  muß  einräu- 
men, daß  der  Kahlschlagbetrieb  an  vielen  Orten  und  in  weitestem  Umfange  sehr  gute 
Erfolge  aufzuweisen  hat,  so  daß  man  ihm  gegenüber  kaum  behaupten  kann,  mit 
natürlicher  Verjüngung  würde  man  unter  den  gegebenen  Verhältnissen  noch  weiter 
gekommen  sein.  Andererseits  wäre  es  eine  Uebertreibung,  wollte  man  im  Kahlschlag 
mit  nachfolgender  künstlicher  Bestandesbegründung  allgemein  und  ohne  Einschrän- 
kung die  beste  Fichtenwirtschaft  erblicken.  Die  Sicherung  gegen  Stürme  läßt  sich 
zwar  durch  eine  sorgsame  Hiebsführung  im-  Kahlschlagbetrieb  vielleicht  am  voll- 
ständigsten erreichen,  aber  die  Belastung  der  Bestände  durch  den  Kulturaufwand, 
welchen  der  Kahlschlag  erfordert,  ist,  in  Verbindung  mit  dem  oft  befürchteten  nach- 
teiligen Einfluß  der  Bodenentblößung,  genügende  Veranlassung,  der  natürlichen 
Verjüngung  der  Fichtenbestände  für  die  geeigneten  Verhältnisse  ihr  Recht  zu  wahren. 
Will  man  sie  anwenden,  so  sind  Femelschlagbetrieb  sowie  Saumschlagverjüngungen 
in  erster  Linie  zu  wählen,  soweit  es  sich  überhaupt  noch  um  einen  Wirtschaftswald 
handelt.  Die  eigentliche  Femelform  paßt  für  die  Fichte  weit  weniger  als  für  die  Tanne. 
Gegen  den  Schirmschlagbetrieb  spricht  die  Gefahr  des  Windbruchs,  die  natürlich 
auch  bei  der  horstweisen  Verjüngung  ebensowenig  ausgeschlossen  ist  wie  beim  Saum- 
schlagbetrieb. Schon  oben  (S.  48)  wurde  darauf  hingewiesen,  daß  die  von  Wagner 
auch  für  die  Fichte  warm  empfohlene  Saumschlagverjüngung  von  Norden  herein  ge- 
rade in  der  Sturmgefährdung  eine  ihrer  schwachen  Seiten  hat.  In  schutzbedürftigen 
Hochlagen  ist  der  Kahlschlag  oft  ganz  ausgeschlossen.  Ueberhaupt  hängt  die  Ent- 
sclieidung  zwischen  den  im  allgemeinen  möglichen  Betriebsformen  ganz  wesentlich 
von  der  Oertlichkeit  ab.  Frische  Böden  sind  meist  der  natürhchen  Besamung  günstig. 
Hinreichende  Auslichtung  der  Bestände  vorausgesetzt,  stellt  sich  Besamung  auf  sol- 
chen Böden  leicht  ein  und  hält  sich  bei  wenig  künstlicher  Nachhilfe  so  gut,  daß  die 
natürliche  Verjüngung  ohne  besondere  Besamungsschläge  gelingt.  Die  Nachteile, 
welche  dem  Kahlschlagbetrieb  anhaften  können,  werden  durch  sofortigen  Anbau  mit- 
telst Pflanzung  unter  Anwendung  besten  Pflanzmaterials  auf  ein  Minimum  reduziert. 
Umtriebszeit  80 — 120  Jahre,  Ertragsverhältnisse  ähnlich  wie  bei  der  Tanne;  doch 
sind  schwächere  Sortimente  der  Fichte  weit  besser  verwertbar  (Hopfenstangen,  Pa- 
pierholz, geringe  Baustämme),  weshalb  auch  niedrigere  Umtriebszeiten  örtlich  noch 
sehr  wohl  zulässig  sein  können.  Ueberdies  beeinflußt  dieser  Umstand  nicht  selten  den 
Durchforstungsbetrieb.  Die  Bedeutung  der  Fichte  als  Mischholzart  ist  früher  erörtert. 


Die  Beslandesbegründung.     §  69.  153 

B.  Verjüngung. 

Wie  schon  aus  dem  Vorstehemlen  hervorgeht,  treten  bei  der  Fichte  alle  für  ein  Nadelholz 
überhaupt  in  Frage  kommenden  \erjüngungsmöglichkeiten  in  lebhafte  Konkurrenz,  haupt- 
sächlich deshalb,  weil  hier  die  Freilandskultur  in  den  meisten  Fällen  ebenso  möglich  ist,  wie  die 
N'erjüngung  unter  einem  Oberstand.  Es  handelt  sich  vielfach  nur  um  ,,gul"  und  ,, besser". 
Neben  gewissen  allgemeinen  Grundsätzen  sind  vorzugsweise  bei  der  Fichte  örtliche  Erwägungen 
von  Fall  zu  Fall  entscheidend,  und  es  ist  begreiflich,  daß  gerade  über  ihren  .\nbau  von  jeher 
lebhaftester  Meinungsaustausch  stattgefunden  hat. 

1.  Natürliche  Verjüngung. 

Die  neuerdings  wieder  melir  als  seither  geltend  gemachten  Gründe  zu  gunsten 
der  natürlichen  Aerjüngung  sind  in  der  Hauptsache  die  allgemein  gegen  den  Kahlhieb 
sprechenden  und  betreffen  vornehmlich  den  Bodenzustand  ^).  Eigentlicher  Femel- 
betrieb, abgesehen  von  höheren  Gebirgslagen,  selten;  Schirmschlagbetrieb  oder  Fe- 
melschlagbetrieb  ist  Regel,  letzterer,  wenn  die  ausgesprochene  Absicht  vorliegt, 
einen  ungleichförmigen  Bestand  nachzuziehen.  Im  ganzen  muß  die  ^^erjüngung  in 
rascherem  Tempo  geführt  werden  wie  bei  der  Tanne.  Der  junge  Aufwuchs  der  Fichte 
verlangt  baldigst  einen  bedeutenderen  Lichtgenuß  (Modifikationen  je  nach  Oertlich- 
keifi,  mithin  meist  stärkere  Eingriffe  schon  in  Gestalt  von  Vorbereitungshieben  und 
demnächst  auch  rascheres  Nachhauen.  —  \"erjüngung  durcii  Randbesamung,  wenn  je, 
so  ana  ersten  bei  der  Fichte  noch  zulässig  (siehe  §  38). 

So  sehr  von  vielen  Seiten  die  natürliche  Verjüngung  empfohlen  wird,  so  entschieden 
darf  man  sich  andererseits  darauf  berufen,  daß  durch  künstlichen  .'\nbau  in  großer  .Ausdehnung 
tadellose  Bestände  erzielt  worden  sind.  Zumal  dort,  wo  im  Gegensatz  zu  großen  zusammenhängen- 
den Kahlhieben,  mit  Schmalschlägen  operiert  wird,  die  nicht  alljährlich,  sondern  erst  nach 
mehrjährigen  Zwischenräumen  aneinandergereiht  werden,  bedarf  es  der  natürlichen  Verjüngung 
nicht.  Ob  letztere  in  allen  Fällen  das  Ziel  billiger  (event.  kostenlos)  erreichen  läßt,  ist  im  Hinblick 
auf  das  oft  überraschend  gute  Wachstum  künstlicher  Kulturen  mindestens  fraglich.  Ueberdies 
wird  der  Besamung  von  nicht  wenigen  Wirtschaftern  die  wünschenswerte  Sicherheit  abgesprochen : 
die  Fichte  sei  launisch  in  bezug  auf  die  Besamung.  —  Ungleichaltrige  Bestände,  wie  sie  der 
Femelschlagbetrieb  liefert,  werden  auch  bei  der  Fichte  von  manchen  bevorzugt;  sie  sollen  (cfr. 
z.  B.  Engler)  die  ^"o^teile  von  gemischten  Beständen  ersetzen. 

2.  Künstliche  Bestandesgründung. 

Die  Frage,  ob  Saat  oder  Pflanzung  vorzuziehen  ist,  wird  verschieden  beantwortet. 
Saat  soll  mehr  Schutz  gewähren  gegen  Rüsselkäfer  und  auch  gegen  Wild;  auch  für 
Loshiebe  (Schmalstreifen)  sei  oft  Saat  besser,  wogegen  auf  großen  Kahlschlägen  die 
Pflanzung,  event.  mit  schmalen  Saatstreifen  längs  des  Altbestandes,  vorzuziehen  sei  -). 
Im  großen  ganzen  ist  die  Saat  von  der  Pflanzung  aber  verdrängt  worden:  es  gibt 
Fichtengebiete,  wo  man  die  Saat  kaum  mehr  kennt.  (Vgl.  die  .Abwägung  der  Vorzüge 
und  Nachteile  zwischen  Saat  und  Pflanzung  S.  84)  ^). 

a)  Saat:  Als  \'ollsaat.  Riefen-  und  Plätzesaat,  erstere  im  ganzen  seltener. 
Spezialfall  der  Vollsaat  z.  B.  im  früheren  württembergischen  Waldfeldbau,  Forst 


1)  D  i  m  i  t  z,  Wie  erhält  sich  die  Fichte  in  Gebirgsforsten  der  nördlichen  Kalkalpen  zum 
Femelschlag-  und  Lichtungsbetriebe?  Zbl.  f.  d.  ges.  Forstw.  1901,  511.  —  E  n  g  1  e  r,  Verjüngung 
der  Rottannenbestände.  Schweiz.  Ztschr.  f.  Forstw.  1899,  1.  —  Martin,  Folgerungen  usw. 
5.  Bd.  1899,  die  Fichte.  —  B  r  o  i  1  1  a  r  d,  Revue  des  eaux  et  forgts  1897.  —  B  e  r  n  f  u  s,  Die 
Saumschlagwirtschaft  im  Fichlenhochwalde.  Oesterr.  Vierteljahresschr.  1905,  13.  —  W  a  g  n  e  r, 
Räumliche  Ordnung,  2.  Aufl.  1911. 

2)  Vergl.  Neumeister,  Thar.  Jahrb.  1889,  105. 

3)  Neuestens  ist  namentlich  den  Fichtenpflanzungen,  gegenüber  der  natürl.  Verjüngung, 
die  Bildung  zahlreicher  Doppelgipfel,  die  ungünstigere  Beastung,  stärkere  Rotfäule  etc.  vorge- 
worfen worden.  —  Vergl.  Grasmann,  Beobachtung  in  Fichtenpflanzbeständen  (Forstw. 
Zentralblatt  von  1886,  S.  560  ff.),  G  r  a  s  m  a  n  n,  Entgegnung  an  Rommel  (Allg.  F.-  u.  J.-Z.  v. 
1887,  S.  130),  dagegen  für  die  Pflanzung  Dr.  S  t  o  e  l  z  e  r,  ,,Zur  Frage  der  Rätlichkeit  des  Fichten- 
anbaues durch  Pflanzung"  (Forstw.  Zenlralbiatt  v.  1887,  S.  404)  —  Martin,  Folgerungen  .  .  ., 
5.  Bd.  1899,  Die  Fichte.  . —  E  n  g  1  e  r,  „Verjüngung  der  Rottannenbestände,  Schweiz.  Zeitschr. 
1899,  1.  —  B  r  o  i  I  1  a  r  d,  Revue  des  eaux  et  forSts,  1897. 


154  VI.  L  0  r  e  y  ,    Waldbau. 

Ochsenhausen  1).  —  Gelegentlich  auch  Fichten-Danimsaat  ^j :  Aussaat  auf  erhöhte 
Saatstellen  (analog  der  Hügelung  beim  Pflanzen)  bei  undurchlassendem,  tonigem 
Untergrund  und  starker  Grasnarbe.  Dämme  %  ^i  breit,  10—15  cm  hoch,  1.5  m  Ab- 
stand von  Mitte  zu  Mitte. 

b)  Pflanzung:  Als  Einzel-  und  als  Büschelpflanzung;  als  Loch-  und  als 
Hügelpflanzung,  event.  auf  Rabatten;  mit  2— 6jährigen  Pflänzlingen  (mit  oder  ohne 
Ballen),  hier  und  da  mit  noch  stärkerem  ^laterial  (bei  Nachbesserungen);  unter  An- 
wendung der  verschiedensten  Instrumente  (Buttlars  Eisen,  Spiralbohrer,  Hacke, 
Stoßspaten  etc.). 

Pflanzenmaterial  liefern  Schläge,  bezw.  Saatstellen  (z.  B.  massenhaft  die  Wald- 
felder) und  die  Pflanzenerzielmngsstätten.  In  letzteren  Erziehung  von  Saat-  und 
Schulpflanzen.  Jetzt  vielfach  Verschulen  (1-  und  2jährige  Pflanzen)  und  danach 
2jähriges  Belassen  im  Pflanzbeet.  In  windigen  Freilagen,  wie  u.  a.  auf  Hochflächen 
des  Gebirgs,  keine  zu  starken  Pflanzen  (Losrütteln  durch  den  Luftzug  vor  dem  festen 
Anwurzeln),  event.  Pflanzung  in  Löcher  oder  hinter  kleine  Schutzdämme.  —  Verband- 
weite 3)  je  nach  dem  Wirtschaftszweck  (z.  B.  Einfluß  des  Hopfenstangenhandels)  sehr 
verschieden ;  Reihenverband  findet  sich  z.B.  von  0,5  bis  1,75  oder  mehr  zu  1  Meter, 
Quadratverband  von  0,75  bis  2,0  und  mehr  Meter  (derart  weite  Verbände  natürlich 
nur  ausnahmsweise). 

Die  Frage,  ob  Einzelpflanzung  oder  Büschelpflanzung  (cfr.  auch  oben  S.  119), 
schien  ziemlich  allseitig  zu  gunsten  der  Einzelpflanzung  erledigt,  als  sie  bei  Ge- 
legenheit der  Versammlung  deutscher  Forstmänner  zu  Braunschweig  1896,  den  meisten 
Anwesenden  unvermutet,  wieder  aufgeworfen,  und  dabei  von  manchen  Seiten  die 
Büschelpflanzung  befürwortet  wurde.  Als  Regel  kann  die  letztere  jedenfalls 
nicht  gelten*).  Mindestens  ist  dabei  der  Fehler,  daß  zu  viele  Pflanzen  in  1  Büschel 
vereinigt  werden,  zu  vermeiden.  —  Wie  bei  jeder  Pflanzung,  so  ist  bei  der  Fichte  ganz 
besonders  vor  zu  tiefem  Einsetzen  des  Pflänzlings  in  den  Boden  zu  warnen.  —  Für 
Moor-  und  Torfböden  wird  Ballenpflanzung  auf  Rabatten  bes.  empfohlen  3). 

3.  K  i  e  f  e  r. 

A.Betriebsart.  Auch  bei  dieser  Holzart  ist  die  Wahl  der  Betriebsart  ziem- 
lich gleichbedeutend  mit  der  Art  der  ^'erjüngung.  In  der  Konkurrenz  zwischen  Natur- 
und  Kunstverjüngung  hat  im  allgemeinen  der  Kahlschlagbetrieb  gesiegt  und  ist  in 
der  zweiten  Hälfte  des  19.  .Jahrhunderts  zur  herrschenden  Verjüngungsmethode  ge- 
worden. Erst  in  neuerer  Zeit  •*)  haben  sich  unter  der  Wirkung  von  mancherlei  Miß- 
erfolgen, die  sich  bei  der  Kunstverjüngung  auf  Kahlflächen  herausstellten  und  die 

1)  Vergl.   AUg.   F.-  u.    J.-Z.    von    1884,    S.    341. 

2)  Vergl.    Schulze,    Fichtendammsaat.    Tharander   Jahrbuch   1837,    S.    92  ff. 

3)  Vergl.  Martin,  Die  Regelung  des  Wachsraumes  bei  der  Begründung  und  Durchfor- 
stung von  Fichtenbeständen.     Ztschr.  f.  Forst-  und  Jagdw.  1905,  419. 

4)  Vergl.  Kunze,  Ueber  den  Einflul3  der  Anbaunietliode  auf  den  Ertrag  der  Ficlite.  Thar. 
Jahrb.  1895,  45;  1902,  1;  1907,  1. 

5)  Otto,   Deutsche  Forst-Zeitung   1899,   230. 

6)  Vergl.  Borggreve,  Holzzucht  S.  196  ff.  Daselbst  -nird  die  Rückkehr  zur  natürl. 
Verj.  gefordert  und  zwar  mit  einer  verhältnismäßig  dunklen  Schlagstellung;  Gesamtverjüngungs- 
zeit  10 — 20  Jahre.  Bei  entsprechend  langem  Zuwarten  soll  man  genügenden  Anflug  erhalten. 
—  Vergl.  auch  D  a  n  o  k  e  1  m  a  n  n,  Zeitschr.  f.  F.  u.  J.  1887  S.  64  ff.,  sowie  Pfeil,  Die  deutsche 
Holzzucht.  —  W  eise,  Mund.  Forstl.  Hefte  V,  1894,  1.  —  Stettiner  N'ersammlung  deutscher 
Forstmänner  1892.  —  Preuß.  Forstverein,  1889.  —  H  o  f  f  m  a  n  n,  Forstl.  Blätter  1889,  161. 
Zeitschr.  f.  F.-u.  Jw.  1896,  112,  378.  —  May  r,  „Studien  im  nordwestl.  Rußland",  A.  F.-u.  J.-Z. 
1900.  —  Reiß,  „Naturverjüngung  der  Kiefer",  Forstw.  Zentralbl.  1898,  5.  —  Marti  n, 
Folgerungen  .  .  .,  3.  Bd.  1896,  Die  Kiefer.  —  K  a  u  t  z  s  c  h,  Zur  Frage  der  Begründung  von 
Kiefernbeständen.  Forstw.  Zbl.  1893,  653.  —  K  i  e  n  i  t  z,  Ueber  die  N'erjüngung  der  Kiefer 
im  Besamungsschlage  usw.  AUg.  F.-  u.  J.-Z.  1878,  41.  —  D  ü  e  s  b  e  r  g,  Der  Wald  als  Erzieher  1910. 


Die  Bestandesbegründung.     §  69.  155 

hauptsäcldich  auf  Rechnung  von  Engerling,  Schütte  und  Dürre  zu  stellen  sind, 
wiederum  Stimmen  zu  gunsten  der  natürlichen  Verjüngung  durch  Schirmschlag-  oder 
Femelbetrieb  erhoben.  In  jüngster  Zeit  hat  Düesberg  in  seinem  Buche  ..Der 
Wald  als  Erzieher"  als  erstrebenswertes  Ziel  für  den  Kiefernwald  das  Bild  eines  plan- 
voll zusammengesetzten,  nach  der  Sechseekschablone  aufgebauten  Plenterwaldes  ent- 
worfen. Der  Verwirklichung  dieses  Idealwaldes  stehen  aber  nicht  zu  behebende 
Schwierigkeiten  entgegen.  Der  Kiefernzüchter  wird  es  immer  mit  dem  mehr  gleich- 
altrigen Hochwald  zu  tun  haben,  gleichviel,  ob  dieser  aus  Natur-  oder  Kunstver- 
jüngung hervorgegangen  ist.  Umtriebszeit  sehr  wechselnd,  von  50  und  60  bis  zu  100 
und  120  Jahren,  vom  Standort  weniger  beeinflußt,  als  vom  Wirtschaftszweck,  der 
Absatzgelegenheit  usw.  Höhere  Umtriebe  sind  auf  geringen  Böden  wegen  der  früh- 
zeitigen natürlichen  Auslichtung  nicht  am  Platze.  Auf  besseren  Böden  kann  Ueber- 
haltbetrieb  zur  Erzeugung  von  Starkhölzern  mit  und  ohne  Unterbau  in  Betracht 
kommen.  Doch  ist  die  Gefahr  des  Windbruchs  hierbei  zu  beachten.  Mittlere  Leistung 
des  geschlossenen  Hochwaldes  4 — 5  fm  Durchschnittszuwachs  im  80-  bis  lOOjährigen 
Umtrieb;  mittlere  Höhe  ca.  20 — 25  Meter. 
B.  Verjüngung. 

1.  N  a  t  ü  r  1  i  c  h  e  V  e  r  j  ü  n  g  u  n  g.  Die  meist  schlagweise,  hier  und  da  auch 
wohl  mehr  hörst-  und  gruppenweise  durchgeführte  natürliche  \'erjüngung  der  Kiefer 
ist  auf  besseren  Standorten  zulässig  und  vollzieht  sich  um  so  leichter,  je  luftfeuchter 
das  Klima  ist  (Ostpreußen,  russ.  Ostseeprovinzen,  Schweden).  Vorbereitungshiebe 
sind  infolge  der  von  selbst  eintretenden  Auslichtung  der  älteren  Kiefernbestände 
meist  nicht  nötig.  Eher  empfiehlt  sich  bis  zur  Samenschlagstellung  möglich.stes 
Dunkelhalten  des  Bodens,  weil  stärkerer  Unkrautwuchs  der  Verjüngung  höchst  nach- 
teilig ist.  Wenn  sich  Jungwuchs  eingestellt  hat,  ist  verhältnismäßig  rasche  Nachlich- 
tung mit  Rücksicht  auf  das  Lichtbedürfnis  der  Kiefer  notwendig.  Langes  Belassen 
der  Samenbäume  zum  Zwecke  der  Ausnutzung  von  Lichtungszuwachs  lohnt  sich 
nicht,  sondern  führt  zu  ungleicher  Entwickelung  der  Verjüngung  und  damit  zur 
Sperr^\^Jchsbildung.  Beihilfe  durch  Saat  oder  Pflanzung  auf  Fehlstellen  ist  dem  langen 
Warten  auf  vollständigen  Anflug  vorzuziehen. 

Der  Kampf  um  die  natürliche  ^'el■jüngung  der  Kiefer  war  bisweilen  ein  recht  heftiger; 
in  der  letzten  Zeit  ist  dieser  Frage  gegenüber  wieder  mehr  Ruhe  eingetreten.  Man  wird  die 
natürl.  Verjüngung  unter  für  sie  günstigen  ^'erhältnissen  nicht  ausschließen,  sondern  sie 
als  unter  Umständen  willkommene  Zugabe  zur  künstlichen  Bestandesbegründung  betrachten. 
Das  von  manchen  Seiten  empfohlene  geduldige,  lange  Zuwarten  ■ —  (oft  reichen  20 — 25 
Jahre  noch  nicht  zur  vollständigen  Besamung  einer  Abteilungsfläche  hin!)  —  kann  gegen- 
über der  Raschheit  und  Sicherheit,  mit  der  in  vielen  Fällen  die  künstliche  Bestandesbegründung 
erfolgt,  nicht  gutgeheißen  werden.  Hochanstehender  Grundwasserspiegel,  Bodenverwundung 
durch  "\Valdweide,  Streunutzung  begünstigen  die  natürl.  Besamung.  Auch  wird  der  angeflogenen 
jungen  Kiefer  große  Entwicklungs-  und  Widerstandsfähigkeit  nachgerühmt.  Oertlich,  zumal 
bei  hoher  Luftfeuchtigkeit,  erträgt  sie  selbst  Schirmdruck.  Auf  kleinen  Löchern  fliegt  Kiefer 
besonders  leicht  an,  auf  Lücken  in  Stangenhölzern  und  angehenden  Baumorten.  Immerhin 
liefert  sie  gerade  dann  stets  horstförmig  differenzierte  Bestände,  die  sich  bei  der  Kiefer  wohl  am 
wenigsten  empfehlen. 

2.  Künstlicher  Anbau. 

Sowohl  die  Saat  wie  die  Pflanzung  hat  ihre  Vertreter.  Viele  sind  der  Meinung, 
daß  der  Saat  vor  der  Pflanzung  der  Vorzug  zu  geben  ist,  wenn  die  Verhältnisse  die 
Saat  gestatten. 

a)  Saat:  Meist  unter  Verwendung  entflügelten  Samens,  hin  und  wieder  auch 
Zapfensaat.  In  beiden  Fällen  kann  Vollsaat  wie  stellenweise  Saat  zur  Anwendung 
kommen.  Vollsaat  bedingt  einen  nur  schwach  benarbten  Boden,  der  keiner  oder  nur 
geringer  Bearbeitung  (mit  der  Egge)  bedarf.    Verheidete  oder  verunkrautete  Böden 


156  IV.  Lorey,    Waldbau. 

erfordern  Bodenbearbeitung  und  werden  zweckmäßigerweise  durch  Streifensaat  in 
Kultur  gebracht.  In  diesem  Falle  ist  Verwendung  des  Pfluges  (Eckert'scher  Wald- 
pflug) zur  Entfernung  des  Bodenüberzuges  und  zur  Bodenlockerung  meist  billiger  als 
Hacken  der  Saatstreifen.  Unter  Umständen  Verwendung  des  Weber'schen  Wald- 
grubbers. Plätzesaat  (Anwendung  von  Hacke,  Kreisrechen)  meist  ebenso  selten  wie 
Vollsaat,  im  allgemeinen  auf  ungünstige  Bodenverhältnisse  beschränkt.  Zapfensaat  ^) 
ist  zwar  insofern  vorteilhaft,  daß  der  Samen  nicht  geklengt  werden  muß  und  deshalb 
in  seiner  Güte  weniger  leidet,  ist  aber  infolge  großen  Zapfenbedarfes  zu  teuer,  setzt 
trockene,  warme  Witterung  voraus  und  führt  leicht  zu  ungleichmäßiger  Saat.  Ge- 
klengter  Samen  ist  möglichst  zeitig  im  Frühjahr  auszusäen;  bei  größeren  ebenen  Flä- 
chen empfiehlt  sich  Verwendung  von  Säemaschinen  (Drewitz). 

b)  Pflanzung^).  Erfolgt  mit  ballenlosen  Pflänzlingen  und  mit  Ballen- 
pflanzen. Zumeist  unverschulte  einjährige  Pflanzen,  ab  und  zu  auch  verschulte  2- 
oder  3jährige.  Verwendung  stärkerer  Pflanzen  bei  Nachbesserungen  bezw.  sehr  gras- 
wüchsigen  Kulturen  angezeigt;  hier  auch  die  früher  in  großem  Umfange  angewendeten, 
im  Erfolg  vorzüglichen,  aber  teuren  Ballenpflanzen  richtig.  Zur  Pflanzung  mit  schwä- 
cheren ballenlosen  Pflanzen  Anwendung  verschiedener  Instrumente:  Pflanzdolch, 
Keilspaten,  Setzholz,  Spitzenbergs  Pflanzholz,  Buttlar-Eisen,  Wartenbergs  Stiel- 
eisen, Pflanzspaten,  hauptsächlich  also  von  Werkzeugen  zu  Klemm-  und  Spaltpflan- 
zungen. Die  mit  diesen  Pflanzmethoden  leicht  verbundenen  Beschädigungen  und 
Quetschungen  der  Wurzeln  haben  die  Spaltpflanzungen  etwas  in  Mißkredit  ^)  gebracht 
und  haben  zur  Bevorzugung  der  Handspaltpflanzung  geführt.  Wo  Klemmpflanzung 
infolge  Fehlens  lockeren  Bodens  nicht  am  Platze,  hat  sich  neuerdings  Pflanzung  mit 
dem  Splettstößer'schen  Zangenbohrer  als  billige  und  jeder  Klemmpflanzung  über- 
legene Pflanzmethode  gezeigt.  Meist  Reihenpflanzung  in  Grabe-,  Hack-,  Untergrund- 
pflug- oder  Grubberstreifen,  auf  graswüchsigen  Böden  Pflanzung  auf  Pflugwällen 
beliebt  und  erfolgreich  *).  Streifenbreite  30  bis  40  cm,  Abstand  der  Streifen  von  Mitte 
zu  Mitte  1  m  bis  1,5  m,  Pflanzenabstand  in  den  Streifen  30 — 50  cm.  Enger  Verband 
notwendig,  weil  sonst  Sperrwüchse. 

4.  S  c  h  w  a  r  z  k  i  e  f  e  r.  Bei  uns  nicht,  wie  in  Niederösterreich,  rein,  sondern 
nur  in  Mischung  und  dann  meist  nur  als  Vorbauholzart  auf  verödeten  Kalkhängen; 
Pflanzung  2 — Sjähriger  Pflanzen. 

5.  Weymouthskiefer^).  Geeignet  für  Rein-  und  Mischanbau,  letzterer 
meist  bevorzugt.  Natürliche  Verjüngung  infolge  öfterer  Samenjahre  und  beträcht- 
lichen Schattenerträgnisses  leicht  möglich ;  in  der  Regel  aber  künstlicher  Anbau  durch 
Pflanzung  mit  2 — 3jähr.  verschulten  oder  auch  Ijähr.  unverschulten  Pflanzen. 

6.  Berg-,  Pech-  und  Bankskiefer.  Vor-  und  Zwischenbauholzarten 
oder  rein  bei  Oedlandsaufforstungen,  Dünenbefestigungen  usw.  Pflanzung  Regel. 

1)  V.  A  1  e  m  a  n  n,  Ueber  Forstkulturwesen,  3.  .^ufl.  1884  S.  65  ff.  —  D  i  1 1  m  e  r,  Kiefern- 
zapfensaat.   Ztschr.  f.  F.-  u.  Jw.  1897,  263. 

2)  Splettstößer,  Einfluß  unserer  Kulturmethoden  auf  das  Absterben  der  Kiefer. 
Ztschr.  f.  F.-  u.  Jw.  1908.  689.  —  K  r  a  n  o  1  d,  Die  Kiefern-Zangenbohrer-Pflanzung,  das.  1911, 
S.  358.  —  Möller,  Versuch  zur  Bewertung  von  Kiefernpflanzmethoden,  das.  1910.    S.  629. 

3)  Vergl.  M  u  h  1,  Zur  Ehrenrettung  des  Kiefern- Jährlings.  Allg.  F.-  u.  J.-Z.  von  1886  S.  221  ff., 
woselbst  die  neuere  Literatur  über  die  Frage  nachgewiesen  ist.  —  Danckelmann,  Hand- 
spaltpflanzung von  Kiefern-Jährlingen,  Zeitschr.  f.  F.  u.  J.  1889,   S.  35. 

4)  Scott-Preston,   Zeitschr.  f.   F.  u.   J.   1888,   512. 

5)  W  a  p  p  e  s.  Zur  Kenntnis  und  Würdigung  der  Weymouthskiefer.  AUg.  F.-  u.  J.-Z. 
1897.  8,  51,  365.  D  e  r  s.,  Forstl.  naturw.  Ztschr.  1896,  205:"Natürl.  Verjüngung  der  W-kiefer 
im  Pfälzer  Wald  in  440  m  Meereshöhe.  —  Grundner,  Vergleichende  Untersuchungen  über  die 
Bestandesentwicklung  bei  der  gemeinen  Kiefer  und  der  Weymouthskiefer.  Thar.  Jhrb.  1901, 
114.  ■ —  Bericht  12.  Vers,  deutscher  Forstmänner  1883,  86. 


Die  Beslandesbegründung.     §  70.  157 

7.  L  ä  r  c  h  e.  Am  besten  vorwüchsiges  Mischholz  im  Hochwald  oder  Oberholz 
im  Mittehvald.  Reine  Bestände  wegen  geringer  Bodenpflege  ungeeignet;  wenn  sie 
vorkommen,  ist  frühzeitiger  Unterbau  nötig. 

Unter  gegebenen  Bedingungen,  z.  B.  in  frischen,  sonnigen  Gebirgslagen,  stellt 
sich  Anflug  ein,  so  daß  sich  die  natürhche  Verjüngung  leicht  vollzieht.  Doch  meist 
künstlicher  Anbau  und  zwar 

a)  S  a  a  t:  belmfs  Einsprengung  der  Lärche  in  andere  Holzarten,  entweder  breit- 
würfig  oder  als  Plätzesaat  (z.  B.  2  kg  Lärchen-  und  5  kg  Kiefernsamen  zur  Erzielung 
einer  Mischung  der  Kiefer  mit  der  Lärche  im  Verhältnis  von  etwa  5  :  1,  da  Lärchen- 
samen meist  wesentlich  geringere  Keimfähigkeit  hat  als  die  Kiefer) ; 

b)  Pflanzung:  meist  verschultes  Material  (3 — 4jährig,  seltener  als  stärkerer 
Heister  und  dann  zweckmäßig  unter  Einstutzen  der  unteren  Zweige ;  es  kommt  darauf 
an,  daß  die  Lärche  ihrer  Umgebung  voraneilt).  Anwendung  der  Hacke.  Gewöhnlich 
eingesprengt  in  andere  Holzarten  (Laubholz-  wie  Nadelholzbestände,  Mittehvald), 
einzeln  oder  horstweise  oder  in  Reihen,  an  Wegrändern  usw. 

III.  Gemischte  Bestände. 

§  70.  Angaben  über  die  leitenden  Gesichtspunkte  finden  sich  bereits  im  ersten 
Abschnitt,  HI,  §  10  flgde.  Ueber  die  x\usführung  der  Kulturen  ist  besonders  zu  be- 
merken, daß  den  langsam  wüchsigen  Holzarten  der  erforderliche  Vorsprung  vor  ihrer 
Umgebung  zu  gewähren  ist.  Dazu  dient  ganz  besonders  der  Voreinbau  auf  Löchern 
und  Blößen ;  namentüch  die  Eiche  pflegt  man  auf  diese  Weise  mittelst  Saat  oder 
Pflanzung  in  die  Buchenbestände  einzumischen.  In  derartige  Löcher  köimen 
auch  Ahorn  und  Eschen  im  ersten  Stadium  der  Buchenverjüngung  in  die  Buchenbe- 
stände eingebracht  werden.  Ebenso  ist  bei  der  Absicht  einer  Einmischung  der 
Weißtanne  und  Buche  in  die  Fichtenbestände  zu  verfahren  ^) .  Der  Femel- 
schlagbetrieb  bietet  hierzu  die  beste  Gelegenheit. 

Die  Anwendung  der  Pflanzung  stärkerer  Exemplare  findet  ihre  Stelle,  wenn  in 
den  Buchenverjüngungen  die  edlen  Holzarten  erst  nach  erfolgter  Ansamung  der 
Buche  eingebracht  werden.  In  diesem  Falle  kann  ihnen  der  ei-wünschte  Vor- 
sprung nur  durch  Einpflanzung  gut  verschulter  kräftiger  Heister  gewährt  werden. 
Ebenso  pflanzt  man  Kiefern  und  Lärchen  systematisch  in  die  Buchenverjüngungen 
ein.  \A'ählt  man  hierbei  kräftige  Pflanzen,  so  arbeiten  sich  diese  durch  den  Buchen- 
wnchs  hindurch,  erlangen  Schaftreinheit  und  geben  hochwertige  Nutzhölzer.  Fichten 
pflanzt  man  wegen  der  größeren  Schwierigkeit  ihrer  Schaftreinigung  besser  in  Gruppen 
auf  größeren  Fehlstellen  nach  erfolgter  Räunmng,  insbesondere  auf  Stellen  mit  ver- 
wildertem Boden. 

Die  Herstellung  der  Mischung  von  Kiefer  und  Fichte  erfolgt  auf  Kahl- 
schlägen durch  gleichzeitigen  .\nbau  beider  Holzarten,  entweder  getrennt  nach  den 
Unterschieden  des  Standorts,  oder  in  gleichmäßiger  Mischung,  besonders  durch  Saat. 

1)  Vergl.  G  a  y  e  r,  Der  gemischte  Wald  1886.  Darin  sind  aucti  liinsiclitlich  der  Kultur 
eine  Menge  äußerst  schätzbarer  Erörterungen  niedergelegt.  -Als  wesentlichstes  Mittel  der  Erhal- 
tung wertvoller  Beslandesniischungen  betrachtet  Gayer  den  \"  o  r  b  a  u,  bei  welchem  die  Misch- 
holzart vor  .\berntung  des  jetzt  vorhandenen  Bestandes  eingebracht  wird.  Der  eingesprengten 
Holzart  wird  dadurch  (neben  horstweiser  Isolierung,  für  welche  bekanntlich  G.  im  allgemeinen 
eintritt)  ein  Altersvorsprung  gegeben,  hinreichend,  um  ihre  Erhaltung  wenigstens  bis  zur  ersten 
Durchfürstung  zu  sichern.  Von  da  ab  kann  die  Bestandespflege  einsetzen.  Warum  dabei  auch 
der  künstliche  Voranbau  der  einzelnen  Horste  innerhalb  einer  Abteilung  grundsätzlich  nach 
und  nach  erfolgen  soll,  ist  nicht  recht  ersichtlich.  Die  üngleichförmigkeit  im  einzelnen  Bestände 
sollte  nicht  weiter  gehen,  als  erforderlich  ist,  um  die  vollkräftige  Entwicklung  des  Misch- 
wuchses zu  gewährleisten. 


158  ^ '■  Lorey,    Waldbau. 

Doch  ist  ZU  beachten,  daß  die  Kiefer  hierbei  leicht  vorwüchsig  und  sperrig  wird,  wenn 
sie  nicht  in  dichter  Stellung  erwächst,  so  daß  sie  in  Schluß  kommt.  Ein  Uebermaß 
der  Beimischung  von  Fichten  ist  hier  vom  Uebel. 

In  allen  Misclumgen  ist  eine  sorgfältige  Bestandespflege  von  größter  Wichtigkeit. 

Durch  Vorkultur  eines  Schutzholzes,  insbesondere  der  Birke,  hat  man  unter 
nachträglichem  Anbau  des  Nadelholzes  ebenfalls  gemischte  Bestände  er- 
zogen, so  z.  B.  in  Bayern  auf  den  ausgedehnten  durch  Nonnenfraß  entstandenen  Kahl- 
schlägen. Der  ,, Vorwald"  gewährt  den  später  emportreibenden  Hauptholzarten 
Schutz  gegen  Frost,  Hitze  etc. 

Die  Ergänzung  des  Oberholzes  im  ^littelwald,  meist  durch  Pflanzung  von 
Heistern  (Esche,  Ahorn,  Eiche),  sowie  von  Nadelhölzern,  besonders  Lärchen,  kann  auch 
als  eine  Begründung  gemischter  Bestände  angesehen  werden. 

VierterAbschnitt. 
Die  Bestandeserziehung. 

V  0  r  b  e  m  e  r  k  u  n  g  e  n. 

§  71.  Alle  waldbaulichen  Maßnahmen,  welche  von  der  Bestandesbegründung  an 
bis  zum  Zeitpunkt  der  Hiebsreife  oder  allgemeiner  bis  zu  den  direkt  auf  Begründung 
eines  Neubestandes  abzielenden  Wirtschaftsoperationen  vorgenommen  werden,  ge- 
hören in  das  Gebiet  der  Bestandeserzieliung.  Die  Bestandesbegründung  ist  beendet, 
sobald  der  Boden  mit  derjenigen  Menge  entwickelungsfähiger  junger  Individuen  be- 
deckt ist,  welche  für  das  Heranwachsen  eines  den  Wirtschaftszwecken  entsprechenden 
neuen  Bestandes  erforderlich  ist.  Außer  der  ersten  Bestandesanlage  gehören  also  zur 
Bestandesbegründung  auch  alle  Nachbesserungen,  sowie  die  allmähliche  Entnahme 
des  bei  der  natürlichen  Verjüngung  zunächst  verbliebenen  Oberstandes.  Hingegen 
sind  alle  diejenigen  Eingriffe,  welche  planmäßig  in  die  Substanz  des  neu  ei-wachsenden 
Bestandes  erfolgen,  als  Maßnahmen  der  Bestandeserziehung  aufzufassen.  Beim  Femel- 
betrieb läßt  sich  eine  scharfe  Scheidung  beider  Kategorien  von  Wirtschaftsoperatio- 
nen nicht  leicht  durchführen. 

Aufgabe  aller  Bestandeserziehung  oder  Bestaudespflege  ist  es,  die  Entwickelung 
der  Bestände  so  zu  leiten,  daß  sie  dem  Wirtschaftszweck  möglichst  vollkommen 
entsprechen.  Damit  dies  Ziel  erreicht  werde,  müssen  nicht  nur  alle  Gefahren  fern  ge- 
halten und  die  nachteiligen  Wirkungen  etwa  eingetretener  Beschädigungen  auf  ein 
möglichst  geringes  Maß  reduziert  werden,  sondern  es  muß  auch  der  in  ungefährdetem 
Wachstum  stehende  gesunde  Bestand  innerhalb  des  durch  den  Wirtschaftszweck  ge- 
gebenen Rahmens  der  höchstmöglichen  Leistung  zugeführt  werden. 

Durch  die  Betonung  des  Wirtschaftszweckes  ist,  weil  dieser  wechseln  kann,  die 
starre  Schulregel  vermieden.  Der  Wirtschaft  wird  eine  gewisse  Beweglichkeit  gewahrt 
und  dem  Willen  des  Waldbesitzers,  dessen  Interessen  an  verschiedenen  Orten  und 
unter  verschiedenen  Umständen  sehr  von  einander  abweichende  sein  können,  wird  der 
nötige  Spielraum  gesichert.  Es  kommt  also  vor  allem  darauf  an,  die  wirtschaftlichen 
Ziele,  welche  zu  verfolgen  sind,  klar  zu  stellen.  Im  allgemeinen  hat  man  das  Ziel  der 
Wirtschaft  in  der  höchsten  Rentabilität  des  Betriebes  zu  erblicken.  Da  in  den 
meisten  Fällen  dem  Nutzholz  der  höhere  Wert  zukommt,  und  unter  dieser  Gesamt- 
rubrik wiederum  die  stärkeren  Stangen  und  das  Stammholz  in  guter  marktfähiger 
Ware  (bestimmte  Länge  und  Stärke,  Geradschaftigkeit  und  Astreinheit)  gewöhnlich 
den  Ausschlag  geben,  so  kann  man,  wenigstens  für  die  meisten  Hochwaldungen,  un- 


Die  Beslandeserziehung.     §  72.  I59 

bedenklich  die  Anzucht  niögUchst  vielen  und  guten  Langnutzholzes  als  ^^'irtschafts- 
zweck  hinstellen,  zumal  in  neuerer  Zeit  die  immer  weitergehende  Verwendung  von 
Surrogaten  den  Brennholzmarkt  fast  überall  wesentlich  eingeschränkt  liat.  Selbst- 
redend sind  in  jedem  einzelnen  Falle  die  Absatzverhältnisse  aufs  sorgfältigste  zu  be- 
achten. Die  gewerblichen  Verhältnisse  bringen  es  nicht  selten  mit  sich,  daß  einzelne 
Sortimente  örtlich  eine  erhöhte  Bedeutung  erlangen,  infolge  deren  ihrer  .Anzucht,  so- 
fern sie  sich  nicht  schon  beim  gewöhnlichen  Betrieb  in  genügender  Menge  nebenbei 
ergeben,  besondere  Sorge  gewidmet  sein  muß.  Daß  bei  aller  Bestandeserziehung  im 
Interesse  des  heranwachsenden  Bestandes,  sowie  insbesondere  mit  Rücksicht  auf 
die  Nachhaltigkeit  der  \Mrtschaft  die  Bodenpflege  eine  hei-vorragende  Rolle  zu 
spielen  hat,  ist  selbstverständlich,  und  ist  auch  in  den  bisherigen  Erörterungen 
schon  mehrfach  betont  worden. 

Einen  Üebergang  zwischen  Bestandesbegründung  und  -erziehung  bilden  die- 
jenigen Maßregeln,  welche,  unmittelbar  an  die  Vornahme  der  Kultur  anschließend, 
die  allererste  Entwickelung  der  jungen  Pflanzen  fördern  bezw.  schützen  sollen,  z.  B. 
Ausstechen  von  Pflanzen  in  (absichtlich  oder  unabsichtlich)  zu  dichten  Saaten  i). 
Auftreiben  von  Schafherden  gegen  Stockausschläge  und  gegen  Unkraut,  Ausschnei- 
den des  Grases  zwischen  den  Saat-  und  Pflanzreihen,  Entfernen  der  Unkräuter  usw. 
Alle  diese  Maßnahmen  dienen  zwar  unzweifelhaft  schon  der  Bestandeserziehung,  kön- 
nen aber  auch  noch  als  zur  Ausführung  der  Kultur  selbst  gehörig  oder  als  direkte  Maß- 
regeln des  Forstschutzes  betrachtet  werden.  Man  bezeichnet  sie  gewöhnlich  als  Maß- 
regeln der  Kulturpflege.  Sie  sollen,  da  sie  teils  bereits  oben  (s.  S.  117  und  139)  erwähnt 
wurden,  teils  im  Forstschutz  (Gefährdungen  durch  Gewächse)  näher  gewürdigt  wer- 
den und  da  die  eigentliche  Bestandeserziehung  doch  in  und  mit  dem  auf  der  Fläche 
erwachsenden  Material  an  H  o  1  z  pflanzen  arbeitet,  an  dieser  Stelle  nicht  weiter  be- 
sprochen werden. 

Die  Bestandeserziehung  umfaßt  nach  dieser  Abgrenzung  die  A  u  s  z  u  g  s  h  a  u- 
u  n  g  e  n  ,  die  sog.  Reinigungshiebe  oder  A  u  s  1  ä  u  t  e  r  u  n  g  e  n  ,  die 
D  u  r  c  h  f  o  r  s  t  u  n  g  e  n  ,  den  Lichtungs-  und  Unterbaubetrieb, 
die    Antastungen    und    die   Maßregeln    der    B  o  d  e  n  p  f  1  e  g  e. 

Erstes  Kapitel. 
Auszugshauungen  =  Räumung  von  Ueberhältern. 

§  72.  Die  Auszugshauungen  entfernen  solche  vom  vorigen  Umtrieb  überkom- 
mene Ueberhaltstämme,  welche  nicht  geeignet  sind,  bis  zur  Hiebsreife  des  jetzigen 
Bestandes  auszuhalten.  Die  ^"eranlassung  liegt  zumeist  in  den  betreffenden  Stämmen 
selbst,  indem  sie  vorzeitig  schadhaft  werden  und  im  Zuwachs  nachlassen ;  zum  Teil 
aber  fordert  auch  die  Pflege  des  umgebenden  Bestandes,  welcher  durch  die  oft  breit- 
kronigen  .\ltholzstämme  in  seiner  Entwickelung  gehemmt  wird,  deren  Aushieb.  Es  ist 
,  zu  envägen,  ob  im  Falle  des  Stehenlassens  die  Wertsmehrung  des  Ueberhälters  für 
den  Zuwachsausfall  am  neuen  Bestände  ein  Aequivalent  bietet.  (Vgl.  die  Ausfüh- 
rungen auf  Seite  54.)  Die  Fällung  hat  mit  der  nötigen  Vorsicht  (vorheriges  Entasten 
etc.)  zu  erfolgen,  damit  der  Jungbestand  möglichst  wenig  leidet. 


1)  Auf  den  AValdfeldbauflächen  des  Württembergischen  Forsts  Oclisenliausen  wird  zur 
Fichten-Einsaat  ein  so  bedeutendes  Samenquantum,  bis  25,  ja  40  kg  pro  lia  verwendet,  daß 
die  auf  dem  sclion  vorher  durch  landwirlschal'lliche  Benutzung  gelocl<erten  Boden  meist  treff- 
lich l<eimenden  Pflanzen  nicht  alle  Platz  linden,  sondern  zum  großen  Teil  für  anderweite  Kulturen 
abgegeben  werden,  cfr.  Der  Waklfeldbaubetrieb  im  For*t  Ochsenhansen,  .\llff.  F.-u.  J.-Z.  v.  1884 
S.    341. 


JßQ  VI,  L  o  r  e  y  ,    Waldbau. 

Zweites  Kapitel. 
Die  Reinlg'ung'shiebe.  (Ausläuterungen.) 

§  73.  Als  Reinigungshiebe  bezeichnet  man  die  Entnahme  solcher  Holzgewächse, 
welchen  bei  der  Bestandesbildung  die  Mitwirkung  versagt  sein  soll.  Es  sind  dies  ein- 
mal die  Individuen  solcher  Holzarten,  deren  Anzucht  überhaupt  nicht  beabsichtigt 
ist,  sodann  von  den  das  Objekt  der  waldbaulichen  Tätigkeit  bildenden  Holzarten  die- 
jenigen Exemplare,  welchen  schon  bei  oder  bald  nach  der  Bestandesbegründung  die 
Fähigkeit  abgesprochen  werden  muß,  tüchtige  Bestandesglieder  zu  werden.  Hierher 
gehört : 

I.  D  e  r  Aushieb  von  V  o  r  w  ü  c  h  s  e  n  2)  (Wölfe).  Vorwüchse  sind  Indi- 
viduen der  den  Bestand  bildenden  Holzart,  die  sich  schon,  bevor  die  Fläche  in  Kultur 
gebracht  wurde,  auf  ihr  eingefunden  hatten  oder  die,  wenn  gleichzeitig  mit  den  um- 
gebenden Individuen  entstanden,  aus  irgend  einem  Grunde  eine  die  Nachbarn  schä- 
digende besonders  rasche  Entwickelung  zeigen.  Das  ist  z.  B.  nicht  selten  der  Fall 
bei  Stockausschlägen,  die  sich  oft  ungebührlich  vordrängen.  Es  kann  dann  die  Frage 
entstehen,  ob  man  sie  sämtlich  entfernen  oder  sie  in  beschränktem  Umfang  durch 
Belassen  einzelner  Loden  zur  Bestandesbildung  beiziehen  soll.  Frühzeitig  vorgenom- 
mener Abhieb  von  Stockloden  hat  bei  den  meisten  Holzarten,  wie  Eiche,  Ahorn  usw. 
die  Neubildung  von  solchen  und  damit  oft  neues  Bedrängen  der  umstehenden  Pflanzen 
zur  Folge.  Es  ist,  falls  gänzliches  Entfernen  beabsichtigt  wird,  oft  zweckmäßig,  wenn 
man,  gewissermaßen  um  die  Stöcke  lahm  zu  legen,  zunächst  auf  jedem  Stock  eine 
oder  wenige  Loden  stehen  läßt,  die  in  der  nächsten  Zeit  so  sehr  alle  Kraft  für  sich  in 
Anspruch  nehmen,  daß  die  ringsum  neu  entstehenden  Ausschläge  verkümmern. 
Dann  werden  die  stehengelassenen  Einzelloden,  die  inzwischen  in  ihrer  isolierten  Stel- 
lung nicht  geschadet,  sondern  im  Gegenteil  häufig  vielleicht  noch  einen  ganz  wohl- 
tätigen Schutzbestand  gebildet  hatten,  nachträglich  weggenommen.  Inzwischen  sind 
die  umgebenden  Holzpflanzen  so  weit  herangewachsen,  daß  ihnen  neu  erscheinende 
Stockausschläge  nicht  mehr  bedenklich  werden. 

In  den  meisten  Fällen  aber  handelt  es  sich  um  solche  Vorwüchse,  die  sich  vor 
der  Vornahme  der  eigentlichen  Verjüngung  eingestellt  haben.  Sie  kommen  nament- 
lich in  den  natürlichen  Verjüngungen  vor  und  rühren  hier  von  Mastjahren  her,  deren 
Ergebnis  mit  Rücksicht  auf  die  Beschaffenheit  des  Altholzes,  auf  Hiebsfolge,  Etats- 
erfüllung usw.,  also  in  der  Hauptsache  aus  Gründen  der  Forsteinrichtung,  zur  voll- 
ständigen Bestandesverjüngung  noch  nicht  verwendet  werden  konnte.  Derartige 
Vorwüchse  bedürfen  je  nach  ihrer  Beschaffenheit  einer  verschiedenen  Behandlung. 
Eine  normale  Entwickelung  zeigen  sie  meist  nur  auf  lichteren  Stellen  des  Bestandes 
und  auch  da  nur,  wenn  sie  in  Gruppen  oder  Horsten  auftreten.  Einzeln  vorkommende 
Exemplare  dehnen  sich  meist  in  Aesten  und  Wurzeln  zu  sehr  seitlich  aus,  werden 
buschartig  und  sind  nicht  befähigt,  sich  zu  guten  Nutzstämmen  zu  entwickeln.  Der 
unter  dem  Schatten  eines  noch  dichten  Kronenschinnes  in  Mastjahren  entstehende 
Vorsvuchs  vergeht,  insbesondere  bei  Buche  und  Fichte,  oft  nach  einigen  .Jahren 
wieder  vollständig.  Anders  bei  der  Tanne,  deren  Jungwüchse  so  zäh  sind,  daß  sie  sich, 


1)  Zu  vergleichen;  Trübswetter,  ,, Bedeutung  des  Vorwuchses  für  die  Begründung  und 
Formbildung  reiner  und  gemischter  Bestände";  Tharandter  Jahrbuch  35.  Bd.  S.  131  ff.  (1885). 
—  Hartwig,  „Wirtschaftliche  Bedeutung  des  sog.  Vorwuchses  bei  Begründung  und  Form- 
bildung reiner  und  gemischter  Waldbestände";  Forstw.  Zentralbl.,  1882,  S.  1.  —  Kraft,  Zur 
Sperrwuchsfrage,  Ztschr.  f.  Forst-  u.  Jagdw.  1891,  327.  —  P  a  h  1,  Die  wirtschaftliche  Bedeutung 
und  Behandlung  des  Vorwuchses.    AUg.  F.-  n,  J.-Z.  1887.  37. 


Die  Bestandeserziehung.     §  73.  161 

wenn  auch  kümmerlich  unrl  ohne  irgend  welchen  nennenswerten  Zuwaclis,  doch  lebend 
erhalten  imd  sich  dann,  wenn  durch  ^'orbereilungshiebe  usw.  die  normale  \"erjüngung 
des  Bestandes  eingeleitet  wird,  da  und  dort,  je  nach  dem  verschiedenen  Maße  der 
Lichtzufuhr  und  der  ihnen  innewohnenden  Kraft,  einzeln  oder  in  Gruppen  und  Hor- 
sten vordrängen. 

Die  Entscheidung  darüber,  ob  solche  Vorwüchse  zu  erhalten  sind  oder  nicht,  ist 
unter  zwei  Gesiciitspunkten  zu  treffen.  Zunächst  nämlich  und  vor  allem  ist  der  \'or- 
wuchs  selbst  auf  seine  Entwickelungsfähigkeit  zu  begutachten,  sodann  aber  ist  die 
Frage  zu  erwägen,  was  mit  den  zwischen  den  Vorwüchsen  vorhandenen  Lücken  ge- 
schehen soll,  ob  sich  die  auf  ihnen  (durch  Samenabfall  auf  natürliclienx  Wege  oder 
durcii  künstliche  Kultur)  entstehenden  .Jung\vüchse  zwischen  den  Vorwüchsen  freudig 
hinaufzuarbeiten  vermögen  werden  oder  nicht.  E)ie  sich  im  Walde  darbietenden  Fälle 
sind  äußerst  mannigfaltig.  Bald  ist  ein  größerer,  bald  ein  kleinerer  Teil  der  Fläche  mit 
Vorwuchs  überdeckt;  bald  hat  letzterer  einen  bedeutenden,  bald  nur  einen  geringen 
Vorsprung;  bald  sollen  die  Lücken  mit  der  gleichen,  bald  mit  einer  (vielleicht  rascher 
wüchsigen)  IMischholzart  ausgefüllt  werden.  Kranker,  vollständig  verhütteter  Vor- 
wuchs ist,  einzeln  oder  in  Horsten,  jedenfalls  zu  entfernen.  Ebenso  wird  man  einzelne 
vorwüchsige  Exemplare,  auch  wenn  sie  an  sich  gut  sind,  häufig  wegnehmen,  sofern 
ihre  fortdauernde  Pflege  (durch  Aufastung  etc.)  ausgeschlossen  erscheint  und  deshalb 
Bedrängung  der  Nachbarpflanzen  zu  erwarten  steht.  Im  übrigen  aber  soll  man  keines- 
wegs radikal  gegen  jeden  Vorwuchs  vorgehen  und  soll  nicht  der  ^'orliebe  für  gleich- 
förmige, gleichalterige  Bestände  zu  weitgehende  Opfer  bringen.  Die  Weißtannenwirt- 
schaft benutzt  die  Vorwüchse  fast  überall  schon  lange.  Dabei  ist  zu  unterscheiden 
dasjenige  Vorgehen,  bei  dem  man  den  Vorwuchs,  wie  im  Femelbetrieb,  als  den  eigent- 
lichen Träger  der  Verjüngung  betrachtet  (so  daß  die  Bezeichnung  ,, Vorwuchs"  dann 
nicht  mehr  paßt)  und  wo  dann  von  vornherein  eine  systematische  Pflege  dieser  jungen 
Anwüchse  stattfindet,  von  derjenigen  Wirtschaft  (Schirmschlagbetrieb),  bei  der  sich 
der  Anflug  bezw.  Aufschlag  als  eigentlicher  Vorwuchs  charakterisiert  und  nur  einen 
akzessorischen  Bestandteil  bildet.  Hier  kann  man  den  lebenskräftigen  Vorwuchs 
ziemlich  allgemein  benutzen,  wenn  er  nicht  über  manneshoch  ist,  weil  dann  die  Hoff- 
nung besteht,  daß  die  auf  den  freien  Plätzen  dazwischen  sich  ansiedelnden  Pflanzen 
in  genügender  Weise  nachwachsen  werden.  Höliere  Partien  können  dann  stehen  blei- 
ben, wenn  sie  als  größere  Horste  erscheinen,  die  in  sich  geschlossene  Beständchen 
darstellen  und  als  solche  im  Vergleich  zu  ihrer  Fläche  nicht  zu  viel  Randlinie  haben. 
Bei  unregelmäßigen  Figuren  der  Vorwoichshorste  kann  Abrundung  zweckmäßig  sein. 
Üeberhaupt  erfordert  der  Schutz  des  zwischen  hinein  entstehenden  .Jung\Michses 
gegen  Bedrängung  durch  die  Vorwüchse  andauernd  sorgsame  Beachtung.  Soll  kein 
reiner  Tannenbestand,  sondern  etwa  ein  Mischwuchs  aus  Tanne  und  Fichte  i)  nach- 
gezogen werden,  so  hat  man  beste  Gelegenheit,  zwischen  den  Tannenvorwüchsen  die 
Fichte  zur  Pflanzung  einzubringen. 

Besondere  ^'orsicht  erfordert  das  Aushauen  der  Vorwüchse  dann,  wenn  es  nicht 
in  frühester  Jugend,  sondern  bei  schon  etwas  vorgeschrittener  Entwickelung  des  Be- 
standes (Gertenholzalter)  erfolgen  muß.  Dann  hat  man  einerseits  zu  sorgen,  daß  durch 
den  Aushieb  keine  Lücken  entstehen,  andererseits  dafür,  daß  niclit  in  der  Folge  die 
ringsum  erwachsenen  schlanken  Stämmchen,  ihrer  Stütze  beraubt,  sich  umlegen. 
Ist  dies,  wie  insbesondere  in  Laubholzhegen  nicht  selten,  zu  befürchten,  so  muß 


1)  Wie  z.  B.  vielfach  im  würltemb.  Schwarzwalde;  cfr.  u.  a.  auch  Paiil,  ,,\Virtschaftliclie 
Bedeutung  und  Behandlung  des  Vorwuchses".   Allg.  F.-  u.  J.-Z.  v.  1887,  S.  37  und  S.  2.S6. 

Haudb.  d.  Forätwiss.     3.  Aufl.    11.  11 


162  VI.  Lorey,  Waldbau. 

man  sich  zunächst  auf  bloßes  Köpfen  der  Vorwüchse  in  entsprechender  Höhe  be- 
schränken. 

Oberster  Grundsatz  bleibt  immer,  daß  die  Vorwüchse  nur  insoweit  beizube- 
halten sind,  als  sie  einen  wirklich  brauchbaren,  allen  Anforderungen  bezüglich  nor- 
maler Entwickelung  genügenden  Bestandesteil  zu  liefern  versprechen  und  nicht  durch 
später  nötig  werdende  erweiterte  Bestandespflege  (Randverdämmung),  sowie  event. 
durch  Vermehrung  der  Frostgefahr  (geringerer  Luftzug)  die  Vorteile  paralysieren, 
welche  sie  durch  höheres  Alter,  durch  ihren  Zuwachs,  sowie  durch  die  Ersparung  an 
Kulturkosten  gewähren  können.  Sorgfältige  Erwägung  des  einzelnen  Falles  ist  ge- 
boten. 

Die  Entfernung  der  Vorwüchse  kann  je  nach  Umständen  mittelst  der  Säge,  der 
Axt  und  des  Beils,  der  Heppe,  des  amerikanischen  Buschmessers  oder  der  Durch- 
forstungsschere  vorgenommen  werden.  In  letzterem  Falle  ist  nur  eine  solche  mit 
konvexer  Schneide  vollkommen  leistungsfähig. 

§  74.  II.  Ausjätungen  (Ausläuterungen),  d.i.  die  Entnahme  von  Exem- 
plaren anderer  als  der  das  Wirtschaftsobjekt  bildenden  Holzarten,  sowie  auch  von 
Exemplaren  der  letzteren    bei  übermäßig  dichtem  Stand    im  jugendhchen  Alter  i). 

Im  ersteren  Falle  hat  man  es  meist  mit  spontanem  Auftreten  zu  tun,  und  zwar 
sind  es  gewöhnlich  raschwüchsige  Laubhölzer  (Baum-  und  Straucharten),  die  sich  in 
die  jungen  Hegen  eindrängen  und  durch  Verdammen  der  Hauptholzarten  nachteihg 
werden,  indem  sie  vermöge  ihrer  oft  ungemein  kräftigen  Entwicklung  den  Boden  und 
den  oberirdischen  Wachsraum  ungebührlich  in  Anspruch  nehmen.  Von  Nadelhölzern 
tritt  fast  nur  die  gemeine  Kiefer  ab  und  zu  in  der  angedeuteten  Weise  auf:  Anflug 
von  Mutterbäumen,  der  dann  gelegentlich  durch  einen  sperrigen  Wuchs  unbequem 
wird.  Weil  iiuii  die  Reproduktionskraft  fehlt,  läßt  er  sich  durch  Aushieb  aber  leicht 
meistern.  Auch  Laubsträucher,  wie  Lonicera,  Prunus  spinosa,  Crataegus,  Rhamnus, 
Cornus,  Viburnum  u.  a.  m.,  sind  nicht  für  längere  Dauer  bedenklich.  Sie  können  zwar 
einer  jungen  Kultur,  wenn  sie  nicht  rechtzeitig  herausgehauen  werden,  bei  reichlichem 
Vorkommen  übel  mitspielen,  werden  aber  gewöhnlich  in  einigen  Jahren  von  dem 
jungen  Holzbestande  so  vollständig  überwachsen,  daß  ihre  Stockausschläge  sich  nicht 
mehr  hindurchzuarbeiten  vermögen.  Von  da  ab  spielen  sie,  sofern  sie  sich  überhaupt 
noch  lebend  erhalten  können,  die  Rolle  eines  unschädüchen  Bodenholzes. 

Von  diesen  Strauchhölzern  sind  die  sog.  weichen  Laubhölzer  zu  unterscheiden, 
die  sich  baumartig  entwickeln,  wie  Salweide,  Birke  ^)  und  Aspe.  Sie  finden  sich  durch 
Samenanflug  oder  als  Stockausschlag  leicht  ein  und  zeichnen  sich,  da  sie  meist  geringe 
Bodenansprüche  machen,  zumal  auch  auf  schlechteren  Standorten,  durch  Rasch- 
wüchsigkeit und  relativ  bedeutendes  Höhenwachstum  aus.  Man  hat  es  in  der  Hand, 
auch  diese  Holzarten  durch  energischen  Aushieb  zurückzudrängen.  Oft  muß  man  in 
kurzer  Zeit  die  Maßregel  mehrmals  wiederholen,  um  ihrer  Herr  zu  werden.  Aber  auch 
hier  ist  radikales  Vorgehen  keineswegs  immer  als  Regel  zu  empfehlen.  Es  ist  vielmehr 
zunächst  ein  wesentlicher  Unterschied,  ob  sie  sich  in  Laubholz-  oder  in  Nadelholz- 
hegen finden;  nur  in  letzteren  sind  sie  im  allgemeinen  bedenkliche  Gäste.  Besonders 
reichlich  stellen  sie  sich  begreiflich  in  Nadclholzkulturen  dann  ein,  wenn  diese  auf  ehe- 
maligen Laubhnlz-,  namentlich  Mittelwaldböden  angelegt  wurden.  Wird  Stockrodung 
in  solchen  Fällen  unterlassen  oder  nur  unvollständig  durchgeführt,  so  ist  naturgemäß 


1)  cfr.  u.  a.  R  e  b  m  a  n  n,  „Bedeutung  und  Ausführung  der  Reinigungshiebe".    AUg.  F.- 
u.  J.-Z.  von  1881  S.  401  ff. 

2)  Die  Birke  pflegt,  obwohl  nicht  Weichholz,  ihres  in  diesem  Punkte  gleichartigen  waldbau- 
lichen Verhaltens  wegen  einbezogen  zu  werden. 


Die  Bestandeserziehung.     §  74.  Ißß 

Material  für  Lieferung  von  Stock-  und  Wurzelausschlägen  im  Boden  in  Menge  vor- 
handen. Unter  diesen  Umständen  konkurrieren  dann  mit  den  oben  genannten  Holz- 
arten auch  Ausschläge  von  Eichen,  Ahorn  usw.  Sobald  die  Kultur  zum  Schluß  ge- 
kommen ist,  darf  die  Gefahr  meist  als  beseitigt  angesehen  werden.  Laubliölzer,  die 
mit  dem  Nadelholz  gleichzeitig  in  die  Höhe  gehen,  schaden  dem  letzteren,  abgesehen 
davon,  daß  sie  ib.m  den  Platz  versperren,  hin  und  w'ieder  auch  durch  Abpeitschen 
der  Knospen  an  den  Trieben.  Vorwachsende  Laubhölzer,  wie  es  die  vor  dem  ersten, 
bezw.  zwischen  diesem  und  dem  zweiten  Reinigungshieb  entstandenen  Stockaus- 
schläge und  Kernwüchse  meistens  sind,  schaden,  sobald  sie  dem  Nadelholz  zu  reichlich 
beigesellt  sind,  möglicherweise  auch  durch  Beschattung.  Oft  aber  gewähren  sie 
andererseits  einen  sehr  wohltätigen  Schutz  gegen  Frost.  In  solchen  Fällen  ist  das 
sonst  meist  gebotene  frühzeitige  und  radikale  Vorgehen  gegen  die  eingesprengten 
Laubhölzer  durchaus  nicht  immer  am  Platze.  Ist  z.  B.  die  Birke  so  weit  vorwüchsig 
oder  wird  regelmäßig  so  weit  ausgeastet,  daß  sie  die  Nadelholzgipfeltriebe  mit  ihren 
Zweigen  nicht  mehr  befegen  kann,  so  gewährt  gerade  sie  einerseits  dem  Nadelholz 
einen  in  vielen  Lagen  überaus  dankenswerten  Schutz  gegen  Frost  und  liefert  ander- 
seits eine  unter  Umständen  nicht  unbeträchtliclie  Vornutzung  in  Gestalt  von  Besen- 
reisig ^).  Von  der  Entwickelung  des  Nadelholzes  hängt  es  ab,  in  welchem  Zeitpunkte 
man  später  die  Birke  herauszuhauen  hat;  sie  ergibt  dann  gute  Wagnerhölzer.  Einzelne 
Exemplare  läßt  man  wohl  auch  einwachsen,  damit  sie  nach  dem  Abtrieb  die  Fläche 
mit  dem  für  die  Neukultur  als  Schutzbestand  meist  erwünschten  Anflug  versorgen. 

In  Laubholzverjüngungen  ist  die  Beurteilung  der  ohne  Zutun  und  oft  gegen  den 
Willen  des  Wirtschafters  auftretenden  Weichhölzer  nicht  so  generell  gegeben.  Haupt- 
sächlich sind  die  ^'erjüngungen  der  Rotbuche  von  Weichholz  und  Hornbaum  meist 
mehr  oder  weniger  reichlich  durchsetzt.  Wenn  der  Hornbaum  durch  massenhaftes 
Auftreten  seiner  vordringlichen  Jungwlichse  die  empfindlichere  Rotbuche  schädigt, 
liegt  meist  ein  \'erschulden  der  Wirtschaft  vor,  indem  man  nicht  rechtzeitig  im  Vor- 
bereitungsschlag oder  schon  vorher  bei  den  letzten  Durchforstungen  für  Aushieb  der 
überzähligen  Hornbäume  gesorgt  hat.  Einige  belassene  Exemplare  genügen,  um  die 
immerhin  erwünschte  mäßige  Beimischung  dieser  Holzart  zu  sichern.  Die  Weich- 
hölzer fliegen,  sofern  nicht  ungerodete  Stöcke  und  Wurzeln  für  Stockausschläge  bezw. 
Wurzelbrut  sorgen,  meist  von  weit  her  in  den  Hegen  an.  Da  sie  lichtkronige  Hölzer 
sind,  ist  ihre  beschattende  Wirkung  meist  nicht  sehr  von  Belang.  Da  sie  weiterhin 
zum  Teil  sehr  gut  nutzbare  Holzarten  sind,  so  soll  man  ihnen,  vorausgesetzt,  daß  sie 
nur  mehr  vereinzelt,  nicht  aber  in  größeren  Gruppen  und  Horsten  auftreten,  einen 
bescheidenen  Platz  wohl  gönnen,  so  lange  und  in  solchem  Umfange,  als  sie  auf  dem 
Holzmarkte  durch  ihren  Preis  die  ihnen  gewährte  Nachsicht  lohnen.  Auch  können 
sie  wohl  einige  Bedeutung  als  Wildfutter  haben.  Schlimmsten  Falles  kann  man  ja 
bei  Gelegenheit  der  Durchforstungen  noch  einschreiten. 

Zu  den  Reinigungshieben  gehört  schließUch  auch  die  Entnahme  von  Holzarten, 
die  der  Wirtschafter  mit  der  bewußten  Absicht  vorübergehender  Benutzung  bei  der  Be- 
standesbegründung als  Schutz-  und  Treibholz  für  die  Wirtschaftsholzart  eingebracht 

1)  X  e  u  m  e  i  s  t  e  r,  Wichtigkeit  des  Birlcenanflugs.  Thar.  Jhrb.  1885,  225.  Schier, 
Ueber  die  finanzielle  Bedeutung  der  Birke  als  vorübergehendes  Mischholz  in  Fichlenbeständen. 
Forstwiss.  Zbl.  1892,  604.  —  Nach  Mitteilungen  des  Kgl.  Württembg.  Revieramts  Bebenhausen 
sind  in  den  Staatswaldungen  desselben  auf  einer  Gesamtfläche  der  1 — 40jährigen  Nadelholz- 
orte von  etwa  450  ha  (bei  sehr  ungleichmäßiger  Verteilung  der  eingesprengten  Birken)  in  den 
Jahren  1881 — 1885  im  ganzen  an  Birkenreisig  geerntet  worden:  a)  Besenreisig  3874  Wellen  = 
77,5  fm,  Erlös  =  1596,33  Mk.,  mithin  für  1  fm  =  20,6  Mk.;  b)  Brennholz-Wellen  (die  dickeren, 
zu  Besen  nicht  tauglichen  Reiser)  5045  Stück  =  100,9  fm  =  790  Mk.;  zusammen  also  durch- 
schnittlich jährlicher  Ertrag  =  47  7  Mk. 

11* 


Jß4  ^  I-  Lorey,  Waldbau. 

hat.  Einer  der  häufigsten  dieser  Fälle  ist  die  Entnahme  der  Kiefer  aus  Ficlitenbe- 
ständen,  die  durch  die  Kiefernbeimischung  über  Frosteinwirkungen  in  der  Jugend- 
periode hinweggebracht  werden  sollten  und  nun,  naclidem  dieser  Zweck  erreicht  ist, 
vom  Druck  der  vorwüchsigen  und  sperrig  sich  entwickelnden  Kiefern  befreit  werden. 
Auf  allen  weniger  kräftigen  und  trockeneren  Böden  ist  bei  der  Läuterung  der  Kiefer 
zugunsten  der  Fichte  mit  großer  ^'orsicht  zu  verfahren.  Schneidelung.  Köpfen,  Ein- 
knicken der  Kiefer  kann  unter  Umständen  vorteilhafter  sein  als  radikales  Heraushacken. 
Die  Läuterungshiebe  bedürfen  in  solchen  Orten  geschickter  Führung,  öfterer  Wiedei"- 
holung  und  sind  solange  fortzusetzen,  bis  sie  mit  den  Durchforstungen  verschmelzen  ^). 
Die  ebenfalls  zu  den  Ausläuterungen  gehörende  \'erdünnung  zu  dichter  .Jung- 
wüchse, sowohl  im  Nadelholz,  als  auch  im  Laubholz,  erfolgt  durch  Ausschneiden  der 
Einzelindividuen  oder  durch  gassenartige  Durchhiebe,  letzteres  besonders  in  dichten 
Nadelholzsaaten  nach  v.  Holleben  in  Rudolstadt.  An  den  Rändern  dieser  Gassen  ent- 
wickeln sich  einzelne  stärkere  Stämmchen  kräftig  und  übernehmen  die  Führung. 
Von  den  Durchforstungen  untersclieiden  sich  diese  Aushiebe  ihrem  ^^'esen  nach  da- 
durch, daß  sie  ein  geringwertiges  Material  und  daher  meistens  keinen  Reinertrag 
liefern,  vielmehr  Zuschüsse  erfordern. 

Drittes  Kapitel. 
Die    Durehforstungen^i. 

§  75.  L  Begriff:  Man  versteht  unter  Durchforstungen  die  zum  Zwecke 
der  Erziehung  und  Nutzung  stattfindenden  planmäßigen  Hauungen  in  dem  aus  dem 
laufenden  Umtrieb  stammenden  Material  ^)  eines  Bestandes.  Sie  folgen  den  Läute- 
rungen, wiederholen  sich  bis  zur  Hiebsreife  und  stellen  keine  bis  zum  förmlichen 
Lichtungshieb  gesteigerten  Eingriffe  in  die  Bestandesmasse  dar. 

Die  Durchforstuniren  erstreciien  sich  besonders  auf  das  zurückbleibende,  sowie  das  für 
die  vorteilhafte  Entwicklung  des  Bestandes  unsreeignete  Material,  um  auf  diese  Weise  durch 
die  freiere  Stellung  der  verbleibenden  Stämme  deren  Massen-  und  Wertsproduktion  zu  fördern 
und  durch  den  Erlös  aus  dem  anfallenden  Material  Erträge  zu  gewähren.    Bei  ihrer  Ausführung 

1)  Vgl.  V.  F  a  1  c  k  c  n  s  t  e  i  n,  lieber  planmäßige  Durchläuterungen  unserer  Jungbe- 
stände. Allg.  F.-  u.  J.-Z.  1899.  225.  —  Pause,  Läuterungshiebe  in  Mischbeständen  von 
Fichte  und  Kiefer.    Thar.  Jahrb.    1904.    132. 

2)  Man  vergleiche  außer  den  im  Eingang  unter  Literatur  genannten  ^\■aldbausch^iften  u.  a.: 
B  a  u  r,  Dr.  Franz  von:  „Zur  Geschichte  der  Durchforstungen'.  Forstw.  Zentralblatt  von  1882, 
S.  21  ff.  und  S.  205  ff.  —  De  r  s.,  ,,Ueber  Durchforstungen  und  Durchtorstungsversuche"  in  Gang- 
hofers  „Versuchswesen"  H.  Bd.  S.  209  ff.  —  v.  F  i  s  c  h  b  a  c  h,  ,,Zur  Weiterentwicklung  der 
Lehre  von  den  Durchforstungen".  Forstw.  Zentralblatt  v.  1884  S.  426  ff.,  v.  1885  S.  466  u.  S.  553. 
—  Der  s.,  ,,Die  wirtschaftl.  Leistungen  des  Voll-  und  Abtriebsbestandes,  sowie  der  verschiedenen 
Stammklassen".  Zentralbl.  f.  d.  ges.  Forstwesen,  1885,  293.  —  B  o  r  g  g  r  e  v  e,  ..Zur  Plänter- 
durchforstung".  Forstl.  Blätter  von  1887  S.  22ö  ff.  —  L  a  n  d  o  l  t  in  d.  Schweiz.  Zeitschr.  1885 
S.  27.  —  S  p  e  i  d  e  l,  Waldbauliche  Forschungen  in  württembergischen  Fichtenbeständen  mit 
Beiträgen  zur  Wirtschaftsgeschichte,  Zuwachs-  und  Durchforstungslehre  1889.  —  L  a  s  c  li  k  e, 
„Oekonomik  des  Durchforstungsbetriebes"  1901.  —  Der  s.,  ..Geschichtliche  Entwickelung  des 
Durchforstungsbetriebes"  etc.  1902.  —  K  o  z  e  -^"n  i  k,  ,,Die  Bestandespflege  mittelst  der  Lich- 
tung nach  Stammzahltafeln"  1898.  —  Ha  u  g,  ,, Beitrag  zu  der  Durchforstungsfrage"  .\.  F.-u.  J.-Z. 
1894 — 1897  (versch.  Abhandlungen).  —  D  e  r  s.,  ,,Die  Stanimzahlfrage  und  ihre  Bedeutung 
für  die  Bestandespflege"  A.  F.-  u.  J.-Z.  1899,  S.  8.  —  H  a  u  s  r  a  t  h  ..Zur  Geschichte  der  Durch- 
forstungen" F.  Zbl.  1896  S.  536.  —  M  a  y  r,  ,, Die  Erziehungshiebe  (Durchforstungen)  der  neuen 
Schule"  A.  F.-  u.  J.-Z.  1899  S.  153.  —  Seh  ü  p  f  e  r,  ,,Die  Entwickelung  des  Durchforstungs- 
betriebes in  Theorie  und  Praxis  seit  der  2.  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts  dargestellt  unter  besonderer 
Berücksichtigung  der  bayrischen  \'erhältnisse"  1903.  —  Kraft,  Gustav,  Beiträge  zur  Lehre 
von  den  Durchforstungen,  Schlagstellungen  und  Lichtungshieben.  Hannover  1884.  —  D  e  r  s., 
Beiträge  zur  Durchforstungs-  und  Lichtungsfragc    Hannover  1889. 

3)  Die  Fällung  von  aus  dem  vorigen  Lmtrieb  üiierkommenen  Stämmen  wird  als  Auszugs- 
hieb  besonders  unterschieden.     N'ergl.   erstes   K.n>ili'l   dieses   Abschnitts. 


Die  Bcstandeserziehiing,     §  76.  165 

setzt  man  immci'  den  Wiedereintritt  des  ?elilusse>  bis  zur  Wiederliolung  voraus,  was  bei  den 
Liclitun^slüeben.  die  eine  dauenule  Sclilußunterbrecluing  im  Gefolge  liaben,  nicht  der  Fall  ist. 
Im  Sinne  der  Forsteinriclitunfr  hört,  wo  die  Einteiluni;  in  äOjährige  Perioden  vorliegt,  das  Ge- 
,biet  der  Durchl'orslungen  im  allgemeinen  bei  den  Waldorlen  der  ersten,  die  ältesten  Bestände  um- 
fassenden Periode  auf.  In  Forstbetrieben  inil  nur  10jährigen  Wirtschaftszeiträumen  findet 
diese  Bestimmung  sinngemäße  .Vnwendung  auf  die  in  den  laufenden  Wirtschaftsplan  zum  Kahl- 
hieb oder  zur  natürlichen  N'erjüngung  eingestellten  Bestände  oder  Bestandsteile.  Eingriffe 
in  die  Bestände  der  ältesten  Klassen,  soweit  sie  nicht  schon  starke,  mit  der  \'erjOngung  in  Ver- 
bindung stehende  Lichtungen  darstellen,  nennt  man  entweder  V  o  r  e  n  t  n  a  h  m  e  n  oder 
Durchhiebe  und  rechnet  ihren  F.rtrag  nicht  mehr  zur  Zwischen-,  sondern  vielmehr  zur 
Hauptnutzung.  Ueberdies  sollen  nach  den  meisten  bezüglichen  Instruktionen  auch  solche 
Eingriffe  in  das  Bestandsmaterial  jüngerer  Orte  zur  Hauptnutzung  gereclmet  werden,  welche 
eine  fühlbare  Schniälerung  des  Haubarkeitsertrages  nach  sich  ziehen,  oder  die  so  bedeutend 
sind,  daß  die  normale  Weiterentwiekelung  des  betreffenden  Bestandes  ohne  Füllung  der  ent- 
standenen Lücken  durch  Anbau  erwartet  werden  kann.  Die  planmäßigen  Hiebe  der  letzt- 
bezeichneten Art  sollen  als  ,,Liclitungshiebe"  besonders  betrachtet  werden  ^). 

§  76.  II.  Zweck:  Die  Durchforstungen  ergeben  sich  als  wirtschaftliche  Maß- 
regel aus  der  Beobachtung  der  BesLandesentwickehmg.  Letztere  ist  durch  die  einfache 
Tatsache  gekennzeichnet,  daß  im  Haubarkeitsalter  nur  noch  ein  verhältnismäßig 
kleiner  Teil  derjenigen  Individuen  vorhanden  ist,  welche  ursprünglich  den  Jung- 
bestand bildeten.  Die  einzelnen  Bäume  haben  im  Verlauf  ihrer  Entwickelungeine  solche 
Ausbildung  erlangt,  daß  auf  gegebener  Fläche  nicht  mehr  als  eine  gewisse  Anzahl  Platz 
findet,  während  sich  die  nunmehrigen  Altholzstämme  in  den  früheren  Lebensperio- 
den in  der  Gesellschaft  einer  mit  zunehmendem  Alter  des  Bestandes  naturgemäß  stets 
kleiner  werdenden  Menge  von  Genossen  befanden,  die  von  vornherein  von  der  Natur 
oder  dem  Wirtschafter  meist  als  gleichberechtigt  nebeneinandergestellt  worden 
waren  -).  (Das  gilt  keineswegs  nur  von  der  Saat  oder  Pflanzung,  sondern  auch  von 
der  natürlichen  ^'erjüngung,  durch  welche  ein  ^'orzug  einzelnen  Individuen  a  priori 
allgemein  nicht  eingeräumt  worden  ist.)  Die  Zahl  der  Individuen  war  bei  der  Bestan- 
desbegründung im  allgemeinen  so  bemessen  worden,  daß  früher  oder  später  Bestandes- 


1)  cfr.  L  o  r  e  y,  ,, Durchforstung  oder  Lichtungshieb""?  Allg.  F.-u.  J.-Z.  von  1881,  S.  406  ff. 

2)  Dieser  Auffassung  entspricht  es  freilich  nicht  mehr,  wenn  Oberforstrat  Dr.  von  Fisch- 
bach (Zentralblatt  f.  d.  ges.  Forstwesen,  Juli  1885)  empfiehlt,  schon  im  Jungbestande,  womög- 
lich schon  bei  Vornahme  der  Kultur,  diejenigen  Individuen  zu  bezeichnen,  welche  später  den 
Haubarkeitsbestand  zu  bilden  haben,  und  diesen  dann,  damit  sie  ihr  Ziel  erreichen,  eine  besonders 
sorgfältige  Pflege  angedeihen  zu  lassen,  alle  übrigen  Pflanzen  aber,  welche  zur  Deckung  des  Bodens 
etc.  von  Anfang  an  notwendig  sind,  nur  als  Füllholz  zu  behandeln.  Leitend  ist  bei  diesem  Vor- 
schlag die  Tatsache,  daß  im  geschlossenen  Bestand  die  stärkste  Stammklasse  andauernd  (wie 
insbes.  auch  Wag  euer  s.  Z.  nachgewiesen  hat)  weitaus  am  meisten  produziert,  daß  man  ferner 
an  Kulturkosten  sparen  müsse  und  nicht  minder  an  Zeit,  indem  man  jene  für  das  .\btriebsalter 
prädestinierten  Individuen  in  allseits  unbehinderter  Entwickelung  möglichst  rasch  einer  den  .An- 
forderungen des  Marktes  entsprechenden  Stärke  und  Höhe  zuführt.  Was  starke  Durchforstungen, 
Freihauungen,  Lichtungshiebe  etc.  sonst  erst  von  einem  späteren  Stadium  der  Bestandesent- 
wickelung  an  erstreben,  soll  hier  schon  von  der  ersten  Jugend  an  durchgeführt  werden.  —  Den 
gleichen  Gedanken  verfolgt  neuerdings  M  a  y  r  (Waldbau,  S.  426)  in  der  von  ihm  empfohlenen 
,,\  uswahlpflanznn  g".  Darnach  sollen  bei  der  Kulturausführung  die  besten,  schönsten, 
geradschafligsten  und  kräftigsten  Pflanzen  in  einem  Verband  von  4 — 5  m  ausgepflanzt  werden. 
In  die  Zwischenräume  zwischen  je  2  dieser  Qualitätspflanzen  sollen  2  mindergute  derselben 
Holzart  zu  stehen  kommen.  Es  sei  dann  anzunelimen,  daß  die  bestgeformten  und  schnellwüchsig- 
sten Individuen  die  Führung  im  Bestände  beibehalten  und  nach  Unterdrückung  des  Zwischen- 
bestandes den  Hauptbestand  bilden  werden.  Der  späteren  Bestandserziehung  würde  dadurch 
ihre  .\ufgabe  wesentlich  erleichtert.  —  Der  Durchführung  dieses  Gedankens  stehen  erhebliche 
Bedenken  entgegen.  Jedenfalls  müßte  angejichts  der  vielen  Fährlichkeiten,  mit  denen  der  einzelne 
Baum  zu  kämpfen  hat,  von  vornherein  eine  die  Zahl  der  Stämme  des  Altholzes  beträchtlich 
übersteigende  Menge  solcher  Pfleglinge  vorgesehen  werden.  Weiterhin  liegt  die  sehr  beachtliche 
Gefahr  vor,  daß  sich  die  schnellwüchsigeren  Pflanzen  unter  .Ausnutzung  des  von  ihren  Nachbarn 
nicht  hinreichend  umstrittenen  Wachsraums  zwar  im  Sinne  der  Steigerung  des  .Massenertrages, 
aber  durchaus  nicht  im  Sinne  der  Erhöhung  der  Autzholzgüte  entwickeln.  —  Bei  unseren 
Kulturen  mit  Exoten  verfahren  wir  seit  Jahren  vielfach  in  dieser  Weise,  um  an  dem  teuren  Pflanz- 
material zu  sparen.  —  \'ergl.  übrigens  die  gegenteilige  Ansicht  von  Frey  im  forstw.  Zentralbl. 
von  1886,  S.  242  ff. 


166  VI.  L  0  r  e  y  ,  Waldbau. 

Schluß  eintrat.  Mindestens  von  dem  Augenblicke  an,  wo  die  einzelnen  Individuen 
bei  ihrer  Ausdehnung  sich  berühren,  muß  nun  ein  Kampf  um  die  Herrschaft  be- 
ginnen, der,  je  nach  Holzart,  Bodenbeschaffenheit  usw.  mit  verschiedener  Heftigkeit  ge- 
führt wird  und  die  bald  mehr  bald  weniger  deutlich  zutage  tretende  Trennung  in  einen 
dominierenden  und  einen  unterdrückten  Bestandesteil  zur  Folge  hat.  Meist  sehr  bald 
werden  bei  diesem  Prozeß  der  natürlichen  Ausscheidung  zunächst  einzelne  Indi- 
viduen entschieden  vorwüchsig,  ebenso  wie  andererseits  auch  sehr  bald  eine  Minder- 
zahl unzweifelhaft  derart  zurückbleibt,  daß  an  ihr  normales  Emporwachsen  ohne  das 
Eintreten  besonders  begünstigender  Umstände  nicht  mehr  zu  denken  ist.  Aber  auch 
bei  der  vorerst  sich  noch  zwischen  diesen  Extremen  haltenden  Hauptmasse  zeigt 
sich  doch  sehr  bald  die  Scheidung  in  mehrere  Klassen,  denen  demnächst  im  Bestandes- 
leben eine  sehr  verschiedene  Rolle  zufällt. 

Die  Ausscheidung  vollzieht  sich  im  allgemeinen  früher,  energischer  und  mit  schärfer 
markierten  Unterschieden  auf  guten  Standorten.  Das  gleiche  gilt  von  Lichthölzern  gegenüber 
schattenertragenden,  bei  welchen  wenigstens  die  zurückbleibenden  Staramklassen  sich  meist 
weniger  deutlich  in  absolut  leistungsunfähige  umsetzen.  Daß  die  von  vornherein  gewählte  Be- 
standesdichte hierbei  von  Einfluß  ist,  leuchtet  ein. 

Den  schon  ganz  im  Anfang  alle  Nachbarn  überragenden  Individuen  gesellen  sich 

aus  der  Zahl  der  übrigen  so  viele  bei,  als  neben  ihnen  genügenden  Entwickelungsraum 

finden.   Aber  sie  erringen  sich  ihren  Platz  stets  nur  durch  Kampf  mit  den  Stämmen 

ihrer  Umgebung,  die  zunächst  das  gleiche  Recht  beanspruchen. 

Welche  Bäume  vorwüchsig  werden,  läßt  sich  schwer  vorausbestimmen.  Es  gibt  in  jeder 
Kultur  stets  einzelne  Exemplare,  die  sich  von  vornherein  durch  besonders  kräftigen  Habitus 
auszeichnen,  und  die  Annahme  liegt  nahe,  daß  sich  diese  unter  sonst  gleichen  Umständen 
dauernd  zu  Führern  im  Bestand  aufschwingen  werden.  Solche  Individuen  sind  entweder  von 
Haus  aus  besser  veranlagt '),  oder  sie  kommen  —  und  dieses  Moment  ist  jedenfalls  das  weitaus 
wichtigere  —  unter  günstigeren  äußeren  Umständen  wie  die  übrigen  zur  Entwickelung.  .Sen- 
dern sich  die  Bedingungen  ihres  Daseins  zu  ihren  Ungunsten,  so  kann  ein  Umsetzen  stattfinden, 
d.  h.  sie  können  in  die  Klasse  der  zurückbleibenden  Stämme  verschoben  werden,  während  um- 
gekehrt andere  voranstreben.  Doch  wird  dies  Ueberholtwerden  seltener  bei  den  schon  in  der 
ersten  Jugend  entschieden  vorwachsenden  als  bei  Exemplaren  der  demnächst  nachschiebenden 
großen  Masse  anfänglich  noch  mitherrschender  Stämmchen  eintreten.  Auch  läßt  das  Umsetzen 
schon  gegen  das  Stangenholzalter  hin,  wenn  es  nicht  durch  die  Wirtschaftsführung  (.\ushieb 
dominierender  Exemplare  usw.)  beeinflußt  wird,  bedeutend  nach  und  findet,  nachdem  sich 
einmal  ein  kräftiger  herrschender  Bestand  ausgeschieden  hat  bezw.  durch  Hilfe  der  Axt  zum 
Ausscheiden  gebracht  worden  ist,  überhaupt  nur  noch  ganz  ausnahmsweise  statt  -).  Jeden- 
falls ist  der  .\usscheidungsprozeß,  so  lange  der  Bestand  in  ungestörter  Entwickelung  sich  selbst 
überlassen  bleibt,  ein  ohne  Sprünge  stetig  fortdauernder,  bis  schließlich  im  höheren  (das  wirt- 
schaftlich zulässige  Maß  meist  überschreitenden)  .-Mter  nur  noch  so  viele  Stämme  übrig  sind, 
als,  ohne  sich  wechselweise  zu  beeinträchtigen,  auf  der  Fläche  Raum  haben. 


1)  Es  ist  trotz  der  gegenteiligen  Ausführungen  B  o  r  g  g  r  e  v  e's  —  cfr.  u.  a.  dessen  Holz- 
zucht 2.  .\ufl.  S.  293  flgde.  —  zunächst  an  der  ,\nsicht  festzuhalten,  daß  doch  eine  den  Existenz- 
kampf der  Individuen  untereinander  beeinflussende  verschiedene  Veranlagung  angenommen  und 
daß  die  tatsächlich  verschiedene  Entwicklung  der  einzelnen  Pflanzen  nicht  nur  auf  Rechnung 
der  in  verschiedenstem  Maße  günstigen  oder  ungünstigen  äußeren  Umstände  (Feuchtigkeit, 
Lockerheit  des  Bodens,  Beschädigungen  mannigfachster  .\rt  etc.),  unter  denen  die  Pflanzen  wach- 
sen, gesetzt  werden  darf.  Selbst  die  allersorgfältigst,  durchweg  gleichmäßig  (z.  B.  mit  Hilfe  von 
Rasenasche  u.  dergl.)  zubereiteten  Saatbeete  lassen  alsbald  an  den  erwachsenen  Pflänzlingen  oft 
recht  merkliche  Unterschiede  hervortreten;  warum  sollten  diese  nicht  wenigstens  zum  Teil  auf 
das  Samenkorn,  bezw.  die  dem  Individuum  in  verschiedenem  Maße  innewohnende  Kraft  zurück- 
geführt werden  dürfen?  Die  Analogie  im  Tierreich  liegt  docli  zu  nahe.  Daß  dieser  Grund  nicht  der 
wichtigste  ist,  daß  er  nicht  bis  ins  höhere  .iMter  fortwirkt,  sofern  jene  Schwächlinge  von  Haus  aus 
die  zuerst  unterliegenden  sind,  daß  vielmehr,  sobald  der  Bestandesschluß  erfolgt  ist  und  die  ersten 
Ausscheidungen  sich  vollzogen  haben,  in  der  Hauptsache  äußere  Umstände  die  Verschiedenheit 
in  der  Entwickelung  der  Individuen  bedingen,  ist  einleuchtend,  wird  auch  kaum  anders  ange- 
sehen. 

2)  Wichtig  für  das  Prinzip  der  Weiserverfahren  bei  Aufstellung  von  Ertragstafeln:  es  ge- 
nügt vollständig,  wenn  etwa  vom  mittleren  Bcstandesalter  an  die  höchsten  und  stärksten  Stämme 
auch  die  vorwachsenden  bleiben.  Zu  vergl.  B  ü  h  1  e  r,  Dr.,  Untersuchungen  in  einem  Fichten- 
bestande  etc.    AUg.  F.-  u.  J.-Z.  1886  S.  1  ff. 


Die  Bestandeserziehung.     §  76.  167 

Der  \'oi'gan£r  ist  ein  durcliaus  naturgemäßer,  der  sie!»  in  jedem  Bestände,  von 
dem  die  wirtschaftende  Hand  des  Mensclien  fern  bleibt,  zwar  in  vielfach  modifizierter 
Weise,  im  ganzen  aber  doch  luater  den  gleichen  charakteristischen  Erscheinungen  ab- 
spielt. Hinter  den  zur  Herrschaft  gelangenden  Stämmen  bleiben  die  anderen  mehr 
und  mehr  zurück,  bis  sie  als  völlig  unterdrückte  nur  noch  kümmerlich  ihr  Dasein 
fristen,  um  endlich  ganz  abzusterben.  Inzwischen  ist  unter  den  herrschenden  Indivi- 
duen der  Kampf  fortgesetzt  worden.  Das  Zurückdrängen  bislang  dominierender 
Stämme  in  die  geringeren  Stammklassen  erreicht  innerhalb  der  allgemein  üblichen 
Umtriebszeiten  ein  Ende  ohne  Zutun  der  Wirtschaft  überhaupt  niciit.  Die  jeweils 
dominierenden  bezw.  am  Kronenschluß  noch  teilnehmenden  Stämme  bilden  den 
Hauptbestand,  die  übrigen  den  Nebenbestand.  Daß  trotz  dieses  an- 
dauernden Kampfes  massenreiche,  hochwertige  Bestände  erwachsen,  ist  zweifellos. 
Ebenso  unzweifelhaft  ist  es  aber,  daß  —  wie  die  Wirtschaft  überhaupt  sich  mit  der 
Leistung  der  Natur  nicht  begnügen  kann,  sondern  sich  deren  Wirken  dienstbar  ma- 
chen muß,  indem  sie  die  Produktionskraft,  soweit  tunlich,  in  bestimmte  Bahnen 
leitet  —  gerade  jener  Kampf  um  die  Herrschaft  im  Leben  des  Bestandes  für  zielbe- 
■^^^.lßtes  Eingreifen  des  Wirtschafters  eine  der  am  meisten  Erfolg  versprechenden  Ge- 
legenheiten darbietet.  Es  gilt,  dadurch,  daß  man  den  Streit  der  Stämme  abkürzt,  ihm 
womöglich  vorbeugt,  einen  nutzlosen  Kräfteverbrauch  hintanzuhalten  und  eine  be- 
stinunte  Qualität  des  Bestandes  möglichst  rasch  zu  erreichen.  Dazu  dienen  vornehm- 
lich die  Durchforstungen,  deren  Zweck  es  also  sein  muß,  fortgesetzt  in  angemessenen 
Zwischenräumen  dem  Bestand  so  viel  Stämme  zu  entnehmen,  daß  den  übrigen  da- 
durch in  möglichst  kurzer  Frist  eine  normale  Ausbildung  ermöglicht  wird. 

Die  Wirtschaft  hat  diejenigen  Stämme  zu  bestimmen,  welche  weiter  wachsen  sollen. 
Unter  welchen  Umständen  letzteres  geschehen  soll,  ob  die  gegenseitige  Spannung  zwischen  den 
Nachbarstämmen  zeitweise  oder  dauernd  ganz  aufgehoben  oder  nur  verringert  werden  soll,  be- 
züglich bis  zu  welchem  Grade,  welche  Stammklassen  dem  Aushieb  vorzugsweise  zum  Opfer 
fallen  sollen,  welche  Modifikationen  je  nach  den  besonderen  Umständen  des  einzelnen  Falles 
angebracht  erscheinen,  alles  dies  sind  Spezialfragen  der  Ausführung.  Jedenfalls  ist  eine  Durch- 
forstung, welche  sich  —  wie  früher  vielfach  und  hier  und  da  auch  jetzt  noch  —  nur  auf  die 
Entfernung  abgestorbenen  oder  völlig  unterdrückten  Holzes  erstreckt,  als  eine  die  Entwicke- 
lung  des  Bestandes  fördernde  Maßregel  nicht  anzusehen.  Solches  Material,  das  von  den  Nach- 
barn bereits  vollständig  überwachsen  ist,  kann  diesen  nicht  mehr  wesentlich  schaden,  wenn 
auch  ab  und  zu  ein  solcher  Stamm  mit  seiner  Beastung  noch  die  seitliche  Ausbreitung  eines 
nebenstehenden  hindert.  Hiernach  sollte  die  nur  auf  völlig  unterdrücktes  Holz  gerichtete 
Durchforstung  mindestens  dann,  wenn  einem  stärkeren  Eingriff  keine  Bedenken  bezüglich  der 
Bodenpflege  oder  der  Ausbildung  der  Stämme  im  stehenbleibenden  Bestandesteil  im  Wege 
stehen,  ein  überwundener  Standpunkt  sein.  Ein  zu  starker  .Aushieb  kann  unzweifelhaft  die 
fernere  Entwickelung  des  Bestandes  schädigen;  aber  ein  Gewinn  für  den  Bestand  kann  durch 
die  Durchforstung  doch  nur  dann  erzielt  werden,  wenn  sie  als  vorbeugende  Maßregel  erscheint 
oder  mindestens  den  zum  Fortwachsen  bestimmten  Stämmen  während  ihres  Ringens  mit 
den  Nachbarn  tätige  Hilfe  bringt,  nicht  aber  dann,  wenn  sie  stets  nachhinkt,  indem  sie  nur 
die  bereits  Unterlegenen  beseitigt  ^). 

Ist  aber  auch  die  Durchforstung  in  erster  Linie  als  eine  der  Bestandeserziehung, 

der  Massen-  und  Wertssteigerung  dienende  Wirtschaftsoperation  zu  betrachten,  so 

ist  sie  doch  zugleich  auch  zu  anderen  Zwecken  bestimmt,  indem  sie 

a)  eine  oft  sehr  bedeutende  Holznutzung  gewährt, 

b)  die  Bestände  gegen  eine  Reihe  von  Gefahren  sicher  zu  stellen  sucht  und 

c)  die  Bodentätigkeit  in  günstigster  Weise  beeinflußt. 

Zu  a)    Die  Ergebnisse  der  Durchforstungen  stellen  Vor(=  Zwischen)nutzungen 

1)  Von  dieser  .\uffassung  ausgehend  konnte  man  bei  den  vom  Verein  deutsclier  forstlicher 
Versuchsanstalten  eingeleiteten  Durchtorstungs-Versuchen  die  schwächste  (A-)Durchforstung  des 
Arbeitsplanes  (Beseitigung  nur  der  absterbenden  und  abgestorbenen  Stämme)  füglich  ganz  bei- 
seite lassen,  wie  dies  z.  B.  seitens  der  Württenibergischen  Versuchsstation  tatsächlich  fast  überall 
geschehen  ist. 


168  VI.  Lorcy,  Waldbau. 

dar,  deren  rechnerische  Behandlung  (Bedeutung  für  die  Rentabilität  des  Betriebs) 
in  der  Wakhvertrechnung  nachzuweisen  ist.  An  dieser  Stelle  sei  nur  ganz  im  allge- 
meinen darauf  hingedeutet,  daß  sie  in  ihren  Nachwerten  die  Erträge  steigern  und  den 
Produktionsfonds  entlasten,  und  daß  in  diesem  Einfluß  jedenfalls  unter  Umständen 
ein  vollwertiges  Motiv  zugunsten  stärkerer  Vornahme  der  Durchforstungen  erblickt 
werden  muß.  Wie  groß,  absolut  genommen,  die  bei  den  Durchforstungen  eingehenden 
Werte  sind,  läßt  sich,  ganz  abgesehen  von  dem  nach  Standort,  Holzart  usw.  abweichen- 
den Verhalten  der  Bestände,  angesichts  der  bei  ihrer  wirtschaftlichen  Behandlung 
herrschenden  Verschiedenheit,  sowie  der  unendlich  wechselnden  Absatzgelegenheiten 
auch  nicht  in  Gestalt  von  durchschnittlichen  Beträgen  mit  annähernder  Sicherheit  an- 
geben. Im  einzelnen  finden  sich  zahlreiche  Mitteilungen  in  unserer  forstlichen  Literatur^), 
welche  aber  aus  den  angedeuteten  Gründen  nur  mit  Vorsicht  von  einem  Fall  auf  einen 
anderen  übertragen  werden  dürfen.  Nicht  einmal  hinsichtlich  der  anfallenden  Massen 
lassen  sich  allgemein  brauchbare  Angaben  machen.  Je  nach  Gütegrad  des  Bestandes 
und  Standortes  und  Durchforstungsstärke  schwanken  die  Vorerträge  zwischen  25 
und  50%  des  Gesamtertrages.  Das  neuere,  auf  stärkere  Eingriffe  während  der  zwei- 
ten Umtriebshälfte  zukommende  Durchforstungsverfahren  ergibt  im  allgemeinen 
zwischen  35  bis  50  °ö  des  Gesamtertrages  liegende  Vorerträge  und  steigert  diese  in 
einzelnen  Fällen  bis  60  °o  der  Gesamtmasse. 

Um  die  Verschiedenheil  im  Werte  des  Durchforstungsmaterials  an  einzelnen  Beispielen 
zu  zeigen,  braucht  man  nur  an  die  auch  für  die  geringsten  Sortimente  in  großen  Städten  gebo- 
tene Vcrkaufsgelegenheit  gegenüber  der  oft  absoluten  Unvcrwendbarkeit  derselben  im  Inneren 
großer,  wenig  aufgeschlossener  Waldungen  oder  an  die  Bedeutung  des  Handels  mit  Hopfenstan- 
gen in  hopfenbautreibenden  Gegenden  zu  erinnern  im  Gegensatze  zu  solchen  Gebieten,  denen 
diese  Absatzquelle  fehlt  usw. 

Zu  b)  Zu  den  Gefahren,  gegen  welche  die  Durchforstungen  einen  Schutz  ge- 
währen bezw.  gewähren  können,  gehören  u.  a.  Feuer,  Insektenbeschädigungen,  Wind, 
Schnee.  Wie  hoch  im  einzelnen  dieser  Vorteil  anzuschlagen  ist,  bleibt  der  Beurtei- 
lung des  ,, Forstschutzes"  überlassen.  Daß  aber  überhaupt  durch  Entfernung  abge- 
storbenen und  unterdrückten  Holzes  die  Feuersgefahr  verringert,  sowie  manchen  In- 
sektenbeschädigungen vorgebeugt  wird,  liegt  auf  der  Hand;  nicht  minder,  daß  durch 
fleißigen  Aushieb  der  mit  fruktifizierenden  Hexenbesen  behafteten  Bäume  in  Tannen- 
beständen der  Verbreitung  der  Krebsbildung  entgegengewirkt  wird.  Von  allgemei- 
nerer und  größerer  Bedeutung  ist,  daß  durch  zweckentsprechende  rechtzeitige  und 
öfter  wiederkehrende  Durchforstungen  die  Widerstandsfähigkeit  der  Bestände  gegen 
Sturm  und  Schneeschaden-)  gefördert  wird. 

1)  Siehe  z.  B.  Vorertragstafeln  von  Danckelmann  für  Kiefern-,  Fichten-  und  Rot- 
buchen-Hochwald (Zeitschrift  für  Forst-  u.  Jagdwesen  1887  S.  73  ff.).  Daselbst  sind  angegeben 
als  Durchschnitts-Massenertrag  der  sämtlichen  \'ornutzungen  in  Prozenten  des  Haubarkeits- 
ertrags  für  Kiefer  und  Fichte  ca.  40  mit  geringer  Schwankung  in  den  verschiedenen  Güte- 
klassen, für  Buche  ca.  35.  —  Vergl.  ferner  K  u  n  z  e,  „Ueber  den  Einfluß  verschiedener  Durchfor- 
stungsgrade  auf  den  Wachstumsgang  der  Rotbuche"  (Tharandtcr  Jahrbuch  1884  S.  37  ff.).  Da- 
selbst werden  die  Ergebnisse  eines  21  Jahre  lang  fortgesetzten  \'ersuchs  mitgeteilt.  —  Ferner: 
Die  neueren  und  neuesten  Ertragstafeln  für  Ficlite  (Baur  1877,  Kunze  1877,  Scliwappach  1890 
und  1902,  Schiffel  1904,  Flury  1907),  Kiefer  (Weise  1880,  Kunze  1884,  Schwappach  1889  und  1908, 
Vorkampff-Laue  1904,  Wimmenauer  1908),  Buche  (Baur  1881,  Schuberg  1894,  Schwappach  1893 
und  1911,  Wimmenauer  1893  und  1911,  Grundner  1904,  Flury  1907). 

2)  Bedeutende  Schneebrüche  des  Winters  1885/86  und  noch  weit  umfassendere  des  Win- 
ters 1886/87  (z.  B.  in  den  Waldungen  —  bes.  ca.  25jährigen  Nadelholzhegen  —  des  Schönbuchs 
nördlich  von  Tübingen,  worüber  A.  F.-u.  J.-Z.  1887  S.  286  zu  vergleichen)  konnten  freilich  an  der 
günstigen  Wirkung  der  Durchforstungen  in  dieser  Richtung  Zweifel  aufkommen  lassen,  da  durch- 
forstete und  nicht  durchforstete  Orte  in  gleicher  Weise  verwüstet  worden  sind.  Aber  es  waren 
meist  kurz  vorher  durcldiauene  Bestände,  welche  neben  den  unberührten  gelitten  haben;  wahr- 
scheinlich, daß  sich,  wenn  allgemein  schon  in  früherem  Alter  in  Absicht  auf  die  Schneegefahr 
eine  durchgreifende  Reinigung  vorgenommen  worden  wäre,  die  Beschädigungen  weniger  intensiv 


Die  Beslandeserzieliung.     §   7  7.  169 

Zu  c)  Von  nicht  zu  unterschätzender  Wichtigkeit  ist  der  schon  S.  16  erwähnte 
Einfluß,  den  der  mit  der  Durchforstung  verbundene  vermehrte  Wärme-  und  Luftzu- 
tritt zum  Boden  auf  die  Zersetzung  der  Streu  ausübt.  Je  mehr  Standort,  Holzart  und 
Bestaadesverfassung  die  Ansammlung  von  Trockentorfmassen  wahrscheinlich  ma- 
ciien,  um  so  mehr  muß  durch  rechtzeitige  und  genügende  Schlußunterbrechung  den 
atmosphärischen  Venvesungsfaktoren  Zutritt  zum  Boden  verschafft  werden.  Die 
mit  der  normalen  Streuzersetzung  verbundene  Kohlensäurebildung  dient  der  Er- 
schließung der  Bodennährstoffe  in  gleichem  Maße  N\ie  die  durch  \'erwesung  der  Wur- 
zeln herbeigeführte  Bodenlockerung  und  Bodendurchlüftung. 

§  77.  III.  Grundsätze  bei  der  Ausführung  der  D  u  r  c  h  f  o  r- 
s  t  u  n  g  e  n:  Für  den  Durchforstungsbetrieb  sind  drei  Fragen  zu  beantworten,  näm- 
lich: 1.  wann  soll  man  mit  den  betreffenden  Aushieben  beginnen?  2.  wie  stark  soll 
man  sie  greifen?  und  3.  wie  oft  soll  man  sie  wiederholen?  Die  von  Karl  Heyer 
in  dieser  Hinsicht  gegebene  Regel  lautet:  früh,  mäßig  und  oft!  Georg  Ludwig 
H  a  r  t  i  g  war  für  stete  Erhaltung  des  Schlusses,  C  o  1 1  a  hingegen  im  Interesse  der 
Zuwachsförderung  für  eine  Unterbrechung  desselben. 

.\.  Beginn  der  D  u  r  c  h  f  o  r  s  t  u  n  g  e  n :  Bei  der  Entscheidung  über  den 
richtigen  Zeitpunkt  des  Durchforstungsbeginns  muß  man,  da  die  Durchforstungen  in 
erster  Linie  wegen  ihrer  günstigen  Einwirkung  auf  die  Entwickelung  des  Hauptbestan- 
des vorzimehmen  sind,  zunächst  immer  die  für  letzteren  zu  erwartenden  \'orteile  ins 
Auge  fassen  und  darf  nötigenfalls  selbst  eine  Zubuße  an  x\rbeitsaufwand  nicht  scheuen, 
wenn  sich  der  Ausfall  durch  raschere  Erstarkung  des  verbleibenden  Bestandteiles  be- 
zahlt macht.  Ueberhaupt  darf  man  die  Bilanz  nicht  jedesmal  für  die  einzelnen 
Durchforstungen  ziehen,  sondern  muß  deren  Erträge  und  Kosten  für  die  ganze  Le- 
bensdauer des  Bestandes  zusaimiienrechnen  und  erst  die  Sunuuen  vergleichen^). 
Hierbei  hat  eine  Vernachwertung  der  Erträge  mit  Zinseszinsen  stattzufinden  und  zu 
dieser  Summe  ist  der  Abtriebsertrag  zu  addieren.  Unter  sonst  gleichen  Umständen  ist 
derjenige  Durchforstungsbetrieb  der  beste,  welcher  zu  einem  Maximum  der  Gesamt- 
leistung führt. 

Es  ist  allerdings  angenehm,  -wenn  sich  solche  Wirtscliaflsoperationen  wie  die  Durch- 
forstungen gewisscrniaI3en  aus  sich  selbst  heraus  bezahlt  machen,  aber  ein  Hindernis  für  früh- 
zeitigen Beginn  darf  im  Kostenpunkt  nur  in  beschränl<tem  Maße  gefunden  werden.  Anderer- 
seits kann  sehr  wohl  der  gänzliche  Mangel  an  Absatz  für  das  zu  gewinnende  schwache  Material, 
sowie  das  Fehlen  der  nötigen  Arbeitskräfte  da  und  dort  der  \'ornahme  einer  Durchforstung 
erheblich  im  ^^"ege  stehen. 

Berücksichtigt  man  die  Gefahren,  welchen  gerade  die  dichtgeschlossenen  Jung- 
wüchse ganz  besonders  ausgesetzt  sind  (Feuer,  Schneedruck),  so  muß  man  im  allge- 
meinen einem  möglichst  frühzeitigen  Anfang  des  Durchforstungsbetriebs  das  Wort 
reden.  Einen  absolut  geeignetsten  Zeitpunkt  kann  man  aber  dafür  weder  ganz  allge- 
mein angeben,  noch  auch  nur  für  einzelne  Holzarten  oder  Standortskategorien  be- 
stimmt bezeichnen.    Das  entscheidende  Wort  hat  das  Aussehen  des  einzelnen  Be- 


gezeigt hätten.  Hinsichtlich  der  Schneebruchgefahr  in  ihren  Beziehungen  zur  Durchforstung  ist 
eine  sehr  beachtenswerte  Studie  von  Professor  Dr.  B  ü  h  1  e  r  erschienen  (Forstwiss.  Zentralblatt, 
Sept.-Oktbr.  von  1886  S.  485  ff.),  worin  aus  mechanisclien  Gründen  iiauptsächlich  die  Gefährlich- 
keit unsymmetrisch  entwickelter  Kronen  (einseilige  Belastung  durch  Schnee)  betont  wird.  Eine 
dem  Schneebrucli  entgegenwirkende  Durchforstung  hat  vorzugsweise  die  Schaffung  gleichmäßig 
ausgebildeter  Kronen  ins  .\uge  zu  fassen.  B  ü  h  1  e  r  sieht  in  der  Durchforstung  entschieden  ein 
Mittel  gegen  Schneebruchschäden,  eine  Ansicht,  die  durch  die  Erfalirungen  der  Praxis  als  riclitig 
sich  erwiesen  hat  und  nur  dann  widerlegt  erscheint,  wenn  plötzlich  und  sprungweis  stark  durch- 
forstet wird  und  die  so  behandelten  Bestände  bald  nach  Ausführung  der  Durchforstung  von 
größerem  Schneefall  betroffen  werden. 

2)  Man  vergleiche  F  i  s  c  h  b  a  c  h  im  forstw.  Zentralbl.  von  1885  S.  öö3. 


170  VI.  Lorey,  Waldbau. 

Standes  zu  sprechen.   Modifiziert  wird  aber  das  in  ihm  hegende  Gebot  jederzeit  durch 

die  Möghchkeit  der  Ausführung,  für  welche  die  oben  angedeuteten  Gesichtspunkte 

{Arbeitskräfte,  Absatz  etc.)  maßgebend  werden. 

Tatsächlich  wird,  nach  Beendigung  der  Reinigungshiebe,  im  großen  Betrieb  mit  den 
Durchforstungen  auch  bei  Lichtholzarten  Icaum  vor  dem  15. — 20.  Lebensjahre  begonnen,  wäh- 
rend bei  Schattenhölzern,  Buche,  Fichte  und  insbesondere  Tanne,  oft  bis  ins  25.,  30.  Lebensjahr, 
ja  nocli  länger  zugewartet  wird,  obwohl  es  keinem  Zweifel  unterliegt,  daß  auch  (und  vielleicht 
in  hervorragendem  Maße)  diese  Holzarten  für  recht  frühzeitiges  Eingreifen  sehr  dankbar  sind. 

§78.  B.  Stärke  des  Eingriffs  und  Wiederholung:  Die  Ant- 
worten auf  die  beiden  bezüglichen  Fragen  sind  insofern  von  einander  abhängig,  als 
es  die  häufigere  Wiederkehr  in  den  nämlichen  Bestand  gestattet,  mit  dem  einzelnen 
Hieb  weniger  kräftig  vorzugehen,  ohne  daß  der  mehrfach  betonte  Hauptzweck  der 
Durchforstungen,  die  Vermeidung  zu  gedrängten  Schlusses,  vereitelt  wird.  .Ja,  wenn 
man  erwägt,  daß  zur  normalen  Ausbildung  des  Einzelbaumes  immer  nur  ein  gewisses 
Maß  an  Standraum  erforderlich  ist,  während  eine  weitergehende  Unterbrechung  des 
Kronenschlusses  je  nach  Umständen  für  den  Boden  bedenkliche  Folgen  haben  kann, 
so  muß  man  einräumen,  daß  es  am  rationellsten  ist,  die  Durchforstungen  zwar  recht 
oft,  aber  jedesmal  nur  in  solchem  Umfange  vorzunehmen,  wie  es  die  vollkräftige  Ent- 
wickelung  des  Hauptbestandes  gerade  erheischt.  Jedesmal,  wann  wieder  Kronen- 
spannung eintritt,  sollte  von  neuem  eingegriffen  werden. 

Meist  gestaltet  sich  die  Praxis  des  Durchforstungsbetriebes  so,  daß  man  in  Zwischen- 
räumen von  5 — 10  Jahren,  manchmal  noch  seltener  in  die  Bestände  wiederkehrt.  Zeit-  und 
Arbeitsaufwand,  Uebersichtlichkeil  der  Wirtschaft,  zeitweise  Ruhe  in  den  Beständen  usw.  sind 
die  Gründe  gegen  kürzere  Perioden.  Es  ist  naheliegend,  daß  man  den  Unzuträglichkeiten, 
die  mit  zeitlich  weiter  auseinander  liegenden  Durchforstungen  im  Hinblick  auf  den  Erziehungs- 
zweck verbunden  sind,  zu  begegnen  suclit,  indem  man  im  einzelnen  Falle  stärker  durchforstet. 

Mit  jener  Regel  bezüglich  der  Wiederholung  und  den  sie  begründenden  Er\vä- 
gungen  ist  aber  keineswegs  auch  schon  die  Frage  nach  der  zweclunäßigsten  Stärke 
des  einzelnen  Aushiebs  beantwortet.  Die  Aufgabe  der  Durchforstung  ist  eine  zwei- 
fache: einerseits  ist  der  jetzt  envachsende  Bestand  zur  höchstmöglichen  Vollkommen- 
heit herauszuarbeiten  und  zweitens  ist  die  Bodenkraft  ungesclmiälert,  tunlichst  sogar 
noch  erhöht  an  die  nachfolgende  Umtriebszeit  zu  überliefern.  Beide  Aufgaben  stehen 
sich  in  ihren  Zielpunkten  keineswegs  gegenüber,  sondern  gehen  hierin  Hand  in  Hand, 
denn  eine  sorgsame  Schonung  des  Bodens  kommt  auch  dem  jetzt  lebenden  Bestände 
zu  gute.  Wohl  aber  sind  die  Mittel,  mit  denen  hinsichtlich  der  beiden  Zwecke  gear- 
beitet wird,  verschieden.  Der  Bodenschutz  verlangt  im  allgemeinen  (d.  h.  von  den 
Fällen  zu  großer  Nässe  und  zu  mächtiger  Trockentorfanhäufung  abgesehen)  dichteren 
Bestandesschluß,  während  sich  die  möglichst  rasche  Erstarkung  der  Bäume  nur  bei 
Gewährung  entsprechenden  Wachsraumes,  also  nach  Aufhebung  stärkerer  Kronen- 
spannung vollziehen  kann.  Fraglich  ist,  inwieweit  auf  gegebener  Fläche  die  quanti- 
und  qualitative  Zuwachsleistung  einer  geringeren  Anzahl  mehr  räumlich  stehender 
Bäume,  deren  jeder  dann  mit  vermehrter  Energie  arbeitet,  durch  die  Massen-  und 
Wertsmehrung  i)  einer  größeren  Anzahl  gedrängter  stehender,  im  einzelnen  geringerer 
Stämme  aufgewogen  werden  kann.  Alle  theoretische  Erörterung  kann  sich  nur  um 
diese  Frage  drehen,  da  man  sich  für  dasjenige  Verfahren  zu  entscheiden  hat,  welches 
unter  voller  Berücksichtigung  des  Gesamtaufwandes  —  Bodenkraft,  Arbeit,  Zeit, 
Holzvorratskapital  —  die  höchsten  Werte  erwirtschaftet.  Hiernach  also  ist  die  Stärke 
des  jeweiligen  Eingriffes  zu  bemessen. 

1)  Es  wird  unterstellt,  daß  der  beim  Verkauf  erzielte  Preis  der  äußere  Ausdruck  für  Wert 
und  Gebrauchsfähigkeit  der  erzeugten  Ware  ist;  wenigstens  hat  die  Wirtschaft  für  die  Beurtei- 
lung ihrer  Maßnahmen  zunächst  keinen  anderen  brauchbaren  Maßstab  als  den  im  Erlös  beim  Pro- 
duktenverkauf erreichten  tatsächlichen  Geldertrag. 


Die  Bestandeserziehung.     §  78.  171 

Der  Wirtscliaft  im  ^^'alde  ist  mit  diesen  allgemeinen  Erwägungen  jedoch  nieiit 
gedient;  sie  fordert  greifbare  Anhaltspunkte. 

Um  solche  zu  gewinnen,  hat  man  mehrfach  versucht,  die  verschiedenen  in  einem  Bestände 
vorkommenden  StammUlassen  genau  zu  definieren.  Derartige  Klassifizierungen  sind  schon 
frühzeitig  unternommen  worden.  So  oft  man  für  die  Durchforstungen  gewisse  Regeln  begrün- 
den wollte,  nmßte  man  von  einer  bezüglichen  Untersclieidung  ausgehen.  So  spricht  z.  B.  C  o  t  t  a 
(Waldbau,  9.  Aufl.  S.  91)  von  abgestorbenen,  absterbenden,  unterdrückten,  beherrschten  und 
herrschenden  Stämmen.  —  Die  zur  Klärung  aller  einschlagenden  \'erhältnisse  von  dem  Verein 
deutscher  forstlicher  Versuchsanstalten  beabsichtigten  Durchforstungsversuche  beruhen  auf 
einem  Arbeitsplane,  welcher  1902  beschlossen  wurde  und  in  der  Zeitschr.  f.  F.-  u.  J. -Wesen 
1902,  S.  668  abgedruckt  ist.    Er  führt  folgende  Klassen  auf: 

I.  Herrschende  Stämme,  welche  an  dem  oberen  Kronenschirm  teilnehmen  und  zwar 

1.  Stämme  mit  normaler  Kronenentwickclung  und  guter  Stammform,  2.  Stämme  mit  abnormer 
Kronenentwickelung  oder  schlechter  Stammform,  a)  eingeklemmte  Stämme  (kl),  b)  schlecht- 
geformte N'orwüchse  (vo),  c)  sonstige  Stämme  mit  fehlerhafter  Stammausformung,  insbesondere 
Zwiesel  (zw),  d)  sogenannte  Peitscher  (pt),  e)  kranke  Stämme  (kr). 

II.  Beherrschte  Stämme  3.  zurückbleibende,  4.  unterdrückte,  5.  absterbende  und 
abgestorbene. 

Die   Durchforstungen  entfernen  die   Stammklassen  5 — 2  zum  Teil  oder  ganz,   Stämme 
der  Kl.  1  nur  ausnahmsweise,  sow-eit  dies  zur  Auflösung  von  Gruppen  notwendig  erscheint. 
Nach  Art  und  Grad  der  Durchforstungen  werden  unterschieden: 

I.  Niederdurchtors  tung.  1.  Schwache  Durchforstung  (A-Grad):  ent- 
fernt nur  die  abgestorbenen  und  absterbenden  Stämme,  sowie  die  niedergebogenen  Stangen. 

2.  M  ä  ß  i  g  e    Durchforstung   (B-Grad):    entfernt    die    Klassen    5,    i    und    einen    Teil   von    2. 

3.  Starke  Durchforstung  (C-Grad):  entfernt  alle  Stämme  mit  Ausnahme  der  Klasse  1. 

II.  H  o  c  h  d  u  r  c  h  f  0  r  s  t  u  n  g.  1.  Schwach  (D-Grad):  beschränkt  sich  auf  den 
Aushieb  der  abgestorbenen  und  absterbenden,  niedergebogenen,  ferner  der  schlechtgeformten 
und  kranken  Stämme,  der  Zwiesel,  Sperrwüchse,  Peitscher,  sowie  derjenigen  Stämme,  die  zur 
Auflösung  von  Gruppen  gleichwertiger  Stämme  entfernt  werden  müssen  (Kl.  5,  ein  großer  Teil 
von  KI.  2  und  einzelne  Stämme  von  Kl.  1).  2.  Starke  (E-Grad):  erstrebt  unmittelbar  die 
Pflege  einer  verschieden  bemessenen  Anzahl  von  Zukunftsstämmen  und  entfernt  neben  der 
Klasse  5  und  den  kranken  Stämmen  alles,  was  die  gute  Kronenentwickelung  der  Zukunfts- 
stämme behindert  (Kl.  5  und  Stämme  der  Kl.  1  und  2). 

Eine  andere  Ausscheidung  vollzog  Kraft  in  seinen  oben  angeführten  ,, Beiträgen  zur 
Lehre  von  den  Durchforstungen",  indem  er  nicht  die  Verschiedenheit  des  Höhenwuchses,  son- 
dern die  Qualität  der  Krone  als  das  durchschlagende  Kriterium  ansah.  Hiernach  ergeben  sich 
folgende  Kategorien:  1.  vorherrschende  Stämme  (mit  ausnahmsweise  kräftig  entwickelten 
Kronen);  2.  herrschende  (in  der  Regel  den  Hauplbestand  bildende  St.  mit  verhältnismäßig 
gut  entwickelten  Kronen);  3.  gering  mitherrschende  St.  (Krone  zwar  noch  ziemlich  normal 
geformt,  aber  verhältnismäßig  schwach  entwickelt  und  eingeengt,  oft  mit  schon  beginnender 
Degeneration  —  untere  Grenze  des  herrschenden  Bestandes);  4.  beherrschte  Stämme  (Krone 
mehr  oder  weniger  verkümmert,  entweder  von  allen  Seiten  oder  nur  von  zwei  Seiten  zusanmien- 
gedrückt  oder  einseitig  entwickelt),  hierunter  a)  zwischenständige,  b)  teilweise  unterständige 
Kronen;  5.  ganz  unterständige  Stämme,  a)  mit  lebensfähigen  Kronen,  b)  mit  absterbenden  und 
abgestorbenen  Kronen.  —  Hienach  kann  bestimmt  angegeben  werden,  welche  der  angeführten 
Klassen  bei  der  Durchforstung  der  Nutzung  anheimfallen  sollen. 

Nach  allen  bisherigen  Auseinandersetzungen  können  nur  in  bezug  auf  diejenigen 
Stämme  Zweifel  bestehen,  welche  sich  am  Kronenschliiß  im  Bestände  noch  aktiv  be- 
teiligen, indem  sie  über  sich  noch  einen  mehr  oder  minder  großen  freien  Luftraum 
haben  oder  sich  wenigstens  mit  ihren  Aesten  noch  in  die  oberen  Partien  der  Nachbar- 
kronen eindrängen,  so  daß  letztere  dadurch  in  ihrer  seitlichen  Ausbildung  behindert 
sind.  Was  an  Bäumen  bereits  vollständig  unterdrückt  ist,  darf  —  unter  Nichtbeach- 
tung des  geringen  Nährstoffverbrauchs,  welcher  für  den  unbedeutenden  Zuwachs  er- 
forderlich ist  —  als  für  die  Bestandeserziehung  gleichgültig  betrachtet  werden.  Die 
Zuwachsleistung  der  mehr  oder  weniger  unterständigen  Stämme  ist  eine  äußerst 
geringfügige;  80 — 90  Prozent  der  Gesamtzuwachsleistung  entfallen  auf  den  Haupt- 
bestand. 

Die  Ansichten  darüber,  wie  weit  man  den  Kronenschirm  lockern  soll,  gehen  sehr 
auseinander.  Wer  für  Unterlassen  jeder  Durchforstung  oder  für  nur  ganz  schwaches 
Eingreifen  eintritt  und  damit  sich  weigert,  den  Kronenschluß  überhaupt  irgendwie 


]72  "^'1-  Lorey,  Waldbau. 

zu  unterbrechen,  kann  sich  nur  auf  möglichst  weitgehende  Sorge  für  den  Boden- 
schutz, sowie  für  Ausbildung  glattschaftiger,  astreiner,  schlanker  Nutzholzstännne 
berufen.  Bei  räumlicherer  Stellung  produzieren  die  einzelnen  Stämme  in  den  heranwach- 
senden Beständen,  ausweislich  aller  neueren  Untersuchungen,  mehr  Masse  als  in  den 
nicht  oder  nur  ganz  schwach  durchforsteten  Beständen.  Andererseits  beruht  aber  der 
Wert  stärkerer  Durchforstungen,  wie  die  Ergebnisse  aller  Versuchsflächen  bestätigen, 
nicht  in  einer  Steigerung  der  Gesamtmassenproduktion,  sondern  lediglich  in  einer 
Wertsmehrung.  Die  Gesamtmassenleistung  der  Bestände  bleibt  dieselbe,  gleichviel 
ob  mehr  oder  weniger  stark  durchforstet  bezw.  gelichtet  wird.  Wir  erzeugen  nicht 
mehr  Masse  ^),  wenn  wir  die  besten  Stämme  frühzeitig  und  nachhaltig  umlichten, 
der  Gesamtzuwachs  wird  aber  auch  nicht  kleiner,  solange  bei  der  Lichtung  nicht 
unter  die  zulässige  Grenze  der  Stammzahl  herabgegangen  worden  ist.  Der  Wert 
stärkerer  Durchforstungen  beruht  in  der  Konzentrierung  des  Zuwachses  auf  eine  ge- 
ringere Stammzahl.  Das  ist  gleichbedeutend  mit  rascherer  Stärken-  und  Wertszu- 
nahme dieser  Stämme  und  umschließt  Erhöhung  der  Rentabilität,  wenn  sonst  die 
technische  A'erwendbarkeit  des  in  der  größeren  Freistellung  erwachsenen  Holzes  nicht 
gehtten  hat.  Die  Zukunft  des  Waldes  aber  liegt,  wie  Heck  (Freie  Durchforstung  1904, 
S.  63)  sagt,  nicht  in  der  Massen-,  sondern  in  der  Wertwirtschaft.  Dieses  auch 
im  Worte  ,, Nutzholzerziehung"  ausgedrückte  Leitmotiv  des  neuzeitlichen  Wirt- 
schaftswaldes führte  die  Durchforstungstechnik  von  selbst  auf  die  schwei-wiegenden 
Unterschiede,  die  in  der  Behandlung  der  verschiedenen  Holzarten  infolge  ihrer  aus- 
einander gehenden  physiologischen  und  biologischen  Eigenschaften  zu  beachten  sind. 
Unter  Berücksichtigung  dieser  Verschiedenheiten  ■wurden  vielfach  für  die  verschie- 
denen Altersstufen  des  Bestandes  verschiedene  Durchforstungsnormen  aufgestellt. 
Im  allgemeinen  gilt  jetzt  der  Grundsatz,  den  Bestand  bis  zur  Vollendung  seines  Haupt- 
längenwachstums -)  in  Schluß  zu  halten  und  erst  späterhin  mit  stärkeren  Eingriffen 
zu  beginnen.  Der  Bestand  soll  dadurch  veranlaßt  werden,  in  der  ersten  Periode  seines 
Lebens  Stämme  auszubilden,  die  bis  zu  einer  gewissen  Höhe  über  dem  Boden  astrein  ^) 
sind.  Der  vorangehenden  Pflege  der  Schaftform,  d.  h.  der  Ausbildung  von  Astreinheit, 
Geradschäftigkeit  und  Vollholzigkeit,  folgt  dann  die  Pflege  der  Stärkenzunahme 
durch  Vergrößerung  des  Wachs-  und  Kronenraumes.  Unleugbar  hat  dieses  Verfahren 
vollste  Berechtigung  bei  allen  jenen  Holzarten,  die  nicht,  wie  Lärche,  Fichte  und 
Tanne,  über  ein  bis  in  hohe  Alter  anhaltendes  Schaftlängenwachstum  verfügen,  son- 
dern, wie  unsere  wirtschaftlich  beachtenswertesten  Laubhölzer  und  Kiefer,  zur  Ver- 
ästelung des  Schaftes,  Kronenausbreitung  und  Kurzschaftigkeit  hinneigen,  sobald 
sie  von  Jugend  auf  freien  Wachsraum  haben.  Hier  bewirkt  die  Erziehung  im  Schluß 
bis  zur  Vollendung  des  Hauptlängenwachstums  ein  Hinausschieben  der  Krone,  ein 


1)  Nur  bei  der  Rotbuche  fand  S  c  h  w  a  p  p  a  c  h  (d.  Rotbuche  1911,  S.  171)  auf  den  nach 
den  Grundsätzen  der  schwachen  Hochdurchforstung  behandelten  Flächen  der  3  ersten  Standorts- 
klassen gegenüber  den  im  gewöhnlichen  Schluß  gehaltenen  Flächen  eine  absolute  Mehrproduktion 
an  Derbholz  bei  lOOjähr.  Umtriebe  von  durchschnittlich  15%,  bei  laojähr.  Umtriebe  sogar  von  19%. 

2)  Der  laufend  jährliche  Hühenzuwachs  kulminiert  nach  den  neueren  Ertragstafeln  für 
die  Fichte  durchschnittlich  mit  40 — 50,  die  Buche  mit  30 — 35,  Kiefer  15 — 20,  Tanne  50 — 70  Jah- 
ren, der  durchschnittliclie  Höhenzuwachs  bezüglich  im  Alter  von  60 — 80,  iO — 50,  30  und  70 — 100 
Jahren. 

3)  Die  einzelnen  Holzarten  verhalten  sich  in  dieser  Hinsicht  sehr  verschieden.  Die  unteren 
Zweige  sollen  absterben,  bevor  sie  zu  stark  geworden  sind,  um  demnächst  noch  abgestoßen  zu 
werden;  sie  sollen  keine  Hornäste  im  Holz  zurücklassen.  Bei  Lichthölzern  erfolgt  das  .\bsterben 
naturgemäß  rascher;  Laubhölzer  stoßen  die  starken  Aeste  meist  leichter  und  vollständiger  ab  als 
Nadelhölzer,  unter  welchen  namentlich  die  Fichte  sich  nur  bei  dichtem  Schluß  entsprechend 
schnell  und  vollständig  reinigt. 


Die  Bestandeserziehung.    §  78.  173 

Strecken  des  ganzen  Baumes  und  ist  das  einzige  Mittel,  um  das  Laubholz  und  die 
Kiefer  zur  Ausbildung  nutzholztüchtiger  Schaftformen  zu  zwingen. 

Anders  liegen  die  Verhältnisse  bei  Lärche,  Fichte  und  Tanne.  Bei  ihnen  wirkt 
eine  größere  Lichtstellung  in  der  Jugend  nicht  verzögernd,  sondern  anregend  und 
fördernd  auf  den  HöhenwTichs  ein.  Hierzu  gesellt  sich  eine  Förderung  des  Stärken- 
zuwachses, weil  mit  dem  größeren  Wachsraum  die  Ausbildung  einer  größeren  Krone 
in  Verbindung  steht.  Umgekehrt  werden  die  genannten  Nadelhölzer  bei  Schluß- 
erziehung an  der  Ausbildung  und  Erhaltung  einer  für  ihre  spätere  Erstarkung  not- 
wendigen Krone  gehindert.  Da  den  Nadelhölzern  größere  Mengen  entwickelungs- 
fähiger  Adventivknosjien  nicht  zur  Verfügung  stehen,  ist  es  ihnen  nicht  möglich,  eine 
infolge  dichten  .Jugendschlusses  verloren  gegangene  Krone  im  späteren  freieren  Stande 
so  zu  ersetzen,  daß  der  für  eine  nennenswerte  Stärkenzunahme  notwendige  Assimi- 
lationsapparat vorhanden  ist.  Es  ist  daher  verständlich,  wenn  S  c  h  i  f  f  e  1  ^)  in  An- 
lehnung an  die  vom  Forstmeister  B  o  h  d  a  n  e  c  k  y  auf  der  Herrschaft  ^^'orlik  in 
Böhmen  schon  länger  geübte  Praxis  für  die  Erziehung  von  Fichte,  Tanne  und  Lärche 
gerade  die  entgegengesetzten  Regeln  aufstellt  wie  für  die  Erziehung  der  Laubhölzer 
und  der  Kiefer.  Die  letzteren  sind  dicht  in  der  Jugend,  licht  im  Alter,  Fichte,  Tanne 
und  Lärche  aber  licht  in  der  Jugend  und  dichter  im  Alter  zu  erziehen.  Neben  sehr 
weitständiger  Bestandesbegründung  verlangen  S  c  h  i  f  f  e  1  für  Fichte  und  M  e  r  ^) 
für  Tanne  starke  Schlußunterbrechungen  in  der  Jugend.  Der  Bestandesschluß  und 
damit  der  Beginn  der  Reinigung  soll  bei  der  Fichte  bei  5  m,  auf  den  besseren  Stand- 
orten erst  bei  8  m  Mittelhöhe  eintreten.  Die  mit  dem  Schließen  der  Kultur  infolge 
der  Reinigung  einsetzende  Kronenverkürzung  soll  dann  durch  rechtzeitig  eingelegte 
und  öftere  Durchforstungen  so  verzögert  werden,  daß  die  Stämme  des  Hauptbestandes 
im  Haubarkeitsalter  noch  zuwachskräftige,  3  bis  4  Zehntel  der  Schaftlänge  einneh- 
mende Kronen  aufweisen.  Die  von  Schiffel  empfohlene  freiwüchsige  Jugenderziehung 
ist  natürlich  nur  dann  zulässig,  wenn  Gefährdung  der  Bodenkraft  ebenso  wie 
Grobästigkeit,  Weitringigkeit  und  Schwammigkeit,  also  allgemein  gesagt,  Qualitäts- 
minderung des  Holzes  nicht  zur  Gefolgschaft  der  genannten  Erziehungsmethode  ge- 
hören. Sie  ist  weiter  an  die  ^'oraussetzung  gebunden,  daß  die  gesteigerte  ^lassen- 
leistung,  das  entsprechend  niedrige  Abtriebsalter  und  der  höhere  Prozentsatz  Stark- 
holz der  freiwüchsig  erzogenen  Bestände  tatsächlich  den  Mehraufwand  an  Arbeit 
und  Geld  ersetzen,  der  durch  die  frühzeitigen  und  öfter  wiederholten,  doch  nur  gering- 
wertiges Material  abwerfenden  Durchreiserungen  und  Durchsclmeidungen  und  durch 
Verringerung  der  besser  absetzbaren  Durchforstungswerte  verursacht  wird.  Eine  so 
intensive  Bestandspflege,  wie  zur  Erreichung  der  Vorteile  der  freiwüchsigen  Jugend- 
erziehung nötig  ist,  ist  an  günstige  Arbeiter-  und  Absatzverhällnisse  gebunden. 
Außerdem  kommt  hinzu,  daß  die  Vornutzungen  bei  der  Schiffel'schen  Methode  nach 
Masse  und  Wert  fühlbar  sinken.  Wie  weit  sich  speziell  dieses  Moment  in  der  Ren- 
tabilität bemerkbar  macht,  darüber  entscheiden  die  jeweils  vorliegenden  volkswirt- 
schafthchen  ^'erhältnisse.  Es  ist  sicher,  daß  die  hervorgehobenen  Voraussetzungen 
für  erfolgreiche  Anwendung  der  freiwüchsigen  Jugenderziehung  keineswegs  überall 
vorhanden  sind,  und  es  ist  zu  erwarten,  daß  die  forstliche  Praxis  im  großen  und  ganzen 


1)  A.  Schiffel,  Wuchsgesetze  normaler  Fichtenbestände.  Heft  29  der  ,, .Mitteilungen 
a.  d.  forstl.  Versuchswesen  Oesterreichs".  —  D  e  r  s.  über  Bestandserziehung,  Zbl.  f.  d.  ges.  Forst- 
wesen 1906,  333,  405.  —  S  c  h  w  a  p  p  a  c  h,  Wie  sind  junge  Fichtenbestände  zu  durcliforsten, 
Ztschr.  f.  Forst-  u.  Jagdw.  1905,  S.  11.  —  R  e  b  e  1,  Die  Worliker  Bestandserzieluing,  Forstwiss. 
Zbl.  1905,  239. 

2)  M  e  r,  Moyens  d'accroitre  la  production  de  bois  d'oeuvre.  Revue  des  eaux  et  forets 
1905,    513. 


174  ^  I-  L  o  r  e  y  ,  Waldbau. 

auch  bei  der  Pflege  der  Fichten-,  Tannen-  und  Lärchenbestände  an  dem  Grundsatz 
festhalten  wird,  dem  Durchforstungsbetriebe  nicht  vor,  sondern  erst  nach  der  Periode 
des  Hauptlängenwachstums  größere  Freiheit  zu  gewähren.  Damit  soll  der  absoluten 
Schonung  des  Hauptbestandes  während  der  Jugendperiode  des  Bestandes  aber  keines- 
wegs das  Wort  geredet  sein.  Das  bei  der  Bestandeserziehung  mehr  und  mehr  in  den 
Vordergrund  tretende  Prinzip  der  Schaftpflege  verlangt  vielmehr  eine  möglichst  früh- 
zeitige Beseitigung  aller  jener  Glieder  des  Hauptbestandes,  die  mit  irgend  einer  un- 
erwünschten Eigenschaft  behaftet  sind.  Zu  diesen  gehören  nicht  nur  die  kranken  und 
schlechtformigen  Stämme,  sondern  unter  Umständen  auch  ein  Teil  der  vorwüchsigsten 
und  damit  meist  auch  stärksten  Stämme.  Der  Tatsache,  daß  solche  Vorwüchse  sehr 
oft  nicht  über  die  besten  Schaftformen  verfügen,  namentlich  nicht  bei  Buche  und 
Kiefer,  tritt  noch  der  weitere  Nachteil  zur  Seite,  daß  durch  sie  oft  eine  mehr  oder 
minder  große  Anzahl  von  entwicklungsfähigen,  zuwachstüchtigen  Nachbarn  zurück- 
gehalten wird.  Die  rechtzeitige  Entfernung  dieser  Vorwüchse  (,, Protzen"  im  Sinne 
Borggreves)  bedeutet  für  den  Bestand  trotz  der  Entnahme  eines  Teiles  der  zuwachs- 
kräftigsten Individuen  keine  Einbuße,  sondern  Gewinn  an  Zuwachs,  einen  Gewinn, 
der  sowohl  in  der  Massenleistung  wie  auch  in  der  Nutzholz-,  also  Wertsmehrung  zum 
Ausdruck  kommt,  wenn,  wie  wohl  selbstverständlich,  in  erster  Linie  den  schlecht- 
formigen  Vorwüchsen  zu  Leibe  gegangen  wird.  Der  Wert  dieses  von  Borggreve  in 
seiner  Plenterdurchforstung  (s.  dort)  vertretenen  Gedankens  der  Entnahme  vorwüch- 
siger  Stämme  zu  gunsten  besserer,  entwickelungsfähiger  Nachbarn  tritt  umsomehr 
hervor,  je  jünger  die  Bestände  sind,  in  denen  er  bei  der  Bestandspflege  zur  Richtschnur 
genommen  wird.  Er  findet  neuerdings  Beachtung  in  der  Hochdurchforstung  und  hat 
sich  nach  Ausweis  der  jüngeren  Ertragstafeln  von  Schwappach  (s.  Fußnote  1  S.  168) 
namentlich  bei  der  Erziehung  jener  Holzarten  bewährt,  bei  denen  Sperrwüchse  und 
schlechte  Stammformen  häufiger  sind,  d.  s.  Buche,  Eiche  und  Kiefer. 

Wägt  man  die  außerordentlich  zahlreichen  Erfahrungen,  die  mit  den  verschie- 
denen Graden  der  Durchforstung  gemacht  worden  sind  und  die  ein  reiches  Für  und 
Wider  umschließen,  sorgfältig  ab,  so  kommt  man  zu  dem  Schluß,  daß  im  allgemei- 
nen ein  kräftiges  Eingreifen  in  Form  der  starken  Niederdurchforstung,  vielfach  besser 
noch  in  Form  der  schwachen  Hoclidurcliforstung,  also  ein  Eingreifen,  das  eine  zeit- 
weise Unterbrechung  des  Kronenschlusses  nicht  scheut,  die  Regel  zu  bilden 
hat,  wenn  für  die  Pflege  des  Abtriebsbestandes  und  dessen  Entwickelung  wirklich 
etwas  geleistet  werden  soll,  während  die  auf  die  unterdrückten  Stämme  sich  beschrän- 
kendemäßigeodergardie  schwache,  nur  die  abgestorbenen  und  absterbenden  begreifende 
Durchforstung  als  Ausnahmen  zu  betrachten  sind,  für  deren  Berechtigung  im  einzelnen 
Falle  bestimmter  Nachweis  verlangt  werden  muß.  Dies  gilt,  wenn  nicht  schon  für  die 
allerersten  Durchforstungen,  so  mindestens  vom  angehenden  Stangenholzalter  ab. 
Abweichungen  bleiben  vorbehalten,  und  es  wird  niemand  darüber  zweifelhaft  sein, 
daß  solche  gerade  in  jüngeren  Beständen  häufig  geboten  sind.  Wie  weit  übrigens  die 
einzelne  Durchforstung  mit  der  Lockerung  im  Ivronendach  gehen  soll,  ist,  wie  schon 
oben  angedeutet  wurde,  wesentlich  von  der  Häufigkeit  der  Wiederholung  abhängig. 
Die  Durchforstung  soll  nicht  den  Charakter  eines  Lichtungshiebes  annehmen;  aber  es 
ist  zu  beachten,  daß  ein  solcher  noch  lange  nicht  vorliegt,  wenn  vorübergehend  die 
Sonne  da  und  dort  im  Bestände  zum  Boden  dringen  kann,  während  nach  wenigen 
Jahren  schon  wieder  volle  Kronenspannung  zu  ei-warten  steht.  Mehr  als  zwei  Zehntel 
der  Bestandesmasse  wird  man,  Kronenschluß  ohne  Ueberfüllung,  d.  h.  ohne  merkliche 
gegenseitige  Beengung,  vorausgesetzt,  auch  bei  starken  Eingriffen  kaum  auf  einmal 
entfernen,  hiermit  aber  auch  meist  schon  einen  Zustand  erzielen,  bei  dem  sich  der 


Die  Bestandeserziehung.     §  78.  175 

bleibende  Bestandesteil  einer  normalen  Entwickelung  erfreut.  Das  riclitige  Maß  würde 
erreicht  sein,  wenn  bis  zur  nächsten  Durcliforstung  jene  mäßige  Spannung,  bei  welcher 
die  Bäume  mit  möglichst  allseits  gut  gebildeten  Kronen  sich  berühren  oder  doch 
höchstens  mit  den  Astspitzen  ineinandergreifen,  wieder  hergestellt  wäre.  Jedem 
weitergehenden  gegenseitigen  Beengen  sollte  sofort  durch  eine  neue  Durchforstung 
abgeholfen  werden. 

Anstatt  den  Aushieb  nach  S  t  a  m  m  k  1  a  s  s  e  n  zu  regeln,  ist  mehrfach  vor- 
geschlagen worden,  eine  Festsetzung  der  zu  beseitigenden  Individuen  nach  der 
S  t  a  m  m  z  a  h  1  für  1  ha,  unter  Berücksichtigung  der  B  r  u  s  t  h  ö  h  e  n  d  u  r  c  h- 
m  e  s  s  e  r  vorzunehmen,  so  von  H  a  u  g  und  K  o  z  e  s  n  i  k  (Literatur  in  Amn.  2  S.  164). 
Hiermit  in  Einklang  steht  der  schon  vor  langer  Zeit  von  Oberforstrat  K  ö  n  i  g  in  seiner 
Forstmathematik  gemachte  Vorschlag  einer  Regelung  des  Aushiebs  nach  der  Ab- 
standszahl (  a  =  -T  1  d.  h.  dem  Verhältnis  der  Standraumseite  zum  Durchmesser.  M  a  r- 

t  i  n  1)  wünscht,  daß  die  Kreisflächensumme  [=  Stammgrund- 
fläche  (g)]  in  der  Durchforstungs-  und  Lichtungspraxis  als  Maßstab  Anwendung 
finde.  Klein  beginnend  und  bis  zum  mittleren  Stangenholzalter  stark  zunehmend, 
soll  sie,  sobald  gute  Schaftform  der  Stämme  hergestellt  ist,  eine  bestimmte, 
nach  Standortsgüte  und  Holzart  verschiedene  Höhe  nicht  mehr  überschreiten, 
sondern  gleich  bleiben  wie  der  relative  Wachsraum,  d.  h.  wie  das  Verhältnis  der 
Krone  zur  Stammgrundfläche  in  Brusthöhe.  Aller  Zuwachs,  welcher  der  Kreis- 
fläche dann  zugeführt  wird,  muß  periodisch  im  Wege  der  Durchforstung  entfernt 
werden. 

Welche  Stammzahl  oder  welche  Stammgrundfläche  den  größten  Zuwachs 
sichern,  darüber  fehlen  noch  positive  Zahlen.  Nur  für  die  Buche  hat  Schwappach-) 
neuerdings  die  besten  Leistungen  bei  einer  vom  60.  Jahre  aufwärts  zwischen  20  und  25 
Quadratmeter  schwankenden  Stammgrundfläche  ermittelt.  Die  Abhängigkeit  solcher 
Zahlen  von  Holzart,  Bonität,  Alter,  Wirtschaftsziel  usf.  läßt  aber  vermuten,  daß  das 
subjektive  Ermessen  und  der  fachmännische  Blick  des  Wirtschafters  beim  prak- 
tischen Durchforstungsbetriebe  durch  solche  nur  mit  Zeitaufwand  zu  benutzende 
Zahlenwerte  nicht  verdrängt  werden.  Schon  König  sprach  es  aus,  daß  man  über  dem 
Durchforsten  selbst  am  besten  beurteilen  könne,  was  abkömmlich  sei.  Einen  besser 
und  leichter  anwendbaren  Maßstab  zur  Bemessung  der  richtigen  Bestandesdichte 
bildet  die  Höhe  des  Kronenansatzes  an  den  herrschenden  Stämmen. 
Auf  Grund  eingehender  Untersuchungen  ist  die  Forderung  einer  30  bis  40  %  der  Total- 
höhe einnehmenden  grünen  tätigen  Krone  vom  mittleren  Lebensalter  des  Bestan- 
des bis  zur  Hiebsreife  von  verschiedenen  Seiten  (Martin,  Schwappach,  Schiffel) 
aufgestellt  worden. 

Verschiedenheiten  der  Ausführung  ergeben  sich  im  einzelnen  in  Menge.  Namentlich  ist 
für  die  erste  Durchforstung  im  Jungbeslande  die  Art  der  Bestandesbegründung  bezw.  die  ur- 
sprüngliche Bestandesdichle  maßgebend  und  zwar  nicht  nur  direkt  wegen  des  dadurch  beding- 
ten stärkeren  oder  minder  starken  Drängens  und  Ringens  der  einzelnen  Stänimclien  neben- 
einander, sondern  hauptsächlich  mittelbar  wegen  ihrer  Beschaffenheit.  Man  muß  nicht  seilen 
eine  erste  Durchl'orslung  schwächer  führen,  weil  die  einzelnen  Stämmchen  so  schlank  erwachsen 
sind,  daß  jeder  plölzliche  stärkere  Eingriff  ein  Umlegen  derselben  zur  Folge  haben  würde. 
Ebenso  isl,  wenn  nicht  freierer  Stand  von  der  ersten  Jugend  an  widerstandsfähigere  Bestände 


1)  Martin,  Kritische  \'ergleichung  der  wichtigsten  forsttechnischen  und  forstpolitischen 
Maßnahmen  deutscher  und  außerdeutscher  Forstverwaltungen.  Ztschr.  f.  Forst-  u.  Jagdw. 
1902,  635.  —  D  e  r  s.,  Die  forstliche  Statik,  2.  Bd.  124.  —  D  e  r  s.,  Rückblicke  a.  d.  \'erhandlgn. 
d.  8.  internal,  landw.  Kongreß  in  Wien.    Tharandl.  Jhrb.  1909,  133. 

2)  Die  Rotbuche.  1911. 


J76  ^'I-  Lorey,  Waldbau. 

erzeugt  hat,  die  SchneedrucUgefahr  in  dem  Ivritisclien  Gertenliolzalter  selir  zu  l:ieacliten.  Es  ist  ein 
Untersctiied,  ob  man  an  steilen  südlichen  Hängen  oder  auf  mäßig  geneigten,  frischen  Nordhängen 
operiert.  Im  allgemeinen  wird  man  in  schlechteren  Lagen  vorsichtiger  zu  Werk  gehen  müssen, 
hauptsächlich  um  die  Bodenlcraft  zu  bewahren.  Man  darf  aber  dabei  auch  nicht  übersehen,  daß 
gerade  schlechtere  Bestände  auf  Standorten  mit  geringer  Bodentätigkeit  oft  für  die  ihnen  durch 
wirtschaftlichen  Eingriff  gewährte  Beihilfe  besonders  dankbar  sind.  Ebenso  wird  man  zum 
Schulz  gegen  das  Eintreten  des  Windes  in  die  Bestände  {Windmäntel !)  die  Bestandesränder 
oft  weniger  stark  angreifen,  als  das  Bestandesinnere  ').  Selbst  unterdrückte  Stämme  sind  dann 
zu  schonen,  wenn  ihr  .\ushieb  Lücken  im  Bestände  verursachen  würde,  welche  als  Windfänge 
oder  durch  Bodenaushagerung  bedenklicli  werden  könnten.  Alles  in  allem  braucht  man  in  vor- 
geschrittenerem Bestandesalter  weniger  ängstlich  zu  sein.  Dadurch,  daß  eine  zu  schwache 
Durchforslung  die  Enlwickelung  des  Hauptbestandes  ungebührlich  zurückhält,  wird  meist  viel 
größerer  Schaden  angerichtet,  als  durch  die  wenigen  Fälle,  in  welchen  vielleicht  durch  einen  zu 
starken  Eingriff  in  irgend  welcher  Richtung  einmal  ein  Nachteil  erfolgt. 

Einen  besonders  starken  Grad  der  Durchforstung  erheischen  W  e  i  ß  t  a  n  n  e  n  b  e- 
stände,  in  denen  K  r  e  b  s  t  a  n  n  e  n  vorkommen,  deren  Aushieb  als  Mittel  gegen  die  Ver- 
breitung der  Krebskranklieit  anzusehen  ist  -).  Hier  sind  schon  vom  jugendlichen  Alter  ab  die 
mit  Krebs  behafteten  Stämme  aufzusuchen  und  zu  entfernen.  Ein  solches  N'orgehen  bietet  zu 
keinen  Bedenken  Anlaß.  Im  Jungbestand,  in  welchem  der  Kampf  gegen  das  Uebel  zu  beginnen 
hat,  sind  die  entstehenden  Lücken  an  sich  nicht  bedeutend  und  werden  durch  einwachsende 
Individuen  bald  ausgefüllt.  In  älteren  Beständen  wird  durch  den  .\ushieb  der  Krebstannen, 
wenn  dadurch  Lücken  entstehen,  die  \'erjüngung  eingeleitet,  bezw.  da.  wo  man  eine  femel- 
schlagartige  Bewirtschaftung  der  Weißtanne  erstrebt,  diese  in  der  einfachsten  Weise  begonnen. 

In  g  e  m  i  s  c  h  t  e  n  Beständen^)  handeil  es  sich  immer  um  die  Begünstigung  der 
wertvollen  Holzart  vor  der  minder  wertvollen,  durch  Gewähr  einer  freien,  die  Enlwickelung 
begünstigenden  Stellung  behufs  Steigerung  des  Zuwachses  und  der  Nutzholzausformung.  So 
z.  B.  ist  dem  Freihieb  der  Eiche  im  Buchenbestande  besondere  Aufmerksamkeit  zu  schenken, 
ebenso  demjenigen  von  Esche,  Ulme,  .\horn,  Linde,  Tanne,  Lärche,  sofern  sie  .Anwartschaft 
auf  Erlangung  von  Nutzholzqualität  haben. 

In  jüngeren  Wüchsen  ist  öfters,  wenn  schlank  aufgeschossene  Exemplare  zu  schützen 
sind,  die  sich  noch  nicht  zu  tragen  vermögen,  kein  vollständiges  .\ushauen,  sondern  nur  das 
Einstutzen  (Köpfen)  der  bedrängenden  Stämme  angezeigt.  Für  höhere  Stangen,  die  nicht  ge- 
köpft werden  können,  deren  Beseitigung  durch  Heraushacken  aber  auch  nicht  erwünscht  ist, 
empfiehlt  May  r  (Waldbau,  516)  Wurzelstümmelung,  d.  h.  Durchhacken  einer  oder  mehrerer 
kräftiger  Seitenwurzeln.  Die  dadurch  herbeigeführte  Verlangsamung  des  Wachstums  erleich- 
tert es  dem  wertvolleren  Nachbarn,  den  notwendigen  Norsprung  im  Höhenwuchs  zu  erreichen. 

§79.  C.  Besondere  Arten  der  Durchforslung:  Der  Durch- 
forstungsbetrieb  steht  in  engem  Zusammenhang  mit  der  Art  des  Wirtschaftsbetriebs 
überhaupt.  Ein  allen  Rücksichten  im  einzelnen  gerecht  werdender  intensiver  Durch- 
forstungsbetrieb  ist  am  leichtesten  möglich  in  nicht  zu  ausgedehnten  Revieren,  deren 
Verwalter  die  Befolgung  ihrer  Intentionen  überall  und  jederzeit  gehörig  überwachen 
können,  in  denen  es  auch  weder  an  Absatz  noch  an  Arbeitskräften  fehlt.  Die  ökono- 
mischen ^'erhältnisse  eines  Gebietes  sind  meist  bestimmend  für  die  Technik  des  Durch- 
forstungsbetriebes.  Dieses  Moment  betont  L  a  s  c  h  k  e  in  seiner  Schrift  ,,Oekonomik 
des  Durchforstungsbetriebes"  1901.  Die  verschiedenen  Durchforstungen  sind,  je  nach 
den  wirtschaftlichen  Zuständen  der  in  Betracht  kommenden  Gegenden,  berechtigt. 
Je  weniger  der  Markt  schwache  Sortimente  verlangt,  sondern  auf  starkes  Schnittholz 
gerichtet  ist,  um  so  stärkere  Eingriffe  sind  nach  der  Jugendperiode  angezeigt,  während 
andererseits  guter  Schleifholz-  und  Grubenholzabsatz  die  Bevorzugung  schwächerer 
Durchforstungen  nai^elegt. 

Die  großen  Verschiedenheiten,  die  allein  hierdurch,  weiterhin  durch  den 
Wechsel  der  Holzarten  und  Standortsverhältnisse  in  die  Durchforstungspraxis  hin- 


1)  Andererseils  kann  stärkere  Durchhauung  des  Beslandesrandes  bei  solchen  Beständen, 
welche  für  .Anwendung  eines  Loshiebes  gegen  Windwurf  schon  zu  all  sind,  geradezu  angezeigt 
sein,  um  die  Randslämine  rascher  erstarken  und  durch  Kronen-  und  Wurzelausbreitung  wider- 
standsfähiger zu  raaclien. 

2)  \'ergl.  u.  a.  die  \'erhandlungen  des  badischen  Forstvereins  zu  Wolfach  von  1884. 

3)  cfr.   z.   B.   G  a  y  e  r,   ..Waldbau"   4.  Aufl.   S.   594  ff.;   N  e  y,   „Waldbau"   S.  295. 


Die  Bestandeserziehung.     §  79.  I77 

eingetragen  werden,  machen  die  teilweis  sehr  auseinander  gehenden  Durchforstungs- 
ansichten  und  die  zaldreichen  Reformidecn  verständhch,  die  im  Laufe  der  Zeit  ge- 
äußert worden  sind.  Einige  der  markantesten  Reformvorschläge  seien  nachstehend 
liervorgelioben : 

1 .  Heck  hat  das  Prinzip  der  „freien  D  u  r  c  h  f  o  r  s  t  u  n  g"  aufgestellt  ^). 
Die  Durchforstung  soll  eine  von  allen  starren  Regeln  unabhängige,  freie  sein.  Ein 
teihvcises  Eingreifen  in  den  Hauptbestand  unter  Schonung  des  Nebenbestandes  ist 
nötig,  besonders  ist  die  Herausbildung,  Begünstigung  und  Pflege  des  voraussicht- 
lichen Haubarkeitsbestandes  in  möglichst  vielen  und  tunlichst  hochwertigen  Nutz- 
holzstämmen zu  erstreben.  Dieser  Durchforstungsmethode  entspricht  ohne  Zweifel 
der  E-Grad  des  neuesten  Arbeitsplanes  der  forstlichen  Versuchsanstalten.  Offenbar 
gebührt  Heck  die  Priorität. 

2.  Die  d  ä  n  i  s  c  h  e  D  u  r  c  h  f  o  r  s  t  u  n  g  in  Buchen.  Auf  diese  hat  in 
Deutschland  Metzger  aufmerksam  gemacht  ^).  Er  bemerkt,  daß  der  Unterschied 
zwischen  den  deutschen  und  den  dänischen  Durchforstungen  hauptsächlich  darin  be- 
stehe, daß  erstere  Nutzung  s-,  letztere  E  r  z  i  e  h  u  n  g  s  -  Durchforstungen  seien. 
In  Dänemark  unterscheide  man  die  Stammklassen  folgendermaßen: 

a)  H  a  u  p  t  s  t  ä  m  m  e  ,  welche  wegen  ihrer  Geradschaftigkeit  und  gleich- 
mäßigen Krone  zu  begünstigen  sind  und  dereinst  den  Abtriebsbestand  zu  bilden  haben. 

b)  Schädliche  Nebenstämme,  welche  die  zu  erhaltenden  und  fort- 
zubildenden Teile  der  Kronen  der  Hauptstämme  schädigen  und  deshalb  zu  ent- 
fernen sind. 

c)  N  ü  t  z  1  i  e  h  e  N  e  b  e  n  s  t  ä  m  m  e  ,  welche  die  Astreinheit  der  Haupt- 
stämme fördern  und  (deshalb  zu  erhalten  sind. 

d)  Indifferente    Stämme,    welche  weder  schaden  noch  nützen. 
Hiernach  sind  die  Klassen  a  und  c  zu  schonen,  die  Klasse  b  ist  zu  beseitigen 

Klasse  d  ist  zu  nutzen,  soweit  Absatz  vorhanden  ist. 

Die  Durchforstungen  beginnen  frühzeitig  und  mäßig;  sie  sollen  sich  in  so  viel 
Jahren  wiederholen,  als  das  Bestandesalter  Dezennien  zählt.  Zwischen  dem  60.  und 
70.  Lebensjahr  wird  alle  6  Jahre,  vom  100.  bis  110.  Lebensjahr  alle  10  Jahre  durch- 
forstet. Die  späteren,  nach  Erreichung  astfreier  Schaftstücken  von  15  m  Länge  statt- 
findenden Durchforstungen  stellen  die  ■'/jq  der  Schaftlänge  einnehmenden  Kronen  der 
Hauptstämme  zum  Zwecke  der  Herbeiführung  eines  beträchtlichen  Lichtungszu- 
wachses frei  und  nähern  sich  den  Durchlichtungen.  —  Ein  so  intensiver  Betrieb  wie 
der  dänische  Buchendurchforstungs-  und  Verjüngungsbetrieb  ist  in  einem  waldarmen 
Lande  wie  Dänemark  möglich  und  zweckmäßig,  anderwärts  steht  mangelnde  Ren- 
tabihtät  seiner  Durchführung  entgegen. 

3.  Die  H  o  c  h  d  u  r  c  h  f  0  r  s  t  u  n  g  (eclaircie  par  le  haut)  wurde  in  Frank- 
reich nach  Maßgabe  der  dortigen  Verhältnisse,  insbesondere  unter  dem  Vorherrschen 
der  Eiche  und  der  Mittelwaldbestände  ausgebildet  ^).  Ihr  Wesen  besteht  in  dem  Ein- 
griff in  den  herrschenden  Bestand  unter  Schonung  der  beherrschten  Stämme.  Den 
Gegensatz  dazu  bildet  die  Entfernung  der  unterdrückten  Stämme,  welche  eclaircie 

1)  Heck,  „Freie  Durchforstung".  Mündener  forstl.  Hefte  XIII,  S.  18.  —  D  e  r  s.,  ,,Zur 
freien  Durchforstung"  (A.  F.-  u.  J.-Z.  1902,  S.  298).  —  D  e  r  s.,  Die  freie  Durchforstung  1904. 

2)  Metzger,  ,, Dänische  Reisebilder".  Mund,  forstl.  H.  IX,  S.  81.  ■ —  Derselbe, 
„Zur  Beurteilung  der  dänischen  Forstwirtschaft".  A.  F.-  u.  J.-Z.  1898,  S.  34e.  —  Derselbe, 
Referat  auf  der  deutschen  Forstversamnilung  in  Schwerin  1899,  „Ist  die  in  Dänemark  gebräuch- 
liche .-^rt  der  Buchenbestandespflege  bisher  in  Deutschland  schon  zur  .Anwendung  gelangt  und 
unter  welchen  Umständen  etwa  würde  sich  ihre  Einführung  in  deutschen  Waldungen  L>ewähren?" 
(s.  Versammlungsbericht). 

3)  Empfohlen  in  B  o  p  p  e,  ,,Trait6  de  sylviculture". 

Handb.  d.  Forstwiss.     3.  Aufl.     II.  12 


178  VI. 

par  le  bas  genannt  wird.  Aehnlich  der  eclaircie  par  le  haut  ist  die  P  o  s  t  e  1  e  r  Durch- 
forstung, durch  V.  Sahsch  auf  Postel  in  Schlesien  gehandhabt,  welche  den  Kronen 
der  herrschenden  Stämme  frühzeitig  durch  Aushieb  der  zurückbleibenden  und  mit- 
herrschenden Stämme  Luft  schaffen  will.  Die  unterdrückten  Stämme  bleiben  stehen. 
Das  Ziel  ist  die  Heranbildung  eines  hochwertigen  Haubarkeitsbestandes  unter  Ge- 
winnung tunlichst  hoher  Vorerträge  bei  vollständiger  Erhaltung  der  Bodenkraft  *). 
Auch  die  ästhetische  Wirkung  dieser  Durchforstungsart  wird  betont,  indem  die 
Bestände  nicht  so  leicht  „durchsichtig"  werden  (v.  S  a  1  i  s  c  h  ,  ,, Forstästhetik", 
3.  Aufl.  S.273).   Ebenso  hat  sie  Bedeutung  zur  Gewinnung  von  Schutz  für  das  Wild. 

4.  Die  Kulissendurch  forstung  empfahl  U  r  i  c  h  -)  für  Buche  als 
Lichtwuchskulissenbetrieb,  d.  h.  kräftige  Lichtungen  vom  30.  Jahre  ab  auf  15 — 20  ra 
breiten  Kulissen  zwischen  dunkel  belassenen  40 — 60  m  breiten  Streifen.  Letztere 
sollen  den  Boden  gegen  Aushagerung,  Laubverwehung  und  Vergrasung  sicherstellen. 
Die  Lichtwuchskulissen  verlaufen  senkrecht  zur  herrschenden  Windrichtung.  Vom 
70.  Jahr  an  sollen  die  dunklen  Zwischenstreifen  ebenfalls  stark  angegriffen  werden, 
so  daß  mit  90  Jaliren  der  Bestand  ziemlich  gleichmäßig  gestellt  ist  und  zur  Verjüngung 
kommt.  Borgmann  3)  empfahl  für  Fichte  und  Tanne  hörst-  und  g  r  u  p  p  e  n- 
w  e  i  s  e  L  i  c  h  t  w  u  c  h  s  d  u  r  c  h  f  o  r  s  t  u  n  g  ,  ebenfalls  zur  Mehrung  von  Masse 
und  Wert.  Er  will  die  Lichtungshiebe  seiner  etwa  10  a  großen  Lichtungshorste  all- 
mählich ringförmig  vorschreiten  und  an  Intensität  der  Kronenfreihiebe  abnehmen 
lassen.    Seine  Lichtungen  sollen  erst  mit  50  Jahren  beginnen. 

R  e  u  ß  *)  empfahl  Kulissendurch  forstung,  indem  in  streifen- 
weisem Wechsel  starke,  mäßige  und  schwache  Durchforstungen  ausgeführt  werden 
sollen,  um  diejenigen  Gefahren  starker  Durchforstungen  zu  vermeiden,  welche  zu  er- 
warten sind,  wenn  der  ganze  Bestand  stark  durchforstet  wird. 

5.  Borggreve's  Plenterdurchforstung^).  Durch  diese  wird  der 
früher  als  Ausnahme  betrachtete  .\ushieb  herrschender  Stämme  vom  reiferen  Stangen-- 
alter,  spätestens  vom  ersten  Beginn  der  Mannbarkeit  ab,  geradezu  als  das  normale 
Vorgehen  gefordert.  Prinzip  dabei  ist,  daß  durch  den  Aushieb  dominierender  Stämme 
regelmäßig  einer  größeren  oder  geringeren  Anzahl  beherrschter  (immerhin  noch  ent- 
wickelungsfähiger)  Stämme  Luft  gemacht  wird,  sodaß  sie  sich  demnächst  zu  brauch- 
baren Nutzstämmen  herausarbeiten,  während  sie  sonst,  d.  h.  unter  dauernder  Be- 
drückung seitens  der  bisher  dominierenden  Exemplare  lediglich  die  Rolle  des  Füll- 
holzes weiter  gespielt  und  früher  oder  später  ganz  abständig  geworden  wären.  Allmäh- 
lich wird  auf  diese  Weise  eine  möglichst  große  Anzahl  der  im  Bestände  überhaupt 
vorhandenen  Stämme  einer  vollgültigen  Entwickelung  entgegengeführt,  bis  bei  ge- 
nügend langer  Umtriebszeit  (140 — 160  Jahre)  und  fortdauernder  Wiederholung  (alle 
10  Jahre  Aushieb  von  0,1 — 0,2  der  Bestandesmasse,  welche  sich  durch  Zuwachssteige- 
rung entsprechend  wieder  ergänzt)  das  brauchbare  Material  aufgezehrt  ist.  Inzwi- 
schen hat  der  Bestand  das  denkbar  mögliche  Maximum  an  guten  Nutzholzstämmen 
geliefert.  Die  jeweils  ausgeforsteten  dominierenden  Stämme  ergeben  relativ  früh- 
zeitig bedeutende  Gelderträge ;  mithin  ist  diese  Art  der  Wirtschaft  eine  in  hohem  Grade 
rentable.  Bedingung  für  die  Durchführbarkeit  ist  die  Entwickelungsfähigkeit  der 
durch  die  Durchforstung  freigestellten,  bisher  beherrschten  Stämme.  Ist  diese  ge- 
sichert, so  läßt  sich  im  übrigen  das  Verfahren  zweifelsohne  durchführen;  es  fragt  sich 

1)  A.  F.-  u.  J.-Z.  1892,  S.  226. 

2)  Forstwiss.  Zbl.  1888,  16;  Ztschr.  f.  F.-  u.  J.A\.   1894,  S.  591. 

3)  Das.  1893,  689;  1895,  S.  630.  —  W.  Borgmann,  A.  F.-  u.  J.-Z.  1897,  S.  225,  273. 

4)  Oe.  F.Ztg.  1896,  S.  73. 

5)  B  o  r  g  g  r  e  V  e,  „Holzzucht".   2.  Aufl.  S.  302  ff.,  sowie  ForsU.  Blätter  von  1887,  S.  225  ff. 


Die  Bestandeserziehung.     §  79.  179 

dann  nur,  ob  es  auch  genügend  gut  bezw.  besser  rentiert,   als  jede  andere  Art  der 
Duichforstung. 

Die  Möglichkeit  der  noch  leidlich  guten  Entwickelung  einer  Mehrzahl  jener 
Individuen  ist  zuzugeben,  falls  die  Bedrückung  seither  keine  zu  weitgehende  war  und 
ihnen  entsprechend  rechtzeitig  beigesprungen  wird.  Immerhin  darf  man  Bedenken 
tragen,  die  Erholungsfähigkeit  so  weit  und  so  allgemein  vorauszusetzen,  als  Borg- 
greve  *).  Aber  hiervon  abgesehen  darf  die  höhere  Rentabilität  der  Plenterdurch- 
forstung  bezweifelt  werden.  Von  den  herrschenden  Stämmen,  falls  sie  allseits  genü- 
genden Wachsraum  erhalten,  ist  eine  Zuwachsleistung  zu  erwarten,  welche  sie  befähigt, 
in  kürzester  Zeit  den  Markt  mit  den  geforderten  Sortimenten  zu  befriedigen. 
Der  im  60.  Jahre  als  prädominierend  ausgehauene  Stamm  kann  in  dieser  Hinsicht 
doch  nicht  gleiches  leisten  wie  der  nämliche  Stamm,  falls  er  noch  20  oder  40  Jahre 
zugewachsen  wäre.  Der  höhere  Umtrieb  liefert  bei  der  Plenterdurchforstung,  da  eine 
Mehrheit  stärkster  Stämme  jeweils  herausgehauen  wird,  doch  immer  wieder  nur 
Stämme  mittlerer  Dimensionen.  Wenn  aber  solche  für  die  Befriedigung  des 
Marktes  genügen,  so  ist  gar  nicht  abzusehen,  weshalb  man  diese  Stämme  nicht  auf 
größeren  Einzelflächen  mit  niedrigerem  Umtrieb  erziehen  soll,  wobei  auch  noch  alle 
geringeren  Sortimente,  die  doch  ebenfalls  gute  marktfähige  Ware  darstellen,  in  ge- 
nügender Menge  anfallen.  Die  Plenterdurchforstung  verzichtet  eigentlich  grundsätz- 
lich auf  die  Nutzung  der  geringeren  Stammklassen,  da  sie  deren  Individuen  möglichst 
alle  noch  in  höhere  Klassen  aufrücken  lassen  will.  Wäre  dies  ohne  beträchtlichen  Zeit- 
aufwand möglich,  so  könnte  nichts  dagegen  eingewendet  werden.  Daß  die  stets  domi- 
nierend gewesenen  Stämme  meist  ungünstigere  Stammformen  haben,  ist  an  sich  wohl 
richtig,  wird  aber  durch  die  stärkeren  Dimensionen  vielfach  reichlich  aufgewogen  (ent- 
scheidend ist  die  Zopfstärke  bei  bestimmter  Länge).  Ebenso  ist  der  ungünstige  Einfluß 
der  Fruktifikation  nicht  in  dem  Maße  zu  fürchten,  wie  es  Borggreve  tut.  Borggreve 
hat  vorzugsweise  schlecht  oder  gar  nicht  gepflegte  Bestände  im  Auge,  in  welchen  eine 
verhältnismäßig  kleine  Anzahl  von  Jugend  auf  entschieden  vorwüchsiger  Individuen 
Luft-  und  Bodenraum  im  Bestände  in  übermäßiger  Weise  in  Anspruch  genommen  hat, 
so  daß  unter  und  neben  ihnen  keine  auch  nur  annähernd  gleichwertige  Stämme  vor- 
handen sind.  Solche  Bestände  bilden  freilich  nie  das  Ideal  der  Wirtschaft.  In  normal 
bestockten  und  ebenso  durchforsteten  Beständen  findet  sich  eine  so  weit  gehende 
Abformigkeit  der  herrschenden  Stämme,  wie  die  Plenterdurchforstung  annimmt, 
nicht.  Weiterhin  darf  an  der  Plenterdurchforstung  die  Möglichkeit  der  Nachhaltig- 
keit ebenso  stark  bezweifelt,  wie  der  Eintritt  von  Bodenverhagerung  und  Verunkrau- 
tung, von  Sturmschaden  (bei  flachwurzelnden  Holzarten)  und  von  Wasserreiserbil- 
dung (bei  Eiche)  als  sicher  angenommen  werden. 

Was  die  ,, Plenterdurchforstung"  Neues  darstellt,  ist  —  dies  muß  scharf  betont  werden 
—  nur  der  als  Regel  hingestellte  Grundsatz,  auch  gesunde,  normal  gebildete,  vollkommen 
nutzholztaugliche  dominierende  Stämme  vor  der  Hiebsreife  des  Gesamtbestandes,  also 
gelegentlich  der  Zwischennutzungen  lediglich  deshalb  herauszuhauen,  weil  dadurch  einigen 
bisher  unterdrückten  Individuen  die  Möglichkeit  gewährt  wird,  auch  noch  wenigstens  Mittel- 
ware zu  werden,  während  sie  sonst  als  nur  gering  zuw'achsende  Stämme  einem  einzelnen,  aller- 
dings besonders  hochwertigen  Stamme  zugesellt  blieben,  bis  sie  bei  einer  Durchforstung  als 
minderwertiges  Material  gehauen  werden.  Die  ganze  Frage  ist  einfach  eine  solche  der  stati- 
schen Rechnung.    Und  gerade  die  höhere  Rentabilität  der  Plenterdurchforstung  ist,  ohne  die 


1)  Es  ist  hier  natürlich  nicht  der  Ort,  ins  einzelne  auf  einie  Diskussion  der  hochinteressanten 
Frage  einzugehen.  Nur  die  Notiz  sei  angefügt,  daß  auch  die  Wirtschaft  bei  der  Weißtanne  im 
Schwarzwald  und  in  den  ^"ogesen,  also  bei  der  wohl  unzweifelhaft  zählebigsten  Schattenholzart, 
zwischen  den  noch  entwicklungsfähigen  unterdrückten  Tannen  und  denen,  von  welchen  wegen  zu 
starker  und  zu  lang  andauernder  seitheriger  Bedrängung  eine  Erholung  und  Erstarkung  nicht  mehr 
zu  hoffen  ist,  sorgfältigst  unterscheidet. 

12* 


JgO  VI.   L  0  r  e  y  ,    Waldbau. 

Anwendbarkeit  der  letzteren  in  einzelnen  Fällen  zu  bestreiten,  allgemein  zunächst  nicht  zuzu- 
geben. Insoweit  die  Plenterdurchforstung  solche  dominierende  Stämme  nutzt,  welche  aus 
irgend  einem  Grunde  (Holzart,  Stammform,  Kronenentwickelung  usw.)  nicht  Träger  der  Nutz- 
holzerzeugung im  Bestände  sind,  fordert  sie  nichts  anderes,  als  das,  was  bei  jeder  richtigen  Durch- 
forstung schon  längst  Regel  war. 

Die  Plenterdurchforstung  ist  in  größerem  Maßstab  in  dem  liessischen  Hinter- 
land des  Reg.-Bez.  Wiesbaden  eingeführt.  Eine  bei  Gelegenheit  der  Tagung  des  Deut- 
schen Forstvereins  in  Wiesbaden  1900  unter  Leitung  Borggreves  dahin  unternommene 
Exkursion  hat  eine  Erörterung  in  der  Literatur  hervorgerufen,  deren  Ergebnis  nicht 
als  durchgehende  Anerkennung  der  Richtigkeit  des  Prinzips  anzusehen  ist  (Bericht 
über  die  1.  Hauptversammlung  des  Deutschen  Forstvereins  S.  200  ff.,  ferner  Fw.  Zbl. 
1900,  S.  589  Fürst,  ,,Eine  Exkursion  ins  Gebiet  der  Plenterdurchforstung" ;  1901, 
S.  118,  Berichtigung  von  Borggreve  und  Entgegnung  von  Fürst,  ferner 
Borggrevein  Ztschr.  f.  F.-  u.  J.-W.  1901,  S.  385).  Es  ist  abschließend  zu  bemer- 
ken, daß  die  Borggrevesche  Plenterdurchforstung  keine  Zwischen  nutzung,  sondern 
Haupt  nutzung  darstellt.  Sie  hat  in  ungleichwüchsigen  Beständen,  z.  B.  in  Buchen- 
beständen, die  aus  fortgewachsenem  Mittelwald  oder  Femelwald  hervorgegangen 
sind,  ebenso  in  ungleichalterigen  Weißtannenbeständen,  ohne  Zweifel  ihre  volle  Be- 
rechtigung, und  es  ist  ein  Verdienst  Borggreves,  auf  die  Notwendigkeit  bezw.  Zweck- 
mäßigkeit einer  Beseitigung  der  sog.  ,, Protzen"  aufmerksam  gemacht  zu  haben.  Eine 
Verallgemeinerung  des  Prinzips  und  die  Anwendung  desselben  auf  gleichmäßig  er- 
wachsene Bestände  ist  zu  beanstanden. 

§  80.    IV.  D  u  r  c  h  f  ü  h  r  u  n  g  i  m  W  aide. 

a)  V  e  r  a  n  s  c  h  1  a  g  u  n  g.  Für  die  planmäßige  Durchführung  eines  systemati- 
schen Durchforstungsbetriebes  ist  die  Veranschlagung  nach  der  Fläche  ein  wich- 
tiges Erfordernis,  derart,  daß  der  Wirtschafter  gebunden  ist,  jährlich  eine  gewisse 
Fläche  gründüch  vorzunehmen,  so  daß  die  Wiederkehr  in  einer,  im  voraus  zu  bestim- 
menden angemessenen  Umlaufszeit  gesichert  ist.  Dazu  hat  die  Forsteinrichtung  die 
nötigen  Bestimmungen  zu  treffen. 

b)  Holzauszeichnung.  Sorgfältige  Leitung  des  Durchforstungsbetriebs 
ist  eine  der  wichtigsten  Obliegenheiten  des  Wirtschaftsbeamten.  Ist  letzterer  auch  in 
einem  größeren  Reviere  nicht  imstande,  jedes  einzelne  auszuforstende  Exemplar  in 
Jungwüchsen  selbst  zu  bezeichnen,  so  muß  er  sich  doch  durch  entsprechend  umfäng- 
liche Probeauszeichnung  überzeugt  haben,  daß  seine  Absichten  von  dem  untergebenen 
Personal  nach  allen  Seiten  hin  vollständig  verstanden  sind.  Auch  hat  er  sich  durch 
häufig  wiederholten  Besuch  der  Durchforstungen  von  dem  sachgemäßen  Vollzug 
seiner  Anordnungen  zu  überzeugen.  Zweifelsfälle  sind  seiner  Entscheidung  vorzu- 
behalten. Daß  siel)  die  Ausführung  in  Brennholzbeständen  meist  sehr  viel  einfacher 
gestaltet,  als  in  einer  Nutzholzwirtschaft,  im  reinen  Bestände  einfacher  als  im  gemisch- 
ten, liegt  auf  der  Hand.  Im  frühesten  Alter  des  Bestandes  genügt  auch  eine  Probe- 
durchforstung  unter  den  Augen  des  Wirtschafters.  Bei  geringeren  Stangen  erfolgt 
Auszeichnung  mit  dem  Risser,  bei  stärkeren  und  bei  Stämmen  mit  dem  Waldhammer. 
Die  spezielle  Auszeichnung  der  späteren  Durchforstungen,  darf,  wenn  diese  wirkHch 
alles  Wünschenswerte  leisten  sollen,  dem  Wirtschaftsführer  nicht  erspart  bleiben. 
Die  richtige  Schlagstellung  ist  sofort,  d.  h.  durch  einmalige  Auszeichnung  anzustreben. 
Laubholz  ist  womöglich  vor  Laubabfall  auszuzeichnen  i). 


1)  Die  Regel,  den  Hieb  erst  schwach  zu  greifen,  und  dann  eine  Nachauszeichnung  vorzu- 
nehmen, führt  keineswegs  immer  zu  dem  gewünschten  Ziel  einer  gleichmäßigen  Durehlichlung 
des  Bestandes.  Ist  eine  solche  bei  dem  ersten  .Xushieb  erreicht,  so  werden  durch  die  Nachfällung 
vielfach  Ungleichförmigkeilen  entstehen,  zumal  man  mit  dem  Nachhieb  in  der  Regel  in  stärkere 
Stammklassen  kommt.  —  In  noch  belaubtem  Bestände  bietet  dichter  Kronensdiluß  manchmal 


Die  Bestandeserziehung.     §  82.  181 

c)  H  i  e  b  s  f  ü  h  r  u  n  g:  In  jüngeren  Beständen  kommen  als  Werkzeuge  event. 
besondere  Durchforstungsmesscr,  ferner  die  Durcbforstungsschere  und  die  Heppe  in 
Betracht;  demnächst  haben  Axt  und  Säge  einzutreten.  Durchforstungen  in  Jung- 
wiichsen,  wo  nicht  jedes  Exemplar  besonders  ausgezeichnet  ist,  werden  meist  besser 
ina  Tagelohn  ausgeführt.  Die  Zeit  der  Vornahme  ist  in  der  Regel  von  der  Ausführung 
der  Hauptfällungen  abhängig,  indem  die  Durchforstungen  mit  diesen  in  passender 
Weise  kombiniert  \\'erden  müssen.  Meistens  führt  man  die  Durehforstungen  nach  Be- 
endigung der  Hauplhauungen  aus.  Sie  geben  öfters  neben  den  Ausläuterungen  eine 
passende  Sommerarbeit  für  ständige  Holzhauer. 

Viertes  Kapitel. 
Unterbau   und    Lieht ungsbetrieb. 

§  81.  Vorbemerkungen:  Unter  Unterbau  versteht  man  das  Einbringen 
eines  Unterholzes  in  einen  vorhandenen  Bestand,  unter  Lichtungsbetrieb  einen  so 
kräftigen  Eingriff  in  einen  Bestand,  daß  die  einzelnen  Bäume  in  eine  räumigere 
Stellung  gelangen,  als  sie  durch  den  natürlichen  Auslichtungsprozeß  und  die  regel- 
mäßigen Durchforstungen  komnien  würden.  Beide,  Unterbau  und  Lichtungsbetrieb, 
bezwecken  eine  Steigerung  des  Zuwachses,  der  erstere  hauptsächlich  durch  Erhaltung 
bezw.  Verbesserung  der  Bodenkraft,  der  letztere  durch  Gewährung  eines  vergrößerten 
AA'achsraumes  für  Wurzeln  und  Krone.  Im  Vergleich  zum  nicht  imterbauten  ge- 
schlossenen Hochwaldbestande,  welcher  in  bestimmter  Zeit  Stämme  von  gewissen 
mittleren  Dimensionen  erzeugt,  soll  durch  die  Lichtung  entweder  in  der  gleichen  Zeit 
stärkeres  und  damit  wertvolleres  Holz  oder  es  soll  gleich  starkes  (gleichwertiges)  Holz 
in  kürzerer  Zeit  erzielt  werden.  In  beiden  Fällen  hat  man  einen  wirtschaftlichen  Ge- 
winn, so  lange  nicht  die  Zuwachsmehrung  mit  einem  zu  hohem  Kostenaufwand  ver- 
bunden ist.  Unterbau  und  Lichtungsbetrieb  sind  an  sich  verschiedene  Maßregeln, 
gehen  aber  insofern  Hand  in  Hand,  als  eine  gewisse  Bestandeslichtung  Bedingung  für 
gedeihlichen  Unterbau  ist  und  umgekehrt  ein  über  das  Maß  einer  kräftigen  Durch- 
forstung hinausgebender  stärkerer  Aushieb  im  Bestände  öfters  den  Unterbau  als  Er- 
gänzung fordert,  wenn  nicht  eine  Bodenverschlechterung  eintreten  soll. 

I.  Unterbau  insbesondere  i). 

A.  Allgemeine  Gesichtspunkte. 

§  82.  Der  Unterbau  ist  in  erster  Linie  eine  Maßregel  der  Bodenpflege.  Man 
unterscheidet  den  zu  unterbauenden  Bestand  und  die  einzubringende  Holzart.  Es  ist 
Tatsache,  daß  sich  in  allen  anfänglich  geschlossenen  Beständen  früher  (bei  Lichthöl- 
zern) oder  später  (bei  Schattenhölzern)  von  selbst  eine  Auslichtung  vollzieht,  indem 
allmähüch  eine  immer  größere  Anzahl  von  Stämmen  infolge  der  Bedrängung  durch 


Schwierigkeiten  bei  der  Beurteilung  des  Werts  einzelner  Stämme.  Immerhin  aber  dürfen  diese  we- 
niger hoch  veranschlagt  werden,  als  die  nach  Laubabfall  häufig  eintretenden  Zweifel  bezüglich 
der  relativen  Bedeutung  von  Nachbarstämmen.  Es  kommt  hinzu,  daß  der  Nachsommer  meist 
die  ,,arbeits  freie"  Zeit  des  Revierverwalters  ist,  so  daß  er  dann  das  Geschäft  des  Auszeichnens 
ohne  Kollision  mit  andern  Arbeiten  vornehmen  kann. 

1)  Zu  vergleichen  u.  a.:  Arbeitsplan  betr.  Versuche  über  Unterbau-  und  Lichlungsbelrieb 
im  Hochwald,  aufgestellt  von  dem  ^■erein  deutscher  forstlicher  Versuchsanstalten  (siehe  Jahrbuch 
der  preuß.  Forst-  u.  Jagdgesetzgebung  und  Verwaltung  XIX.  Bd.,  1.  Heft,  S.  12).  —  U  r  i  c  h, 
„Unterbau  von  Lichtholzarten"  (Forstw.  Zentralbl.  1884,  S.  472).  • —  Borggreve,  „Lich- 
tungshieb  mit  Unterbau"  (Forstl.  Blätter  1883,  S.  41).  —  Schottvon  Scholtenstein 
in  d.  Forstl.  Blättern  Mai  1883,  S.  145  ff.:  eine  Entgegnung  auf  den  vorzitierten  Artikel  B  o  r  g- 
greves.  —  Landolt,  Schweiz.  Zeitschrift  1883,  S.  172.  —  Käst,  Der  Unterbau  und  seine 
wirtschaftliche  Bedeutung  (Z.  f.  d.  g.  F.  1889,  S.  51.  102.  150).  —  B  i  e  h  1  e  r,  Einfluß  des  Unter- 
baues auf  das  Wachstum  der  Bäume.    1903. 


182  VI. 

die  Nachbarn  oder  aus  anderen  Gründen  abständig  wird.  Die  hiermit  gegebene  Unter- 
brechung des  Kronenschlusses  gewährt  der  Sonne  und  dem  Wind  Zutritt  zum  Boden, 
welchem  dadurch  seine  Feuchtigkeit  entzogen,  dann  aber  auch  durch  beschleunigte 
Zersetzung  der  Streudecke  geschadet  wird.  Die  Humusbildung  erfolgt  nicht  mehr  im 
bisherigen  Verlauf.  Die  Ueberkleidung  des  Bodens  mit  spontan  auftretenden  Stand- 
ortsgewächsen bietet  meist  kein  genügendes  Gegenmittel,  sondern  beschleunigt  oft 
die  Aushagerung  des  Bodens,  weil  viele  jener  Gewächse  (meist  Lichtpflanzen)  dem 
Boden  Wasser  entziehen,  ohne  durch  intensive  Beschirmung  und  ausgiebigen  Laub- 
abfall, also  durch  Vermittelung  reichlicher  Humusbildung  für  Erhaltung,  bezw.  Ver- 
mehrung der  Boden tätigkeit  zu  sorgen. 

Die  Fälle,  in  welchen  sich  blattreiche,  dichtgeschlossene  Forstunkräuter  so  massenhaft 
einstellen,  daß  sie  Funktionen  des  künstlich  einsrebrachten  Unterholzes  übernehmen  könnten, 
bilden  nicht  die  Regel,  zumal  nicht  auf  mittleren  Standorten,  für  welche  der  Unterbau  sehr 
häufig  in  Betracht  kommt.  Beste  Böden  (z.  B.  Auwaldungen)  bedürfen  des  Unterbaues  oft 
nicht,  weil  sich  Unterholz  hier  meist  von  selbst  einstellt. 

In  ähnlicher  Weise,  wie  durch  die  natürliche  Auslichtung,  wird  die  Unterbre- 
chung des  Kronenschlusses  durch  Beschädigungen,  welche  von  außen  an  den  Bestand 
herantreten  (Insekten,  Sturm,  Schnee),  sowie  durch  wirtschaftliche  Eingriffe  herbei- 
geführt. Wird  nun  ein  solcher  Bestand  unterbaut,  so  will  man  durch  diese  Maßregel 
die  Leistungsfähigkeit  des  Bodens  erhalten,  wenn  möglich  sogar  steigern  oder,  wäre 
sie  schon  gesunken,  den  früheren  Zustand  wieder  herstellen,  von  der  Ueberzeugung 
ausgehend,  daß  nur  eine  dauernd  vollständige  Bedeckung  der  Bodenoberfläche  hierzu 
geeignet  ist. 

Ob  der  erwartete  Erfolg  wirklich  eintritt,  muß  demnächst  die  Beschaffenheit  des  unter- 
:  bauten  Bestandes  dartun.  Der  überzeugende  Beweis  kann  nur  durch  den  komparativen  Versuch 
erbracht  werden,  indem  man  von  zwei  im  übrigen  ganz  gleichen  Beständen  (bezw.  Bestandes- 
teilen) den  einen  unterbaut,  den  anderen  ohne  Unterbau  weiter  behandelt,  so  daß  die  Verschie- 
denheit des  schließlichen  Holzanfalls  als  eine  Folge  des  ausgeführten  oder  unterlassenen  Unter- 
baues angesehen  werden  kann.  Von  vielen  Seilen  werden  günstige  Erfolge  des  Unterbaues  ge- 
meldet; aber  es  darf  nicht  übersehen  werden,  daß  häufig  der  zu  vergleichende  nicht  unterbaute 
Bestand  fehlt.  Nach  den  Untersuchungen  von  Käst  ist  eine  direkte  Steigerung  des  Zuwachses 
als  Folge  des  Unterbaus  nicht  nachzuweisen,  jedoch  eine  Mehrung  der  Sommerholzbildung 
und  eine  günstige  Wirkung  auf  den  Boden.  .Auch  die  von  B  i  e  h  1  e  r  näher  untersuchten  unter- 
bauten Eichenflächen  der  hessischen  und  braunschweigischen  forstlichen  ^■ersuchsanstalt  zeig- 
ten nicht  in  allen  Fällen  einen  positiven. Einfluß  des  Unterbaus  auf  das  Wachstum  des  Ober- 
holzes. Der  Buchenunterbau  zeigte  sich  hier  namentlich  auf  den  schlechten  Böden  wertvoll 
und  um  so  wirksamer  für  den  Oberstand,  je  jünger  dieser  war.  Gruppen-  und  horstweiser  Un- 
terbau ist  weniger  am  Platze  als  voller.  Wenn  geltend  gemacht  wird  '),  durch  den  Unterbau 
schaffe  man  für  den  Oberstand  eine  am  Nährstoffkapital  des  Bodens  mitzehrende  gefährliche 
Konkurrenz,  so  ist  dies  nur  insoweit  zuzugeben,  als  Teile  des  Unterwuchses  als  Treibholz  mit 
in  die  Höhe  gehen  und  zur  Nutzung  herangezogen  worden.  Dies  ist  aber  in  erheblicherem  Um- 
fang meist  nur  dann  der  Fall,  wenn  der  Oberstand  bereits  so  stark  durchlichtet  ist,  daß  durch 
ihn  allein  keine  vollständige  Auswirkung  der  Bodenkräfte  mehr  stattfindet.  Aber  selbst  wenn 
eine  etwas  gesteigerte  Mineralstotfentnahme  einträte,  dürfte  sie  durch  den  günstigen  Einfluß 
des  Unterbaues  auf  die  physikalischen  Bodeneigenschaften  reichlich  paralysiert  werden.  Da- 
gegen kann  allerdings  der  sehr  dichte  Unterwuchs  einen  Wasserentzug  im  Boden  herbeiführen, 
welcher  für  den  Oberbestand  nachteilig  wird.  Eine  derartige  bodenaustrocknende  und  dadurch 
den  Zuwachs  mindernde  Wirkung  des  Fichtenunterwuchses  unter  Kiefern  ist  durch  Untersuchun- 
gen von  Geh.  Oberforstrat  Zetzsche  in  Meiningen  nachgewiesen  worden  -).  Zu  dem  glei- 
chen Ergebnis  führten  die  Untersuchungen  B  i  e  h  I  e  r  s  (a.  a.  O.)  über  den  Einfluß  des  Fichlen- 
unterbaues  in  Kiefer.  Bekannt  ist  die  meist  ungünstige  Einwirkung  eines  Fichtenunterstandes 
in  Eichenbeständen.  Der  Meinung,  daß  die  Fichte  der  „Wolf"  des  Laubholzes  ist  wie  Burck- 
hardt  sagt,  stimmen  die  Ermittlungen  Biehlers,  der  in  den  mit  Fichte  unterbauten  und  teilweis 
zopfdürr  werdenden  Eichenbeständen  ein  Sinken  des  Zuwachses  um  3  bis  4  Zehntel  beobachtete, 


1)  Borggreve,  Holzzucht,  2.  Aufl.  347  flgde. 

2)  A.  F.-  u.  J.-Z.  1890  S.  269,  305.     Schmidt,   Bodenschutzholz  und  Unkrautdecke  in 
ihren  Beziehungen  zu   Bodenfeuchtigkeit  und  Bestandeszuwachs. 


Die  Bestandeserziehung.     §  83.  183 

ebenso  zu  wie  die  Feststellung  K  u  n  z  e  s  •),  daß  in  einem  rd.  60  jälir.  Eichenbestande  durch 
Entnahme  des  Fichlenunterslandes  eine  auf  0,45%  sich  belaufende  Steigerung  des  Flächen- 
zuwachsprozeiites  herbeigeführt  wurde. 

B.  Bedingende  Momente. 

§  83.  Beim  Unterbau  kommt  in  Betracht:  die  zu  unterbauende  Holzart,  die 
einzubringende  Holzart,  die  spezielle  Aufgabe  des  Unterwuchses,  der  Boden,  die  Zeit 
des  Unterbaues,  die  Art  der  Ausführung. 

1.  Die  zu  unterbauende  Holzart:  Im  allgemeinen  werden  nur 
solche  Holzarten  unterbaut,  welche  für  sich  allein  dem  Boden  nicht  dauernd  die  nötige 
Beschirmung  gewährer,  also  vorab  Lichthölzer.  Namentlich  ist  Unterbau  dort  un- 
erläßlich, wo  man  Starkhölzer  erziehen  will  und  hierzu  Umtriebszeiten  benötigt,  die 
jenseits  des  Zeitpunktes  der  beginnenden,  energischen,  natürlichen  Bestandesauslich- 
tung  liegen-).  Der  Unterbau  findet  seine  Stelle  hiernach  zumeist  in  Beständen  der 
Eiche,  Kiefer  und  Lärche. 

2.  Die  einzubringende  H  o  1  z  a  r  t:  Sie  muß,  der  Natur  der  Sache 
nach,  eine  schattenertragende  sein,  damit  sie  unter  dem  Drucke  der  Oberholzkronen 
wuchskräftig  bleibt,  um  die  erwarteten  günstigen  Wirkungen  auf  den  Boden  zu  ge- 
währleisten. Somit  kommen  zunächst  in  Betracht  Buche,  Tanne  und  Hainbuche, 
sodann  Fichte,  Weymouthskiefer,  Linde,  \\'eißerle,  event.  auch  (für  besonders  nasse 
Böden)  Schwarzerle. 

Entscheidend  für  die  Wahl  der  einzubringenden  Holzart  ist  vorab  der  Standort,  daneben 
aber  der  Zweck  des  Unterbaues.  Die  B  u  c  h  e  ist  diejenige  Holzart,  welche,  sofern  der  reine 
Schutzzweck  in  Betracht  kommt,  zunächst  in  Wahl  steht,  da  sie  durch  ihren  Laubabfall  am 
günstigsten  auf  den  Boden  wirkt.  Sie  taugt  aber  nicht  in  kalte,  nasse  Lagen.  Hier  wird  sie 
meist  sehr  zweckmäßig  durch  die  Hainbuche  ersetzt.  Guten  Erfolg  verspricht  auch  die 
Linde  (selbst  auf  minderkräftigem  Boden),  doch  wird  man  sie  meist  nicht  eigens  anbauen, 
wohl  aber  ihr,  wo  sie  vorhanden  ist,  den  Platz  gönnen.  R  o  t  e  r  1  e  kann  nur  ausnahmsweise 
auf  nassen  Stellen  angewendet  w^erdcn,  wogegen  W  e  i  ß  e  r  1  e  auf  trockenem  Standorte,  z.  B. 
auf  Kalkböden  in  Betracht  kommt.  Alle  diese  Laubhölzer  liefern,  auch  bei  lichterer  Stellung 
des  Oberstandes,  vorwiegend  nur  Brennholz.  Sobald  von  dem  Unterstand  auch  Nutzholzpro- 
duktion verlangt  wird,  muß  man  zur  Tanne  oder  Fichte  greifen.  Vornehmlich  eignet  sich  Tanne. 
Sie  ist  nicht  nur  sehr  zählebig  unter  stärkerem  Schirmdruck,  sowie  demnächst  raschwüchsig, 
sobald  sie  freigestellt  wird,  sondern  bleibt  auch  mit  ihrer  Wurzel  nicht  in  der  Bodenoberfläche, 
diese  verfUzend,  und  verschließt,  trotz  reichlicher  Benadelung,  den  Boden  nicht  zu  sehr.  Bei 
der  Fichte  liegt  immer  die  Gefahr  eines  zu  intensiven  .\bschlusses  des  Bodens  von  Luft  und 
Niederschlägen  (durch  Wurzelgeflecht  und  Krone)  vor.  Jedenfalls  sollte  die  Fichte  nicht  zu 
engständig  eingebracht  werden.  Ueberdies  ist  zu  beachten,  daß  Nadelhölzer,  wie  Tanne  und 
Fichte,  in  den  ersten  Jahren  nach  dem  Einbringen  dem  Boden  nichts  zurückgeben,  da  sie  ihre 
Nadeln  während  einer  Reihe  von  Jahren  behalten.  Eine  unter  passenden  \'crhältnissen  sehr 
brauchbare  Unterholzart  scheint  nach  den  vorliegenden,  allerdings  nur  spärlichen  Erfahrungen  ') 
die  Weymouthskiefer  zu  sein.  Schattenerträgnis  und  Anspruchlosigkeit  weisen  auf 
Verwendungsfähigkeit  auf  den  ärmeren  Bodenklassen  hin,  um  so  mehr  ihr  Nadelabfall  in  bezug 
auf  Bodenverbesserung  Zufriedenstellendes  leistet. 

3.  Die  spezielle  Aufgabe  des  Unterstandes:  Der  Unterbau 
soll  entweder  nur  den  Boden  bedecken  (reines  Bodenschutzholz)  oder  soll  neben  dem 
Oberstand  noch  eine  mehr  oder  minder  beträchtliche  Nutzung  ergeben.  Sobald  der 
Unterstand  mit  heranwächst,  kommt  ihm  meist  auch  für  die  Formausbildung,  nament- 
lich für  die  Astreinheit  und  Langschäftigkeit  des  Oberholzes  eine  mehr  oder  minder 
große  Bedeutung  zu.    Handelt  es  sich  lediglich  um  Bodenschutzholz,  so  genügt  eine 


1)  Kunze,  Ueber  die  Einwirkung  eines  Fichten-Unterstandes  auf  einen  Eichen-Ober- 
stand.   Thar.  Jhrb.   1905,  67. 

2)  Für  ausnahmsweise,  z.  B.  im  kleinen  Privatbesitz  vorkommende  Umtriebszeiten  von 
50  bis  60  Jahren,  bei  welchen  nur  Brennholz  und  geringe  Nutzhölzer  erzeugt  werden  sollen,  kann 
der  Unterbau  wohl  meist  entbehrt  werden. 

3)  W  e  d  d  i  n  g.  Der  Unterbau  der  Eiche  mit  Weymouthskiefer.  AUg.  F.-  u.  J.-Z.  1901, 
153.  —  B  i  e  hl  e  r   a.  a.  O. 


184  VI.  Lorey,    Waldbau. 

Unterbrechung  des  Kronenschlusscs  im  Oberstand  so  weit,  daß  die  eingebaute  Holzart 
sich  gerade  lebenskräftig  im  Schluß  erhalten  kann,  ohne  aber  zu  irgend  lebhafterer 
Entwickelung  angeregt  zu  sein.  Im  zweiten  Falle  muß  man  ihr  durch  weitergehende 
Eingriffe  in  den  Oberstand  lebhafteres  Wachstum  gestatten.  Es  ergeben  sich  dann, 
je  nach  den  verschieden  weitgehenden  Ansprüchen,  die  man  an  beide  Bestandesteile 
(Oberstand  und  Unterwuchs)  macht,  zahlreiche  Modifikationen  in  der  Durchführung, 
die  sich,  wenn  auch  nicht  schon  alle  als  eigentliche  Lichtungsbetriebe,  so  doch  als 
Uebergänge  zu  diesem  charakterisieren  lassen. 

4.  Der  Boden,  oder  allgemeiner  der  Standort  überhaupt,  wirkt  einmal 
auf  die  Beschaffenheit  des  zu  unterbauenden  Bestandes,  sodann  auf  das  Gedeihen  der 
Unterbauholzart.  Da  sich  auf  besseren  Standorten  die  natürliche  Ausscheidung 
am  greifbarsten  vollzieht,  hier  auch  Verunkrautung,  schnelle  Humusaufzehrung  und 
Rückgang  der  Bodenkraft  am  meisten  zu  fürchten  sind  und  —  was  die  Hauptsache 
ist  —  da  auf  solchen  Böden  der  Unterbau  auch  wirklich  wächst,  so  kommen  solche 
Orte  für  den  Unterbau  zunächst  in  Betracht.  Wie  weit  man  mit  Unterbau  auch  auf 
geringem  Standorte  vorgehen  soll,  läßt  sich  nicht  allgemein  angeben,  sondern  muß 
erst  durch  direkten  ^^ersuch  festgestellt  werden.  Die  Erfahrung  lehrt  aber,  daß  der 
Erfolg  der  Maßregel  auf  schlechten  Böden  fast  stets  ein  zweifelhafter  ist.  Sicherheit 
des  Gedeihens  der  eingebrachten  Holzarten  und  damit  auch  Wahrscheinlichkeit  einer 
günstigen  Einwirkung  auf  Boden  und  Oberholzbestand  sind  hier  bei  gleichem,  ja 
vielfach  bedeutendem  Kostenaufwand  sehr  gering. 

5.  Die  Zeit  des  Unterbaues:  Nach  der  Art  der  für  den  Unterbau 
gestellten  Aufgaben  ist  der  richtige  Zeitpunkt  für  seine  Vornahme  von  der  Beschaffen- 
heit des  zu  unterbauenden  Bestandes  abhängig.  Frühzeitiger  Unterbau  gewährt  dem 
Boden  am  meisten  Schutz;  doch  muß  die  Entwickelung  der  eingebrachten  Holzart 
durch  entsprechende  (natürliche  oder  künstliche)  Lockerung  des  Kronenschlusses  im 
Oberstand  sicher  gestellt  sein.  Die  Ausbildung  guter  Stammformen  verlangt  aber 
zunächst  Erhaltung  des  Vollschlusses.  Dabei  ist  die  verschiedene  Wirkung  eines 
höheren  oder  tieferen  Kronenansatzes  zu  beachten.  In  einem  schon  etwas  älteren, 
bezw.  höheren  Bestände  kann  das  Schirmdach  in  sich  ein  etwas  dichteres  sein.  Man 
wird  im  allgemeinen  kaum  vor  dem  30.  Jahre  unterbauen,  andererseits  aber  meist 
auch  nicht  länger  als  bis  zum  60.  oder  70.  Jahre  mit  der  Einbringung  des  Unterholzes 
warten  dürfen,  wenn  nicht  inzwischen  schon  eine  nachteilige  Veränderung  der  Boden- 
beschaffenheit hervortreten  soll.  Mitbestimmend  ist  natürlich  auch  das  Abtriebsalter 
des  Oberstandef .  Der  Unterbau  kann  sich  nur  dann  empfehlen,  wenn  das  Unterholz 
noch  genügend  Zeit  hat,  auf  den  Boden  zu  wirken.  Unter  dieser  Voraussetzung  können 
auch  noch  ältere  als  70jährige  Bestände  oft  mit  Vorteil  unterbaut  werden  (z.  B.  80- 
bis  100jährige  Eiche  bei  HOjährigem  Umtrieb). 

6.  Ausführung:  Allgemein,  ganz  besonders  aber  da,  wo  von  dem  Unter- 
holz keine  Nutzung  erwartet  wird,  ist  auf  möglichste  Reduktion  der  Kosten  des  Ver- 
fahrens zu  achten.  Je  nachdem  das  Kulturmaterial  verfügbar  ist,  wählt  man  Saat 
oder  Pflanzung.  Als  Saatmethode  findet  man  breitwürfiges  Einbringen  ebenso  wie 
Riefen-  und  Plätzesaat  in  Anwendung.  Mastjahre  der  Buche  und  Tanne  sind  möglichst 
auszunutzen.  Wird  Pflanzung  vorgezogen,  so  bedient  man  sich  eines  einfachen  Ver- 
fahrens mit  geringen  Pflänzlingen  (zweijährige  Buchen  und  Hainbuchen,  2 — 3jährige 
und  ältere  Tannen).  Die  Anzucht  der  Pflanzen  erfolgt  zweckmäßig  auf  Wandersaat- 
beeten unter  Schutzbestand  *).    Der  zu  unterbauende  Bestand  ist  vorher,  falls  die 

1)  In  der  Großh.  hess.  Oberförsterei  Viernheim  werden  z.  B.  massenhaft  Buchenpflanzen 
in  lichten  Kiefernbeständen  auf  oberflächlich   vorbereiteten    Beeten    erzogen.  —  Der  Unterbau 


Die  Bestandeserziehung.     §  85.  185 

nalürliclie  Auslichtung  einer  Ergänzung  bedarf,  zu  durchforsten,  wobei  namentlich 
die  zu  Nutzholz  nicht  tauglichen  Stämme  (Zwieselbildungen,  Drehwuchs  etc.)  heraus- 
zunehmen sind.  Die  Schirmstellung  ist  in  der  Regel  so  zu  wählen,  daß  nicht  gleich  in 
den  ersten  Jahren  nach  dem  Einbringen  des  Unterholzes  eine  Nachlichtung  nötig 
wird.  Jedenfalls  aber  ist  in  allen  Fällen  mindestens  derjenige  Grad  der  Durchlich- 
tung herzustellen,  wie  er  einer  entschieden  starken  Durchforstung  entspricht. 

C.    Besondere    Fälle    des    Unterbaues. 

§  84.  1.  Unterbau  der  Eiche:  Als  Unterbauholzart  empfiehlt  sich 
zunächst  ein  Laubholz,  in  erster  Linie  die  Buche.  Namentlich  wenn  jüngere  (40- bis 
50jährige)  Eichenbestände  unterbaut  werden  sollen,  ist  das  Einbringen  von  Nadel- 
holz —  abgesehen  von  den  schon  angedeuteten  besonderen  Bedenken  gegen  die  Fichte 

—  deshalb  gefährlich,  weil  das  Nadelholz,  sobald  es  durch  weiter  vorschreitende  Lich- 
tung im  Oberstande  zu  kräftiger  Entwickelung  angeregt  wird,  oft  zu  rasch  in  die  Krone 
der  Eichen  nachdrängt  und  letztere,  auch  ohne  daß  vollständiges  Uebervvachsen  statt- 
fände, durch  seitliches  Beengen  schädigt.  Behufs  möglichster  Vermeidung  der  Wasser- 
reiserbildung ist  beim  Unterbau  in  Eichenbeständen  stets  vorsichtige,  langsam  ge- 
steigerte Auslichtung  des  Oberholzes  geboten.  Zu  dem  Ende  darf  man  auch  mit  dem 
Aushieb  der  nutzholzuntauglichen  Eichen  nicht  auf  einmal  zu  radikal  vorgehen. 
2.  Unterbau  der  Kiefer:  Die  vorangedeuteten  Gründe  gegen  Fichte  und 
Tanne  treten  hier  zurück.  Unterbau  mit  Buche  oder  Tanne  ist  besonders  empfehlens- 
wert, sofern  der  Standort  kein  Hindernis  bietet.  Die  Entwickelung  der  mit  Nadelholz 
unterbauten  Bestände  gestaltet  sich  oft  so,  daß  man  vom  waldbaulichen  Standpunkte 
aus  bei  der  weiteren  Behandlung  sowohl  die  Kiefer  als  die  Tanne  oder  Fichte  begün- 
stigen und  die  Entscheidung  gänzlich  dem  lokalen  Wertsverhältnis  der  beteiligten 
Holzarten  überlassen  kann.  —  Vergl.  auch  Danckelmann  ,, Kiefern-Unterbaubetrieb" 
(Zeitschr.  f.  F.-  u.  J.  1881,  S.  1),  desgleichen  W  e  i  n  k  a  u  f  f  ,  Ueber  den  Unterbau 
der  Kiefern  mit  Buchen  im  Pfälzer  Wald  (Fw.  Zbl.  1896,  S.  442).  Auch  Weymouths- 
kiefer kann  als  Füllholz  zur  Erziehung  von  Kiefernstarkholz  auf  Buntsandstein  mit 
gewählt  werden.  3.  Unterbau  der  Lärche:  Hier  konmit  zunächst  wiederum 
die  Buche  als  einzubringende  Holzart  in  Frage,  doch  kann  meist  ebensogut  ein  Nadel- 
holz, vorab  die  Tanne  gewählt  werden. 

IL  Lichtungsbetrieb    insbesondere  i). 

A.  Allgemeine   Gesichtspunkte. 

§  85.  Die  Wirkung  des  Lichtes  ^)  ist  unter  den  bei  der  Entwickelung  der  Pflanzen 
wirksamen  Faktoren  mit  in  erster  Linie  beteiligt.  Vermehrter  Lichtgenuß  steigert  den 
Zuwachs,  sofern  die  sonstigen  Wachstumsbedingurgen,  insbesondere  die  Feuchtig- 
keitsverhältnisse und  das  Nährstoffkapital  des  Bodens  günstig  sind.  Als  direkte  Folge 
des  erhöhten  Lichteinflusses  auf  die  Baumkrone  ist  immer  ein  gesteigerter  Zuwachs 
am  einzelnen  Baum  zu  konstatieren,  wenn  er  sich  öfters  auch  nur  zunächst  im  größeren 
Wachstum  der  Krone  und  der  Wurzeln  ausdrückt').    Diese  Zuwachsvermehrung 

mit  stärl<eren  Pflanzen  kann  nur  in  sehr  verlicliteten  Beständen  zur  Bewältigung  des  Unkrauts 
in  Frage  kommen,  ist  aber  wegen  der  hohen  Kosten  bedenklich.  —  Bereits  vorhandene  Boden- 
sträucher  können  je  nach  ihrer  .\rt  (Rhamnus,  \iburnum,  Lonicera  etc.)  unter  Umständen  be- 
lassen bezw.  in  den  Unterbau  einbezogen  werden  (nötigenfalls  nach  vorherigem  .■\ufdenstock- 
setzen),  immer  jedoch  so,  daß  die  einzubringende  Schattenholzart  nicht  notleidet,  sondern  herr- 
schend wird. 

1)  Vergl.  Burckhardt,  „Lichtungsbetrieb  der  Buche  und  Eiche"  in  .\us  dem  Walde 
VIII,   S.   88  ff. 

2)  Vergl.  C  i  e  s  1  a  r,  Einiges  über  die  Rolle  des  Lichtes  im  Walde.    Miltlgn.  a.  d.  forstl. 
Versuchswesen  Oesterreichs.    30.  Hfl.  1904.  —  W  i  e  s  n  e  r,  Der  Lichtgenuß  der  Pflanzen,  1907. 

—  Beck,  Das  Licht  als  Produktionsfaktor  in  der  Forstwirtschaft.    Thar.  Jhrb.  1912,  S.  4. 

3)  Graßmann,  „Beitrag  zur  Lehre  vom  Lichtungszuwachs  etc."  {A.  F.-  u.J.-Z.  1900,  S.45.) 


186  ^  I-  L  0  r  e  y  ,    Waldbau. 

findet  aber  ihre  Grenze.  Sie  geht  beim  Einzelbaume  und  entsprechend  auch  beim  Be- 
stände nicht  über  ein  bestimmtes  Maß  hinaus,  weil  die  überhaupt  mögliche  Arbeits- 
leistung des  Baumes  eine  beschränkte  ist,  bedingt  durch  die  größte  Zahl  dabei  tätiger 
Organe  (Wurzeln,  Blätter),  die  er  überhaupt  auszubilden  vermag,  bezw.  bis  zu  einem 
bestinmiten  Zeitpunkte  ausgebildet  hat.  Der  einzelne  Baum  kann  nicht  mehr  als 
einen  beschränkten  Standraum  ausnutzen.  Das  mögliche  Maximum  der  Leistung  des 
Einzelbaumes  ist  zu  kombinieren  mit  der  auf  der  Flächeneinheit  vorhandenen  Anzahl 
der  Individuen.  Ueberdies  ist  die  durch  Freistellung  veränderte  Zuwachsverteilung  am 
JBaume  (veränderte  Form,  verhältnismäßig  starke  \'erdickung  des  unteren  Schaft- 
teiles), sowie  die  durch  Zuwachssteigerung  etwa  herbeigeführte  Aenderung  der  tech- 
nischen Eigenschaften  (breite,  enge  Jahresringe  etc.)  zu  beachten.  Diese  stärkere  Zu- 
nahme des  unteren  Schaftteiles  ist  nach  Metzger ')  bedingt  durch  das  größere  An- 
drängen des  Windes  bei  Freistand,  das  ein  Tieferrücken  des  Schwerpunktes  erheischt, 
wie  solches  durch  Verstärkung  des  Dickenwachstums  im  unteren  Teile  des  Schaftes 
erfolgt.  Ausschlaggebend  für  den  Wirtschaftserfolg  ist  schließlich  der  Preis  der  ins- 
gesamt auf  der  Flächeneinheit  in  gegebener  Zeit  erzielten  Produkte. 

Der  Lichtungsbetrieb  schließt  sich  unmittelbar  an  die  starke  Durchforstung  an. 
Die  Grenze  zwischen  beiden  dürfte,  wenn  eine  durchschnittliche  Zahl  angegeben 
werden  soll,  vielleicht  bei  einer  Entnahme  von  0,2  der  Masse  des  normal  entwickelten 
Vollbestandes  zu  finden  sein  ^).  Ein  dieses  Maß  übersteigender  Aushieb  unterbricht 
den  Kronenschluß  in  der  Regel  schon  so  weit,  daß  am  stehengebliebenen  Bestandesteil 
ein  eigentlicher  Lichtungszuwachs  zur  Auswirkung  kommt.  Ob  aber  ein  solcher 
immerhin  noch  geringer  Eingriff  genügt,  um  die  höchste  Leistung  herbeizuführen, 
ist  erst  durch  zahlreiche  komparative  Versuche  noch  weiter  zu  erforschen  ^). 

Mit  dem  Namen  ,, Lichtungsbetrieb"  wird  nicht  gerade  eine  besondere  Grundform  forstli- 
cher Betriebssysteme  bezeichnet,  sondern  man  meint  damit  gewöhnlich  nur  gewisse  Formen 
des  schlagweisen  Hochwaldes,  welche  sich  als  Modifikationen  des  nach  der  Schablone  herauf- 
wachsenden mehr  oder  minder  gleichalterigen  SchlutSbestandes  charakterisieren.  Dagegen  ist 
der  durch  neuere  Untersuchungen  wiederholt  nachgewiesene  bedeutende  Lichtungszuwachs 
im  Plenterwald  nicht  das  Produkt  eines  besonderen  Lichtungsbetriebs,  sondern  mit  dem  normal 
geleiteten  Plenlerbetrieb  durch  dessen  grundsätzliche  Eigentümlichkeiten  jederzeit  verknüpft. 
Ebenso  gehört  der  Lichtungszuwachs  an  Ueberhältern  für  den  zweiten  Umtrieb  nicht  unter 
die   Rubrik   ,, Lichtungsbetrieb". 

B.  Bedingende  Momente. 

§  86.  Auch  hier  kommen,  analog  wie  beim  Unterbau,  eine  Reihe  einzelner  Um- 
stände in  Betracht,  nämlich:  der  zu  lichtende  Bestand,  der  besondere  Zweck  des  Lich- 
tungshiebs, die  Zeit  des  Beginnes,  das  Maß  der  Lichtung,  die  Art  und  Häufigkeit 
wiederholter  Lichtungen,  der  mit  der  Lichtung  etwa  verbundene  Unterbau. 

L  Der  Bestand:  Beim  Licbtungsbetrieb  handelt  es  sich  keineswegs  nur 
um  die  Erzielung  hervorragenden  Nutzholzes,  sondern  um  Zuwachssteigerung  über- 
haupt, so  daß  er  auch  für  Brennholzorte  oft  mit  Vorteil  eingeführt  werden  kann.  Nur 
ist  in  solchen  wegen  der  verhältnismäßig  geringeren  Wertsmehrung  der  Kostenauf- 


1)  Metzger,  ,, Studien  über  den  Aufbau  der  Bäume  und  Bestände  nach  statischen  Ge- 
setzen" (Mund,  forstl.   Hefte  V  und  VI). 

2)  cfr.  den  S.  181,  Anm.  1  erwähnten  .\rbeitsplan  der  Versuchsanstalten,  woselbst  der 
geringste  Lichtungsgrad  auf  Aushieb  von  20%  der  Holzmasse  normiert  ist;  jede  geringere  Ent- 
nahme würde  noch  als  Durchforstung  zu  bezeichnen  sein. 

3)  B  0  r  g  g  r  e  V  e  ist  der  Ansicht,  daß  eine  Verminderung  der  Masse  um  0,2  als  Regel 
genüge,  um  vollen  Lichtungszuwachs  zu  gewähren.  Bei  diesem  Eingriff  sei  ein  Unterbau  keinen- 
falls  nötig,  weil  die  Kronenlockerung  noch  eine  sehr  mäßige  sei.  Ueberdies  will  B.  hauptsächlich 
den  Lichtungszuwachs  der  späteren  Lebensperioden  eines  Bestandes  nutzbar  machen,  während 
andere,  wie  z.  B.  W  a  g  e  n  e  r  davon  ausgehen,  daß  der  Lichtungszuwachs  vornehmlich  bis  zum 
etwa  80jährigen  Aller  Großes  leiste. 


Die  Bestandeserziehung.    §  86.  187 

wand  für  künstliche  Einbringung  eines  Unterstandes  vorixer  noch  sorgHcher  zu  er- 
wägen, als  bei  dem  mit  hohem  Qualitätszmvachsprozent  arbeitenden  Nutzholzbe- 
stande. Bildet  sich  dagegen  Untenvuchs  durch  vorzeitige,  infolge  der  Lichtung  be- 
schleunigte natürliche  Besamung,  so  daß  der  Boden  gedeckt  ist,  so  kann  auch  für 
Brennholzwirtschaften  (Buche)  die  stärkere  Durchlichtung  infolge  der  Zuwachsstei- 
gerung bei  gleichzeitiger  Abminderung  des  Materialvorrates  von  hoher  Bedeutung 
werden.  Immerhin  besteht  der  Hauptzweck  des  Lichtungsbetriebes  in  möglichst 
kurzfristiger  Anzucht  hochwertigen  Nutzholzes,  weshalb  neben  der  Eiche  namentlich 
wieder  unsere  Nadelhölzer:  Kiefer,  Lärche,  Tanne  (Fichte)  in  Betracht  kommen. 
Aber  nur  Bestände  auf  besten  und  besseren  Standorten  lohnen  die  auf  die  Durchfüh- 
rung des  Lichtungsbetriebes  verwendete  Mühe  entsprechend. 

1^  2.  Der  besondere  W  i  r  t  s  c  h  a  f  t  s  z  w  e  c  k :  Daß  lediglich  wuchs- 
fähigen Stämmen  im  Lichtbestand  die  gewünschte  Zuwachssteigerung  zugemutet 
wird,  ist  selbstverständlich.  Wo  Nutzholz  erzogen  wird,  sind  im  allgemeinen  alle 
Stämme  von  zweifelhafter  Nutzholzqualität  in  solchem  Umfange  zu  entfernen,  daß 
nicht  dadurch  eine  augenblicklich  oder  für  die  Dauer  zu  weitgehende  Bestandeslich- 
tung herbeigeführt  wird.  Man  kann  in  der  Folge  (durch  nur  mäßige  Lichtung)  eine 
Mehrzahl  annähernd  gleichgearteter  mittelstarker  Stänome  erziehen  oder 
durch  stärkeres  Freihauen  einzelner  Individuen  eine  kleinere  Zahl  von  Stämmen 
besonders  begünstigen.  Außerdem  ist  darüber  zu  entscheiden,  ob  man  vorzugsweise 
die  Mittelklassen  fördern  oder  die  Individuen  der  stärksten  Klasse  zur  Ausbildung 
hervorragender  Dimensionen  bringen  möchte;  ferner,  ob  man  den  Zweck  durch 
gleichmäßige  oder  mehr  gruppenweise  Verteilung  der  zu  belassenden  Stämme  er- 
reichen Avill. 

Gleichmäßige  Verteilung  wird  beim  eigentlichen  Lichtungsbetrieb  immerhin  die  Regel 
bilden.  Man  muß  dabei  auf  den  Einzelstamm  eingehen.  Möglichst  viele,  allseitig  normal  ent- 
wickelte Individuen  sollen  im  Bestände  vorhanden  sein,  für  deren  jeden  ein  bestimmter  Anteil 
am  Boden-  und  Luttraum  verfügbar  ist.  Die  Anordnung  in  Gruppen  ist  gleichbedeutend  mit 
dem  üebergang  zur  Fenielschlagforn"',  welche  hier  nicht  beabsichtigt  wird.  Ob  mehr  die  stärk- 
sten oder  mehr  die  mittelstarken  Stämme  bei  der  Schlagslellung  zu  berücksichtigen  sind,  hängt 
zunächst  von  der  Verteilung  der  Gesamtstammzahl  auf  die  einzelnen  Durchiresserslufen,  sowie 
von  der  räumlichen  \erteilung  der  einzelnen  Stärkeklassen  im  Bestände  ab.  Daneben  ent- 
scheidet das  Werlsverhältnis  der  verschiedenen  Sortimente. 

3.  Beginn:  Der  Arbeitsplan  des  Vereins  deutscher  forstücher  Versuchsan- 
stalten setzt  als  Zeit  für  Einleitung  von  Versuchen  über  Lichtungsbetrieb  das  Alter 
der  Bestände  von  30 — 70  Jahren  fest.  Hiermit  ist  alles  ausgedrückt,  was  als  allge- 
meine Regel  ausgesprochen  werden  kann.  Man  will  früh  beginnen,  um  dem  Bestände 
durch  einen  möglichst  langen  Zeitraum  seiner  Gesamtentwicklung  die  \'orteile  der 
Lichtung  zu  sichern,  doch  aber  nicht  so  früh,  daß  nicht  der  Bestand  vorher,  mehr  oder 
minder  geschlossen,  eine  gehörige  Mittelhöhe  erreicht  und  sich  dabei  von  überflüs- 
sigen Aesten  genügend  gereinigt  hat.  Man  will  und  kann  keinen  bestimmten 
Zeitpunkt  angeben,  in  welchem  die  erste  Durchlichtung  behufs  Herbeiführung 
des  größten  Erfolgs  stattzufinden  hat,  sondern  macht  alles  von  der  jeweiligen  Be- 
schaffenheit des  Bestandes  abhängig,  der  doch  mindestens  schon  als  angehendes 
Stangenholz  angesprochen  werden  soll.  Mit  jener  Umgrenzung  soll  auch  nicht  er- 
klärt werden,  daß  jeder  später  als  im  70.  Jahre  beginnende  Lichtungsbetrieb  wertlos 
sei;  diese  Zahl  gilt  vielmehr  ledigüch  für  die  besonderen  Zwecke  der  einzuleitenden 
Versuche.    In  vielen  Fällen  wird  auch  eine  später  erfolgende  Lichtung  noch  guten 

Erfolg  haben. 

Holzart,  Bestandesbegründung,  bisherige  Behandlung,  Standort,  auch  in  beschränktem 
Maße  die  Absatzverhältnisse  beeinflussen  im  konkreten  Falle  die  Entscheidung  in  ähnlicher 
Weise,  wie  dies  in  §  83  bezüglich  des  Unterbaues  angedeutet  worden  ist.    Ueberdies  kann  ja 


188  ^I-  Lorey,    Waldbau. 

über  die  einschlägigen  Fragen  erst  in  Zukunft  durcli  komparative  Versuche  endgültige  Aufklä- 
rung gewonnen  werden.  Im  allgemeinen  aber  dürfte  möglichst  frühzeitiger  Beginn  am  erfolg- 
reichsten sein. 

4.  Das  Maß  der  Lichtung:  Ein  auch  nur  in  den  meisten  Fällen  ab- 
sohit  bestes  Maß  der  Lichtung  kann  nicht  angegeben  werden.  Abgesehen  davon,  daß 
auch  in  dieser  Richtung  sichere  Anhaltspunkte  für  jede  allgemeinere  Beurteilung 
noch  fehlen,  erfordern  vielmehr  die  besonderen  Umstände  des  einzelnen  Falles  je  eine 
besondere  Begutachtung.  Auf  mehr  als  50  Prozent  des  Vollbestandes  (bezogen  auf 
die  Stammgrundfläche)  wird  man  den  Aushieb  nur  selten  ausdehnen,  ja  in  den  weitaus 
meisten  Fällen  nicht  an  diese  Grenze  herangehen,  wenigstens  sicherlich  nicht,  wenn 
nur  die  Entwickelung  des  Oberstandes  ins  Auge  gefaßt  wird.  Anderenfalls  erhalten 
die  Einzelstämme  schon  einen  über  das  Maximum  ihrer  Ausnutzungsfähigkeit  hinaus- 
gehenden Standraum.  Jedenfalls  kann  ein  20%  der  Masse  des  regelmäßig  durch- 
forsteten Vollbestandes  übersteigender  Eingriff  kaum  ohne  gleichzeitigen  Unterbau 
stattfinden.  Wohl  aber  können  im  Einzelfalle  Ftücksichten  auf  die  Erziehung  eines 
wertvollen  Zwischenbestandes,  event.  auch  Fehlen  einer  genügenden  Anzahl  Nutz- 
holz versprechender  Oberholzstämme  einen  weitergehenden  Eingriff  begründen. 
Doch  steht  man  dann  vor  einer  waldbaulichen  Aufgabe,  die  korrekterweise  nicht 
eigentlich  mehr  als  Erzielung  möglichst  wertvollen  Lichtungszuwachses  bezeichnet 
werden  kann.  Jedenfalls  muß  man  bei  der  Herstellung  stärkerer  Lichtungsgrade, 
mit  Rücksicht  auf  Schaftlodenbildung  (Eiche),  Sturmgefahr,  Duftbruch  usw.,  vor- 
sichtig sein.  Die  allmähliche  Ueberleitung  ')  verdient  in  solchen  Fällen  vor  plötz- 
lichem Uebergang  den  Vorzug. 

5.  Wiederholte  Lichtung:  So  oft  der  Charakter  des  erstmals  ein- 
geführten, bezw.  dauernd  beabsichtigten  Lichtstandes  durch  erfolgte  Kronenverbrei- 
terung verloren  gegangen  ist,  muß  eine  Nachlichtung  eintreten.  Da  eine  beschleu- 
nigte Neubildung  in  der  Krone  des  gesunden,  wuchskräftigen  Baumes  die  naturge- 
mäße Folge  der  Lichtung  ist  und  dadurch  der  Bestand  seinen  Lichtungsgrad  alsbald 
zu  verringern  beginnt,  so  kann  nur  durch  andauernden  Aushieb  von  Stämmen,  bis 
zu  gewissem  Grade  auch  durch  Aufastung,  ein  bestimmter  durchschnittlicher  Lich- 
tungsgrad erhalten  bleiben.  In  der  Praxis  ist  dies  auf  größeren  Flächen  imausführbar. 
Vielmehr  wird,  von  ganz  besonderen  Ausnahmefällen  feinerer  Bestandespflege  ab- 
gesehen, in  bestimmten  (5 — 10jährigen)  Perioden  die  Durchlichtung  wiederholt,  in 
derselben  Weise,  wie  auch  bei  den  Durchforstungen  meist  nur  periodische  Wiederkehr 
des  Hiebs  in  die  einzelnen  Waldorte  möglicli  ist.  Sorgfältige  Begutachtung  der  ein- 
zelnen Stämme  bei  der  Auszeichnung  ist  hierbei  dringend  anzuraten. 

6.  Unterbau:  Er  bildet  beim  Lichtungsbetrieb  immer  dann  die  Regel, 
wenn  sich  nicht  durch  natürhche  Besamung  (Schattenhölzer  wie  Buche,  Tanne, 
Fichte)  oder  durch  Stockausschlag  (z.  B.  von  Linde,  Buche,  Hainbuche,  Eiche,  selbst 
von  Strauchhölzern)  oder  durch  Vermittelung  von  Vögeln  ein  den  Boden  schützender 
Untei-wuchs  einstellt.  Bloßes  Ueberkleiden  des  Bodens  mit  Forstunkräutern  etc. 
wird  aus  den  in  §  82  angegebenen  Gründen  nicht  für  genügend  erachtet.  Alle  für  den 
Unterbau  maßgebenden   Gesichtspunkte  kommen  in  Betracht. 

C.    Spezielle  Fälle  des  Lichtungsbetriebes. 

§  87.  Die  in  §  84  (besondere  Fälle  des  Unterbaus)  gegebenen  Direktiven  gelten 
auch  hier,  sofern  es  sich  um  Lichtung  in  Eichen-,  Kiefern-  und  Lärchenbeständen 
handelt.  Bei  den  Schattenhölzern  Buche,  Tanne  und  Fichte  ist  ein  Lichtungsbetrieb 
ziemlich  gleichbedeutend  mit  frühzeitiger  Einleitung  der  natürlichen  Verjüngung 

1)  Vergl.  die  sog.  „Vorlichtung"  Krafts  in  Burckhardts  ,,Aus  dem  ■\\'alde"  IX.  S.  71. 


Die  Bestandeserziehung.     §  87.  189 

und  langem  Verjüngungszeitraum.  Ein  künstlicher  Unterbau  fällt  bei  diesen  Holz- 
arten meist  weg,  vorausgesetzt,  daü  man  einen  stärkeren  Eingriff  in  den  Bestand  erst 
im  Alter  der  angehenden  Mannbarkeit  (nach  Standort,  Bestandesbehandlung  etc. 
wechselnd)  vornimmt.  Bei  der  weiteren  Behandlung  ergeben  sich  zahlreiche  Modifi- 
kationen, je  nachdem,  ob  man  die  erstmals  eingetretene  Besamung  alsbald  zur  Er- 
ziehung eines  Jungbestandes  benutzt  und  durch  allmählichen  Nachhieb  dem  Auf- 
schlag (durch  den  ganzen  Ort  gleichmäßig  oder  unter  besonderer  Berücksichtigung 
von  Gruppen  und  Horsten)  den  für  seine  Entwickelung  nötigen  Raum  schafft  oder 
ob  man  einen  sich  einstellenden  .Iung\vuchs  unter  dem  Druck  eines  allmählich  wieder 
mehr  oder  minder  dicht  sich  schließenden  Kronendaches  nicht  aus  der  Rolle  eines 
bloßen  Bodenschutzholzes  herauskommen,  ja  demnächst  vielleicht  wieder  ganz  ver- 
schwinden läßt  (Buche  und  Fichte),  um  erst  einem  späteren  Mastjahr  die  Begründung 
eines  neuen  Bestandes  zu  übertragen. 

Von  den  zahlreichen,  da  und  dort  herausgebildeten,  bezw.  in  der  Literatur  für 
bestimmte  Verhältnisse  empfohlenen,  besonders  charakterisierten  Formen  mögen 
hier  nur  folgende  hervorgehoben  werden: 

1.  Der  zweialterige  Hochwald  Burckhardts^):  Eine  ge- 
legentlich für  die  Buche  empfohlene  Bestandesform,  welche  dadurch  bezeichnet  ist, 
daß  im  Moment  der  Hiebsreife  des  Oberstandes  ein  Unterwuchs  vom  halben  Um- 
triebsalter  vorhanden  ist,  wobei  u  =  140 — 160  Jahre.  Vom  Unterwuchs  bleiben 
beim  Hieb  ca.  50  bis  60  Standbäume  pro  ha  stehen,  welche  beim  nächsten  Hieb, 
also  nach  70 — 80  Jahren  den  Oberstand  bilden.  Verjüngung  durch  natürliclie  Be- 
samung, selbst  unter  Benutzung  von  Stockausschlag,  sowie  in  Nötfällen  unter  künst- 
licher Beiiiilfe.  Charakteristisch  ist  der  große  Standraum  der  einzelnen  Oberbäume 
und  die  dadurch  bedingte  Entwickelung  des  Unterwucb.ses  zu  einem  ertragsreichen 
Zwischenbestand. 

2.  Der  modifizierte  B  u  c  h  e  n  h  o  c  h  w  a  1  d  b  e  t  r  i  e  b  von  v.  See- 
bach ^).  Ein  durch  die  Durchforstung  gehörig  vorbereiteter  70 — SOjähriger  Buchen- 
ort wird  unter  Benutzung  eines  Mastjahres  verjüngt.  Im  Oberstand  werden  so  viele 
Stämme  beibehalten  (ca.  300  Stämme  =  etwa  0,4  der  Masse),  daß  deren  Kronen  nach 
30 — 40  Jahren  (also  im  normalen  Umtriebsalter  von  100 — 120  Jahren)  wieder  voll 
geschlossen  sind.  Der  Untenvuchs  wird  nur  als  Bodenschutzholz  betrachtet,  das  mit 
vorschreitender  Kronenannäherung  des  Oberstandes  mehr  und  mehr  zurückgeht. 
Im  normalen  Hiebsalter  erfolgt  dann  eine  regelrechte  natürliche  Buchenhochwald- 
Verjüngung.  Inzwischen  sind  die  Stämme  unter  dem  Einflüsse  der  vor  30 — 10  Jahren 
eingetretenen  Lichtung  zu  besonders  starken  Hölzern  erwachsen. 

Angewendet  zuerst  von  Oberforslmeister  von  Seebach  (etwa  1835)  im  liannöverschen 
Sollinpr,  zunächst  als  Notbehelf  beim  Mangel  genügender  Mengen  haiibaren  Holzes.  Inzwischen 
mehrfach  benutzt  (z.  B.  versuchsweise  in  einigen  württembergischen  Revieren),  um  ohne  Er- 
höliung  der  Umtriebszeit  stärliere   Buchenhölzer  zu  erziehen. 

3.  Die  Homburgsche  Nutzholz  Wirtschaft'):  Die  ihrem 
Wesen  nach   eigentlich  als   ein   Ueberhaltbetrieb   zu   charakterisierende  Wirtschaft 


1)  cfr.  Burckhardt,  ,,Säen  und  Pflanzen",  6.  .\ufl.  S.  139.  —  B  e  1  i  n  g,  ,,Der  Stangen- 
holzbetrieb" in  den  Forstl.  Blättern  von  1874,  S.  148. 

2)  cfr.  V.  Seebach,  Krit.  Bl.  21.  Bd.  1.  Heft  S.  147  (1845).  Kraft  in  ,,.Vus  dem  Walde" 
VII,  S.  40.    Burckhardt,  „Säen  und  Pflanzen".    6.  Aufl.  S.  113. 

3)  G.  Th.  H  o  m  b  u  r  g.  Die  Nutzholzwirtschaft  im  geregelten  Hochwald-Ueberhaltbetrieb, 
1878,  2.  Aufl.  1890.  — ^Derselbe,  ,,Ein  Beitrag  zur  Nutzholzwirtschaft  im  geregelten  Hochwald- 
Ueberhallsbetrieb"  {A.  F.-  u.  J.-Z.  von  1879,  S.  275  ff.^.  —  Derselbe,  „Ein  weiterer  Bei- 
trag .  ."  (.\.  F.-  u.  J.-Z.  1881.  S.  365).  —  D  e  r  s.,  „Ein  weiterer  Beitrag  .  .'  (Forstw.  Zentralbl. 
V.  1884,  S.  209). 


120  VI.  Lorey,    Waldbau. 

darf  gleichwohl  insofern  hier  mit  aufgeführt  werden,  als  bei  ihr  durch  Freihauen  die 
später  den  Oberstand  bildenden  Nutzholzexemplare  von  Anfang  herein  auf  diese 
Funktion  vorbereitet  werden.  In  der  Regel  bildet  die  Buche  den  Grundbestand. 
Beigemischt  sind  ihr,  einzeln  oder  in  Horsten,  vorzugsweise  die  Eiche,  nach  Umstän- 
den aber  auch  Esche,  Ulme,  Ahorn,  sowie  Nadelhölzer  verschiedenster  Art.  Durch- 
schnittlich im  70jähngen  Alter  des  Buchengrundbestandes  erfolgt  dessen  natürliche 
Verjüngung,  welche  durch  (^/s — ^/i  des  Vollbestandes  umfassend)  energische,  die 
Plege  der  demnächstigen  Oberständer  besonders  berücksichtigende  Vorhiebe  bezw. 
Lichtungshiebe,  eingeleitet  wird.  Gleichzeitig  mit  der  Verjüngimg  der  Buche  werden 
die  übrigen  Holzarten,  welche  für  den  nächstfolgenden  Umtrieb  (neben  einer  Anzahl 
von  Buchenüberhältern)  die  Oberbäume  werden  sollen,  durch  Saat  oder  Pflanzung 
oder  durch  Vorverjüngung  (unter  Benutzung  der  Stocklöcher  usw.)  und  zwar  mög- 
lichst horstweise  eingebracht.  Außer  der  Eiche  werden  hauptsächlich  Tanne,  Esche, 
Ahorn,  Ulme,  Fichte,  Lärche  und  Weymouthskiefer  empfohlen.  In  welcher  Zahl 
diese  vorhanden  sein  können,  hängt  wesentlich  auch  von  den  Bedürfnissen  des  neu 
erwachsenden  Bestandes  ab.  Da  dieser  die  Nachhaltigkeit  der  Wirtschaft  vermittelt, 
darf  er  selbst  in  seinen  Schattenholzpartien  nicht  dauernd  in  starkem  Schirmdruck 
erhalten  werden.  Die  deshalb  erforderlichen  Nachhiebe  bringen  zugleich  den  verblei- 
benden Oberständern  freieren  Wachsraum  und  damit  kräftigere  Ausbildung. 

4.  W  a  g  e  n  e  r's  Lichtwuchsbetrieb^):  Eigenartig  ist  der  Grad 
der  Lichtstellung  und  die  Zeit  des  Beginnes.  Wagener  geht  davon  aus,  daß  eine  mög- 
lichst frühzeitige  Ausnutzung  des  Lichtungszuwachses  die  besten  Erfolge  zeitigt.  Be- 
reits im  Alter  von  25 — 40  Jahren  werden  die  künftigen  Haubarkeitsstämme  ausge- 
sucht und  umlichtet. 

Der  Kronenfreihieb  wird  natürlich  nur  Ivräfligen,  nutzholztauglichen  Stämmen  zuerkannt. 
Unter  Voraussetzung  der  Wiederholung  des  Freihiebes  in  10  jährigen  Perioden  würde  ein  freier 
Gürtel  um  die  Einzelkrone  von  ca.  60  cm  Breite  genügen.  Die  Erziehung  von  mindestens  30 — 35 
cm  in  Brusthöhe  starken  Stämmen  in  etwa  80  jährigem  Umtrieb  ist  das  Ziel  der  Wirtschaft 
—  ein  Ergebnis,  welches  bei  der  gewöhnlichen  Erziehung  im  Schlußbestand  nicht  innerhalb 
der  üblichen  Umtriebszeiten  erreicht  werden  kann.  Zeitpunkt  für  die  Vornahme  des  ersten 
Kronenfreihiebs  ist  jenes  Stadium  der  Bestandesentwicklung,  wo  die  Stämme  durchschnittlich 
bis  auf  eine  Höhe  von  10 — 12  Meter  vom  Boden  nur  noch  dürre  oder  nicht  mehr  beachtenswert 
fortwachsende  Aeste  besitzen.  Bis  dahin  (d.  h.  auf  Mittelboden  etwa  bis  zum  30 — 40  jährigen 
Alter)  ist  dichter  Kronenschluß  zu  erhalten.  Von  trockenen,  flachgründigen,  heidewüchsigen 
Böden  soll  der  Betrieb  fern  bleiben.  Etwa  500  Stämme  pro  Hektar  bilden  schließlich  den  nor- 
malen Bestand.  Vom  ersten  Kronenfreihieb  werden  deshalb  mindestens  Stämme  in  je  4 — 5  Meter 
Abstand  (auf  ca.  20  Quadratmeter  Fläche  ein  Stamm)  betroffen,  natürlich  ohne  daß  eine  regel- 
mäßige Stellung  Bedingung  ist;  man  ist  bei  der  Auszeichnung  von  der  zufälligen  Gruppierung 
der  stärksten  Stämme  abhängig.  Im  Zwisehenstand  bleibt  der  Kronenschluß  erhallen.  Sind 
die  freigehauenen  Stämme  Lichthölzer,  so  ist  unter  ihnen  baldigst  ein  Unterbau  vorzunehmen. 
Vorsicht  beim  Kronenfreihieb  (Umbiegen  in  Gerlenhölzern  etc.)  ist  geboten.  —  Auf  den  Vorteil 
der  raschen  Erstarkung  wird  namentlich  auch  für  Buchenbestände  hingewiesen.  —  Das  Höhen- 
wachstum leidet  nach  W  a  g  e  n  e  r  durch  die  frühe  Freistellung  nicht.  Die  Abformigkeil  des 
ganzen  Schaftes  wird  durch  den  stärkeren  unteren  Schaftteil,  sowie  durch  besseres  Holz  ausge- 
glichen. —  Wiederholte  Lichtung  nach  Bedarf  (abhängig  hauptsächlich  von  den  Absatzver- 
hältnissen). —  Der  Lichtwuchsbetrieb  ist,  soweit  bekannt,  bis  jetzt  erst  auf  kleinen  Flächen  durch- 
geführt. Was  er  leistet,  ist  zunächst  noch  durch  eine  größere  Anzahl  komparativer  Versuche 
festzustellen.  Die  Anwendung  im  großen  würde  jedenfalls  (bei  der  Auszeichnung,  Hiebsfüh- 
rung etc.)  größte  Aufmerksamkeit  des  Wirtschafters  erfordern. 

5.  May  r's  Kleinbestands  wald  mit  Erziehungsverjün- 
gung. Um  der  modernen  Forstwirtschaft  aus  dem  Dilemma  sich  wderstreitender 
waldbaulicher    und    ökonomischer    Gesichtspunkte    und    Aufgaben    herauszuhelfen, 

1)  Zu  vergleichen:  W  a  g  e  n  e  r,  ,,AValdbau",  insbes.  S.  246  ff.,  ferner  D  a  n  c  k  e  1  m  a  n  n, 
,, Waldbauliche  Theorien  und  Reform-Bestrebungen  von  Gustav  Wagener"  (Zeitschr.  f.  Forst- 
u.  Jagdwesen  1887,  S.  329  ff.) ;  ferner  G.  W  a  g  e  n  e  r,  „Die  Fortbildung  des  Waldbaues",  A.  F.- 
u.  J.-Z.  von  1887  S.  7  ff.,  145  ff.,  257  ff. 


Die  Bestandeserziehung.     §  8S.  191 

empfiehlt.  Prof.  Mayr  in  seinem  „Waldbau  auf  naturgesetzlicher  Grundlage",  den  Wald 
nur  aus  kleinen,  0,3  bis  3,0  ha  großen  reinen  Beständen  zusammenzusetzen.  Diese 
von  der  jeweils  standortsgemäßen  Holzart  gebildeten  Kleinbestände  sollen  bis  zum 
30.  oder  40.  Jahre  nur  von  den  untauglichen  Individuen  gesäubert,  sonst  aber  zum 
Zwecke  der  Reinigung  geschlossen  gehalten  werden.  Den  vom  30.  bezw.  40.  Jahre 
einsetzenden  Durchforstungen  folgen  vom  50.  Jahre  an  Durchlichtungen  unter  prin- 
zipieller Beseitigung  alles  Unterdrückten,  damit  die  Kronen  der  Hauptstämme  sich 
nicht  mehr  schließen  können.  Diese  Durchlichtungen  sind  vom  50.  bis  80.  Jahre 
aller  5,  später  aller  10  Jahre  zu  wiederholen.  Bei  Beginn  der  Durchlichtungen  erfolgt 
Unterbau  mit  einer  Laubholzschattenart  (Buche,  Hornbaum,  Weißerle),  event.  unter 
gleichzeitiger  Düngung  geringer  Böden.  Nach  Erreichung  des  Haubarkeitsalters 
Naturverjüngung  unter  Schirm  mit  voller  oder  teilweiser  Beseitigung  des  Unterbaues 
im  Samenjahr.  —  Der  Mayr'sche  Betrieb  steht  und  fällt  mit  dem  Unterbau.  Wo 
dieser  nicht  gelingt,  wie  auf  vielen  mittleren  und  auf  allen  geringeren  Böden  zu  er- 
warten ist,  wird  der  Schlußeffekt  der  Erziehungsverjüngung,  wie  bei  anderen  an 
falscher  Stelle  angewendeten  Licht\\aichsbetrieben,  in  Laubverwehung,  Verunkrau- 
tung und  \'erwilderung  des  ganzen  Bestandes  bestehen. 

6.  Vogl's  Lichtwuchsbetrieb^):  50 — 70jährige,  vorher  in  zuneh- 
mender Stärke  durchforstete  Bestände  (meist  Fichte,  Tanne)  werden  allmählich, 
zunächst  durch  \\egnahme  der  zurückgebliebenen  Stämme  gelichtet.  Die  Stamm- 
zahl geht  bei  periodischer  Nutzung  von  15- — 20%  der  vorhandenen  Masse  nach  und 
nach  von  300  bis  400  im  60.  bis  70.  Jahre,  auf  200  bis  250  im  100.  Jahre  zurück. 
Unterbau  findet  nur  bei  ausbleibender  Naturverjüngung  statt.  Durch  die  frühzeitig 
eintretende  ^'erjüngung,  wie  durch  die  nur  allmählich  erfolgende  Lichtung  soll  der 
Boden  vor  A'erwilderung  bewahrt  bleiben.  Die  hiebsreifen  Stämme  sollen  im  Durch- 
schnitt 3  fm  enthalten,  so  daß  der  Endhieb  600 — 750  fm  Masse  ergibt. 

Großen  Werl  legt  Vogl  auf  Erhaltung  der  ^"orwüchse  und  sorgfältige  Pflege  derselben 
durch  Aufastung.  Die  frühzeitige  natürliche  \'erjüngung  und  das  Streben,  den  Jungwuchs 
zur  Bildung  des  neuen  Bestandes  zu  erhalten  und  heranzuziehen,  lassen  sich  mit  dem  Verlangen 
nach  langandauernder  .\usnutzung  des  Lichtungszuwachses  der  Mutterbäume  jedoch  nicht 
immer  in  gewünschter  Weise  vereinbaren.  Die  gegensätzlichen  Interessen  von  Jung-  und  .-Mt- 
besland  müssen  vielmehr  zu  ^■ernachlässigungen  des  Jungbestandes  und  zu  weitergehenden 
Fällungs-  und  Räumungsschäden  führen.  Sturm-,  Schnee-  und  Eisschäden  sollen  in  den  ge- 
lichteten Beständen  wenig  oder  gar  nicht  schaden.  Ebenso  wird  von  Vogl  eine  Gefährdung 
bezw.  Verschlechterung  der  Waldbodenkraft  und  zwar  auch  auf  den  Südseiten  in  Abrede  ge- 
stellt. Endres  {Bericht  d.  Deutsch.  Forstvereins  1910,  S.  88)  bezeichnet  den  Boden  im  Gegen- 
satz hierzu  als  ,,zum  großen  Teil  verwildert".  Ganz  hervorragend  aber  sind  die  von  Vogl  erzielten 
Ergebnisse  hinsichtlich  der  Steigerung  der  Stärlcen-  und  Wertszunahme  der  Lichtwuchsstämme. 

D.   Würdigung  der  L  i  c  h  t  u  n  g  s  b  e  t  r  i  e  b  e  ^). 

§  88.  Trotzdem  der  Gedanke,  den  zuwachsfördernden  Einfluß  früherer  oder 
späterer  Umlichtung  ausgesuchten  Wertsstämmen  zukommen  zu  lassen,  schon  alt 
ist  und  trotzdem  die  Lichtungsbetriebe  teilweis  ganz  erstaunliche  Beweise  für  die 
wertvolle  Hilfe  des  Lichtes  bei  der  Starkholzerziehung  beigebracht  haben,  begegnet 
die  forstliche  Praxis  der  in  den  Lichtwuchsbetrieben  gehandhabten  Ausnutzung  des 
Lichtungszuwachses  nur  vorsichtig  und  zurückhaltend.  Die  Gründe  hierfür  sind  teils 
bodenpfleglicher  Natur,  teils  darin  zu  erblicken,  daß  den  zahlenmäßigen  Nachweisen 
für  die  höhere  Rentabilität  der  Lichbvuchsbetriebe  allgemeine  Bedeutung  nicht  bei- 


1)  Vgl.  Vogl,  Aus  der  Praxis  25jähr.  Forstfinanzwirtschaft.  Oesterr.  Vierteljsclir.  1887, 
315.  —  D  e  r  s.,  Die  Forste  der  Heri-schaft  Kogl,  das.  1889,  303.  —  D  e  r  s.,  Zum  Lichtwuchsbe- 
trieb, A.  F.-  u.  J.-Z.  1902,  270.  309.  —  Martin,  Kritische  Vergleichung  der  wichtigsten  forst- 
techn.  und  forstpolitischen  Maßnahmen  deutscher  und  außerdeutscher  Forstverwaltungen.  Ztschr. 
f.  Forst-  u.  Jagdw.  1901.  511. 

2)  Vgl.  Bericht  üb.  d.  XI.  \ers.  d.  Deutsch.  Forstvereins  1910,  S.  34. 


iQO  VI.  Lorey,    Waldbau. 

gemessen  werden  darf.  Die  von  Vertretern  dieser  Betriebe  angegebenen  Zahlen  über 
Massen-  und  Wertszuwachs  gelichteter  Bestände  stellen  fest,  daß  der  Lichtwuchs- 
betrieb unter  zusagenden  Standorts-  und  Bodenverhältnissen  eine  sehr  beachtens- 
werte Betriebsform  zur  Erhöhung  der  Rentabilität  der  Wirtschaft  ist.  Es  kann  jedoch 
bei  zu  weitgehender  Lichtstellung  der  begünstigten  Stämme  trotz  ihrer  großen  Massen- 
leistungen leicht  vorkommen,  daß  das  Produktionskapital  unzureichend  verzinst 
wird  und  der  Lichtungsbetrieb  demnach  vom  Standpunkt  der  Rentabilität  nicht  ge- 
rechtfertigt ist. 

In  seiner  reinen  Form  mit  der  Tendenz  der  stammweisen  Ausnutzung  des  Lich- 
tungszuwachses eignet  sich  der  Lichtungsbetrieb  zunächst  nur  für  solche  Holzarten, 
deren  langanhaltender  Lichtungszuwachs  einen  bedeutenden  Wertszuwachs  in  sich 
schließt.  Zu  diesen  Holzarten  gehören  vor  allem  die  Eiche,  nach  iiu'  Kiefer  und 
Lärche. 

Voraussetzung  für  einen  ansehnlichen  und  nachhaltigen  Lichtungszuwachs  ist 
ferner  nicht  allein  ein  verstärkter  Lichtgenuß,  sondern  in  gleichem  Maße  das  Vor- 
handensein eines  kräftigen,  nährstoffreichen  und  frischen  Bodens.  Wo  dieser  fehlt, 
ist  der  Lichtungszuwachs  zumeist  nur  eine  vorübergehende  Erscheinung  und  der 
Lichtungsbetrieb  um  so  weniger  am  Platze,  weil  auch  die  conditio  sine  qua  non  des 
Lichtungsbetriebes,  der  Unterbau,  auf  solchen  Böden  versagt.  Es  ist  selbstverständ- 
lich, daß  die  Lichtungsbetriebe  umsomehr  auf  Bodendeckung  bedacht  sein  müssen, 
je  früher  und  je  stärker  sie  den  Kronenschluß  durchbrechen,  je  weniger  ein  boden- 
schützender Unterstand  sich  von  selbst  einstellt  und  je  länger  die  Umtriebszeit  be- 
messen wird.  Die  in  bezug  auf  Gefährdung  der  Bodenkraft  laut  gewordenen  Bedenken 
gegen  die  Lichtungsbetriebe  sind  nicht  unberechtigt  und  stehen,  wie  schon  erwähnt, 
der  zweifellos  wünschenswerten  Verallgemeinerung  des  Lichtwuchsprinzipes  hindernd 
im  Wege.  Das  ist  zu  bedauern;  denn  die  Mehrzahl  der  Untersuchungen  über  die  Ren- 
tabilität der  lichtwuchsfreundlichen  Bestandeserziehung  spricht  entschieden  zugun- 
sten eines  sachgemäß  geleiteten  Lichtungsbetriebes.  ,, Sachgemäß"  heißt:  Beschrän- 
kung auf  die  passenden  Standorte  und  Holzarten  und  Vermeidung  aller  Extreme 
und  aller  Spekulationsideen.  Eine  so  frühzeitige  Freistellung  der  zu  begünstigenden 
Stämme,  wie  sie  Wagener  vorschlägt,  ist  nichts  anderes  als  der  Versuch,  mit  dem 
Lichte  Spekulationsgeschäfte  zu  machen.  Wir  haben  bei  so  frühzeitigen  Umlichtungen 
nicht  die  Gewißheit,  ob  der  einzelne  Baum  die  Freistellung  in  gewünschter  Weise 
ausnützen  wird.  Weiterhin  fehlt  uns  andererseits  die  Sicherheit,  ob  wir  bei  sehr 
extremen  Lichtstellungen  im  höheren  Alter  in  den  Massen-  und  Wertsleistungen  der 
wenigen  Lichtstämme  und  in  den  höheren  Vorerträgen  einen  hinreichenden  Ersatz 
erhalten  für  den  Ausfall  an  Gesamtleistung  der  vollbestockten  Fläche,  für  die  mit 
dem  Unterbau  verbundenen  Kosten,  wie  auch  für  einen  möglicherweise  in  Rechnung 
zu  stellenden  Rückgang  der  Bodenkraft.  Alle  diese  Erwägungen  lassen  den  ge- 
mäßigten Lichtungsbetrieb  richtig  erscheinen,  d.  h.  einen  Lichtungsbeliieb,  der 
erst  nach  Abschluß  des  Hauptlängenwachstums  in  die  Bestände  eingreift  und  sich 
dann  von  zu  starken  und  unvermittelt  vorgenommenen  Umlichtungen  der  brauchbar 
erscheinenden  herrschenden  Stämme  ebenso  frei  hält,  wie  von  zu  weit  gehenden 
Lichtstellungen  überhaupt.  Diesem  aus  der  allmählich  verstärkten  Durchforstung 
ohne  scharfen  Uebergang  herauswaclisenden  Lichtungsbetrieb  ist  zum  Zwecke  der 
Starkholzerziehung  mehr  Beachtung  zu  wünschen,  als  er  bisher  in  der  großen  Praxis 
gefunden  hat. 


Die  Bestandeserziehung.     §  39.  I93 

Fünftes  Kapitel. 
Die    A  u  fast  un  gen  ')• 

§  89.  Unter  Aufastungen  oder  Entasluugen  verstellt  man  die  Wegnahme  von 
Aesten  an  stehenden  Stämmen.  Je  nachdem  diese  Aeste  schon  abgestorben  oder  noch 
lebend  sind,  unterscheidet  man  Trocken-  und  Grünastung^). 

I.  Zweck:  Die  Aufastuiig  kann  in  dreifacher  Beziehung  von  Bedeutung 
werden,  nämlich  1.  für  die  Entwickelung  der  aufgeasteten  Stämme  selbst;  2.  für  die 
Entwickelung  des  Unterwuchses;  3.  durch  die  dabei  gewonnene  Holzmasse.  Bald 
veranlaßt  uns  die  eine,  bald  die  andere  der  genannten  Absichten  zur  Ausführung 
einer  Astung.    In  den  meisten  Fällen  wird  die  Astung  aber  behufs 

a)    Erziehung   guter   N  u  t  z  s  t  ä  m  m  e   vorgenommen.    Dabei  kommt 

in  Betracht  die  etwaige  Wirkung  der  Aufastung  a)  auf  die  innere  Gesundheit  des 

Stammes,  ß)  auf  die  inneren  Strukturverhältnisse,  y)  auf  die  Wachstumsverhältnisse 

(Formentwickelung  etc.).    In  jedem  Falle  steht  der  Gebrauchswert  des  Stammes  in 

Frage. 

Ob  und  inwieweit  die  Aestung  günstig  wirkt,  ist  nocli  niclit  endgültig  und  insbesondere 
noch  nicht  durch  die  erforderliche  Reihe  exalcter  komparativer  Versuche  genügend  festgestellt. 
Je  nach  den  vorliegenden  Bedingungen  wird  der  Erfolg  ein  sehr  verschiedener  sein.  Die  ange- 
strebten Vorteile  sind:  Erzeugung  astfreier  Holzlagen,  verbesserte  Schaftform,  Anregung  des 
Waclistums  überhaupt  und  insbes.  des  Höhenwachstums,  Erhöhung  der  Widerstandsfähigkeit 
gegen  Stürme  und  sonstige  Witterungsübel.  Es  fragt  sieh  nur,  ob  diese  Vorteile  erreicht  werden 
können,  ohne  daß  gleichzeitig  Nachteile  eintreten,  und  ob  weiterhin  der  Erfolg  derart  ist,  daß 
sich  der  durch  die  Aufastung  bedingte  Kostenaufwand  lolint. 

Solange  es  sich  nur  um  Entnahme  trockener  Aeste  (event.  Aststummel)  handelt, 
wie  sie  sich  namentlich  infolge  mangelnder  Lichtwirkung  fast  immer  mehr  oder  weniger 
reichlich  vorfinden,  kann  der  Baum,  entsprechend  vorsichtige  Ausführung  voraus- 
gesetzt, nur  Vorteil  von  der  Astung  haben,  indem  dadurch  eine  Arbeit  vollzogen 
wird,  die  er  anderenfalls  entweder  durch  allmähliches  Abstoßen  des  toten  Organs  selbst 
vornehmen  müßte,  oder  deren  Unterlassung  bei  der  Unmöglichkeit  des  Abstoßens 
stärkerer  Aeste  insofern  nachteilig  wirkt,  als  der  tote  Teil  einwächst,  zu  Fehlstellen 
(Hornästen)  Anlaß  gibt  und  die  Nutzfähigkeit  des  Stammes  vermindert.  Erhebliche 
Zweifel  bestehen  aber  hinsichtlich  der  Grünastung:  Die  Ansichten  über  ihren  Wert 
gehen  sehr  auseinander.  Im  allgemeinen  aber  steht  fest,  daß  man  selbst  bei  Bäumen 
von  hoher  Reproduktionskraft  nicht  über  ein  gewisses  Maß  (Zahl  der  zu  entfernenden 
Aeste,  Größe  der  Wundfläche)  hinausgehen  darf,  wenn  nicht  die  Nachteile  (Minderung 
der  Organe,  mangelhafte  Ueberwallung  etc.)  überwiegen  sollen.  Zweck  der  Grün- 
astung ist  meist  Steigerung  des  Nutzwertes  des  aufgeasteten  Stammes.  Schaftreinheit, 
Vollholzigkeit  und  Langschaftigkeit  sollen  durch  die  Entnahme  grüner  Aeste  ver- 


1)  Zu  vergleichen:  Allgemeiner  Arbeitsplan  für  forstliche  Aestungsversuche.  Aufgestellt 
von  dem  Verein  deutscher  forstlicher  Versuchsanstalten  1886,  abgedruckt  im  Jahrbuch  der  preuß. 
Forst-  und  Jagdgesetzgebung  und  Verwaltung,  18.  Bd.  i.  Heft,  S.  26-t  ff.  Hier  sind  sämtliche  bei 
der  Aestung  irgend  in  Betracht  kommende  allgemeine  Gesichtspunkte  aufs  vollständigste  zu- 
sammengestellt. Zugleich  ist  daraus  zu  ersehen,  nach  welchen  Richtungen  hin  die  ganze  Frage  der 
Klärung  noch  bedarf.  —  Vergl.  auch  K  i  e  n  i  t  z,  „Ueber  die  Aufastung  der  Waldbäume",  Suppl. 
zur  A.  F.-  u.  J.-Z.  X.  Bd.  2.  Heft,  1878.  M  a  y,  „Geschichte  der  .\ufastungstechnik  und  Auf- 
astungslehre",  F.  Ztbl.  1889,  1890  u.  1891.  Ferner  „Instruktion  für  Aufastungen"  (im  Großh. 
Hessen)  F.  Ztbl.  1899,  S.  317.  H  e  m  p  e  1,  Die  Aestung  des  Laubholzes,  insbes.  der  Eiche.  Jlitlign. 
a.  d.  forstl.  Versuchsw.  Oesterreichs.  18.  Hft.  1895.  —  Zederbauer,  Untersuchungen  über 
d.  Aufastung  der  Waldbäume.    Zbl.  f.  d.  ges.  Forstw.   1909,  413. 

2)  Gelegentlich  (z.  B.  in  dem  vorgenannten  .\rbeitsplan)  wird  auch  noch  die  sog.  Welk- 
^stung  unterschieden,  worunter  die  Wegnahme  natürlicli  oder  künstlieh  (durch  Einstutzen  oder 
Ringelung)  gewelkter  Aeste  verstanden  wird. 

Haudb.  d.  Forslwiss.    3.  Aufl.     II.  13 


194  VI.  Lorey,    Waldbau. 

bessert  werden.  Daß  größere  Astreinheit  herbeigeführt  ist,  bedarf  keines  Beweises. 
Auch  die  Erziehung  vollholzigerer  Schäfte  wird  durch  das  mit  der  Wegnahme  der 
unteren  Aeste  verbundene  Hinausschieben  der  Krone  unterstützt.  Das  Verhältnis 
der  Jahresringbreiten  im  oberen  und  unteren  Schaftteile  verändert  sich  durch  die 
Aufastung  zugunsten  der  oberen  Jahresringe,  insofern  diese  breiter  bezw.  die  unteren 
schmäler  werden.  Der  dadurch  herbeigeführten  Förderung  der  Walzenform  steht 
allerdings  bei  stärkerer  Aufastung  eine  Verminderung  des  Gesamtzuwachses  gegen- 
über. Hingegen  lassen  sich  für  die  Richtigkeit  der  Annahme,  daß  durch  Aufastung 
der  Höhenwuchs  befördert  werden  könnte,  weder  aus  den  vorliegenden  Untersuchun- 
gen, noch  von  physiologischen  Erwägungen  aus  einwandfreie  Beweise  erbringen. 
Man  muß  im  Gegenteil  annehmen,  daß  die  mit  jeder  stärkeren  Astung  verbundene 
Verringerung  der  Assimilationsfläche  einen  Rückgang  des  Höhenwuchses  zur  Folge  hat. 
Die  Umstände,  welche  den  Erfolg  der  Astung  beeinflussen,  sind  nach  Art  und  Um- 
fang noch  durch  Versuche  festzustellen.  Im  einzelnen  sind  dabei  hinsichtlich  der 
Objekte,  an  welchen  die  Astung  vollzogen  wird,  zu  beachten:  die  Holzart,  die  Stand- 
ortsverhältnisse, die  Bestandesverhältnisse  im  ganzen  und  der  aufzuastenden  Stämme 
im  besonderen.  Naturgemäß  stehen  betreffs  der  Holzart  für  den  hier  in  Rede 
stehenden  Zweck  nur  Nutzholzarten  in  Frage  und  zwar  dürften  in  erster  Linie  die 
Eiche,  sowie  unsere  Nadelhölzer  ins  Auge  zu  fassen  sein.  Hinsichtlich  des  Stand- 
orts kommen  alle  seine  einzelnen  Faktoren  in  Betracht,  da  sie  in  ihrer  Verschieden- 
heit unzweifelhaft  auch  auf  den  Effekt  der  Astung  modifizierend  wirken.  Auch  das 
Alter  der  zu  astenden  Bäume  ist  zu  beachten.  Einem  jungen  bis  mittelalten  voll- 
kräftigen Individuum  kann  man  mehr  zumuten  als  einem  alten  Stamme. 

b)  Förderung  des  Unterwuchses.  Hierbei  kommt  namentlich 
der  Mittelwald,  sowie  der  Hochwald  mit  natürlicher  Verjüngung  in  Betracht.  Im 
Mittelwald  ist  die  Bedeutung  des  Unterholzes  bisweilen  eine  sehr  erhebliche,  weil 
viele  Besitzer,  von  jeder  einseitigen  Steigerung  der  Oberholzproduktion  absehend, 
auf  die  im  Unterholz  zu  gewinnende  Brennholzmenge  besonderen  Wert  legen.  Allzu 
reichliche  Beschattung  seitens  der  Oberständer  behindert  die  freudige  Entwickelung 
des  Unterwuchses,  so  daß  durch  Entnahme  eines  Teils  der  Aeste  an  jenen,  mit  mög- 
lichster Berücksichtigung  der  unter  a  angedeuteten  Gesichtspunkte,  nachgeholfen 
werden  muß.  Nicht  minder  können  unter  Umständen  die  Jungwüchse  des  Plenter- 
waldes und  des  schlagweisen  Hochwaldbetriebes  eine  Lockerung  des  Kronenschirmes 
durch  Entastung  (Wegnahme  der  unteren  Aeste)  fordern.  Dadurch  wird  zugleich 
das  spätere  Ausbringen  der  Mutterbäume  mit  geringerer  Scliädigung  des  Unter- 
wuchses möglich  1).  Immerhin  darf  man  die  nachteilige  Wirkung  einer  nur  zeitweise 
stärkeren  Ueberschirmung  des  Jungwuchses  nicht  überschätzen,  damit  nicht  für 
Aufastungen  ohne  Not  zu  große  Kosten  aufgewendet  und  nicht  Stämme,  welche  noch 
längere  Zeit  stehen  sollen,  durch  die  Astung  zugunsten  des  Unterstandes  unverhält- 
nismäßig geschädigt  werden. 

c)  M  a  t  e  r  i  a  1  a  n  f  a  1 1:  Die  Aufastung  liefert  nicht  nur  eine  je  nach  Um- 
ständen mehr  oder  minder  schätzbare  Holzmasse,  sondern  wird  vielfach  auch  zur 
Gewinnung  von  Streu  (Reisstreu  im  Gebirg)  und  Futterlaub  (z.  B.  von  Eschen)  regel- 
mäßig vorgenommen.    Namentlich  letztere  beide,  dem  Gebiete  des  Nebennutzungs- 


1)  z.  B.  Aufastungen  im  Schwtirzwald.   Die  allmähliche  Entaslung,  hauptsächlich  zugunsten 

der  Entwickelung  des  Unlerwuchses,  ist  von  der  oft  vollständigen  Entastung  unmittelbar  vor  der 
Fällung,  behufs  geringerer  Beschädigung  der  Jungwüchse  durch  den  fallenden  Stamm,  zu  unter- 
scheiden. \on  letzterer  ist  man  vielfach  abgekommen,  weil  infolge  des  nunmehr  ganz  unvermittel- 
ten Aufschiagens  der  Stämme  auf  den  Boden  (Steinräuhen!)  zu  viele,  insbes.  Tannen-Stämme 
zerbrechen. 


Die  Bestandeserziehung.     §  89.  J95 

betriebs  zugeUörendcn  Zwecke  sind  oft  \'eranlassung  einer  sonstige  Rücksichten 
vernachlässigenden  Ausdehnung  der  Maßregel  (Schneitelbetrieb). 

d)  In  einzelnen  Fällen  veranlassen  noch  andere  Beweggründe  zur  Aufastung. 
Die  häufigsten  ^'orkonlnulisse  dieser  Art  sind  Aufastungen  an  Wegen  behufs  Trocken- 
legung, an  Bestandsrändern,  um  der  Sturmgefahr  vorzubeugen,  an  Eisenbahnen  und 
Verkehrsstraßen,  um  feuerfangendes  Dürrholz  zu  entfernen. 

II.  Erfolg  der  Astung:  Außer  den  unten  Ja  bereits  angegebenen 
bedingenden  Momenten  sind  von  Einfluß  die  Ausführung  der  Entastung,  die  Zeit 
ihrer  Vornahme,  ihr  Umfang  (.\nzahl  und  Stärke  der  weggenommenen  Aeste) 
und  die  aufgewendeten  Kosten. 

A.  Art  der  A  u  s  f  ü  h  r  u  n  g  und  zwar 

1 .  Ort  der  Abtrennung  der  Aeste:  Man  unterscheidet  Astung 
scharf  am  Stamme,  Astung  in  geringem  Abstände  vom  Stanmie  (sog.  Stummeln), 
Einstutzen  der  Aeste  in  gi-ößerer  Entfernung  vom  Stamme  zum  Behufe  der  vorläu- 
figen Verhinderung  ihrer  Stärkezunahme  oder  des  allmählichen  Abwelkens  und  spä- 
teren Nachschneidens  am  Stamme. 

Beim  .\esten  scharf  am  Stamm  tcann  tler  Schnitt  parallel  zur  Baumaclise  oder  senkrecht 
zur  Astachse  geführt  werden.  Im  ersteren  Falle  ist  die  Wundfläche  etwas  größer,  die  Ueberwal- 
liMig  aber  geht  schneller  vor  sich,  weil  die  Wundfläche  in  gleiche  Ebene  mit  den  Leitungsbah- 
nen kommt;  der  Einfluß  der  Operation  ist  ein  günstigerer,  weil  der  beim  Schnitt  senkrecht  zur 
.\stachse  verbleibende  kleine  Astwidst  fehlt.  —  Das  Belassen  kurzer  Stummel  ist  wegen  Ver- 
langsamung des  Ueberwallungsprozesses  und  wegen  Einfaulens  der  Stummel  verwerflich,  wo- 
gegen das  Belassen  längerer  Astreste  mit  einigen  noch  grünen  Zweigen  sich  dann  empfehlen 
kann,  wenn  man  starke  Aeste  an  bald  zu  fällenden  Stämmen  nicht  ganz  zu  entfernen  wagt, 
inzwischen  jedoch  die  Beschattung  des  Unterwuchses  vermindern  möchte. 

2.  Instrumente:  Ein  glatter  Schnitt  ist  bei  der  Astung  zur  Erzielung 
möglichst  rascher  guter  Ueberwallung  unbedingt  erforderlich;  alles  Splittern,  Ein- 
reißen in  Holz  und  Rinde,  Loslösen  der  Rinde  vom  Holzkörper  ist  zu  vermeiden.  Nur 
für  schwache  Aeste,  welche  mit  einem  Hieb  vom  Stamm  getrennt  werden  können, 
sind  Beil  oder  Heppe,  event.  auch  ein  (von  unten  zu  führendes)  Stoßeisen  statthaft. 
Im  übrigen  ist  die  Astung  mit  der  Säge  (Hand-  oder  Stangensäge)  vorzunehmen, 
da  es  allein  mit  diesem  Werkzeug  möglich  ist,  glatte  Schnitte  auszuführen,  ohne  die 
Rinde  aufzureißen.  Besondere  Aufastungssägen  mit  kleinen  Zähnen  und  verstell- 
baren Blättern,  wie  z.  B.  diejenigen  von  Alers'),  Nördlinger-),  sowie  Müller-Dörmer^). 

3.  Ausführung,  Behandlung  der  W  u  n  d  f  1  ä  c  h  e :  Zur  Ver- 
meidung des  Einreißens  in  den  Stamm  ist  bei  Entnahme  aller  stärkeren  Aeste  von 
unten  her  zunächst  an  der  Schnittstelle  einzukerben ;  schwere  Aeste  werden  überdies 
am  besten  stückweise  entfernt.  —  Kleine  Sciuiittflächen  w-erden  bei  Nadelhölzern, 
bei  welchen  öfters  Verschluß  durch  Harzaustritt  erfolgt,  einer  besonderen  Behand- 
lung nicht  unterzogen.  Dagegen  empfiehlt  es  sich,  —  ganz  besonders  bei  der  Herbst- 
astung  — ,  alle  größeren  Wundflächen  bei  Nadel-  und  Laubhölzern  mit  Teer  zu  über- 
streichen, um  das  Eindringen  von  Pilzkeimen  zu  verhindern.  —  Organisation 
der  Arbeit:  Nur  durchaus  zuverlässigen,  geübten  Arbeitern  darf  die  Astung 
übertragen  werden.   Bis  zu  einer  gewissen  Höhe  vom  Boden  (ca.  6  Meter,  ja  mit  An- 


1)  Die  sog.  „Flogelsäge"  von  Forstmeister  .Alers  in  Helmstedt  ist  beschrieben  in  Alers 
„Ueber  .\ufästen  der  Waldbäume"  etc.  2.  Aufl.  1874.  Leber  ihre  Leistung  zu  vergleichen  u.  a. 
Heß,  „Aufastung  von  Eichen"  (Zentralbl.  f.  d.  ges.  Forstwesen  1879,  S.  353).  Derselbe, 
-Mlg.  F.  u.  J.-Z.  1874,  S.  37  ff.  —  Derselbe,  „Astungen  in  Fichtenstangenhölzern"  (Zentralbl. 
f.  d.  ges.  Forstw.  1882,  S.  452).  —  Zum  Festhalten  schwanker  Aeste  behufs  des  .\bsägens  hat 
Alers  eine  auf  einer  Stange  befestigte  ,,Baumi;aber'  konstruiert;  cfr.  Allg.  F.-  u.  J.-Z.  v.  1886, 
S.  395. 

2)  cfr.  Kritische  Blätter,  LI.  Bd.,  1.  Heft,  S.  220  ff. 

3)  A.  F.-  u.   J.-Z.   1893,   S.  200. 

13* 


jgg  \'I.  L  o  r  e  y  ,    Waldbau. 

satzgestänge  bis  zu  ca.  10 — 12  Meter)  kann  die  Stangensäge  angewendet  werden; 
weiter  hinauf  wird  die  Astung  durch  Besteigen  der  Bäume  vorgenommen.  Zum  Be- 
steigen der  Bäume  sind  besondere  Steigapparate  erfunden  worden,  so  von  Z  e  h  n  - 
pfund  der  sog.  Steigrahmen  i).  Verbesserungen  desselben  wurden  vorgeschlagen 
von  H  e  f  e  1  e  ^)  und  anderen.  Die  Anwendung  der  Alers'schen  Baumgabel  erfordert 
einen  zweiten  Arbeiter,  der  dann  auch  das  Teeren  der  Wundstellen  mit  be- 
sorgen kann. 

B.  Zeit  der  A  u  f  a  s  t  u  n  g  ^) :  Als  geeignetste  Zeit  der  Aufastung  wird  allge- 
mein die  Zeit  der  Vegetationsruhe  (Herbst  und  Winter)  angenommen.  Am  günstigsten 
hielt  man  zeither  schon  immer  den  Nachwinter  und  den  ersten  Frühling,  weil  dann 
durch  atmosphärische  Einflüsse  (Frost,  Hitze)  keine  ungünstige  Einwirkung  auf  die 
Wundtläche  stattfinden  und  auch  bei  der  Ausführung  der  .\stung  infolge  Festsitzens 
der  Rinde  Loslösungen  usw.  nicht  vorkommen  könnten.  Die  neuerdings  veröffent- 
lichten Untersuchungen  Zederbauers  weisen  darauf  hin.  daß  Herbstastung  nur 
bei  Anwendung  des  Teeranstriches  zulässig  und  daß  das  Frühjahr,  März  oder  .\pril, 
wegen  der  sofort  eintretenden  Ueberwallung  die  beste  Zeit  für  die  Aufastung  ist. 
Bei  der  Herbstastung  entsteht  rings  um  die  Wunde  Bräunung  der  Rinde  und  da- 
durch Vergrößerung  der  Wunde,  ein  Vorgang,  der  namentlich  bei  Buche  und  Eiche 
die  Verlegung  der  Aufastung  in  das  Frühjahr  angezeigt  erscheinen  läßt,  während 
Nadelhölzer  (Douglasie  und  Fichte)  ohne  große  Schädigung  auch  im  Winter  oder 
Herbst  aufgeastet  werden  können. 

C.  Ausdehnung  der  A  s  t  u  n  g:  In  Frage  steht  die  Stärke  der  zu  ent- 
nehmenden .\este,  deren  Anzahl  und  Stellung  am  Stamm,  im  konkreten  Falle  beein- 
flußt durch  Höhe  des  Kronenansatzes,  Kronenlänge,  Kronendurchmesser,  Kronen- 
dichte etc.  des  zu  entastenden  Stammes. 

Welche  Größe  die  einzelne  Wundtläche  je  nach  Alter,  Stärke  und  Wüchsigkeit  des  Stam- 
mes ohne  Gefahr  liaben  darf;  in  welchem  Maße  durch  geringen  vertikalen  und  seitlichen  .ab- 
stand mehrerer  Wundflächen  voneinander,  namentlich  bei  stärkeren  .\esten  der  Ueberwallungs- 
prozeß  erschwert  und  die  Gefahr  einer  von  den  Wunden  ausgehenden  Verderbnis  erhöht  wird; 
welche  relative  Gesamtausdehnung  der  Wundflächen  eines  Stammes  man  nicht  ohne  Nachteile, 
auch  für  die  physiologischen  Funktionen  und  die  Zuwachsverhällnisse,  übersehreiten  darf, 
sind  Fragen,  deren  zuverlässige  Beantwortung  nach  dem  jetzigen  Stand  unserer  Kenntnis  noch 
nicht  möglich  ist.  (Weißtanne  und  Fichte  sollen,  nach  D  e  n  g  1  e  r,  bis  zu  0,6 — 0,7,  Kiefer 
und  Lärche  bis  zu  0,8  der  Baumhöhe  entastet  werden  dürfen.  T  r  a  m  n  i  t  z  hält  die  Entnahme 
von  20 — 33°o  der  grünen  Krone  für  zulässig,  fordert  alier  für  die  Eiche,  daß  die  Wunden  [höch- 
stens 4  cm  Durchmesser!]  in  3 — i  Jahren  überwallen.)  Im  allgemeinen  ist  vor  Beseitigung 
starker  Aesle  zu  warnen,  wogegen  schwächere  .\este  an  schönen  Stämmen  zu  beseitigen  sind. 
Zeder  bauer  fordert,  daß  die  Größe  der  .\stwunden  je  nach  Wüchsigkeit  des  Baumes  und 
der  damit  zusammenhängenden  Schnelligkeit  der  Ueberwallung  nicht  über  3  bis  6  cm  im  Durch- 
messer betragen  soll. 

D.  Kosten:  Die  Aufastung  ist  als  eine  viel  Sorgfalt  erfordernde  Manipu- 
lation verhältnismäßig  teuer.  Selbst  wenn  die  hinsichtlich  des  .\stung6verfahrens 
(Instrumente,  Arbeitsorganisation  etc.)  günstigen  Bedingungen  ausfindig  gemacht 
sind,  ist  zu  erwägen,  ob  und  inwieweit  —  nach  Abzug  des  Wertes  der  anfallenden 
Astmasse  —  der  Aufwand  durch  die  erwarteten  Vorteile  gedeckt  wird.  Für  sicheres 
ziffermäßiges  Bemessen  fehlen  bislang  die  nötigen  Anhaltspunkte. 

Angesichts  der  zahlreichen  bedingenden  Faktoren  ist  die  .\ufastungsfrage  eine 
überaus  komplizierte,  zu  deren  allseitiger  Lösung  sich  Pflanzenphysiologen  und  Forst- 
leute veibinden  müssen,   ^'orläufig  scheint  bezüglich  der  Grünästung  große  Vorsicht 


1)  Zbl.  f.  d.  ges.  Fw.  1892,   S.  465. 

2)  Fw.  Ztbl.  1894,  S.  299. 

3)  \ergl.  K  i  e  n  i  t  z  a.  a.  O.  S.  68,  72,  75,  78,  80.    Z  e  d  e  r  b  a  u  e  r   a.  a.  O. 


Die  Bestandeserziehung.    §  90.  I97 

geboten  zu  sein,  mindestens  insoweit  es  sich  um  Stämme  handelt,  welche  noch  längere 
Zeit  wachsen  sollen.  Jedenfalls  wird  man  gut  tun,  die  Aestung  vorerst  nur  als  eine 
Ausnahmemaßregel  zu  betrachten. 

Sechstes  Kapitel. 
Die   Bodenpflege. 

§  90.  Da  die  Bewahrung  der  Bodenkraft  für  die  Nachhaltigkeit  der  forstlichen 
Erträge  von  höchster  Bedeutung  ist,  gehört  die  Bodenpflege  als  untrennbarer  Be- 
standteil zur  Bestandespflege.  Für  den  Waldboden  sind  die  auf  Erhaltung  bezw. 
Besserung  der  die  Bodengüte  bedingenden  physikalischen  und  chemischen  Faktoren 
—  namentlich  der  Bodenfrische  und  des  Nälu-stoffkapitales  —  gerichteten  Maßnah- 
men sogar  von  besonderer  Bedeutung,  weil  die  von  der  Landwirtschaft  zur  Hebung 
erschöpfter  Böden  benutzten  Mittel:  Bodenbearbeitung  und  Düngung  im  forstlichen 
Betriebe  der  Kosten  wegen  nur  in  sehr  beschränktem  Maße  zur  Anwendung  gelangen 
können.  Eine  pflegliche  Waldwirtschaft  muß  bemüht  sein,  zunächst  durch  waldbau- 
liche Maßnahmen  die  Notwendigkeit  künstlicher  Düngung  und  der  S.  88  ff.  genannten, 
bei  der  Herstellung  eines  kulturfälugen  Bodens  vielfach  unumgänglichen  Meliorations- 
arbeiten vom  Waldboden  fern  zu  halten.  Hierauf  hat  sie  umsomehr  bedacht  zu  sein, 
je  mehr  der  Boden  von  selbst  zur  Preisgabe  seiner  Produktionskraft  hinneigt. 

Die  schon  in  früheren  Abschnitten  wiederholt  genannten  und  nach  ihrer  prak- 
tischen Verwirklichung  mehr  oder  weniger  erörterten  Gesichtspunkte  der  Bodenpflege 
im  Walde  umfassen  die  Erlialtung  des  Bodens,  seiner  Lockerheit  und  Frische,  sowie 
seines   Humusvorrates  und   Nährstoffgehaltes. 

a)  Erhaltung  des  Bodens.  Sache  des  Waldbaues  ist  es,  durch  Wahl 
geeigneter  Holz-  und  Betriebsarten  die  Erhaltung  einer  dauernden  Bestoekung  dort 
zu  sichern,  wo  die  Gefahr  der  Bodenabschwenmiung  oder  Flugsandbildung  besteht. 
Die  in  solchen  Verhältnissen  mit  Recht  auf  Schutzwaldbildung  gerichteten  forst- 
politischen Maßnahmen  zeichnen  auch  dem  Forstschutz  und  der  Forstbenutzung 
die  ^^'ege  vor,  die  sie  im  Interesse  des  gemeinsamen  Zieles  zu  gehen  haben  (Verbot 
der  Streunutzung,  Waldweide,  Unterlassung  der  Stockrodung  usf.). 

b)  Erhaltung  der  B  0  d  e  n  1  o  c  k  e  r  h  e  i  t.  Im  allgemeinen  ist  es  dem 
forstlichen  Großbetrieb  nicht  möglich,  durch  periodische  Bearbeitung  des  Wald- 
bodens mit  Hand-  oder  Zugwerkzeugen  (Hacken,  Grubbern)  für  einen  namentlich 
auf  bindigen  Böden  ^^-ünschenswerten  Lockerheitsgrad  zu  sorgen.  Auch  das  in  frühe- 
ren Zeiten  in  Betracht  kommende  \'erfahren,  durch  Schweineeintrieb  einen  wohl- 
tätigen Umbruch  der  oberen  Streu-  und  Bodenschicht  herbeizuführen,  hat  heute  an 
Bedeutung  verloren.  Umsomehr  ist  den  unter  d  genannten,  auf  Erhaltung  der  nor- 
malen Streudecke,  Streumischung  und  Streuzersetzung  hinauslaufenden  bestandes- 
pfleglichen Maßnahmen  Beachtung  zu  schenken,  damit  der  Wald  selbst  die  ihm  zu- 
fallende Aufgabe,  den  normalen  Lockerungsgrad  des  Bodens  zu  erhalten,  zu  lösen 
imstande  ist.  Unter  Umständen  vermag  der  Wirtschafter  durch  Düngung  mit  lockern- 
den bezw.  bindenden  Materialien,  vor  allem  durch  Kalkung  (bei  Trockentorfbildung) 
für  eine  Besserung  der  Bodenlockerheit  Sorge  zu  tragen. 

c)  Erhaltung  der  B  o  d  e  n  f  r  i  s  c  h  e  bezw.  Herstellung 
eines  normalen  Feuchtigkeitszustandes.  Da  ohne  Vorhanden- 
sein einer  hinreichenden  und  gleichmäßigen  Bodenfrische  alle  sonstigen  Maßnalunen 
der  Boden-  und  Bestandespflege  nur  wenig  nützen,  stellt  die  Regelung  der  Wasser- 
frage eine  der  wichtigsten  Aufgaben  der  Waldwirtschaft  dar.   Zunehmende  Trocken- 


198  VI.  Lorey,    Waldbau. 

heit  und  ständiges  Sinken  des  Grundwasserspiegels  bringen  es  mit  sich,  daß  die 
Forstwirtschaft  an  Stelle  der  ehedem  auf  Verbesserung  des  Waldzustandes  abzielen- 
den Entwässerungen  jetzt  vielfach  auf  die  gegenteilige  Maßnahme  der  Wasserzufüii- 
rung  hingewiesen  wird. 

1.  Bewässerung.  Angesichts  der  zumeist  vorliegenden  Unmöglichkeit 
direkter  Wasserzuführung  sind  an  trockenen  Partien,  soweit  es  ohne  größere  Kosten 
möglich  ist,  \'orrichtungen  zu  treffen,  die  schnelles  Abfließen  des  atmosphärischen 
Wassers  verhindern,  das  Wasser  aufhalten  und  langsam  versickern  lassen.  Als  solche 
Vorrichtungen  sind  die  besonders  an  trockenen  Hängen  mit  Vorteil  anzubringenden 
Horizontal-    oder    Sickergräben')  zu  nennen. 

Man  versteht  darunter  20 — 30  cm  tiefe  und  ebenso  weite,  in  einem  Vertikalabstand  von 
2  bis  3  m,  auf  sanft  geneigtem  Gelände  auch  bis  5  m  von  einander  entfernte,  mit  möglichst 
senkrechten  Wänden  ausgehobene,  4  bis  6  m  lange  Stückgräben.  Ihr  Wert  beruht  darin,  daß 
sie  sowohl  das  oberflächlich  abfließende  Wasser,  wie  auch  das  abgewehte  Laub  und  den  abge- 
schwemmten Boden  zurückhalten.  .Sie  erleichtern  die  Wasserverteilung  und  die  anhaltendere 
Befeuchtung  der  unter  ihnen  liegenden  Partien  und  sind  auf  trocknen,  steileren  Hängen  ein  vor- 
zügliches Regenerationsmittel  für  rückgängige  Waldungen.  Sie  bedürfen  allerdings,  wenn  sie 
nachhaltig  wirken  sollen,  öfterer  Räumung. 

Seitlich  der  Wegegräben  angelegte  quadratische  oder  rechtwinkliche  Löcher  (Sicker- 
dohlen), in  welche  das  in  den  Gräben  abfließende  Wasser  geleitet  wird,  Wasserausgüsse, 
die  an  trocknen  Stellen  in  die  Bestände  führen,  an  bedürftigen  Partien  zweckmäßig  angebrachte 
Wegedurchlässe  mit  Stauvorrichtungen  in  den  Gräben,  um  das  Wasser  zum  .abfließen  zu  brin- 
gen, sind  anderweitig  vielfach  ohne  erheblichen  Kostenaufwand  mögliche  Maßregeln,  welche 
die  Wasserentführung  aus  dem  Walde  erschweren  und  damit  der  l'roduktionssteigerung  des 
Waldbodens  Dienste  leisten. 

Planmäßige  Grabenanlagen  zur  direkten  Bewässerung  günstig  gelegener  be- 
dürftiger Bestände  sind  infolge  zu  hoher  Kosten  meist  undurchführbar.  Die  in  dieser 
Richtung  laut  gewordenen  Vorschläge  Anderlinds^)  sind  utopisch.  Infolge- 
dessen fehlen  auch,  von  kleinen  Ausnahmen  ^)  abgesehen,  zahlenmäßige  Beweise  für 
den  Wert  direkter  Bewässerung.  Hinsichtlich  der  praktischen  Durchführbarkeit  der 
Waldbewässerung  trifft  IM  a  y  r  jedenfalls  für  die  meisten  Verhältnisse  das  Richtige, 
wenn  er  (Waldbau  S.  523)  als  beste  Bewässerung  für  bewaldete  Gebiete  —  die  Unter- 
lassung der  Entwässerung  bezeichnet. 

2.  Entwässerung.  Die  Entwässerung  hat  sich,  wie  schon  aus  den  letzten 
Worten  hervorgeht,  auf  das  Notwendigste  zu  beschränken.  Es  ist  im  allgemeinen 
fehlerhaft,  gegen  jede  im  Frühjahr  oder  auf  Blößen  sich  zeigende  nasse  Stelle  mit 
Entwässerungsgräben  vorzugehen.  Der  Fehler  wird  um  so  größer,  wenn  das  Wasser 
dem  Walde  nicht  an  anderer  Stelle  wieder  zugeführt  werden  kann.  In  vielen  Fällen 
genügt  eine  zeitweise  und  nur  vorübergehende  Entwässerung,  um  einen  der  Bestandes- 
begründung unzuträglichen  Ueberschuß  von  Wasser  zu  beseitigen.  Der  heranwach- 
sende Bestand  zehrt  den  Ueberschuß  auf  und  bedarf  der  Entwässerungsgräben  nicht 
mehr.  Auf  mit  älterem  Holze  bestockten  Flächen  hat  die  Entwässerung  möglichst  zu 
unterbleiben.  Sie  wird  hier  leicht  zu  einem  störenden  Eingriff  in  den  Wasserhaushalt 
des  Bestandes  und  zieht  möglicherweise  Zuwachsrückgang,  Zopfdürre  und  Absterben 
des  Holzes  nach  sich.  Mit  Rücksicht  auf  solche  Vorkommnisse  bedarf  auch  der  Wasser- 
entzug aus  dem  Walde  zugunsten  der  Wasserversorgung  von  Gemeinwesen  sorg- 
fältiger Prüfung  und  gegebenen  Falles  vorsichtiger  Einschränkung. 


1)  Haag,   Ueber  horizontale   Schutz-  oder  Sickergräben.    Forstwiss.   Zbl.   1881,   208.  — 
Müller,   Horizontale  Schutz-,   Sicker-  und  Regenerationsgräben,  ebend.   1904,  659. 

2)  A  n  d  e  r  1  i  n  d,  Beschreibung  der  Bewässerung  der  Waldungen  der  Ebene  mittels  Fächer 
oder  Hälter.    A.  F.-  u.  J.-Z.  1903,  447.  —  D  e  r  s.,  Streifenbewässerung,  das.  1904,  257. 

3)  B  ö  h  m  e  r  1  e  und  C  i  e  s  I  a  r,  Bewässerungsversuclie  im  Walde.    Zbl.  f.  d.  ges.  Forstw. 
1905,  145  u.  195. 


Die  Beslandeserziehung.     §  90.  I99 

d)  E  r  li  a  1 1  u  n  g  b  e  z  w.  \'  e  r  b  e  s  s  e  r  u  n  g  des  H  u  lu  u  s  v  o  r  r  a  t  e  s 
und  des  Nährstoffgehaltes.  In  bezug  auf  die  Humusfiage  sind  vor 
allem  die  der  \'erhagerung  leicht  ausgesetzten  flachgründigen  Böden  zweckmäßig  zu 
behandeln.  Erhaltung  der  lebenden  und  toten  Bodendecke  und  eines  mäßigen  Be- 
standesschlusses, Schonung  des  Untervvuchses  sind  hier  unbedingte  Erfordernisse, 
während  andererseits  Unterlassung  gänzlicher  Entblößung  des  Bodens  durch  Kahl- 
hieb und  Begünstigiuig  der  natürlichen  \'erjüngLmg  als  wirksame  Vorbeugungs- 
maßnahmen gegen  Bodenverschlechtemng  und  Raubwirtschaft  Beachtung  ver- 
dienen. 

Abgesehen  von  den  besonders  gefährdeten  armen  Böden  sind  Mischung  der 
Holzarten,  namentlich  der  Licht-  und  Schattenhölzer,  Einbringen  der  Buche  in  Nadel- 
holzbestände, Unterhau  in  natürlich  oder  künstlich  gelichteten  Orten,  Belassung  bezw. 
Anzucht  von  Schutz-  und  ^^'aldmänteln  an  den  Bestandsgrenzen,  schnelle  Wieder- 
aufforstung der  Kahlschläge  und  Anwendung  geeigneter,  baldige  Deckung  des  Bodens 
herbeiführender  Kulturmethoden  Mittel,  die  im  Interesse  der  Erhaltung  normaler 
Humus-,  Lockerheit*-  und  Feuchtigkeitsverhältnisse  des  Bodens  überall,  hier  mehr, 
dort  weniger  dringend,  Anspruch  auf  Berücksichtigung  erheben. 

Waldmäntel  empfehlen  sich  namentlich  am  Rande  exponierter  Laubholzbe- 
stände, um  der  hier  bei  ständiger  Windeinwirkung  leicht  vorkommenden  Laubver- 
wehung  und  Aushagerung  der  Randpartien  vorzubeugen.  Der  notwendige  Schutz 
kann  durch  Anlage  eines  Niederwaldstreifens  an  der  gefährdeten  Seite,  meist  besser 
aber  durch  L'msäumung  des  Laubholzes  mit  einem  Nadelholzbande,  oder  auch  durch 
Unterbau  des  Randstreifens  mit  Tanne  oder  Fichte  hergestellt  werden.  Auch  in  Nadel- 
holzbeständen ist  ein  sorgfältig  erzogener  Waldmantel  ein  nicht  zu  vernachlässigendes 
Hilfsmittel  gegen  Stumischaden  und  gegen  die  mit  dem  Eindringen  von  Wind  und 
Sonne  dem  Boden  drohenden  Gefahren. 

Ueber  die  zweckmäßigste  Art  und  ^\'eise  der  Erziehung  der  ^\'aldmäntel  gehen 
die  Ansichten  aber  auseinander.  Während  die  einen  den  dichtgefügten,  aus  eng  ge- 
stellten Bäumen  gebildeten  und  bei  den  Durchforstungen  unberührt  gelassenen  \\'ald- 
mantel  für  den  wirksameren  halten,  plaidiert  man  auf  der  anderen  Seite  für  den  weit- 
ständigen, aus  frei  erzogenen  und  dementsprechend  tiefbeasteten  Bäumen  zusammen- 
gesetzten. Wo  neben  Bodenschutz  auch  Sturmschutz  Aufgabe  des  Waldmantels  ist, 
dürfte  der  weitständig  erzogene,  aus  standfesten  Bäumen  gebildete  seinen  Zweck 
besser  erfüllen. 

Die  oben  zum  Zwecke  der  Herbeiführung  eines  günstigen  Humuszustandes 
geforderte  Erhaltung  des  Bestandesschlusses  darf,  wie  schon  in  früheren  Abschnitten 
mehrfach  hervorgehoben  wurde,  in  reinen  Fichten-,  Buchen-  und  Tannenbeständen 
nicht  zur  Anhäufung  von  Trockentorfmassen  führen.  Auf  Böden  und  in  Lagen,  wo 
dieses  zu  befürchten  ist,  hat  entsprechende  Schlußunterbrechung  an  Stelle  der  Schluß- 
erhaltung zu  treten,  damit  durch  hinreichende  Wärme-  und  Luftzuführung  die  Streu- 
zersetzung gefördert  wird. 

Forstdüngung.  Die  Frage  der  Oedlandaufforstung,  wie  der  Umstand, 
daß  die  Forstwirtschaft  auf  großen  Flächen  nur  sehr  spärliche  Erträge  infolge  Armut 
des  Bodens  an  Pflanzennährstoffen  zu  erzielen  imstande  ist.  haben  in  neuerer  Zeit  zu 
ausgedelmten  \"ersuchen  über  die  Möglichkeit  der  Erhöhung  des  vorhandenen  Nähr- 
gehaltes des  Bodens  durch  Zuführung  natürlicher  und  künstlicher  Düngemittel  ge- 
führt. Man  nennt  die  forstliche  Freilanddüngung,  um  sie  von  der  längst  üblichen 
und  erfolgreichen  Düngung  der  Saat-  und  Pflanzgärten  zu  unterscheiden,  kurz  Forst- 
düngung. 


200  ^''-  L  0  r  e  y  ,    Waldbau. 

Neben  den  ausgedehnten  ^■ersucllen,  die  seit  rund  2  Jahrzehnten  zuerst  in  Belgien  und 
Holland^)  mit  künstlicher  Düngung  bei  der  Aufforstung  von  Ocdländereien  durchgeführt  worden 
sind,  verdienen  die  von  der  hannoverschen  Provinzialforstverwallung,  dem  Heidekultur-\'erein 
der  Prov.  Schleswig-Holstein,  dem  jütländischen  Heidekultur-\erein,  ferner  die  von  den  deut- 
schen forstlichen  \'ersuchsanstalten  ausgeführten  bezw.  in  Angriff  genommenen  Arbeiten  Er- 
wähnung. Besondere  Anerkennung  und  Dank  gebührt  namentlich  auch  der  Deutschen  Land- 
wirtschaftsgesellschaft, die  durch  Schaffung  eines  Sonderausschusses  für  Forstdüngungsversuche 
und  durch  Bereitstellung  reicher  Mittel  eine  wenigstens  teilweise  Lösung  der  praktisch  wichti- 
gen Forstdüngungsfrage  in  erreichbare  Nähe  gerückt  hat. 

Aus  der  großen  Zahl  der  bisherigen  erfolgreichen  bezw.  ergebnislosen  Forst- 
düngungsversuche lassen  sich  folgende  Erfahrungen  ableiten:  die  Forstdüngung  hat 
nur  Zweck  auf  den  ärmsten  und  armen  Böden,  d.  h.  hauptsächlich  auf  unseren  san- 
digen Kiefern-  und  Fichtenhöden.  Hier  löst  die  Düngung  die  Aufgabe,  die  Bestandes- 
begründung zu  erleichtern  und  der  jungen  Kultur  über  die  ersten  Jahre  hinwegzu- 
helfen. Im  mittleren  und  höheren  Alter  der  Bestände  ist  die  Düngung  so  gut  wie 
wirkungslos.  Wohl  aber  kann  hier,  sofern  Trockentorfschichten  ^)  vorhanden  sind, 
durch  Zuführung  von  Kalk  und  durch  Bodenbearbeitung  zur  rascheren  Zersetzung 
der  Streu  und  dadurch  zur  Stickstoffanreicherung  des  Bodens  beigetragen  werden. 

Auf  allen  mittleren  und  besseren  Standorten  unserer  Waldungen  ist  Düngung 
nicht  nötig.  Sichtbare  Erfolge  zeitigt  sie  auf  solchen  Standorten  nur  dann,  wenn  der 
Boden  in  seinen  oberen  Teilen  durch  unzweckmäßige  Behandlung  gelitten  hat. 

Da  die  geringeren  Waldböden  nach  den  vorliegenden  Nährstoffmangelver- 
suchen ziemlich  überwiegend  Mangel  an  Stickstoff  haben,  heißt  das  Problem  der 
Forstdüngung  Stickstoffzufuhr.  Diese  kann  mit  Hilfe  der  künstlichen  Stickstoff- 
dünger (Salpeter,  schwefelsaures  Ammoniak)  oder  durch  Auf-  bezw.  Einbringen  vege- 
tabiler  Reste  (Gründüngung,  Waldstreu,  Humus,  Moorerde,  Stroh,  Kartoffelkraut) 
und  endlich  durch  Vor-  oder  Zwischenbau  von  Leguminosen  und  Stickstoff  bindenden 
Holzarten,  der  Robinie  und  der  Weißerle,  geschehen. 

Die  Anwendung  der  künstlichen  Stickstoffdünger  scheitert  am  Kostenpunkt; 
ihre  Wirkung  ist,  verglichen  mit  dem  Aufwand,  zu  kurz  und  zu  gering. 

Im  forstlichen  Betriebe  kommen  deshalb  nur  jene  Stickstoff([uellen  in  Betracht, 
die  den  Stickstoff  zwar  weniger  intensiv  wie  Kunstdünger,  dafür  aber  nachhaltiger 
zuführen.  Das  sind  die  genannten  organischen  Dungstoffe  und  Vor-  bezw.  Zwischen- 
bau der  sog.  Stickstoffsammler  ^).  Von  letzteren  leisten  die  Lupinen  vielfach  recht 
gute  Dienste.  Ihr  Anbau  setzt  jedoch  hin  und  wieder  eine  vorhergehende  Düngung 
des  Bodens  mit  Thomasmehl  und  Kainit  voraus.    Der  geringeren  Kosten  wegen  ist 

1)  Vgl.  V  e  r  s  t  a  p  p  e  n,  la  culture  des  lupines  et  la  restauration  en  Campine  du  sol  6puis§ 
des  piniferes.  1896.  —  R  a  m  m,  Ueber  die  Frage  der  Anwendbarkeit  der  Düngung  im  forstlichen 
Betriebe.  1893.  —  G  i  e  r  s  b  e  r  g,  Künstl.  Düngung  im  forstl.  Betriebe.  2.  Aufl.  1903.  —  Jentsc  h, 
Bestandesdüngungen  in  den  Niederlanden  und  in  Belgien.  Forstw.  Zbl.  1901,  225.  —  H  e  n  z  e, 
Die  Entwicklung  der  Forstdüngungsfrage.  Tharandt.  Jhrb.  1904,  S.  149.  —  Vater,  Anleitung 
zur  Beschreibung  von  Versuclien  zur  Düngung  von  Freikulturen,  das.  1904,  81.  —  D  e  r  s.,  Die 
Tharandter  Forstdüngungsversuche,  das.  1910,  111.  —  S  c  h  w  a  p  p  a  c  h,  Versuche  über  Forst- 
düngung und  Bodenpflege.  Ztschr.  f.  Forst-  und  Jagdw.  1907,  141.  —  Hornberger,  Einige 
Bemerkungen  über  Düngung  im  Walde,  das.  1908,  230.  —  Düngungs-Versuche  im  Walde.  Forst- 
wiss.  Zbl.  1902,  284.  —  S  c  h  w  a  p  p  a  c  h,  Die  Düngung  im  forstl.  Großbetriebe.  Deutsche 
Forst-Ztg.  1910,  925. 

2)  P.  E.  M  ü  1 1  e  r  u.  W  e  i  s,  Ueber  d.  Einwirkung  des  Kalkes  auf  Buchenrohhumus.  Na- 
turw.  Ztschr.  f.  Land-  u.  Forstw.  1907,  52  flgde.  —  H  e  1  b  i  g,  Kalkdüngung  in  Buchensamen- 
schlägen, Forstwiss.  Zbl.   1902,   120. 

3)  K  o  c  h,  Düngung  durch  lebende  Papilionaceen.  A.  F.-  u.  J.-Z.  1902,  11.  —  Engler  u. 
G  1  u  t  z,  Gründüngungsversuche  in  Pflanzschulen,  Mittlgn.  d.  Schweiz.  Zentralanstall  f.  d.  forstl. 
Versuchsw.  VII.  Bd.  319.  —  Reuß,  Die  Besenpfrienie  als  Amme  der  Fichte.  Weißkirchn. 
forstl.  Blätter,  1903.  —  M  a  t  t  h  e  s,  Mittlgn.  über  Bau  und  Leben  der  Fichtenwurzeln  und  Un- 
tersuchung über  die  Beeinflussung  des  Wurzehvachstums  durch  wirtschaftliche  Einwirkungen. 
A.  F.-  u.  J.-Z.  1911,  1. 


Die  Bestandeserziehung.     §  90.  201 

der  Zwischenbau  mit  blauer  Dauerlupine  zu  empfehlen.  Außerdem  kommt  der  Mit- 
und  Zwischenbau  der  stickstoffsammelnden  Holzpflanzen,  der  Robinie  auf  Sandboden, 
der  Weißerle  auf  kalkhaltigem  Boden,  vielleicht  auch  der  Besenpfrieme  in  Betracht, 
um  auf  geringen  Böden  die  Bestandesbegründung  zu  erleichtern.  Daß  auch  durch 
Zwischenbau  von  andern,  durch  reiche  Streuproduktion  sich  auszeichnenden  Holz- 
arten im  Pflanzenabfall  dem  Boden  Stoffe  zugeführt  werden  können,  die  in  physi- 
kalischer wie  chemischer  Hinsicht  wertvoll  sind,  ist  eine  von  der  forstliclien  Praxis 
längst  benutzte  Tatsache  (Treibholz).  Auf  Kiefernböden  scheinen  sich  Berg-  und 
Pechkiefer  in  dieser  Richtung  zu  bewähren.  Zweifellos  liegen  derartige  Hilfsmittel 
zur  Besserung  des  Nährgehaltes  des  Bodens  der  Forstwirtschaft  auch  nahe,  da  die 
düngende  Wirkung  der  Streu  durch  künstliche  Düngung  nur  schwer  ersetzt  werden 
kann.  Geringe  Böden,  auf  denen  ohne  künstliche  Düngung  aber  nichts  wächst, 
machen  freilich  bei  der  ersten  Inbestandbringung  die  Zuhilfenahme  organischer  oder 
Mineral-Dünger  erforderlich. 

Leider  hat  sich  bei  den  Forstdüngungen,  namentlich  bei  denen  mit  künstlichen 
Düngemitteln  jedoch  bis  jetzt  gezeigt,  daß  man  im  allgemeinen  keine  den  Kosten 
der  Düngung  nur  einigermaßen  entsprechende  Mehrleistung  der  gedüngten  Kulturen 
und  Bestände  erzielt.  Es  wäre  aber  falsch,  mit  diesem  bisherigen  Ergebnis  über  die 
Forstdüngungen  den  Stab  brechen  zu  wollen.  Einmal  bedarf  es,  um  in  der  Forst- 
düngungsfrage zu  einem  abschließenden  Urteil  zu  gelangen,  längerer  Erfahrung,  als 
zur  Zeit  zur  Verfügung  steht  und  weiterhin  scheint  es  nicht  richtig,  die  durch  die 
Düngimg  gebotene  Möglichkeit,  arme  ertragslose  Böden  einer  wenn  auch  zunächst 
nur  bescheidenen  Ertragsfähigkeit  zuzuführen,  lediglich  nach  der  Rentabilität  zu 
beurteilen. 


202 


VII. 

Forstschutz. 

Von 

Hermann  Fürst. 

Mit  zwei  farbigen  Tafeln. 


Heß,  Der  Forstschulz  3.  Aufl.  1898.  Nördlinger,  Lehrbuch  des  Forstschutzes  1884. 
G  r  e  b  e,  Waldschutz  und  Waldptlege  1875  3.  Aufl.  von  Koni  g's  Waldpflege.  Fürst  (K  a  u- 
s  c  h  i  n  g  e  r),  Lehre  vom  Waldschutz  7.  Aufl.  1912.    Guse,  Aus  dem  Forstschutz  1876. 

Einleitung. 

§  1 .  Begriff.  Die  Lehre  vom  Forstsc  hu  tz  soll  uns  in  den  Stand 
setzen,  die  mannigfachen  Gefahren,  welche  dem  Walde  drohen,  möglichst  erfolg- 
reich von  diesem  abzuwenden,  insoweit  die  Mittel  dazu  in  der  Hand 
des  Waldeigentümers  selbst  liegen.  Nicht  selten  aber  reichen 
diese  Mittel  nicht  aus,  der  Staat  muß  im  Interesse  der  öffentlichen  Sicherheit  und  Wohl- 
fahrt eingreifen  und  den  Waldbesitzer  in  seinen  Bestrebungen  unterstützen;  die 
desfallsigen  Maßregeln  gehören  jedoch  nicht  in  das  Gebiet  des  Forstschutzes,  sondern 
in  jenes  der  Forstpolizei  und  Forstgesetzgebung,  und  liegen  daher 
außerhalb  des  Rahmens  unserer  gegenwärtigen  Aufgabe. 

Um  aber  alle  Gefahren  von  unserem  Walde  möglichst  abzuwenden,  müssen 
wir  zunächst  diese  Gefahren  selbst,  die  Ursachen  ihrer  Entstehung,  die  Art  und  Weise 
ihres  Auftretens  kenne  n,  wir  müssen  wissen,  ihnen  möglichst  vorzubeugen, 
endlich  bei  trotzdem  eingetretenen  Beschädigungen  verstehen,  diese  tunlichst  zu 
beschränken  und  ihre  nachteiligen  Folgen  für  den  Wald  wie  für  die  Kasse 
des  Waldbesitzers  nach  Kräften  abzumindern. 

§  2.  Begrenzung.  Keine  unserer  forstlichen  Disziplinen  ist  wohl  schwerer 
zu  begrenzen,  als  die  Lehre  vom  Forstschutz.  Außerordentlich  mannigfaltig  sind 
die  Gefahren,  die  dem  Walde  von  Seite  der  belebten  wie  der  unbelebten  Natur 
drohen;  wir  bedürfen  der  gesamten  Naturkunde,  der  Zoologie  und  Botanik,  der 
Klimatologie  und  Bodenkunde,  um  die  nötige  Kenntnis  dieser  Gefahren  und  dadurch 
die  Möglichkeit  der  Abwehr  zu  erlangen.  Die  Mittel  der  Abwehr  und  insbesondere 
jene  der  Vorbeugung  hegen  aber  auch  zum  nicht  geringen  Teil  auf  dem  Gebiete 
der  Lehre  vom  Waldbau,  von  der  Forstbenutzung  und  Forsteinrichtung  —  und  dies 
Verhältnis  hat  sogar  dazu  geführt,  daß  man  der  Lehre  vom  Forstschutz  das  Recht, 
als  eigene  Disziplin  aufzutreten,  bestritt,  ihre  Lehren  teilweise  der  Forst-Zoologie 


Einleitung.     §  i.  203 

und  Botanik,  teilweise  den  oben  genannten  forstlichen  Disziplinen  zuweisen  \sollte.  Wir 
glauben:  mit  Unrecht,  glauben,  daß  eine  vollständige  und  übersichtliche  Zusammen- 
fassung der  Lehre  vom  Forstschutz  unbedingt  nötig  und  deren  Unterbringung  in  den 
andern  forstliclien  Fachern  in  auch  nur  einigermaßen  vollständiger  Weise  ohne  Zwang 
nicht  möglich  sei,  und  möchten  daher  das  Recht  des  Forstschutzes,  als  eigene  Disziplin 
aufzutreten,  entschieden  wahren  ^). 

Die  oben  berührte  Schwierigkeit  der  sachgemäßen  Begrenzung  unserer  Dis- 
ziplin tritt  aber  auch  zu  Tage,  wenn  wir  deren  Hand-  und  Lehrbücher  vergleichen. 
In  dem  einen  finden  wir  der  Botanik,  im  andern  der  Zoologie  eine  verhältnismäßig 
weite  Ausdehnung  gegeben;  die  älteren  Werke  ziehen  das  Gebiet  der  Forstbenutzung 
herein  oder  lassen  insbesondere  die  scharfe  Trennung  von  Forstschutz  und  Forst- 
polizei vermissen.  Auch  die  Frage,  in  wieweit  die  Lehre  von  den  Servituten  und  deren 
Nachteilen  für  den  ^^'ald  in  das  Gebiet  des  ersteren  gehöre,  hat  verschiedene  Beant- 
wortung gefunden.  —  Unsere  Aufgabe  wird  hier  sein,  das  Gebiet  des  Forstschutzes 
möglichst  scharf  zu  umgrenzen  und  aus  allen  den  obengenannten  Disziplinen  nur 
das  unumgänglich  Nötige  beizuziehen. 

§  3.  Einleitung.  Die  Gliederung  unserer  Disziplin  erfolgt  naturgemäß 
nach  den  Ursachen  der  Gefahren  und  Beschädigungen,  die  unsern  Waldungen  drohen, 
und  es  erscheinen  als  solche  Ursachen : 

L  Menschliche  Handlungen,  als  Eingriffe  in  das  Eigentum  des 
Waldbesitzers,  als  fahrlässige  oder  absichtliche  Beschädigungen  des  Waldes 
und  seiner  Produkte. 

n.  Einwirkungen  der  organischen    Natur,  als  hemmende,  beschädi- 
gende oder  zerstörende  Tätigkeit 

1.  der  Tierwelt, 

2.  der  Pflanzenwelt. 

HL  Beschädigungen  durch  Erscheinungen  der  anorganischen   Natur; 
solche  Erscheinungen  sind: 

1.  Niedere  oder  hohe  Temperatur:  Frost  und  Hitze. 

2.  Atmosphärische  Niederschläge:  Regen,   Schnee,  Duft,  Eis,   Hagel. 

3.  Blitzschlag. 

4.  Heftige  Luftströmungen:  Winde  und   Stürme. 

5.  Ungünstige  Bodenbeschaffenheit:  Nässe,  Flugsand. 
l\.  Krankheiten     der  Holzgewächse. 

I.  Gefährdangeii  durch  menschliche  Handlungeu. 
1.  Nähere  Bezeichnung. 

§  4.  Ein  BHck  auf  die  zahlreichen  devastierten  oder  doch  in  ihrem  Ertrags- 
vermögen weit  heruntergebrachten  Waldungen  in  unserem  engeren  Vaterland  wie  in 
noch  viel  höherem  Grad  in  der  Mehrzahl  unserer  Nachbarländer  sagt  uns,  daß  der 
Mensch  zu  den  gefährlichsten  Feinden  des  Waldes  gehöre.  Habgier  und  Unverstand 
der  Waldbesitzer  selbst.  Ein-  und  Uebergriffe  der  Forstberechtigten  sind  im  Verein 
mit  Entwendungen  und  Beschädigungen  seitens  fremder  Personen  vonviegend  die 
Ursachen  jener  traurigen  Waldzustände. 

Gegen  die  nachteiligen  Eingriffe  des  eigenen  Besitzers  vermag  der 
Forstschutz  nicht  zu  helfen,  und  nur  Belehrung  und  die  allmählich  steigende  Einsicht 
einerseits,  wie  eine  energisch  gehandhabte  Forstpolizei  anderseits  —  insoferne  dieser 


1)  Vergl.  \.  F.-  u.  J.-Z.  1S81.  S.  305. 


204  MI.  Fürst,  Forstschutz. 

eine  entsprechende  Forstgesetzgebung  zur  Seite  steht  —  vemaögen  hier  einiger- 
maßen Besserung  zu  schaffen.  Nur  gegen  fremde  Eingriffe  lehrt  uns  der  Forst- 
schutz unsere  Waldungen  schützen,  gegen  Gefährdungen,  die  sich  entweder  auf  die 
eigentliche  Substanz  des  Waldes,  dessen  Grenzen,  oder  auf  dessen  verschieden- 
artige Produkte  beziehen.  Auch  die  Gefahr  des  Waldbrandes  wird  wohl 
zweckmäßiger  hier  als  bei  Abschnitt  III  eingereiht,  da  es  fast  stets  die  fahrlässige 
oder  frevelhafte  Hand  des  Menschen  und  nur  sehr  selten  die  Natur  (durch  Blitzschlag) 
ist,  die  diese  Gefahr  her\-orruft.  —  Als  eine  neue  hierher  zu  rechnende  Schädigung 
der  Waldungen  ist  seit  einigen  Jahrzehnten  in  mit  dem  Wachstum  der  Industrie 
stets  steigendem  Maße  jene  durch  den  industriellen  Werken  entweichende  Gase 
aufgetreten;  man  bezeichnet  sie  als  R  a  u  c  h  s  c  h  ä  d  e  n. 

2.  Sicherung  der  Waldgrenzen. 

§  5.  G  r  e  n  z  z  e  i  c  h  e  n.  Von  dem  Augenblick  an,  da  Grund  und  Boden 
aus  dem  gemeinsamen  Besitz  in  Sondereigentum  überging,  war  eine  Bezeichnung 
der  Grenzen  zur  Sicherung  des  letzteren  geboten,  und  es  dienten  hiezu  in  erster  Linie 
die  sog.  natürlichen  Grenzzeichen:  Wasserläufe,  Bergrücken  und  Talsohlen, 
Wege,  Felsen,  Bäume;  die  beiden  letztgenannten  wurden  hierbei  meist  durch  einge- 
hauene Zeichen  besonders  kenntlich  gemacht.  Nicht  immer  aber  reichten  diese 
natürlichen  Grenzzeichen  aus,  zumal  mit  fortschreitender  Parzellierung  des  Grund- 
besitzes, mit  seinem  steigenden  Wert,  der  eine  genaue  und  sichere  Bezeichnung 
der  Grenzen  notwendig  machte;  man  griff  daher  zu  künstlichen  Grenzzeichen: 
Steinhaufen,  Hügeln,  Winkelgräben,  Pfählen  und  eingesetzten  Steinen,  bisweilen 
selbst  zur  Bezeichnung  ganzer  Grenzlinien  durch  Gräben,  Hecken,  Aufhiebe.  Gegen- 
wärtig finden  wir  etwa  mit  Ausnahme  des  Hochgebirges,  in  welchem  die  natürlichen 
Grenzzeichen  noch  eine  Rolle  spielen,  als  Grenzzeichen  fast  allenthalben  die  Grenz- 
steine   als  dauerhaftestes  und  sicherstes  Material  in  Anwendung. 

Diese  Grenzsteine  werden  bisweilen  in  rauher,  besser  aber  in  behauener  Gestalt, 
durch  welche  jeder  Irrtum  ausgeschlossen  ist,  aus  möglichst  dauerhaftem  Material 
(Basalt,  Dolomit,  Granit,  harte  Sandsteine)  hergestellt  und  meist  mit  bestimmten, 
den  Waldeigentümer  kennzeichnenden  Buchstaben,  sowie  um  jede  Waldparzelle 
fortlaufenden  Nummern  bezeichnet  —  es  gilt  dies  wenigstens  für  Staats-  und  Ge- 
meindewaldungen als  Regel  — ,  nicht  selten  auch  auf  dem  Kopf  mit  Visierlinien, 
welche  nach  den  Nachbarsteinen  weisen,  versehen. 

§  6.  Herstellung  der  ^^  e  r  m  a  r  k  u  n  g.  Unter  V  er  markung 
versteht  man  die  Bezeichnung  einer  Grenze  mit  festen  Grenzzeichen,  und  gilt  eine 
solche  in  allen  Kulturstaaten  als  Regel.  Das  bürgerliche  Gesetzbuch  für  das  Deutsche 
Reich  bestimmt  (§  919)  ausdrücklich,  daß  der  Eigentümer  eines  Grundstückes  von 
dem  Angrenzer  die  Mitwirkung  zur  Errichtung  fester  Grenzzeichen  in  landesgesetz- 
licher oder  ortsüblicher  Weise,  sowie  zur  Wiederherstellung  schadhaft  gewordener 
Grenzzeichen  fordern  kann,  wobei  die  Kosten  zu  gleichen  Teilen  zu  tragen  sind. 
—  Der  Vermarkung  hat  stets  die  Regulierung  etwa  strittiger  Grenzen  in  gütlichem 
Einvernehmen  oder  auf  dem  Rechtsweg  vorauszugehen. 

Bei  der  Vermarkung  wird  nun  in  erster  Linie  jeder  Winkelpimkt  mit  einem 
Grenzzeichen  bezw.  Grenzstein  versehen;  ist  die  Entfernung  von  einem  Grenzstein 
zum  andern  eine  sehr  große,  so  werden  je  nach  Bedürfnis  ein  oder  einige  Zwischen- 
steine, sog.  L  a  u  f  e  r,  auf  die  Grenzlinie  in  der  Weise  gesetzt,  daß  man  stets  bequem 
von  einem  Grenzstein  zum  andern  sehen  kann.  —  Das  Setzen  der  Grenzsteine  erfolgte 


Unterhaltung  der  \'ermarkung.     §  7.  205 

früher  in  einfacher  Weise  gemeinsam  durch  die  beiden  Angrenzer,  pflegt  aber  seit 
längerer  Zeit  gesetzlich  allenthalben  durch  die  s.  g.  Feldgeschworenen  oder  Siebener 
stattzufinden,  die  in  jeder  Gemeinde  aus  der  Zahl  der  unbescholtenen  Männer  (meist 
in  der  Siebenzahl)  gewählt  werden.  Dieselben  nehmen  in  Gegenwart  der  vorge- 
ladenen Angrenzer  das  Einsetzen  der  Grenzsteine  vor,  wobei  jedoch  kein  Zweifel 
über  die  Richtigkeit  des  Grenzjnmktes  bestehen  darf;  bestehen  solche  Zweifel  oder 
handelt  es  sich  (bei  Grundabtretung,  Teilung  etc.)  um  Feststellung  neuer  Grenz- 
punkte, so  hat  stets  die  Bezeichnung  der  Grenzpunkte  durcli  den  verpflichteten 
Geometer  vorauszugehen.  Nur  hiedurch  ist  es  auch  möglich,  eine  richtige  Landes- 
vermessung aufrecht  und  die  Katasterpläne  auf  dem  Stand  der  Gegenwart  zu 
erhalten. 

Um  über  den  Standort  eines  irgendwie  zu  Verlust  gehenden  Steines  möglichst 
sicheren  Anhalt  zu  geben,  legen  die  Feldgeschworenen  vielenorts  unter  die  zu  setzen- 
den Steine  Unterlagen  von  unverweslichen  Materialien,  wie  gebrannte  Steine  oder 
Zeichen,  Porzellan-  oder  Glasscherben,  Kohlenstücke;  diese  geben  insbesondere 
auch  in  jenen  Fällen,  in  welchen  zur  Vermarkung  keine  regelmäßig  behauenen  Steine 
verwendet  werden,  darüber  Aufschluß,  ob  man  es  mit  einem  Grenzstein  oder  einem 
beliebigen  andern  Stein  zu  tun  hat.  Diese  Zeichen  werden  bisweilen  in  bestimmter, 
nur  den  vereidigten  Feldgeschworenen  bekannter  Weise  gelegt  und  von  diesen  als 
Geheimnis  behandelt. 

§  7.  Unterhaltung  der  \'  e  r  m  a  r  k  u  n  g.  Angesichts  der  Wichtig- 
keit, welche  die  genaue  und  dauernde  Feststellung  einer  Waldgrenze  hat,  wie  der 
Kosten,  welche  die  Herstellung  einer  \'ermarkung  für  einen  größern  Waldkomplex 
verursacht,  ist  es  Aufgabe  der  einschlägigen  Beamten,  für  eine  entsprechende  I  n- 
standhaltung  der  Grenzzeichen  Sorge  zu  tragen.  Diese  letztem  sind  in  mannig- 
facher ^^'eise  bedroht:  sie  werden  an  Wegen  nicht  selten  umgefahren  und  zerbrochen, 
sind  an  Gräben,  Gehängen,  in  weichem  Boden  dem  Umsinken  oder  Abrutschen 
ausgesetzt,  weichere  Steine  werden  durch  Verwitterung  und  Zerfrieren  zerstört, 
und  nur  eine  stete  Aufsicht  vermag  die  Grenzen  in  stets  gutem  Stand  zu  erhalten. 

Eine  solche  ist  daher  auch  Pflicht  der  Forstbeamten,  und  es  erscheint  deshalb 
nötig,  daß  das  Forstschutzpersonal  alljährlich,  der  einschlägige  Vervvaltungsbeamte 
wenigstens  in  nicht  zu  langen  Zwischenräumen  die  Grenze  \'on  Stein  zu  Stein  begehe, 
das  \'orhandensein  jeden  Steines  und  dessen  normalen  Zustand  konstatiere  und  allen- 
fallsige Gebrechen  notiere;  die  Hebung  letzterer  erfolgt  sodann  auf  Anrufen  durch 
die  Feldgeschworenen  unter  Beiziehung  der  Angrenzer. 

Das  Geschäft  des  Grenzbeganges  wird  erklärlichenveise  in  hohem  Grad  erleich- 
tert, allen  Irrungen  bei  Holzfällungen,  Streunutzung  usw.  in  sicherster  Weise  vor- 
gebeugt, wenn  die  Grenzlinien  offen  gehalten,  von  Holz^vuchs,  Gestrüpp,  über- 
hängenden Aesten  stets  gereinigt  werden;  nur  hiedurch  ist  die  Möglichkeit,  von  einem 
Stein  zum  andern  zu  sehen,  die  Grenze  sofort  mit  Bestimmtheit  zu  erkennen,  gegeben, 
während  ver\vachsene  Grenzlinien  zu  den  mannigfachsten  Irrungen  und  Streitig- 
keiten Veranlassung  geben  können.  Man  pflegt  daher  die  Grenzlinien  im  Benehmen 
mit  den  Angrenzern  auf  mäßige  Breite,  etwa  meterbreit,  durchzufluchten  und  diese 
Grenzhnien  stets  von  allem  Holz-  und  Unkrautwuchs  tunlichst  rein  zu  halten. 

Der  Gefahr  einer  Beschädigung  sind  am  meisten  jene  Grenzsteine  ausgesetzt, 
welche  unmittelbar  an  den  häufig  längs  der  Grenzen  verlaufenden  Weger  stehend 
durch  Anfahren  mit  Fuhrwerken  bedroht  sind.  Man  sucht  diese  Steine  dadurch  zu 
schützen,  daß  man  sie  tief  in  den  Boden  setzt  oder  ihnen  durch  Abweissteine,  einge- 
schlagene Pfähle  u.  dgl.  den  nötigen  Schulz  gibt;  ist  der  Weg  etwa  gemeinsames 


206  V.  F  ü  r  s  t ,  Forstschutz. 

Eigentum  der  beiden  Besitzer,  so  setzt  man  die  Grenzsteine  meist  abwechselnd 
rechts  und  hnks  des  Weges. 

Besondere  Aufmerksamkeit  bedarf  die  Waldgrenze  auch  dort,  wo  sie  längs  des 
Feldes  verläuft,  indem  hier  Uebergriffe  durch  Ueberackern,  Ablagern  zusammen- 
gelesener Steine  aus  den  Feldern  u.  dgl.  nicht  selten  zu  sein  pflegen.  Den  sichersten 
Schutz  gewährt  in  solchen  Fällen  ein  Grenzgraben  von  entsprechenden  Dimensionen. 

Das  oben  bereits  erwähnte,  mit  dem  1.  Januar  1900  in  Kraft  getretene  Bürger- 
liche Gesetzbuch  für  das  Deutsche  Reich  trifft  in  den  §§  903  u.  ff.  eine  Reihe  bezüg- 
lich der  Grenzen  und  des  s.  g.  Nachbarrechtes  wichtiger  Bestinmiungen.  Es  setzt 
fest,  daß  das  Recht  des  Grundeigentümers  sich  auch  auf  den  Raum  über  und  auf 
den  Erdkörper  unter  der  Oberfläche  erstrecke;  demgemäß  hat  ersterer  das  Recht, 
über  die  Grenze  in  sein  Grundstück  gewachsene  Wurzeln  abzuschneiden  und  zu  be- 
halten, ebenso  herüberhängende  Zweige,  wenn  deren  Beseitigimg  durch  den  Besitzer 
des  Nachbargrundstückes  nicht  innerhalb  angemessener  Frist  erfolgt  —  voraus- 
gesetzt, daß  Wurzeln  und  Zweige  die  Benutzung  des  Grundstückes  beeinträchtigen. 
Auf  ein  Nachbargrundstück  fallende  Früchte  eines  Baumes  gelten  als  Früchte  dieses 
Grundstückes,  ein  auf  der  Grenze  stehender  Baum  gehört  den  Nachbarn  zu  gleichen 
Teilen. 

3.  Schutz  der  Waldprodukte. 

§8.  Forstfrevel  durch  Entwendung.  Kein  Vergehen  gegen 
das  Eigentum  pflegt  bekanntlich  häufiger  zu  sein,  als  die  Entwendung  von  Forst- 
produkten, und  die  Statistik  weist  in  manchen  Gegenden  hierüber  geradezu  er- 
schreckende Zahlen  auf.  Die  Gründe  dieser  Erscheinung  sind  mannigfache:  sie  sind 
zu  suchen  zunächst  in  der  verhältnismäßig  schwierigen  Beschützung  der  Waldpro- 
dukte, insbesondere  bei  großen  Aufsichtsbezirken,  parzellierter  Lage  der  Waldungen, 
dem  Vorhandensein  bevölkerter  oder  armer  Ortschaften  in  der  Nähe  und  selbst 
inmitten  der  Waldungen.  Im  Weiteren  sind  viele  Produkte  des  \\'aldes  dem  ^Menschen 
teils  für  sich,  teils  für  seine  Haustiere  geradezu  unentbehrhch :  so  das  Holz  zumal 
im  strengen  Winter,  das  Gras  und  die  Streu  in  Jahren  des  Futter-  und  Strolmiangcls, 
—  und  werden  nach  dem  alten  Sprücliwort,  daß  Not  kein  Gebot  kenne,  trotz  guter 
Aufsicht  aus  dem  Walde  entwendet;  oder  es  dienen  diese  Produkte  Industriezweigen 
(Anfertigung  von  Reclien,  Besen,  Körben  u.  dgl.  m.),  die  von  der  ärmeren  Bevöl- 
kerung betrieben  werden,  welch'  letztere  sich  auf  möglichst  billige  Weise,  d.  h.  also 
im  Weg  des  Diebstahls,  in  den  Besitz  des  Rohmaterials  zu  setzen  sucht. 

Niclit  wenig  trägt  aber  die  aus  früheren  Zeiten  stammende  und  im  Volk  noch 
sehr  allgemein  verbreitete,  durch  die  Gesetzgebung  selbst  der  neuesten  Zeit  unter- 
stützte Anschauung  von  der  geringen  Verwerflichkeit  und  Strafbarkeit  der  Ent- 
wendung von  Forstprodukten  zur  \'ermehrung  der  Zahl  der  letztern  bei.  Schon 
die  an  den  meisten  Orten  übliche  Bezeichnung  ..Forstfrevel"  an  Stelle  des  korrekteren 
Wortes  ,, Forstdiebstahl",  ferner  die  Behandlung  dieser  Gesetzesverletzung  als  einer 
Uebertretung  und  nicht  als  eines  Vergehens  gleich  jedem  andern  Diebstahl,  die 
Bestrafung  mit  Geld,  subsidiär  mit  Haft  an  Stelle  der  schimpflicheren  Gefängnis- 
strafe —  alle  diese  Momente  zusammen  sind  sicher  mit  daran  Schuld,  wenn  wir 
die  Zahl  der  Forstfrevel  vielfach  eine  so  hohe  werden  sehen.  Als  deutlichster  Beweis 
dafür,  welchen  Einfluß  die  Art  der  Bestrafung  hier  ausübt,  dient  die  Wahrnehmung, 
daß  die  als  Diebstahl  bestrafte  Entwendung  bereits  aufgearbeiteten  Holzes 
verhältnismäßig  selten  vorzukommen  pflegt! 


Verhütung  von  Forstfreveln.     S  10. 


207 


Erfreulichcnveise  zeigt  jedoch  die  Statistik  fast  aller  Länder  eine  ganz  wesent- 
liche Abnahme  der  Zahl  der  Forstfrevel,  die  mit  der  besseren  Lebenshaltung  der  är- 
meren Volksschichten  in  engem  Zusammenhang  steht. 

Die  Nachteile,  welclie  dem  Wald  durch  Entwendungen  zugehen,  sind  teils 
geringer,  teils  schwererer  Art.  Manche  Entwendungen,  wie  Dürrholz,  Gras  von  Gedun- 
gen, Streu  aus  Gräben  und  ^^'egen,  schädigen  den  W  a  1  d  direkt  gar  nicht,  sondern 
nur  etwa  die  Kasse  des  ^^'aldbesitzers,  während  durch  Grünliolzfrevel  der  Schluß 
unterbrochen  werden  kann,  Astholzfrevel  die  Bäume  schädigen,  Grasfrevel  die  Kul- 
turen gefährden,  wederholte  Streuentwendungen  zur  ^■ermagerung  des  Bodens 
führen.  In  der  Nähe  von  Ortschaften  werden  durch  die  genannten  Frevel  bisweilen 
ganze  Bestände  geradezu  devastiert. 

§9.  Forstfrevel  durch  Beschädigung.  Unverstand  und  Un- 
vorsichtigkeit, Gewinnsucht,  Mutwillen,  Bosheit  sind  die  Motive,  aus  denen  Beschädi- 
gungen der  ^^"aldungen  hervorgehen. 

Durch  Unvorsichtigkeit  und  Ungeschicklichkeit  ergeben 
sich  insbesondere  Beschädigungen  des  stehenden  älteren  Holzes  und  des  jungen 
Nachwuchses  in  natürlichen  \'erjüngungen  wie  anstoßenden  Beständen  bei  der  Fäl- 
lung, Aufarbeitung  und  Abfuhr  des  Holzes,  nicht  selten  also  durch  unsere  eigenen 
Arbeiter. 

Beschädigungen  aus  Gewinnsucht  stehen  in  engem  Zusanmienhang 
mit  Entwendungen,  wobei  nicht  selten  der  Schaden  den  Wert  des  entwendeten 
Objektes  übersteigt.  Hierher  würde  beispielsweise  zu  rechnen  sein :  das  .Anreißen  von 
Nadelholzstämmen  zum  Zweck  späterer  Harzgewinnung,  das  Ausscharren  alter 
Harzrisse,  das  Kienholzhauen,  Zapfenbrechen  u.  s.  f.  Auch  die  oft  so  maßlos  und  de- 
vastierend  im  Weg  des  Frevels  geübte  Waldweide  wäre  hierher  zu  zählen,  da  der 
von  dem  ^'ieh  durch  A'erbeißen  der  Holzpflanzen  verursachte  Schaden  den  Wert 
des  verzehrten  Grases  weit  übersteigt. 

Nicht  selten  sind  leider  auch  jene  Beschädigungen,  welche  aus  Mutwillen 
oder  Bosheit  und  Rachsucht  dem  Walde  zugefügt  werden :  das  Abbrechen 
oder  Entrinden  junger  Stämme  seitens  mutwilliger  Bursche,  die  absichtliche  Brand- 
stiftung seitens  bestrafter  Holz-  und  Wildfrevler  mögen  hier  genannt  sein. 

§  10.  Verhütung  von  F  o  r  s  t  f  r  e  v  e  1  n.  Das  Hauptmittel,  um 
Forstfreveln  jeder  Art  vorzubeugen,  ist  ein  energisch  gehandliabter  Forstschutz, 
die  Aufstellung  eines  ausreichenden  und  eifrigen  Schutzpersonales,  das  seitens  der 
Vervvaltungs-  und  Inspektionsbeamten  genügend  überwacht  sein  muß.  Allerdings 
muß  dessen  Tätigkeit  auch  durch  ein  hinreichend  strenges  Foi-stgesetz  unterstützt 
werden,  da  zu  milde  Strafen  nicht  die  nötige  abschreckende  Wirkung  üben;  der  Er- 
laß eines  solchen  liegt  jedoch  nicht  in  der  Hand  der  Waldbesitzer  und  Forstbehörden, 
sondern  in  jener  der  Gesetzgebungsfaktoren  eines  Landes. 

Durch  zweckmäßige  Dienstesinstruktionen  muß  die  Tätigkeit  des  Schutzperso- 
nales geregelt  sein,  eine  gute  Holzhauerinstruktion  in  Verbindung  mit  entsprechender 
Ueberwachung  der  Holzhauer  wird  den  oben  erwähnten  Beschädigungen  bei  Fällung 
und  Aufarbeitung  des  Holzes  tunliclist  vorbeugen.  —  Aber  auch  den  Freveln  durch 
Entwendung  wird  der  größere  \\'aldbesitzer  einigermaßen  vorbeugen  können :  durch 
Rücksichtnahme  auf  die  Bedürfnisse  der  ärmeren  Anwohner  des  Waldes,  der  kleinen 
Landwirte  und  Gewerbetreibenden,  und  tunlichste  Befriedigung  dieser  Bedürfnisse  — 
so  durch  Gestattung  der  Leseholznutzung,  Abgabe  von  Waldgras  und  Streu  in 
Notjahren,  von  Streusurrogaten  jeder  Art,  von  Besenreis,  Rechenstielen  und  dergl. 
um  billige  Taxe. 


208  ^  •  Fürst,  Forstschutz. 

4.  Schutz  gegen  Waldbrände. 

§  11.  Entstehung.  In  den  weitaus  meisten  Fällen  ist  es  direkt  oder 
indirekt  der  Mensch,  durch  welchen  Waldbrände  entstehen,  und  hiedurch  recht- 
fertigt sicli  wohl  auch  ihre  Besprechung  in  diesem  Abschnitt;  nur  ausnahmsweise 
ist  es  der  Blitz,  der  alte  trockenfaule  Stämme  entzündet,  die  Zahl  der  Fälle,  in  welchen 
dies  konstatiert  wurde,  ist  jedoch  eine  geringe. 

Die  überwiegende  Mehrzahl  von  Waldbränden  entsteht  durch  Ü  n  v  o  r  s  i  c  h- 
t  i  g  k  e  i  t  und  Fahrlässigkeit,  nicht  selten  unserer  eigenen  Waldarbeiter :  so 
durch  Anzünden  von  Feuer  an  gefährdeten  Stellen,  Unterlassen  entspreclienden  Aus- 
löschens  beim  Verlassen;  Mangel  an  Vorsicht  bei  dem  Brennen  von  Rasenasche, 
dem  Verbrennen  von  Rinde  und  Reisig  behufs  Vertilgung  schädlicher  Insekten, 
dem  Ueberlandbrennen  im  Hackwald  u.  dgl.  Im  weiteren  entstehen  nicht  selten 
Waldbrände  durch  weggeworfene  glimmende  Zündhölzchen  und  Zigarrenstummel, 
glühende  Pfeifenasche  u.  ä.,  wie  dies  namentlich  das  häufigere  Vorkommen  von  Wald- 
bränden in  der  Nähe  größerer  Städte,  betretener  Wege,  an  Sonn-  und  Feiertagen 
beweist. 

Als  eine  nicht  seltene  Ursache  von  Waldbränden  erscheinen  in  den  von  Eisen- 
bahnen durchschnittenen  Waldungen,  insbesondere  den  trockenen  Kiefernheiden,  die 
ausfliegenden  L  o  k  o  m  o  t  i  v  f  u  n  k  e  n  (oder  richtiger:  glühende  Kohlenstückclien). 
Endlich  aber  sind  Mutwillen  und  Bosheit  leider  auch  in  gar  manchen  Fällen 
die  Entstehungsgründe  ^). 

§  12.  Art  des  Auftretens.  Man  unterscheidet  nach  der  Art  des  Auf- 
tretens Boden-  oder  Lauffeuer,  Gipfel-  oder  Kronenfeuer,  Stammfeuer  und  Erdfeuer. 

Am  häufigsten  tritt  das  Feuer  auf  in  Gestalt  des  Boden-  oder  Lauffeuers, 
entstehend  durch  die  Entzündung  des  trockenen  Bodenüberzuges,  namentlich  dürren 
Grases,  trockener  Heide,  weniger  des  Mooses  oder  Laubes,  welch'  letzteres  dicht  ge- 
schichtet liegend  nur  schwer  weiter  brennt.  Es  sind  demgemäß  vor  allem  die  jungen 
noch  nicht  geschlossenen  Schläge,  in  denen  das  Lauffeuer  zu  fürchten  ist,  dann  ältere 
lichter  stehende  Bestände  mit  trockenem  Bodenüberzug. 

Schließen  sich  an  den  brennenden  Schlag  Dickungen  namentlich  der  leiclit 
brennbaren  Föhre,  so  ergreift  das  fortschreitende  Feuer  die  Aeste  und  Wipfel  zuerst 
der  jüngeren,  dann  wohl  auch  der  älteren  Bestände  und  aus  dem  Bodenfeuer  wird 
das  verheerende  Gipfel-    oder    K  r  o  n  e  n  f  e  u  e  r. 

S  t  a  m  m  f  e  u  e  r,  die  Entzündung  eines  einzelnen  Stammes,  kommt  nur  an 
alten,  schadhaften,  trockenfaulen  Stämmen  vor  —  als  Folge  des  Blitzschlages,  oder 
verursacht  durch  Ausräuchern  eines  Marders  oder  wilden  Bienenstockes,  durch 
mutwilliges  Anschüren  von  Feuer  im  hohlen  Stamm,  und  tritt  natürlich  nur  selten 
auf;  noch  seltener  wohl  das  E  r  d  f  e  u  e  r,  die  Entzündung  torfigen  Bodens  bei 
großer  Trocknis  durch  irgend  welche  Unvorsichtigkeit^). 

1)  Eine  Statistik  für  die  bayr.  Staatswaldungen  für  die  Jalire  1882 — 1899  inkl.  weist  1755 
Waldbrände  nach,  von  welchen  entstanden  sind  nachweislich  mutmaßlich 

durcli  Blitzschlag  1  " 

„       Lokomotivfunken  73  34 

Fahrlässigkeit  165  1105 

Brandstiftung  39  260 

jeder  Anhalt  fehlend  bei  65  Fällen. 

2)  Die  oben  erwähnte  Statistik  für  die  bayr.  Staatswaldungen  weist  unter  1755  Fällen  nach 

Bodenteuer 137  7  mal 

„            in  Verbindung  mit  Gipfelfeuer    .  250    „ 

,,                        ,,               „    Stammfeuer  69    „ 

Reines  Stammfeuer 33    „ 

Erdfeuer 26    „ 


Vorbeugungs-Maßregeln.     §  lö.  209 

§  13.  Zeit  und  Ort  des  Auftretens.  Die  meisten  Waldbrände 
entstehen  nicht,  wie  man  wohl  anzunehmen  geneigt  ist,  im  heißen  Sommer,  sondern 
viel  häufiger  im  trockenen  Frühjahr  in  den  Monaten  März,  April,  Mai.  Die  große 
Zahl  der  zu  jener  Zeit  im  Wald  beschäftigten  Menschen  —  Holzarbeiter,  Fuhrleute, 
Kulturarbeiter  — ,  der  vorhandene  trockene  Bodenüberzug  von  abgestorbenen 
Gräsern  und  Unkräutern,  zwischen  denen  noch  die  schützende  grüne  Bodendecke 
nicht  hervorgewachsen  ist,  erklärt  wohl  diese  Tatsache  zur  Genüge  ^). 

Was  die  Oertlichkeiten  betrifft,  in  denen  Waldbrände  besonders  zu  fürchten 
sind,  so  sind  es  vor  allem  die  Schläge  mit  trockenem  Bodenüberzug,  in  denen  das 
Lauffeuer  reichlich  Nahrung  findet,  geringe  Standorte  mit  ihrer  leichter  brennbaren 
Bodendecke  vcn  Angergräsern  und  Heide,  ihrer  überhaupt  in  höherem  Grad  als  das 
Laubholz  gefährüeten  Nadelholzbestockung.  Die  Föhrenwaldungen  auf  armem  Sand- 
boden stehen  bezüglich  ihrer  Gefährdung  obenan  und  nirgends  treten  \\'aldbrände 
in  Deutschland  häufiger  und  in  größerer  Ausdehnung  auf,  als  in  den  ausgedehnten 
Kiefernheiden  Norddeutschlands. 

§  14.  Folgen  der  Waldbrände.  Als  unmittelbare  Folge  eines  Wald- 
brandes erscheint  die  Zerstörung  der  betroffenen  Bestände.  Die  Pflanzen,  welche  in 
den  Schlägen  vom  Bodenüberzug  umgeben  standen,  verbrennen  entweder  direkt 
(Nadelhölzer)  oder  sterben  infolge  der  erlittenen  Beschädigungen  unfehlbar  ab; 
ebenso  jene  Nadelholzbestände,  in  welchen  ein  Gipfelfeuer  gewütet  hat,  das  die  Benade- 
lung und  die  schwächern  Aeste  verzehrt,  die  Stämme  aber  natürlich  zurückläßt. 

—  In  älteren  Beständen  dagegen  und  bei  Holzarten  mit  dickborkiger  Rinde  (Föhre) 
bleiben  Lauffeuer  namentlich  bei  nur  schwächerem  Bodenüberzug  nicht  selten 
ohne  nachteilige  Folgen,  in  andern  Fällen  dagegen  kränkelt  der  betroffene  Bestand 
und  muß  zum  Hieb  gezogen  werden. 

Zu  dem  direkten  Verlust  gesellen  sich  insbesondere  bei  größeren  Brandflächen 

—  und  solche  haben  sich  in  einzelnen  Fällen  schon  über  Hunderte  von  Hektaren 
erstreckt  '^)  — ,  deren  sofortige  Aufforstung  nicht  bewerkstelligt  werden  kann,  noch 
eine  Reihe  andenveiter  Nachteile:  ^'erwilderung  des  Bodens  durch  in  Menge  auftre- 
tende Forstunkräuter,  Vermagerung  des  etwa  an  sich  geringen  Bodens  infolge  der 
Freilegung,  Entstehen  von  Sandschollen  auf  zum  Flüchtigwerden  geneigtem  Standort. 
Auch  schädliche  Forstinsekten  stellen  sich  ein:  Wurzelbrüter  in  den  absterbenden 
Wurzeln  und  Stöcken,  Borkenkäfer  in  dem  kränkelnden  Stammholz,  und  bedrohen, 
sich  massenhaft  verbreitend,  die  Nachbarbestände. 

§  15.  V  o  r  b  e  u  g  u  n  g  s  -  M  a  ß  r  e  g  e  1  n.  Von  ganz  besonderer  Wichtigkeit 
sind  jene  Maßregeln,  welche  dem  Entstehen  von  ^^'aldbränden  wie  deren 
größerer    Ausdehnung  vorbeugen ;  als  solche  erscheinen  ^) : 

Beobachtung  der  nötigen  Vorsicht  bei  Vornahme  aller  mit  dem  Anzünden 
von  Feuer  imWald  verbundenen  Arbeiten,  wie  solche  in  §  II  näher  bezeichnet  wurden; 
Erlaß  strenger  Vorschriften  über  das  Anzünden  von  Feuer  im  ^^'alde  überhaupt, 
wie  durch  die  eigenen  Arbeiter;  Verbot  des  Rauchens  im  Wald  zu  gefährlicher  .Jahres- 
zeit; Entfernen  brennbarer  Bodenüberzüge  in  besonders  gefährdeten  Oertlichkeiten, 
an  viel  betretenen  Wegen,  namentlich  in  der  Nähe  größerer  Städte.  Belassen  brei- 
ter   Schutzstreifen   bei   großen   zusammenhängenden  Aufforstungen,   insbesondere 


1)  Von  den  1755  Brandfällen  treffen 

1156  auf  die  Monate  März,  April,  Mai 
■168      „       ,,  ,,  Juni,   Juli,   .\ugusl 

131     „      ,,         „         September  bis  Februar. 

2)  \ergl.  die  Waldbrandchronik  in  Heß,  Forstscluitz  (.3.  Aufl.)  Bd.  2,  S.  520. 

3)  Vergl.  Kienitz,  Maßregeln  gegen  Waldbrände,  Forsstw.  Z.-Bl.  1903,  S.  399. 

Handb.  d.  Forstwiss.     3.  Aufl.    II.  14 


210  VII.  Fürst,  Forstschutz. 

im  Heidegebiet;  Errichtung  von  Wachttürmen  in  großem  gefährdetem  (Kiefern-) 
Gebiet,  ev.  mit  Signalvorrichtung  (System  S  e  i  t  z),  Deponierung  von  Löschgeräter^. 
in  Forsthäusern;  erhöhter  Schutzdienst  zu  gefährlicher  Zeit,  bei  großer  Trockne, 
an  Sonn-  und  Feiertagen. 

Besondere  Vorsiclitsmaßregeln  sind  längs  der  Bahnlinien  namentlich 
dort  nötig,  wo  sie  die  trocknen  Kiefernwaldungen  der  Ebene  durchschneiden.  Eine 
dauernde  Freihaltung  der  s.  g.  Bahnlichtungen  von  Holz  ist  nach  K  i  e  n  i  t  z  's 
Beobachtungen  in  keiner  Weise  nötig,  denn  nie  entzünden  die  glühenden  Kohlen- 
stückchen einen  Baum,  sondern  stets  nur  den  Bodenüberzug.  \'on  brennbarem 
Ueberzug  sind  daher  die  12—15  m  breiten  Streifen  längs  der  Bahn  frei  zu  halten, 
durch  meterbreite  Wundstreifen  zu  isolieren,  die  Bestockung  auf  denselben  von 
den  untern  Aesten  zu  befreien;  eine  Bestockung  verhindert  den  weiteren  Flug  der 
Funken,  die  unschädlich  in  den  Schutzstreifen  niederfallen. 

Aufgabe  der  Forstpolizei  wird  es  sein,  durch  die  nötigen  gesetzlichen 
Vorschriften  über  das  Anmachen  von  Feuer  im  Wald  überhaupt,  den  Gebrauch  von 
Fackeln,  das  Rauchen  im  Walde,  die  Reinhaltung  von  Eisenbahnlichtungen  usw. 
die  Bemühungen  des  Waldbesitzers  zu  unterstützen. 

In  jenen  Oertlichkeiten,  in  welchen  die  Gefahr  der  Waldbrände  eine  besonders 
große  ist  —  also  besonders  in  ausgedehnten  Föhrenbeständen  mit  trocknem  Stand- 
ort —  sucht  man  durch  die  Anlage  von  Brandschneißen  oder  Feuerbahnen,  dann  von 
Sicherheitsstreifen  oder  Feuermänteln  wenigstens  die  Ausdehnung  des  Feuers  zu 
beschränken,  die  Bekämpfung  zu  erleichtern.  Durch  ein  entsprechendes  Netz  sich 
rechtwinklig  kreuzender  Schneißen  wird  der  Wald  in  mäßig  große  Abteilungen 
zerlegt,  man  gibt  diesen  zugleich  als  Wege  dienenden  Schneißen  keine  zu  geringe 
Breite  und  hält  sie  stets  rein  von  Unkraut;  die  senkrecht  zur  herrschenden  Windrich- 
tung verlaufenden  Schneißen  aber  werden  mit  einem  5 — 10  m  breiten  Streifen  Laub- 
holzes bepflanzt,  das  als  Schutz  gegen  Boden-  wie  Gipfelfeuer  gute  Dienste  zu  leisten 
vermag,  und  bezeichnet  man  diese  Laubholzstreifen  als  ,, Feuermäntel". 

§16.  Löschung  von  Waldbränden.  Ein  erst  im  Entstehen 
begriffener  Waldbrand  kann  oft  von  einem  oder  einigen  Menschen  gelöscht  werden, 
während  derselbe,  zu  größerer  Ausdehnung  gelangt,  nicht  selten  jeder  Anstrengung 
spottet  *).  Rasches  und  energisches  Eingreifen  ist  deshalb  von  größter  Bedeutung, 
die  Herbeischaffung  der  nötigen  Arbeitskräfte,  ihre  sachgemäße  Venvendung  und 
Leitung  die  Aufgabe  des  einschlägigen  Forstpersonales. 

Bodenfeuer  wird  am  zweckmäßigsten  durch  Ausschlagen,  oder  besser  ge- 
sagt durch  Ausfegen  oder  Ausdrücken  mit  belaubten  Zweigen  gedämpft, 
und  in  vielen  Fällen  reicht  man  damit  aus ;  man  rückt  dem  Feuer  von  den  Seiten  her 
zu  Leibe,  da  Hitze  und  Rauch  den  Angriff  von  der  Stirne  oft  unmöglich  machen, 
und  engt  es  hiedurch  mehr  und  mehr  ein  bis  zum  völligen  Erlöschen.  Das  Abräumen 
des  Bodenüberzuges  ist  meist  zu  zeitraubend,  bei  schon  größerer  Ausdehnung  des 
Feuers,  stärkerem  Luftzug  und  dadurch  erschwertem  Löschen  aber  in  der  Weise 
anwendbar,  daß  man  in  der  Windrichtung  in  hinreichender  Entfernung  von  der 
Brandstätte  einen  genügend  breiten  Streifen  möglichst  von  allem  brennbaren  Ma- 
terial reinigt,  damit  das  Feuer  hier  aus  ^Mangel  an  Nahrung  erlischt;  die  Benutzung  von 
Schneißen  und  alten  Wegen  erleichtert  diese  Arbeit  wesentlich,  und  es  erweisen 
sich  auch  hier  die  stets  rein  gehaltenen  Brandschneißen  als  sehr  förderhch. 

1)  In  der  bekannten  Tuchler  Heide  brannte  im  Jahr  1863  binnen  3  Tagen  eine  Fläche  von 
1276  ha  ab,  in  der  Gegend  von  Aaclien  im  Jahr  1900  eine  solche  von  900  ha.  Einer  der  gewaltig- 
sten AValdbrSnde  war  wohl  jener  im  Jahre  1905  auf  der  Herrschaft  Primkenau  in  Preußen,  der 
sich  über  nahezu  5000  ha  erstreckte! 


Schutz  gegen  Rauchschäden.     §  17.  211 

Schwieriger  ist  die  Bekämpfung  eines  Waldbrandes,  wenn  aus  dem  Bodenfeuer 
bereits  Gipfelfeuer  geworden,  und  nicht  selten  macht  dann  das  entfesselte 
Element,  durch  stärkeren  Wind  unterstützt,  jede  menschliche  .\nstrengung  vergeb- 
lich, erst  dann  erlöschend,  wenn  ihm  ein  breiter  Kahlschlag  oder  die  erreichte  Wald- 
grenze Halt  gebieten.  Unterbrechung  des  Schlusses  ist  hier  das  einzige  Hilfsmittel ; 
man  sucht  diese  durch  rasches  Breiterhauen  vorhandener  A\'ege  und  Sclineißen,  unter 
Benutzung  etwaiger  Brandschneißen  und  Feuermäntel,  zu  erreichen  und  beginnt 
auch  hier,  wie  bei  dem  oben  erwähnten  Reinigen  von  Bodenstreifen,  in  genügender 
Entfernung  von  der  Brandstelle,  um  nicht  während  der  Arbeit  vom  Feuer  überrascht 
zu  werden. 

Als  ein  zwar  etwas  bedenkliches  und  darum  nur  bei  großer  Gefahr  anzuwenden- 
des Mittel,  das  aber  in  manchen  Fällen  gute  Dienste  geleistet,  dient  bei  Bodenfeuer 
wie  bei  Gipfelfeuer  das  sog.  G  e  g  e  n  f  e  u  e  r:  das  Anzünden  des  brennenden  Schla- 
ges, der  brennenden  Dickung  an  der  dem  heranziehenden  Feuer  entgegengesetzten 
Seite,  damit  das  letztere,  einen  bereits  abgebrannten  Streifen  vorfindend,  hier  erlösche. 
Es  erfordert  die  .\nwendung  dieses  gefährlichen  Mittels  große  Vorsicht,  damit  nicht 
im  Gegenteil  der  Brand  in  die  anstoßenden  unter  Wind  liegenden  Bestände  getragen 
werde,  und  es  muß  die  Linie,  längs  welcher  das  Gegenfeuer  angezündet  werden  soll, 
gut  mit  Arbeitern  besetzt  sein;  der  Luftzug,  welcher  nach  einer  größeren  Brandfläche 
zu  von  allen  Seiten  her  zu  entstehen  pflegt,  hat  die  günstige  Wirkung,  daß  das  Gegen- 
feuer bei  Herannahen  des  Feuers  direkt  gegen  den  herrschenden  \^'ind,  also  nach  der 
Brandstätte  zu  brennt. 

S  t  a  m  m  f  e  u  e  r  wird  durch  Verstopfen  der  Oeffnungen  hohler  Stämme 
vor  oder  nach  dem  Fällen  derselben  gelöscht,  bei  E  r  d  f  e  u  e  r  n  ist  die  Isolie- 
rung der  glimmenden   Erdschichte   durch   genügend   tiefe   Gräben  nötig. 

.Jede  Brandstätte  ist  nach  geschehenem  Löschen  so  lange  zu  bewachen,  bis 
jede  Gefahr  eines  ^^'iedererwachens  des  Feuers  vorüber  ist;  glimmende  Stöcke  wer- 
den mit  Erde  überworfen  und  dadurch  abgelöscht.  Tunlichst  rasche  Wiederauf- 
forstung der  rasch  verunkrautenden  oder  vermagernden  Brandflächen  ist  die  weitere 
Aufgabe  des  Forstwirtes. 

5.  Schutz  gegen  Rauehsehäden '). 

§  17.  Auftreten  und  L'  r  s  a  c  h  e  n.  Als  eine  Schädigung  der  Wal- 
dungen, die  erst  in  den  letzten  Jahrzehnten  infolge  der  hochgesteigerten  Industrie 
in  größerem  Maßstabe  aufgetreten  ist  und  stellenweise  geradezu  zerstörend  auf  den 
Wald  einwirkt,  erscheinen  die  s.  g.  Rauchschäden. 

\\"ir  sehen  in  der  Nähe  industrieller  Werke  mit  starkem  Steinkohlenverbrauch, 
aber  auch  von  Hüttenwerken,  Zinkhütten,  Sodafabriken  und  ähnlichen  Etablisse- 
ments die  nahe  liegenden  Waldungen,  insbesondere  die  in  der  Richtung  des  herr- 
schenden Windes  gelegenen,  in  einen  kränkelnden  Zustand  geraten,  die  Nadeln  zuerst 
rot-  oder  gelbspitzig  werden  und  allmählich  absterben,  das  Laub  in  eigentümlicher 
Weise  mißfarbig  gerändert,  fleckig  und  vor  der  Zeit  absterbend.  Allmählich  fangen 
die  Kronen  der  Bäume  an,  licht  zu  werden,  Gipfel  und  Aeste  werden  dürrspitzig 
und  es  gehen  zuerst  einzelne  Individuen,  zuletzt  ganze  Bestände  ein  —  es  entsteht 


1)  Literatur:  Dr.  Schröder  und  Reuß,  Die  Beschädigung  der  Vegetation  durcli 
Rauch  1883.  Borggreve,  Waldschäden  im  Oberschlesischen  Industriebezirive  nach  ihrer 
Entstehung  durch  Hüttenraucli  etc.  1895.  Reuß,  Rauctibeschädigungen  in  dem  Gräfl.  Tiele- 
Winklerschen  Revier  Myslowitz-Kattowilz  1893.  W  i  s  1  i  c  e  n  u  5  ,  Sammlung  von  .\bhandlun- 
gen  über  .\bgase  und  Rauchschäden  1908  u.  ff. 

1-t* 


212  ^'I'-  Fürst,  Forstschutz. 

die  Rauchblöße;  bei  von  der  Rauchquelle  entfernter  gelegenen  Beständen  kommt  es 
nicht  so  weit,  aber  sie  zeigen  in  sichtlichem  Naclilassen  des  Zuwachses  wie  in  der  mangel- 
haften und  beschädigten  Belaubung  ebenfalls  die  Folgen  des  Rauches. 

Als  die  Ursache  dieser  Erscheinung  ist  nach  eingehenden  Untersuchungen  in 
erster  Linie  und  den  weitaus  meisten  Fällen  die  schweflige  Säure  zu  betrachten, 
welche  durch  Verbrennung  des  in  den  Steinkohlen  und  insbesondere  auch  in  den 
Braunkohlen  enthaltenen  Schwefels,  dann  bei  dem  s.  g.  Rösten  der  Erze  in  ganz 
außerordentlichen  Mengen  in  die  Luft  geht.  Seltener  sind  es  andere  Gase,  wie  Chlor- 
gas, Salzsäure,  salpetrige  Säure,  Zinkdämpfe,  welche  als  Ursache  der  Beschädigung 
zu  betrachten  sind. 

§  18.  Größe  der  Beschädigung.  Abwehr.  Die  Größe  der 
Beschädigung  ist  —  abgesehen  natürlich  von  der  Menge  der  ausströmenden  schädlichen 
Gase  —  vor  allem  abhängig  von  der  Holzart. 

Die  Nadelhölzer  mit  ihrer  zu  mehrjähriger  Funktion  bestimmten  Belaubung 
sind  empfindlicher,  als  die  Laubhölzer,  und  zwar  steht  ihre  Empfindlichkeit  in  direk- 
tem Verhältnis  mit  der  Dauer  der  Nadeln,  so  daß  also  die  Tanne  am  empfindlichsten 
ist,  an  sie  schließt  sich  sofort  die  Fichte,  dann  folgen  erst  Kiefer  und  Lärche.  —  Die 
Laubhölzer  sind  dank  ihrem  alljährlichen  Blattwechsel  widerstandsfähiger;  für  sie 
besteht  nach  Schröder  etwa  folgende  Skala  von  der  empfindlichsten  zur  \ffider- 
standsfähigsten  Holzart:  Bergahorn,  Linde,  Esche,  Buche,  Erle,  Birke,  Eiche,  Rot- 
eiche, doch  spielen  bezüglich  dieser  Reihenfolge  auch  Standort  und  Holzalter  eine 
Rolle. 

Die  Größe  und  Intensität  der  Beschädigung  ist  dann  weiter  abhängig  von  der 
Nähe  der  Rauchquelle  —  je  näher,  um  so  größer  der  Schaden.  Doch  macht  sich 
letzterer  auch  noch  auf  größere  Entfernung,  bis  zu  4  und  5  Kilometer  weit,  bemerk- 
lich und  spielt  hiebei  die  Lage  der  Rauchquelle  gegenüber  den  örtlich  herrschenden 
Winden  eine  sehr  bedeutende  Rolle.  Endlich  ist  auch  das  örtliche  Klima  von  Einfluß; 
durch  feuchte,  nebelreiche  Luft  und  häufige  Niederschläge  wird  der  Schaden  ge- 
steigert. 

Die  Bekämpfung  des  Schadens,  der  an  vielen  Orten,  so  vor  allem  in  dem 
industriereichen  Sachsen,  ein  sehr  bedeutender  ist,  stößt  auf  große  Schwierigkeiten. 

Die  industriellen  Werke,  welche  für  den  angerichteten  —  nach  seiner  Größe 
allerdings  sehr  schwierig  zu  bemessenden  —  Schaden  haftbar  erscheinen,  haben  sich 
erklärhcherweise  bemüht,  ihn  tunlichst  zu  mildern:  durch  Auffangen  der  entwei- 
chenden schwefligen  Säure  und  deren  Ueberführung  in  Schwefelsäure,  durch  Auf- 
führen hoher  Essen,  durch  welche  der  Rauch  bezw.  die  entweichenden  Gase  in  höhere 
Luftschichten  geführt  werden  sollten  —  beides  mit  nur  geringem  Erfolg. 

Aufgabe  der  Forstwirtschaft  wird  es  sein,  durch  Nachzucht  minder  empfind- 
licher Laubhölzer  an  Stelle  der  Nadelhölzer,  Erhaltung  von  Waldmänteln,  plenter- 
weisen Betrieb  den  Schaden  wenigstens  zu  mindern.  Die  vollständige  Rauchblöße 
dagegen  trotzt  allen  Kultun^ersuchen. 

II.  Gefährdungen  durch  die  organische  Natur. 

L  Gefährdung  durch  Tiere  '). 
§  19.    Bezeichnung    der    w  a  1  d  s  c  h  ä  d  1  i  c  h  e  n    Tiere.    Die  Zahl 
der  Tiere,  welche  im  Wald  sich  aufhalten,  ist  eine  außerordentlich  große,  viel  größer, 

1)  Literatur:  Die  gesamte  torstschädliche  Tierwelt  umfassen  folgende  Werke:  A  1  t  u  m  , 
Forstzoologie  1882.  D  ö  b  n  e  r  ,  Handbucli  der  Zoologie  mit  besonderer  Berücksichtigung  jener 
Tiere,  welche  in  bezug  auf  Forst-  und  Landwirtschaft  wichtig  sind,  1862.    R  a  t  z  e  b  u  rg  ,  Die 


Beschädigungen  durch  Weidetiere      §  21.  213 

als  sie  dem  flüchtigen  Beobachter  wohl  erscheinen  mag,  da  deren  versteckte,  teil- 
weise auch  nächtliche  Lebensweise  sie  vielfach  dem  Auge  entzieht.  Ebenso  mannig- 
faltig ist  diese  Tierwelt  auch  nacli  ihrer  Art,  vom  stolzen  Hirsch  herunter  bis  zur 
unscheinbaren  Larve  im  Holz,  der  Made  im  Innern  der  Raupe,  und  mannigfach  sind 
dementsprechend  auch  ihre  Beziehungen  zum  Wald,  der  ihnen  Obdach  und  Nahrung 
gibt,  letztere  entweder  direkt  durch  seine  Produkte,  oder  indirekt  durch  die  von  ihm 
ernährten  Tiere. 

Ein  großer  Teil  der  Tiere  des  Waldes  muß  nun  infolge  seiner  Ernährung  durch 
dessen  Produkte  und  bezw.  durch  Teile  der  von  uns  erzogenen  und  gepflegten  Holz- 
gewächse direkt  als  schädlich  bezeichnet  werden;  so  das  eßbare  Haanvild,  die 
Mäuse,  die  eigentlichen  Forstinsekten,  während  andere  infolge  des  Umstandes,  daß 
sie  waldschädliche  Tiere  verzehren,  als  u  n  b  e  d  i  n  g  t  nützlich  für  den  Wald 
bezeichnet  werden  müssen:  so  die  insektenfressenden  Vögel,  die  Raubinsekten  und 
Ichneumonen.  Eine  dritte  Gruppe  wird  nur  als  b  e  d  i  n  g  t  nützlich  oder  schäd- 
lich erklärt  werden  können,  so  z.  B.  die  Finken,  die  neben  Insekten  auch  Holz- 
samen, die  Marder  und  Wiesel,  die  neben  Mäusen  auch  nützliche  Vögel  verzehren. 
Eine  vierte  Gruppe  endlich :  mancherlei  Insekten,  die  auf  Unkräutern,  von  humosen  und 
faulenden  Stoffen  leben,  wird  als  indifferent  für  den  Waid  zu  bezeichnen  sein. 
Unsere  Aufgabe  ist  nun,  sowohl  die  dem  Wald  nützlichen  und  darum  in 
jeder  \A'eise  zu  begünstigenden,  als  auch  speziell  die  dort  schädlichen  Tiere 
nach  ihrer  Lebensweise  und  iiirem  durch  letztere  bedingten  Schaden  kennen  zu 
lernen  und  die  Mittel  zur  tunlichsten  Vorbeugung,  zur  mehr  oder  minder  erfolgreichen 
Bekämpfung  aufzusuchen.  Es  gehören  diese  Tiere  aber  3  großen  Gruppen  an:  den 
Säugetieren,  Vögeln  und  Insekten. 

1.  Schädliclie  Säugetiere. 

§  20.  Einteilung.  Die  dem  Wald  schädhchen  Säugetiere  lassen  sich  in 
3  Gruppen  bringen,  welche  sich  insbesondere  auch  durch  den  Einfluß,  den  der  Mensch 
auf  die  Beschützung  des  Waldes  gegen  jede  dieser  Gruppen  zu  üben  vermag,  unter- 
scheiden. Es  sind  die  Haustiere:  Pferde,  Rinder,  Ziegen,  Schafe,  Schweine, 
welche  zum  Zweck  ihrer  Ernährung  in  den  Wald  getrieben  werden,  gegen  die  der 
Mensch  den  letztern  vollständig  zu  schützen  imstande  ist,  insofern  die  Ueberwachung 
des  Eintriebs  oder  selbst  das  gänzliche  Fernehalten  in  seiner  Hand  liegt.  Es  sind  die 
jagdbaren  Säugetiere  —  Rot-,  Dam-,  Reh-,  Schwarzwild,  Hasen  — ,  die  der 
Mensch  bez.  ihrer  Zahl  fast  beliebig  zu  reduzieren,  die  größeren  Arten  selbst  ganz 
auszurotten  vermag,  so  daß  die  Reduktion  des  Schadens  ihm  anheimgegeben  ist; 
es  sind  endlich  die  kleinen  Nagetiere  des  Waldes  —  Mäuse,  Eichhörnclien, 
Schläfer  — ,  deren  .auftreten  ein  viel  wechselnderes,  von  äußeren  Einflüßen  abhängiges, 
deren  Bekämpfung  eine  viel  schwierigere  ist,  als  jene  der  vorher  genannten  Gruppe. 
Das  in  manchen  Ländern  jagdbare,  vielenorts  sehr  schädliche  Kaninchen 
schließt  sich  mehr  dieser  letzteren,  als  der  zweiten  Gruppe  sowohl  bezüglich  seiner 
Schädlichkeit,  als  seiner  schwierigeren  Bekämpfung  an. 

A.   Die  Haustiere. 
§  21.  Beschädigungen  d  u  r  c  h  W  e  i  d  e  t  i  e  r  e.    Die  Waldweide  war 
früher  bekanntlich  von  größerer  Bedeutung  für  die  Landwirtschaft  und  wurde  in 
ausgedehntester  Weise  ausgeübt,  vielfach  bis  zum  direkten  Ruin  des  Waldes  —  es 

AValdverderber  und  ihre  Feinde  (7.  .Aufl.  bearbeitet  von  Judeich,  1876).  Ratzeburg, 
Die  Waldverderbnis  1868.  A 1 1  u  m,  Waldbeschädigung  durch  Tiere  1889.  Eckstein,  Forstliche 
Zoolosie   1897. 


914  ^'''  Fürst,  Forstschutz. 

möge  nur  an  die  namentlich  durch  die  Ziegenweide  kahl  gewordenen  Berge  Griechen- 
lands, Istriens,  Tirols  erinnert  sein!  Sie  hat  jedoch  mit  dem  Uebergang  zu  einer 
rationellen  und  intensiven  Landwirtschaft  ihre  Bedeutung  vielenorts  ganz  verloren 
und  besitzt  eine  solche  in  Deutschland  fast  nur  noch  in  den  Gebirgswaldungen. 

Der  Schaden  durch  die  Weidetiere  —  Pferde,  Rinder,  Ziegen  und  Schafe  — 
kann  nun  bestehen  in  dem  Verbeißen  und  Abäsen  der  Knospen  und  jungen  Triebe, 
im  Benagen  der  Rinde,  dem  Zertreten  oder  gewaltsamen  Umbiegen  jüngerer  Pflanzen, 
dem  Lostreten  der  Erde  an  steileren  Gehängen,  dem  Festtreten  schweren  und  Auf- 
lockern leichten,  losen  Bodens,  endlich  dem  Beschädigen  der  Entwässerungs-  und 
Hegegräben  durch  den  Tritt. 

Es  ist  dieser  Schaden  aber  zunächst  ein  sehr  verschiedener  je  nach  der  einge- 
triebenen Tiergattung.  Während  das  Rindvieh  und  die  Pferde  das  Gras  den 
Holzpflanzen  vorziehen,  die  letzteren  erst  beim  Mangel  an  schon  vorhandenem  oder 
oder  an  noch  genießbarem  Gras  anzugreifen  pflegen,  sind  im  Gegenteil  die  Ziegen 
von  Natur  mehr  auf  den  Genuß  von  Laub  und  Knospen  holziger  Gewächse  angewiesen, 
ziehen  diese  Nahrung  dem  Gras  entschieden  vor.  Die  Schafe  nehmen  zwar  das 
Gras  gerne  an,  doch  zeigen  sie  in  der  Liebhaberei.  Holzgewächse  zu  benagen  und  zu 
verbeißen,  eine  entschiedene  Verwandtschaft  mit  den  Ziegen;  diese  sind  als  das  dem 
Wald  schädlichste  Weidetier  zu  betrachten  und  von  demselben  möglichst  fern  zu 
halten ! 

Dagegen  ist  der  Schaden  durch  den  Tritt  bei  den  seh  w  e  r  e  n  Weidetieren,  bei 
Pferd  und  Rindvieh,  entschieden  größer,  bei  ersterem  verstärkt  durch  den  eisenbe- 
schlagenen Huf,  durch  welchen  die  Pflanzen  empfindlicher  beschädigt  werden,  bei 
letzterem  durch  das  häufige  Ausrutschen  an  steilerem  Gehänge  bei  feuchtem  Wetter, 
wodurch  die  Erde  und  mit  derselben  die  Pflanzen  losgetreten  werden.  Junge  Pferde 
beschädigen  durch  Benagen  der  Rinde,  das  Hornvieh  durch  das  gern  geübte  Reiben 
nicht  selten  jüngere  Stangen  oder  stärkere  Pflanzen  (Heister  auf  Hutängern). 

§22.  Bedingungen  für  die  Größe  des  Schadens.  Außer 
durch  die  Viehgattung  ist  die  Größe  des  durch  die  Waldweide  hervorgerufenen 
Schadens  auch  durch  die  Art  und  Weise,  wie  der  Vieheintrieb  nach  Zahl,  Zeit, 
Aufsicht  erfolgt,  bedingt,  nicht  minder  aber  auch  durch  die  Beschaffen- 
heit der  Bestände,  welche  behütet  werden,  nach  Holz-  und  Betriebsart,  nach 
Alter  und   Standortsverhältnissen. 

Wird  das  Vieh  in  z  u  großer  Z  a  h  1  in  den  Wald  getrieben,  so  daß  Gras- 
und  Kräuterwuchs  zu  dessen  Ernährung  nicht  ausreichen;  beginnt  der  ^'ieheintrieb 
im  Frühjahr  zu  bald  und  ehe  genügend  Gras  gewachsen  ist,  wie  dies  namentlich 
nach  futterarmen  Jahren  gerne  geschieht,  oder  wird  er  zu  lange  in  den  Herbst  hinein 
fortgesetzt,  nachdem  das  Gras  schon  dürr  und  ungenießbar  geworden;  fehlt  es  end- 
lich an  genügender  Aufsicht  durch  eine  der  Zahl  des  ^'iehes  entsprechende  Anzahl 
von  Hütern,  so  muß  der  Schaden  natürlich  ein  viel  größerer  sein  als  im  entgegen- 
gesetzten Falle. 

Was  die  verschiedenen  Holzarten  anbelangt,  so  ist  es  eine  Anzahl  von  Laub- 
hölzern, die  in  erster  Linie  gerne  vom  A^ieh  angenommen  werden:  Rot-  und  Weiß- 
buche, Esche,  Eiche,  Ahorn,  —  während  die  Weichhölzer  dessen  Angriff  viel  weniger 
ausgesetzt  sind,  ja  zum  Teil  (Erle,  Birke)  nur  ausnahmsweise  verbissen  werden. 
—  Die  Nadelhölzer  sind  im  allgemeinen  im  minderen  Maß  dem  Verbeißen  durch  Weide- 
vieh ausgesetzt,  als  das  Laubholz,  dagegen  wird  ihnen  dasselbe  bei  ihrer  geringeren 
Reproduktionskraft  verderblicher.  Wo  andere  Nahrung  fehlt,  da  sehen  wir  übrigens 
auch  die  Knospen  und  jungen  Triebe  fast  sämtlicher  Nadelhölzer  von  dem  hung- 


Schutzniaßregeln  bei  Ausübung  ck-i'  Wt-ide.     §  23.  215 

rigen  Vidi  verbissen;  die  ein  geringes  Ausheilungsvermögen  besitzende  Fölire  wird 
hiedurch  rascli  zum  Krüppel,  Tanne  und  Firhte  dagegen  vermögen  sicii  eher  wieder 
zu  erholen. 

Schläge  und  Junghölzer  leiden  aus  naheliegendem  Grund  mehr  als 
ältere  Bestände,  in  welch'  letztern  die  Weide  naliezu  unschädlich  sein  kann.  Auf 
gutem,  frischen  B  o  d  e  n  ist  dem  Vieh  reichlichere  Bodennahrung  geboten, 
der  Holzwuchs  bleibt  infolge  dessen  mehr  verschont,  auch  vermögen  beschädigte 
Pflanzen  sich  leichter  zu  erholen  und  den  erlittenen  Verlust  zu  ersetzen,  als  auf 
trocknem,  mageren  Boden.  Endlich  wird  sich  im  s  c  h  1  a  g  w  e  i  s  e  bewirtschafteten 
Hochwald  der  Schaden  durch  Versperren  der  jungen  Bestände  auf  ein  Minimum  be- 
schränken lassen,  während  im  P  1  e  n  t  e  r  w  a  I  d  mit  seinem  liunten  Wechsel  alten  und 
jungen  Holzes  ein  solcher  Schutz  des  letztern  nicht  möglich  ist,  der  Schaden  sonach 
ein  größerer  sein  muß.  Nieder  Waldungen  entwachsen  durch  den  raschen 
Wuchs  der  Stockausschläge  bald  dem  Maule  des  Viehes,  auch  ist  der  Schaden  infolge 
der  bedeutenden  Reproduktionskraft  der  Ausschläge  ein  geringerer. 

§23.  Schutzmaßregeln  bei  Ausübung  der  Weide.  Aus 
dem  im  vorigen  Abschnitt  Gesagten  ergeben  sich  der  Hauptsache  nach  die  Maßregeln 
von  selbst,  durch  welche  bei  Ausübung  der  Waldweide  der  Schaden  möglichst  ver- 
mindert werden  kann.    Als  solche  erscheinen: 

Zulassung  der  Weide  nur  unter  Aufsicht  verlässiger  Hirten,  deren  Zahl 
sich  nach  der  Größe  der  Herde  zu  richten  hat;  Verbot  der  N  a  c  h  t  h  u  t,  bei  welcher 
jede  Aufsicht  unmöglich  ist;  Behängen  des  Viehes  mit  Glocken,  um  fehlende 
Stücke,  die  sich  von  der  Herde  weg  in  die  grasreicheren  Schläge  geschlichen  haben, 
leichter  zu  entdecken. 

Beschränkung  der  Weide  auf  jene  Bestände,  welche  bereits  dem  Maule  des 
Viehes  entwachsen  sind  ;Bezeichnung  der  von  der  Hut  ausgeschlossenen  Schläge 
oder  in  Verjüngung  stehenden  älteren  Bestände  durch  Warnungszeichen  für  die 
Hirten  (Stroliwische,  Tafeln  mit  entsprechender  Aufschrift).  Schutz  der  Schläge 
gegen  das  in  angrenzenden  Beständen  weidende  Vieh  durch  Einzäunung  oder 
durch  Schonungsgräben.  Herstellung  genügend  breiter  T  r  i  f  t  w  e  g  e  zum 
Durchtrieb  des  Viehes  zwischen  den  der  Hut  versperrten  Beständen,  um  das  Drängen 
des  Viehes  und  dessen  seitliches  Ausweichen  in  die  Schläge  zu  verhindern. 

Vermeiden  eines  zu  frühen  Beginns  der  Waldweide  und  zu  langen 
Fortsetzens  in  den  Herbst  hinein ;  Einhaltung  entsprechenden  Wechsels  in 
den  Weideplätzen,  damit  das   Gras  wieder  genügend  nachwachsen  kann. 

Schutz  der  Pflanzheister  auf  Hutungen  durch  U  m  d  o  r  n  e  n  oder  um  die 
Heister  geschlagene  starke  Pfähle  zum  Schutz  gegen  Benagen  und  Reiben  des  Viehes. 
Unterlassen  des  Vieheintriebes  an  steilen  Gehängen  bei  f  e  u  c  h.  t  e  m  W^etter,  wenn 
durch  das  Abrutschen  des  Viehes  das  Lostreten  des  vom  Regen  durchweichten  Bodens 
zu  fürchten  ist. 

Die  Waldweide,  früher  in  ausgedehntestem  IMaße  und  zum  schweren  Schaden 
des  \A'aldes  allenthalben  ausgeübt,  hat  insbesondere  in  Deutschland  zur  Zeit  an  Be- 
deutung sehr  verloren  und  ist  an  vielen  Orten  nahezu  erloschen.  Intensiverer  Betrieb 
der  Landwirtschaft  mit  Futterbau  und  Stallfütterung  einerseits,  die  derzeitige  Forst- 
wirtschaft mit  ihrer  schlagweisen  \'erjüngung,  iiiren  gleichaltrigen  geschlossenen  Be- 
ständen anderseits  haben  ihr  den  Boden  entzogen,  und  nur  die  Gebirge  pflegen  es  zu 
sein,  wo  sie  noch  in  ausgedehntem  Maßstabe  stattfindet,  aber  auch  noch  berechtigt 
erscheint.  Dort  stehen  vielfach  selbst  die  Schläge  dem  Weidevieh  offen,  ohne  bei  dem 
reichen    Graswuchs   allzusehr  durch   den  \'erbiß  zu   leiden.   —  Am  mißlichsten  er- 


216  VII.  Fürst,  Forstschutz. 

weist  sich  auch  hier  die  namenUich  in  südüchen  Gegenden  zaWreicher  vorkom- 
mende Ziege. 

§24.  Beschädigungen  durch  Schweineeintrieb.  Aehnlich 
wie  die  Waldweide  hat  auch  der  früher  in  ausgedehntem  JNIaß  ausgeübte  Schweine- 
eintrieb in  die  Waldungen  seine  Bedeutung  verloren:  das  Verschwinden  zahlreicher 
Eichen-  und  Buchenwaldungen,  der  Anbau  der  als  Mastfutter  dienenden,  alljährlich 
geratenden  Kartoffel  sind  wohl  als  Ursachen  hievon  zu  betrachten,  und  die  Mast- 
nutzung durch  Schweineeintrieb  findet  wenigstens  in  den  deutschen  Waldungen  nur 
noch  in  beschränktem  Maße  statt. 

Die  Schweine  können  nun  im  Walde  schädlich  werden  direkt  durch  ihre  N  a  h- 
r  u  n  g,  das  Aufzehren  von  Eicheln  und  Buchein,  die  sie  auch  nach  erfolgter  Keimung 
noch  gierig  annehmen,  indirekt  dadurch,  daß  sie  bei  dem  Wühlen  im  Boden  nach 
anderweiter  Nahrung,  wie  Insekten,  Schwämmen  u.  dgl.  —  der  sog.  Erdmast  — die 
Holzpflanzen  beschädigen,  oft  gänzlich  herauswühlen,  auch  die  Wurzeln  älterer 
Stämme  verletzen.  Auf  Hutungen  werden  sie  in  äluilicher  Weise  wie  das  Rindvieh 
durch  das  Reiben  an  Heistern  und  die  damit  verbundene  Rindenverletzung  und  Wur- 
zellockerung schädlich. 

Man  wird  dem  Schaden  vorbeugen,  ja  ihn  unter  Umständen  sogar  in  sein  Gegenteil 
verwandeln  können,  wenn  man  den  Eintrieb  nur  unter  guter  Aufsicht  gestattet, 
jüngere  Bestände  ausschließt,  die  durch  natürliche  Besamung  zu  verjüngenden  Be- 
stände in  Mastjahren  aber  entweder  nur  bis  zum  Abfall  der  Mast  behütet,  oder  in 
reichen  Mastjahren  die  Schweineherde  erst  nach  vorheriger  Sättigung  in  andern  Be- 
ständen durch  erstere  treibt:  die  Schweine  wühlen  dann  vorzugsweise  nach  sog.  Erd- 
mast, bringen  hiebei  den  Samen  gut  in  den  Boden,  lockern  diesen  letzteren,  und  reich- 
liche, kräftige  Besamung  pflegt  zu  erfolgen.  —  Daß  der  Eintrieb  von  Schweineherden 
zur  Vertilgung  schädlicher  im  Boden  liegender  Insekten  —  so  der  Puppen  der  Fohren- 
eule, des  Fohrenspanners  —  bisweilen  mit  gutem  Erfolg  Anwendung  findet,  wird 
später  noch  zu  erwähnen  sein. 

Gegen  das  Reiben  auf  Hutungen  schützen  die  im  vorigen  §  angegebenen  Mittel. 

B.    Das    jagdbare    Wild. 

§  25.  Schaden  durch  das  Rotwild.  Das  Rot-  oder  Edelwild  kann 
in  unsern  Waldungen  unter  Umständen  und  bei  stärkerer  Anzahl  sehr  schädlicii  wer- 
den, so  daß  beispielsweise  in  reich  besetztem  Wildpark  eine  Nachzucht  entsprechen- 
der Bestände  nur  bei  Anwendung  intensiver  Schutzmaßregeln  mögüch  ist. 

Diese  Beschädigungen  bestehen  zunächst  im  Abäsen  der  Knospen  und 
eben  entwickelten  Triebe  der  meisten  Holzarten,  so  von  Laubhölzern  insbesondere 
der  Eiche,  Buche,  Esche,  Ahorn,  von  den  Nadelhölzern  vor  allem  der  Tanne,  dann 
aber  auch  der  Fichte  und  Föhre ;  dagegen  werden  Birken,  Erlen,  Weiden  fast  nie  an- 
gegangen. Schwächere  Pflanzen  gehen  hiebei  selbst  ganz  zugrunde,  stärkere  suchen 
wohl  die  verlorenen  Teile  zu  ersetzen,  verkrüppeln  jedoch  bei  wiederholter  Beschädi- 
gung nicht  selten  vollständig. 

Es  sind  ferner  die  Früchte  der  Eiche,  Buche,  Edelkastanie,  die  das  Wild  be- 
gierig aufsucht  und  nicht  nur  in  den  natürlichen  Verjüngungen  in  nachteihger  Menge 
verzehrt,  sondern  auch  in  Saatkulturen  mit  großer  Sicherheit  zu  finden  weiß,  Herbst- 
saaten hiedurch  oft  vollständig  zerstörend ;  auch  die  Kotyledonen  der  Buche  sind  ihm 
eine  erwünschte  Aesung. 

Eine  der  mißlichsten  Untugenden  des  Rotwildes  aber  ist  das  sog.  Schälen, 


Schutzmittel  gegen  Wild.     §  26.  217 

das  Abnagen  oder  Abreißen  der  Rinde  verschiedener  und  zwar  gerade  forstlich 
wichtiger  Holzarten^).  Dieses  Schälen,  nach  Nördlingers  Angabe  schon  seit  Anfang 
des  18.  Jahrhunderts  in  Thüringen  zu  Hause,  hat  entsciiieden  an  Verbreitung  zuge- 
nommen, namentlich  bei  starken  \\"ildständcn  und  knapper  Ernährung,  und  wird 
für  viele  hoffnungsvolle  Fichtenstangenhölzer  geradezu  zum  Ruin.  In  A\'ildparks  mit 
ihren  meist  übergroßen  Wildständen  und  der  dadurch  bedingten  ausgiebigen  Fütte- 
rung, bei  welcher  das  trockene  Heufutter  eine  hervorragende  Rolle  zu  spielen  pflegt, 
gehört  das  Schälen  des  Rotwildes  zu  den  ständigen  Erscheinungen. 

Das  Wild  benagt  nun  hiebei  entweder  im  Winter  die  Rinde  g  1  a  1 1  r  i  n  d  i  g  e  r 
jüngerer  Pflanzen  und  Stangen  (beginnende  Borkebildung  setzt  demselben  sofort  ein 
Ende)  zum  Zweck  seiner  Sättigung,  die  Spuren  der  Zähne  sind  bei  dieser  Winter- 
s  c  h  ä  1  u  n  g  an  den  Stangen  deutlich  sichtbar;  oder  es  reißt  zur  Saftzeit  ganze  Rin- 
denlappen los,  oft  weit  hinauf  am  Baume  schlitzend  und  durch  diese  S  o  m  m  e  r- 
s  c  h  ä  1  u  n  g  die  Bäume  schwer  schädigend.  Beide  Arten  des  Schälens  sind  hienach 
leicht  zu  unterscheiden. 

Als  Ursache  des  Schälens  erscheint  nun  einerseits  Nahrungsmangel,  ander- 
seits aber  auch  unnatürliche,  den  Bedürfnissen  des  Wildes  an  Wasser  und  manchen 
Nährstoffen  nicht  zusagende  Ernährung,  wie  solche  insbesondere  durch  die  oben 
schon  er%vähnte  Heufütterung  stattfindet.  Der  Umstand,  daß  Rotwild  in  freier  Wild- 
bahn und  dort,  wo  ihm  in  Schlägen  und  Feldern  eine  reichliche  und  naturgemäße  Er- 
nährung geboten  ist,  nicht  oder  doch  in  minderem  ^laße  schält,  dürfte  für  die  Rich- 
tigkeit dieser  Anschauung  sprechen.  Die  Sommerschälung  scheint  außerdem  auch 
noch  auf  Naschhaftigkeit,  Spielerei,  übler  Angewöhnung  zu  beruhen. 

Die  Holzarten,  die  namentlich  geschält  werden,  sind  Ficlite,  Buche,  Eiche, 
Esche,  W'eymouthskiefer,  Tanne,  in  minderem  Maß  Föhre,  Lärche ;  namentlich  wird 
die  Föhre  durch  die  zeitig  eintretende  Borkebildung  geschützt,  während  die  glatt- 
rindige  Buche  noch  als  60 — 70jähriger  Stamm  geschält  wird.  Die  eigentlichen  Weich- 
hölzer, auch  die  Birke,  bleiben  meist  ganz  verschont. 

Als  Folgen  dieser  Beschädigungen  aber  treten  geringer  Wuchs  der  verletzten 
Stangen,  unregelmäßige  Stammbildung,  Angriffe  schädlicher  Forstinsekten,  Fäulnis 
der  Schälstelle  ein;  bei  Wind-  oder  Schneebruchbeschädigungen  kann  man  beob- 
achten, daß  der  Bruch  vielfach  an  der  Schälstelle  erfolgt.  Der  untere  wertvollste 
Stanmiteil  geschälter  Stämme  ist  zu  Nutzholz  unbrauchbar. 

Endlich  wäre  noch  die  Beschädigung  stärkerer  Pflanzen  und  schwächerer 
Stangen  durch  das  Fegen  der  Geweihe  und  das  Schlagen  zur  Brunftzeit  zu 
nennen,  wodurch  die  betroffenen  Stammindividuen  meist  zugrunde  gehen. 

§  26.  Schutzmittel.  Einem  größern  Wildschaden  wird  zunächst  v  o  r- 
gebeugt  werden  durch  Reduzierung  starker  Wildstände  und  durch  Sorge  für  ge- 
nügende und  naturgemäße  Ernährung  des  Wildes  durch  Fütterung  im  Winter,  Anlage 
guter  Wiesen,  Anpflanzung  masttragender  Bäume  (im  Wildpark).  Bezüglich  der 
Fütterung  sei  speziell  hervorgehoben,  daß  eine  reichliche  Beigabe  von  Eicheln,  Kar- 
toffeln, Mais,  Rüben  zu  dem  Heufutter  sich  als  vorteilhaft  erweist.  Die  Anlage  reich- 
licher Salzlecken  soll  dem  Schälen  (wohl  der  Sommerschälung)  einigermaßen  vor- 
beugen, ja  in  der  Beigabe  des  sog.  Holfeldschen  Wildfutterpulvers  ^)  (das  namentlich 
Galläpfel,  Eichenrinde,   Anis  und  zweifach  basisch  phosphorsauren  Kalk  enthält) 

1)  Vergl.  R  e  u  ß  ,  Die  Sctiälbeschädigung  durch  Hochwild,  speziell  in  Fichtenbeständen 
1888.  K  ä  rn  e  r ,  Das  Schälen  des  Rotwildes.  Thar.  Jahrb.  30.  S.  39.  S  e  i  b  t  ,  Das  Schälen  des 
Rotwildes  1911. 

2)  H  0  1  f  e  1  d  ,  K.,  Die  Bedeutung  des  phosphors.  Kalkes,  des  Kochsalzes  und  einiger  Pflan- 
zenstoffe für  Ernährung  und  Gedeihen  des  Hoch-  und  Rehwildes  1893. 


218  '^'11-   Fürst,  Forstschutz. 

ZU  den  Salzlecken  will  man  ein  nahezu  vollständiges  Schutzmittel  gegen  das  lästige 
Schälen  gefunden  haben. 

In  der  Vermeidung  der  (auch  durch  andere  Feinde  gefährdeten)  Herbstsaaten 
von  Eicheln  und  Buchein,  der  Anwendung  stärkerer  Pflanzen,  dann  der  Büschel- 
pflanzung, bei  welcher  doch  eher  auf  die  Verschonung  einzelner  Pflanzen  zu  hoffen 
ist,  liegen  weitere  Vorbeugungsmittel. 

Als  direktes  Schutzmittel  aber  erscheint  das  Einfriedigen  der 
Kulturflächen  oder  Schläge,  was  bei  starkem  Wildstand  bezw.  im  Wildpark  kaum  zu 
umgehen  ist,  und  wozu  man  in  neuerer  Zeit  vielfach  Drahtzäune  verwendet  hat.  In 
ausgedehntem  Maße  findet  ferner  das  Bestreichen  der  Gipfeltriebe  mit  dem  Wilde 
widerlichen,  den  Pflanzen  aber  unschädlichen  Substanzen,  das  Teeren  oder  Lei- 
men als  Schutz  gegen  das  Verbeißen  statt.  An  Stelle  des  zuerst  verwendeten,  für  die 
Knospen  aber  schädlichen  (ätzend  wirkenden)  Steinkohlenteers  wird  vielfach  die 
sog.  Schuber  tsche  Mischung  aus  Vs  Teer  mit  ^j  Kuh.dünger,  welche  sich  als  ganz 
unschädlich  erweist,  in  der  Neuzeit  aber  entsäuerter  Steinkohlenteer  benützt,  welch 
letztere  Substanz  mit  guter  Wirkung  und  vollständiger  Unschädlichkeit  den  Vorzug 
größerer  Appetitlichkeit  gegenüber  obiger  Mischung  verbindet.  Hyloservin  von 
Ermisch,  Schwefelcalcium,  Pomolin  sind  weitere  Mittel,  die  auf  Grund  angestellter 
\^ersuche  empfohlen  werden  ^). 

Das  Bestreichen  der  Knospen  geschieht  entweder  mit  der  handschuhbewaffne- 
ten Hand,  mit  einfachen  Bürsten  und  Pinseln  oder  mit  eigens  hiezu  konstruierten 
Bürstenapparaten,  so  mit  der  sehr  praktischen  B  ü  1 1  n  e  r  sehen  Doppelbürste  ^). 
—  Bei  zweckmäßiger  Ausführung  zeigt  das  Teeren  (Leimen)  sehr  befriedigenden  Erfolg. 

Auch  das  Bespritzen  der  Gipfel  mit  Kalk,  sowie  das  ,, Verkaufen",  bei  welchem 
auf  die  Gipfeltriebe  eine  kleine  Partie  trockenen  Hanfwerges  gelegt  wird,  hat  mit 
Erfolg  Anwendung  gefunden.  —  Als  neueres  Mittel  seien  die  von  dem  württem- 
bergischen Oberförster  L  a  n  z  erfundenen  und  empfohlenen  B  1  e  c  h  k  r  o  n  e  n 
genannt,  5  cm  lange  und  4  cm  hohe,  auf  einer  Seite  3  cm  tief  ausgezackte  Stückchen 
Weiß-  oder  Schwarzblech,  welche  so  um  die  zu  schützende  Gipfelknospe  herum- 
gelegt werden,  daß  diese  durch  die  scharfen  Spitzen  geschützt  ist.  Die  Befestigung 
geschieht  durch  einfaches  Andrücken. 

Schwieriger  als  das  ^'erbeißen  ist  das  S  c  h  ä  1  e  n  zu  bekämpfen,  das  in  fast 
allen  Wildparken  zu  Hause  ist,  doch  auch  in  freier  Jagd  vorkommt  und  die  Waldun- 
gen schwer  schädigt.  Man  schützt  jüngere  Fichten  und  Tannen  durch  Umbinden  des 
Schaftes  mit  den  noch  grünen,  hinauf-  oder  heruntergebogenen  Aesten,  in  Fichten- 
stangenhölzem  die  dominierenden  Stämme  durch  Umbinden  des  Stammes  mit  dem 
Astholz  der  bei  der  Durchforstung  anfallenden  Stangen  mittelst  Draht;  Solitärbäume 
umgibt  man  mit  weitmaschigem  Drahtgitter.  Mit  dem  F  1  a  m  m  i  g  e  r  sehen  Schutz- 
kratzer 3)  verletzt  man  die  Rinde  der  dominierenden  Fichtenstangen  leicht  und  er- 
zeugt dadurch  einen  schützenden  Harzausfluß,  ebenso  mit  dem  M  ü  n  s  t  sehen 
Punktierrad  oder  dem  Lanzschen  Harzhobel.  Bei  Laubhölzern  —  Buche,  Esche. 
Eiche  —  erzeugt  der  L  a  n  z  sehe  Rindenstriegel  *)  seichte  Kratzwunden  auf  der 
glatten  Rinde  und  dadurch  die  Bildung  von  Wundkork,  der  die  Rinde  rauh  und  dem 
Wild  minder  angenehm  macht. 


1)  Vergl.  Eckstein  in  Zeitschr.  f.  F.-  u.  J.-W.  1902,  S.  öiO;  ferner  „Anteeren  als  Mittel 
gegen  Wildverbiß",  Forstw.  Z.-Bl.  1900,  S.  21. 

2)  Forstw.   Z.-Bl.    1900   S.   21. 

3)  Forstw.   Z.-Bl.   1907   S.  606. 

4)  Hofjagdinspektor  Lanz  in  „Wild  und  Hund",  1908. 


Schaden  durcli  Hasen  und  Kaninchen.     §  29.  219 

§  27.  S  c  h  a  d  e  n  d  ii  r  c  h  D  a  ni-  u  n  d  R  e  h  w  i  1  d.  Die  Nahrung  des  D  a  m- 
wildes  gleiclit  jener  des  Rotwildes  und  der  Schaden  ist  daher  der  Hauptsache  nach 
der  gleiche;  doch  schält  es  nur  ausnahmsweise  da  und  dort  im  stark  besetzten  Wild- 
park, so  daß  wenigstens  diese  sehr  lästige  Beschädigung  entfällt. 

Auch  das  Rehwild  verbeißt  die  Knospen  und  jungen  Triebe  vieler  Holz- 
arten und  kann  hiedurch  bei  stärkerem  Stand  seiir  lästig  und  schädlich  werden,  ver- 
zehrt Eicheln  und  Buchein,  schält  jedoch  nie.  Der  Schaden,  den  die  Rehböcke  durch 
das  Fegen  ihrer  Gehörne  anrichten,  kann  ein  fühlbarer  dadurch  werden,  daß  dies 
Fegen  mit  besonderer  Vorliebe  an  seltener  vorkommenden,  in  die  Schläge  einge- 
pflanzten Holzarten  (Lärchen,  Weymouthskiefern,  Douglasien)  geschieht.  Speziell 
die  in  unsere  Waldungen  in  den  letzten  Jahrzehnten  neu  eingebrachten  Fremdhölzer 
haben  darunter  zu  leiden. 

Gegen  das  Verbeißen  durch  Dam-  und  Rehwild  bringt  man  die  schon  im  vori- 
gen §  besprochenen  Maßregeln  zur  Anwendung,  gegen  das  lästige  Fegen  der  Rehböcke 
schützt  man  etwa  die  eingepflanzten  Holzarten  (wenn  deren  Zahl  keine  zu  große) 
durch  sperrige  Aeste,  welche  man  neben  den  betr.  Pflanzen  in  die  Erde  stößt  oder  mit 
einer  Wiede  an  diese  bindet,  oder  durch  angebundene  Streifen  weißen  Papiers  als 
Scheuchen.  Auch  stärkere,  5 — 6zackige  Lanzsche  Kronen  (s.  §  26)  werden  zum 
Schutz  um  die  Stämmchen  gelegt  und  deren  Spitzen  nach  auswärts  gebogen. 

§  28.  S  c  h  a  d  e  n  d  u  r  c  h  S  c  h  w  a  r  z  w  i  1  d.  Gleich  dem  zahmen  Schwein 
geht  auch  das  Wildschwein  den  Eicheln  und  Buchein.  sowie  den  eben  aufgekeimten 
Sämlingen  gierig  nach,  zerstört  dadurch  insbesondere  Saatkulturen,  beschädigt  aber 
auch  durch  sein  ^^'ühlen  nach  Insekten,  Wurzeln  und  Schwämmen  viele  Pflanzen  in 
den  Schlägen.  Im  Laubholzwald  wird  das  Schwarzwild  viel  lästiger  als  im  Nadel- 
wald, in  welchem  es  durch  Vertilgung  zahlreicher  schädlicher  Insekten  nützlich  zu 
werden,  dem  aufmerksamen  Forstmann  auch  die  Anwesenheit  solcher  Feinde  durch 
sein  \^"ühlen  in  den  befallenen  Beständen  zu  verraten  vermag. 

Wo  Wildschweine  in  auch  nur  geringer  Zahl  vorhanden  sind,  wird  man  Saat- 
kulturen mit  Eicheln  und  Buchein  unterlassen  und  zur  Pflanzung  greifen  müssen. 
Saatkämpe  jeder  Art  bedürfen  stets  fester  Einfriedigung,  da  der  lockere  Boden  die 
Sauen  zum  Brechen  lockt. 

§  29.  Schaden  durch  Hasen  und  Kaninchen.  Der  Schaden 
durch  H  a  s  e  n  ist  ein  mäßiger  und  nur  im  strengen  Winter,  wenn  die  Saatfelder  durch 
Schneedecke  minder  zugänglich  sind,  ein  fühlbarer;  er  besteht  im  Abäsen  der 
Knospen,  namentlich  der  Laubhölzer  (Rot-  und  Weißbuchen,  Ulmen,  Ahorne, 
Eschen),  dann  im  Benagen  der  Rind  e,  wobei  der  Hase  neben  Obstbäumen  vor 
allem  die  Akazien,  die  ihm  besonders  zusagen,  heimsucht.  In  Forstgärten  kann  er  sehr 
lästig  werden  und  bedürfen  solche  für  Laubhölzer  (mit  Ausnahme  etwa  der  ihm  weni- 
ger zusagenden  Eiche)  eine  hinreichend  dichte  Einfriedigung;  Obstbäume  werden 
durch  Umbinden  mit  Domen,  Stroh,  Nadelreisig  geschützt. 

Viel  lästiger  als  der  Hase  wird  in  Feld  und  \^'ald  das  in  manchen  Gegenden  in 
großer  Zahl  vorkommende  Kaninchen.  Dieses  verzehrt  die  Knospen  nahezu 
aller  Holzarten,  verbeißt  selbst  Föhrenpflanzen  vollständig,  benagt  die  Rinde  nament- 
lich der  Rot-  und  \^'eißbuche,  Akazie,  Lärche  sehr  intensiv,  und  es  konzentriert  sich 
der  Schaden  hiebei  durch  seinen  steten  Aufenthalt  in  größerer  Zahl  am  gleichen  Ort 
—  in  der  Nähe  seiner  Baue  —  in  viel  höherem  Grad,  als  bei  dem  Hasen,  In  der  Nähe 
von  Kaninclienbauen  ist  oft  kaum  ein  Holzwuchs  aufzubringen  und  bleiben  öfters 
lästige  Lücken  in  den  Kulturen. 

Abhilfe  ist  nur  durch  tunlichst  starken  Abschuß  (Frettieren),  Zerstören  der 


220  ^'I-  Fürst,  Forstschutz. 

Baue,  Verwendung  starker  durch  Benagen  und  Verbeißen  minder  gefährdeter  Pflan- 
zen möglich  fSaatbeete  bedürfen  sehr  dichter  Einfriedigung,  ja  man  hat  sich  sogar 
schon  genötigt  gesehen,  ganze  Kulturflächen  nach  vorheriger  Säuberung  von  Kanin- 
chen mit  engmaschigem  Drahtgeflecht  einzufriedigen  (so  in  der  Rheinebene).  \'iel- 
fach  ist  man  geradezu  zu  einem  Vertilgungskrieg  gegen  die  schädlichen  Nager  genö- 
tigt, fängt  sie  in  kleinen  vor  die  Röhren  gelegten  Tellereisen  oder  tötet  sie  in  den  Bauen 
mit  Hilfe  des  giftigen  Sclnvefelkohlenstoff-Gases. 

C.    Die   kleinen    Nagetiere. 

§  30.  Schaden  durch  M  ä  u  s  e  i).  Zwei  Gattungen  von  Mäusen  halten 
sich  oft  als  lästige  Gäste  in  unseren  Waldungen  auf;  die  Gattung  Mus,  echte  Maus, 
durch  spitzen  Kopf,  große  Ohren  und  körperlangen  Schwanz  gekennzeichnet,  und 
vorwiegend  durch  die  Wald-  oder  Springmaus,  Mus  sylvaticus,  vertreten;  dann  die 
Gattung  Arvicola,  Wühlmaus  mit  dickerem  Kopf,  kleineren  Ohren  und  kurzem 
Schwanz,  durch  drei  Arten  repräsentiert:  durch  die  eigentliche  Feldmaus,  A.  arvalis, 
die  sich  namentlich  im  Herbst  vom  Feld  in  den  Wald  zurückzieht,  durch  die  Rötel- 
maus, A.  glareolus,  und  durch  die  Wasserratte  oder  Mollmaus,  A.  amphibius. 

Der  Schaden,  der  den  Waldungen  durch  die  Mäuse  zugehen  kann,  ist  nament- 
lich in  Laubholzwaldungen  ein  oft  sehr  bedeutender:  durch  das  Aufzehren  der 
Sämereien,  der  Eicheln,  Buchein,  Kastanien,  in  Saatbeeten  auch  jener  von 
Linden-  und  Weißbuchen-,  in  minderem  IMaß  der  Nadelholzsämereien;  ferner  durch 
das  Benagen  der  noch  zarten  Rinde  jüngerer  Holzpflanzen  während  des  Winters, 
namentlich  der  \A'eiß-  und  Rotbuche,  auch  Eiche  und  Esche,  im  Notfalle  aber  nahezu 
sämtlicher  Holz-  und  Straucharten,  auch  der  Nadelhölzer,  teils  unmittelbar  am  Bo- 
den, teils  bis  zur  Höhe  von  einigen  Metern,  wobei  ihnen,  namentlich  der  Rötelmaus, 
die  Gewandtheit  im  Ivlettern  zustatten  kommt.  Dieses  Benagen  geht  oft  bis  zum 
völligen  Abschneiden  schwächerer  Pflanzen,  und  zarte  Nadelholzpflanzen  werden 
unter  der  die  !\Iäuse  schützenden  Schneedecke  oft  reihenweise  abgeschoren.  Die 
Mollmaus  nagt  unterirdisch  selbst  starke  Wurzeln  vollständig  durch. 

Jederzeit  in  geringerer  Zahl  im  Wald  vorhanden,  vermehren  sich  die  Mäuse  unter 
dem  Einflüsse  warmer,  trockner  Frühjahre  und  Sommer,  sowie  milder  Winter  oft 
außerordentlich,  sich  dabei  im  Herbst  durch  Zuzug  vom  Felde  her  verstärkend. 
Geschützte  Oertlichkeiten,  wie  starker  Grasüberzug  des  Bodens,  Gestrüppe,  dichte 
natürliche  Verjüngungen,  starke  Laubdecken  ziehen  sie  einerseits  besonders  stark  an, 
begünstigen  anderseits  ihre  Vermehrung;  dagegen  werden  sie  durch  heftige  Regen- 
güsse, trockenen  Frost  ohne  Schneedecke,  Nässe  mit  nachfolgendem  Frost  oft  in 
kürzester  Zeit  bis  auf  geringe  Reste  vernichtet.  Großen  Abbruch  tun  ihnen  die  zahl- 
reichen Feinde:  alle  Raubtiere  unseres  Waldes  vom  Fuchs  bis  zum  Wiesel  und  Igel, 
die  Raubvögel,  obenan  Eulen  und  Bussarde,  dann  Krähen;  auch  wilde  und  zahme 
Schweine  verzehren  die  Mäuse  begierig,  und  unter  gewöhnlichen  Verhältnissen  wird 
ihre  Zahl  durch  diese  Feinde  im  Zaum  gehalten,  deren  Schonung  daher,  soferne  ihr 
anderweiter  Schaden  kein  überwiegender,  als  Vorbeugungs  mittel  zu  emp- 
fehlen sein. 

Zerstörung  der  Brutstätten  durch  Entfernung  des  Grasfilzes  und 
Gestrüppes  aus  den  gefährdeten  Oertlichkeiten ;  Vermeidung  von  Herbstsaaten 
mit  den  oben  bezeichneten  Sämereien  in  Mäusejahren;  Schutz  der  Saatbeete  durch 
Umfassungsgräben  mit  steil  abgestochenen  Wänden  und  in  der  Sohle  ein- 

1)  Vergl.  A  1 1  u  m  ,  Unsere  Mäuse  etc.   1880. 


Schaden  durch  Eichhörnchen  und  Schläfer.     §  31.  221 

gesetzten  Töpfen;  endlich  selbst  unschädliche  Fütterung  der  Mäuse,  indem  man 
iii  den  gefährdeten  Buchenschlägen  Stockausschläge  und  ^^'eichhölzer  fällt  und  gleich 
dem  Reisig  des  etwaigen  Nachhiebsmaterials  über  \A'inter  liegen  läßt,  damit  die  Mäuse, 
sich  an  den  Knospen  und  Rinden  dieser  Hölzer  sättigend,  die  Pflanzen  verschonen 
—  sind  als  weitere  \^  o  r  b  e  u  g  u  n  g  s  m  i  1 1  e  1  zu  nennen.  Alsbaldiges  Abschneiden 
ringsum  benagter  Laubholzpflanzen  im  Frühjahr  mindert  durch  den  sofort  erschei- 
nenden Stockaussciilag  den  Schaden. 

Die  Vertilgung  der  in  Ueberzahl  vorhandenen  Mäuse  wird  mit  einigem  Er- 
folg nur  in  Saatbeeten,  in  denen  allerdings  schon  eine  kleinere  Zahl  lästig  werden 
kann,  durch  Vergiftung  und  ausnahmsweise  mit  Fallen  platzgreifen  können. 
Die  Vergiftung  erfolgt  mit  Weizenkörnern  oder  aus  Mehl  gefertigten  Pillen,  welche 
mit  Phosphor,  Arsenik  oder  Strychnin  vergiftet  und  entweder  direkt  mit  Hilfe  von 
Blechröhren  in  die  ^lauslöcher  geworfen  oder  in  Drainröhren  von  geringem  Durch- 
messer ausgelegt  werden;  Arsen- Weizen  hat  sich  nach  neueren  Versuchen  am  besten 
bewährt.  —  Der  Landwirt  macht  von  dem  Mittel  der  Vergiftung  viel  ausgedehnteren 
Gebrauch  als  der  Forstmann,  wendet  bei  größerem  Mäusefraß  auch  den  Löfflerschen 
Typhus-Bazillus  an,  der  nach  Dr.  G  e  h  r  h  a  r  d  t  s  Mitteilung  ^)  auch  im  Wald  er- 
folgreiche Anwendung  fand. 

§  3L  S  c  h  a  d  e  n  d  u  r  c  h  E  i  c  h  h  ö  r  n  c  h  e  n  u  n  d  Schläfer.  Die  Be- 
schädigimgen  des  ^^'aldes  durch  Eichhörnchen  können  namentlich  in  .Jahren, 
in  welchen  ihnen  die  beliebteste  Winternahrung,  die  Eicheln,  Buchein  und  Nadelholz- 
sämereien fehlen,  oft  sehr  empfindliche  sein. 

Sie  beißen  dann  zu  ihrer  Ernährung  die  Knospen,  namentlich  auch  die  kräftigen 
Terminalknospen  der  Nadelhölzer  ab;  minder  nachteilig  ist  das  Abbeißen  der  klei- 
nem Seitentriebe  der  Fichte,  deren  Blatt-  und  Blütenknospen  dann  ausgefressen 
werden  —  die  abgebissenen  etwa  fingerlangen  Triebe,  unrichtig  als  ,, Absprünge"  be- 
zeichnet, liegen  oft  massenhaft  unter  den  älteren  Fichten. 

Großen  Schaden  ^)  richten  die  Eichhörnchen  bisweilen  im  Frühjahr  in  Nadel- 
holzbeständen  durch  das  bald  völlige,  bald  platzweise  oder  ringförmige  Entrinden  der 
Gipfel  an,  wobei  sie  die  zarte  Rinde  verzehren,  die  Saftschichte  ablecken;  bisweilen 
liegt  auch  die  abgeschälte  Rinde  in  Fetzen  am  Boden  und  ^\^^rde  sonach  nur  die 
Basthaut,  das  Kambium,  verzehrt. 

Auch  ihre  Liebhaberei  für  die  oben  genannten  Holzsämereien  vermag  sehr 
lästig  zu  werden,  namentlich  in  Saatbeeten;  sie  holen  Eicheln,  Buchein,  Edelkasta- 
nien aus  dem  Boden,  die  Eicheln  auch  nach  schon  erfolgter  Keimung,  verzehren  die 
saftigen  Kotyledonen  der  Buchen  und  können  dadurch  empfindlich  schaden.  —  Den 
Nadelholzsamen  erlangen  die  Eichhörnchen  durch  Entschuppen  der  halbreifen  und 
reifen  Zapfen,  und  insbesondere  unter  Fichten  liegen  die  Spindeln  und  Schuppen  der 
zernagten  Zapfen  oft  in  großen  Mengen. 

Das  einzige  Gegenmittel  gegen  den  Schaden  durch  die  Eichhörnchen  —  die  auch 
als  Nesträuber  durch  ^'e^nichten  nützlicher  Sing\'ögel  schaden  —  ist  entsprechende 
Verringerung  durch  Abschuß,  der  ohne  große  Schwierigkeit  durch  das  Schutzpersonal 
ausgeführt  werden  kann. 

Die  sog.  Schläfer  oder  Haselmäuse  (Myoxus)  kommen  in  ganz  Deutsch- 
land vor,  fallen  aber  als  kleine,  nächtliche  Tiere  nicht  ins  Auge  und  sind  hier  wohl 


1)  A.   F.-  u.   J.-Z.   1911,   S.   37. 

2)  Aus  der  Schweiz  ist  ein  Fall  konstatiert,  in  welchem  ein  13  ha  erroßer  15 — 40-jähri2rer 
Bestand  von  Fichten,  Föhren  und  Lärchen  auf  solche  Weise  fast  völlig  ruiniert  wurde.  (Scliw. 
Z.   1883,   S.    192). 


222  V'I-  Fürst,  Forstschutz. 

nirgends  so  zahlreich,  daß  der  durch  sie  verursachte  Schaden  —  ringweises  Benagen 
der  Rinde,  naraentlicli  der  Rotbuche,  Weißbuche,  sowie  auffallenderweise  der  Erle 
und  Birke,  dann  Verzehren  der  Eicheln,  Buchein  —  ein  größerer  wäre  und  zur  Ab- 
wehr nötigte.  In  größerer  Zahl  kommen  sie  dagegen  in  Krain,  Kärnten,  Tirol  vor  und 
haben  dort  durch  Entrinden  junger  Nadelholzstämme  schon  sehr  namhaften  Schaden 
verursacht.  Die  Bekämpfung  ist  infolge  der  nächtlichen  Lebensweise  dieser  Tierchen 
sehr  schwierig  und  kann  nur  durch  Wegfangen  der  Haselmäuse  in  Fallen  geschehen*). 

2.  Schädliche  Vögel. 

§  32.  Die  Nachteile,  welche  durch  die  V  o  g  e  1  w  e  1 1  unseren  Waldungen  zu- 
gehen können,  sind  verhältnismäßig  geringe  und  örtlich  begrenzte;  ein  Teil  der  hier  zu 
nennenden  Vögel  macht  sich  gleichzeitig  durch  Insektenvertilgung  wieder  mehr  oder 
weniger  nützlich,  andere  sind  jagdlich  geschätzte  Tiere,  und  wir  werden  daher,  von 
Vertilgungsmaßregeln  absehend,  uns  auf  Angabe  einiger  Schutzmittel  zu  be- 
schränken haben. 

Das  Auergeflügel,  im  Winter  vorzugsweise  auf  die  Ernährung  durch  Holz- 
knospen angewiesen,  kann  sehr  lästig  werden,  wenn  es  diese  seine  Nahrung  an  den 
Pflanzen  unserer  Saatkulturen  oder  Forstgärten  sucht;  ein  paar  Stücke,  den  einmal 
angenommenen  Aesungsplatz  einhaltend,  entwipteln  dann  oft  Hunderte  von  Fichten, 
Föhren  und  Tannen,  zumal  bei  Schnee  jeder  herausragenden  Pflanze  den  Gipfel  ab- 
äsend. —  Ueberdecken  der  Beete  mit  Schutzgittern,  der  Beete  oder  wenigstens  Beet- 
wege mit  sperrigem  Reisig  oder  Dornen  gibt  in  Saatbeeten  den  nötigen  Schutz; 
auch  Anteeren  der  Knospen  (s.  §  26)  und  Ueberspannen  der  Saatbeete  mit  Draht  hat 
man  mit  Erfolg  angewendet,  ^'iel  geringer  ist  der  Schaden  durch  B  i  r  k  w  i  1  d 
und  H  a  s  e  1  w  i  1  d. 

Die  Wildtauben  verzehren  sowohl  Buchein  und  Eicheln  wie  Nadelholz- 
sämereien und  werden  durch  letztere  Liebhaberei  insbesondere  auf  Freisaaten  im 
Frühjahr  bisweilen  schädlich,  weniger  in  Saatbeeten,  da  sie  nicht  scharren,  nur  obenauf 
liegenden  Samen  verzehren.  Durch  öfteres  Schießen  an  den  bedrohten  Plätzen  sind 
sie  leicht  fern  zu  halten. 

Der  Nuß-  oder  Eichelhäher  —  nützlich  als  Insektenvertilger,  schädlich 
als  Nesträuber  —  kann  durch  seine  Liebhaberei  für  Eicheln,  Buchein,  Edelkastanien 
und  durch  die  Sicherheit,  mit  welcher  er  diese  Früchte  selbst  bei  guter  Bedeckung  mit 
Erde  zu  finden  weiß,  in  Saatkulturen  und  Saatbeeten  oft  sehr  lästig  werden,  die  Saa- 
ten stark  dezimieren.  Bewachen  der  Saatplätze,  \^'egschießen  der  Häher,  Decken  der 
Saatbeete  mit  Dornen,  sperrigen  Aesten  oder  Schutzgittern  sind  die  anzuwendenden 
Schutzmittel. 

Die  Finken  arten  werden  in  Freisaaten  wie  Saatbeeten  durch  das  .\ufzelu-en 
der  Föhren-,  Fichten-,  Lärchensamen,  das  Abbeißen  der  eben  aufgekeimten,  noch  die 
Samenhülle  tragenden  Pflänzchen  der  genannten  Holzarten  oft  sehr  nachteilig.  .\uch 
Buchein  und  deren  Kotyledonen  werden  von  den  Bergfinken  und  Buchfinken  ver- 
zehrt. 

Freisaaten  müssen  zur  Strichzeit  gegen  die  oft  starken  Flüge  der  Bergfinken 
bewacht  werden,  Saatbeete' schützt  man  durch  die  bekannten  Saatgitter.  Als  ein  mit 
gutem  Erfolg  zum  Schutz  der  Nadelholzsaatbeete  angewendetes  Büttel  ist  das  Ver- 
giften des  Samens  mit  roter  Bleimennige  (Bleioxyd)  zu  nennen.    Ein  geringes  Ouan- 


1)   H  e  ß  (Forstschulz  (Bd.  I  S.  156)  teilt  mit,  daß  in  Krain  in  Buchenmastjahren  bis  800  000 
solcher  Haselmäuse  (Billiche)  gefangen,  verspeist  und  deren  Felle  verkauft  werden. 


Die  Forslinsekten  im  allgemeinen.     §  33.  223 

tum  des  sehr  billigen  und  überall  zu  habenden  Mittels  reicht  hin,  um  jedem  Korn 
des  etwas  angefeuchteten  Samens  einen  leichten  Ueberzug  jenes  Schutzmittels  zu 
geben*)  und  sowohl  das  Korn  in  ungekeimtem  Zustand,  als  den  noch  die  Samenhülle 
tragenden  Keimling  zu  schützen.  Ein  Töten  der  Vögel  findet  dabei  erfreulicherweise 
nicht  statt,  doch  meiden  diese  den  vergifteten  Samen. 

3.  Schädliclie  Insekten-). 

§  33.  Die  F  o  r  s  t  i  n  s  c  k  t  e  n  im  allgemeinen.  Die  gefährlichsten 
Feinde  des  Waldes  aus  der  Tierwelt  sind  entschieden  die  Insekten;  ihre  rasche  Ver- 
mehrung und  ihr  dadurch  ermöglichtes  Erscheinen  in  oft  kolossaler  Zahl,  ihre  meist 
geringe  Größe  und  hiedurch  bedingte  schwierige  Bekämpfung  und  Vertilgung  sind  es, 
die  sie  zu  solch  gefährlichen  Feinden  machen. 

Nicht  jedes  Insekt,  welches  auf  unsern  Waldbäumen  lebend  sich  von  einzelnen 
Teilen  derselben  nährt,  bezeichnen  wir  als  schädliches  F  o  r  s  t  i  n  s  e  k  t,  sondern 
belegen  mit  diesem  Namen  nur  jene,  welcb.e  —  sei  es  nun  öfter  oder  seltener  —  in 
größerer  Anzahl  auftretend  nicht  nur  den  einzelnen  Baum,  sondern  den  Bestand  oder 
gar  den  Wahl  mehr  oder  weniger  gefährden. 

Jederzeit,  wenn  auch  in  geringer  Zahl  im  Walde  vorhanden,  und  durch 
geringe  Größe,  un.scheinbare  Färbung  und  verborgene  Lebensweise  sich  dem  Auge 
leicht  entziehend,  vermag  sich  eine  Anzahl  jener  Insekten  bei  ihrer  Fortpflanzung 
gebotenen  günstigen  Bedingungen  außerordentlich  rasch  zu  vermehren.  Es  läßt  sich 
dabei  nicht  in  Abrede  stellen,  daß  unsere  gegenwärtige  Wirtschaftsweise  mit  ihren 
großen  Schlägen,  ihren  ausgedehnten  gleichalten  und  gleichartigen  Beständen  der 
Vermehrung  mancher  Insekten,  insbesondere  jener  aus  der  Klasse  der  Kulturverder- 
ber,  entschieden  günstig  ist,  und  daß  eine  Anzahl  früher  viel  weniger  bekannter  und 
gefürchteter  Insekten  unseren  Waldungen  in  den  letzten  Jahrzeh.nten  großen  Schaden 
zugefügt  hat. 

Dieser  Schaden  tritt  nun  in  sehr  verschiedener  Weise  hervor:  In  den  Kulturen 
werden  die  Pflanzen  durch  den  Fraß  der  Insekten  im  Wuchs  gestört,  zum  Kränkeln 
und  Absterben  gebracht,  selbst  ganze  Kulturen  vernichtet,  die  dann  unter  großen 
Kosten  und  mit  Zuwachsverlust  erneuert  werden  müssen.  Aeltere  Bestände  werden 
im  Wuchs  beeinträchtigt,  durch  das  Absterben  befallener  Stämme  durchlöchert,  ja 
oft  in  großer  Ausdehnung  getötet  und  müssen  vorzeitig  abgetrieben  werden;  infolge 
der  bedeutenden  Holzraassen,  die  zu  Markt  gebracht  werden  müssen,  sinken  die 
Holzpreise,  geringe  Sortimente  wie  Reisig  und  Stockholz  werden  oft  geradezu  unver- 
wertbar. Die  Hiebsordnung,  im  Laufe  oft  langer  .Jahre  mit  Opfern  hergestellt,  wird 
zerstört,  die  gesamte  Forsteinrichtung  durch  eine  größere  Insektenkalamität  über 
den  Haufen  geworfen.  Die  Kasse  des  Waldbesitzers  endlich  wird  durch  die  anzuwen- 
denden A'erhütungs-  und  ^'ertilgungsmaßregeln,  die  Nachbesserung  und  Erneuerung 
der  Kulturen,  die  steigenden  Arbeitslöhne  u.  ä.  oft  in  sehr  harter  Weise  betroffen. 
Angesichts  dieser  Beschädigungen  und  der  stets  drohenden  Gefahr  ist  es  Auf- 
gabe jedes  Forstmannes,  sich  mit  den  wichtigsten  Forstinsekten,  deren  Lebensweise 
und  den  auf  diese  gegründeten  \'erluitungs-  und  Verlilgungsmaßregeln  bekannt  zu 


1)  Vergl.  Fürst,  Pflanzenziiclit  4.  .\ul'l.  S.  157. 

2)  Literatur:  H  e  n  s  c  h  e  1  ,  Leitfaden  zur  Bestimmung  der  schädlichen  Forst-  und  Obst- 
bauminsekten, 1876.  Ratzeburg,  Die  Forstinsekten,  3  feile,  1837 — 1844.  J  u  d  e  i  c  h  und 
N  i  t  z  s  c  h  e  ,  Lehrbuch  der  mitteleuropäischen  Forslinsektenkunde,  1885.  Taschenberg, 
Forstwirtsch.  Insektenkunde,  1874.  —  Dr.  N  ü  13  1  i  n  ,  Leitfaden  der  Forstinsektenkunde  1905. 
Vergl.  auch  die  Lit.-.-\ngabe  bei  S  19, 


224  VII.  Fürst",  Forstschutz. 

machen,  und  es  bilden  diese  letzteren  einen  wichtigen  Teil  der  Lehre  vom  Forst- 
schutz. 

§  34.  Lebens  weiseder  Forstinsekten.  Strenge  genommen  gehört 
nur  der  letzterwähnte  Teil  der  Insektenkunde :  die  Lebensweise  der  Forstinsekten,  in- 
soferne  durch  sie  die  Maßregeln  der  Verhütung  und  Vertilgung  bedingt  sind,  in  das 
Gebiet  des  Forstschutzes,  während  die  Insektenkunde  im  allgemeinen,  die  Organo- 
graphie,  Physiologie,  Systematik  in  das  Gebiet  der  Zoologie  zu  vei-weisen  sind.  Zum 
leichteren  Verständnis  des  Nachfolgenden,  wie  verschiedener  wiederholt  gebrauchter 
technischer  Ausdrücke,  mögen  jedoch  gleichwohl  einige  kurze  Erörterungen  über  die 
Lebensweise  der  Insekten  im  allgemeinen  hier  folgen. 

Die  überwiegende  Mehrzahl  der  Insekten  durchläuft  vier  von  einander  grund- 
verschiedene Entwicklungsstadien  und  damit  eine  vollkommene  Metamor- 
phose: Ei,  Larve,  Puppe  und  fertiges  Insekt  (Imago) :  nur  eine  kleine  Zahl  hat  eine 
unvollkommene  Metamorphose,  bei  welcher  sich  das  Puppenstadium  von 
jenem  des  fertigen  Insektes  nicht  oder  nur  wenig  unterscheidet,  eine  Puppen  ruhe 
nicht  besteht. 

Von  dem  Imago  werden  die  E  i  e  r  bald  einzeln,  bald  in  großer  Zahl  zusammen 
abgelegt;  je  nach  der  Jahreszeit,  in  welcher  diese  Eiablage  erfolgt,  schlüpfen  aus  den 
Eiern  schon  nach  wenig  Wochen  oder  erst  nach  vorheriger  Ueberwinterung  die 
Larven. 

Letztere  werden  nun  Maden  genannt,  wenn  sie  wie  bei  den  Fliegen  fußlos 
sind;  die  Larven  der  Käfer  zeigen  hornigen  Kopf  und  3  lange  Beinpaare  (Enger- 
linge) oder  nur  Fußstummel,  die  Raupen  der  Schmetterlinge  haben  5  oder  8  Bein- 
paare (erstere  geringere  Zahl  die  sog.  Spannerraupen),  und  endlich  die  sog.  After- 
raupen der  Blattwespen  besitzen  (mit  Ausnahme  der  Gespinst-Blattwespen) 
9 — 11  Beinpaare. 

Ist  die  Larve  ausgewachsen,  so  verpuppt  sie  sich,  und  zeigt  als  P  u  p  p  e  ent- 
weder schon  alle  Teile  des  fertigen  Imago,  sich  von  diesem  nur  durch  andere  Färbung 
und  ihren  Ruhezustand  unterscheidend  —  gemeißelte  Puppe  — ,  oder  sie  ist 
mit  einer  diese  Teile  verhüllenden  Haut  umgeben  —  maskierte  Puppe.  Diese 
liegt  entweder  nackt  in  der  Erde  oder,  durch  einige  Gespinstfäden  befestigt,  in  einer 
Rindenritze,  zwischen  Nadeln  etc.,  oder  sie  ist  mit  einem  schützenden  dichten  Ge- 
spinst, dem  K  o  k  o  n,  umgeben.  Besteht  die  die  Puppe  umgebende  Hülle  aus  der 
nicht  abgestreiften  Larvenhaut,  so  wird  sie  Tonne,  Tönnchen  genannt.  Als  Bei- 
spiele seien  für  gemeißelte  Puppen  jene  der  Käfer,  für  maskierte  jene  der  Schmetter- 
linge genannt ;  nackt  liegen  die  Puppen  des  Föhrenspanners  unter  dem  Moos,  in  großen 
Kokons  die  Puppen  des  Kiefernspinners,  in  Tönnchen  jene  der  Blattwespen. 

Der  Verpuppung  folgt  eine  bald  nur  wenige  Wochen  dauernde,  bald  aber  — 
bei  Ueberwinterung  im  Puppenzustand  —  über  6 — 8  Monate  sich  erstreckende  Pup- 
penruhe, und  dieser  die  Entwicklung  des  fertigen  Insekts  (Imago),  des  Käfers,  Schmet- 
terlings usf.;  bei  Insekten  mit  unvollkommener  Entwicklung  fehlt  diese  Puppen- 
ruhe. Dem  Ausschlüpfen  des  Imago  folgt  in  den  meisten  Fällen  alsbald  die  Paarzeit, 
Flug-  oder  S  c  h  w  ä  r  m  z  e  i  t  genannt,  bei  einigen  Insekten  jedoch  auch  erst  nach 
vorheriger  Ueberwinterung.  In  den  meisten  Fällen  folgt  der  Paarzeit  ziemlich  rasch 
das  Absterben  der  fast  durchaus  kurzlebigen  Imagines,  des  Männchens  nach  der  Be- 
gattung, des  Weibchens  nach  der  Eierablage;  doch  hat  man  bei  einzelnen  Insekten, 
namentlich  Käfern,  auch  eine  verhältnismäßig  lange  Lebensdauer  beobachtet. 

Auf  die  Größe  der  Vermehrung  ist  neben  der  Zahl  der  abgelegten  Eier  auch  die 
sog.   Gener  ationsdau  er  von  Einfluß,  die  Zeit,  welche  vom  Zeitpunkt  der 


Handb.AForsiwiss.  SAufl.  II. 


Reichhnid  Belang.  Lith.Kunstanstall,  ö.m.b.  H.  Münch( 


H.Loupp'sche  Budihandlung  mTubingen. 


Verbreitung  und  \crniehrung  der  Forstinsekten.     §  35.  225 

Eicrablage  bis  zur  Sclnvärmzeit  der  diesen  Eiern  entsprossenen  Insekten  verstreicht; 
sie  ist  außerordentlich  verschieden,  umfaßt  bei  manchen  Arten  nur  wenige  Wochen, 
bei  andern  selbst  mehrere  Jahre,  und  man  nennt  die  Generation 

einfach,  wenn  sich  alljährlich  eine  Generation  entwickelt,  wie  bei  den  meisten 
Schmetterlingen, 

doppelt,  wenn  deren  zwei  in  einem  .Jahre  zur  Entwicklung  gelangen  (Borken- 
käfer, Blattwespe), 

mehrfach,  bei  sehr  kurzer,  innerhalb  Jahresfrist  sich  öfter  wiederholender  Ent- 
wicklung (Ichneumonen,  Blattläuse), 

zweijährig,  wenn  das  Insekt  zwei  volle  Jahre  zu  seiner  Entwicklung  bedarf 
(Holzwespe,  Bockkäfer,  Harzgallenwickler),  endlich 

mehr  j  ä  h  r  i  g,  wenn  hiezu  3  und  selbst  4  Jahre  nötig  sind  (Maikäfer). 

Die  Insekten  werden  entweder  nur  im  Larvenzustand  schädlich  (so  die  Schmet- 
terlinge), oder  als  Imagines,  wie  bei  einem  Teil  der  Käfer  (großer  Rüsselkäfer,  spanische 
Fliege),  oder  endlich  in  b  e  i  d  e  n  eben  genannten  Entwicklungsstadien  (so  Maikäfer, 
Waldgärtner). 

§  35.  V  e  r  b  r  e  i  t  u  n  g  u  n  d  ^'  e  r  m  e  h  r  u  n  g.  Die  Verbreitung  der  Forst- 
insekten ist  in  horizontaler  wie  vertikaler  Richtung  eine  sehr  bedeutende,  doch  nimmt 
aus  naheliegenden  Gründen  zunächst  die  Zahl  der  Arten,  dann  auch  jene  der  Indivi- 
duen wie  gegen  Norden,  so  auch  mit  der  Meereshöhe  ab,  und  im  eigentlichen  Hoch- 
gebirge treten  nennenswerte  Insektenbeschädigungen  nur  seltener  auf. 

Was  die  gefährdeten  Holzarten  betrifft,  so  lebt  zwar  auf  manchen  Laubhölzem, 
so  z.  B.  der  Eiche,  eine  große  Zahl  von  Insekten,  aber  nur  wenige  Laubholzinsekten 
treten  in  geradezu  bedrohlicher  Menge  auf,  und  die  den  Laubhölzern  innewohnende 
größere  Reproduktionskraft  vermag  die  erlittene  Beschädigung  auch  leichter  wieder 
auszuheilen.  Von  den  Nadelhölzern  beherbergen  Tanne  und  Lärche  nur  wenige 
schädliche  Insekten,  dagegen  sind  es  zwei  unserer  verbreitetsten,  in  reinen  Beständen 
auf  ausgedehnten  Flächen  vorkommende  Holzarten:  Fichte  und  Föhre,  welche 
am  häufigsten  und  schwersten  unter  Insektenbeschädigungen  zu  leiden  h.aben.  Auf 
ilinen  findet  sich  auch  eine  Anzahl  streng  monophag  lebender  Insekten,  während  eine 
große  Zahl  der  auf  Laubholz  vorkommenden  polyphag  ist,  die  verschiedensten  Holz- 
arten angeht. 

Die  \'ermehrung  der  schädlichen  Forstinsekten  ist,  wie  schon  oben  erwähnt, 
einigermaßen  bedingt  durch  die  Generationsdauer;  im  weitem  sind  es  äußere  Ein- 
flüsse, durch  welche  die  \'ermehrung  der  Insekten  begünstigt  wird:  heiße  Sommer, 
trockene  Witterung  zur  Zeit  der  Häutung  der  Larven,  des  Schwärmens,  vor  allem 
aber  reichlich  dargebotene  Brutstätten.  Dies  letztere  gilt  insbesondere  für  eine  Reihe 
von  Nadelholzinsekten,  die  zur  Ablage  ihrer  Brut  vor  allem  Holz  mit  stockendem  oder 
doch  geschwächtem  Saftfluß  aufsuchen,  erst  bei  großer  Verneinung  auch  notgedrun- 
gen an  gesunde  Stämme  gehen;  ihnen  bieten  Wind- und  Schneebruchmaterial,  frisch 
gefälltes,  im  W'ald  liegendes  Holz,  frische  Stöcke,  durch  vorherigen  Raupenfraß  küm- 
mernde Stämme  und  Bestände  diese  Brutstätten  in  reichem  Maß,  und  alle  Ereignisse, 
durch  welche  solche  Brutstätten  in  großer  Menge  geschaffen  werden,  führen  gleich- 
zeitig die  Insektengefahr  herbei.  Oertlichkeiten,  von  welchen  die  letztere  hienach  aus- 
geht, nennen  wir  Insekten  h  erde. 

Dagegen  treten  ungünstige  Witterung,  heftige  Regengüsse,  naßkaltes  Wetter 
der  Vermehrung  mancher  Insekten,  so  namentlich  der  nackten  Raupen  hemmend 
entgegen;  Krankheiten,  sowie  Pilzbildungen,  welche  an  den  Raupen  und  Puppen  im 
Winterlager  sich  zeigen,  vernichten  oft  die  Mehrzahl  in  kurzer  Zeit;  endlich  aber  ist 

Handb.  d,  Porstwiss.     3.   Aufl.     II.  15 


226  ^"-  Fürst,  Forslschulz. 

es  eine  Reihe  von  Tieren,  welche  uns  im  Kampf  gegen  die  Forstinsekten  unterstützen. 
Als  solche  erscheinen  die  insektenfressenden  Vögel:  Stare,  Krähen,  Baumläufer, 
Spechte,  Meisen,  Drosseln,  die  meisten  der  kleinen  Singvögel,  Kuckuck,  Häher,  kleinere 
Raubvögel,  Eulen;  ferner  eine  Anzahl  Säugetiere:  Mauhvau-f,  Spitzmaus,  Igel,  Eich- 
horn, Wiesel,  Iltis,  Marder,  Dachs,  Fuchs,  Fledermäuse,  zahme  und  wilde  Schweine; 
endlich 

§  36.  D  i  e  n  ü  t  z  1  i  c  h  e  n  F  o  r  s  t  i  n  s  e  k  t  e  n.  .Mit  diesem  Namen  bezeich- 
nen wir  jene  Insekten,  welche  uns  entweder  durch  Verzehren  der  Eier,  Larven, 
Puppen  oder  Imagines  schädlicher  Insekten  nützlich  werden  —  wir  nennen  sie  Räu- 
ber oder  Raubinsekten  —  oder  welche  ihre  Eier  in  die  Larven,  seltener  Eier  oder 
Puppen,  anderer  Insekten  absetzen  und  durch  das  Schmarotzen  ihrer  ausschlüpfenden 
Larven  töten  —  Schmarotzer  oder  Parasiten. 

Als  die  wichtigsten  Arten  aus  beiden  Gruppen  seien  genannt: 

1.  Als  Räuber:  Hier  steht  obenan  die  an  Arten  wie  Individuen  sehr  zahl- 
reiche Gruppe  der  Laufkäfer  (Carabus),  die  sowohl  als  Larven  wie  als  Käfer 
andere  Insekten  verzehren.  Von  besonderer  Bedeutung  sind  die  sog.  Kletterlauf- 
käfer, welche  ihrer  Nahrung  nicht  nur  am  Boden,  sondern  auch  auf  den  Bäumen 
nachgehen,  im  Laubholz  der  kleinere  Galosoma  Inquisitor,  in  Nadelholzbeständen  der 
große  Galosoma  sycophanta  (s.  Taf.  I  Fig.  5). 

Weiter  sind  zu  nennen  die  in  sandigen  Gegenden  häufigen  und  in  mehreren 
Arten  auftretenden  Sandkäfer  (Cicindela),  die  M  o  d  e  r  k  ä  f  e  r  (Staphylinus), 
der  Bunt-  oder  Ameisenkäfer  (Clerus  formicarius)  (s.  Taf.  I  Fig.  4),  dessen 
rötliche  Larve  unter  der  Rinde  den  Borkenkäferlarven  nachgeht,  die  S  t  e  c  h  w  e  s- 
p  e  n  (Vespa),  Wolfsfliegen  (Asilus),  die  Schmetterlinge  fangenden  L  i- 
bellen  (Libellula),  die  allbekannten  Marienkäferchen  (Coccinella)  als  Ver- 
tilger der  lästigen  Blattläuse,  endlich  die  Ameisen  (Formica). 

2.  Als  Schmarotzer:  Die  Raupenfliegen  (Tachina)  und  die  außer- 
ordentlich zahlreiche  und  mannigfaltige  Familie  der  Schlupfwespen  (Ichneu- 
mon) 1).  Diese  beiden  Insektengruppen  sind  für  die  Vertilgung  schädhcher  Insekten 
von  großer  Bedeutung  und  seien  deshalb  hier  etwas  eingehender  besprochen. 

Die  Raupenfliegen  oder  Tachinen  (s.  Taf.  I  Fig.  1),  zur  Ordnung  der 
Zweiflügler  gehörend  und  Stubenfliegen  ähnelnd,  jedoch  an  dem  stark  behaarten 
Hinterleib  leicht  kenntlich,  kleben  ihre  Eier  äußerlich  an  die  Raupe  und  zwar  meist 
wohl  nur  e  i  n  Ei,  doch  finden  sich  bei  großer  Vermehrung  der  Tachinen  deren  auch 
mehrere  an  einer  Raupe.  Die  ausschlüpfenden  Läi'vchen  bohren  sich  nun  ins  Innere 
der  Raupe,  von  deren  Säften  lebend;  doch  gehen  die  Raupen  nicht  alsbald  zu  Grunde, 
zeigen  große  Freßlust  und  gelangen  vielfach  sogar  zur  Verpuppung.  Die  ausgewach- 
sene Tachinenlarve  bohrt  sich  durch  die  Haut  ihres  Wirtes,  der  Raupe  oder  Puppe, 
die  nun  zu  Grunde  gehen,  heraus,  läßt  sich  zur  Erde  fallen  und  verpuppt  sich  in  einem 
Lraunen  oder  schwarzen,  geringelten  Tönnchen,  aus  welchem  nach  kurzer  Puppen- 
ruhe, teilweise  auch  nach  Ueberwinterung  die  Fliege  erscheint.  —  Im  Walde  jeder- 
zeit vorhanden,  vermehren  sich  die  Raupenfliegen  bei  Vorhandensein  zahlreicher 
Raupen  und  dadurch  gebotener  reicher  Gelegenheit  zur  Eiablage  sehr  rasch  und 
leisten  bei  Bekämpfung  von  Raupenkalamitäten  —  so  der  Nonne,  der  Eule  —  eine 
sehr  bedeutende   Hilfe. 

Bei  den  zu  den  Aderflüglern  gehörigen  Schlupfwespen  oder  Ichneumo- 
nen (s.  Taf.  I  Fig.  2  u.  3)  legt  das  Weibchen  je  nach  der  sehr  wechselnden  Größe  der 


1)  Vergl.  Ratzeburg,  Die  Ichneumonen  der  Forstinsekten.    3  T.  1844 — 1852. 


Mittel  der  Abwehr.     §  37.  227 

betr.  .^rt  nur  ein  oder  einige  Eier,  bei  kleineren  Arten  aber  deren  oft  eine  sehr  bedeu- 
tende Zalil  mit  Hilfe  eines  Legebohrers  i  n  die  Larven,  seltener  in  die  Eier  und  Pup- 
pen, von  Schmetterlingen,  Käfern  und  Blattwespen  ab.  Aehnlich  den  Tachinen 
leben  die  ausschlüpfenden  Läi-vchen  von  den  Säften  des  befallenen  Tieres  (des  Wirtes) 
und  bohren  sich  in  der  Regel  nach  vollendetem  Wachstum  aus  dem  Ei  bezw.  der  nun 
zugrunde  gehenden  Lars'e  heraus,  um  sich  in  einem  Kokon,  der  meist  auf  dem  Fraß- 
objekt klebt,  zu  verpuppen.  Die  Raupenkadaver  sind  oft  geradezu  mit  solchen  klei- 
nen Kokons  bedeckt  —  so  beispielsweise  jene  des  großen  Kiefernspinners  mit  den 
zahlreichen  weißen  Kokons  des  kleinen  Microgaster  globatus.  Aus  den  letztern  schlüpfen 
nach  kurzer  Puppenruhe  dielmagines,  und  da  die  ganze  Entwicklung  nur  wenige  Wochen 
in  Anspruch  nimmt  — es  sei  denn,  daß  sie  in  den  Raupen  überwintern  — ,  so  ist  die 
Vermehrung  bei  Vorhandensein  reicher  Gelegenheit  zur  Eiablage  eine  sehr  bedeutende. 

Ob  Raupen  angestochen  sind,  läßt  sich  bei  nackten  und  hellfarbigen  Raupen 
an  den  dunkeln  Stichflecken  erkennen,  außerdem  durch  Sektion  unschwer  fest- 
stellen. Angestochene  Raupen  fressen  noch  mit  großer  Gier  fort,  kommen  selbst 
noch  zur  Verpuppung  (bei  schwacher  und  erst  spät  erfolgter  Besetzung),  nie  aber  zur 
Entwicklung  als  Imago. 

Die  Bedeutung  der  Ichneumonen  ist  teils  überschätzt  worden,  indem  man 
glaubte,  ihnen  allein  die  Bekämpfung  eines  Raupenfraßes  überlassen  zu  dürfen,  teils 
unterschätzt,  indem  man  darauf  hinwies,  daß  sie  in  größter  Zahl  sich  erst  dann  ein- 
stellten, wenn  jene  Kalamität  ihrem  naturgemäßen  Ende  nahe  sei.  Das  Richtige 
dürfte  in  der  Mitte  liegen! 

Ichneumonen  wie  Tachinen,  jederzeit  im  Walde  vorhanden,  werden  unter  n  o  r- 
malen  Verhältnissen  durch  ihre  Lebensweise  der  Vermehrung  der  Raupen  hindernd 
entgegentreten.  Treten  jedoch  Verhältnisse  ein,  welche  diese  letztere  besonders  be- 
günstigen (s.  §  35),  so  werden  die  genannten  Insekten  die  Vermehrung  nicht  hindern 
können,  da  ihre  eigene  Vermehrung  eben  erst  durch  das  Vorhandensein  einer  größern 
Zahl  von  Raupen,  die  ihnen  als  Wirte,  als  Brutstätten  dienen,  bedingt  ist;  aber  sie 
werden  in  solchem  Fall  dazu  beitragen,  die  Zahl  der  Raupen  rasch  zu  mindern  und 
hiedurch  die  Kalamität  abzukürzen.  — 

§  37.  Mittel  der  Abwehr.  Die  Mittel  zur  Abwehr  schädlicher  Insekten 
sind  zu  unterscheiden  als  Mittel  der  Vorbeugung  und  als  solche  der  eigentlichen 
Vertilgung.  Angesichts  des  Umstandes,  daß  die  letztere  bei  bereits  vorhandenen 
großen  Insektenmengen  schwierig,  selbst  geradezu  unmöglich  ist,  wird  es  vor  allem  Auf- 
gabe des  Forstmannes  sein,  der  Vermehrung  der  im  Walde  stets  vorhandenen  schäd- 
lichen Insekten  nach  Kräften  vorzubeugen,  mit  den  Mitteln  der  Vertil- 
gung sofort  in  den  ersten  Stadien  der  Vermehrung  zu  beginnen. 

Zu  diesem  Zweck  ist  in  erster  Linie  nötig  die  rechtzeitige  Entdeckung  einer 
drohenden  Insektengefahr,  wie  sie  durch  aufmerksame  und  fleißige  Revision  der  Wal- 
dungen ermöglicht  wird.  Kenntnis  der  in  den  betreffenden  Waldungen  vorzugsweise 
zu  fürchtenden  Insekten,  ihrer  Lebensweise,  der  Oertlichkeiten,  wo  sie  vor  allem  zu 
erwarten  sind  —  der  Insektenherde  —  wird  hienach  selbst  dem  einfachsten  Schutz- 
bediensteten nötig  sein.  Im  Walde  liegende  Windbrüche,  Schläge  mit  frischen  Stöcken, 
frisch  gefälltem  Holz  (Nadelholz),  trockene  Sandliügel  mit  geringen  Beständen, 
kränkelnde  Kulturen  sind  vor  allem  im  Auge  zu  behalten;  Bohrlöcher  und  Bohrmehl, 
Raupenkot,  abgebissene  Nadeln,  rasch  absterbende  Stämme  und  Pflanzen,  die  Tätig- 
keit insektenfressender  Vögel  (Kuckucke.  Krähen)  und  anderer  Tiere  (Wildschweine) 
verraten  dem  aufmerksamen  Forstmann  die  sich  mehrenden  Feinde  und  lassen  ihn 
zu  rascher  Abwehr  schreiten. 

15* 


228  ^  "•  Fürst,  Forstschutz. 

Wir  haben  oben  gesagt,  daß  eine  Anzahl  von  Nadelholzinsekten  (die  Borken-, 
Bast-  und  Rüsselkäfer)  ihre  Brutstätten  zunächst  in  Holz  mit  stockendem  Saftfluß 
sucht,  in  frisch  gefällten,  gebrochenen  oder  sonst  stark  beschädigten  Stämmen,  fri- 
schen Stöcken  u.  dgl.  Alle  Mittel,  durch  welche  wir  den  Insekten  solche  Brutstätten 
entziehen,  werden  daher  als  Vorbeugungsmittel  zu  betrachten  sein :  Rechtzeitige  Auf- 
arbeitung und  Abfuhr  oder  Entrindung  des  Holzes,  Rodung  der  Stöcke,  Verbrennen 
des  etwa  wertlosen  Astholzes  einerseits,  aber  auch  richtige  Hiebsführung  zur  A'ermei- 
dung  des  Windbruches,  rechtzeitige  Durchforstungen  als  Mittel  gegen  Schneeschaden, 
Unterlassen  der  Führung  großer  Kahlschläge  und  ähnliche  Mittel  waldbaulicher  Art 
anderseits. 

Tritt  aber  trotz  solcher  Vorsichtsmaßregeln  eine  größere  Insektenkalamität  ein, 
wie  dies  namentlich  nach  bedeutenderen  Beschädigungen  des  Waldes  durch  Sturm, 
Schnee,  Brand  auch  ohne  unsere  Schuld  der  Fall  sein  kann,  dann  sind  die  Mittel  der 
Vernichtung  in  Anwendung  zu  bringen.  Auch  sie  schließen  sich  eng  an  die 
Lebensweise  der  einzelnen  Insekten  an,  werden  in  jenem  Stadium  der  Entwicklung 
vorzunehmen  sein,  in  welchem  eine  möglichst  massenhafte  und  vollständige  Ver- 
tilgung am  ersten  tunlich;  sie  sind  hienach  bei  den  verschiedenen  Insekten  natür- 
lich sehr  verschieden  und  werden  bei  deren  Besprechung  näher  bezeichnet  werden. 

§  38.  Größeund  Beurteilung  des  Schadens.  Der  Nachteil,  der 
durch  die  Insekten  den  Bäumen  und  Beständen  zugeht,  ist  ein  sehr  verschiedener, 
kann  sich  auf  einigen  Zuwachsverlust  und  Störung  freudiger  und  normaler  Entwick- 
lung beschränken,  aber  auch  das  Absterben  der  beschädigten  Pflanzen  und  Stämme 
nach  sich  ziehen.  Bei  Laubhölzern  tritt  dies  letztere  nur  selten  und  dann  an  Pflanzen 
oder  schwächern  Stämmen  ein,  dagegen  sehen  wir  bei  Nadelhölzern  die  stärksten 
Stämme  und  ausgedehnte  Bestände  in  oft  kurzer  Zeit  vernichtet. 

Am  gefährlichsten  erweist  sich  stets  die  Zerstörung  der  S  a  f  t  h  a  u  t  oder  der 
Wurzel  n,  während  eine  Zerstörung  der  Blätter  und  Nadeln  von  den  reproduktions- 
kräftigen Laubhölzern  überwunden  wird,  von  den  Nadelhölzern  aber  wenigstens  dann 
überwunden  werden  kann,  wenn  die  Knospen  für  das  nächste  Frühjahr  schon  aus- 
gebildet waren;  ist  dies  nicht  der  Fall,  so  wird  ein  Kaiilfraß  stets  das  Absterben  nach 
sich  ziehen,  während  die  Laubhölzer  sich  mit  Hilfe  der  .Johannitriebe  neu  begrünen. 
—  Auf  frischem,  kräftigem  Boden  ist  die  Erholungsfähigkeit  beschädigter  Kulturen 
und  Bestände  stets  größer,  als  auf  geringem,  trockenem  Standort,  ebenso  in  feuch- 
tem, regenreichem  Sommer  gegenüber  anhaltender  Trockenheit. 

War  die  Insektenbeschädigung  eine  lokal  eng  begrenzte,  so  wird  man  sich 
nicht  scheuen,  stärker  beschädigte  Bestände  abzutreiben ;  bei  großer  Ausdehnung  des 
Fraßes  ist  es  aber  von  Wichtigkeit,  zu  entscheiden,  welche  Bestände  t  ö  1 1  i  c  h  be- 
schädigt seien,  welche  dagegen  die  Hoffnung  auf  Erhaltung  und  Erholung  geben, 
damit  man  den  Markt  nicht  unnötig  überfülle,  aber  auch  durch  verzögerte  Aufarbei- 
tung nicht  die  Qualität  des  Holzes,  die  durch  Stocken,  Blau-Werden  etc.  rasch  eine 
geringere  wird,  beeinträchtige. 

Schlaffe  Knospen,  bräunhche  Flecken  auf  Bast  und  Splint,  allerlei  Insekten 
unter  der  Rinde  sind  schlechte  Zeichen,  kräftige  Knospen,  gesunde  Safthaut  lassen, 
zumal  auf  besserem  Boden  und  bei  jüngeren  Beständen,  Erholung  hoffen;  bei  letzte- 
ren wird  man  überhaupt  mit  dem  Einschlag  länger  zögern,  als  bei  einem  an  sich  hau- 
baren Bestand.  —  Rasche  Aufarbeitung  des  abgestorbenen  Holzes,  Entrindung,  Auf- 
spalten, Aufstapeln  auf  trockenen  luftigen  Lagerplätzen  beugt  der  Qualitätsminde- 
rung möglichst  vor. 

§  39.    E  i  n  t  e  i  1  u  n  g  d  e  r  s  c  h  ä  d  1  i  c  h  e  n  F  o  r  s  t  i  n  s  e  k  t  e  n.    Die  Ein- 


Die  Borkenkäfer  im  allgemeinen.     §  40.  229 

teilung  und  Gruppierung  der  scliädlichen  Forstinsekten  kann  in  mannigfacher  Weise 
erfolgen;  man  kann  sie  gruppieren  nacii  ihrer  systematischen  Einteiluag  als 
Käfer,  Schmetterlinge,  Netzflügler  usw.;  nacii  der  beschädigten  Holzart  als  Laub- 
und Nadelholzinsckten,  nach  dem  Alter  der  gefährdeten  Bestände  als  Bestandsver- 
derber  und  Kultul•^•erderber,  nach  den  beschädigten  Stammteilen  als  Holzverderber, 
Blattverderber,  Wurzelverderber  usw.,  als  technisch  oder  physiologisch  schädliche 
Insekten,  endlich  als  sehr  schädliche,  merklich  schädliche  und  wenig  schädliche.  Wir 
halten  es  für  das  zwecltmäßigste  und  übersichtlichste,  diese  Einteilung  nach  den 
zwei  großen  und  der  Hauptsache  nach  geschiedenen  Gruppen  der  Nadelholz- 
und  L  a  u  b  h  o  I  z- Insekten  vorzunehmen  und  innerhalb  jeder  dieser  Gruppen  zu- 
nächst die  Käfer,  dann  die  Schmetterlinge  und  anschließend  die  wenigen  den  übri- 
gen Insektenklassen  angehörigen  Insekten  zu  besprechen,  welche  sich  als  forst- 
schädlich erweisen. 

Dem  Zweck  und  begrenzten  Umfang  vorliegender  Abhandlung  entsprechend 
müssen  wir  uns  auf  eine  kurze  Besprechung  der  schädlichsten  und  am  häufigsten  auf- 
tretenden Forstinsekten  beschränken,  glauben  aber  doch  auch  jene  anführen  zu  sol- 
len, welche,  wie  z.  B.  Harzgallenwickler  und  Deformitäten-Erzeuger  verschiedener 
.\rt,  zwar  meist  keinen  wesentlichen  Schaden  verursachen,  jedoch  durch  die  auf- 
fallende Art  ihrer  Beschädigung  die  Aufmerksamkeit  im  Walde  auf  sich  ziehen. 

A.    Nadelholz-Insekten. 

I.  Käfer. 

§  40.  Die  Borkenkäfer  im  a  1  1  g  e  m  e  i  n  e  n  i).  Die  Borkenkäfer 
(Scolytidae)  gehören  zu  den  gefährlichsten  Feinden  des  Nadelholzes,  indem  sie,  in  der 
Regel  die  Safthaut  zerstörend,  die  stärker  befallenen  Stämme  rasch  zum  Absterben 
bringen;  auch  auf  Laubholz  kommt  eine  Anzahl  vor  (s.  §  66),  lebt  aber  vorzugsweise 
im  S  p  1  i  n  t  und  gefährdet  die  Bäume  dadurch  in  minderem  Grad.  Zur  Vermeidung 
von  Wiederholungen  erscheint  es  zweckmäßig,  die  Lebensweise  der  Borkenkäfer  und 
die  auf  diese  gegründeten  Verhütungs-  und  Vertilgungsmaßregeln  zuerst  im  allgemei- 
nen zu  besprechen. 

Die  erstmalige  Schwärmzeit  der  Borkenkäfer  ist  im  Frühjahr,  bei  einigen  Arten 
schon  sehr  zeitig,  an  den  ersten  warmen  und  sonnigen  Tagen  des  März  (Frühschwär- 
mer), bei  andern  erst  im  April  und  selbst  Mai  (Spätschwärmer).  Stets  erfolgt  das 
Schwärmen  nur  bei  günstiger  Witterung,  und  möglichst  rasch  bohren  sich  die  Käfer 
meist  paarweise  in  die  als  Brutstätten  ausgewählten  Stämme  bezw.  Pflanzen  ein.  Als 
solche  Brutstätten  suchen  sie  nun  vor  allem  kränkelndes  Material  mit  etwas  stocken- 
dem Saftfluß,  und  vermeiden  bereits  zu  trocken  gewordenes  Holz,  in  welchem  die 
Brut  aus  Nahrungsmangel  zugrunde  gehen  müßte,  ebenso  wie  gesunde  Stämme,  in 
welchen  der  starke  Harzfluß  die  alten  Käfer  töten  würde.  Frisch  gefällte  Stämme, 
Windbrüche,  durch  Schnee  und  Sturm  beschädigte,  entwipfelte,  gehobene  Stämme, 
frisches  Stock-  und  Reisigholz  sind  solche  ihnen  vor  allem  zusagende  Brutstätten,  die 
sie  durch  den  Harzgeruch  gelockt  auf  weithin  zu  finden  wissen;  fehlen  ihnen  bei 
großer  Vermelirung  solche  Brutstätten,  so  gehen  sie  notgedrungen  an  grüne  Stämme, 
in  denen  allerdings  anfänglich  eine  große  Zahl  durch  den  Harzfluß  zugrunde  gehen 
mag,  bis  schließlich  der  durch  Tausende  kleiner  \^'unden  verletzte  Stamm  in  krän- 
kelnden Zustand  gerät  und  nun  die  gewünschte  Brutstätte  bietet.   Hierin,  in  dem  Be- 

1)  Eichhoff,    Die  europäischen  Borkenkäfer   1881.     B  a  r  b  e  y  ,    Die  Bostrichiden  von. 
Zentral-Europa   1901. 


230  ^'II-  Fürst,  Forstschutz. 

fallen  gesunden  Holzes  bei  großer  Vermehrung,  ist  dann  auch  der  oft  außerordentliche 
Schaden  begründet,  den  einzelne  Arten  anzurichten  vermögen. 

Die  Begattung  findet  teils  vor,  teils  während  des  Einbohrens  statt,  teils  erst  im 
Stamm,  und  in  letzterem  Fall  wird  hiezu  eine  größere  Höhlung  in  die  Safthaut  zu- 
nächst dem  Eingang  eingebissen  und  bei  der  Paarung  als  sog.  Rammelkammer  be- 
nützt, von  welcher  dann  der  für  die  Borkenkäfer  charakteristische  gleichbreite 
Muttergang  (bisweilen  auch  deren  mehrere)  ausgeht,  in  welchem  die  Eiablage 
erfolgt.  Die  Breite  dieser  Muttergänge  ist  durch  die  Größe  der  alten  Käfer  bedingt; 
sie  verlaufen  teils  in  und  unter  der  Rinde,  zumeist  in  den  kambialen  Schichten 
und  den  Splint  nur  berührend  (R  i  n  d  e  n  b  r  ü  t  e  r),  teils  in  dem  Holzkörper  selbst 
(H  o  1  z  b  r  ü  t  e  r),  und  werden  in  ersterem  Fall  als  Rindengänge,  im  zweiten  als 
Holzgänge  bezeichnet,  und  dies  sowohl,  wie  die  Art  und  Weise  des  Verlaufes  ist  für 
die  einzelnen  Arten  verschieden,  für  ihre  Bestimmung  von  wesentlicher  Bedeutung. 
Man  unterscheidet: 

Lotgänge  oder  Längsgänge,  in  der  Längsrichtung  des  Stammes  verlaufend. 

Wagegänge  oder  Quergänge,  in  peripherischer  Richtung  angelegt. 

S  t  e  r  n  g  ä  n  g  e,  strahlenförmig  von  der  gemeinsamen  Rammelkammer  aus- 
gehend. 

Die  sog.  Familien-  und  Leitergänge  (s.  unten)  sind  keine  Muttergänge. 

In  den  sehr  verschieden  langen  Muttergängen  erfolgt  nun  die  Eiablage,  meist 
einzeln  in  links  und  rechts  eingebissene  kleine  Vertiefungen,  bisweilen  partienweise 
am  Ende  eines  kurzen  Mutterganges;  die  Zahl  der  Eier,  deren  Ablage  binnen  3—4 
Wochen  erfolgt,  ist  oft  eine  sehr  große,  steigt  bis  auf  100  Stück  an.  —  Aus  den  Eiern 
entwickeln  sich  nach  etwa  14  Tagen  die  fußlosen,  sclunutzigweißen  Larven  mit  brau- 
nem Kopf  und  beginnen  nun  ihren  Fraß  in  der  Safthaut;  die  anfänglich  sehr  schmalen, 
mit  dem  Wachstum  der  Larve  stets  breiter  werdenden  Larvengänge 
stehen  anfänglich  ziemlich  rechtwinklig  zu  dem  Muttergang,  werden  beim  Breiter- 
werden stets  weiter  auseinander  gedrängt,  da  die  Larven  das  Berühren  von  Nachbar- 
gängen sorgfältig  vermeiden,  und  der  Verlauf  wird  hiedurch,  wie  durch  die  Nähe  eines 
andern  Mutterganges  und  daraus  hervorgegangener  Larvengänge  ein  oft  außerordent- 
lich unregelmäßiger  und  damit  auch  die  außerdem  meist  sehr  charakteristische  Fraß- 
figur, welche  im  Zusammenhalt  mit  der  Größe  der  Bohrlöcher  und  der  Breite  der 
Muttergänge  die  Erkennung  der  Art,  welche  den  Schaden  verübt  hat,  ermöglicht, 
auch  wenn  der  Käfer  nicht  mehr  zu  finden  ist.  Sind  die  Eier  partienweise  abgelegt 
worden  und  fressen  die  daraus  entstandenen  Larven  gemeinsam,  so  entstehen  sog. 
Familiengänge;  Leitergänge  sind  kurze,  zapfenartig  rechtwinklig  zum 
Muttergang  stehende  und  nur  zur  Verpuppung  dienende  Larvengänge,  und  finden 
sich  solche  nur  bei  einer  im  H  o  1  z  lebenden  Art  (s.  §  48). 

In  der  Regel  aber  erfolgt  diese  Verpuppung  nach  8— lOwöchentlicher  Dauer, 
bezüglich  deren  Länge  die  Witterung  bezw.  die  Wärme  eine  große  Rolle  spielt,  von 
der  Eiablage  an  gerechnet,  am  Ende  der  Larvengänge  in  eingebissenen  muldenförmi- 
gen Vertiefungen,  den  Wiegen;  die  Puppen  sind  gemeißelt,  zeigen  alle  Teile  des 
fertigen  Insekts,  sind  aber  weiß  und  weich.  .-Mlmählich  dunkler,  gelb  bis  schwarz- 
braun werdend,  entwickeln  sie  sich  binnen  etwa  8  Tagen  zum  Imago,  das  bei  schlech- 
ter Witterung  noch  einige  Tage  in  der  Safthaut  frißt,  bei  wärmerem  trockenem 
Wetter  aber  sich  durch  die  Rinde  nach  außen  bohrt,  Fluglöcher  hinterlassend, 
um  bei  vielen  Arten  sofort  zu  s  c  h  w  ä  r  m  e  n  und  eine  neue  Generation  abzusetzen, 
die  in  den  meisten  Fällen  noch  im  gleichen  Jahr  zur  Entwicklung  kommt  und  unter 
besonders  günstigen  Verhältnissen  sogar  noch  schwärmt,  während  in  den  übrigen  Fällen 


Vorbeugun<ir  und  Vertilgung.     §  41.  231 

die  Käfer  unter  der  Ftinde,  an  Stöcken,  Wurzeln  und  sonst  geschützten  Orten  über- 
winternd erst  im  folgenden  Frühjahr  schwärmen.  Die  Generationsfrage  hat  im  letzten 
Jahrzehnt  zu  lebliaften  Debatten')  geführt;  als  deren  Resultat  dürfte  festgestellt  sein, 
daß  einige  Borkenkäferarten  infolge  rascher  Reifung  der  Geschlechtsorgane  nur  we- 
nige Tage  als  Imago  in  der  Puppenwiege  verweilen  und  sofort  nach  dem  Ausfliegen 
zu  einer  neuen  Brut  schreiten  —  so  die  Eccoptogaster-(Scolytus-)Arten.  Bei  einer 
viel  größeren  Gruppe  ist  zu  jener  Reifung  eine  längere  Zeit  nötig,  was  bei  einem  Teil 
—  den  Hylesinen  —  zu  e  i  n  f  a  c  h  e  r  Generation  führt,  während  bei  einem  andern, 
den  Tomicus-(Bostrichus-)Arten,  diese  Zeit  der  Reifung  nicht  lange  genug  ist,  um  eine 
doppelte  Generation  zu  verhindern.  Diese  doppelte  Generation  in  Verbindung 
mit  der  großen  Zahl  der  abgelegten  Eier  erklärt  die  große  und  rasche  Vermehrung  der 
Borkenkäfer. 

Auch  die  Feststellung,  daß  die  Mutterkäfer  längere  Lebensdauer  besitzen,  zu 
wiederholter  Eiablage  befähigt  sind,  verdient  Erwähnung. 

§41.  Vorbeug  ungund  Vertilgung.  Wie  bei  allen  Insekten,  so  ist 
auch  bei  den  Borkenkäfern  die  Vorbeugung,  die  Verhütung  einer  größern  Vermeh- 
rung der  jederzeit  in  beschränkter  Zahl  im  Wald  vorhandenen  Individuen  von  beson- 
derer Wichtigkeit.  Als  Mittel  hiezu  dient  in  erster  Linie  die  möglichste  Entziehung 
der  Brutstätten,  also  rechtzeitige  Entfernung  (oder  Entrindung)  des  im  Walde  liegen- 
den Holzes,  der  Windbrüciie,  kränkelnder  Stämme,  frischen  Stock-  und  Reisigholzes; 
alle  Wirtschaftsmaßregeln,  durch  welche  wir  schädlichen  Naturereignissen,  Sturm- 
schäden, Schnee-  und  Duftbrüchen  u.  dgl.  vorbeugen,  sind  zugleich  Vorbeugungs- 
mittel gegen  die  Borkenkäfer,  denen  durch  solche  Naturereignisse  reichliche  Brut- 
stätten geboten  werden,  und  alle  größeren  durch  diese  Insekten  verursachten  Wald- 
beschädigur^en  der  Neuzeit  sind  Folgen  von  Wind-  und  Schnee-Beschädigungen  ge- 
wesen. 

Das  Vorhandensein  der  Borkenkäfer  im  Walde  aber  erkennen  wir  bei  liegenden 
Stämmen  an  dem  hellen  Bohrmehl,  welches  die  Käfer  bei  Anfertigung  ihrer  Mutter- 
gänge durch  das  Eingangsloch  sowie  durch  die  im  Muttergang  in  kleinen  Abständen 
angebrachten  Luftlöcher  herausschaffen  und  das  in  kleinern  oder  größern  Häufchen 
zwischen  den  Rindenschuppen  liegt ;  am  stehenden  Stamm  finden  wir  dies  Bohrmehl 
etwa  an  Spinnweben  hängend  am  untern  Teil  des  Baumes,  sehen  auch  die  ausgetrete- 
nen weißen  Harztröpfchen.  Zahlreiche  unregelmäßig  beisammen  stehende  Fluglöcher 
sagen  uns,  daß  die  Käfer  bereits  ausgeflogen  seien. 

Als  Mittel,  um  uns  von  der  Zahl  der  vorhandenen  Individuen  zu  überzeugen, 
der  stärkern  Vermehrung  vorzubeugen,  und  eventuell  als  Vertilgungsmittel  im  großen 
dienen  uns  nun  die  sog.  F  a  n  g  b  ä  u  m  e^).  Man  versteht  darunter  Stämme,  welche 
man  in  allen  Oertlichkeiten,  in  denen  man  die  Gegenwart  von  Käfern  vermutet, 
wirft,  um  letztere  zur  Absetzung  ihrer  Brut  in  den  Stämmen,  Stöcken,  Aesten 
zu  veranlassen  und  sich  hiedurch  einen  Anhalt  über  deren  größere  oder  geringere 
Zahl  und  eventuell  durch  Darbietung  weiteren  und  zahlreicheren  derartigen  Brut- 
materiales  die  Möglichkeit  tunlichster  Vertilgung  zu  verschaffen.  Diese  Fangbäume 
müssen  zeitig  und  vor  Eintritt  der  Schwärmzeit  gefällt  werden;  im  Frühjahr  dient 
häufig  das  noch  allenthalben  unabgefahren  im  Wald  befindliche  Holz  aus  der  Winter- 
fällung zu  diesem  Zweck.    Da  aber  die  meisten  Borkenkäfer  eine  doppelte  Generation 

1)  Vergl.  Dr.  K  n  o  c  h  e  im  Forstw.  Z.-Bl.  1900,  1904,  1908),  der  insbesondere  auf  den  großen 
Einfluß  der  jeweiligen  Temperatur  auf  die  Entwicklung  der  Käfer  und  damit  auf  die  einmalige 
oder  doppelte   Generation   hinweist. 

2)  Vergl.  über  Fangbäume  die  Kontroversen  von  E  i  c  h  li  o  1 1  und  A  1  t  u  m  in  Z.  f.  F.  u.  J. 
1882  und   188.S. 


239  VII.  Fürst,  Forstschulz. 

haben,  so  ist  es  nötig,  auch  im  Sommer  frische  Fangbäume  den  Käfern  zur  geeigneten 
Zeit  darzubieten,  wobei  zu  beachten  ist,  daß  die  Käfer  entsprechend  der  wochenlang 
dauernden  Eiablage  im  Sommer  nicht  so  gleichzeitig  schwärmen,  wie  dies  im  Früh- 
jahr der  Fall  zu  sein  pflegt,  und  daß  zur  heißen  Zeit  die  Fangbäume  verhältnismäßig 
rasch  austrocknen  und  nicht  mehr  angegangen  werden.  In  Nadelholzrevieren,  in  de- 
nen die  verschiedensten  Borkenkäfer,  Früh-  und  Spätschwärmer,  vorzukommen 
pflegen,  wird  man  deshalb  gut  tun,  nach  Abfuhr  des  von  den  Winterfällungen  stam- 
menden Holzes  wiederholt  in  kürzeren  Intervallen  solche  Fangbäume  zu  werfen. 

Diese  sind  nun  fleißig  zu  revidieren,  im  Falle  sie  sich  rasch  stark  besetzt  zeigen 
sollten,  zu  vermehren  und  r  e  c  h  t  z  e  i  t  i  g  zu  entrinden.  Dies  Entrinden  soll  nicht 
zu  bald  geschehen,  damit  die  darin  befindlichen  oder  noch  neu  anfliegenden  Käfer 
zur  vollständigen  Eiablage  gelangen ;  sind  die  ältesten  Larven  nahezu  ausgewachsen, 
dann  entrindet  man  und  verbrennt  die  Rinde,  welch'  letztere  Maßregel  namentlich 
dann  notwendig  wird,  wenn  größere  Mengen  solcher  Rinden  an  einem  Platz  anfallen, 
die  betr.  Lai-ven  schon  weit  in  der  Entwicklung  vorgeschritten  sind,  vielleicht  schon 
im  Stadium  der  Verpuppung  sich  befinden  und  tiefer  in  der  Rinde  liegen.  Entgegen- 
gesetzten Falles  genügt  auch  das  Legen  der  abgesch.älten  Rindenstücke  in  die  Sonne, 
die  Safthaut  nach  oben  —  in  kurzer  Zeit  sind  die  noch  schwachen  Larven  abgestor- 
ben.   Befallenes  Reisig  wird  man  verbrennen,  Stockholz  verkohlen. 

§42.  E  i  n  t  e  i  1  u  n  g  d  e  r  B  o  r  k  e  n  k  ä  f  e  r.  Man  teilt  die  Borkenkäfer  in 
drei  Hauptgruppen: 

1.  Splintkäfer  Scolytus  (Eccoptogaster),  mit  schief  abgestutztem  Hinter- 
leib, nur  im  Laubholz,  und  forstlich  von  geringerer  Bedeutung. 

2.  Bastkäfer,  Hylesinus,  die  Flügeldecken  über  den  Absturz  des  Hinter- 
leibes herabgehend,  vorwiegend  in  Nadelhölzern  und  zwar  stets  im  Bast  oder  flach 
im  Splint,  nie  im  Holz  lebend,  vielfach  in  Wurzeln  brütend. 

3.  Eigentliche  Borkenkäfer,  Tomicus  (Bostrichus),  die  Flügel- 
decken am  Absturz  oft  eingedrückt  und  gezähnt,  der  Mehrzahl  nach  im  Nadelholz,  in 
geringerer  Zahl  im  Laubholz  lebend,  teils  unter  der  Rinde,  teils  tief  im  Holz  die  Brut 
absetzend,  nie  aber  in  den  Wurzeln  brütend^). 

Von  der  großen  Menge  verschiedener  Borkenkäfer,  welche  sich  in  unsern  Nadel- 
holzwaldungen finden,  ist  es  immerhin  nur  eine  kleine  Zahl  von  eigentlichen  Borken- 
käfern und  Bastkäfern,  die  zu  den  in  h  ö  h  e  r  e  m  G  r  a  d  schädlichen  zu  rechnen  ist 
und  nachstehend  spezielle  Besprechung  finden  soll. 

§43.  DerFichten-  oder  achtzähnige  Borkenkäfer,  Tomicus 
typographus  (s.  Taf.  1  Fig.  12).  Dieser  Borkenkäfer,  einer  der  größten  und  wohl  der 
verbreitetste  und  schädlichste,  ist  4 — 6  mm  lang,  schwarz  mit  bräunlichgelber  Be- 
haarung und  mit  rötlichgelben  Fühlern  und  Beinen;  die  Flügeldecken  zeigen  ver- 
tiefte Kerbstreifen  und  an  der  schräg  abgestutzten  Spitze  jederseits  vier  gleichweit 
entfernte  Zähne,  von  denen  der  dritte  der  größte  ist. 

Er  ist  vorzugsweise  im  Bergland  zu  Hause  und  ist  in  den  Mittelgebirgen  unter 
seine  Vermehrung  begünstigenden  Umständen  schon  wiederholt  außerordentlich  ver- 
derblich aufgetreten,  während  seine  Vermehrung  in  den  eigentlichen  Hochlagen  eine 
begrenzte  ist.  Er  gehört  zu  den  Spätschwärmern,  je  nach  der  Höhenlage  im  April  bis 
Ende  Mai  schwärmend,  und  lebt  fast  ausschheßlich  in  Fichten,  wird  nur  ausnahms- 
weise auch  in  Föhren  und  Lärchen  gefunden ;  stets  befällt  er  ältere  Bestände  und  auch 
in  diesen  wieder  die  stärkeren,  bereits  rauhborkig  gewordenen  untern  Stammteile, 


1)  Die  einzige  Ausnahme  bezüglich  des  Brütens  in  Wurzeln  dürfte  Tomicus  aulographus 
sein.    S.  J  u  d  e  i  c  h  und  N  i  t  s  c  h  e  Bd.  1  S.  454. 


Der  Fichten-  oder  achlzähnige  Borkenkäfer.     §  43.  233 

nur  im  Notfall,  bei  übermäßiger  Vermehrung  und  mangelndem  Brutmaterial  auch 
die  oberen,  dünnberindeten.  Wie  alle  Borkenkäfer  bevorzugt  auch  er  Holz  mit 
stockenden  Säften,  frisch  gefällte,  vom  Sturm  geworfene  oder  geschobene,  vom  Schnee 
entwipfelte  oder  sonst  beschädigte  Stämme,  schon  zu  trockenes  Material  ebenso 
meidend  wie  ganz  gesunde  Stämme,  welch'  letztere  er  erst  dann  anfällt,  wenn  das 
vorhandene  kränkelnde  Material  zum  Absatz  der  Brut  nicht  ausreicht. 

Die  Käfer  bohren  sich  zwischen  Rindenritzen  ein,  hiebei  größere  Mengen  brau- 
nen Bohrmehls  auswerfend,  fertigen  zunächst  unter  der  Rinde  die  sog.  Ranomelkam- 
mer,  in  welcher  die  Begattung  vor  sich  geht,  und  nun  frißt  das  Weibchen,  von  dieser 
ausgehend,  den  Mutter-  oder  Brutgang,  einen  bis  15  cm  langen  nach  oben  oder  unten, 
auch,  wenn  2  Weibchen  vorhanden,  nach  beiden  Seiten  gehenden  Lotgang,  der 
von  Zeit  zu  Zeit  ein  nach  außen  gehendes  Bohrloch  —  Luftloch  —  zeigt.  In  rechts 
und  links  eingebissene  kleine  Vertiefungen  legt  nun  das  Weibchen  innerhalb  einiger 
Wochen  bis  gegen  100  Eier  ab,  aus  denen  etwa  14  Tage  nach  der  Ablage  die  weißen 
Lan'en  kriechen,  die  seitwärts  geschlängelte,  stets  breiter  werdende,  bis  10  cm  lange 
Gänge  in  der  Safthaut  fressen  und  sich  an  deren  Ende  in  einer  in  die  Rinde  eingenagten 
Wiege  verpuppen.  Sind  die  Stämme  stark  befallen,  verlaufen  zahlreiche  Muttergänge 
nahe  beieinander,  so  geht  ein  großer  Teil  der  Lai'\en  wegen  Mangel  an  Raum  für  ihre 
Gänge  zugrunde,  verkümmert,  ebenso  vertrocknen  sie,  wenn  die  Brut  in  rasch  aus- 
trocknendes Material  abgesetzt  oder  letzteres  zu  raschem  Trocknen  durch  Aufspalten, 
Lagern  in  der  Sonne  gebracht  wurde.  —  Aus  der  anfänglich  weißen  gemeißelten  Puppe 
entwickelt  sich  binnen  8  Tagen  der  zuerst  hellgelbe,  allmählich  nachdunkelnde  Käfer, 
der  bei  ungünstiger  Witterung  noch  einige  Tage  um  die  Wiege  herum  in  der  Safthaut 
frißt,  bei  günstiger  sich  alsbald  durch  ein  kreisrundes  Flugloch  herausbohrt;  die  ganze 
Entwicklung  vom  Ei  bis  zum  Imago  mag  durchschnittlich  8,  unter  ungünstigen  Ver- 
hältnissen bis  12  Wochen  dauern. 

Die  erste  Generation,  je  nach  Scliwärmezeit  und  Entwicklungsdauer  im  Juni 
bis  Juli  fertig  geworden,  setzt  nun  nach  einem  14  Tage  bis  4  \\'ochen  dauernden  Er- 
nährungsfraß der  Jungkäfer  eine  zweite  Brut  ab,  die  bis  zum  Herbst  fertig  wird  und 
dann  in  Gestalt  unbegatteter  Käfer  zu  überwintern  und  im  nächsten  Frühjahr 
zu  schwärmen  pflegt;  doppelte  Generation  ist  als  Regel  zu  betrachten.  Eichhoff  be- 
hauptete sogar  unter  günstigen  L^mständen  eine  dreifache,  während  im  eigentlichen 
Hochgebirge  die  Generation  infolge  späten  Schwärmens  und  langsamer  Entwicklung 
meist  eine  einfache  bleiben  wird. 

Die  große  Zahl  der  Eier,  die  doppelte  Generation  erklären  die  rasche  Vermeh- 
rung dieses  Insektes,  wenn  ihm  durch  schädliche  Naturereignisse  —  Wind-  und 
Schneebruch  —  Brutstätten  in  reicher  Menge  geboten  werden,  und  der  durch  diese 
Ereignisse  verursachte  Schaden  ist  nicht  selten  durch  die  nachfolgenden  Insekten- 
verheerungen noch  wesentlich  gesteigert  worden.  Alle  von  dem  Käfer  nur  einiger- 
maßen stärker  befallenen  Stämme  sterben  infolge  der  Zerstörung  der  Safthaut  ver- 
hältnismäßig rasch  ab,  doch  findet  man  die  abgestorbenen  Stämme  stets 
schon  von  den  Käfeni  verlassen. 

Alle  gegen  die  Borkenkäfer  überhaupt  anzuwendenden  Vorbeugungs-  und  Ver- 
tilgungsmittel, wie  sie  oben  (§  41)  erwähnt  wurden,  finden  dem  Fichtenborkenkäfer 
gegenüber  Anwendung,  und  ist  besonders  darauf  Bedacht  zu  nehmen,  daß  auch  die 
zweite  Generation  eine  genügende  Anzahl  hinreichend  frischer  Fangbäume  vorfindet. 

Als  eine  der  großartigsten,  vorwiegend  durch  T.  typographus  verursachten 
Käferbeschädigungen  ist  der  Borkenkäferfraß  im  böhmischen  und  anstoßenden 
bayrischen  Wald  in  den  Jahren   1871 — 1875  zu  erwähnen,  woselbst  nach  vorher- 


234  VII.  Fürst,  Forstschutz. 

gegangenen  schweren  Sturmbeschädigungen  noch  Millionen  von  Festmetern  vom 
Käfer  getötetes  Holz  eingeschlagen  werden  mußten  '). 

§  44.  Der  große  Kiefernborkenkäfer,  Tomicus  stenographus 
(sexdentatus).  Der  größte  bei  uns  vorkommende  Borken  käfer,  6 — 8  mm  lang,  schwarz 
mit  bräunlichgelber  Behaarung,  nach  hinten  etwas  schmäler  werdend,  mit  tief  ge- 
kerbten punktierten  Flügeldecken,  am  Absturz  tief  und  scharfrandig  eingedrückt  und 
jederseits  sechszähnig.  Seine  Größe  schützt  ihn  vor  Verwechslung  mit  anderen  Bor- 
kenkäfern. 

Er  kommt  auf  den  verschiedenen  Pinus-Arten  vor,  ist  jedoch  viel  seltener  als 
B.  typographus  und  fehlt  in  manchen  Föhrengebieten  gänzlich.  Ein  Spätschwärmer, 
fällt  er  am  liebsten  stärkere  liegende  Föhrenstämme  an,  bohrt  sich  jederzeit  in  den 
dickborkigen  Teil  ein  und  fertigt  hier  20 — 30  cm  lange,  verhältnismäßig  breite  Mutter- 
gänge, welche  zwar  als  Lotgänge  bezeichnet  werden  müssen,  doch  auch  seitlich  ab- 
weichen und  sich  selbst  gabeln.  Im  übrigen  gleicht  seine  Lebensweise  jener  des  Fich- 
tenborkenkäfers, auch  bez.  der  früher  mehrfach  bezweifelten  doppelten  Generation. 

Da  er  nur  ausnahmsweise  stehende  Stämme  anfällt,  so  sind  besondere  Vor- 
beugungsmaßregeln gegen  ihn  kaum  nötig  und  genügt  das  Entrinden  der  von  ihm 
im  Frühjahr  befallenen  Fangbäume  bez.  des  von  den  Fällungen  her  noch  im  Walde 
befindlichen  Holzes  wohl  stets,  um  seine  Vermehrung  zu  hindern. 

§  45.  DersechszähnigeFichtenborkenkäfer,  Tomicus  chalco- 
graphus.  Dieser  kleine  Borkenkäfer  ist  nur  ca.  2  mm  lang,  unbehaart,  fettglänzend 
mit  dunklem  Halsschild  und  rötlichbraunen  fein  streifig  punktierten,  gegen  die  Spitze 
zu  glatten  Flügeldecken,  an  dem  eingedrückten  .\bsturz  mit  je  drei  Zähnen  beiderseits. 

Er  gehört  zu  den  häufig  auftretenden  Borkenkäfern  und  kommt  nicht  selten 
gleichzeitig  mit  T.  typographus  am  selben  Stamm  vor,  wobei  er  dann  stets  die  obern, 
dünnberindeten  Stammteile  bewohnt;  auch  an  schwächerem  Stangenholz  findet  er 
sich  häufig.  Seine  Brutgänge  sind  sehr  charakteristisch,  indem  sie,  der  geringen 
Größe  des  Käfers  entsprechend,  als  sehr  schmale  Sterngänge  in  der  Basthaut  von 
einer  mehr  in  der  äußern  Splintschichte  liegenden  Rammelkammer  ausgehend  ver- 
laufen. Er  schwärmt  etwas  früher  als  T.  typographus,  hat  gleich  diesem  eine  doppelte 
Generation  und  befällt,  wie  schon  erwähnt,  an  starkem  Stämmen  vorwiegend  die 
obern  Stammteile,  hiedurch  wohl  häufig  die  befallenen  Individuen  in  kränkelnden 
Zustand  versetzend  und  zu  geeigneten  Objekten  für  die  Angriffe  des  erstgenannten 
Käfers  machend;  der  Harzfluß  scheint  ilim  minder  gefährlich  zu  sein,  als  diesem 
letztem. 

Die  Verhütungs-  und  Vertilgungsmaßregeln  sind  die  schon  genannten,  doch 
dürfte  zu  erstem  auch  die  Entfemung  alles  unterdrückten,  kümmernden  Materiales 
durch   fleißige   Durchforstung  der  Fichtenstangenhölzer  zu   rechnen  sein. 

§  46.  Der  krumm  zahnige  Tannenborkenkäfer,  Tomicus 
curvidens.  Der  2,5 — 3  mm  lange  Käfer  ist  schwarz,  bräunlichgelb  behaart,  das  Weib- 
chen mit  gelbem  Haarschopf  auf  der  Stirne;  die  Flügeldecken  haben  tiefe  Kerb- 
streifen, sind  feinreihig  punktiert,  die  Seitenreihen  des  steilen  Absturzes  beim  Männ- 
chen jederseits  mit  5 — 7  Zähnen  besetzt,  wovon  der  1.,  2.  und  5.  hackenförmig  ge- 
krümmt, während  das  Weibchen  auf  jeder  Seite  nur  3 — 4  stumpfe  Zähne  zeigt. 

Der  Käfer  bewohnt  fast  nur  die  Tanne,  als  seltene  Ausnahme  andere  Nadel- 
hölzer, befällt  in  erster  Linie  einzeln  stehende  stärkere  Bäume,  Randstämmc  und 
diese  meist  zunächst  in  den  obern  Stammteilen.    Ein  Frühschwärmer,  hat  er  jeden- 


1)  Vergl.  A  I  t  u  m  ,  Forstzoologie  III.  1.  S.  295.  (1881). 


Der  Nutzholz-Borkenkäfer.     Xyloterus  lineatus.    §  48.  235 

falls  eine  doppelte  Generation,  die  Muttergänge  sind  oft  sehr  ausgeprägte,  doppel- 
arniige  \A'agegänge,  weichen  aber  niclit  selten  von  dieser  Gestalt  in  mannigfachster 
Weise  durch  schrägen,  geknickten,  zackigen  Verlauf  ab,  werden  aber  nie  zu  Lot- 
gängen; sowohl  die  Mutter-  wie  die  Larvengänge  greifen  etwas  in  den  Splint  ein,  so 
daß  sowohl  die  Bastseite  der  Rinde,  wie  die  äußere  Splintschichte  die  Fraßfigur  zeigt; 
die  Puppenwiegen  aber  liegen  zum  größern  Teil  in  der  Splintschichte. 

Bei  einigermaßen  aufmerksamer  Wirtschaft  wird  man  den  T.  cur\4dens  meist 
auf  das  Maß  der  Unschädlichkeit  beschränken  können,  in  manchen  Fällen  hat  er  sich 
in  Weißtannenbeständen  als  ein  sehr  lästiger  Feind  erwiesen.  Befallene  Bäume  sind 
stets  rechtzeitig  und  vor  der  Verpuppung  zu  schälen,  da,  wenn  letztere  schon  ein- 
getreten, ein  großer  Teil  der  im  Splint  liegenden  Puppen  bei  der  Entrindung  nicht  mit 
vernichtet  wird.  In  einem  stets  aufmerksamen  Auge  auf  den  Wald,  in  rechtzeitiger 
Entdeckung  und  Entfernung  der  meist  vereinzelt  befallenen  Stämme  liegt  bei  diesem 
Borkenkäfer  der  Schwerpunkt  der  Vorbeugung,  da  Fangbäume  wenig  Erfolg  haben. 

Ein  zweiter,  in  Tannen  vorkommender  Borkenkäfer  ist  der  sehr  kleine  T.  piceae, 
welcher  stellenweise  auch  schon  sehr  lästig  geworden  ist. 

§  47.  Der  zweizahnige(zw  ei  hakige)  Kiefernborkenkäfer, 
Tomicus  bidens  (bidentatus).  Ein  kleiner  nur  2 — 2,3  mm  langer  Borkenkäfer,  schwarz, 
glänzend,  fein  behaart,  die  Flügeldecken  meist  pechbraun  mit  feinen  Punktstreifen; 
das  Männchen  am  Flügeldecken-Absturz  mit  breitem,  flachem  und  glattem  Eindruck, 
der  jederseits  am  obern  Rand,  einen  großen  hakenförmig  nach  unten  gekrümmten 
Zahn  trägt. 

Der  Käfer  pflegt  sich  in  allen  größeren  Kiefernwaldungen  zu  finden,  geht  neben 
der  Kiefer  auch  alle  übrigen  Pinus-Arten  an,  und  befällt  ausnahmsweise  und  wohl 
nur  bei  Mangel  anderen  passenden  Brutmateriales  auch  Fichten.  Stets  sind  es  die 
dünnrindigen  Stammteile:  die  Aeste  und  Zweige,  die  oberen  glattrindigen  Teile  der 
Stämme  und  Stangen,  die  er  befällt,  mit  besonderer  Vorliebe  aber  geht  er  an  jüngere, 
bis  zu  6  und  10  .Jahre  alte  Kulturen,  und  hat  in  solchen  schon  sehr  bedeutende  Ver- 
heerungen angerichtet. 

Er  ist  ein  Spätschwärmer,  und  oft  verschiebt  sich  die  Schwärmperiode  bis  in 
den  Juni.  Von  der  meist  ziemlich  geräumigen  Rammelkammer  gehen  3 — 7  Mutter- 
gänge sternförmig  aus,  durch  eine  eigentümlich  geschwungene  Gestalt  und  das  Be- 
streben, sie  in  der  Längsrichtung  des  Stammes  anzulegen,  charakterisiert.  Die  ge- 
schlängelten Larvengänge  greifen  etwas,  die  Wiegen  ziemlich  stark  in  den  Splint 
ein.  Die  Generation  ist  eine  doppelte;  Regel  ist  wohl  das  Ueberwintern  der  2.  Gene- 
ration als  fertige  Käfer.  Reine  Wirtschaft  im  Walde:  Entsprechende  Entfernung 
kümmernder  Stangen  im  Durchforstungsweg,  rechtzeitige  Abfuhr  des  Reisigholzes, 
ist  neben  der  Darbietung  entsprechenden  Brutmateriales  in  Gestalt  frischen  Reisigs 
namentlich  auch  in  der  Sommer-Schwärmperiode  das  Mittel  der  Vorbeugung  gegen 
den  oft  sehr  schädlichen  Käfer;  das  Reisig  der  für  andere  Föhrenborkenkäfer  gefäll- 
ten Fangbäume  dient  als  Brutmaterial  für  T.  bidens  und  wird,  wenn  mit  Brut  be- 
setzt, verbrannt.  Nimmt  man  wahr,  d^ß  Kulturen  von  ihm  befallen  sind,  so  ist  das 
Ausreißen  oder  Abhauen  und  Verbrennen  der  kränkelnden  Pflanzen  als  Vertilgungs- 
mittel anzuwenden. 

§  48.  Der  X  u  t  z  h  o  1  z  -  B  o  r  k  e  n  k  ä  f  e  r  ,  Xyloterus  (Trypodendron) 
lineatus.  Der  2,8 — 1  mm  lange  schwarze  Käfer  hat  trüb  gelblichbraune  Flügel- 
decken, ebensolche  Füliler  und  Beine,  und  auf  den  Flügeldecken  drei  dunkle  Längs- 
streifen —  Naht,  Seitenrand  und  Mittelstreifen  —  denen  er  seinen  Namen  ,, lineatus" 
verdankt;  die  Flügeldecken  sind  ohne  Eindruck,  Einkerbung  oder  Zähne. 


236  Wi.   Fürst,  Forstschutz. 

Er  kommt  nur  in  Nadelholz,  jedoch  in  allen  Arten  vor  und  scheint  insbesondere 
das  Holz  der  Weißtanne  zu  bevorzugen;  er  befällt  fast  nur  liegendes,  frisch  gefälltes 
Holz  und  dessen  zurückgebliebene  Stöcke,  selten  noch  stehendes,  wenn  auch  kümmern- 
des Holz.  Im  Innern  des  Holzes  seine  Brut  absetzend,  gehört  er  zu  den  technisch 
schädlichen  Insekten  und  zeigt  in  seiner  Lebensweise  sehr  wesentliche  Abweichungen 
von  jener  der  übrigen  Borkenkäfer. 

Sehr  frühzeitig,  im  März  oder  Anfang  April  schwärmend,  befällt  er  sofort  das 
zu  jener  Zeit  von  den  Winterfällungen  her  wohl  allenthalben  noch  in  größerer  Menge 
im  Wald  befindliche  gefällte  Stamm-  und  Schichtholz,  und  bohrt  das  begattete  Weib- 
chen sich  4 — 5  cm  tief  senkrecht  zur  Stammachse  in  das  Holz  ein,  von  hier  aus  seit- 
wärts senkrecht  zur  Eingangsröhre  imd  meist  dem  Verlauf  eines  Jahresringes  folgend 
einen  Muttergang  fressend,  in  welchem  die  Eier  in  kleinen  Partien  abgelegt  werden. 
Die  ausschlüpfenden  Larven  leben  im  Muttergang  vorwiegend  wohl  von  den  aus  den 
Wänden  desselben  schwitzenden  Säften,  fertigen  keine  Larvengänge ;  zur  Verpuppung 
reif,  fressen  sie  sich  eine  kurze,  nur  5  mm  lange  und  senkrecht  nach  oben  oder  unten 
zum  Muttergang  stehende  Puppenwiege,  und  diese  Puppenwiegen  bilden  im  Verein 
mit  dem  Muttergang  den  sog.  Leitergang.  Nach  der  Entwicklung  zum  Image 
verlassen  sie  ihren  Aufenthaltsort  durch  den  Muttergang  und  fressen  sich  also  nicht, 
wie  die  übrigen  Borkenkäfer,  eigene  Fluglöcher.  • —  Die  Generation  ist  eine 
doppelte. 

Am  Schichtholz  unschädlich  kann  der  Nutzholzborkenkäfer  am  Stamm-  und 
insbesondere  an  dem  Blochholz  sehr  schädlich  werden,  indem  er,  dasselbe  durch- 
löchernd, dessen  Nutzholzwert  wesentlich  herunterdrückt,  den  Holzhändlem  Veran- 
lassung gibt,  die  Qualität  des  Holzes  und  dessen  Wert  tiefer  herabzusetzen,  als  fak- 
tisch der  Fall  ist;  denn  da  die  Gänge  nicht  tief  ins  Holz  gehen,  so  sind  es  nur  die 
äußern,  an  sich  minderwertigen  Splintholzschichten,  welche  beschädigt  werden. 
Immerhin  kann  der  finanzielle  Nachteil  für  den  Waldbesitzer  ein  sehr  bedeutender  sein. 

Als  Mittel  gegen  diese  Beschädigungen  und  gegen  die  Vermehrung  des  Käfers 
erscheinen:  rechtzeitige  Abfuhr  des  wertvolleren  Nutzholzes  vor  der  ersten  Schwärm- 
periode und  bezw.  rechtzeitige  Fällung  und  Verwertung;  Entrinden  des  Stamm- 
holzes, wenn  dessen  Abfuhr  nicht  rechtzeitig  erfolgen  kann,  damit  es  in  den  äußern 
Schichten  rasch  abtrockne,  da  es  dann  vom  Käfer  minder  gern  angegangen  wird. 
Befallenes  Schichtholz  wird  zum  Zweck  des  raschen  Austrocknens  aufgespalten  — 
die  darin  befindliche  Brut  geht  dann  zugrunde  — ,  oder  gleich  dem  etwa  zur  zweiten 
Schwärmperiode  geworfenen  Brutmaterial,  geringwertigem  Stammholz,  verkohlt. 

§49.  Der  große  Kiefernmarkkäfer,  Waldgärtner,  Hy- 
lurgus  (Myelophilus)  piniperda  (Taf.  I,  Fig.  11).  Der  4 — 4,5  mm  lange  Käfer  ist  läng- 
lich, fast  walzenförmig,  schwarz  und  glänzend,  dünn  behaart  mit  hellbraunen  Füh- 
lern und  Tarsen;  die  mit  Ouerrunzeln  verselienen  Flügeldecken  sind  mit  groben 
Punktreihen  und  zwischen  diesen  mit  kurz  behaarten  Höckerchen  versehen;  an 
dem  gerundeten,  weder  eingedrückten  noch  gezähnten  Absturz  hört  die  zweite 
Höckerreihe,  von  der  Naht  gerechnet,  plötzlich  auf,  so  daß  dieser  zweite  Zwischen- 
streif hier  vertieft  erscheint. 

Der  Markkäfer  lebt  vorzugsweise  auf  der  Föhre,  befällt  jedoch  auch  alle  deren 
Verwandte  aus  der  Gattung  Pinus,  insbesondere  auch  die  Weymouthskiefer.  Er  ge- 
hört zu  den  Frühschwärmern,  fliegt  in  den  ersten  schönen  Tagen  des  März,  bisweilen 
noch  früher,  und  bohrt  sich  dann  möglichst  rasch  in  die  dickborkigen  unteren  Stanam- 
teile  des  frisch  gefällten  Holzes,  hoher  Stöcke,  eventuell  kränkelnder  Stänune  ein, 
hiezu  stets  Rindenritzen  wählend,  da  ihm  dies  Einbohren  hiedurch  erleichtert  wird; 


Der  große  Kicrerniuarkkäfer,  \\aldgärtner.    Hylurgus  pinipcrda.     §  49.  237 

starke  Bohnnehlhäiifchen  zwischen  den  Rindenschuppen  verraten  die  Anwesenheit 
des  Insekts. 

Das  Weibchen  fertigt  nun  einen  vom  Eingangsloch  aus  mit  charakteristisch 
gebogenem  Anfang  (Krücke)  versehenen,  in  der  Längsrichtung  des  Stammes  ver- 
laufenden einarmigen  Muttergang  (Lotgang)  von  8 — 10  cm  Länge  und  legt,  gleich- 
zeitig mit  Herstellung  dieses  Ganges,  in  links  imd  rechts  eingebissene  Einkerbungen 
seine  zahlreichen  Eier  innerhalb  3 — 4  Wochen  ab;  man  hat  deren  bis  zu  hundert  in 
einem  Muttergang  gezählt.  Das  Eingangslocii  ist  häufig  durcii  einen  sehr  ins  Auge 
fallenden  ,, Harztrichter"  gekennzeichnet.  Der  Muttergang  führt  am  stehenden 
Stamm  stets  von  dem  Eingangsloch  aufwärts.  Die  nach  etwa  14  Tagen  ausschlüpfen- 
den Larven  fressen  seitwärts  geschlängelte,  bis  7  cm  lange  Gänge  in  Bast  und  Rinde, 
den  Splint  nur  berührend,  verpuppen  sich  an  deren  Ende  in  Rindenwiegen  und  nach 
etwa  10 — 12  Wochen  vom  Beginn  des  ersten  Schwärmens  an,  also  meist  im  Monat 
Juni,  fliegen  die  ersten  Käfer  aus,  während  die  später  abgesetzte  Brut,  sowie  jene  in 
rauhen  Lagen,  in  schattig  gelagertem  Material  erst  im  Juli  zur  Entwicklung  gelangt. 

Die  Frage,  ob  der  Markkäfer  eine  einfache  oder  doppelte  Generation  habe, 
ist  durch  Dr.  Knoche  s  Forschungen i)  wohl  dahin  entschieden,  daß  die  Generation 
infolge  der  langsamen  Geschlechtsausreifung  der  Jungkäfer  wenigstens  in  Deutsch- 
land eine  überwiegend  einfache  ist,  neuer  Befall  im  Sommer  von  Altkäfern  herrührt, 
die  zum  zweiten  Mal  eine  Brut  absetzen.  Die  im  Juni  und  Juli  erscheinenden  Jung- 
käfer beginnen  eine  andere  verderbliche  Tätigkeit. 

Diese  besteht  nun  darin,  daß  sich  die  Käfer  in  die  jüngsten  —  heurigen  und 
auch  vorjährigen  —  Triebe  älterer  Föhren  einbohren  und  nun  zu  ihrer  Ernährung 
die  Markröhre  durch  einen  walzenförmigen  Gang  ausfressen;  das  Eingangsloch  ist 
hiebei  häufig  durch  einen  wallartigen  Harztrichter  charakterisiert.  Den  ausgefresse- 
nen Trieb  verläßt  der  Käfer  entweder  sich  rückwärts  schiebend  durch  das  Eingangs- 
loch oder  durch  eine  durchgebissene  Oeffnung  am  Ende  der  Triebe;  letztere  sterben 
ab  und  bedecken,  vom  Wind  an  der  Eingangsstelle  des  Käfers  abgebrochen,  im 
Herbst  oft  in  großer  Zahl  den  Boden  der  befallenen  Bestände. 

Die  Käfer,  teilweise  noch  in  den  vom  Wind  heruntergeworfenen  Triebspitzen 
steckend,  überwintern  in  Rinderitzen,  unter  ^loos  und  in  der  dicken  Borke  der  untern 
Stammteile,  in  welche  sie  sich  zu  ihrem  Schutz  einbohren. 

Der  Schaden,  den  der  Markkäfer  durcli  seine  Brut  verursacht,  ist  nur  ein  ge- 
ringer, da  er  hiezu  vorwiegend  das  gefällte  Holz,  stärkere  Stöcke  und  kränkelnde 
Stämme  wählt  und  nui-  im  Notfall  an  gesunde  Stämme  geht;  dagegen  kann  der  Scha- 
den, den  er  als  Käfer  durch  das  Ausfressen  der  Triebe  verursacht,  unter  Umständen 
ein  sehr  bedeutender  sein.  Die  Wipfel  der  wiederholt  befressenen  Stangen  und  Stämme 
zeigen  die  merkwürdigsten  Formen  und  Verunstaltungen,  sind  licht  und  lückig, 
sehen  aus  wie  künstlicii  zugeschnitten  (Waldgärtner!),  der  Wuchs  der  befressenen 
Stämme  wird  ein  kümmerlicher  und  ganze  Bestände  —  so  in  der  Nähe  von  Holz- 
lagerplätzen, Schneidemühlen  etc.  —  verkrüppeln  zuletzt;  namentlich  sind  es  die 
Randstämme,  welche  von  diesem  Insekt  heimgesucht  werden,  und  für  jüngere  Be- 
stände muß  erklärlicherweise  eine  derartige  fortdauernde  Beschädigung  besonders 
empfindlich  sein. 

Als  Gegenmittel  erscheint  nun  auch  hier  wieder  die  schon  mehrfach  betonte 
,, reinliche"  Wirtschaft,  die  rechtzeitige  Entfernung  kränkelnden  Holzes,  die  Abfuhr 
<ies  gefällten  Materiales  spätestens  bis  Mitte  Mai,  damit  die  abgesetzte  Brut  mit  aus 


1)   Vergl.    Forstw.    Z.-Bl.    1908    S.    201. 


238  ^"-  Fürst,  Forslscliulz. 

dem  Wald  komme,  andernfalls  die  rechtzeitige  Entrindung  und  Verbrennung  der 
Rinde,  welch  letztere  Mittel  auch  dann  anzuwenden  sind,  wenn  etwa  das  Holz  in 
der  Nähe  des  Waldes  auf  Holzstellplätzen,  in  Schneidemühlen  etc.  aufgegantert  wird. 
—  Außerdem  aber  sind  rechtzeitig  und  in  entsprechender  Anzahl  geworfene  Fang- 
bäume das  wichtigste  Mittel  zur  Bekämpfung  dieses  Feindes,  während  das  ebenfalls 
schon  empfohlene  Zusammenkehren  und  Verbrennen  der  im  Herbst  abgefallenen 
ausgefressenen  Zweigspitzen  um  deswillen  nur  wenig  hilft,  weil  die  Mehrzahl  schon 
vom  Käfer  verlassen  ist. 

Als  besonderer  Feind  des  Markkäfers  wäre  der  Buntkäfer  (Clerus  formicarius) 
zu  nennen,  dessen  gelbrötliche  Larve,  unter  der  Rinde  der  mit  Brut  besetzten  Föhren 
lebend,  die  Larven  des  Markkäfers  verzehrt  und  ganze  Brüten  vernichtet. 

§50.  Der  kleine  Kiefernmarkkäfer,  Hylurgus  (Myelophilus) 
minor.  Er  ist  dem  großen  Markkäfer  sehr  ähnlich,  auch  in  der  Größe  nur  wenig 
unterschieden,  nach  Binzer's  Angabe  durch  den  glänzenden  Halsschild  und  mehr 
bräunliche  Färbung  charakterisiert;  als  sicherstes  Kennzeichen  aber  ist  zu  betrach- 
ten, daß  die  bei  Hyl.  piniperda  angegebene  Unterbrechung  der  Höckerpunkte  auf 
den  Flügeldecken  am  Absturz  nicht  vorhanden  ist,  diese  sich  vielmehr  auch  bei  der 
zweiten  Reihe  bis  zum  Spitzenrand  fortsetzen. 

Wesentlich  verschieden  ist  er  dagegen  durch  seine  Lebensweise,  indem  er  vor- 
wiegend, wenn  auch  nicht  ausschließlich,  die  dünn  berindeten  Stammteile  der  Föhre 
befällt  und  als  Muttergänge  zweiarmige  Waggänge  anfertigt,  so  daß  eine  Ver- 
wechslung mit  dem  großen  Markkäfer  ausgeschlossen  erscheint;  seine  Larvengänge 
schneiden  tief  in  den  Splint  ein.  —  Er  setzt  ferner  seine  Brut  lieber  in  noch  stehendem, 
wenn  auch  aus  irgend  welchem  Grunde  kränkelndem  Material  ab,  da  an  gefälltem 
Holz  jene  dünnberindeten  Stammteile  zu  rasch  austrocknen,  wodurch  die  Brut  zu- 
grunde geht,  und  nicht  selten  ist  er  der  Vorläufer  von  Hyl.  piniperda,  mit  dem  er 
sich  auch  am  gleichen  Stamme  findet,  ersterer  in  den  unteren,  letzterer  in  den  oberen 
Stammteilen  hausend. 

In  seiner  Lebensweise  gleicht  er  im  übrigen  seinem  Gattungsverwandten  und 
beschädigt  als  Käfer  Stangen  und  Stämme  in  gleicher  Weise  durch  das  Ausfressen 
der  Triebspitzen.  Dagegen  scheint  er  seltener  zu  sein  und  fehlt  an  manchem  Ort, 
wo  der  große  Markkäfer  häufig  auftritt,  fast  gänzlich,  während  das  Umgekehrte 
nicht  leicht  der  Fall  sein  wird. 

Auch  die  Mittel  der  Vorbeugung  und  Vertilgung  sind  die  gleichen,  docli  wird 
man  als  Fangniaterial  mehr  schwächeres,  dünn  berindetes  Holz  fällen  und  Sorge 
tragen  müssen,  daß  dasselbe  nicht  zu  rasch  austrockne,  da  es  dann  vom  Käfer  nicht 
mehr  angenommen  wird. 

N  i  t  s  c  h  e  empfiehlt  stehende  Fangbäume,  welche  geköpft  werden  und  von 
beiden  Markkäferarten  angenommen  würden.  Bei  etwas  späterer  Entrindung  der 
Fangbäume  ist  zu  beachten,  daß  die  Puppen  des  Hyl.  minor  im  Splint  liegen,  also 
durch  flaches  Entrinden  nicht  vernichtet  werden. 

§51.  Sonstige  Bastkäfer,  Hylesini.  Von  deren  ziemlich  großen 
Zahl  mögen  noch  folgende,  welche  an  manchen  Orten  schon  größeren  Schaden  ver- 
ursacht haben,  Erwähnung  finden: 

Der  schwarze  Kiefernbastkäfer  (Hylastes  ater)  und  der 
schwarze  F  i  c  h.  t  e  n  b  a  s  t  k  ä  f  e  r  (Hylastes  cunicularius)  sind  beide  Kultur- 
verderber  und  beide  nur  als  Käfer  schädlich.  Sie  setzen  ihre  Brut  an  die  Wurzeln 
der  frischen  Nadelholzstöcke  auf  den  Schlägen  im  Frühjahr  nach  der  Fällung  ab,  die 
sich  dort  in  unschädlicher  Weise  unter  der  Rinde  und  in  den  äußern  Holzlagen  ent- 


Der  große  braune  Rüsselkäfer,   Hylobius  ahietis.     §  j2.  239 

wickelt.  Die  Muttergiinge  sind  Längsgäuge  mit  seitlichen  Eigrübchen  und  seitlich 
abgehenden  Larvengängen,  die  aber  erklärlicherweise  alsbald  in  die  Längsrichtung 
der  Wurzeln  übergehen  und  die  gesamte  Safthaut  in  braunes  Wunmnehl  verwandeln. 
Die  Käfer  dagegen  befallen  die  jungen  Föhren-  und  bezw.  Fichtenschläge,  befressen 
die  zarte  Rinde  und  die  unter  ihr  liegende  Basthaut,  hicdurch  die  Pflanzen  zum  Krän- 
keln und  vielfach  selbst  zu  raschem  Absterben  bringend. 

Als  Vorbeugungsmittel  ersch.eint  das  möglichst  sorgfältige  Roden  der  Stöcke 
samt  den  Wurzeln,  das  Legen  von  Fangkloben  als  Brutmaterial,  insbesondere  auch 
für  die  zweite  im  Sommer  schwärmende  Generation,  das  Vermeiden  des  sofortigen 
Anbaues  der  frischen  Schlagflächen,  da  die  gesetzten  Pflanzen  durch  die  auskommen- 
den Käfer  in  hohem  Grad  gefährdet  wären.  Als  Mittel  der  Vertilgung  ist  neben  den 
als  solches  zu  betrachtenden  Fangkloben,  die  nach  erfolgtem  Absatz  der  Brut  ent- 
rindet oder  noch  besser  verbrannt  oder  verkohlt  werden,  das  Ausziehen  und  Ver- 
brennen der  kränkelnden  mit  Käfern  besetzten  Pflanzen  zu  betrachten. 

Der  große  oder  Riesen-Fichtenbastkäfer,  Dendroctonus  mi- 
cans,  ist  der  größte  bei  uns  vorkommende  Bastkäfer,  8 — 9  mm  lang,  schwarz  mit 
grüngelber  Behaarung,  und  gehört  zu  den  stellenweise  sehr  schädüch  auftretenden 
Insekten.  Der  Käfer,  von  dem  ein  eigentliches  Schwärmen  noch  nicht  beobachtet 
wurde,  legt  seine  Eier  von  Mai  bis  August  ab  und  bohrt  sich  das  Weibchen  meist  tief 
unten  am  Stamm  —  bis  Meterhöhe  —  und  zwar  mit  Vorliebe  an  et\\a  vorliandenen 
Wundstellen  bis  zur  Safthaut  ein,  macht  einen  kurzen,  unregelmäßigen,  oft  knie- 
förmig  gebogenen  Muttergang  und  legt  seine  Eier  in  einem  oder  mehreren  Haufen 
zu  50  bis  100  Stück  daselbst  ab.  Auch  bei  diesem  Käfer  wurde  lange  Lebensdauer  der 
Käfer  und  Eiablage  wälirend  melirerer  Monate  (durch  Eckstein)  festgestellt.  AlsBrut- 
objekt  dient  fast  nur  die  Fichte,  in  seltenen  Fällen  die  Kiefer,  und  zwar  werden  mit  Vor- 
liebe Stangen  von  25 — 50  Jahren,  doch  auch  stärkere  Stämme  gewählt  und  vielfach  voll- 
ständig gesunde,  unbeschädigte  Individuen  befallen.  Die  ausschlüpfenden  Larven 
fressen  dicht  gedrängt  neben  einander  unter  der  Rinde  einen  größern  Hohlraum,  der 
auch  als  Familiengang  bezeichnet  wird,  und  überwintern  teilweise  als  Larven, 
teilweise  nach  vorheriger  Verpuppung  in  einzelnen,  im  Fraßraum  liegenden  Wiegen 
als  Käfer.  —  Die  Anwesenheit  des  Käfers  in  einem  Stamme  ist  an  dem  reichlich  aus 
dem  großen  Eingangsloch  ausfließenden  und  zu  weißen  Klumpen  erhärtenden  Harz 
zu  erkennen. 

Stärker  befallene  Stangen  und  Stämme  kränkeln  und  sterben  ab,  und  es  werden 
die  Bestände  dadurch  in  bedauerlicher  Weise  durchlöchert.  Als  Mittel  der  Vorbeugung 
erscheint  die  tunlichste  Vermeidung  aller  Beschädigungen  der  Stämme  bei  Fällung 
und  Abfuhr,  Beseitigung  beschädigter,  geschälter  etc.  Stangen;  als  Mittel  der  Ver- 
tilgung lediglich  die  Fällung  und  Entrindung  der  befallenen  und  an  dem  oben  berühr- 
ten Harzausfluß  kenntlichen  Stämme. 

Der  Schaden,  den  der  Käfer  manchen  Orts  (Harz,  Thüringen)  angerichtet  hat, 
war  bisweilen  schon  ein  bedeutender,  zumal  der  Käfer  vollkommen  gesunde  Stämme 
anfällt  und  durch  den  starken  Harzfluß  nicht  in  seiner  Entwicklung  gehemmt  erscheint. 

§52.  Der  große  braune  Rüsselkäfer,  Hylobius  abietis  (s.  Taf.  I 
Fig.  7).  Dieser  8 — 12  mm  lange  und  4 — 6  mm  breite  Käfer  mit  mäßig  langem  starkem 
Rüssel  ist  dunkel-  bis  rotbraun,  mit  gelben  Zeichnungen  zwischen  den  Augen,  an  den 
Seiten  des  Halsschildes  und  Hinterleibes,  dann  auf  den  Flügeldecken,  welche  Zeich- 
nungen durch  zu  Flecken  zusammentretende  gelbe  Haarschüppchen  entstehen,  auf 
den  Flügeldecken  als  Ouerbinden  erscheinen  und  am  frischen  Käfer  lebhaft  hervor- 
treten, allmählich  aber  sich  abreiben. 


240  V-  Fürst,  Forstschutz. 

lieber  die  Lebensweise  dieses  ebenso  schädlichen  wie  zahheich  auftretenden 
Käfers  —  er  wird  da  und  dort  nach  Miüionen  gesammelt!  —  bestand  nun  merkwür- 
digerweise lange  eine  große  Unklarheit  und  bezw.  Verschiedenheit  der  Ansichten 
unter  selbst  bewährten  Forschern,  so  zwischen  A  1 1  u  m  und  E  i  c  h  h  o  f  f  i),  von 
denen  der  erstere  eine  zweijährige  Generation  auf  Gmnd  seiner  Beobachtungen 
behauptete,  während  letzterer  eine  solche  entschieden  bestritt  und  selbst  eine  d  o  p- 
p  e  1 1  e  Generation  für  wahrscheinlich  erklärte.  Der  Umstand,  daß  man  zu  gleicher 
Zeit  frische  und  (den  abgeriebenen  Flügeldecken  nach)  schon  länger  lebende  Käfer, 
dann  Lai'ven  in  jedem  Stadium  der  Entwicklung  antraf,  führte  den  einen  zu  dieser, 
den  andern  zu  jener  Erklärung.  Eine  Reihe  von  Beobachtungen,  die  Oberförster 
von  Oppen^)  in  sehr  exakter  Weise  mit  möglichst  naturgemäß  eingezwingerten 
Käfern  angestellt  hat,  führte  zu  höchst  interessanten  Resultaten  und  scheint  in  die 
Generationsverhältnisse  des  Rüsselkäfers  Licht  gebracht  zu  haben. 

Nach  v.  Oppens  Beobachtungen  ist  die  Lebensdauer  des  Käfers  eine  sehr  lange, 
bis  zu  zwei  Jab.ren;  die  je  nach  der  Oertlichkeit  und  der  Früb.jahrstemperatur  im 
April  oder  Mai  aus  dem  Winterschlaf  erwachenden  oder  auskriechenden  Käfer  be- 
gatten sich  alsbald  und  setzen  ihre  Brut  an  den  frischen  Stöcken  und  Wurzeln 
der  im  Winter  abgetriebenen  Nadelholzstämme  ab,  wiederholen  aber  Begat- 
tung und  Eiablage  während  des  ganzen  Jahres,  so  daß  man  in  den 
befallenen  Stöcken  und  Wurzeln  die  gelbüchweißen  Larven  mit  großem  braunem 
Kopf,  welche  zuerst  zwischen  Holz  und  Rinde  fressen,  allmählich  aber  tief  in  den 
Splint  eingreifen,  im  Sommer  und  Herbst  in  dem  verschiedensten  Stadium  der  Ent- 
wicklung finden  kann.  Die  abwärts  gehenden  geschlängelten  Larvengänge  sind  mit 
Wurmmehl  gefüllt,  und  an  deren  Ende  verpuppen  sich  die  aus  den  zuerst  abgelegten 
Eiern  entstandenen  Larven,  die  eine  Größe  bis  zu  18  mm  erlangen,  in  einer  Wiege, 
überwintern  als  Puppen  oder  Käfer,  während  die  später  erschienenen  Larven  als 
solche  überwintern.  Im  Frühjahr  erscheinen  nun  die  jungen  und  mit  ihnen  auch  ein 
Teil  überwinterter  alter  Käfer,  während  des  ganzen  Sommers  fort  kommen  auch  neue 
Käfer  aus  der  im  ^'orjahr  später  —  im  Juni.  Juli,  August  —  abgesetzten  Brut  zum 
Vorschein,  so  daß  sich  hiedurch  jederzeit  Käfer  des  verschiedensten  Alters  vorfinden. 

Als  Generations-Dauer  haben  v.  Oppens  Versuche,  in  rauhem  Klima  angestellt, 
durchschnittlich  15  Monate  ergeben,  für  eine  Anzahl  Individuen  auch  nur  12  Monate. 
Doch  schreiten  die  erst  im  Spätsommer  sich  entwickelnden  Käfer  wohl  in  diesem 
Jahre  nicht  mehr  zur  Fortpflanzung.  —  Eine  bestimmte  Schwärmzeit  würde 
es  nach  diesen  Versuchen  gleichfalls  niclit  geben.  Ausschlüpfen  und  Paarung  der 
Käfer  vielmehr  während  des  ganzen  Sommers  erfolgen;  dagegen  wird  erklärlicher- 
weise im  Frühjahr  und  Frühsommer  die  Zahl  der  Käfer  eine  besonders  große  sein, 
da  hier  die  überwinterten  alten  und  die  neu  ausschlüpfenden  jungen  Käfer  zusammen- 
treffen, und  erscheint  daher  das  Frühjahr  (Mai,  Juni)  als  die  Zeit  des  massenhaften 
Auftretens  und  größten  Schadens. 

So  unschädlich  nun  die  Brut  des  Käfers  ist,  so  schädlich  wird  letzterer  selbst 
durch  seinen  Fraß  an  jungen  Pflanzen.  Er  benagt  plalzweise  die  zarte  Rinde  an  Stamm 
und  Aesten  schwacher  Föhren-  und  Fichtenpflanzen,  während  er  schon  härter  ge- 
wordene Rinde  meidet,  geht  jedoch  auch  die  Pflanzen  der  übrigen  Nadelhölzer,  ja 
im  Notfall  selbst  Laubhölzer  an.  Die  befressenen  bezw.  benagten  Plätze  erstrecken 
sich  bei  schwachen  Pflanzen  oft  auf  den  ganzen  Umfang  des  Stämmchens  und  haben 


1)  Z.  f.  F.  u.  J.  188i.  S.  140  und  S.  173. 

2  Z.  !.   F.  u.  J.  1885.  S.  81  und  141,  dann  1887  S.  344. 


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Der  große  braune  Rüsselkäfer,  Hylobius  abielis.     §  52.  241 

dann,  oder  wenn  sie  in  größerer  Zaiil  an  einer  Pflanze  vorhanden,  ein  oft  rasches 
Absterben,  bei  minderer  Ausdehnung  der  Beschädigung  ein  Kränkeln  und  Kümmern 
der  Pflanzen  zur  Folge. 

Ueber  die  Lebensweise  des  Käfers  sei  noch  bemerkt,  daß  er  nach  dem  Aus- 
schlüpfen und  erfolgter  Paarung  zum  Absetzen  seiner  Brut  den  frischen,  durch  den 
Harzgeruch  ihn  von  weither  anlockenden  Schlagflächen  zustrebt,  meist  laufend,  doch 
auch  fliegend,  dort  seine  Brut  an  die  zutage  tretenden  oder  flach  unter  der  Erde  liegen- 
denWurzeln  absetzt  und  sich  gleichzeitig  von  der  zartenRinde  vorhandenen  Anfluges,  fri- 
schen Reisigs  etc.  nährt.  Besonders  günstig  wird  es  für  ihn  sein,  wenn  solche  frische 
Schlagflächen  sofort  ausgepflanzt  wurden,  da  ihm  dann  Brut-  und  Fraßmaterial  zu- 
gleich geboten  sind.  Fehlt  ihm  letzteres,  so  begibt  er  sich  laufend  nach  den  anstoßen- 
den Kulturen,  dort  die  Pflanzen  befressend  und  in  dem  vorhandenen  Bodenüberzug 
später  sein  Winterlager  suchend. 

In  den  Nadelholzwaldungen  ist  er  wohl  jederzeit  in  beschränkter  Zahl  vorhanden, 
seine  Menge  kann,  wenn  ihm  durch  die  Art  und  Weise  der  Bewirtschaftung  (Kahlhieb 
ohne  Stock-  und  Wurzelrodung)  oder  durch  Elementarereignisse  (Sturm,  Schnee- 
bruch) Brutstätten  in  frischen  Stöcken  und  Wurzeln  reichlich  dargeboten  werden, 
in  kurzer  Zeit  ins  Ungeheure  anwachsen  ^)  und  der  durch  ihn  angerichtete  Schaden 
in  Kulturen  ein  sehr  bedeutender  werden;  angesichts  dessen  ist  es  nächste  Aufgabe 
des  Forstmannes,  dieser  Vermehrung  vorzubeugen. 

Das  sicherste  Vorbeugungsmittel  aber  ist  das  vollständige  Roden 
der  Fichten-  und  Föhrenstöcke  samt  Wurzeln,  wo  immer  dies  die  Standorts- 
und .\bsatzverhältnisse  gestatten,  und  zwar  am  zweckmäßigsten  im  Spätsommer 
des  ersten  Jahres,  zu  welcher  Zeit  ein  großer  Teil  der  Brut  abgesetzt  ist  und  mit  dem 
Stockholz  aus  dem  Wald  geschafft  wird.  Die  bloße  Baumrodung,  bei  welcher 
eine  große  Menge  von  Wurzeln  oberflächhch  abgehauen  im  Boden  verbleibt,  genügt 
nicht. 

Man  wird  ferner  vermeiden,  durch  sofortigen  Anbau  der  im  Winter  gehauenen 
Kahlschläge  —  zumal  wenn  keine  gründliche  Stock-  und  Wurzelrodung  stattfinden 
konnte,  —  dem  Käfer  Brut-  und  Fraßmaterial  auf  derselben  Fläche  zu  bieten,  sondern 
wird  die  Schläge  e  i  n  und  besser  noch  zwei  Jahre  liegen  lassen,  um  die  Gefahr  der  Be- 
schädigung der  Pflanzen  durch  die  auf  der  Kulturfläche  ausschlüpfenden  Käfer  ab- 
zuwenden. 

Von  ganz  besonderer  Bedeutung  ist  ein  entsprechender  H  i  e  b  s  w  e  c  h  s  e  1 
in  der  Weise,  daß  der  Hieb  womöglich  nur  alle  5 — 6  Jahre  in  derselben  Abteilung 
fortgesetzt  wird.  W'o  sicli,  wie  manchen  Orts  üblicli,  die  Hiebsflächen  in  Nadelholz- 
beständen Jahr  für  Jahr  aneinanderreihen,  ist  dem  Käfer  Brutstätte  und  Fraßmaterial 
stets  unmittelbar  beisammen  geboten.  —  Die  Käfer  aber  sucht  man  teils  auf  den 
Stätten  ihrer  Entstehung,  teils  auf  jenen  ihres  Fraßes  möglichst  abzufangen  und  zu 
vernichten.  Dies  geschieht  zunächst  durch  Fanggräben,  etwa  30  cm  breite 
und  ebenso  tiefe  Gräben  mit  möglichst  glatt  und  steil  abgestochenen  Wänden,  und 
umzieht  man,  wo  Boden  und  Terrain  dies  gestatten,  zunächst  die  frischen  Hiebs- 
flächen mit  solchen;  auf  der  Sohle  erhalten  sie  alle  2 — 3  m  ein  tiefes  Falloch  einge- 
stoßen. In  diese  Gräben  fallen  die  Käfer,  wenn  sie,  durch  den  Harzgeruch  angelockt, 
nach  den  Hiebsflächen  laufen,  um  dort  ihre  Brut  abzusetzen,  und  können  leicht  ge- 


1)  Im  sog.  Reichswald  bei  Nürnberg  konnte  man,  dank  intensiver  Stock-  und  Wurzelrodung, 
vor  dem  Jahr  1868  nur  mit  Mühe  einzelne  Küfer  finden;  nach  dem  Schneebruch  vom  Jahr  18G8, 
dem  Sturmschaden  vom  Jalir  1870,  durcli  welche  jene  Rodung  unmöglich  gemacht  wurde,  konnten 
die  Rüsselkäfer  nach  wenig  Jahren  in  Millionen  gesammelt  werden! 

Handb.  d.  Forstwiss.     3.  AuB.    II.  16 


242  "VII.  Fürst,  Forstschutz. 

sammelt  werden.  Da  aber  ein  Teil  der  Käfer  jene  Flächen  fliegend  erreicht,  so 
dienen  die  Gräben  im  nächsten  Jahr  als  Mittel  zum  Fang  der  nun  nach  Fraß  statten 
—  Kulturen  —  wandernden  Käfer. 

Auf  den  Hiebsflächen,  welche  nicht  durch  Gräben  geschützt  werden  konnten, 
und  in  befallenen  Kulturen  sucht  man  nun  die  Käfer  zu  fangen:  durch  F  a  n  g  r  i  n  d  e, 
frisch  geschälte  Fichten-  und  Föhren-Rindenstücke,  die  man  mit  der  Safthaut  nach 
unten  auf  den  Boden  legt,  und  Fangkloben,  meterlange  Trumme  frisch  ge- 
fällter Fichten-  und  Föhrenstangen,  an  denen  man  einen  etwa  5  cm  breiten  Rinden- 
streifen der  Länge  nach  abgeschält  hat.  Die  Käfer  werden  durch  den  Harzgeruch 
angelockt  und  sitzen  fressend  sehr  fest  an  der  Safthaut.  Auch  Fangbüschel  — 
kleine  Bunde  frischen  Nadelholzreisigs,  an  dessen  Rinde  die  Käfer  ebenfalls  fressen, 
finden  als  Anlockungsmittel  An\\endung.  Allmorgentlich  während  der  Hauptflug- 
zeit —  Mai  und  Juni  —  sammelt  man  die  Käfer  von  den  Fangrinden  und  -kloben 
durch  Ablesen,  von  den  Fangbüscheln  durch  Abklopfen  auf  ein  Tuch  und  tötet  die 
Käfer  durch  Ueberbrühen  mit  kochendem  Wasser. 

Sehr  häufig  kommt  neben  dem  großen  braunen  Rüsselkäfer  in  den  Kulturen 
der  große  graue  Rüsselkäfer  Cleonus  turbatus  vor,  ein  schöner,  weiß  und 
grau  gezeichneter  Käfer,  dem  aber  bisher  eine  Beschädigung  von  Kulturen  nicht  nach- 
gewiesen werden  konnte. 

Bemerkt  möge  endlich  noch  sein,  daß  durch  die  Kahlschlagwirtschaft  die  Ver- 
mehrung der  Rüsselkäfer  entschieden  begünstigt  wird,  während  bei  natürlicher  Ver- 
jüngung, wie  sie  in  Fichtenbeständen  und  insbesondere  in  aus  Laub-  und  Nadelholz 
gemischten  Beständen  vielfach  stattfindet,  der  Käfer  nur  in  beschränktem  Maße 
auftritt. 

§  53.  Der  kleine  braune  Rüsselkäfer,  Weißpunktrüssel- 
käfer, Pissodes  notatus  (s.  Taf.  I  Fig.  8).  Der  Käfer  ist  6 — 8  mm  lang,  dunkel- 
rotbraun mit  hellen  Haarschüppchen  unregelmäßig  bepudert,  auf  dem  Halsschild 
mit  einer  Anzahl  deutlicher  weißer  Punkte;  auf  den  Flügeldecken  zwei  rostfarbene 
weiß  und  gelb  beschuppte  Querbinden,  deren  vordere  an  der  Naht  unterbrochen  ist; 
der  Rüssel  ist  ziemlich  lang  und  fein. 

Der  Käfer  schwärmt  im  Mai,  und  legt  dann  das  Weibchen  seine  Eier  in  kleinen 
Partien  vorzugsweise  unter  die  Quirltriebe  junger  5 — lOjähriger  Föhrenpflanzen  — 
auch  an  andere  Pinus-Arten,  nie  aber  an  Fichten  oder  Tannen  —  sowie,  wenn  auch 
seltener,  an  kränkelnde  Stangen  in  feine,  mit  dem  Rüssel  eingebohrte  Löcher. 
Die  nach  kurzer  Zeit  ausschlüpfenden  Lai-ven,  gelbweiß  mit  braunem  Kopf,  fressen  in 
der  Basthaut  meist  abwärts,  doch  auch  aufwärts  geschlängelte,  allmählich  breiter 
werdende  Gänge,  an  deren  Ende  sie  sich  in  einer  im  Holz  liegenden,  niit  Fraßspänen 
ausgepolsterten  und  bedeckten  Splintwiege  im  Laufe  des  Monat  Juli  verpuppen. 
Im  August  verläßt  der  Käfer  durch  ein  rundes,  die  Rinde  durchbrechendes  Flugloch 
die  Wiege  und  überwintert  unter  Moos,  in  Rinderitzen;  Eichhoff  behauptete  eine 
doppelte  Generation  auch  dieses  Käfers,  was  aber  nach  unsern  eigenen  Beobachtungen 
nicht  der  Fall  zu  sein  scheint.  Wohl  aber  haben  neuere  Untersuchungen  i)  auch  für 
diesen  Käfer  eine  längere  Lebensdauer,  wiederholte  Begattung  und  Eierablage  er- 
geben; auch  für  die  im  nächsten  §  besprochenen  Pissodes-Arten  wurden  gleiche  Be- 
obachtungen gemacht. 

Der  fertige  Käfer  befrißt  nicht,  wie  der  große  Rüsselkäfer,  die  Rinde,  sondern 
sticht  dieselbe  lediglich  mit  seinem  Rüssel  zum  Zweck  des  Saftsaugens  an  und  die 


1)  Eckstein  in  Z.  f.  F.-  u.  J.-W.  1909  S.  209. 


Sonstige  Rasselkäfer.     §  54.  243 

Pflanzen  zeigen  oft  eine  große  Zahl  solcher  feiner,  durch  einen  Harztropfen  kennt- 
licher Stichpunkte.  Viel  schädlicher  aber  werden  die  L  a  r  v  e  n  ,  die  durch  das  Zer- 
stören der  Safthaut  das  Kränkeln  und  sehr  vielfach  das  .\bsterben  der  Pflanzen  ver- 
ursachen, bei  zaldreichem  Erscheinen  die  Kulturen  stark  durchlicl\ten,  so  daß  der  aller- 
dings seltener  als  Hyl.  abietis  auftretende  kleine  Rüsselkäfer  an  vielen  Orten  zu  den 
sehr  schädlichen  Kulturverderbern  zu  zählen  ist. 

Als  sicherstes  Gegenmittel  ist  das  Vernichten  der  Brut  durch  .Ausreißen  und 
Verbrennen  der  mit  LaI•^'en  besetzten  Pflanzen  zu  betrachten;  letztere  sind  Ende 
Juni,  Anfang  .Juli  an  den  welk  werdenden  und  sich  senkenden  jungen  Trieben  leicht 
zu  erkennen  und  \\erden  von  den  die  Kulturen  wiederholt  durchgehenden  Arbeitern 
ausgerissen.  Bei  Anwendung  dieses  Mittels  mehrere  Jahre  nach  einander  wird  es 
stets  gelingen,  des  Käfers  Herr  zu  werden. 

§54.  Sonstige  Rüsselkäfer.  Aus  der  großen  Zahl  der  Rüsselkäfer 
wären  hier  noch  folgende,  stellenweise  oft  ziemlich  schädliche  Nadelholz-Rüssler  zu 
nennen. 

Der  Kiefernstangen-Rüsselkäfer,  Pissodes  piniphilus.  Dieser 
kleine  Käfer,  braun  mit  je  einem  charakteristischen  größern  rostgelben  Flecken  auf 
den  Flügeln,  lebt  in  den  dünnrindigen  oberen  Stammteilen  der  Föhrenstangen,  aber 
auch  der  älteren  Stämme;  dort  legt  das  Weibchen  einzeln  in  eingebissene  Löcher 
seine  Eier  ab,  und  die  auskommenden  Larven  zerfressen  in  geschlängelten,  breiter 
werdenden  Gängen  die  Safthaut,  sich  zuletzt  im  Splinte  in  kleinen  Splintwiegen  ver- 
puppend. Die  Schwärmzeit  ist  im  Juni,  die  Generation  nach  Nitsches  Angabe  *) 
zweijährig,  während  Dougall  auf  Grund  neuerer  Forschungen  -)  eine  einjährige  Gene- 
ration mit  längerer  Lebensdauer  und  wiederholter  Copula  feststellen  zu  können  glaubt. 
Die  von  dem  bisher  weniger  beachteten,  aber  doch  verhältnismäßig  häufig  auftreten- 
den Insekt  befallenen  Stangen  und  Stämme  fangen  bei  einigermaßen  stärkerer  Be- 
setzung an  zu  kränkeln  und  gehen  schließlich  in  oft  nicht  geringer  Zahl  ein,  so  daß 
die  Bestände  sich  lichten  und  der  Schaden  ein  bedeutender  werden  kann.  Als  Gegen- 
mittel wurde  ^)  mit  Erfolg  das  Fällen  der  befallenen  Stangen  und  Stämme,  kenntlich 
an  den  austretenden  weißen  Harztropfen,  die  namentlich  an  sonnigen  Tagen  gut 
wahrzunehmen  sind,  angewendet;  ein  tiefgreifendes  Entrinden  ist  dann  nötig,  wenn 
etwa  schon  teilweise  Verpuppung  eingetreten  ist. 

Der  Harzrüsselkäfer,  Pissodes  harcyniae,  etwa  6  mm  lang,  schmal, 
fast  schwarz  mit  zwei  feinen  weißgelben  Binden  über  die  Flügeldecken,  ist  im  Harz 
und  Erzgebirg  schon  sehr  schädlich  aufgetreten,  befällt  nur  Fichten  und  zwar  vor- 
wiegend in  älteren  60 — lOOj.  Beständen,  wobei  das  Weibchen  nach  der  Schwärm- 
periode im  Mai  und  Juni  seine  Eier  unter  die  Rindenschuppen  kränkelnder,  aber  auch 
gesunder  Stämme  ablegt;  die  Lar\'e  frißt  in  geschlängeltem  Gang  in  der  Safthaut, 
sich  schließlich  in  einer  im  Splint  liegenden,  mit  Spänen  gepolsterten  Wiege  ver- 
puppend und  zwar  nach  Altums  Angabe  erst  im  Sommer  des  folgenden  Jahres,  so 
daß  hienach  die  Generation  als  eine  zweijährige  erscheint.  Stärker  befallene  Stämme 
kränkeln  und  sterben  sch.ließlich  ab,  iii  den  kränkelnden  Stämmen  finden  jedoch  auch 
andere  schädliche  Insekten,  Borkenkäfer  obenan,  willkommene  Brutstätten.  Die 
austretenden  weißen  Harztröpfchen  verraten  dem  geübten  Auge  die  befallenen 
Stänune,  und  wo  der  Käfer  in  größerer  Zahl  auftritt,  läßt  man  die  Bestände  von 


1)  Lehrbuch  der  niilteleurop.  Insektenkunde   I   S.  380. 

2)  Forsll.  naturw.  Zeitschr.   1898  S.  201. 

3)  Forstw.    Z.    Bl.    1885    S.    144. 

16 


244  ^"-  Fürst,  Forstschutz. 

darauf  eingeübten  Arbeitern  wiederholt  durchgehen,  die  Käferbäume  bezeichnen, 
sowie  alsbald  fällen  und  entrinden. 

In  ähnlicher  Weise  beschädigt  der  Tannenrüsselkäfer,  Pissodes  piceae 
ältere  Tannen,  der  Kiefernbestands-Rüsselkäfer  P.  pini  (s.  Taf.  I, 
Fig.  9)  ältere  Föhren ;  beide  treten  jedoch  minder  häufig  und  darum  minder  schäd- 
lich auf. 

§  55.  Der  große,  schwarze  Fichtenrüsselkäfer,  Otiorhyn- 
chus  ater  (niger),  ein  8 — 12  mm  langer,  glänzend  schwarzer  Käfer  mit  kurzem  breiten 
Rüssel,  eiförmigen  Körper,  stark  gewölbten  Flügeldecken,  aber  olme  häutige  Flügel, 
mit  roten  Beinen  und  schwarzen  Knien  und  Füßen,  wird  als  Käfer  und  Larve 
insbesondere  in  Gebirgsgegenden  nicht  selten  schädlich.  Der  Käfer  benagt  die  zarte 
Rinde  von  Fichtenpflanzen,  auch  deren  Knospen,  die  schmutzig  weiße,  im  Boden 
liegende  Larve  deren  Wurzeln,  stärkere  Wurzeln  völlig  entrindend,  schwächere  ab- 
beißend und  hiedurch  die  Pflanzen  tötend.  Die  Schwärmzeit  ist  im  Mai,  die  Eierablage 
erfolgt  in  bloßliegendem  und  lockerem  Boden  insbesondere  in  Saatbeeten  und  Saat- 
kulturen, der  Larvenfraß  wird  im  Juni  und  .Juli  bemerklich.  Ende  Juli  tritt  die  Ver- 
puppung ein,  Ende  August  erscheinen  die  Käfer,  die  als  solche  überwintern ;  die  Gene- 
ration ist  demnach  eine  einjährige;  bei  größerer  Vermehrung  treten  jedoch  mannig- 
fache Verschiebungen  im  Erscheinen  der  einzelnen  Entwicklungsstadien  ein. 

Man  sucht  dem  Schaden  vorzubeugen  durch  Ausführung  von  Kulturen  unter 
geringer  Bodenverwundung.  Vertilgungsmittel  gegen  Larven  sind  kaum  anwendbar, 
die  Käfer  sucht  man  durch  Ablesen  von  den  Pflanzen,  Sammeln  unter  Moosplaggen, 
welche  in  die  Kulturen  und  Saatbeete  gelegt  werden,  und  mitFanggräben  zu  vertilgen. 

§  56.  DerMaikäfer,  Melolontha  vulgaris  (s.  Taf.  I  Fig.  19).  Dieses  Insekt 
beschädigt  als  Käfer  zwar  vorwiegend  nur  Laubhölzer,  dagegen  wird  die  Larve  vor 
allem  den  Nadelholzkulturen  durch  ihre  Wurzelzerstörungen  lästig,  und  hiedurch 
erscheint  die  Besprechung  unter  den  Nadelholzinsekten  gerechtfertigt. 

Die  Gestalt  des  Käfers  ist  eine  allbekannte  und  eine  Beschreibung  wohl  über- 
flüssig; die  Gesch.lechter  sind  an  den  Fühlern  leicht  zu  unterscheiden,  welche  beim 
Männchen  schön  gekämmt,  beim  Weibchen  fadenförmig  sind.  Die  Larve,  Engerling 
genannt,  ist  in  ausgewachsenem  Zustand  4 — 5  cm  lang,  mit  dickem  gelbbraunen  Kopf, 
sechs  langen  Brustfüßen,  der  Körper  bauchwärts  gekrümmt,  gelblichweiß,  mit  dickem, 
infolge  des  durchschimmernden  Kotes  bläulich  gefärbtem  After,  die  Puppe  ist  bräun- 
lichgelb mit  zweispitzigem  After,  die  Eier  sind  eiförmig,  gelblichweiß  und  etwa  hanf- 
korngroß. 

Was  nun  die  Lebensweise  des  Maikäfers  betrifft,  so  schwärmt  er  je  nach  klima- 
tischen Verhältnissen  bald  früher,  bald  später  im  Monat  Mai,  in  rauhen  Lagen  selbst 
bis  Anfang  Juni.  Das  Weibchen  sucht  sich  nach  der  Begattung  zur  Ablage  seiner 
Eier  möglichst  freie  Flächen  mit  lockerem,  unbewachsenen  Boden,  der  ihm  das  Ein- 
dringen behufs  Eierablage  erleichtert,  wühlt  sich  in  diesen  5 — 10  cm  tief  ein  und  legt 
eine  Anzahl  Eier,  bis  zu  30  Stück  an  einer  Stelle,  ab,  wiederholt  diese  Eierablage 
mehrmals  und  ist  die  Zahl  der  von  einem  Wöibchen  abgelegten  Eier  eine  ziemlich 
große,  bis  zu  60  Stück.  Bald  nach  der  Begattung  und  bezw.  Eiablage  erfolgt  das 
Absterben  der  Käfer. 

Die  Larven  —  Engerlinge  —  schlüpfen  nach  etwa  4  Wochen  aus  den  Eiern, 
entfernen  sich  im  ersten  Jahr  nicht  weit  von  der  Stelle,  wo  sie  auskamen,  und  ver- 
ursachen, sich  anscheinend  nur  von  im  Boden  befindlichen  Humusteilchen  nährend, 
noch  keinen  Schaden.  Mit  herannahendem  Winter  wühlen  sie  sich,  um  dem  Frost 
auszuweichen,  tiefer  in  den  Boden,  arbeiten  sich  im  Frühjahr  wieder  herauf  und  be- 


Der  Maikäfer.     §  56.  245 

ginnen  nun  ihren  allmälilicli  fülilbar  werdenden  Fraß  an  Pflanzenwurzeln  jeder  Art, 
ihn  nach  nochmahger  Ueberwinterung  und  allmähhch  zu  bedeutender  Größe  heran- 
gewachsen in  noch  stärkerem  Maß  wiederholend;  auch  Kartoffeln,  Rüben  und  derlei 
Gewächse  werden  oft  stark  beschädigt.  Nach  abermaliger  Ueberwinterung  arbeiten 
sich  die  tief  in  den  Boden  gegangenen  Engerlinge  nochmals  herauf  und  fressen  noch 
einige  Wochen,  gehen  aber  Ende  Juni  und  sonach  drei  Jahre  nach  ihrem  Ausschlüpfen 
aus  dem  Ei  zum  Zweck  der  Verpuppung  tief  in  den  Boden;  letztere  erfolgt  in  einer 
geglätteten  Höhle,  und  nach  einigen  Monaten,  also  schon  im  Spätherbst,  entwickelt 
sich  aus  der  Puppe  der  anfänglich  weiße,  weiche  Käfer,  der,  allmähhch  erhärtend,  im 
Frühjahr  zur  oben  angegebenen  Schwärmzeit  die  Erde  verläßt,  hiebei  ein  seiner  Größe 
entsprechendes  Loch  zurücklassend.  —  Die  ganze  Entwicklungsdauer  ist  sonach  eine 
vierjährige,  für  das  wärmere  Süddeutschland  aber  nur  eine  dreijährige,  in  Nordost- 
deutschland selbst  5jährige,  und  in  diesen  Intervallen  kann  man  durch  besonders 
zahlreiches  Auftreten  der  Käfer  auffallende  Flugjahre  konstatieren,  während  sich  in 
den  zwischenliegenden  Jahren  Maikäfer  stets  nur  in  begrenzter  Zahl  zeigen. 

Was  nun  die  Schädlichkeit  des  Maikäfers  anbelangt,  so  ist  sie  eine  doppelte; 
er  betätigt  sie  als  Engerling  und  als  Imago. 

Als  Engerling  verzehrt  er,  vom  zweiten  Lebensjahr  beginnend,  die  zarten  Wur- 
zeln von  Gewächsen  jeder  Art,  namentlich  die  reservestoffreichen  Wurzeln  von  peren- 
nierenden Kräutern  und  Gräsern,  so  auch  die  Wurzeln  unserer  Holzptlanzen ;  und  da 
auf  den  Kahlschlägen  mit  ihrem  meist  durch  Stockrodung  wunden  Boden  vorwiegend 
Nadelholz  und  zwar  mittelst  schwächerer  Pflanzen  angebaut  wird,  nebenbei  die 
Nadelholzpflanzen  gegen  Wurzelbeschädigungen  sehr  empfindlich  sind,  so  sind  es  die 
Nadelholzschläge  und  vor  allem  die  großen  Kiefernkahlschläge  der  Ebene  mit  ihrem 
lockern  Sandboden,  auf  welchen  durch  die  Engerlinge  schon  großartige  Beschädi- 
gungen angerichtet  wurden,  so  daß  der  Maikäfer  zu  den  schädlichsten  Kulturver- 
derbern  gerechnet  werden  muß.  Auch  in  Saatbeeten,  die  ihm  einerseits  wunden 
Boden  zur  Eierablage  und  anderseits  nur  Wurzeln  von  Holzpflanzen  als  Nahrung 
bieten,  richten  die  Engerlinge  großen  Schaden  an  —  weniger  zu  fürchten  sind  sie  da- 
gegen in  natürlichen  Verjüngungen,  in  Mittel-  und  Niederwaldschlägen.  In  vom  Mai- 
käfer stark  heimgesuchten  Gebieten  werden  aber  selbst  geschlossene  30 — 80jährige 
Laubholzbestände  durch  Engerlinge  stark  geschädigt,  zum  Kümmern  und  selbst  Ab- 
sterben gebracht  ^). 

Wesentlich  geringer  ist  der  Schaden,  den  der  fertige  Käfer  verursacht.  Dieser 
frißt  das  Laub  der  meisten  Laubhölzer,  insbesondere  der  Eichen,  Buchen,  Ahorne, 
auch  Roßkastanien,  Pappeln,  während  von  den  Nadelhölzern  nur  die  weichen  Nadeln 
der  Lärche  und  die  Blüten  der  Föliren  angegangen  werden.  In  Flugjahren  ist  der 
Fraß  oft  so  bedeutend,  daß  man  ganze  Laubholzbestände,  insbesondere  auch  die 
Oberholz-Eichen  des  Mittelwaldes  kahlgefressen  sehen  kann,  doch  begrünen  sie  sich 
mit  Hilfe  der  Johannitriebe  wieder,  wenn  auch  nur  dünn,  und  der  Schaden  besteht 
in  einigem  Zuwachsverlust-)  und  etwa  der  Zerstörung  der  Blüten  bezw.  der  Mast. 

Die  Vorbeugimg  und  Bekämpfung  ist  nun  eine  schwierige.  Man  sucht  es  zu 
vermeiden,  dem  Käfer  in  F  1  u  g  j  a  h  r  e  n  die  von  ihm  bevorzugten  größeren  Kahl- 
flächen mit  wundem  Boden  darzubieten,  vermeidet  Bodenver\\undungen  und  Saaten 
in  solchen  Jahren,  wendet  Klemmpflanzung  an;  man  hat  in  den  besonders  heimge- 


1)  Puster,  Ein  Jahrzehnt  im  Kampf  mit  dem  Maikäfer.   Forslw.  Z.-Bl.  1910  S.  633. 

2)  Nach  Nördlingers  Angabe  (Forstschutz  S.  152)  lassen  sich  in  Schwaben  die  alle 
drei  Jahre  eintretenden  Flugjahre  an  den  jedesmaligen  schmäleren  Jahrringen  von  Alteichen 
nachweisen. 


246  ^'I"-  Fürst,  Forstschutz. 

suchten  Waldungen  der  norddeutschen  Sandebene  versucht,  den  üblichen  Kahlschlag 
zu  verlassen  und  zur  Verjüngung  unter  Schirmstand  zurückzukehren  —  nur  mit  ge- 
ringem Erfolg.  Bei  Anlagen  von  Saatkämpen  vermeidet  man  tunlichst  die  Nähe  von 
Eichenstockschlägen,  von  denen  aus  der  Anflug  besonders  reich  erfolgt,  sucht  bei 
dem  Umgraben  die  Engerlinge  möglichst  zu  beseitigen,  durch  Umfassungsgräben 
deren  seitliches  Eindringen  zu  hindern,  durch  Deckgitter  die  Saatbeete  gegen  die  Ei- 
ablage zu  schützen;  selbst  Starenkästen,  in  größerer  Zahl  um  die  Saatkämpe  ange- 
bracht, um  dadurch  die  den  Maikäfern  sehr  stark  nachgehenden  Stare  beizuziehen, 
haben  sich  als  nützlich  erwiesen. 

Zahlreiche  Feinde  unterstützen  uns  in  der  Vernichtung  der  Käfer:  die  am  Boden 
befindlichen  werden  von  Igel,  Dachs,  Marder,  Fuchs,  Schwein  verzehrt,  Fledermäuse, 
Stare,  Krähen,  Dohlen,  kleine  Raubvögel  und  andere  Vögel  vernichten  große  Mengen. 
Die  im  Boden  liegenden  Engerlinge  haben  leider  wenig  Feinde :  den  Maulwurf,  dann 
die  Schweine,  denen  man  allerdings  gerade  dort,  wo  sie  die  meisten  Engerlinge  finden 
würden,  den  Zugang  nicht  gestatten  kann;  die  beim  Pflügen  an  die  Oberfläche  ge- 
brachten werden  von  Krähen  und  Staren  begierig  verzehrt. 

Als  wichtigstes  Mittel  der  Vertilgung  erscheint  das  Sammeln  der  Käfer  — 
Abschütteln  von  Obstbäumen,  Randstämmen,  Stockausschlägen  in  den  frühen  Morgen- 
stunden, in  welchen  die  Käfer  nur  lose  sitzen,  auf  untergehaltene  Tücher  — ,  doch  hat 
dies  Mittel  natürlich  nur  dann  Erfolg,  wenn  es,  ev.  unter  Mitwirkung  der  ja  ebenfalls 
interessierten  Landwirte,  in  möglichster  Ausdehnung  stattfindet.  Die  abge- 
schüttelten Käfer  werden  in  Eimer  und  aus  diesen  in  Säcke  gesammelt,  die  Säcke 
schließlich  in  bereitgehaltene  Fässer  geleert  und  die  Käfer  mittelst  Schwefelkohlen- 
stoff rasch  getötet.  Die  Masse  kann  in  Mischung  mit  Kalk  und  Torfmulle  vorteilhaft 
zu  Kompost  verarbeitet  werden  ^). 

Das  Sammeln  der  Engerlinge,  Vertilgen  in  Saatbeeten  mit  Benzin  oder 
Schwefelkohlenstoff  hat  sich  nicht  von  Erfolg  gezeigt  —  am  ersten  gewährt,  wie 
erwälint,  das  Decken  der  Beete  mit  Gittern  Schutz  gegen  die  Eiablage.  Stark  ge- 
fährdete Saatbeete  verlasse  man. 

Neben  dem  gemeinen  Maikäfer  kommt  bisweilen  in  ziemlicher  Zahl  der  etwas 
kleinere  Roßkastanien-  Käfer  (Mel.  hippocastani)  sowie,  wenn  auch  seltener 
und  nur  in  sandigen  Gegenden,  der  große  Walker  (Polyphylla  fullo)  mit  schön 
weiß  und  braun  marmorierten  Flügeldecken  vor,  beide  in  gleicher  Weise  schadend. 

II.  Schmetterlinge. 

§  57.  D  e  r  K  i  e  f  e  r  n  s  p  i  n  n  e  r  ,  Gastropacha  pini  (s.  Taf.  II  Fig.  1).  Der 
Falter  dieses  größten  unserer  forstschädlichen  Schmetterlinge  hat  6 — 8  cm  Flügel- 
spannung, und  bezeichnet  ersteres  etwa  die  normale  Größe  des  Männchens,  letzteres 
jene  des  Weibchens.  Der  Leib  ist  dick,  der  Kopf  klein  und  unter  dem  Halsschild 
versteckt,  die  Augen  sind  groß,  die  Fühler  beim  Männchen  schön  lang  doppelt  ge- 
kämmt, beim  Weibchen  ganz  kurz  gekämmt;  die  Basis  der  Flügel,  die  Beine  und  der 
Hinterleib  sind  stark  behaart.  Die  großen  Vorderflügel  sind  braungrau  bis  weiß- 
grau, mit  einer  beim  Männchen  grauen,  beim  Weibchen  rotbraunen  Querbinde, 
welche  die  Flügel  in  zwei  Hälften  scheidet;  auf  der  dem  Leib  zunächst  liegenden 
Hälfte  findet  sich  ein  weißer,  halbmondförmiger  Fleck  auf  dunklerem  Grund.  Hinter- 


1)  Vergl.  die  interessante  Schildcriiug  von  P  u  s  t  er,  Forstw.  Z.-B1.1910  S.633  und  1911  .S,  511, 
der  im  Jahr  1907  mit  einem  Aufwand  von  16  800  Mk.  etwa  lö  Mill.  Käfer,  im  Jalir  1911  rund  22  ilill. 
vernichtete. 


Der  Kiefernspinner,  Gastropacha  pini.     §  57.  247 

flügel  und  Hinterleib  braun  und  graubraun,  die  Unterseite  einfarbig  hell  graubraun; 
Farbenvarietäten  bald  mehr  ins  Braune,  bald  ins  Graue  gehend  sind  sehr  häufig. 
Befindet  sich  der  Schmetterling  in  der  Ruhe,  so  liegen  die  Flügel  dachziegelförmig 
übereinander. 

Die  Raupe,  ausgewachsen  über  7  cm  lang,  zeigt  in  den  verschiedenen  Stufen 
der  Entwicklung,  wie  auch  in  ausgewachsenem  Zustand  sehr  mannigfache  Färbungen, 
aschgraue  bis  rötlichbraune  Grundfarbe  mit  hellen  Längsstreifen  an  der  Oberseite 
und  weißen  Flecken  an  der  Seite,  dunkeln  Flecken  und  Zeichnungen  auf  dem  Rücken 
und  starker  büschelförmiger  Beliaarung.  Charakteristisch  sind  die  dunkelblauen 
Haarbüschel  in  den  Einschnitten  des  zweiten  und  dritten  Leibesringes,  die  sich  im 
Nacken  als  blaue  Ouerstreifen  darstellen,  sodann  die  schwarzblauen  Haarbüschel- 
chen zwischen  den  übrigen  Haaren  und  ein  besonders  starker  solcher  Haarbüschel 
auf  dem  11.  Leibesring. 

Die  Puppe,  vorn  dunkel,  hinten  heller  braun,  schwach  behaart,  liegt  in  einem 
großen,  elliptischen,  schmutzig  weiß-grauen  Kokon;  die  Eier  etwa  halb  so  groß  wie 
Hanfkömer,  rundlich  elliptisch  und  an  den  Seiten  etwas  eingedrückt,  sind  frisch 
bläulichgrau,  später  perlgrau. 

Die  Schwärmzeit  des  Falters  fällt  etwa  Mitte  Juli,  die  Schmetterlinge,  unter 
Tag  ruhig  an  den  Bäumen  sitzend,  fliegen  gegen  Abend,  und  die  Begattung  erfolgt 
meist  tief  unten  am  Stanun,  wobei  sie  mit  dem  .\fter  gegen  einander  sitzen.  Das 
Weibchen  legt  sodann  seine  zahlreichen  (bis  200)  Eier  in  Gruppen  von  30 — 50  Stück 
an  die  Rinde  des  Stammes,  auch  an  Aeste  und  Zweige  ab,  und  nach  etwa  3  Wochen, 
also  beiläufig  Glitte  .\ugust,  schlüpfen  die  kleinen  Räupchen  aus,  verzehren  zunächst 
die  EihüUen  und  beginnen  sodann  die  Wanderung  in  die  Krone,  dort  zuerst  die  Na- 
deln nur  benagend,  später  ganz  verzehrend  .Mit  eintretendemFrost  steigen  die  noch  nicht 
halbwüchsigen  Raupen  vom  Baum  herab,  um  zusammengerollt  unter  Moos  und  Nadeln 
meist  noch  innerhalb  der  Schirmfläche  des  bisher  bewohnten  Baumes  zu  überwintern. 
Die  beginnende  Bodenwärme  im  Frühjahr  (nach  Altums  Beobachtungen  etwa  +  b°R.) 
Ende  März,  Anfang  April  erweckt  sie  aus  diesem  \A'interschlaf,  sie  besteigen  sofort 
die  Bäume  und  setzen  ihren  Fraß,  der  nun  mit  zunehmender  Größe  der  Raupen 
erst  recht  ins  Auge  fällt,  bis  gegen  Ende  Juni  fort.  Die  Raupen,  deren  Nah- 
rungsbedarf ein  sehr  bedeutender  ist,  verzehren  die  ganzen  Nadeln  bis  zur  Scheide, 
bei  Kahlfraß  selbst  Scheide  und  Knospen,  in  welchem  Fall  natürlich  der  befressene 
Stamm  oder  Bestand  zugrunde  gehen  muß,  und  verpuppen  sich  dann  in  einem  Kokon, 
am  liebsten  in  den  starken  Borkenschuppen  des  Stammes,  doch  auch  zwischen  Nadeln, 
an  den  Aesten,  um  nach  dreiwöchentlicher  Puppenruhe  auszuschlüpfen. 

Der  Kiefemspinner  lebt  nur  auf  Kiefern,  und  stets  sind  es  in  erster  Linie  die 
alten  Bestände,  die  er  befällt;  trockener  sandiger  Standort  der  Bestände  scheint  ihm, 
weil  die  Ueberwinterung  der  Raupen  durch  trockenes  Winterlager  begünstigend,  be- 
sonders zuzusagen.  Bei  großer  Vermehrung  aber  werden  auch  die  Stangenhölzer,  ja 
zuletzt  selbst  die  Schläge  befallen.  Der  Kiefernspinner  gehört  zu  den  scb.ädlichsten 
Forstinsekten,  da  er  nicht  selten  und  dann  in  oft  ungeheurer  Menge  auftritt;  er  hat 
in  den  großen  zusammenhängenden  Kiefernwaldungen  der  norddeutsclien  Ebene, 
ebenso  aber  auch  in  einzelnen  Föhrenkomplexen  Süddeutschlands  schon  außerordent- 
liche Verheerungen  angerichtet,  ausgedehnte  Bestände  zum  Kümmern  und  Absterben 
gebracht  und  fordert  daher  in  den  bedrohten  Oertlichkeiten  die  Aufmerksamkeit  des 
Forstmanns  in  vollem  Maß  heraus. 

Die  Zahl  der  Feinde,  durch  welche  die  Natur  uns  in  der  Vertilgung  des  so  schäd- 
lichen Insekts  unterstützt,  ist  infolge  der  starken  Behaarung  der  Raupe,  des  Schutzes 


248  ^11-  Fürst,  Forslschutz. 

der  Puppe  durch  den  Kokon  nur  eine  beschränkte.  Die  Meisen  vertilgen  zahlreiche 
Eier;  der  Kuckuck  ist  einer  der  wenigen  Vögel,  welche  der  Raupe  trotz  der  Behaarung 
gierig  nachgehen.  Dagegen  verschmähen  zahme  und  wilde  Schweine  die  im  Winter- 
lager befindliche  Raupe.  Viel  mehr  Abbruch  geschieht  dem  Spinner  jedoch  durch 
Insekten,  insbesondere  durch  Raupenfliegen  und  Schlupfwespen,  und  letztere  be- 
fallen denselben  in  jedem  Stadium,  vom  Ei  beginnend;  auch  parasitische  Pilze  töten 
oft  eine  große  Menge  von  Raupen  im  Winterlager,  namentlich  in  feuchtem,  humosen 
Boden,  die  gegen  Nässe  und  Kälte  minder  empfindlich  sind. 

Eigentliche  Vorbeugungs  mittel  stehen  nun  dem  Forstmann  nicht  zu  Ge- 
bote —  seine  Aufgabe  ist  zunächst,  durch  fleißige  Revision  der  Waldungen  rechtzeitig 
eine  bedenkliche  Vermehrung  zu  konstatieren,  um  dann  sofort  energische  Vertilgungs- 
mittel in  Anwendung  bringen  zu  können.  Zur  Schwärmzeit  sieht  man  wohl  die  sitzen- 
den oder  des  Abends  fliegenden  Falter,  im  Frühjahr  baumende  Raupen,  fallenden  Kot 
derselben  namentlich  auf  Wegen,  in  Fahrgeleisen;  außerdem  aber  nimmt  man  in  Be- 
ständen, in  denen  man  den  Spinner  vermutet,  im  Spätherbst,  sobald  die  Raupen  ihr 
Winterlager  bezogen  haben,  Probesuchungen  unter  der  Schirmfläche  der  Stämme 
oder  streifenweise  durch  die  Bestände  vor,  indem  man  vorsichtig  das  Moos  aufheben 
und  nach  den  Raupen  sorgfältig  suchen  läßt.  Findet  man  deren  eine  größere  Zahl  — 
und  man  wird  immer  nur  einen  Teil,  vielleicht  Vs,  der  wirklich  vorhandenen  ent- 
decken —  so  hat  man  ihre  Vertilgung  ins  Auge  zu  fassen. 

Man  hat  früher  vielfach  das  Sammeln  der  Raupen  im  Winterlager  angewendet, 
allein  der  Erfolg  wird  nie  ein  vollständiger  sein,  stets  ein  großer  Teil  der  Raupen 
unter  Moos  und  Erde  zurückbleiben ;  ebensowenig  hat  das  Sammeln  der  Eier,  Puppen 
oder  der  tief  am  Stamm  sitzenden  Schmetterlinge  wesentlichen  Erfolg. 

Durchschlagenden  Erfolg  hat  jedoch  ein  Mittel,  das  man  früher  wohl  versuchte, 
aber  nicht  im  Großen  anwendbar  erachtete :  die  Anwendung  der  sog.  Leimringe; 
seit  es  gelungen  ist,  einen  Raupenleim  herzustellen,  der  längere  Zeit  klebrig,  fängisch 
bleibt,  wendet  man  diese  Leimringe  in  den  bedrohten  Kiefernforsten  in  geradezu  groß- 
artigem Maßstab  und  mit  bestem  Erfolg  gegen  die  Kiefernspinner  an  ^). 

Um  nämlich  den  überwinternden  Raupen  das  Besteigen  der  Bäume  unmöglich  zu 
machen,  erhält  jeder  Baum  in  dem  gefährdeten  Bestand  einen  mit  dem  Klebestoff 
beschmierten  Ring;  dem  Anstreichen  mit  Raupenleim  muß  das  sog.  Anröten  des 
Baumes,  die  Entfernung  der  rauhen  Borke  auf  einem  6 — 8  cm  breiten  Ring  in 
Brusthöhe  mittelst  Schnitzmesser  vorausgehen,  wodurch  das  Leimen  sehr  erleichtert 
und  wesentlich  an  Leim  gespart  wird.  Dieses  Anröten  erfolgt,  wenn  man  sich  von  der 
Notwendigkeit  des  Leimens  überzeugt  hat,  so  zeitig  im  Frühjahr,  daß  schon  vor  Be- 
ginn des  Raupensteigens  mit  dem  Anstrich  begonnen  werden  kann;  der  Klebestoff 
—  als  solcher  dient  der  Raupenleim  von  Ermisch,  Mützel,  Hut,  der  viele  Wochen  lang 
klebrig  bleibt,  so  daß  einmaliger  Anstrich  für  die  ganze  Periode  des  Raupensteigens 
ausreicht,  —  wird  mit  einfachen  hölzernen  Spateln,  die  sich  besser  bewährt  haben, 
als  die  mancherlei  anderweitigen  Leimapparate,  in  3 — 4  cm  breiten  und  etwa  3  mm 
dicken  Ringen  autgetragen,  und  sind  hiezu  40 — 70  kg  Leim,  je  nach  der  Stammzahl 
und  Stärke  der  Bestände,  nötig.  Die  aufsteigenden  Raupen  versuchen  entweder  das 
Ueberkriechen  des  Ringes  und  bleiben  auf  diesem  hängen,  meist  aber  verhungern  sie 


1)  Man  wendete  zuerst  Steinkohlcnteer  an,  und  sprach  deshalb  von  T  e  e  r  ringen,  von 
Anteeren;  die  in  neuerer  Zeit  angewendeten  Klebemittel,  deren  Zusammensetzung  von  den 
Fabriken  als  Geheimnis  behandelt  wird,  haben  mit  Teer  nichts  zu  tun  und  werden  als  Raupen- 
leime  bezeichnet.  Ueber  die  Ausführung  des  Leimens  s.  Eckslein,  Die  Technik  des  Forst- 
schutzes gegen  Tiere.  1904. 


Die  Nonne,  Liparis  monacha.     §  58.  249 

unterhalb  desselben;  einzelne  etwa  hinübergelangende  besudeln  sich  Füße  und  Freß- 
werkzeuge  derart,  daß  sie  doch  eingehen. 

Auch  Raupengräben  werden  angewendet,  wenn  stai'ker  Fraß  und  bezvv. 
Kahlfraß  auf  kleinerer,  begrenzter  Fläche  stattfindet;  man  isoliert  den  befallenen 
VValdteil  durch  scharf  abgestochene,  etwa  1/2  ni  tiefe  Gräben  (Isolierungsgräben),  um 
die  Raupen  bei  der  Wanderung  nach  den  Nachbarbeständen  abzufangen,  durch- 
schneidet größere  Flächen  etwa  auch  noch  mit  Fanggräben  und  tötet  die  Raupen, 
welche  in  Fallöcher  auf  der  Sohle  der  Gräben  gestürzt  sind,  durch  Zerquetschen  und 
Uebererden.  Man  wird  solche  Gräben  namentlich  zum  Schutz  von  Kulturen,  die  an 
kahlgefressene  Bestände  anstoßen,  anwenden. 

§58.  Die  Nonne,  Liparis  (Lymantria)  monacha  (s.  Taf.  II  Fig.  2).  Das 
Männchen  hat  4 — 5,  das  Weibchen  5 — 6  cm  Flügelspannung,  die  Färbung  beider  ist 
jedoch  eine  sehr  gleiche:  Vorderflügel  und  Vorderleib  sind  bei  beiden  Geschlechtern 
weiß,  mit  zahlreichen  braunschwarzen,  tiefgekerbten  Zickzackstreifen,  die  Hinterflügel 
bräunlichgrau  mit  hellen,  schwarz  getupften  Rändern,  der  Hinterleib  meist  schön 
rosenrot  mit  schwarzen  Ouerbinden.  Dunkle  Varietäten,  bei  welchen  der  Hinterleib 
statt  rot  schwärzlich  gefärbt  ist  (var.  eremita),  kommen  nicht  selten  vor. 

Die  Raupe,  ausgewachsen  bis  5  cm  lang,  ist  weißlich,  gelblich-  oder  rötlich-grau, 
auf  der  Unterseite  schmutzig  grün;  über  den  Rücken  zieht  ein  grauer  Streifen,  der 
auf  dem  zweiten  Ring  mit  einem  herzförmigen  schwarzen  Fleck  beginnt,  sich  dann 
verschmälert  und  dann  wieder  zu  breitem  hellem  Sattelfleck  verbreitert.  Auf  dem 
sonst  unbehaarten  Körper  stehen  6  Längsreihen  von  Knopfwarzen  mit  ziemlich  langer 
blaugrauer  Behaarung,  von  denen  die  beiden  ersten  des  vordem  Ringes  stark  hervor- 
ragen und  für  die  in  der  Farbe  vielfach  wechselnde  Raupe  charakteristisch  sind. 

Die  Puppe,  anfangs  grünlich,  dann  braun  mit  Bronzeschimmer  und  mit  starken, 
hellen  Haaren  besetzt,  liegt  in  einem  aus  einzelnen  Fäden  bestehenden  Gespinst 
zwischen  Rinderitzen  am  untern  rauhrindigern  Stammteil  oder  in  den  Nadeln  der 
Aeste  und  des  Unterwuchses.  Die  Eier  sind  brotförmig,  anfänglich  rosenrot  schim- 
mernd, später  bräunlich. 

Die  Schwärmzeit  der  Falter  beginnt  etwa  Mitte  Juli  und  dauert  bis  Mitte  Au- 
gust; bei  Tage,  namentlich  bei  trübem  Wetter,  sitzen  sie  meist  tief  unten  am  Stamm 
auf  der  gegen  Regen  und  Wind  geschützten  Seite,  während  heller  Sonnenschein  die 
Männchen  zu  taumelndem  Flug  reizt.  In  der  Dämmerung  aber  ist  die  eigentliche 
Flugzeit,  die  Falter  laufen  am  Stamm  suchend  auf  und  ab  und  begatten  sich  anein- 
ander sitzend.  Wenige  Tage  später  legt  das  Weibchen  seine  Eier  möglichst  geschützt 
in  kleinern  oder  größern  Partien  zwischen  die  Schuppen  der  Rinde,  hiezu  die  älteren 
Bestände  und  die  stärker  berindeten  untern  Stammteile  wählend;  bisweilen  liegen 
sämtliche  Eier,  200  und  mehr,  auf  einem  Häufchen,  bisweilen  sind  es  deren  nur  20 
bis  50. 

Die  Eier  überwintern  als  solche  —  deshalb  ihre  möglichst  geschützte  Lage  — 
und  erst  im  kommenden  Frühjahr  im  April  und  selbst  erst  Anfang  Mai  schlüpfen  die 
langbehaarten  Räupchen  aus,  bleiben  mehrere  Tage  in  einem  je  nach  der  Zahl  taler- 
bis  handtellergroßen,  durch  die  dunkle  Farbe  der  Räupchen  schwarz  erscheinenden 
Fleck  —  dem  Spiegel  ^  beisammen  sitzen  und  ersteigen  dann  allmäiilich  den 
Baum,  diesen  von  unten  nach  oben  befressend.  Der  Fraß  ist  ein  ganz  eigentümlicher: 
zuerst  ein  Benagen  der  Knospen  und  Nadeln,  während  später  von  der  stärkeren  Raupe 
die  Nadeln  der  Fichte  ganz  verzehrt,  jene  der  Föhre  in  der  Mitte  durchbissen  und  nur 
der  Stumpf  verspeist,  Laubholzblätter  zunächst  des  Blattstieles  in  der  Weise  befressen 
werden,  daß  die  größere  Blatthälfte  herabfällt,  so  daß  bei  einem  Fraß  der  Nonne  der 


250  ^'H-  Fürst,  Forstschutz. 

Boden  sich  mit  Blatt-  und  Nadelresten  bedeckt  zeigt.  Bis  zur  Halbwüchsigkeit 
spinnen  die  Raupen,  lassen  sich  bei  stärkerem  Wind  sofort  an  einem  Faden  herab 
und  werden  dann  oft  weit  verweht  oder  in  Masse  an  den  Boden  geworfen,  woselbst 
dann  eine  nicht  geringe  Zahl  zu  gründe  geht.  Der  Fraß  dauert  bis  in  die  erste  Hälfte 
des  Juli,  die  Raupe  sucht  sich  zur  Verpuppung  gern  einen  geschützten  Platz  zwischen 
Rindeschuppen,  am  Unter-wuchs,  und  nach  2  bis  3  Wochen  schlüpft  der  Falter  aus. 

Die  Nonne  ist  außerordentlich  polyphag,  denn  außer  Föhre  und  Fichte  befrißt 
sie  verschiedene  Laubhölzer  —  Eichen,  Buchen,  Birken,  in  der  Not  auch  fast  alle 
übrigen  Holzarten;  die  beiden  erstgenannten  dagegen  sind  ihre  eigentlichen  Nähr- 
pflanzen, und  sie  hat  in  Fichten-  und  Föhrenwaldungen  schon  außerordentliche  Ver- 
heerungen angerichtet,  ausgedehnte  Waldflächen  zum  Absterben  gebracht  und  ist 
deshalb  zu  den  sehr  schädlichen  Insekten  zu  rechnen.  Sie  gehört  zu  den 
Bestands  verderbem  —  stets  fällt  sie  zunächst  die  älteren  Bestände  an,  und  ist 
die  Fichte  durch  sie  in  höherem  Grade  gefährdet,  als  die  Föhre.  —  Welche  Ur- 
sachen es  sind,  welche  die  oft  jahrelang  nur  in  sehr  geringer  Zahl  vorhandene  Nonne 
sich  in  wenig  .Jahren  zu  ungeheuren  Massen  vermehren  läßt,  ist  noch  unerklärt. 

Gleich  dem  Kiefernspinner  hat  auch  die  Nonne  nur  eine  beschränkte  Zahl  von 
Feinden.  Die  Eier  werden  während  des  Winters  allerdings  durch  Vögel  (Meisen) 
etwas  dezimiert,  die  behaarten  Raupen  aber  von  letzteren  verschmäht,  jedoch  von 
Schmarotzern  und  insbesondere  Tachinen  stark  befallen;  gegen  Witterungseinflüsse 
sind  sie  wenig  empfindlich.  Dagegen  ist  bei  starkem  Raupenfraß  wiederholt  eine  merk- 
würdige Erkrankung  der  Raupen,  das  sog.  Wipfeln  aufgetreten,  welche  sämtliche 
Raupen  in  kürzester  Zeit  vernichtet  und  dadurch  der  Kalamität  ein  Ende  macht; 
die  absterbenden  Raupen  sammeln  sich  in  großer  Zahl  in  den  Astwinkeln  und  nament- 
lich an  den  Wipfeln  der  befallenen  Stämme.  Man  schreibt  diese  Erkrankung  einem 
Spaltpilz,  der  sich  in  den  kranken  Raupen  in  großer  Zahl  findet,  zu,  hat  auch  versucht, 
denselben  durch  Impfung  gesunder  Raupen  in  noch  nicht  verseuchte  Gebiete  zu  über- 
tragen, doch  ohne  Erfolg  ^). 

Durchschlagende  Mittel  der  Vorbeugung  und  Vertilgung  stehen  dem 
Forstmann  der  Nonne  gegenüber  nicht  zu  Gebot.  Bei  aufmerksamem  Auge  wird  der- 
selbe die  beginnende  Vermehrung  der  Nonne  in  seinem  Wald  durch  die  am  Boden 
liegenden  Nadel-  und  Blattreste,  die  umherfliegenden  oder  an  den  Stämmen  sitzenden 
hellgefärbten  Schmetterlinge  rechtzeitig  erkennen  und  derselben  mit  allen  Mitteln 
Einhalt  tun. 

Als  solche  Mittel  wendet  man  an:  das  Sammeln  und  Vernichten  der  in  über- 
wiegender Menge  an  den  untern  Stammteilen  abgesetzten  Eihäufchen,  von  denen 
freilich  viele  den  Augen  des  Sammlers  entgehen;  ferner  das  Zerdrücken  der  in  ,, Spie- 
geln" sitzenden  frisch  ausgeschlüpften  Räupchen,  bezüglich  deren  das  Gleiche  gilt. 
Durch  Zerquetschen  der  unter  tags  meist  ruhig  an  den  Stämmen  sitzenden  Schmetter- 
linge —  es  sind  die  fester  sitzenden  zudem  meist  Weibchen  —  können  ebenfalls  größere 
Massen  vernichtet  werden,  doch  sind  die  genannten  Mittel  nur  bei  erst  beginnender 
Vermehrung  anwendbar  und  von  einigem  Erfolg. 

Bei  dem  in  den  Jahren  1889  bis  1892  in  Süddeutschland  und  Oesterreich  statt- 
gehabten großen  Nonnenfraß  hat  man  in  ausgedehntem  Maß  das  (in  §  57  besprochene) 
Leimen  der  befallenen  Bestände  angewendet,  gestützt  auf  die  Wahrnehmung,  daß 

1)  An  Lösung  der  Frage  nach  dem  Grunde  der  oft  so  raschen  Vermehrung  der  Nonne,  der 
plötzlichen  Erkrankung  (Polyederkrankheit),  der  Möglichkeit,  letztere  hervorzurufen  oder  doch 
zu  begünstigen,  arbeiten  zur  Zeit  zahlreiche  Forscher.  Der  Raum  verbietet,  auf  diese  Verhältnisse 
hier  einzugehen. 


Die  Föhrencule,  Trachea  piniperda.     §  59.  251 

außerordentlich  zahlreiche  Nonnenräupchen  in  den  ersten  Wochen  ihres  Lebens  durch 
Abspinnen  an  den  Boden  kommen;  durch  Leimringe  verlegt  man  denselben  den  Rück- 
weg in  die  Kronen.  Es  kann  dies  Leimen  nicht  den  vollen  Erfolg  haben,  wie  bei  dem 
Kiefernspinner,  da  eben  nicht  alle  Räupchen  an  den  Boden  kommen,  unter  allen 
Umständen  wird  aber  eine  große  Entlastung  der  befallenen  Bäume  erzielt  und  hat 
sich  das  Leimen  erfolgreich  insbesondere  in  Beständen  erwiesen,  die  noch  nicht  all- 
zustark befallen  waren,  sowie  zur  Herstellung  von  Isolierstreifen  zwischen  befallenen 
und  noch  raupenfreien  Beständen.  In  Sachsen  hat  man  in  den  .Jahren  1909 — 1911 
das  Leimen  in  ausgedehntem  Maß  angewendet  und  schreibt  ihm  die  erfolgreiche  Be- 
kämpfung der  Nonne  zu ;  in  Preußen  hat  man  sich  bei  dem  zu  jener  Zeit  in  Ostpreußen 
herrschenden  Nonnenfraß  dem  Leimen  gegenüber  vollständig  ablehnend  verhalten. 
—  Auch  \'ersuche  mit  dem  Hochleimen  hat  man  gemacht,  indem  man  Leimringe 
oder  geleimte  Stricke  in  größerer  Höhe  —  bis  7  und  8  m  —  um  die  Stämme  legte, 
um  hiedurch  neben  den  abspinnenden  auch  alle  unterhalb  dieser  Ringe  ausgeschlüpf- 
ten Räupchen  abzufangen;  die  Arbeit  ist  nur  zu  schwierig  und  zu  teuer!  — 

Jederzeit  ist  die  Nonnengefahr  für  Fichtenwaldungen  größer  als  für  Föhren- 
waldungen, und  während  schon  mehrfach  die  Ansicht  ausgesprochen  wurde,  man 
könne  für  letztere  die  Bekämpfung  eines  Nonnenfraßes  der  Natur  allein  überlassen, 
wird  man  in  Fichtengebieten  doch  stets  mit  allen  zu  Gebote  stehenden  Mitteln  einem 
solchen  entgegentreten. 

§  59.  Die  Föhreneule,  Trachea  (Panolis)  piniperda  (s.  Taf.  II  Fig.  5). 
Männchen  und  Weibchen  der  Föhreneule  sind  gleich  groß  mit  etwa  3,2 — 3,5  cm 
Flügelspannung  und  ziemlich  überein  gezeichnet,  so  daß  nur  die  gewimperten  Fühler 
und  der  schlankere  Leib  das  Männchen  von  dem  Weibchen,  dessen  Fühler  fadenförmig 
sind,  unterscheiden.  Vorderflügel  und  Vorderleib  sind  braunrot,  weißgelb  gefleckt 
und  gestrichelt  mit  je  einem  größern  halbmondförmigen  hellen  Fleck,  Hinterflügel 
und  Hinterleib  braungrau,  erstere  mit  etwas  hellerem  Saum.  Unterseite  bläulichrot. 
auf  den  \"orderflügeIn  gegen  die  Basis  schwarzgrau,  auf  den  Hinterflügeln  ein  schwarz- 
grauer Punkt;  Farbenvarietäten  kommen  nicht  selten  vor. 

Die  ausgewachsene  Raupe  wird  bis  zu  4  cm  lang,  ist  gelbgrün  mit  weißen  Längs- 
streifen  und  einem  unter  den  Luftlöchern  beiderseits  stehenden  gelben  bis  orange- 
farbigen Streifen,  mit  dunklem  Kopf,  sehr  schwach  behaart;  die  ersten  beiden  Bauch- 
fußpaare sind  in  den  ersten  Entwicklungsstadien  etwas  verkürzt,  und  die  Raupe  geht 
dann  spannerartig,  spinnt  in  der  Jugend  auch  Fäden. 

Die  Puppe,  1.6  cm  lang  mit  zweidornigem  After,  ist  anfangs  mehr  grünlich, 
später  dunkelbraun  gefärbt. 

Der  Schmetterling  schwärmt  sehr  frühzeitig,  Ende  März  oder  Anfang  April; 
das  Weibchen  legt  seine  Eier  reihenweise  zu  4 — 8  an  die  Nadeln  in  den  Kronen  ab, 
und  die  im  Mai  erscheinenden  Räupchen  beginnen  sofort  ihren  Fraß,  benagen  zuerst 
die  Nadeln,  sie  später  bis  zur  Scheide  verzehrend,  und  steigen  bereits  Ende  Juli  aus- 
gewachsen vom  Baum,  sich  unter  der  Bodendecke  und,  wo  solche  fehlt,  in  der  Erde 
verpuppend  und  liegen  hiebei  auf  der  ganzen  Bestandsfläche  zerstreut.  Die  Zeit  der 
Puppenruhe  ist  sonach  eine  sehr  lange,  umfaßt  8  Monate  und  darüber. 

Die  Föhreneule  lebt  nur  auf  Föhren  und  befällt  zunächst  Stangenhölzer;  bei 
trockener  warmer  Witterung  während  ihrer  Raupenzeit  vermehrt  sie  sich  bisweilen 
sehr  bedeutend  und  hat  wiederholt  ausgedehnte  Bestände  in  dem  Maß  beschädigt, 
daß  sie  zu  den  schädlicheren  Forstinsekten  zu  zählen  ist. 

Glücklicherweise  stehen  mancherlei  natürliche  Hemmnisse  der  Vermehrung  der 
Föhreneule  im  Weg;  die  fast  nackte  Raupe,  die  acht  Monate  lang  am  Boden  liegende 


252  -  ^"-  Fürst,  Forstschutz. 

Puppe  haben  eine  Menge  von  Feinden  jeder  Art:  Vögel,  Raubkäfer,  Ichneunaonen 
und  Tachinen,  dann  Schweine,  Igel,  Spitzmäuse;  die  Raupen  sind  namentlich  zur 
Zeit  der  Häutung  gegen  naßkaltes  Wetter  empfindlich,  und  nicht  selten  geht  durch 
solches  ein  großer  Teil  der  Raupen  rasch  zugrunde.  Insbesondere  aber  ist  es  Er- 
krankung infolge  eines  Pilzes  (Entomophtora  aulicae),  durch  welche  wiederholt  schon 
einem  größern  Fraß  der  Eule  ein  plötzliches  Ende  bereitet  wurde  —  sämtliche  Raupen 
des  Fraßgebietes  sterben  in  kürzester  Zeit  ab. 

Es  ist  diese  natürliche  Hilfe  um  so  höher  anzuschlagen,  als  man  vorbeugende 
Mittel  gar  nicht,  solche  der  Vertilgung  nur  in  beschränktem  Maße  anwenden  kann. 
Am  wirksamsten  erweist  sich  der  Eintrieb  von  Seh  weine  h  erden  in  die  be- 
fallenen Bestände  nach  erfolgter  Verpuppung,  da  die  Schweine  den  Puppen  gierig 
nachgehen.  —  Auch  das  Anprallen  hat  man  in  den  Stangenhölzern  angewendet, 
indem  ein  Arbeiter  mit  der  Axt  oder  einer  hölzernen  Keule  einige  kräftige  Schläge 
gegen  die  Stange  ■ —  zur  Vermeidung  von  Quetschwunden  auf  einen  Aststummel  — 
führt,  während  Kinder  oder  Weiber  die  herabfallenden  Raupen  von  untergelegten 
Tüchern  auflesen.  Der  Erfolg  der  immerhin  kostspieligen  Maßregel  ist  jedoch  nur 
ein  beschränkter.  Auch  die  Entfernung  der  Streu  nach  stattgehabter  Ver- 
puppung erweist  sich  günstig  (s.  §  60). 

§60.  Der  Föhrenspanner,  Fidonia  (Bupalus)  piniaria  (s.  Taf.  II 
Fig.  4).  Das  Männchen,  ebenso  groß  wie  das  Weibchen,  mit  3,2  cm  Flügelspannung, 
ist  durch  die  Färbung  deutlich  von  letzterem  unterschieden:  gelb,  mit  breitem  dunkel- 
braunem Rand  und  Querstreif,  die  Fransen  der  Flügel  braun  und  gelb  gefleckt;  bei 
dem  Weibchen  dagegen  ist  die  Grundfarbe  der  Flügel  rotbraun,  der  Rand  und  die 
Querbinden  auf  den  Flügeln  ebenfalls  dunkelbraun,  die  Flügelfransen  hell  und  dunkel- 
braun gefleckt.  Die  Unterseite  dagegen  ist  bei  beiden  Geschlechtem  gleich,  bräunlich 
mit  dunkeln  Querlinien,  einem  breiten,  gelbweißen  Längsstreif  und  zahlreichen  brau- 
nen und  weißen  Fleckchen. 

Die  im  ausgewachsenen  Zustand  3,5  cm  lange  Raupe  ist  gelblichgrün  mit  weißen 
Längsstreifen,  die  sich  auch  über  den  Kopf  fortsetzen;  dicht  unter  den  Luftlöchern 
beiderseits  eine  gelbe  Seitenlinie,  auf  dem  Bauch  drei  gelbe  Längsstreifen. 

Die  Puppe  ist  1,2  cm  lang,  jener  der  Eule  sehr  ähnhch,  aber  etwas  kleiner  und 
durch  die  einfache  Hinterleibsspitze  leicht  zu  unterscheiden. 

Der  Schmetterling  schwärmt  von  Ende  Mai  bis  Ende  Juni,  und  sieht  man  das 
Männchen  auch  am  Tag  in  unruhigem  Flug  am  Bestandsrande.  Das  Weibchen  legt 
nach  der  Begattung  die  hellgrünen  Eier  reihenweise  an  die  Nadeln  der  Föhre  in  den 
Kronen  ab,  und  es  erscheinen  anfangs  .Juli  die  kleinen  Räupchen,  welche  zuerst  die 
Nadeln  nur  benagen,  später  sägezähnig  befressen,  wobei  die  rasch  braun  werdende 
Mittelrippe  stehen  bleibt;  die  Baumkronen,  in  welchen  der  Fraß  stets  beginnt  und  von 
denen  er  abwärts  rückt,  erhalten  hiedurch  einen  braunen  mißfarbigen  Ton.  Die  her- 
angewachsenen Raupen  fressen  zuletzt  auch  die  ganzen  Nadeln,  lassen  die  Spitzen 
aber  vielfach  herabfallen.  Die  Raupen  spinnen,  lassen  sich  auch  zur  Verpuppung 
nicht  selten  an  einem  Faden  herab.  Letztere  erfolgt  im  Herbst,  September  und 
Oktober,  in  ähnlicher  Weise  wie  bei  der  Eule  unter  dem  Moos,  den  Nadeln  oder  bei 
deren  Fehlen  flach  im  Boden,  wobei  die  Puppen  gleichfalls  zerstreut  im  ganzen  Be- 
stand umherliegen. 

Der  Spanner  lebt  nur  auf  der  Föhre  und  befällt,  auch  in  dieser  Richtung  der 
Eule  ähnlich,  in  erster  Linie  die  Stangenhölzer.  Er  ist  stellenweise  schon  in  sehr  großer 
Masse  aufgetreten,  so  1893  bis  1895  in  Bayern,  und  hat  ausgedehnte  Bestände  stark 
durchfressen,  selbst  kahl  gefressen  und  vernichtet;  seine  Schädlichkeit  wird  durch 


Der  Kieferntriebwickler,  Retinia  buoliana.     §  Bl.  253 

seinen  späten  Fraß  vermindert,  da  dann  die  Knospen  fürs  näcliste  Jalir  bereits  aus- 
gebildet sind,  so  daß  die  Bestände  sich  wieder  zu  begrünen  vermögen.  Folgt  aber  in 
solchen  schwach  benadelten  Beständen  nochmals  Kahlfraß,  so  gehen  sie  wohl  stets 
zugrunde.  Als  Herde,  von  denen  der  Fraß  ausgeht,  erscheinen  auch  bei  ihm  nament- 
lich trockene  Sandriicken,  die  offenbar  für  die  Ueberwinterung  der  Puppe  die  gün- 
stigsten Verhältnisse  bieten. 

Raupe  und  Puppe  des  Föhrenspanners  haben  die  gleichen  zahlreichen  Feinde, 
wie  jene  der  Eule,  die  nackten  Raupen  werden  von  Schmarotzern  stark  heimgesucht, 
sind  gegen  Witterungseinflüsse  empfindlich  und  durch  Krankheiten  und  Schma- 
rotzerpilze wird  die  ganze  vorhandene  Raupen-  und  Puppenmenge  oft  rasch  getötet. 

Als  Mittel  der  Vertilgung  ist  S  c  h  w  e  i  n  e  e  i  n  t  r  i  e  b  zu  empfehlen;  bez.  des 
auch  schon  angewendeten  Raupensammelns  durch  Anprallen  gilt  das  bei  der  Eule 
Gesagte.  Auch  Entfernen  der  Streu  im  Spätherbst  wird  empfohlen,  und  da 
nach  Untersuchungen  gelegentlich  des  letzten  großen  Spannerfraßes  in  Bayern  35% 
der  Puppen  in  der  Moos-  und  Nadeldecke,  60%  in  der  Humusschichte  und  nur  5°o 
im  Mineralboden  lagen,  so  werden  mit  der  Streu  einerseits  sehr  viele  Puppen  besei- 
tigt, die  übrigen  aber  bloßgelegt  und  dadurch  ihren  mannigfachen  Feinden  zugäng- 
licher gemacht. 

§  61 .  D  e  r  K  i  e  f  e  r  n  t  r  i  e  b  w  i  c  k  1  e  r  ,  Retinia  buoHana  (s.  Taf.  I  Fig.  20). 
Bei  diesem  kleinen,  bisweilen  jedoch  in  ziemlicher  Zahl  auftretenden  und  dann  für 
Föhrenschläge  sehr  schädlichen  Insekt  hat  der  Falter  nur  etwa  2  cm  Flügelspannung; 
die  schmalen  Vorderflügel  und  der  Vorderleib  sind  gelbrot  mit  silberweißen  in  der 
Mitte  blauschillernden  geschlängelten  Ouerbinden  und  grauweißen  Fransen,  die 
Unterseite  ist  dunkelgrau,  seideartig  glänzend,  an  den  Vorderrändern  gelbrot  und 
weiß  gefleckt.  Die  Raupe  ist  ausgewachsen  1,4  cm  lang,  hellbraun  mit  kleinem  glän- 
zend schwarzem  Kopf-  und  Nackenschild ;  die  Puppe,  schmutzig  gelbbraun,  ist  etwa 
8  mm  lang. 

Der  Falter  schwärmt  Anfang  Juli  in  den  Abendstunden,  und  das  Weibchen  legt 
seine  Eier  einzeln  an  die  Knospen  der  jungen  Triebe  und  zwar  nur  jüngerer,  5 — 12- 
jähriger  Kiefern,  in  welche  sich  das  nach  wenig  Wochen  erscheinende  Räupchen  ein- 
bohrt; doch  wird  bei  der  sehr  geringen  Größe  des  Räupchens  der  Fraß  im  Herbst 
kaum  noch  bemerkbar.  Die  noch  schwach  beschädigte  Knospe  —  und  zwar  ist  es  in 
der  Regel  die  am  stärksten  entwickelte  Terminalknospe,  welche  befallen  wird  —  be- 
ginnt im  Frühjahr  zu  schieben,  gleichzeitig  wird  aber  der  Fraß  im  Innern  des  Trie- 
bes mit  zunehmendem  Wachstum  des  Räupchens  intensiver,  und  meist  stirbt  der 
handhoch  gewordene  Trieb  ab,  worauf  dann  der  Fraß  an  den  Seitenknospen  und 
bezw.  Trieben  fortgesetzt  wird,  bis  sich  im  .Juni  die  Raupe  im  Innern  eines  von  ihr 
ausgefressenen  Triebes  und  zwar  an  dessen  Basis  verpuppt.  Ein  etwa  unbeschädigt 
gebliebener  Seitentrieb  erhebt  sich  zum  Haupttrieb,  nicht  selten  aber  senkt  sich  ein 
solcher  nur  mäßig  beschädigter  Trieb  zuerst  abwärts,  sich  dann  wieder  hebend  und 
die  Verwundung  verheilend,  wobei  jedoch  die  bescliädigte  Stelle  noch  in  höherem 
Alter  durch  eine  eigenartige,  oft  sehr  starke  Krümmung  erkenntlich  ist.  —  Bisweilen 
finden  sich  in  Kulturen  die  Pflanzen  in  solchem  Maß  befallen,  daß  kaum  eine  der- 
selben normale  Gipfelentwicklung  zeigt  und  bei  wiederholter  Beschädigung  werden 
-die  gegen  Verletzungen  an  sich  empfindlichen  Föhren  geradezu  krüppelige,  strauch- 
artige Büsche. 

Hält  man  in  solchem  Falle  ein  Eingreifen  für  angezeigt,  so  kann  eine  Vertilgung 
bezw.  sehr  starke  \'erminderung  des  Insekts  durch  Ausbrechen  der  absterbenden  Triebe 
und  Zerdrücken  der  Raupen  und  Puppen  — Ende  Mai  und  im  Juni  — erreicht  werden. 


254  ^  I'-  Fürst,  Forstschutz. 

In  ähnlicher  Weise  schädigt  der  minder  häufig  auftretende  Kiefernknos- 
pe n  \v  i  c  k  1  e  r  (Retinia  turionana),  dem  Triebwickler  auch  äußerlich  ähnlich  und 
gleich  ihm  nur  jüngere  Föhren  befallend,  die  betroffenen  Individuen  durch  Ausfressen 
der  Knospen,  die  dann  meist  schon  als  solche  zugrunde  gehen,  sich  überhaupt  nicht 
mehr  entwickeln. 

§  62.  Der  Harzgallen  wickler,  Retinia  resinella.  Der  Falter  dieses 
Insektes,  das  wir  mehr  wegen  seines  allenthalben,  wenn  auch  in  begrenzter  Zahl  er- 
folgenden auffallenden  Auftretens  und  seiner  eigentümlichen  Lebensweise,  als  um 
des  durch  ihn  verursachten  Schadens  willen  aufführen,  hat  nur  1,6  cm  Flügelspan- 
nung; Kopf,  Rumpf  und  Vorderflügel  sind  kupfrig  glänzend,  bräunlich  schwarz,  die 
Flügel  mit  silbergrauen  Ouerbinden  und  schwärzlichem  Fransensaum,  die  Hinter- 
flügel dunkelbraungrau  mit  hellgrauem  Fransensaum;  Unterseite  dunkelbraungrau. 

Die  Raupe  ist  etwa  10  mm  lang,  gelbbraun,  die  Puppe  8  mm  lang  und  dunkel, 
fast  schwärzlich. 

Der  Falter  fliegt  im  Mai  und  legt  seine  Eier  einzeln  unterhalb  der  Quirlknospen 
jüngerer  Föhren  und  zwar  vorwiegend  der  Seitentriebe  des  laufenden  Jahres  ab ;  nach 
einigen  Wochen  schlüpft  das  Räupchen  aus  und  nagt  sich  durch  die  Rinde  in  den 
jungen  Trieb  ein,  wobei  das  aus  der  Wunde  fließende  Harz  eine  erbsengroße  weiche 
Galle  bildet,  in  derem  Innerem  das  Räupchen  lebt.  Im  zweiten  Jahr  vergrößert  sich 
durch  Fortsetzung  des  Fraßes  diese  Galle  etwa  bis  zur  Kirschengröße,  jedoch  in  etwas 
elliptischer  Gestalt,  und  zeigt  im  Innern  eine  deutliche  Scheidewand  durch  die  Galle 
des  ersten  Jahres;  die  Wandung  der  weißen  und  nun  sehr  ins  Auge  fallenden  Galle 
verdickt  sich  und  wird  härter,  der  Trieb  selbst  aber  ist  auf  einer  Seite  im  Innern  der 
Galle  bis  aufs  Mark  befressen  und  stirbt  häufig  ab.  Erst  im  April  des  dritten  Jahres 
verpuppt  sich  die  Raupe  innerhalb  der  Galle,  aus  der  sich  die  Puppe  beim  Ausschlüpfen 
mit  dem  Vorderteil  hervorschiebt;  das  Insekt  bietet  also  das  für  Schmetterlinge 
seltnere  Beispiel  einer  zweijährigen   Generationsdauer. 

Der  Schaden  ist  infolge  des  doch  meist  beschränkten  Auftretens  und  des  Um- 
standes,  daß  vorwiegend  die  Seitentriebe  befallen  werden,  ein  geringer  und  nur  stel- 
lenweise bei  großer  \'ermehrung  fühlbar.  Durch  einfaches  Zerdrücken  der  großen 
Gallen  im  Herbste  kann  eine  Verminderung  des  Insekts  erreicht  werden. 

§  63.  Der  Fichtenrinden  wickler,  Grapholitha  pactolana.  Dieser 
kleine  Wickler  mit  braunen,  glänzend  weiß  gezeichneten  Vorderflügeln  und  grau- 
braunen Hinterflügeln  ist  stellenweise  schon  sehr  schädlich  aufgetreten.  Der  Ende 
Mai,  Anfang  Juni  schwärmende  Schmetterling  legt  seine  Eier  an  die  Rinde  jüngerer 
Fichten,  insbesondere  schwächerer  Stangen  und  zwar  an  die  Quirle  ab;  die  Räup- 
chen bohren  sich  durch  die  Rinde  ein,  fressen  in  der  Safthaut  kurze  unregelmäßige 
Gänge,  wobei  austretende  Harztröpfeben  und  kleine  Kothäufclien  auf  der  Rinde  ihre 
Anwesenheit  verraten,  und  überwintern  als  Raupen,  um  sich  Anfang  Mai  zu  ver- 
puppen. Die  beschädigten  Pflanzen  und  Stangen  kümmern  und  gehen  bei  stärkerem 
Fraß  auch  ein.  Als  Gegenmittel  empfiehlt  sich  das  rechtzeitige  Aushauen  und  ^'er- 
brennen  der  stärker  befallenen  Individuen ;  nach  Altum  kann  bei  noch  beschränktem 
Fraß  das  Bestreichen  der  befallenen  Stellen  mit  Raupenleim  angewendet  werden, 
wodurch  die  in  der  Rinde  liegende  Puppe  sich  nicht  vorschieben,  der  Schmetterling 
nicht  ausschlüpfen  kann.  In  den  meisten  Fällen  wird  man  auf  Gegenmittel  verzichten 
müssen. 

§  64.  D  e  r  F  i  c  h  t  e  n  n  e  s  t  w  i  c  k  1  e  r  ,  Grapholitha  tedella.  Derselbe  ge- 
hört zu  den  nur  mäßig  schädlichen,  aber  bisweilen  in  größerer  Menge  auftretenden 
und  durch  die  Art  seines  Fraßes  auffallenden  Insekten.    Der  kleine  Schmetterling 


Die  gemeine   Kioferiiblallnespo,   Lophyrus  piiii.     §  (3G.  2ü5 

mit  gelbbraunen  silberweiß  durchzogenen  Vorderflügeln  fliegt  im  Mai  und  Juni  in 
der  Abenddänmierung,  legt  seine  Eier  an  die  Nadeln  der  Fichte  und  zwar  vorzugs- 
weise der  äußern  und  untern  Zweige  sowohl  von  Pflanzen  wie  von  älteren  Stänmien. 
Die  Räupchen  bohren  sich  in  die  Nadeln  ein,  diese  ausfressend  und  verspinnen  deren 
mehrere  zu  einem  kleinen  mit  Kot  durchsetzten  Nest;  die  Zweige  sind  oft  dicht  mit 
solchen  Nestern  bedeckt.  Ende  Oktober,  ja  selbst  erst  im  November  lassen  die  Rau- 
pen sich  spinnend  an  den  Boden  herab,  überwintern  unter  dem  Bodenüberzug  und 
verpuppen  sich  erst  im  Frühjahr.   Gegenmittel  lassen  sich  mit  Erfolg  nicht  anwenden. 

§  65.  Die  Lärchen  motte,  Coleophora  laricinella.  Der  kleine  grau- 
schwarze Schmetterling  schwärmt  im  Juni  und  legt  seine  Eier  einzeln  an  die  Nadeln 
der  Lärche;  das  nach  kurzer  Zeit  ausschlüpfende  Räupchen  bohrt  sich  in  die  Nadel 
ein,  höhlt  diese  aus  und  bedient  sich  des  leeren  Spitzenteils  als  schützender  Umhül- 
lung, in  der  es  an  den  Knospen  und  insbesondere  den  Zweigspitzen  angeheftet  über- 
wintert und  die  es  auch  im  Frühjahr,  den  Fraß  an  den  erscheinenden  Nadeln  fort- 
setzend und  namentlich  deren  obere  Hälfte  äußerlich  befressend,  nicht  verläßt.  In 
dem  Sack  verpuppt  es  sich  dann  auch  Ende  Mai,  um  nach  ca.  3  Wochen  sich  zum 
Falter  zu  entwickeln  und  sofort  zu  schwärmen. 

Die  befressenen  und  ausgehöhlten  Nadeln  werden  gelb  und  welk  und  die  Beschä- 
digung ist  eine  oft  so  bedeutende,  daß  die  befallenen  Stangen  und  Stämme  —  an 
Pflanzen  tritt  die  Motte  in  viel  minderem  Maße  auf  —  kaum  eine  gesunde  Nadel  mehr 
zeigen,  statt  grün  vollständig  mißfarbig  erscheinen;  nicht  selten  wird  diese  Beschä- 
digung (in  \'erbindung  mit  jener  durch  Chermes  laricis)  von  dem  Unkundigen  oder 
nicht  genauer  Untersuchenden  für  Folge  von  Spätfrösten  gehalten,  von  denen  aber 
erfahrungsgemäß  die  Lärche  wenig  leidet.  Es  ist  erklärlich,  daß  die  Zerstörung  der 
Nadeln  den  Baum  beeinträchtigen,  wiederholte  Entnadelung  selbst  sein  Eingehen 
zur  Folge  haben  kann,  und  Borggreve  ^)  hält  den  Fraß  der  Lärchenmotte  für  eine 
Hauptursache  der  sog.  Lärchenkrankheit.  Man  kann  jedoch  beobachten,  daß  die 
stark  befressenen  Stämme  aus  dem  Innern  der  Nadelbüschel  frische  Nadeln  nach- 
treiben und  sich  hiedurch,  wie  durch  die  Benadelung  der  Langtriebe,  wieder  leidlich 
begrünen. 

Gegenmittel  irgend  welcher  Art  sind  nicht  anwendbar;  bisweilen  hilft  die  Na- 
tur durch  Regenwetter  zur  Schwärmzeit,  wobei  viele  der  kleinen  schwachen  Falter 
zugrunde  gehen. 

III.  Sonstige  schädliche   Insekten. 

§  66.  Die  gemeine  K  i  e  f  e  r  n  b  1  a  1 1  w  e  s  p  e  ,  Lophyrus  pini  (s.  Taf.  I 
Fig.  17).  Das  ^^"eibchen  hat  1,6 — 1,8  cm  Flügelspannung,  kurze  scl'.wach  gezähnte 
Fühler,  schwarzen  Kopf,  ist  im  übrigen  blaßgelb  mit  drei  schwarzen  Flecken  auf  dem 
Rücken  und  drei  schwarzen  neben  einander  liegenden  Hinterleibsringeln ;  das  wesent- 
lich kleinere  Männchen  mit  schön  doppelt  gekänmiten  Fühlern  ist  mehr  schwärzlich 
mit  gelblichen  Beinen  und  rötlicher  Hinterleibsspitze.  —  Die  Raupen  des  der  Gattung 
der  Aderflügler  (Hymenopteren)  angehörigen  Insekts  sind  Afterraupen  mit  22  Beinen, 
schmutzig  gelbgrün  mit  braunem  Kopf  und  schwarzer  Zeichnung  über  den  Bauch- 
füßen; bei  der  Berülu'ung  schnellen  sie  den  Vorderleib  in  eigentümlicher  Weise  zu- 
rück. —  Die  Puppe,  welche  schon  die  sämtlichen  Teile  der  Blattwespe  zeigt,  liegt  in 
einem  lederartigen  dunkelbraunen  Tönnchen,  das  entweder  in  den  Rindenritzen  der 
untern  Stammteile  oder  am  Boden,  unter  dem  Moos  sich  findet  und  von  welchem 


1)  A.   F.-  u.   J.-Z.   1871    S.    133. 


256  'V'l-  Fürst,  Forstschutz. 

die  Wespe  beim  Ausschlüpfen  einen  kreisrunden  Deckel  abschneidet.  (Nicht  selten 
zeigt  das  Tönnchen  statt  dessen  ein  seitliches  kleines  Loch  —  das  Flugloch  eines 
Ichneumons.) 

Die  Generation  der  Kiefernblattwespe  ist  der  Regel  nach  eine  doppelte,  doch 
finden  von  dieser  Regel  nicht  selten  Abweichungen  statt. 

Das  erstmalige  Schwärmen  findet  Ende  April,  Anfang  Mai  statt,  und  das  Weib- 
chen legt  seine  Eier,  120  und  mehr,  partienweise  an  die  Kanten  der  Nadeln,  die  es 
mit  seinem  sägeförmigen  Legebohrer  aufschneidet,  und  verklebt  die  Einschnitte  nach 
Ablegung  der  Eier  mit  etwas  schaumigem  Schleim.  Die  nach  einigen  Wochen  er- 
scheinenden Räupchen  fressen,  so  lange  sie  klein  sind,  zu  zweien  an  einer  Nadel,  die 
Mittelrippe  stehen  lassend,  später  aber  die  ganze  Nadel  unter  Zurücklassung  eines 
Stumpfes  und  gehen  nur  im  Notfalle  an  die  jungen  Triebe.  Der  partienweisen  Eier- 
ablage entsprechend  hängen  sie  klumpenweise  an  den  Zweigen  und  finden  sich  ins- 
besondere an  den  Bestandsrändern,  schlechtwüchsigem  Kieferngestrüpp,  bei  größerer 
Vermehrung  aber  allenthalben  mit  Verschonung  der  eigentlichen  Schläge,  stets  nur 
an  der  Föhre. 

Etwa  Anfang  .Juli  verpuppen  sich  die  Larven,  ihre  Tönnchen  a  n  d  i  e  R  i  n  d  e, 
auch  Aeste  und  Nadeln  klebend ;  die  meist  nach  wenig  Wochen  ausfliegenden  Wespen 
setzen  eine  zweite  Brut  ab,  die  bis  zum  Spätherbst  fressend  sodann  am  Baum  herab- 
kriecht, um  sich  möglichst  geschützt  unter  dem  Moos  ihre  Tönnchen  zu  fer- 
tigen, in  welchen  die  Lai-ven  als  solche  bis  zum  Frühjahr  liegen,  erst  dann  sich  eigent- 
lich verpuppend.  Bei  starkem  Frost  liegen  die  Cocons  oft  in  ganzen  Klumpen 
beisammen.  Es  finden  jedoch  von  der  eben  geschilderten  Entwicklung  nicht 
unwesentüche  Abweichungen  dadurch  statt,  daß  bisweilen  ein  größerer  oder  kleinerer 
Teil  der  Larven  längere  Zeit,  selbst  ein  Jahr  und  darüber,  aus  unbekannten  Gründen 
ohne  sich  weiter  zu  entwickeln  in  den  Tönnchen  liegen  bleibt. 

Die  Kiefernblattwespe,  unter  günstigen  Umständen  sich  stark  vermehrend,  hat 
stellenweise  die  Föhrenbestände  schon  stark  beschädigt;  der  Schaden  wird  dadurch 
geringer,  daß  die  diesjährigen  Triebe  nur  ausnahmsweise  angegangen  werden,  hiedurch 
einerseits  also  nur  selten  Kahlfraß  eintritt,  anderseits  die  Möglichkeit  der  Knospen- 
ausbildung fürs  nächste  Jahr  gegeben  ist. 

Zahlreiche  natürliche  Feinde  der  Blattwespe  reduzieren  glücklicherweise  deren 
Zahl;  Wespen  wie  die  nackten  Afterraupen  werden  von  insektenfressenden  Vögeln 
verzehrt,  die  Schweine  fressen  ebenfalls  die  zur  Verpuppung  herabkriechenden  Rau- 
pen, verschmähen  aber  die  Kokons,  aus  welch  letzteren  sich  dagegen  Eichhörnchen 
und  Spitzmäuse  gerne  die  Larven  holen.  Die  Zahl  der  letzteren  wiad  auch  noch  durch 
Insekten  jeder  Art,  durch  Tachinen  und  Ichneumonen  vermindert,  mehr  aber  unter 
Umständen  durch  die  Witterung,  indem  bei  anhaltend  naßkaltem  Wetter  oft  ein 
großer  Teil  zugrunde  geht. 

Es  ist  dies  um  so  günstiger,  als  uns  wirksame  Verhütungs-  und  Vertilgungs- 
mittel nur  in  geringem  Maß  zur  Verfügung  stehen;  man  hat  ihre  Zahl  durch  Sam- 
meln oder  durch  Zerquetschen  der  klumpenweise  beisammensitzenden  Larven  an 
niedern  Büschen  und  Bestandsrändern  zu  verringern  gesucht,  Schweine  während  der 
kurzen  Zeit  des  Absteigens  der  Larven  von  den  Bäumen  zum  Zweck  der  Verpuppung 
eingetrieben,  zahlreiche  mit  Raupenleim  bestrichene  Pfähle  zum  Fangen  der  schwär- 
menden Wespen  aufgestellt  —  doch  wird  der  Erfolg  stets  nur  ein  geringer  sein  und 
in  den  meisten  Fällen  auf  solche  Hilfsmittel  verzichtet  werden  müssen. 

Neben  der  eben  geschilderten  fressen  noch  zahlreiche  andere  Blattwespen  — 
L.   rufus,   pallidus,  similis   —  an  den   Kiefern.    —  Auch  an  Fichten  und  Lärchen 


Die  Maulwurfsgrille,   Gryllotalpa  vulgaris.     §  G8.  257 

fressen  einige   Blattwespenarten   (Nematus),   ohne  jedoch    nennenswerten  Schaden 
anzurichten. 

§67.  Die  G  e  s  p  i  n  s  t  b  1  a  1 1  w  e  s  p  e  n  ,  Lydae.  Im  allgemeinen  wenig 
schädlich,  mögen  sie  doch  um  ihres  auffallenderen  Auftretens  willen  Erwähnung 
finden.  Sie  unterscheiden  sich  von  der  eben  besprochenen  Kiefernblattwespe  na- 
mentlich dadurch,  daß  die  Larven  nur  drei  Paar  BrusLfüße  und  ein  Paar  sog.  Nach- 
schieber haben,  während  die  Bauchfüße  verkümmert  sind,  und  daß  sie  stets  in  einem 
Gespinst  leben,  welches  sich  dem  Zweig  entlang  zieht  und  teils  durchsichtig  ist, 
meist  aber  durch  Nadelreste  und  namentlich  durch  den  Kot  undurchsichtig,  zu  einem 
sog.  Kotsack  wird.  Die  Verpuppung  erfolgt  in  der  Erde,  zu  der  sie  sich  meist  an  einem 
Faden  herablassen,  und  überwintern  die  Larven  als  solche,  sich  erst  im  nächsten 
Jahre  verpuppend,  häufig  aber  gleich  der  Kiefernblattwespe  ein  volles  Jahr  und 
länger  unverpuppt  liegend.    Als  häufigere  Arten  seien  erwähnt: 

Die  gelbe  Kotsackblatt  wespe,  Lyda  campestris,  deren  Larve  ein- 
zeln an  den  jungen  Trieben  3 — 6jähriger  Kiefern  und  Weymouthskiefern  in  einem 
dichten  Kotsack  lebt.  Tritt  sie  an  letzterer  Holzart  in  Forstgärten  auf,  so  wird  man 
sie  durch  Abstreifen  der  Kotsäcke  vernichten. 

Die  r  o  t  k  ö  p  f  i  g  e  K  i  e  f  e  r  n  b  1  a  1 1  w  e  s  p  e  ,  Lyda  erythrocephala,  lebt 
zu  3  bis  4  Stücken  in  einem  ebenfalls  nrit  Nadel-  und  Kotresten  etwas  verdichteten 
Gespinst  an  jüngeren  Föhren  und  Weymouthskiefern. 

Die  bunte  K  o  t  s  a  c  k  b  1  a  1 1  w  e  s  p  e  Lyda  pratensis,  ist  da  und  dort  in 
altern  Föhrenbeständen  in  solcher  Masse  erschienen,  daß  Abfressen  aller  altern  Na- 
deln, selbst  vollständiger  Kahlfraß  die  Folge  war. 

Die  Fi  chtengespinstblatt  wespe,  Lyda  hypotrophica,  ist  schon 
wiederholt  (zuletzt  in  den  Jahren  1893  und  1894)  in  älteren  Fichtenbeständen  in 
großer  Zahl  aufgetreten,  die  Bestände  schwer  schädigend  und  selbst  zerstörend.  Die 
teils  grünen,  teils  gelben  Larven  leben  in  zuletzt  bis  kindskopfgroßen  Gespinsten 
beisammen,  bäumen  im  August  und  September  ab  und  liegen  unverpuppt  bis  2I2 
Jahre  im  Boden,  sich  endlich  verpuppend ;  im  Mai  schwärmen  die  Wespen,  die  schwer- 
fälligen Weibchen  fliegen  die  Bäume  tief  unten  an,  um  dann  die  Baumkrone  krie- 
chend zu  erreichen  und  dort  ihre  Eier  an  die  Nadeln  abzulegen.  Durch  in  Brust- 
höhe angebrachte  Leimringe  kann  man  einen  großen  Teil  derselben  abfangen,  doch 
macht  die  Natur  durch  Schmarotzer  und  Erkrankung  der  im  Boden  liegenden  Larven 
der  Kalamität  zumeist  ein  mehr  oder  minder  rasches  Ende. 

§68.  Die  Maulwurfsgrille,  Gryllotalpa  vulgaris  (s.  Taf.  I  Fig.  13). 
Dieses  eigentümlich  gestaltete,  wohl  allbekannte  Tier,  ausgezeichnet  durch  ein  Paar 
maulwurfsartige  Grabfüße,  denen  es  auch  seinen  Namen  verdankt,  lebt  meist  unter- 
irdisch und  zwar  in  überwiegendem  Maße  von  animalischer  Nahrung,  wird  aber  durch 
Zerstören  der  Pflanzenwurzeln  beim  Graben  seiner  Gänge  in  Saatbeeten  oft  sehr  lästig. 
Es  gehört  zur  Klasse  der  Geradflügler  und  hat  eine  unvollkommene  Verwandlung, 
bei  der  also  ein  eigentlicher  Puppenzustand  fehlt. 

Die  Paarzeit  ist  im  Mai  und  Juni,  und  locken  sich  die  Geschlechter  in  den 
Abendstunden  durch  ein  eigentümliciies  Schrillen.  Die  Ablage  der  Eier  erfolgt  in 
einer  Höhlung  in  einem  bis  faustgroßen,  durch  Schleim  zusammengekitteten  Ballen 
etwa  8  bis  10  cm  unter  der  Erde,  imd  ist  die  Zahl  der  Eier  oft  eine  sehr  große,  bis 
zu  200  Stück.  Die  Lai-ven,  anfangs  weiß,  später  bräunlich  und  schon  bald  dem  Imago 
ähnelnd,  zerstreuen  sich  nach  einiger  Zeit,  Nahrung  suchend,  im  Boden  und  ent- 
wickeln sich,  nachdem  sie  unter  der  Erde  überwintert,  bis  zur  Paarzeit  zum  fertigen 
Insekt,  das  also  eine  einjährige  Generationsdauer  hat. 

Handb.  d,  Forstwias.     3.  Aufl.     H.  17 


258  ^'I-  Fürst,  Forstschulz. 

Zum  Suchen  ihrer  Nahrung  wühlt  sic.li  nun  die  Werre  mit  Hilfe  ihrer  Grabfüße 
lange,  flach  verlaufende  Gänge,  welche  in  lockerem  Boden  durch  leichtes  Heben  der 
Erde  an  der  Oberfläche  sichtbar  -werden,  und  zerstört  hiebei  durch  Zerreißen  mit 
ihren  Grabfüßen,  wohl  auch  durch  Abbeißen  aller  ihr  im  Weg  befindlichen  Pflanzen- 
wurzeln (nach  Nördlingers  Angabe  frißt  sie  diese  auch)  und  wird  hiedurch  wie 
auf  Feldern,  so  namentlich  in  den  Saatbeeten,  insbesondere  für  unsere  schwachen 
Nadelholzkeimlinge  oft  lästig  und  schädlich,  so  daß  man  zu  ihrer  möglichsten 
Vertilgung  genötigt  ist. 

Diese  letztere  erfolgt  nun  nach  unsern  eigenen  Erfahrungen  am  sichersten  in 
der  Weise,  daß  man  dem  frisch  entdeckten  Werrengang  mit  dem  eingeschobenen 
Finger  folgt,  bis  er  sich  zur  Tiefe  senkt;  mit  einem  Reis  sucht  man  dessen  weitere 
Richtung  und  legt  den  Gang  mit  dem  Spaten  bloß  —  an  dessen  Ende,  oft  schuhtief 
im  Boden,  sitzt  die  Werre. 

Man  hat  weiter  das  Aufsuchen  der  Nester,  die  sich  durch  Zusammenlaufen 
mehrerer  Röhren  und  absterbenden  Pflanzenwuchs  markieren  sollen  (aber  doch  nicht 
leicht  zu  finden  sind!),  das  Eingraben  von  Blumentöpfen  oder  Blechgefäßen,  mit 
dem  obern  Rand  dem  Boden  gleich,  zum  Fang  der  namentlich  zur  Paarzeit  des  Nachts 
oberirdisch  herumlaufenden  Werren,  endlich  auch  das  \'ernichten  der  zur  Paarzeit 
schrillenden  Tiere,  indem  man  sie  mit  einem  Hackenschlag  aus  dem  Boden  wirft, 
empfohlen.  Auch  das  Eingießen  eines  Kaffeelöffels  Oel  oder  Petroleum  in  die  frischen, 
nach  Regenwetter  leicht  kenntlichen  Gänge,  und  Nachgießen  von  Wasser  so  lange, 
bis  die  letztern  gefüllt  erscheinen  —  die  Werren  erscheinen  ölglänzend  an  der  Erd- 
oberfläche —  soll  sich  als  Vertilgungsmittel  bewähren  (Ney). 

B.  Laubholz-Insekten. 
I.  Käfer. 

§  69.  Die  L  a  u  b  h  o  1  z  b  o  r  k  e  n  k  ä  f  e  r  überhaupt.  Auch  im  Laub- 
holz kommen  eine  Anzahl  Borkenkäfer  verschiedener  Art  vor,  jedoch  in  viel  min- 
derer Zahl  als  in  den  Nadelhölzern  und  in  viel  minderer  Schädlichkeit,  indem  einer- 
seits die  an  sich  reproduktionsfähigeren  Laubhölzer  erlittene  Beschädigungen  leichter 
ausheilen,  anderseits  eine  Anzahl  der  Laubholzborkenkäfer  mehr  im  Holz  als  im  Bast 
lebt,  hiedurch  technisch,  nicht  aber  physiologisch  schädlich  wird.  Nebenbei  sehen 
wir  sie  wenigstens  teilweise  mehr  in  einzeln  stehenden  älteren,  oft  schon  schadh.aften 
Stämmen,  in  Alleen,  Anlagen,  als  im  geschlossenen  Wald  auftreten;  die  meisten  sind 
polyphag,  finden  sich  bald  an  dieser,  bald  an  jener  Holzart.  Wir  beschränken  uns  auf 
Anführung  einiger  der  häufigeren  und  schädlicheren  Arten: 

Der  bunte  Eschenbastkäfer,  Hylesinus  fraxini,  und  der  schwarze 
Eschenbastkäfer,  H.  crenatus,  leben  beide  vorvviegend  in  der  Esche  und 
bringen  durch  den  Fraß  ihrer  Larven  in  der  Basthaut  die  befallenen  Stangen  und 
Stänome  bisweilen  zu  raschem  Absterben;  charakteristisch  sind  die  Muttergänge, 
bei  beiden  Wagegänge,  von  ersterem  doppelarmig,  von  letzterem  einarmig. 

Der  ungleiche  Laubholzborkenkäfer,  Xyleborus  dispar,  be- 
fällt zwar  in  erster  Linie  schadhafte  ältere  Eichen  und  Buchen,  sowie  schadhafte 
Stämme  anderer  Holzarten,  in  welchem  Falle  der  durch  ihn  angerichtete  Schaden 
kein  nennenswerter  ist;  dagegen  hat  er  sich  wiederholt  schon  sehr  schädlich  in  Eichen- 
heisterpflanzungen gezeigt,  indem  er  die  Stämmchen  in  großer  Zahl  befällt,  sich  in 
deren  Inneres  einbohrt  und  sie  behufs  Absatz  seiner  Brut  durchlöchernd  hiedurch 


Die  Laubholzrüssclkäfer,  Curculionidae.     §  71.  259 

zum  Kränkeln  und  Absterben  bringt.   Ausreißen  und  Verbrennen  der  Heister  würde 
das  hier  anzuwendende  Scluitzmittel  gegen  weiteren  Schaden  sein. 

Vorwiegend  in  Ulmen  und  namenthcli  ältere  Alleebäume  schädigend  treten  der 
große  und  kleine  Ulmensplintkäfer,  Scolytus  destructor  und  multi- 
striatus  auf,  deren  Lai-ven  die  Basthaut  der  befallenen  Stämme  zerstören;  beide 
Muttergänge  sind  Lotgänge. 

§  70.  Die  Bockkäfer,  Cerambycidae.  Die  zahlreiche  Familie  der  Bock- 
käfer, wenn  auch  nur  da  und  dort  merklich  schädlich,  tritt  doch  im  Walde  so  häufig 
auf,  ihre  Larven  und  deren  Fraß  fallen  so  vielfach  ins  Auge,  daß  deren  Erwähnung 
wohl  als  zweckmäßig  erscheint. 

Sie  gehören  zu  den  technisch,  sch.ädlichen  Insekten.  Die  Käfer,  teilweise  durch 
ansehnliche  Größe,  lange  Beine  und  oft  sehr  lange  Fühler  ausgezeichnet,  erscheinen 
im  Sommer  und  legen  ihre  Eier  an  oder  in  die  Rinde  ab.  Die  Larven,  weiß  oder 
weißgelb,  meist  beinlos,  mit  kräftigen  hornigen  Oberkiefern,  fressen  anfänglich  mehr 
oberflächlich,  später  tiefer  im  Holz,  die  breiten  und  flachen  Gänge  sind  voll  Wurm- 
mehl;  die  Verpuppung  erfolgt  nach  zwei  und  selbst  mehr  Jahren  in  einer  etwas  mit 
Spänen  ausgepolsterten  Wiege,  das  Ausfliegen  des  Käfers  durch  ein  elliptisches,  schief 
stehendes  Flugloch.    Die  Käfer  selbst  sind  vollständig  unschädlich. 

\'ielfach  sind  es  bereits  schadhafte  Stämme  und  zwar  vorwiegend  von  Laub- 
hölzern, welche  vom  Bockkäfer  mit  seiner  Brut  besetzt  werden,  und  der  Schaden  ist 
dadurch  ein  geringer,  doch  finden  auch  Ausnalunen  durch  Besetzen  gesunder  Stämme 
mit  Brut  statt.  Immerhin  werden  Maßregeln  irgend  welcher  Art  gegen  Bockkäfer 
nicht  nötig  werden. 

Als  häufigere  und  forstlich  interessantere  Arten  seien  genannt:  Der  große 
Eichenbockkäfer,  Cerambyx  (Hanuuaticherus)  heros,  dessen  kolossale,  bis 
7  cm  lange,  durch  starke  Rückenplatten  ausgezeichnete  Larven  in  alten  Eichen  und 
zwar  meist  in  gesundem  Holz  leben,  das  durch  die  zuletzt  fingerdicken  Larvengänge 
natürlich  zu  jeder  bessern  Verwendung  unbrauchbar  wird;  der  Käfer  ist  4 — 5  cm 
lang,  schwarz  mit  sehr  langen  Fühlern. 

An  den  jüngeren  Aspen  fallen  die  knotigen  Auftreibungen  ins  Auge,  welche 
durch  den  Fraß  der  in  ihnen  lebenden  Larven  des  Aspenbockkäfers,  Sa- 
perda  populnea  erzeugt  werden ;  in  dem  Pappelholz  leben  die  Larven  des  großen 
Pappelbocks,  Saperda  carcharias  (s.  Taf.  I  Fig.  6),  eines  bis  3  cm  langen 
gelbbraunen   Käfers  mit  schwarz  pimktiertem   Hals  und  Flügeldecken. 

Als  eine  im  Nadelholz  lebende  schädlichere  Art  sei  hier  noch  der  Fichten- 
bockkäfer, Callidium  luridum,  genannt;  die  Larve  frißt  zuerst  in  der  Safthaut 
gesunder  älterer  Fichten,  erst  später  tiefer  ins  Holz  gehend,  und  bringt  durcli  erstere 
Art  des  Fraßes,  wenn  in  größerer  Zahl  an  eineni  Stamm,  diesen  rasch  zum  Kränkeln 
und  Absterben.  Sofortige  Fällung  und  Entfernung  der  befallenen  Stämme  —  kennt- 
lich durch  Harzausfluß  und  Welken  der  Benadelimg  —  ist  zu  empfehlen. 

Als  eine  ganz  unschädliche,  aber  allenthalben  vorkommende  Art  sei  noch  der 
Zangenbock,  Rhagium  indagator,  genannt,  dessen  große,  gelbweiße  Larven 
mit  breiten,  wurmmehlgefüUten  Gängen  sich  überall  unter  der  Rinde  bereits  gefäll- 
ter oder  abgestorbener  Nadelhölzer,  namentlich  Föhren,  finden. 

§  71.  Die  Laubholzrüsselkäfer,  Curculionidae.  Von  der  sehr 
zahlreichen  Familie  der  Rüsselkäfer  lebt  nur  eine  kleinere  Zahl  auf  Nadelhölzern, 
hier  allerdings  bisweilen  sehr  schädlich  werdend  (vergl.  §  52 — 55),  eine  viel  größere 
Zahl  aber  auf  Blattgewächsen  jeder  Art,  so  auch  auf  unsem  Laubhölzern.  —  Cha- 
rakteristisch ist  wenigstens  für  die  Mehrzahl  der  Rüsselkäfer  der  in  einen  bald  sehr 

17* 


260  '^  "•  Fürst,  Forstschutz. 

langen  und  feinen,  bald  in  einen  kürzern  und  stumpfen  Rüssel  ausgezogene  Kopf 
des  Käfers;  letzterer  wird  durch  Befressen  von  Pflanzenteilen  bald  mehr,  bald  weniger 
schädlich,  bei  manchen  Arten  sind  es  auch  die  Larven,  welche  im  Innern  der  Ge- 
wächse zerstörend  auftreten. 

In  Pflanzgärten,  Kulturen  und  Schlägen  richten  eine  Anzahl  solcher  Käfer, 
nach  ihrer  Färbung  als  grüne  oder  graue  Rüsselkäfer  bezeichnet  uad  zu  den 
Gattungen  Phyllobius,  Polydrosus,  Strophosomus  u.  a.  gehörig,  durch  Benagen  und 
Zerstören  der  Knospen  und  Befressen  der  Blätter  einen  oft  nicht  unbedeutenden 
Schaden  an,  ohne  daß  jedoch  gegen  die  an  sich  wenig  ins  Auge  fallenden  Käfer, 
welche  sich  bei  der  leisesten  Berührung  des  Gewächses,  auf  dem  sie  sitzen,  sofort 
zur  Erde  fallen  lassen,  etwa  durch  Sammeln  viel  auszurichten  wäre. 

Als  ein  stellenweise  in  Buclienvvaldungen  in  großer  Menge  auftretender  kleiner 
Rüsselkäfer  sei  noch  der  winzige  Buchenspringrüsselkäfer,  Orchestes 
fagi,  genannt;  die  Larve  beschädigt  durch  ganz  eigentümliche  Miniergänge  die  Bu- 
chenblätter, deren  befressenen  Teil  zum  Absterben  bringend,  so  daß  die  Schläge 
wie  vom  Frost  versengt  aussehen;  auch  ältere  Randstämme  zeigen  sich  vielfach  be- 
schädigt.   Der  Käfer  selbst  benagt  und  durchlöchert  die  Blätter  und  Fruchtkapseln. 

Zu  nennen  wäre  hier  auch  noch  der  Eichenrüsselkäfer,  Balaninus 
glandium,  dessen  Larve  in  den  Eicheln  und  Haselnüssen  lebend  diese  Früchte  zerstört. 

§  72.  Die  Prachtkäfer,  Buprestidae.  Diese  bei  uns  meist  nur  in  klei- 
neren Arten  vorkommenden  Käfer,  welche  ihren  Namen  von  der  bei  der  Mehrzahl 
schönen  metallisch  glänzenden  Farbe  haben,  werden  nur  durch  den  Fraß  ihrer  Larven 
schädlich.  Diese  Larven,  welche  weich,  weiß  und  fußlos  den  Bockkäferlarven  ähneln 
und  sich  von  diesen  durch  den  stark  verbreiterten  ersten  Leibesring  und  meist  auch 
durch  zwei  nach  hinten  gerichtete  Hornspitzen  am  After  unterscheiden,  fressen 
zwischen  Holz  und  Rinde  unregelmäßig  geschlängelte,  mit  Bohrmehl  fest  ausge- 
stopfte Gänge,  an  deren  Ende  sie  sich  in  kleinen  Splintwiegen  verpuppen.  Die  Gene- 
ration der  Prachtkäfer  ist  mindestens  2jährig,  vielleicht  noch  länger;  der  fertige 
Käfer  fliegt  durch  ein  seitlich  platt  gedrücktes  Flugloch  aus. 

Einzelne  Arten  der  zahlreichen  Famihe  sind  schon  in  empfindücher  Weise  schä- 
digend aufgetreten: 

Der  Eichenprachtkäfer,  Chrysobotris  affinis,  kupferbraun,  1 1  — 14  mm 
lang,  legt  seine  Eier  vorzugsweise  an  schwächere  Eichen,  Stangen  und  Heister,  und 
hat  durch  den  die  Safthaut  zerstörenden  Fraß  seiner  Larven  in  Heisterpflanzungen 
stellenweise  schon  erheblichen  Schaden  angerichtet.  Seine  Generation  scheint  min- 
destens dreijährig  zu  sein.   —  Aehnlich  schadet  Agrilus  tenuis. 

Der  grüne  Buchenprachtkäfer,  Agrilus  viridis  (s.  Taf.  I  Fig.  15), 
vorwiegend  blau  oder  grün  metaUisch  glänzend,  5 — 8  mm  lang,  beschädigt  in  gleicher 
Weise  insbesondere  Buchenheister,  findet  sich  aber  auch  an  stärkeren  Stämmen  und 
anderen  Holzarten. 

Bei  beiden  Insekten  wird  Ausreißen  und  Verbrennen  der  kränkelnden  Heister 
wenigstens  als  Vorbeugungsmittel  gegen  weitern  Schaden  zu  betrachten  sein. 

§73.  DieBlattkäfer,  Chrysomelidae.  Die  Käfer,  meist  von  gedrunge- 
nem, stark  gewölbtem  Körperbau,  geringer  Größe  und  bunter,  vielfach  metallisch 
glänzender  Farbe,  kommen  in  unsern  Waldungen  auf  einer  Anzahl  Holzgewächse 
in  oft  sehr  auffälliger  Weise  vor  und  mögen,  wenn  auch  minder  schädhch,  daher  hier 
kurz  erwähnt  sein. 

Sowohl  Lai'ven  wie  Käfer  benagen  die  Blätter,  diese  skelettisierend,  indem  sie 
Rippen  und  Adern  stehen  lassen  und  nur  das  Parenchym  dazwischen  herausfressen, 


Der  Buchenspinner  oder  Rotschwanz,  Orgyia  pudibunda.     §§  75.  261 

SO  daß  ihr  Fraß  nicht  wohl  mit  jonem  anderer  Insekten  verwechselt  werden  kann. 
Von  unsern  Holzgewächsen  sind  es  namentlich  eine  Anzahl  minder  wichtiger,  ja  selbst 
stellenweise  lästiger  Weiclihölzer,  die  von  Blattkäfern  befresscn  werden,  so  Aspen, 
Pappeln,  Salweiden,  Erlen,  so  daß  der  Schaden  nur  ein  geringer  ist;  schädlicher 
werden  einige  vorwiegend  auf  Weiden  lebende  Arten  in  den  Weidenhegern.  Als 
die  häufigst  vorkommenden  mögen  genannt  sein: 

Der  blaue  Erlenblattkäfer,  Agelastica  alni,  von  stahlblauer  Farbe, 
im  Mai  als  Käfer,  später  als  Larve  die  Erlenblätter  benagend;  in  Erlensaatbeeten 
kann  er  sehr  lästig  werden  und  hat,  nach  Kahlfraß  älterer  Pflanzen  die  Keimlinge 
befressend,  letztere  da  und  dort  zum  Absterben  gebracht.  Sammeln  der  Käfer  kann 
in  solchem  Fall  wohl  in  Anwendimg  gebracht  werden. 

Sehr  in  die  Augen  fallend  durch  die  rote  bis  braunrote  Färbung  der  Flügel- 
decken sind  der  rote  Pappelblattkäfer,  Lina  populi  (s.  Taf.  I  Fig.  14), 
und  der  Aspenblattkäfer,  Lina  trenuilae,  auf  Aspen  und  andern  Pappel- 
arten, auch  Weiden  lebend.  In  den  Weidenhegern  macht  dieser  Käfer,  und  ebenso 
der  gelbbraune  Salweidenblattkäfer,  Galeruca  capreae,  dann  der  kleine 
erzgrüne  W  e  i  d  e  n  b  1  a  1 1  k  ä  f  e  r  ,  Ciirysomela  vitellinae,  oft  bedeutenden  Scha- 
den und  sucht  man  sie  hier  durch  Abstreifen  in  Körbe  oder  Kari'en  möglichst  zu 
sammeln  und  zu  vernichten  ^). 

Endlich  wäre  der  in  Forstgärten  oft  sehr  lästige  E  r  d  f  1  o  h  ,  Haltica  erucae, 
weil  ebenfalls  hieher  gehörig,  zu  nennen,  der  durch  Zerfressen  der  Kotyledonen  auf- 
gehende Saaten  zerstören  kann  und  den  man  durch  Bestreuen  der  Beete  mit  AscJie 
oder  Kalk  und  durch  Begießen  derselben  mit  verdünnter  Karbolsäure  zu  vertreiben 
sucht. 

§74.  Die  spanische  Fliege,  Lytta  vesicatoria  (s.  Taf.  I  Fig.  16). 
Ein  Insekt,  das  nur  seltener  merklich  schädlich  auftritt,  doch  um  seiner  auffallenderen 
Erscheinung  willen  Envähnung  verdienen  dürfte.  Der  1,2 — 3  cm  lange  Käfer  ist 
schön  smaragdgrün  mit  \\eichen  Flügeldecken,  fliegt  im  Juni  und  legt  seine  Eier 
in  die  Erde,  wo  die  Larven  in  den  Nestern  von  Blumenbienen  zu  leben  scheinen  — 
auffallender  Weise  ist  ihre  Entwicklung  noch  nicht  genauer  erforscht.  —  Die  im  Juni 
oft  in  noch  unerklärter  Weise  plötzlich  in  großer  Menge  erscheinenden,  stark  riechen- 
den Käfer  befallen  insbesondere  Eschen,  sie  bei  großer  Zahl  oft  völlig  kahlfressend 
und  dadurch  im  Wuchs  zurücksetzend;  selbst  vollständiges  Absterben  kann  die 
Folge  sein.  Auch  verschiedene  Sträucher,  wie  Liguster,  Geisblatt,  Spiräen  dienen 
eventuell  zur  Nahrung. 

An  Eschenkulturen  und  in  Saatbeeten  sucht  man  durch  Abschütteln  die  Käfer 
zu  sammeln  und  zu  vernichten,  was  ohne  große  ]\Iühe  ausführbar  ist;  die  gesammelten 
Käfer  können  in  Apotheken  verkauft  werden,  woselbst  sie  infolge  eines  in  ihnen  ent- 
haltenen Stoffes  (Cantharidin)  zu  Blasenpflaster  verwendet  werden. 

II.  Schmetterlinge. 

§  75.  Der  Buchenspinner  oder  Rotschwanz,  Orgyia  pudi- 
bunda (Taf.  II  Fig.  3).  Das  Männchen  dieses  Schmetterlings  hat  etwa  4,5  cm,  das 
Weibchen  5  bis  6  cm  Flügelspannung;  das  erstereist  noch  insbesondere  durch  die  ge- 
kämmten gelbbraunen  Fühler  kenntlich,  während  die  Färbung  eine  nahezu  gleiche  ist: 
Vorderflügel  rötlichweiß  oder  grauweiß  mit   zwei  braungrauen  schmalen  Querlinien, 


1)  S.  K  r  a  h  c  ,  Lehrbuch  der  Korbweidenkultur. 


262  '^'11-  Fürst,  Forstschutz. 

Hinlerleib  und  Hinterflügel  etwas  heller  mit  verwaschenem  Bindefleck,  Unterseite 
durchaus  weiß  mit  einer  die  Flügel  durchziehenden  grauen   Querlinie. 

Die  Raupe  wird  ausgewachsen  etwa  4  cm  lang,  mit  anfänglich  grüngelber, 
später  mehr  rötlicher  Färbung,  4  starken  gelbgrauen  Haarbürsten  auf  dem  4ten  bis 
7ten  Leibesring,  starkem  rotbraunem  Haarbüschel  auf  dem  vorletzten  Ring  (daher 
der  Name  ,, Rotschwanz"),  zwischen  den  mit  Bürsten  besetzten  Leibesringen  samt- 
schwarzen, bei  dem  Zusammenrollen  der  Raupe  stark  hervortretenden  Ligamenten. 
—  Die  Puppe,  dunkelbraun,  mit  graugelber  Behaarung,  liegt  in  einem  mit  Haaren 
durchwebten  losen  Kokon. 

Die  Schwärmzeit  ist  Ende  Mai,  Anfang  Juni,  und  legt  das  Weibchen  die  an- 
fangs graugrünen,  später  braungrauen  Eier  in  einer  oder  mehreren  Partien  und  im 
ganzen  bis  zu  300  Stück  an  die  Rinde  stärkerer  Buchen  meist  in  geringer  Höhe  über 
dem  Boden  ab.  Die  nach  etwa  3  Wochen  erscheinenden  behaarten  Räupchen  ver- 
zehren zunächst  ihre  Eihüllen,  hiebei  ähnlich  den  Nonnenräupchen  einige  Tage  bei- 
sammen sitzend,  und  besteigen  sodann  den  Baum,  die  Blätter  zuerst  nur  benagend, 
später  stärker  befressend  und  schließlich  meist  die  stark  befressenen  Blätter  am  Stiel 
abbeißend;  sie  setzen  ihren  Fraß  etwa  bis  zum  September  fort  und  steigen  dann  in 
der  Regel  vom  Baum  herab,  um  sich  in  einem  Kokon  in  der  Laubdecke,  am  Gestrüpp, 
seltener  an  Zweigen  zu  verpuppen  und  so  zu  überwintern. 

Der  Rotschwanz  kommt  vor  allem  auf  Buchen  und  zwar  in  den  älteren  Be- 
ständen vor,  im  Notfall  jedoch  auch  andere  Laubhölzer  befressend.  Er  tritt  in  Bu- 
chenbeständen bisweilen  in  solchen  Massen  auf,  daß  die  Bestände  vollständig  kahl 
gefressen  werden  —  der  Umstand  aber,  daß  seine  Hauptfraßzeit  in  den  Spätsommer 
und  Herbst  fällt,  in  welchem  die  Knospen  fürs  kommende  Jahr  bereits  vorgebildet 
sind,  vermindert  den  Schaden  wesentlich,  beschränkt  ihn  auf  Zuwachsverlust,  ev. 
auf  Beeinträchtigung  einer  etwa  in  Aussicht  gewesenen  Mast.  Zudem  hat  man  beob- 
achtet, daß  ein  Raupenfraß  fast  stets  im  zweiten  Jahr  zu  Ende  geht  und  daß  insbe- 
sondere parasitische  Pilze,  in  den  Raupen  auftretend,  diese  in  kurzer  Zeit  fa^  völlig 
verschwinden  lassen. 

An  manchen  Orten,  wo  der  Rotschwanz  wiederholt  und  in  beunruhigender 
Weise  auftrat,  hat  man  das  Sammeln  der  zur  Verpuppung  herabsteigenden  Raupen 
und  der  Kokons  versucht,  jedoch  mit  geringem  Erfolg;  guten  Erfolg  dagegen  hat 
nach  Altums  Mitteilung  der  Versuch  gehabt,  die  in  geringer  Höhe  über  dem  Boden 
abgesetzten  und  auf  der  glatten  Buchenrinde  leicht  sichtbaren  Eihäufchen  mittelst 
eines  Pinsels  mit  Oel  zu  überstreichen,  wodurch  sämtliche  Eier  zugrunde  gingen. 
In  der  Regel  wird  man  auf  Mittel  der  Abwehr  verzichten. 

§  76.  Der  Prozessionsspinner,  Cnethocampa  processionea.  Größe 
des  Schmetterlings  beim  Männchen  etwa  3,2,  beim  Weibchen  bis  4  cm;  die  Vorder- 
flügel bräunlich-grau  mit  zwei  dunkleren  Querbinden,  die  Hinterflügel  gelblich-weiß 
mit  braun-grauer,  etwas  verwaschener  Querbinde,  wobei  die  Färbung  des  Männchens 
meist  etwas  schärfer  und  lebhafter  ist. 

Die  Raupe  wird  bis  3,5  cm  lang,  ist  blaugrau  oder  rötlich-grau  mit  großen 
braunen  Samtflecken  auf  dem  Rücken;  sie  zeigt  auf  jedem  Ringel  10  rötliche  Knopf- 
wärzchen, die  mit  langen  hellen  Haaren  besetzt  sind.  Die  rotbraune,  stumpf  abge- 
rundete Puppe  liegt  in  einem  tonnenförmigen  Kokon  in  dem  gemeinsamen  großen 
Gespinst. 

Die  Schwarmzeit  des  Schmetterlings  ist  im  August  und  fliegt  derselbe  in  den 
späten  Abendstunden.  Das  Weibchen  legt  nach  der  Begattung  seine  sehr  zahlreichen 
Eier,  bis  zu  200  Stück,  meist  in  einer  Partie  an  die  Rinde  älterer  Eichen  ab,  sie 


Sonstige  Spinner  auf  Laubholz.     §  77.  263 

mit  etwas  Afterwolle  überziehend;  die  Eier  überwintern  und  etwa  Anfang  Mai  schlüp- 
fen die  Räupchen  aus.  nun  ihren  eigentümlichen  Fraß  beginnend.  Stets  beisammen 
bleibend  sitzen  sie  unter  Tags  dicht  gedrängt  in  einem  gemeinsamen,  an  geschützter 
Stelle,  unter  einem  starken  Ast  oder  sonst  am  Stamm  hängenden,  anfänglich  kleinen, 
allmählich  größer  werdenden  Gespinst,  das  sie  zum  Zweck  des  Fraßes  meist  gegen 
Abend  verlassen.  Zu  diesem  Fraß  setzen  sie  sich  in  geschlossener  Ordnung  in  Be- 
wegung; der  Zug  pflegt  mit  einer  Raupe  zu  beginnen,  nach  der  Mitte  zu  breiter 
zu  werden  und  wieder  mit  einer  einzelnen  Raupe  zu  enden ;  die  Raupen  marschieren 
in  steter  Fühlung  miteinander,  suchen  jede  Unterbrechung  ihres  Zuges  rasch  wieder 
auszugleichen  und  bezeichnen  ilu'en  Weg  durch  einzelne  Gespinstfäden.  Nach  ge- 
schehenem Fraß  kehren  sie  wieder  in  ihr  Gespinst  zurück,  in  dem  sie  sich  auch  häuten, 
und  durch  die  zunehmende  Größe  der  Raupen,  die  in  dem  Gespinst  hängenden  Rau- 
penbälge und  Kotreste  erreicht  letzteres  zuletzt  selbst  Kindskopfgröße ;  nicht  selten 
vereinigen  sich  auch  mehrere  Familien  zu  großen  Gesellschaften.  Im  Juli  findet  die 
Verpuppung  in  dem  Gespinst  statt,  und  nach  2 — 3  Wochen  fliegt  der  Schmetterling  aus. 

Der  Prozessionsspinner  tritt  in  manchen  Gegenden,  so  in  Nordwestdeutsch- 
land, ziemlich  häufig  und  in  entschieden  waldschädigender  Weise  auf,  letzteres  zumal 
dann,  wenn  sich  der  Fraß  rasch  wiederholt.  Es  ist  fast  nur  die  Eiche,  die  von  ihm  zu 
leiden  hat,  und  man  hat  beobachtet,  daß  es  namentlich  frei  stehende  Stämme,  Ober- 
holz im  Mittelwald,  Randbäume  sind,  die  in  erster  Linie  befallen  werden.  Stärkerer 
Fraß  wird  stets  Zuwachsverlust  zur  Folge  haben,  kann  aber  im  Wiederholungsfall 
zum  Kränkeln  und  endlichen  Absterben  führen. 

Die  Vertilgung  des  Insekts,  die  bei  großer  Vennehrung  wohl  angezeigt  sein 
kann,  wird  durch  das  gesellige  Zusammenleben,  die  in  die  Augen  fallenden  großen  Ge- 
spinste erleichtert  und  erfolgt  durch  Zerstörung  der  letztern,  am  besten  wohl  durch 
Verbrennen  mittelst  eines  an  entsprechend  langer  Stange  befestigten  Büschels  Werg, 
der  mit  Petroleum  befeuchtet  ist;  die  Gespinste  liegen  in  verschiedener  Höhe  am 
Baum,  viele  tief  unten,  die  meisten  wohl  nicht  über  10  m  hoch.  Gegen  hoch  oben 
befindliche  Nester  läßt  sich  (nach  Altum)  selbst  ein  Flintenschuß  mit  wenig  Pulver 
und  starker  Ladung  Vogeldunst  anwenden. 

Bei  der  Vertilgung  der  Raupen,  wie  bezüglich  der  befallenen  Distrikte  über- 
haupt ist  aber  besondere  Vorsicht  geboten:  die  Haare  (und  zwar  nach  Nitsches 
Untersuchungen  die  mikroskopisch  kleinen  Härchen  auf  den  Samtflecken  des  Rückens) 
rufen  auf  der  Haut  entzündliche  Erscheinungen  hervor,  können,  in  Nase  oder  Mund 
von  Menschen  oder  Weidetieren  gelangend,  sehr  unangenehme  Folgen  haben.  Die 
mit  dem  Vertilgen  betrauten  Arbeiter  haben  sich  dementsprechend  durch  Hand- 
schuhe und  vor  Mund  und  Nase  gebundenes  Tuch  zu  schützen,  auch  den  Luftzug  zu  be- 
achten, durch  den  beim  Abnehmen  oder  Verbrennen  der  Gespinste  die  Haarfrag- 
mente wegwärts  vom  Arbeiter  getrieben  werden  sollen.  Für  Nutzungen  jeder  Art: 
Beeren,  Gras,  Weide  —  schließt  man  die  betr.  Distrikte. 

Natürliche  Feinde  hat  die  stark  behaarte  Raupe  außer  Ichneumonen  wenige; 
während  des  Winters  werden  wohl  durch  Meisen  eine  nicht  geringe  Zahl  von  Eiern 
vernichtet. 

Erwähnung  dürfte  noch  der  im  nordöstlichen  Deutschland  auftretende  K  i  e- 
fern-Prozessionsspinner,    Cn.  pinivora,  verdienen. 

§77.  Sonstige  Spinner  auf  Laub  holz.  Von  Spinnern,  welche 
außer  den  eben  genannten  noch  auf  Laubholz  bisweilen  in  großen  Massen  und  dadurch 
schädlich  auftreten,  die  Aufmerksamkeit  des  Forstmannes  in  Anspruch  nehmen, 
dürften  zu  nennen  sein: 


264  \'ll.  Fürst,  Forstschulz. 

Der  S  c  h  w  a  m  m  s  p  i  nn  e  r  ,  Liparis  dispar  (s.  Taf.  II  Fig.  6),  auffallend 
durch  den  Größenunterschied  der  Geschlechter,  indem  das  schmutzig  gelb-weiße 
mit  dunklen  Zickzackbinden  gezeichnete  Weibchen  bis  doppelt  so  groß  ist,  als  das 
graubraune,  ähnlich  gezeichnete  Männchen.  Ersteres  legt  zur  Schwarmzeit  (August, 
September)  seine  3 — 400  Eier  an  die  Rinde,  meist  tief  am  Boden  und  überzieht  sie 
mit  etwas  graugelber  Afterwolle,  so  daß  das  Ganze  einem  kleinen  Baumschwamm 
ähnlich  sieht.  Im  Frühjahr  schlüpfen  die  Räupchen  aus  und  erwachsen  zu  großen, 
starbkehaarten  Raupen,  die  auf  beiden  Seiten  einer  gelblichen  Rückenlinie  auf  den 
5  vordem  Leibesringen  blaue,  auf  den  6  folgenden  rote,  große  Knopfwarzen  zeigen 
und  sich  im  .Juli  und  August  in  einem  leichten  Gespinst  zwischen  Rindenritzen  oder 
Blättern  verpuppen.    Die  Puppe  ist  tief  braun  mit  heller  Behaarung. 

Die  außerordentlich  polyphage  Raupe  findet  sich  besonders  an  Obstbäumen, 
aber  auch  an  Waldbäumen  und  Sträuchern  jeder  Art,  insbesondere  an  Eiche  n. 
Buchen,  Linden;  im  Notfall  geht  sie  selbst  an  Nadelholz.  Sie  tritt  bisweilen  über- 
raschend in  großer  Zahl  auf,  hat  Kahlfraß  an  Eichenbeständen  in  großer  Ausdehnung 
verursacht,  ausnahmsweise  selbst  Nadelholzkulturen  zerstört;  in  Nordamerika  ist 
sie  geradezu  als  Landplage  aufgetreten. 

Als  Mittel  der  Abwehr  hat  man  das  Zerstören  der  leiclit  sieht-  und  erreichbaren 
Eierschwämme  durch  Abkratzen,  Ueberstreichen  mit  Raupenleim  und  neuerdings 
durch  Tränken  mit  Petroleum  mittelst  eines  einfachen  Apparates  ^)  angewendet. 
Zumeist  hilft  aber  auch  bei  diesem  Insekt  die  Natur  rasch  und  der  Fraß  geht  ohne 
weitern  Schaden  als  einigen  Zuwachsverlust  vorüber. 

Ebenfalls  zunächst  an  Obstbäumen,  aber  auch  an  Eichen,  Ulmen,  Weiß- 
buchen, Pappeln  findet  sich  der  Ringelspinner,  Gastropacha  neustria,  der, 
im  Juli  schwärmend,  seine  Eier  als  ringförmiges  Band  um  die  schwachem  Zweige  legt. 
Ihm  ähnlich  befällt  auch  der  Goldafter,  Porthesia  chrysorhoea,  vorzugsweise 
Obstbäume,  doch  auch  Eichen;  seine  in  zusammengesponnenen  Blättern  überwin- 
ternden Räupchen  bilden  die  sog.  Raupennester,  deren  Vernichtung  an  Obstbäumen 
unschwer  durchzuführen  ist. 

Der  Bifken-Nestspinner,  Gastropacha  lanestris,  befrißt  die  sonst 
von  Insekten  wenig  heimgesuchte  Birke  (auch  Kirschbäume)  und  verdankt  seinen 
Namen  dem  geselligen  Zusanxmenleben  der  Raupen  in  gemeinsamem  Gespinst,  wel- 
ches zuletzt  als  langer  Beutel  von  den  Aesten  herabhängt. 

Der  Forstmann  wird  nur  ausnahmsweise  in  die  Lage  konamen,  Mittel  der  Ab- 
wehr gegen  die  drei  letztgenannten  Insekten  anwenden  zu  müssen. 

§  78.  Die  Frostspanner.  Die  Frostspanner  haben  ihren  Namen  von 
der  spät  im  Herbst,  ja  selbst  im  Winter  —  bis  Dezember  —  liegenden  Flugzeit;  als 
besondere  Merkwürdigkeit  ist  anzuführen,  daß  die  Flügel  der  Weibchen  stets  ver- 
kümmert sind,  so  daß  diese  nur  kriechen,  nicht  fliegen  können.  Es  sind  namentlich 
2  Arten,  deren  Fraß  in  den  Waldungen  ein  oft  sehr  in  die  Augen  fallender  ist,  nämlich : 

Der  kleine  Frostspanner,  Cheimatobia  brumata  (s.  Taf.  I  Fig.  18); 
das  Männchen  hat  etwa  2,6  cm  Flügelspannung,  gelblichgraue  Vorderflügel  mit 
feinen  dunkeln  Wellenlinien  und  hellgraue  Hinterflügel  mit  undeutlicheren  Streifen; 
das  Weibchen  ist  etwa  0,8  cm  lang  mit  schwachen  Flügelansätzen,  der  Körper  grau- 
braun mit  weißen  Schüppchen,  langen  Fühlern  und  Beinen.  Die  Raupe,  anfänglich 
grau,  nach  der  ersten  Häutung  gelbgrün  mit  lichtem  Rückenstreif,  später  grün  mit 
dunkler  Rückenlinie,  ist  ausgewachsen  etwa  2,6  cm  lang;  die  Puppe  hellbraun. 


1)  Band  I,  Heft  2  der  Publikationen  der  biol.  .-Anstalt  des  Reiclisgesundheitsamtes. 


Die  Deformitäten-Erzeuger.     §  80.  265 

Die  Flugzeit  ist  im  November  und  Dezember;  das  Weibchen  legt,  an  den  Bäu- 
men hinauf  laufend,  seine  Eier  namentlich  an  die  Knospen  der  Obstbäume,  dann  der 
Weißbuclien,  Eichen,  Eschen,  Linden,  und  die  im  Frühjahr  ausschlüpfenden  Räup- 
chen  benagen  nun  zuerst  die  Knospen,  dann  die  sich  entwickelnden  Blätter,  sie  nach 
allen  Seiten  durchlöchernd,  dabei  auch  durch  Gespinstfäden  zusammenwickelnd. 
Anfangs  Juni  etwa  lassen  sie  sich  von  den  Bäumen  spinnend  herab  und  verpuppen 
sich  im  Boden. 

Der  Obstbaumzüciiter,  dem  der  Frostspanner  durch  Zerstörung  der  Blüten- 
knospen sehr  schädUch  werden  kann,  sucht  sicli  durch  Teerringe  —  sog.  Raupenleim 
wird  auf  steifes  Papier  gestrichen  und  dieses  zur  Schwärmzeit  um  den  Stamm  fest- 
gebunden, wodurch  die  Weibchen  am  Besteigen  der  Bäume  geliindert  werden  bezw. 
sich  auf  dem  bestrichenen  Papier  fangen  —  mit  Erfolg  zu  helfen;  ini  Wald  wird  man 
auf  Anwendung  irgend  welcher  Mittel  verzichten  müssen. 

Die  oft  selir  bedeutende  Zerstöiomg  an  Buchenaufschlag  wird  durch  eine  dem 
kleinen  Frostspanner  nahe  verwandte  Art  Cheimatobia  boreata  verursaclit. 

Der  großeFrostspanner,  Hibernia  defoliaria,  —  mit  etwa  4  cm  Flügel- 
spannung, hellgelblichen  Vorderflügeln  mit  gelbbrauner  Zeichnung  und  dunklem 
Punkt  auf  jedem  Flügel,  den  etwas  schwächer  auch  die  helleren  Hinterflügel  auf- 
weisen, das  langbeinige  Weibchen  ganz  flügellos;  die  Raupe  gelb  mit  breitem,  braun- 
rotem Rückenstreif,  der  mit  feiner  dunkler  Linie  beiderseits  gesäumt  ist  — ,  lebt  in 
ganz  ähnlicher  Weise,  schwärmt  etwas  früher  im  Herbst;  er  ist  seltener  als  der  Ideine 
Frostspanner,  tritt  jedoch  bisweilen  in  sehr  großer  Zahl  auf  und  befrißt  neben  Obst- 
bäumen vor  allem  auch  die  Eichen  i).    Gegenmittel  sind  gleichfalls  nicht  anwendbar. 

§79.  Der  Eichenwickler,  Tortrix  viridana.  Der  kleine  Falter  mit 
etwa  2,2  cm  Flügelspannung  hat  schön  hellgrüne  Vorderflügel  mit  gelbweißem  Fran- 
sensaum und  hellgrauem  Hinterflügel  mit  grauweißem  Saum,  ein  dunkel-gelbgrünes 
Räupchen  mit  schwarzem  Kopf  und  schwarzen  Wärzchen,  \\elche  feine  Haare  tragen, 
fast  schwarze  Puppe. 

Der  Schmetterling  schwärmt  Ende  Juni,  und  das  Weibchen  legt  seine  Eier 
einzeln  oder  in  kleinen  Partien  an  die  Knospen  in  den  Kronen  älterer  Eichen; 
die  im  Frühjahr  erscheinenden  Räupchen  befressen  zuerst  die  Knospen,  dann  Blätter 
und  Blüten,  und  verpuppen  sich  Anfang  Juni  in  zusammengerollten  Blättern,  Rinden- 
ritzen u.  dergl.  Sie  treten  bisweilen  in  ungeheurer  Menge  auf;  der  Fraß  beginnt,  ent- 
sprechend der  Eierablage,  in  den  Kronen  und  wird  bisweilen  zu  vollständigem  Kahl- 
fraß, doch  begrünen  sich  die  Bäume  mit  Hilfe  der  Johannitriebe  wieder,  und  einiger 
Zuwachsverlust  ist  wohl  der  ganze  Schaden. 

Gegenmittel  sind  nicht  anwendbar,  doch  gehen  durch  Spätfröste,  welche  das 
junge  Laub  zerstören,  oft  sämtliche  Räupchen  zugrunde  und  ebenso  vermag  naß- 
kaltes Regenwetter  der  Kalamität  nicht  selten  ein  schnelles  Ende  zu  bereiten. 

III.  Die  Deformitäten-Erzeuger. 

§  80.  Man  versteht  hierunter  jene  Insekten,  welche  durch  ihren  Stich  und  bezw. 
Fraß  an  verschiedenen  Teilen  unserer  Waldbäume  eigentümliche  Rollungen  und 
Kräuselungen  oder  oft  sehr  in  die  Augen  fallende  Wucherungen  (Gallen)  hervor- 
rufen; der  hiedurch  verursachte  Schaden  ist  zwar  in  den  meisten  Fällen  ein  nur  ge- 
ringer, kann  aber  bisweilen  doch  ein  nennenswerter  sein  —  jedenfalls  soll  der  Forst- 


1)  Im  Jahre  1883  fand  im  Spessart  in  Eichenbeständen  auf  größerer  Fläche  ein  Kahlfraß 
durch  H.  defoliara  statt.    Den  Puppen  gingen  die  Wildschweine  begierig  nach. 


266  VII.  F  ü  rst,  Forstschutz. 

mann  die  Ursache  solcher  auffallender  Erscheinungen  kennen,  und  wir  führen  des- 
halb die  häufigsten  dieser  Deformitäten-Erzeuger  kurz  an: 

1.  Auf  Nadelholz. 

Hier  tritt  uns  durch  auffallende  Bildungen  die  Gattung  der  Rindenläuse, 
Chermes,  entgegen,  merkwürdig  durch  ihre  teils  geschlechtliche,  teils  ungeschlecht- 
liche Fortpflanzung,  ihr  Auftreten  in  geflügeltem  und  ungeflügeltem  Zustand  und 
ihr  Wandern  in  den  verschiedenen  Stadien  der  Entwicklung  von  einer  Nadelholzart 
auf  die  andere  unter  Erzeugung  ganz  verschiedener  Erscheinungen  an  den  Nadeln. 
Diese  erst  in  der  Neuzeit  klar  gestellten  Verhältnisse  waren  Ursache,  daß  die  ver- 
schiedenen Entwicklungsstadien  als  eigene  Arten  betrachtet  wurden.  Es  seien  hier 
genannt:  Die  grüne  F  i  c  h  t  e  n  r  i  n  d  e  n  1  a  u  s  ,  Chermes  viridis  Ratz. ;  sie  ver- 
ursacht die  großen,  grünen,  rotgeränderten,  zapfenartigen  Gallen  an  der  Basis  der 
Zweige  meist  jüngerer  Fichten,  diese  halb  umfassend  und  zu  eigentümlicher  Krüm- 
mung veranlassend.  Die  Zwischenform  findet  sich  auf  der  Lärche,  an  den  Nadeln 
saugend,  wodurch  sie  an  der  Fraßstelle  verblassen  imd  sich  knieförmig  biegen;  w-eiße 
Wollausscheidungen  lassen  das  bisher  als  eigene  Art  —  Chermes  laricis  —  bezeichnete 
Insekt  leicht  ins  Auge  fallen. 

Die  rote  Fichtenrindenlaus,  Chermes  strobilobius  Kaltenb.,  er- 
zeugt ebenso  wie  eine  zweite  sehr  ähnliche  Art  Ch.  coccineus  Ratz,  kleine,  zuerst 
gelblichweiße,  später  braune  Gallen  an  den  Triebspitzen  der  Fichte,  diese  nicht  selten 
abschließend  und  die  Spitzen  zum  Absterben  bringend ;  beide  finden  sich  vorwiegend 
an  schon  älteren  und  minder  gutwüchsigen  Fichten.  Die  Zwischenform  der  ersteren 
Art  lebt  auf  der  Weißtanne,  der  letztern  auf  der  Lärche. 

In  sehr  in  die  Augen  fallender  Weise  zeigt  sich  nicht  selten  die  Rinde  von 
Weymouthskiefern  und  Tannen  mit  einem  weißen,  wachsfleckigen  Ueberzug  bedeckt, 
herrührend  von  Ausscheidungen  an  der  Rinde  saugender  Chermesarten,  deren  hier 
tätige  Generation  früher  ebenfalls  als  eigene  Art  (Ch.  strobi,  piceae)  bezeichnet  wurde. 

2.  Auf  L  a  u  b  h  o  1  z. 

Die  Gallwespen,  Cynipidae,  erzeugen  durch  die  Ablage  ihrer  Eier  an 
Blätter,  Zweige,  Knospen,  Blüten  und  durch  den  Reiz,  welchen  der  Fraß  der  kleinen 
Larve  verursacht,  eigentümliche  Wucherungen,  Gallen,  verschiedenster  Art  und 
Größe,  die  oft  sehr  ins  Auge  fallen.  Namentlich  ist  es  die  Eiche,  auf  der  eine  Anzahl 
solcher  Gallwespen  lebt:  so  die  Eich  engall  wespe,  Cynips  quercus  folii,  die 
bekannten  großen  rot  und  grünen  sog.  Galläpfel  auf  der  Unterseite  der  Eichenblätter 
erzeugend ;  die  Zapfengallwespe,  C.  fecundatrix,  die  Verursacherin  der 
hopfenartigen,  anfänglich  grünen,  dann  braunen  Zäpfchen  an  der  Spitze  der  Eichen- 
zweige ;  die  Eichenrosengallwespe,  C.  terminalis,  große,  rosenfarbige 
Schwammgallen  an  den  Zweigspitzen  der  Eiche  hervorrufend.  Hierher  gehören  auch 
jene  im  Süden  vorkommenden  Gallwespen,  deren  Stich  die  bekannten,  als  Gerbe- 
mittel Verwendung  findenden  Knoppern  erzeugt. 

Die  Buchengallmücke,  Cecidomyia  fagi,  verursacht  in  ähnlicher  Weise 
die  kegelförmig  zugespitzten  grün  und  roten  Gallen,  welche  sich  allenthalben  und  oft 
in  großer  Menge  auf  den  Buchenblättern  finden. 

In  auffallend  starker  Weise  wird  die  Ulme  von  einigen  Blattlausarten  heimge- 
sucht. Die  Blätter  derselben  zeigen  sich  auf  der  Oberseite  oft  ganz  überdeckt  mit 
großen,  grünen,  später  mißfarbigen  Blasen,  von  der  Blattaschen-Ulmen- 
blattlaus, Tetraneura  ulmi,  herrührend ;  an  der  Basis  der  Blätter  jüngerer  Ulmen 
finden  sich  häufig  die  bis  walnußgroßen  blasigen  Auftreibungen  der  Beutelgal- 
len-Ulmenblattlaus, Schizoneura  lanuginosa. 


Nachteile  durch  Gewächse.     §  82.  267 

Die  Rinde  alter  Buchen  findet  sich  bisweilen  dicht  bedeckt  mit  den;  weißen 
Sekret  der  B  u  c  h  e  n  w  o  1  1  a  u  s  ,    Coccus  fagi. 

2.  Gefährdung  durch  Gewächse. 
I.  Forstunkräuter. 

§  81.  Begriff;  Auftreten.  So  wenig  wir  jedes  im  Wald  vorkommende 
und  von  Baumteilen  sich  nährende  Insekt  sofort  als  „Forstinsekt"  bezeichnen  können, 
ebensowenig  werden  wir  jede  im  Wald  auftretende  Pflanze  als  „Forstunkraut"  an- 
sprechen. Mit  diesem  letztem  Namen  bezeichnen  wir  vielmehr  nur  jene  Gewächse, 
welche  in  g  r  ö  ß  e  r  e  r  Zahl  und  gemeinschaftlich  auftretend  imsern  wald- 
baulichen Bestrebungen  in  irgend  welcher  Weise  hindernd  entgegentreten,  das  Ge- 
deihen unserer  Holzgewächse  beeinträchtigen. 

Dieses  Auftreten  von  Forstunkräutern  und  deren  Art  ist  nun  durch  verschiedene 
Faktoren  bedingt :  durch  die  mineralische  Zusammensetzung  des 
Bodens,  dessen  großem  oder  geringem  Gehalt  an  Feuchtigkeit,  vor  allem 
aber  auch  durch  die  Einwirkung  des  Lichtes.  Im  dicht  geschlossenen  alten  Bu- 
chenbestand sehen  wir  keinen  Grashalm,  in  der  Kiefemdickung  ist  keine  Spur  des 
Heidekrautes  mehr  vorhanden,  das  vorher  die  Schlagfläche  dicht  überzog,  und  das 
alsbald  wieder  erscheint,  wenn  der  ältere  Föhrenbestand  sich  anfängt  zu  lichten, 
ebenso  wie  der  zum  Zweck  der  Verjüngung  gelichtete  Buchenbestand  alsbald  eine 
leichte  Begrünung,  die  kahle  Fläche  des  abgetriebenen  Fichtenbestandes  einen  dichten 
und  mannigfaltigen  Unkrautüberzug  an  Stelle  der  bisherigen  Moosdecke  zeigt. 

Je  frischer  und  kräftiger  der  Boden,  je  voller  die  Einwirkung  des  Lichtes,  um 
so  mannigfaltiger  und  üppiger  pflegt  dieser  Ueberzug  zu  sein,  während  auf  ärmerem 
Boden  und  bei  gedämpfter  Lichteinwirkung  nur  wenige  Unkräuter  —  etwa  Heide 
im  erstem,  Heidelbeere  im  letztern  Fall  —  oft  weithin  die  Decke  des  Bodens  bilden. 
Die  Ansprüche  der  verschiedenen  Unkräuter  an  das  Licht,  wie  an  die  Eigenschaften 
des  Bodens  sind  hiebei  vielfach  so  charakteristisch,  daß  der  Forstmann  aus  deren 
Auftreten  manche  wichtige  Schlüsse  ziehen  kann :  eine  leichte  Begrünung 
des  Buchensamenschlages  sagt  ihm,  daß  genügend  Licht  für  den  aufkeimenden  Nach- 
wuchs vorhanden  sei,  im  Eichenstangenholz  gilt  sie  ihm  als  ein  Zeichen,  daß  der 
bodenschützende  Unterbau  nun  bald  am  Platze  ist;  wo  Heide  woichert,  wird  er  auf 
die  Nachzucht  anspruchsvoller  Holzarten  verzichten,  während  ihm  Himbeere  und 
Tollkirsche  den  Boden  als  noch  frisch  und  kräftig  bezeichnen,  Binsen  und  Simsen 
auf  stagnierende  Feuchtigkeit  deuten  i). 

§82.  Zu  fürchtende  Nachteile;  Nutzen.  Ein  mehr  oder  we- 
niger dichter  Ueberzug  von  Forstunkräutern  verschließt  den  Boden  der  natürlichen 
Ansamung,  bereitet  aber  auch  der  künstlichen  Aufforstung,  der  Bearbeitung  des 
Bodens  für  die  Saat,  der  Herstellung  der  Pflanzlöcher  Schwierigkeiten  und  verur- 
sacht hiedurch,  wie  durch  die  etwa  gebotene  Anwendung  stärkeren  Pflanzenmateriales 
oft  wesentlich  höhere  Aufforstungskosten.  Die  Forstunkräuter,  meist  raschwüchsig, 
und,  wenn  auch  bei  der  Kultur  entfernt,  rasch  wieder  erscheinend,  überwachsen  die 
meist  langsamer  als  die  Unkräuter  wachsenden  Holzpflanzen,  entziehen  ihnen  den 
Licht-  und  Taugenuß,  nehmen  einen  großen  Teil  der  im  Boden  vorhandenen  löslichen 
Nährstoffe  in  Anspruch,  halten  namentlich  die  nur  leichteren  Regen  ab,  in  den  Boden 
einzudringen,  während  sie  selbst  durch  Verdunstung  dem  Boden  viel  Feuchtigkeit 


')  Vgl.  A.  K.  Ca  Jan  der,  Ueber  Waldlypen.    Forslw.  (Blatt  1M12  S.  99). 


268  ^'11-  Fürst,  Forstschulz. 

entziehen;  überlagern  endlich,  im  Herbst  und  Winter  absterbend,  die  Holzpflanzen 
oft  so  vollständig,  daß  diese  zugrunde  gehen.  Ebenso  überwuchern  einzelne  Schling- 
und  Rankengewächse  selbst  stärkere  Pflanzen  vollständig,  sie  zu  Boden  drückend. 

An  den  im  Grase  stehenden  Pflanzen  beobachten  wir  im  Frühjahr  häufig  Frost- 
beschädigungen als  Folge  starker  Verdunstung,  und  Mäuse  finden  willkommenen 
Schutz  im  dichten  Gras-  und  Unkrautüberzug. 

So  sind  die  Forstunkräuter  dem  Forstmann  eine  meist  unwillkommene  Er- 
scheinung, willkommen  nur  etwa  zur  Bindung  allzu  lockern  Bodens  oder  als  lichter 
Schutzbestand  in  trockenen  oder  frostigen  Lagen  in  Gestalt  von  Besenpfriemen  und 
Wachholder.  Daß  sie  zur  Fütterung  des  Viehes  —  durch  Gras-  oder  Weidenutzung 
—  dann  als  Streumaterial  —  Heide,  Besenpfriemen,  Famkraut,  dürres  Gras  —  oft 
ausgedehnte  Verwendung  finden,  und  ihre  mannigfachen  Beerenfrüchte  —  Heidel-, 
Preißel-,  Erd-  und  Himbeeren  — ,  die  teilweise  geradezu  Handelsartikel  geworden 
sind,  eine  allerdings  mehr  der  armen  Bevölkerung  als  dem  Waldbesitzer  zugute  kom- 
mende wertvolle  Nebennutzung  bieten,  möge  zugunsten  der  Forstunkräuter  noch 
iiervorgehoben  sein. 

§  83.  Bezeichnung  der  häufigsten  Forstunkräuter.  Die 
Forstunkräuter  sind  bald  krautartig  und  alljährlich  absterbend,  bald  zwei-  und  mehr- 
jährig, im  letztern  Falle  teils  am  Boden  hinkriechende  kleinere  Sträucher,  wie  die 
Beerkräuter,  die  Heide,  bald  aber  zu  kräftig  in  die  Höhe  strebenden  eigentlichen 
Sträuchern  sich  entwickelnd,  wie  Schwarz-  und  Weißdom,  Hollunder  u.  dgl.  Für 
das  Auftreten  der  einen  oder  andern  Art  ist  der  Standort,  insbesondere  aber  auch 
der  Feuchtigkeitsgrad  des  Bodens  maßgebend,  so  daß  wir  sie  nach  diesem  letztern 
einigermaßen  gruppieren  können. 

Auf  nassem  und  t  o  r  f  i  g  e  m  Boden  finden  wir  einige  Beerkräuter :  die 
Moosbeere  und  Rauschbeere,  ferner  die  Sumpfheide,  den  Sumpfporst,  das  Wollgras, 
verschiedene  sog.  saure  Gräser:  Riedgras,  Binsen  und  Simsen,  dann  das  Sumpfmoos, 
auch  das  sog.  Bürstenmoos. 

Mannigfaltig  ist  die  Unkräutervegetation  auf  gutem,  frischem  Boden : 
Fingerhut,  Tollkirsche,  Weidenröschen,  Brennessel,  Hanfnessel,  Himbeeren,  Brom- 
beeren, Farnkräuter  und  breitblätterige  Gräser  verschiedenster  Art  bilden  den  dich- 
ten Bodenüberzug  im  vollen  Licht;  im  geschlossenen  älteren  Fichten-  und  Tannen- 
bestand sind  es  Moose,  meist  zur  Gattung  Hypnum  gehörig,  die  den  Boden  decken. 
Auf  kalkhaltigem  Boden  treten  insbesondere  auch  noch  Kleearten  auf,  wie  auch 
sonst  die  Flora  desKalkbodens  eine  besonders  reiche  und  charakteristische  zu  sein  pflegt. 

Auf  trockenem,  sandigem  oder  durch  Freiliegen,  Streunutzung  etc. 
heruntergekommenem  Boden  finden  wir  Heide,  Heidelbeere,  Preißelbeere,  die  Ginster- 
arten, Besenpfrieme,  Habichts-  und  Kreuzkraut,  Wolfsmilch,  Hauhechel,  Wollblume, 
dann  die  trockenen,  schmalblätterigen  Angergräser. 

Die  Sträucher,  welche  in  unseren  Waldungen  auftreten,  namentlich  auf 
gutem,  frischem  Boden  ( Auwaldungen)  üppig  und  lästig  wuchernd,  sind :  Schlehdorn 
(Schwarzdorn),  Weißdorn,  Hollunder,  Faulbaum,  Hartriegel,  Beinweide,  Spindel- 
baum, Stechpalme,  Geisblatt,  auf  trockenerem  Boden  Wachholder,  Sanddorn. 

§  84.  Mittel  der  Abwehr.  Wie  bei  der  schädlichen  Tierwelt,  so  werden 
wir  auch  hier  dem  massenhafteren  Auftreten  der  Forstunkräuter  in  erster  Linie  vor- 
zubeugen suchen,  indem  wir  ihnen  die  Bedingungen  freudigen  Gedeihens  tun- 
lichst entziehen.  Wir  suchen  den  Bestandesschluß  zu  erhalten,  stellen  unsere  Be- 
samungsschläge dunkel,  hauen  so  langsam  nach,  als  dies  die  Holzart  gestattet;  suchen 
dort,  wo  wir  zum  Kahlhieb  genötigt  sind,  diesem  mit  der  Aufforstung  rasch  zu  folgen, 


Gefährdungen  liiircli  die  anorganische  Natur.     §  86.  269 

wählen  die  Pflanzung  ev.  mit  stärkeren,  verschulten  Pflanzen  an  Stelle  der  Saat  oder 
kleiner  Pflänzlin2;e,  da  erstere  weniger  durch  Unkrautwuclis  leiden,  den  Schluß  rasch 
wieder  herstellen. 

Ist  aber  der  Gras-  und  Unkraut\\aichs  auf  den  von  uns  zu  kultivierenden  Flä- 
chen schon  vorhanden  oder  stellt  er  sich  alsbald  nach  der  Kultur  in  bedrohlicher  Ent- 
wicklung ein,  so  gilt  es,  ihn  tunlichst  zu  zerstören.  Starken  Graswuchs  hält 
man  mit  der  Sichel  durch  Abgabe  des  Grases  als  Viehfutter  nieder,  oder  läßt  in 
Saaten  das  Gras  durch  Rupfen  (wozu  sich  die  Futterbedürftigen  allerdings  viel 
weniger  gern  herbeilassen)  entfernen;  Heide,  Besenpfrieme,  Farnkräuter  sind  in  den 
meisten  Gegenden  als  Streumaterial  absetzbar  und  werden  kostenlos  entfernt.  Wo 
aber  solche  Abgaben  lästiger  Unkräuter  als  Futter  und  Streu  nicht  möglich,  darf 
man  auch  Kosten  für  das  Ausschneiden  derselben,  das  Niedertreten  von  Farn  und 
Brombeeren,  das  Heraushauen  holziger  Sträucher  nicht  scheuen ;  selbst  Eintrieb  und 
resp.  Durchtrieb  von  Schafen  und  Rindvieh  durch  stark  graswüchsige  Fichtenkulturen 
hat  man  schon  nüt  überwiegendem  A'orteil  angewendet. 

Gegen  den  Wiederausschlag  der  Stöcke  lästiger  Sträucher  und  Weichhölzer 
leistet  das  Uebererden  der  Stöcke,  Zudecken  derselben  mit  nicht  zu  kleinen  Erd- 
haufen und  Plaggen  gute  Dienste.  —  Landwirtschaftlicher  Zwischenbau,  wie  er  in 
der  Rheinebene  teilweise  im  Gebrauch,  zerstört  den  Unkrautwuchs  zwischen  den 
Pflanzenreihen  vollkommen. 

Sehr  lästig  kann  der  Unkrautwuchs  in  Forstgärten  werden.  Neben  dem  Aus- 
jäten als  Mittel  der  Zerstörung  wären  das  Decken  der  Räume  zwischen  den 
Pflanzenreihen  mit  Laub  und  Moos,  Vorsicht  bei  Anwendung  des  sog.  Kompost- 
düngers, der  viel  Unkrautsamen  enthalten  kann,  wie  bei  Auswahl  des  Platzes  für 
Saatbeet  oder  Forstgarten  als  Mittel  der  Vorbeugung  zu  nennen. 

2.  Schmarotzergewächse. 

§  85.  Als  solche  erscheinen  zunächst  zwei  Gewächse  aus  der  Familie  der  M  i  s- 
teln:  die  allenthalben  verbreitete  gewöhnliche  Mistel  (Viscum  album)  und  die 
Eichenmistel  oder  Riemenblume  (Loranthus  europaeus),  welche  mehr  in  südlichen 
Ländern  zu  Hause  ist.  Erstere  durchsetzt  mit  ihren  Senkwurzeln  das  Holz  insbeson- 
dere von  Tannen,  Föhren,  Linden,  Schwarzpappeln,  Akazien  (nie  von  Eichen,  Bu- 
chen, Lärchen,  höchst  selten  Fichten)  und  macht,  wenn  sie  am  Stamm  auftritt,  das 
Holz  zu  Nutzholzzwecken  unbrauchbar;  letztere  erzeugt  namentlich  an  Eichen  oft 
kopfgroße  Wucherungen,  oberhalb  deren  der  Stamm  nicht  selten  abstirbt.  Mittel 
gegen  beide  Schmarotzer,  die  im  großen  anwendbar  wären,  gibt  es  nicht. 

Im  weitern  sind  es  Pilze,  welche,  in  das  Innere  der  Gewächse  oder  einzelner 
Teile  derselben  eindringend,  diese  mehr  oder  weniger  zerstören,  ihr  langsameres  oder 
rascheres  Absterben  bewirken.  Im  engen  Zusammenliang  mit  den  Pflanzenkrank- 
heiten stehend  und  vielfach  deren  Ursache  mögen  sie  mit  jenen  Besprechung  im 
IV.  Abschnitt  finden. 

III.  (Jefährdiingeii  durch  die  anorganische  Xatiir. 
1.  Gefährdungen  durch  niedere  oder  hohe  Temperatur  (Frost  und  Hitze). 

A.  Frost. 

§  86.  Je  nach  der  Zeit  des  Auftretens  unterscheiden  wir  den  zur  Zeit  völliger 
Vegetationsruhe  auftretenden  Winter  frost,  den  spät  im  Frühjahr  nach  bereits 
eingetretenem   Erwachen   der   Vegetation   sich   einstellenden   Frühjahr  s-   oder 


270  VII.  F  ürst,  Forstschutz. 

Spät  frost,  endlich  den  Herbst-  oder  Früh  frost,  welcher,  zeitig  im  Herbst  ein- 
tretend, die  noch  nicht  vollständig  abgeschlossene  Vegetation  beschädigt.  Eine  be- 
sondere Art  von  Frosterscheinung  ist  endlich  das  sog.  Auffrieren,  der  B  a  r- 
frost,  durch  welchen  lockerer,  wasserhaltiger  Boden  und  mit  ihm  die  in  dem- 
selben wurzelnden  schwächern  Pflanzen  gehoben  werden. 

§  87.  Der  Winterfrost  wird  unsern  Waldbäumen  nur  dann  schädlich, 
wenn  er  entweder  besonders  hohe  Grade  erreicht  oder  nur  schwach  verholzte  Pflanzen- 
teile trifft  —  andernfalls  geht  er  ohne  Beschädigung  vorüber.  Er  kann  physiologisch 
schädlich  werden,  das  Pflanzengewebe  tötend  oder  doch  schädigend,  und  mechanisch 
schädlich,  das  Gewebe  zerreißend,  ohne  weitere  nachteilige  Folgen  für  das  Leben  des 
Baumes  (Frostrisse). 

Durch  den  Winterfrost  leiden  namentlich  die  nicht  vollständig  verholzten 
Pflanzenteile,  und  wir  sehen  daher  einerseits  die  sog.  Johannitriebe  häufig  erfrieren, 
dann  aber  auch  die  Triebe  jener  Holzgewächse,  welche  dank  feuchtwarmer  Herbst- 
witterung, reichlicher  Lockerung  und  Düngung  des  Bodens  bis  spät  in  den  Herbst 
hinein  fortgewachsen  sind;  ebenso  z.  B.  auch  einjährige,  infolge  später  Saat  und 
trockenen  Frühjahrs  erst  spät  aufgekeimte  Eichenpflanzen.  Bei  hohen  Kältegraden, 
insbesondere  wenn  mit  anhaltender  starker  Kälte  des  Nachts  sonnige  Wintertage 
mit  verhältnismäßig  hoher  Temperatur  wechseln,  leiden  aber  auch  ältere  Stämmchen 
und  Pflanzen  an  Stamm  und  Wurzeln  Not,  die  Nadeln  unserer  Fichten  und  Tannen 
röten  sich;  so  starben  im  strengen  Winter  1879/80  zahlreiche  Eichenstangen  ab, 
Tannenpflanzen  wurden  getötet,  die  Sonnseiten  der  Nadelholzbestände  gerötet.  — 
Auch  plötzliche  Freistellung  von  Pflanzen,  die  bisher  sehr  geschützt  standen,  läßt 
bei  nur  etwas  stärkerer  Kälte  Beschädigungen  wahrnehmen,  und  ebenso  scheint  im 
Frühjahr  unmittelbar  vor  Laubausbruch  bei  manchen  Holzarten  —  so  Fichten  und 
Tannen  —  gesteigerte  Empfindlichkeit  gegen  Frost  zu  bestehen.  Schneeloser  Winter 
verhält  sich  ebenfalls  ungünstiger,  läßt  die  Jüngern  Wurzelteile  erfrieren,  während 
eine   Schneedecke  guten  Schutz  gewährt. 

Mittel  zum  Schutz  gegen  diese  Beschädigungen  stehen  uns,  wie  leicht  einzu- 
sehen, nur  im  geringsten  Maß  zu   Gebote. 

Als  mechanisch  schädliche  Folge  strengen  Winterfrostes  erscheinen  die  sog. 
Frostrisse  oder  E  i  s  k  1  ü  f  t  e.  Während  R.  Hartig  ^)  sie  dadurch  zu  erklären 
suchte,  daß  beim  Gefrieren  das  Wasser  aus  der  Holzwandung  austrete,  wodurch  bei 
stärkerem  Frost  Schwindrisse  entstehen,  ist  H.  Mayr  ^)  der  Ansicht,  daß  das  Auf- 
reißen der  Stämme  bei  sehr  niederen  Temperaturen  Folge  der  Zusammenziehung 
durch  Abkühlung  sei,  wobei  in  den  äußern  am  stärksten  sich  abkühlenden  Holz- 
schichten die  Zusammenziehung  am  größten  ist  und  schließlich  die  Trennung  durch 
einen  zur  Sehne  senkrechten  Riß  erfolgt.  Diese  Frostspalten,  welche  sich  beim  Auf- 
tauen wieder  schließen,  sucht  der  Baum  durch  gesteigerten  Zuwachs  an  den  Seiten 
des  Risses  (infolge  verminderten  Rindendruckes)  zu  überwallen;  hiedurch  entsteht 
eine  anfänglich  geringe,  bei  wiederholtem  Aufreißen  und  Ueberwallen  aber  sich  stei- 
gernde Erhöhung  längs  des  Stammes,  welche  als  Frostleiste  bezeichnet  wird. 
—  Der  Nachteil  durch  Frostrisse,  welche  man  insbesondere  an  Eichen,  Edelkastanien, 
Nußbäumen,  auch  Eschen  und  Ulmen  —  und  zwar  auf  deren  Nord-  und  Ostseiten  — 
wahrnimmt,  besteht  darin,  daß  solche  Stämme  zu  mancher  technischen  Verwendung 


1)  Lehrbuch  der  Baumkrankheiten.    .-Vusführlich  bespricht  die  verschiedenen  bez.  der  Ent- 
stehung der  Forslrisse  bestehenden  Ansichten  Nördlinger  (Forstschutz  S.  420  ff.). 

2)  S.  Gayers  Forstbenutzung,  10.  .\ufl.  S.  334. 


Gefährdungen  durch  Frosl.      §   89.  271 

unbrauchbar  werden;  aucli  beginnt  von  den  Frostrissen  aus  nicht  selten  Fäulnis  des 
Stammes.   —  Schutzmittel  stehen  uns  nicht  zur  Verfügung. 

§  88.  Viel  gefürchteter  als  der  Winterfrost  ist  der  Spät-  oder  Frühjahr  s- 
f  ro  s  t;  die  durch  diesen  verursachten  Beschädigungen  sind  um  so  größer,  je  später 
im  Frühjahr  er  sich  einstellt,  je  weiter  die  Vegetation  entwickelt  ist.  Er  tötet  die 
zarten  Bliittor  und  frischen  Triebe,  die  Keimlinge  und  die  Blüten  vieler  Holzarten 
völlig,  durch  die  Vernichtung  der  letzteren  die  Aussicht  auf  ein  Samenjahr  zerstö- 
rend; stärkere  Pflanzen  werden  zwar  nicht  getötet,  können  aber  infolge  wiederholter 
Frostbeschädigung  zuletzt  vollständig  verkrüppeln  (so  Fichten  in  sog.  Frostlöchern). 

Sehr  verschieden  ist  nun  das  Verhalten  der  einzelnen  Holzarten  dem  Spät- 
frost gegenüber,  und  manche  ertragen  eine  Temperatur  bis  zu  — 5,  ja  — 7  Grad, 
werden  daher,  da  solch'  bedeutende  Temperaturerniedrigimg  nach  schon  erwachter 
Vegetation  fast  nie  stattfindet,  als  frosthart  bezeichnet,  während  jene,  welche 
schon  bei  viel  geringeren  Frostgraden  erfrieren,  empfindliche  Holzarten  ge- 
nannt werden.  Zu  den  ersteren  gehören :  Hainbuche,  Birke,  Erle,  Ulme,  Aspe,  Weide, 
Vogelbeere,  dann  Föhre,  Schwarz-  und  Weymouthskiefer,  zu  den  letzteren  Esche, 
Edelkastanie,  Eiche,  Buche,  Akazie,  Tanne;  in  der  Mitte  dürften  etwa  Ahorn,  Linde, 
Fichte  und  Lärche  stehen. 

Verschiedene  Momente  erhöhen  die  Schädlichkeit  des  Spätfrostes,  die  Gefahr 
durch  diesen.  Die  meisten  Waldbäume  ertragen  einige  Grade  unter  0  bei  trockenem 
Frost,  Reif bil  düng  dagegen  und  längere  Dauer  des  Frostes  erhöht  dessen  schädliche 
^^'irkung;  bewegte  Luft  wirkt  günstig  —  wir  sehen  dort,  wo  der  Luftzug  fehlt,  in 
den  sog.  Frostlöchern,  die  Frostbeschädigung  fast  alljährlich  auftreten, 
ebenso  dort,  wo  durch  Wasser-  und  Wiesenflächen  die  Verdunstung  eine  besonders 
starke  ist;  Pflanzen  inmitten  dichten  Graswuchses  erfrieren  leichter  als  jene  auf  un- 
benarbtem Boden.  Die  Frostbeschädigung  macht  sich  vielfach  nur  bis  zu  einer  ge- 
wissen Höhe,  der  sog.  F  r  o  s  t  h  ö  h  e  bemerkbar,  oberhalb  deren  die  Pflanzen  un- 
beschädigt bleiben;  es  ist  dies  dadurch  bedingt,  daß  nach  oben  die  Luft  bewegter 
wird  und  die  kalten  Luftschichten,  weil  schwerer,  mehr  nahe  dem  Boden  bleiben. 
Aus  gleichem  Grunde  sehen  wir  Frostbeschädigungen  in  Tälern  und  Einsenkungen 
auftreten,  während  die  höheren  Lagen  unbeschädigt  bleiben. 

Süd- und  Südwestgehänge  sind  infolge  der  dort  früher  erwachenden  Vegetation 
gefährdeter,  als  Nordwest-  und  Nordgehänge;  Ostgehänge  leiden  durch  die  kalten, 
frostbringenden  Ostwinde,  ebenso  aber  auch  durch  die  sofortige  Erwärmung  durch 
die  Sonne  nach  einer  hellen  Frostnacht,  da  rasches  Auftauen  der  gefrorenen  Pflanzen- 
teile stets  besonders  nachteilig  wirkt. 

Die  empfindliche  Eiche  und  Akazie  entgehen  nicht  selten  durch  ihr  spätes 
Ergrünen  dem  Spätfrost,  ebenso  der  Gipfeltrieb  der  Tanne,  der  sich  später  ent- 
wickelt, als  die  Seitentriebe ;  die  Lärche  ist  am  empfindlichsten  im  Moment  der 
allerdings  sehr  früh  eintretenden  Knospenentfaltung,  später  weniger.  —  Die  durch 
Spätfröste  entlaubten  Laubhölzer  begrünen  sich  innerhalb  einiger  Wochen  mit  Hilfe 
von  Adventivknospen  zwar  wieder,  jedoch  nur  spärlich  ;  auch  die  Lärche  treibt  wieder 
nach,  dagegen  ersetzen  die  wintergrünen  Nadelhölzer  die  erfrorenen  Triebe  im  selben 
Jahr  nicht  wieder. 

§  89.  Die  Mittel,  durch  welche  wir  im  größern  Forstbetrieb  den  Wirkungen 
des  Spätfrostes  einigermaßen  vorbeugen  können,  liegen  vorwiegend  auf  dem 
Gebiet  des  Waldbaues.  Gestützt  auf  die  Wahrnehmung,  daß  unter  dem  Schirme 
stärkerer  Bäume  infolge  der  gehemmten  Wärmeausstrahlung  Spätfrosterscheinungen 
nicht  oder  doch  nur  in  abgeschwächtem  Maße  auftreten,  erziehen  wir  unsere  empfind- 


272  ^^^-  Fürst,  Forstschutz. 

licheren  Holzarten  unter  einem  Mutter-  oder  Schutz-  Bestand,  lialten 
diesen  dunkel,  hauen  langsam  und  allmählich  nach,  jeden  plötzlichen  Uebergang 
zur  Freistellung  tunlichst  meidend.  —  Fehlt  einer  aufzuforstenden  Fläche  der  Schutz- 
bestand, so  erziehen  wir,  wenn  die  Aufforstungen  mit  gegen  Frost  empfindlicheren 
Holzarten  zu  erfolgen  hat,  uns  nicht  selten  einen  solchen  durch  vorausgehende  Be- 
pflanzung  der  Fläche  mit  raschwüchsigen  und  frostharten  Holzarten  —  Föhre,  Erle, 
Birke  —  die  nach  genügender  Erstarkung  der  zwischen  den  Pflanzenreihen  eingebrach- 
ten empfindlicheren  Holzart  (Fichte)  allmählich  und  vorsichtig  wieder  entfernt  wer- 
den. Hochstengliche  Forstunkräuter,  wie  Besenpfriemen,  Wachholder,  Sträucher  ver- 
schiedener Art  bilden  bisweilen  einen  natürlichen  und  gut  zu  benützenden  Schutz- 
bestand. —  In  Ermangelung  des  letztern  wählen  wir  bei  empfindlicheren  Holzarten 
zur  Aufforstung  stets  stärkere  Pflanzen,  die  vom  Frost  nur  beschädigt,  nicht  aber 
getötet  werden,  der  Gefahr  auch  rascher  entwachsen;  Wildlinge,  die  bisher  etwa 
unter  stärkerer  Beschattung  standen  (Buclien,  Tannen,  Fichten),  sind,  weil  gegen 
Frost  und  Hitze  gleich  empfindlich,  zu  solchen  Kulturen  ins  Freie  verwerflich. 

Von  besonderer  Bedeutung  ist  der  Schutz  unserer  Saatkämpe  und  Forstgärten, 
und  stehen  uns  für  diese  neben  den  Vorbeugungs-  auch  direkte  Schutzmittel  zu  Gebot. 

Zu  ersteren  gehört  die  zweckmäßige  Auswahl  der  Oertlichkeit:  das  \'ermeiden 
von  Frostlagen,  das  Vorhandensein  von  Seitenschutz  durch  umliegende  Bestände; 
ferner  die  Aussaat  empfindlicher  Holzarten  (Eichen,  Buchen)  im  Frühjahr  statt  im 
Herbst,  da  hiedurch  die  Keimung  wesentlich  verzögert  wird.  Als  direktes  Schutz- 
mittel ist  das  Bestecken  der  Pflanzenbeete  mit  Reisig,  das  Decken  mit  Schutz- 
gittern zu  betrachten,  ja  man  ist  da  und  dort  so  weit  gegangen,  dem  ganzen  Saatbeet 
eine  Hochdeckung  zu  geben.  Das  Ueberhalten  einer  Schutzbestockung  auf  einer 
Saatbeetfläche  führt  so  viele  Nachteile  mit  sich,  daß  es  nur  ausnahmsweise  anwend- 
bar ist.  P?J  ' 

§  90.  Viel  weniger  Gefahr  als  die  Spätfröste  bringen  die  zeitig  im  Herbst  ein- 
tretenden Früh-  oder  Herbstfröste  mit  sich ;  abgesehen  davon,  daß  sie  über- 
haupt seltener  eintreten,  werden  durch  sie  nur  die  noch  unverholzten  Pflanzenteile 
betroffen,  der  Schaden  ist  liiedurch  ein  geringerer.  Später  Hieb  in  Ausschlagwal- 
dungen (Schälwald),  warmer  und  feuchter  Herbst,  der  die  Vegetation  lange  nicht 
abschließen  läßt,  steigern  die  Gefahr;  namentlich  die  Eiche  mit  ihren  sog.  Johanni- 
trieben  erscheint  bedroht. 

§  91.  Eine  in  Forstgärten  und  Saatkulturen  gefürchtete  Erscheinung  ist  jene 
des  Auffrierens  des  Bodens,  des  Ausfrierens  der  Pflanzen:  die  Erscheinung  des  sog. 
Barfrostes.  Der  lockere,  feuchte,  einer  festigenden  Bodendecke  bare  Boden 
wird  durch  das  Gefrieren  des  Wassers  gehoben,  mit  ihm  die  Pflanzen,  und  bei  dem 
mit  eintretendem  Auftauen  stattfindenden  Zurücksinken  des  Bodens  bleiben  diese 
letztern  obenauf  liegen  und  gehen  dann  durch  Vertrocknen  meist  zugrunde.  Lockerer, 
feuchter  Boden  und  wechselndes  Frost-  und  Tauwetter,  wie  wir  solches  insbesondere 
an  hellen  Tagen  im  Februar  und  März  wahrnehmen,  sind  sonach  Bedingungen  dieser 
Erscheinung. 

Durch  den  Barfrost  leiden  erklärlicherweise  vorwiegend  flachwurzelnde  Holz- 
arten, die  Fichte,  die  Tanne  mit  ihrer  langsamen  Entwicklung,  während  die 
tiefwurzelnde  Eiche,  Föhre,  Edelkastanie  wohl  nur  ausnahmsweise  beschädigt  werden. 

Wir  beugen  der  Gefahr  des  Ausfrierens  vor  durch  Entwässerung  feuchter  Orte, 
Anwendung  der  Pflanzung  anstelle  der  Saat,  der  Ballenpflanzung  an  Stelle  der  Pflan- 
zung mit  nacktwurzeligen  Pflanzen  in  gefährdeten  Oertlichkeiten.  Im  Saatbeet 
unterlassen  wir  ein  Lockern  und  Ausgrasen  der  Beete  im  Herbst,    decken  die 


Gefährdungen  durch  Hitze.     §  93.  273 

Zwischenräume  zwischen  den  Pflanzen  mit  Laub  oder  Moos,  häufeln  die  Pflanzen 
an;  drücken  nach  eingetretener  Beschädigung  die  gehobenen  Pflanzen  wieder  an  oder 
übersieben  die  bloßgelegten  Wurzeln  mit  klarer  Erde. 

B.  Hitze. 

§  92.  Die  Hitze  —  hohe,  durch  die  Einwirkung  der  Sonne  hervorgerufene 
Wämie  ■ —  wird  direkt  nur  durch  den  sog.  Rindenbrand,  indirekt  aber  durch  das 
Austrocknen  des  Bodens  bei  gleichzeitig  gesteigerter  Verdunstung  der  Blätter  nach- 
teilig, so  daß  die  Pflanze  ihren  Wasserbedarf  aus  dem  Boden  nicht  mehr  zu  decken 
vermag.    Trockene  Ostwinde  steigern  diese  nachteilige  Wirkung. 

Sie  macht  sich  geltend  in  dem  Kümmern  und  endlichen  Absterben  von  Keim- 
lingen und  schwächern,  ja  selbst  stärkern  Pflanzen,  im  Vertrocknen  keimender  Sa- 
men, im  Welkwerden  von  Blättern  und  Blüten  vieler  Gewächse,  dem  Taubwerden 
und  Abfallen  bereits  angesetzter  Früchte.  Selbst  an  älteren  Bäumen  kann  man  ein 
frühzeitiges  Welkwerden  und  Vergelben  der  Blätter  wahrnehmen,  und  heißen  Som- 
mern pflegt  stets  ein  verhältnismäßig  starker  Anfall  an  Dürrholz  zu  folgen  ''-). 

Begünstigung  der  Vermehrung  schädlicher  Insekten,  welchen  trockenes  Wetter 
stets  günstiger  als  naßkaltes  ist  und  durch  die  kränkelnden  Stämme  vermehrte  Brut- 
stätten geboten  sind,  dann  erhöhte  Gefahr  durch  Waldbrände  erscheinen  als  sekun- 
däre Folgen  der  Trockenhitze. 

Die  nachteiligen  Wirkungen  der  Hitze  und  bezw.  des  durch  sie  hervorgerufenen 
Austrocknens  des  Bodens  machen  sich  nun  erklärlicherweise  ganz  besonders  geltend : 
auf  an  sich  trockenerem  oder  flachgründigem  Boden  (Sand,  Kalk),  an  den  heißen 
Süd-  und  Westgehängen,  bei  seicht  wurzelnden  Holzarten  (Fichte,  Tanne)  bei 
Saatkulturen  und  jungen  Pflanzungen,  namentlich  bei  erst  frisch  versetzten  und  noch 
nicht  genügend  angewurzelten  Pflanzen.  Aus  letzterem  Grund  ist  auch  Trockenhitze 
und  austrocknender  Ostwind  zur  Kulturzeit  und  unmittelbar  nachher  besonders 
verderblich. 

Auch  die  Wirkung  des  Reflexes  macht  sich  in  der  Nähe  einzeln  stehender  Bäume 
oder  ganzer  Schlagwände  oft  in  unangenehmer  Weise  geltend;  wir  sehen  dort  den 
Schnee  zuerst  schmelzen,  den  Boden  früher  ergrünen,  aber  auch  im  heißen  Sommer 
die  Vegetation  am  ersten  kümmern  und  selbst  absterben. 

§  93.  Wie  bei  dem  Frost,  so  liegen  auch  bez.  der  Hitze  die  Mittel  der  Vor- 
beugung auf  waldbaulichem  Gebiet:  Verjüngung  unter  Mutter-  oder  Schutzbe- 
stand, Erhaltung  des  Seitenschutzes  gegen  Süd  und  West  dort,  wo  man  Kahlhiebe 
führen  muß,  und  nur  geringe  Breite  dieser  Kahlhiebe;  Erhaltung  eines  Waldmantels 
zum  Schutz  gegen  austrocknende  Winde  und  ev.  selbst  Erziehung  eines  solchen; 
richtige  Wahl  der  Holzart,  sowie  der  Pflanzung  an  Stelle  der  stets  gefährdeteren  Saat, 
Verwendung  stärkerer  und  reichbewurzelter  Pflanzen  an  Stelle  schwacher,  unver- 
schulter  Pflänzlinge;  tiefe  Bodenlockerung  und  vertiefte  Saatstreifen  dann,  wenn 
irgend  welche  Gründe  gleichwohl  zur  Saat  nötigen  —  das  sind  etwa  die  wichtigsten 
^'orbeugungsmitteI  im  Wald. 

Im  Forstgarten  stehen  uns  solche  Mittel  zu  Gebote  zunächst  wieder  in  der  rich- 
tigen Auswahl  des  Platzes,  seitlich  gegen  Süd  und  West  geschützter  Oertlichkeiten; 
in  dem  Decken  der  frisch  angesäten  Beete  mit  Reisig,  Moos,  Schutzgittern,  dem  Schutz 
der  Keimlinge  und  schwachen  Pflanzen  durch  aufgesteckte  Aeste  und  übergelegte 


1)  Der  abnorm  heiße  und  trocl\ene  Sommer  1911  hat  bekanntlieh  ganz  außerordentliche  \'er- 
heerungcn  in  den  Waldungen  angerichtet;  schon  geschlossene  Fichten-  und  Föhrenkulturen, 
ja  selbst  die  Ränder  von  Fichtenstangenhölzern,  vereinzelt  auch  ältere  Stämme  starben  ab. 

Handb.  d.  Forstwisa.    3.  Aufl.    II.  18 


274  ^^I-  Fürst,  Forstschutz. 

Gitter;  in  dem  häufigen  Lockern,  Ausgrasen,  Anhäufeln  der  Beete  und  resp.  Pflanzen. 
Auch  zur  Gieskanne  greifen  wir  wohl  im  Notfall ;  wo  die  Bewässerung  der  Saatbeete 
ohne  allzugroße  Kosten  möglich  ist,  wird  sie  sich  stets  vorteilhaft  erweisen. 

§  94.  Als  eine  Folge  direkter  Einwirkung  der  Sonne  erscheint  der  sog.  R  i  n- 
denbrand,  bei  welchem  an  den  der  Sonne  in  hohem  Grade  ausgesetzten  Süd- 
und  Südwestseiten  der  Stämme  deren  Rinde  streifenweise  trocken  wird,  aufreißt 
und  schließlich  abfällt;  das  bloßgelegte  Holz  stirbt  ab  und  verfällt  der  sich  mehr  und 
mehr  ins  Stamminnere  ziehenden  Fäulnis.  Es  ist  diese  Erscheinung  zu  erklären  als 
Folge  der  außerordentlich  hohen  Temperatur,  welche  bei  direkter  Bestrahlung  durch 
die  Sonne  im  Hochsommer  zwischen  Holz  und  Rinde  entstehen  kann,  eine  Tempe- 
ratur, die  zur  Tötung  des  Cambiums  ausreicht. 

Nur  unter  bestimmten  Verhältnissen  seiien  wir  diese  Erscheinung  auftreten 
bei  glattrindigen  Holzarten,  obenan  der  Buche,  dann  Hainbuche,  Esche, 
Ahorn,  auch  jüngeren  Fichten  und  Eichen,  wenn  sie,  im  Schluß  bezw.  Seiten- 
schutz erwachsen,  plötzlich  gegen  Süd  oder  Südwest  bloßgestellt  werden,  wie  dies 
etwa  bei  neuen  Weg-  und  Eisenbahnanlagen,  durch  starke  Aufastungen  am  Feldrand 
oder  durch  Abnützung  eines  gegen  die  Sonnseite  vorliegenden  Bestandes  der  Fall 
ist.  Namentlich  zeigen  auch  übergehaltene  Buchen  diese  Erscheinung,  die  dann 
nahe  dem  Boden  zu  beginnen  pflegt,  und  fordern  in  diesem  Fall  zu  rascher  Nutzung  auf. 

Im  übrigen  sucht  man  die  Veranlassung  zum  Rindenbrand,  die  plötzliche  und 
unvermittelte  Freistellung  von  Bestandsrändern,  bei  empfindlichen  Holzarten  mög- 
lichst zu  vermeiden;  ist  dies  niclit  möglich  und  zeigen  sich  die  Randstämme  schad- 
haft, so  wird  man  diese  gleichwohl  erhalten,  um  die  hinter  ihnen  stehenden  Stämme 
vor  gleicher  Beschädigung  zu  schützen.  Selbst  die  Heister  empfindlicher  Holzarten, 
aus  der  Pflanzschule  ins  Freie  gesetzt,  zeigen  Spuren  des  Rindenbrands,  und  wird 
die  Erhaltung  einer  rauhen  Beastung,  wenn  diese  fehlt  das  Umwinden  mit  Reisig, 
als  Schutzmittel  zu  betrachten  sein.  Auch  bei  älteren,  plötzlich  freigestellten  Stäm- 
men hat  man  solche  schützende  Mäntel  von  Reisig  und  Moos  erfolgreich  verwendet. 

2.  Gefährdungen  durch  atmosphäpisehe  Niederschläge. 
A.    Fließendes    und   stagnierendes   Wasser. 

§  95.  So  wohltätig  im  allgemeinen  die  Wirkungen  des  Regens  für  die  Vege- 
tation sind,  so  unentbehrlich  er  im  heißen  Sommer  ist,  so  nachteilig  können  doch 
auch  heftige  Regengüsse  und  die  hiedurch  gesteigerten  Mengen  fließenden 
Wassers  unsern  Waldungen  werden. 

Durch  starken  und  anhaltenden  Regen,  Platzregen,  Wolkenbrüche  wird  die 
bloßliegende  Erdkrume  an  steilen,  abgeholzten  Gehängen,  in  Saatbeeten  und  auf 
Kulturflächen  mit  gelockertem  Boden  abgeschwenmit  und  weggefülirt,  mit  ihr  viel- 
fach die  Samen  und  selbst  schwächere  Pflanzen;  Wege,  Böschungen,  Gräben  werden 
häufig  zerrissen  und  beschädigt.  Dieser  durch  die  Gewalt  des  abfließenden  Wassers 
verursachte  Schaden  steigert  sich  im  Gebirg,  woselbst  infolge  der  Terraingestaltung 
oft  sehr  bedeutende  Wassermassen  in  kürzester  Zeit  zusammenströmen,  nicht  selten 
zu  großartigen  Kalamitäten,  zu  Uferabbrüchen,  Ab-  und  Ueberschwemmungen  und 
zu  Zerstörungen,  die  weit  über  den  Wald  hinausreichen  ^). 


1)  In  großartigem  Maßstab  haben  solche  Zerstörungen  in  Südfrankreich  im  Juragebiet 
stattgefunden,  in  gleicliem  Maßstab  aber  ist  man  dortselbst  auch  mit  Mitteln  der  Abhilfe  vorge- 
gangen. Vergl.  hierüber  das  Werk  von  D  e  m  o  n  t  z  e  y  ,  Studien  über  die  Wiederbewaldung 
der  Gebirge,  übersetzt  von  Seckendorff  1880. 


Fließendes  und  stagnierendes  Wasser.     §  96.  275 

Sorgfältige  Erhaltung  des  Waldes,  seiner  scliützenden  Bestückung  und  Boden- 
decke, M'o  solche  noch  vorhanden,  ev.  Wiederbewaldung  der  kahlen  Flächen;  Ver- 
meidung jeden  größern  Kahlhiebes  an  steilen  Geliängen,  der  Stockrodung  und  Streu- 
nutzung sind  hier  vorbeugende  Mittel,  um  so  wichtiger,  je  gefährdeter  die  Oertlich- 
keit.  Im  eigentlichen  Gebirg,  zumal  wenn  dieses  schon  durch  Entwaldung  gelitten, 
gesellen  sich  hiezu  Schutzbauten  verschiedenster  Art,  Uferbefestigungen,  Talsperren 
von  oft  so  großartiger  Konstruktion,  daß  die  Mitwirkung  des  Bautechnikers  geboten 
erscheint. 

An  minder  steilen  und  ausgedehnten  Gehängen  haben  neuerdings  die  sog.  Hori- 
zontalgräben ziemliche  Verbreitung  gefunden,  Stückgräben  von  etwa  30  cm 
Tiefe  und  3 — 5  m  Länge,  welche  in  Entfernungen  von  5 — 10  m  —  je  steiler,  desto 
enger  —  horizontal  am  Berg  hinlaufend  in  der  Weise  hergestellt  werden,  daß  immer 
der  Unterbrechung  an  einer  Stelle  ein  Stückgraben  der  nächsten  Horizontalen  ent- 
spricht. Sic  fangen  das  Regenwasser  auf,  geben  ihm  Zeit,  in  den  Boden  einzusinken, 
brechen  beim  Ueberfließen  dessen  Gewalt  und  erweisen  sich  hiedurch  sehr  nützlich. 
An  trockenen  Gehängen  werden  sie  aber  aus  naheliegendem  Grunde  auch  der  Be- 
stockung  wohltätig,  beleben  diese  und  haben  deshalb  in  solchen  Oertlichkeiten  den 
Namen  ,,Regenerations- Gräben"  erhalten  ^). 

Saatstreifen  an  Gehängen  legt  man  stets  horizontal;  Forstgärten  und  Saat- 
kämpe, wenn  deren  Anlage  an  stärker  geneigten  Gehängen  nicht  zu  vermeiden  ist, 
terrassiert  man  zum  Schutz  gegen  das  Abschwemmen,  und  Verschwemmen  des  Sa- 
mens angesäter  Beete  sucht  man  durch  Deckung  mit  Reisig  oder  mit  Schutzgittern 
zu  verhindern. 

§  96.  Aber  auch  stagnierendes  Wasser  kann  im  Wald  sehr  lästig 
und  nachteilig  werden;  wir  sehen  dort,  wo  der  Boden  ein  Uebermaß  an  Wasser  ent- 
hält, die  Pflanzen  unserer  meisten  Holzarten  kümmern,  ja  bei  längerem  Unterwasser- 
stehen sowohl  jüngere  Bestände  wie  selbst  ältere  Bäume  auf  ganzen  Flächen  abständig 
werden^).  Auf  feuchtem  Boden  tritt  an  älteren  Stämmen  (so  besonders  der  Fichte) 
liäufig  die  Erscheinung  der  Stock-  und  Rotfäule  auf,  ältere  Bestände  in  dem  durch- 
weichten Boden  werden  durch  Windwurf  heimgesucht.  Die  Frage  nach  Abhilfe  tritt 
an  den  Forstwirt  heran,  und  Entfernung  der  überschüssigen  Feuchtigkeit  wird  diese 
Hilfe  bieten. 

In  erster  Linie  werden  wir  die  Ursache  jenes  Ueberschusses  an  Feuchtigkeit  zu 
erforschen  haben.  Undurchlassender  Untergrund,  eine  Lettschichte  in  geringer  Tiefe, 
Quellen,  welche  keinen  genügenden  Ablauf  haben,  Grundwasser,  welches  von  einer 
nahe  gelegenen  Wasserfläche  herdrängt,  in  Verbindung  mit  reichen  atmosphärischen 
Niederschlägen  werden  sich  als  Gründe  ergeben;  auch  Ueberschwemmungen  bei 
mangelndem  Wiederabfluß  können  die  Veranlassung  stagnierender  Nässe  oder  völliger 
A'ersumpfung  sein. 

Quellen  sucht  man  zu  fassen  und  das  Wasser  durch  Gräben  abzuleiten, 
imd  ebenso  wird  man  bei  un  durch  lassendem  Untergrund  sich  mit- 
telst Entwässerungsgräben  zu  helfen  suchen,  wobei  allerdings  ein  entsprechendes 
Gefäll  nach  einem  natürlichen  Wasserlauf  oder  Wasserbecken  hin  Bedingung  ist. 
Das  Versenken  des  Wassers,  indem  man  die  undurchlassende  Schichte  an  der  tiefsten 
Stelle  zu  durchbrechen  sucht  und  den  Schacht  mit  Steinen  —  zum  Schutz  gegen 


1)  Vergl.  den  Aufsatz  von  Haag,  F.  Z.-Bl.  1881.  S.  208 

2)  Vergl.  E  ß  1  i  n  g  e  r  s  Mitteilung  im  Forstw.  Z.-Bl.  1911.  S.  394,  nach  welcher  infolge  der 
dauernden  Ucbcrschwemmung  in  den  Rheinwaldungen  der  Pfalz  31  ha  Laubholz,  17  ha  Kiefern- 
kultur   und    etwa    40  000    Laubholzheistcr   eingingen. 

18* 


276  ^  "•  Fürst,  Forstschutz. 

rasches  Wiederverschlämmen  —  ausfüllt,  wird  nur  ausnahmsweise  Anwendung  finden 
können. 

Gegen  seitlich  durchdrückendes  Grundwasser  gibt  es  kein  Mittel  der  Abhilfe, 
und  auch  die  Vorsorge  gegen  Ueberschwemmungen  geht  meist  über  den  Wirkungs- 
kreis und  die  Mittel  des  Forstmannes  hinaus. 

Bei  der  Vornahme  einer  Entwässerungsarbeit  wird  nun  in  erster  Linie  zu  be- 
achten sein,  daß  nur  das  Uebermaß  des  Wassers  entfernt  werden  soll,  daß  jede 
zu  weit  getriebene  Entwässemng  für  den  Wald  und  namentlich  auch  für  die  Um- 
gebung der  entwässerten  Oertlichkeiten  geradezu  nachteilig  werden  kann.  Man  hat 
erkannt,  daß  es  ein  Fehler  sei,  Hochmoore  zum  Zweck  von  Kulturen  zweifelhaften 
Wertes  zu  entwässern  und  dadurch  dem  Wald  das  im  Sommer  so  wichtige  Wasser 
jener  Moore  zu  entziehen,  oder  kleinere  nasse  Stellen  im  Wald  zum  Nachteil  der 
ringsum  gelegenen  Bestände  zu  entwässern.  Ja  man  ist  an  manchen  Orten  dahin 
gekommen,  daß  man  die  in  zu  großer  Zahl  angelegten  Entwässerungsgräben  wieder 
zugeworfen  hat  ^).  Das  durch  Entwässerung  einer  höher  gelegenen  Fläche  dem  Wald 
entzogene  Wasser  sucht  man  wo  möglich  durch  Einleiten  und  Verteilung  in  trockene 
Gehänge  dem  Wald  zu  erhalten  und  nutzbar  zu  machen  -),  ebenso  das  Wasser  der 
Wegegräben. 

Stets  soll  die  Entwässerung  einer  unbestockten  Fläche  ihrer  Aufforstung  einige 
Zeit  vorausgehen,  damit  der  Boden  sich  genügend  setzen  kann;  eine  Entwässerung 
schon  bestockter  Flächen  muß  mit  großer  Vorsicht  geschehen,  wird  meist  besser 
unterlassen. 

Größeren  Entwässerungsarbeiten  hat  stets  ein  entsprechendes  Nivelle- 
ment und  der  Entwurf  eines  Grabennetzes  vorauszugehen,  kleinere  können  vielfach 
nach  dem  Augenmaß  ausgeführt  werden.  Die  Herstellung  der  Gräben,  welche  meist 
offene,  seltener  gedeckte  (Reiserdrains  oder  Steindrains)  sind,  erfolgt  zur  trockensten 
Jahreszeit,  im  Spätsommer  oder  Herbst,  und  beginnt  an  der  tiefsten  Stelle ;  die  Tiefe 
und  Weite  des  Hauptgrabens  wie  der  Seiten-  und  Schlitzgräben  richtet  sich  nach  der 
abzuführenden  Wassermasse  und  den  Bodenverhältnissen,  durch  welch  letztere  na- 
mentlich auch  die  steilere  oder  flachere  Böschung  der  Grabenwände  bedingt  ist. 
Die  ausgehobene  Erde  läßt  man  nicht  am  Grabenrande  aufhäufen,  sondern  wirft  sie, 
um  das  Zurückschwemmen  in  den  Graben  bei  Regen  zu  verhindern,  entsprechend 
auseinander. 

So  lange  als  nötig  müssen  die  Gräben  entsprechend  unterhalten  werden;  viel- 
fach läßt  sich  aber  wahrnehmen,  daß  eine  nasse  Fläche  dann,  wenn  der  auf  ihr  be- 
gründete Bestand  in  Schluß  tritt,  durch  den  starken  Wassei-verbrauch  des  letztern 
an  sich  trocken  wird,  und  eine  fernere  Erhaltung  der  Gräben  wird  dann  unnötig, 
möglicherweise  selbst  nachteilig  sein. 

B.    Schnee. 

§  97.  Gerne  sieht  der  Forstmann  während  der  Wintermonate  eine  mäßige 
Schneedecke  im  Wald:  sie  ist  ihm  ein  Schutz  für  die  jungen  Pflanzen  bei  höhern 
Frostgraden,  bei  den  Fällungen  in  Nachhieben,  erleichtert  die  Holzausbringung  und 
Abfuhr  in  hohem  Grad  und  speist  endlich,  langsam  schmelzend,  den  Boden  mit  Feuch- 
tigkeit für  die  kommende  trockene  Jahreszeit. 

Fein  und  trocken  fallender  Schnee  bringt  nun  dem  Wald  keine  Gefahr;  anders, 
wenn  er  naß  und  großflockig  fallend  sich  an  die  Nadeln  und  Zweige  oder,  sehr  zeitig 

1)  Vergl.   R  e  u  ß  ,   Die  Entwässerung  der   Gebirgswaldungen  1874. 

2)  Vergl.  Kaiser,  Beiträge  zur  Pflege  der  Bodenwirtschatt  1883. 


Schncp.      §   99.  277 

im  Herbst  erscheinend,  an  die  noch  an  den  Lavibbäumen  befindlichen  grünen  oder 
dürren  Blätter  in  Massen  anhängt:  Aeste  und  Gipfel,  Stangen  und  Stämme  ver- 
mögen der  übermäßigen  Belastung  nicht  zu  widerstehen  und  brechen  ab  —  Schnee- 
bruch — ,  Junghölzer,  Dickungen  werden  durch  diese  Belastung  zu  Boden  gedrückt, 
ohne  zu  brechen,  verlieren  jedoch  durch  längeres  Niederliegen  die  Fähigkeit,  sich 
wieder  aufzurichten   ^  S  c  h  n  e  e  d  r  u  c  k. 

Außerordentlich  groß  sind  die  Beschädigungen,  die  unsem  Waldungen  in  solcher 
Weise  zugehen  können  und  schon  zugegangen  sind:  ältere  Bestände  werden  durch 
Ast-  und  Gipfelbruch  so  durchlöchert,  daß  deren  vorzeitiger  Abtrieb  erfolgen  muß, 
jüngere  Bestände  werden  auf  kleineren  oder  größeren  Flächen  durch  Bruch  und 
Druck  so  vollständig  zerstört,  daß  Abräumung  imd  Wiederaufforstung  nötig  wird. 
Große  Zuwachsverluste,  bedeutende  Kulturkosten,  Störungen  des  Betriebsplanes 
sind  die  nächsten  Folgen;  mit  Mühe  nur  und  zu  gedrückten  Preisen  gelingt  es,  das 
in  großen  Massen  angefallene  und  vielfach  geringwertige  Material,  das  Ast-  und 
Gipfelholz,  das  geringe  Gestänge  zu  verwerten,  das  Stockholz  muß  ungerodet  im 
Walde  verbleiben  —  und  neue  Kalamitäten  sind  die  Folge  hievon,  wie  von  verzögerter 
Aufarbeitung  und  langsamem  Absatz:  Rüsselkäfer  und  Wurzelbrüter  aller  Art  er- 
scheinen, die  Borkenkäfer  mehren  sich  durch  das  reichlich  dargebotene  Brutmaterial, 
und  abermalige  Waldbeschädigungen  und  finanzielle  Verluste  sind  die  weitere  Folge. 

§  98.  Nicht  überall  und  namentlich  nicht  überall  im  gleichen  Maß  sehen  wir 
diese  Beschädigungen  durch  Schnee  auftreten.  Wenn  auch  keine  Standörtlichkeit 
völlig  verschont  bleibt,  so  sind  doch  Vorberge  und  Mittelgebirge  die  eigentlichen 
Schneebruchlagen,  Avährend  die  Ebene  durch  geringern,  das  Hochgebirge  durch 
trockeneren  Schneefall  in  minderem  Maß  leiden. 

Was  die  Holzarten  anbelangt,  so  ist  es  erklärlich,  daß  die  wintergrünen 
Nadelhölzer  in  viel  höherem  Grad  zu  leiden  haben,  als  die  Laubhölzer,  und 
letztere  werden  durch  Schnee  nur  dann  beschädigt,  wenn  zeitig  eintretender  Schnee- 
fall noch  viel  dürres  Laub  als  entsprechende  Stützfläche  an  ihnen  vorfindet,  wie  dies 
insbesondere  an  Eichen-  und  Buchengertenhölzern  der  Fall.  Die  brüchige  Föhre 
hat  mehr  durch  Schneebruch,  die  zähe  F  i  c  h  t  e  in  der  Jugend  sehr  durch  Schnee- 
dnick  zu  leiden.  Doch  werden  auch  ältere  Fichtenbestände  durch  Absprengen  der 
Gipfel,  sowie  der  Stämme  und  Stangen  häufig  schwer  heimgesucht,  zumal  wenn  etwa 
erstere  mit  Zapfen  reich  beladen,  letztere  durch  alte  Harzlachen  oder  Schälrisse 
des  \\'ildes  von  früheren  Zeiten  her  beschädigt  sind.  Von  den  Laubhölzern  sehen 
wir  die  brüchige  Akazie  und  Erle  bisweilen  durch  Schneebruch  geschädigt, 
während  die  frisch  übergehaltenen  Eichenlaßr  eiser  des  Mittelwaldes  nicht 
selten  durch  auflagernden  Schnee  zur  Erde  gebeugt  und  bei  längerer  Belastung  für 
ihren  Zweck  untauglich  gemacht  werden. 

Auch  die  Beschaffenheit  der  Bestände  ist  nicht  ohne  Einfluß:  aus  Laub-  und 
Nadelholz  gemischte  Bestände  leiden  in  geringerem  Maß,  als  reine  Nadel- 
hölzer, und  dicht  geschlossene,  durch  Saat  oder  natürliche  Verjüngung 
entstandene  Fichtenjunghölzer  sind  dem  Schneedruck  in  viel  höherem  Grad  ausge- 
setzt, als  rechtzeitig  durchforstete  oder  durch  weitständigere  Pflanzung  entstandene 
derartige  Bestände. 

§  99.  Die  Mittel,  die  dem  Forstmann  gegenüber  den  geschilderten  Gefährdungen 
zur  ^'erfügung  stehen,  sind  mehr  Mittel  der  Vorbeugung  als  direkter  Abwehr, 
liegen  auf  dem  Gebiete  des  Waldbaues  und  der  Bestandspflege  und  können  den  Scha- 
den nur  mindern,  nicht  völlig  verhindern. 

Als  solche  Mittel  erscheinen  nun  die  Wahl  der  richtigen  Holzarten,    eine 


278  VII-  Fürst,  Forstschutz. 

zweckentsprechende  Bestandesbegründung  und  Bestandespflege. 
Man  wird  die  brüchige  Föhre  nicht  in  höheren,  durch  Schneebruch  erfahrungsgemäß 
heimgesuchten  Oertlichkeiten  anbauen,  wird  eine  entsprechende  Bestandesmischung 
anstreben,  zur  Bestandfsbegründung  an  Stelle  der  Saat  oder  engeren  Pflanzung 
die  Pflanzung  mit  kräftigen,  stufigen  Einzelpflanzen  in  weiterem  Verband  wählen, 
wird  vor  allem  mit  Durchforstungen  frühzeitig  beginnen,  sie  rechtzeitig 
wiederholen  und  hiedurch  die  Stangen  zu  stufigerem  Wuchs  bringen,  dem  Schnee 
das  Durchfallen  erleichtern.  Besondere  Vorsicht  bez.  der  Durchforstungen  ist  in 
jenen  Beständen  nötig,  die  lange  in  sehr  dichtem  Schluß  standen,  und  dürfen  hier 
die  ersten  Durchforstungen  nur  sehr  mäßig  geführt  werden. 

Eine  direkte  Abwehr  durch  Abschütteln  des  Schnees  ist  nur  in  Park- 
anlagen, kleinen,  besonders  wertvollen  Junghölzern  und  etwa  bei  den  niedergebogenen 
Laßreisern  des  Mittelwaldes  möglich;  hier  könnte  allerdings  ein  einziger  Mann  bis- 
weilen Hunderte  von  Stangen  an  einem  Tag  retten. 

Eine  Minderung  des  durch  Schneedruck  angerichteten  Schadens  in  Laub- 
hoIz-.Junghölzern  kann  in  manchen  Fällen  durch  Aufrichten  niedergebogener  Horste 
und  selbst  Aufbinden  der  dominierenden  Stangen  mit  Hilfe  des  Nebenbestandes  ^) 
erfolgen;  auch  Köpfen  der  niedergebogenen  Stangen  an  der  Biegungsstelle  in  der 
Absicht,  durch  an  der  Abhiebsstelle  erscheinende  Ausschläge  den  Schluß  herzustellen, 
hat  man  in  Buchengertenhölzern  mit  Erfolg  angewendet.  —  Im  Nadelholz  müssen 
die  niedergedrückten  Partien  abgeräumt,  die  größern  Lücken  mit  schnellwüchsigem 
Holzarten,  die  kleinern  im  Interesse  des  Bodenschutzes  mit  Schattenhölzern  ausge- 
pflanzt werden:  letztere  wendet  man  auch  zur  Ausfüllung  durchbrochener  Föhren- 
stangenhölzer, die  erhalten  bleiben  sollen,  an. 

Aufgabe  des  Wirtschafters  ist  es  aber  auch,  durch  mögUchst  rationelle  und 
rasche  Aufarbeitung  und  Verwertung  der  Bruchhölzer  den  finanziellen  Schaden 
möglichst  zu  verringern,  ebenso  mit  allen  ihm  zu  Gebot  stehenden  Mitteln  der  in 
Nadelholzwaldungen  drohenden  Insektengefahr  entgegenzuarbeiten.  Man  wird  zu- 
nächst den  Wald  durch  Räumung  der  Wege  zugänglich  machen,  die  Junghölzer  und 
Schläge  von  auflagerndem  Bruchholz  befreien,  aus  dem  anfallenden  Material  mög- 
lichst viel  Nutzholz  ausscheiden,  das  Holz  an  luftige  Wege  ausrücken,  Nadelholz 
entrinden,  Prügelholz  aufspalten,  Stammholz  auf  Unterlagen  bringen  —  letzteres 
alles  im  Interesse  besserer  Konservierung  des  Holzes.  Entrinden  des  Nadelholzes, 
Verbrennen  des  Reisigs,  tunlichste  Rodung  von  Stöcken  und  Wurzeln,  Beseitigung 
kränkelnder  Stämme  sind  die  Vorbeugungsmittel  gegen  das  Ueberhandnehmen  schäd- 
licher Insekten. 

C.    Duft,    Eisanhang    und    Hagel. 

§  100.  Mit  dem  Ausdruck  ,,D  u  f  t,  Rauhreif,  A  n  h  a  n  g"  bezeichnen  wir 
bekanntlich  jene  Erscheinung,  bei  welcher  sich  der  Wasserdampf  der  Luft  in  Gestalt 
von  Eiskrystallen  und  langen  Eisnadeln  an  den  Zweigen,  Nadeln,  Blättern  in  oft 
sehr  bedeutenden  Massen  ansetzt,  diese  dadurch  so  belastend,  daß  sich  Wipfel  und 
Aeste  beugen  und  schließlich  abbrechen.  Unter  dieser  namentlich  in  höheren  Lagen 
auftretenden  Erscheinung  leiden  wieder  insbesondere  die  wintergrünen  Nadelhölzer, 
obenan  die  brüchige  Föhre,  die  Laubhölzer  aber  nur  dann,  wenn  sie  noch  dürres 
Laub  als  Stützpunkt  für  den  Rauhreif  in  größerer  Menge  tragen,  so  namentlich  auch 
die  Eichenlaßreiser  des  Mittelwaldes.     Es  sind  insbesondere  Bestandsränder,  dann 

1)  Dies  Mittel  wurde  im  Spessart  mit  Erfolg  angewendet;  vergl.  die  Mitteilung  von  Fürst 
in  A.  F.-  u.  J.-Z.  1882.  S.  325. 


Blitzschlag.     §  101.  279 

Nord-  und  Ostgehänge,  wo  die  oft  sehr  schädliche  Erscheinung  des  Duftbruches 
auftritt. 

Eisbildung  entsteht  namentlich,  wenn  bei  strenger  Kälte  plötzlich  Tau- 
wetter und  Regen  eintritt;  die  aufschlagenden  Tropfen  erstarren  zu  Eis  und  über- 
ziehen Stamm  und  Aeste,  Nadeln  und  dürre  Blätter  mit  einer  mehr  oder  weniger 
starken  Eiskruste.  Gesellt  sich  bei  wieder  sinkender  Temperatur  hiezu  noch  Schnee- 
fall, so  wird  die  Belastung  eine  so  bedeutende,  daß  Eisbruch  in  oft  großartigem  Maß- 
stab eintritt.  —  Erklärlicherweise  sind  es  auch  hier  wieder  die  brüchigen  Holzarten : 
Föhren,  Erlen,  Akazien,  die  zuerst  Not  leiden,  aber  auch  Fichten-  und  Buchenbe- 
stände wurden  schon  durch  Eisbruch  schwer  geschädigt. 

Durch  die  allbekannte,  glücklicherweise  nicht  allzu  häufig  auftretende  Erschei- 
nung des  Hagels  werden  auch  die  Waldungen  oft  sehr  bedeutend  beschädigt: 
Pflanzen  in  Saatbeeten  und  Kulturen  werden  teils  ganz  vernichtet,  teils  bis  zur  Ver- 
krüppelung  beschädigt,  älteren  Bäumen  die  jungen  Schosse,  Blüten  oder  Früchte 
abgeschlagen;  zahlreiche  Rindenverletzungen,  oft  nur  langsam  ausheilend,  sind  die 
weitere  Folge,  ja  diese  Verletzungen  sind  oft  so  bedeutend,  daß  ganze  Bestände  ab- 
getrieben werden  müssen.  In  Weidenhegern  sind  die  Folgen  des  Hagels  besonders 
verderblich,  indem  die  Schosse  beim  Verarbeiten  an  der  beschädigten  Stelle  ab- 
brechen. —  Sehr  empfindlich  zeigt  sich  die  Föhre  gegen  Hagelbeschädigung,  während 
Fichte  und  Tanne  durch  ihre  dichte  Benadelung  geschützter  sind;  auch  die  Lärche 
leidet  weniger. 

Schutzmittel  gegen  die  3  eben  erwähnten  Naturerscheinungen  stehen 
uns  nur  in  sehr  beschränktem  Maß  zur  Verfügung:  gegen  den  Duftbruch  etwa  das 
Vermeiden  des  Anbaues  der  brüchigen  Föhre  in  der  Duftregion,  das  Erhalten  von 
Waldmänteln  an  den  gefährdeten  Nord-  und  Osträndern;  gegen  Eisbruch  und  Hagel 
aber  fehlen  selbst  solche  Mittel.  Daß  in  einer  entsprechenden  Bewaldung  insbesondere 
der  Höhenzüge  ein  wichtiges  Schutzmittel  gegen  Hagelbildung  gesucht  wird,  möge 
hier  nur  nebenbei  noch  bemerkt  sein  *). 

D.    Blitzschlag. 

§  101.  Der  Blitz  schlägt  bekanntlich  verhältnismäßig  häufig  in  Bäume  ein, 
und  zwar  vorwiegend  in  solche,  welche  entweder  allein  stehen  oder  ihre  Umgebung 
mehr  oder  weniger  überragen. 

Die  Folgen  dieses  Einschiagens  sind  nun  sowohl  nach  der  äußern  Erscheinung, 
wie  nach  dem  Einfluß  auf  das  Leben  des  Baumes  sehr  verschieden.  In  manchen 
Fällen  wird  lediglich  ein  schmaler  Rindenstreifen  abgelöst,  wir  sehen  den  Baum 
ohne  sichtbare  Störung  fortwachsen,  die  entstandene  ,, Blitzrinne"  überwallend,  so 
namentlich  bei  Eichen,  die  nicht  selten  die  Spuren  alter  Blitzverletzungen  zeigen, 
während  in  andern  Fällen  selbst  bei  solch  geringeren  Beschädigungen  die  betroffenen 
Bäume  mehr  oder  weniger  rasch  absterben,  so  namentlich  die  Nadelhölzer.  Bisweilen 
kommt  breitstreifige,  ja  gänzliche  Entrindung  der  getroffenen  Stämme  vor,  und  nicht 
selten  werden  diese  vollständig  zerschmettert,  gespalten  oder  in  eine  Menge  weit 
umher  liegender  Splitter  aufgelöst.  Merkwürdig  erscheint  femer  das  Ueberspringen 
des  Blitzes  von  einem  Stamm  auf  einen  zweiten  und  ebenso  das  allmähliche  Ab- 
sterben einer  oft  größeren  Zahl  von  Stämmen  in  der  Umgebung  eines  vom  Blitz  ge- 
töteten Stammes,  wie  solches  namentlicli  in  Föhrenwaldungen  beobachtet  wurde. 

Dürre  oder  im  Innern  trockenfaule  Stämme  werden  wohl  auch  durch  den  Blitz 


1)  Vergl.  R  i  n  i  k  e  r  ,  Die  Hagelschläge  im  Kanton  .\rgau  1881. 


280  VII.  Fürst,  Forstschutz. 

in  Brand  gesteckt,  und  kann  sonach  der  Blitz,  wenn  auch  selten,  Ursache  eines  Wald- 
brandes werden. 

Was  endlich  die  Holzarten  anbelangt,  die  vom  Blitzschaden  heimgesucht  wer- 
den, so  ist  wohl  keine  gänzlich  verschont,  doch  sehen  wir  allerdings  die  einen  mehr, 
die  andern  weniger  betroffen.  Am  häufigsten  wird  wohl  die  Eiche,  weil  einzeln  stehend, 
oder  als  Ueberhälter  ihre  Umgebung  weit  überragend,  vom  Blitz  getroffen,  ebenso 
die  Pyramidenpappel;  von  den  Nadelhölzern  sehen  wir  Föhre  und  Fichte  häufig  ge- 
schädigt —  dagegen  scheint  die  Rotbuche  sehr  selten  heimgesucht,  so  daß  sie  in  man- 
chen Gegenden  geradezu  als  blitzsicher  gilt.  ^) 

3.  Gefährdungen  durch  Winde  und  Stüpme. 

§  102.  Luftbewegung  von  mäßiger  Stärke  und  Schnelligkeit  nennen  wir  Wind; 
erreicht  die  Schnelligkeit  22  Meter  in  der  Sekunde,  so  bezeichnen  wir  diese  Bewegung 
der  Luft  als  Sturm,  eine  solche  von  35  Meter  und  mehr  als  Orkan.  Nicht  nur 
die  beiden  letztern,  auch  der  erstere  wird  unter  Umständen  den  Waldungen  nach- 
teilig, doch  treten  diese  Nachteile  hier  erst  nach  längerer  Einwirkung,  bei  den  Stürmen 
aber  sofort  zutage. 

Durch  die  anhaltend  oder  doch  oft  aus  der  gleichen  Richtung  kommenden 
Winde  finden  wir  an  Wald-  und  Bestandsrändern,  auf  Bergköpfen  und  freiliegen- 
den Rücken  das  Laub  weggeweht,  wodurch  also  die  wohltätige  Humusbildung  ver- 
hindert, der  Boden  bloßgelegt,  dem  Vermagern  imd  Austrocknen  preisgegeben  wird. 
Wir  sehen  hier  jüngere  Pflanzen  kümmern,  ältere  Bäume  im  Wuchs  nachlassen, 
dürrwipfelig  werden,  sehen  den  Bestand  verlichten,  den  Boden  sich  mit  Heidelbeer- 
kraut und  Heide  überziehen.  In  Eichen-  und  Buchenbeständen  tritt  dies  in  oft  sehr 
deutlicher  Weise  zutage,  weniger  in  Nadelholzwaldungen,  deren  Decke  dem  Ver- 
wehen weniger  ausgesetzt  ist;  doch  macht  sich  auch  in  ihnen  die  austrocknende 
Wirkung  des  Windes  bemerkbar.  Letztere  zeigt  sich  besonders  deutlich  bei  den 
trockenen  Ostwinden  und  wird  im  Frühjahr,  zur  Kulturzeit  und  unmittelbar  nach 
derselben,  zur  besondem  Gefahr  für  Saaten  und  Pflanzungen.  —  In  hohen  Frei- 
lagen, namentlich  aber  auch  in  der  Nähe  des  Meeres,  macht  sich  der  Einfluß  der  an- 
haltend aus  einer  Richtung  wehenden  Winde  (in  Deutschland  der  West-  und  Nord- 
westwinde) auch  direkt  auf  die  Vegetation  geltend  —  in  kümmerndem,  krüppe- 
ligem Wuchs,  schiefer  Stellung,  einseitiger  Beastung  der  Stämme,  zerrissenen,  un- 
regelmäßigen Kronen. 

Gegen  diese  letzteren  Wirkungen  steht  uns  nur  das  Schutzmittel  einer  sorg- 
fältigen Erhaltung  und  möglichst  plenterweise  Behandlung  des  Be^^tandsrandcs  an 
der  Windseite,  der  dann  wenigstens  die  dahinter  liegenden  Bestände  schützt,  zu  Ge- 
bot. Das  Verwehen  des  Laubes  suchen  wir  durch  Bestandsmäntel  (Waldmäntel), 
am  besten  aus  einigen  Reihen  dichtbenadelter  Fichten,  besser  noch  aus  dichten  Laub- 
holzhecken und  Stockausschlägen  bestehend,  zu  schützen,  unterpflanzen  den  ganzen 
Saum  mit  Schattenhölzern,  soweit  dies  die  Bodenverhältnisse  gestatten ;  auch  grob- 
scholliges Umhacken  des  verhärteten  Bodens  hat  man  angewendet,  um  das  Laub 
in  den  Vertiefungen  festzuhalten,  dem  Regenwasser  das  Eindringen  in  den  Boden  zu 
ermöglichen. 


1)  Vergl.  die  Mitteilungen  von  F  e  y  e  ,  Z.  f.  F.  u.  J.  1886.  S.287,  sowie  dieMitt.  von  R.H  artig 
in  s.  „Pflanzenlirankheiten"  (3.  Aufl.)  1900.  Ferner  v.  Tubeuf  ,  ,, Gipfeldürre  der  Fichte"  in 
der  Naturw.  Zcitschr.  für  Forst-  und  Landwirtschaft  1903,  1904,  wonach  das  von  ihm  beob- 
achtete Absterben  zahlreicher  Fichtenwipfel  auf  der  bayr.  Hochebene  dem  Blitz  zugeschrieben 
wird. 


Gefährdungen  durch  Wind  und  Stürme.     §  lOi.  281 

Kultiviei't  man  während  trockener  Ostwinde,  so  ist  auf  das  Feuchthalten  der 
Pflanzenwurzcln  beim  Ausheben,  Transport  und  Einsetzen  der  Pflanzen  jedmögliche 
Sorgfalt  zu  verwenden  und  hat  das  Einpflanzen  der  Anfertigung  der  Pflanzlöcher 
möglichst  rasch  zu  folgen,  damit  die  letztern  und  die  Pflanzerde  nicht  zu  stark  aus- 
trocknen. 

§  103.  Größer  und  mehr  ins  Auge  fallend  sind  jene  Beschädigungen,  welche 
durch  Stürme  und  Orkane  den  Waldungen  zugehen.  Einzelne  Bäume,  ja  ganze 
Bestände  werden  entweder  mit  den  Wurzeln  aus  dem  Boden  gehoben  und  niedergc- 
\\orfen  —  W  i  n  d  w  ü  r  f  e  oder  W  i  n  d  f  ä  1  1  e  — ,  oder  sie  werden  in  größerer  oder 
geringerer  Höhe  über  dem  Boden  abgebrochen  —  Windbrüche;  bald  reißt 
hiebei  der  Wind  nur  einzelne  Stämme  nieder,  bald  bricht  er,  meist  bei  einem  starken 
Stamm  beginnend,  Gassen  und  Streifen  durch  den  Bestand,  bald  nur  einzelne  Löcher, 
und  heftige  Orkane  brechen  und  werfen  ganze  Bestände  und  Bergwände  ausnahmslos 
nieder  '). 

Eine  lange  Reihe  von  Nachteilen  ist  es,  die  dem  Wald  und  dem  Waldbesitzer 
durch  größere  Sturmbeschädigungen  zugehen:  durch  das  Zerbrechen  und 
Zersplittern  der  Stämme  geht  eine  Menge  Nutzholz  verloren,  die  massenhaften 
Splitter  und  Brüche  sind  selbst  als  Brennholz  nicht  verwertbar;  die  Arbeits- 
löhne steigen,  die  Holzpreise  sinken,  geringe  Sortimente,  wie  Reisig-  und 
Stockholz,  werden  bisweilen  ganz unvenvertbar.  Die  im  Stadium  des  Besamungs-  und 
Nachhiebes  stehenden  Schläge  werden  durch  die  geworfenen  Mutterbäume,  die  Jung- 
hölzer durch  die  dies  Schicksal  teilenden  Ueberhälter  beschädigt;  Bestände,  die 
noch  im  besten  Zuwachs  standen,  müssen  wegen  Durchlöcherung  abgetrieben  werden, 
andere,  die  erhalten  bleiben,  zeigen  geringern  Zuwachs,- Verwilde- 
rung des  Bodens,  seinerzeit  geringere  Abtriebserträge  und  erschwerte  na- 
türliche Verjüngung.  Endlich  folgen  den  Sturmschäden,  wie  beim  Schneebruch,  nicht 
selten  schädliche  Forstinsekten,  denen  in  dem  liegenden  und  hängenden 
kränkelnden  Holz,  den  zahllosen  Stöcken  reiche  Brutstätten  geboten  sind. 

§  104.  Mancherlei  Umstände  und  Einflüsse  bedingen  die  Größe  der  Sturmgefahr 
und  Sturmbeschädigungen. 

Stürme  treten  vorzugsweise  im  Spätherbst  und  Frühjahr  ein  (Aequinoktial- 
stürme);  demgemäß  sind  es  erklärlicherweise  die  auch  zu  dieser  Zeit  belaubten  w  i  n- 
ter  grünen  Nadelhölzer,  die,  dem  Wind  eine  größere  Angriffsfläche 
bietend,  vor  allem  gefährdet  sind.  Obenan  steht  hier  die  Fichte  mit  ihrer  dichten 
Benadelung,  ihrem  langen  Schaft  und  ihrer  flachen  Bewiirzelung,  durch  letztere 
namentlich  dem  Windw'urf  ausgesetzt;  etwas  stum^fester  ist  bereits  die  tiefer  wur- 
zelnde Tanne,  dann  die  lichtkronige  und  ebenfalls  tiefwurzelnde  Föhre,  die 
allerdings  in  dem  leichten  Sandboden,  ihrem  Hauptstandort,  nur  geringeren  Halt 
findet,  auf  flachgründigereni  solchem  Boden  sogar  sehr  gefährdet  ist.  Die  Lärche 
und  die  Laubhölzer  leiden  nur  wenig,  von  letzteren  infolge  ihrer  flachern  Bewurzelung 
etwa  Aspe,  Birke,  Hainbuche,  die  Rotbuche  dagegen  nur  bei  heftigen  Stürmen  und 
in  exponierten  Lagen;  am  sturmfestesten  erscheint  die  Eiche.  Die  selteneren  Som- 
merstürme, Zyklone,  gefährden  natürlich  die  Laubhölzer  in  gleichem  Maße. 

Mit  dem  Alter  der  Bestände  und  sonach  aucli  mit  der  U  m  t  r  i  e  b  s  z  e  i  t 
steigt  die  Sturmgefahr,  die  der  Niederwald  gar  nicht,  der  Mittelwald  nur  in  geringem 
Maß  kennt;  der  Plenters\'ald  mit  im  freieren  Stand  erwachsenen  Stämmen  enveist 
sich  sturmfester  als  der  gleichalterigc  Hochwald.    Zum  Zweck  der  natürlichen  Ver- 


1)  Vergl.    „Forstliche    Sturnibeobachtungen   im  Mittelgebirg"   von   Oberförster    Eifert, 
A.  F.-  u.  J.-Z.  1903  und  B  a  r  g  ni  a  n  n  ,  das.  1904. 


282  VI'-  Fürst,  Forstschutz. 

jüngung  gelichtete  Bestände  sind  stets  gefährdeter,  als  noch  geschlossene  — 
ein  Grund  für  viele,  von  der  natürlichen  Verjüngung  der  Fichte  abzusehen. 

Auch  der  Standort  spielt  eine  nicht  geringe  Rolle  bei  der  Gefahr  durch 
Stürme:  Südwest-,  West-  und  Nordwestgehänge,  Bergköpfe  und  Rücken  sind  in 
höherem  Grade  exponiert,  als  mehr  oder  weniger  gegen  Nord  und  Ost  geneigte  Oert- 
lichkeiten;  vorliegende  Berge  schwächen  die  Gefahr  ab;  guter  Boden  mit  sehr  lang- 
schaftigem  Holzwuchs,  dann  flachgründiger,  lockerer,  mooriger  und  feuchter  Boden 
erhöht  die  Sturmgefahr,  tiefgründiger,  steiniger,  bindender  Boden  verringert  diese, 
und.  zwar  gilt  dies  vor  allem  bez.  der  Wind  würfe,  die  unter  den  ersteren  Ver- 
hältnissen häufiger  eintreten,  während  in  letzterem  Falle  der  Wind  b  r  u  c  h  zu  fürch- 
ten ist.  Sind,  wie  häufig,  die  Westwinde  von  Regen  begleitet,  so  erhöht  das  Durch- 
weichen des  Bodens  gleichfalls  die  Gefahr  des  Windwurfes;  bei  stark  gefrorenem 
Boden  werden  wir  den  Bruch  der  Stämme  überwiegen  sehen,  ebenso  bei  kernfaulen 
Stämmen,  bei  Stämmen  mit  schadhaften  Stellen  infolge  früherer  Verletzungen  durch 
Harzgewinnung  oder  Schälen  des  Wildes. 

§  105.  Auf  Grund  der  Beobachtungen  über  das  Verhalten  der  einzelnen  Holz- 
arten und  Standörtlichkeiten  gegenüber  den  Stürmen,  wie  der  allgemeinen  und  lo- 
kalen Erfahrungen  über  die  herrschende  Windrichtung  suchen  wir  nun  den  Beschä- 
digungen durch  Stürme  möglichst  vorzubeugen  —  gegen  heftige  Stürme  oder 
gar  Orkane  versagen  allerdings  diese  Vorbeugungs-Maßregeln! 

Von  ganz  hervorragender  Bedeutung  unter  diesen  letzteren  ist  insbesondere 
für  Nadelholzwaldungen  die  H  i  e  b  s  f  ü  h  r  u  n  g  ,  die  richtige  Aneinanderreihung 
der  Schläge.  Gestützt  auf  die  Wahrnehmung,  daß  plötzliche  Freistellung  bisher 
geschützt  gestandener  Stämme  besonders  gefährlich  ist,  daß  in  stetem  Kampf  mit 
dem  Wind  aufgewachsene  Stämme  und  Bestandsränder  besonders  widerstandsfähig 
sind,  greifen  wir  die  Bestände  tunlichst  auf  der  den  herrschenden  Stürmen  entgegen- 
gesetzten Seite  an  —  sonach  in  Deutschland,  woselbst  die  heftigsten  Stürme  aus 
West,  Süd-  und  Nordwest  zu  kommen  pflegen,  an  der  Ost-,  Nord-,  Nordost-  oder 
der  Südostseite,  unbeschadet  natürlich  lokaler  Abweichungen  von  der  herrschenden 
Sturmrichtung,  —  und  führen  die  Hiebe  den  Stürmen  so  entgegen,  daß  stets  der 
geschlossene  Bestand  nach  der  Sturmseite  vorliegt,  dessen  sturmfester  Westrand 
bis  zuletzt  erhalten  bleibt.  Die  Erlialtung  eines  solchen  stin-mfesten,  stark  bewurzel- 
ten und  tief  herab  beasteten  W  a  1  d  m  a  n  t  e  1  s  ist  von  großer  Bedeutung. 

Ebenso  ist  die  plötzliche  Freistellung  jüngerer,  aber  doch  schon 
sturmgefährdeter  Bestände  durch  Abnutzung  älterer,  auf  der  Sturmseite  vor- 
liegender Bestände  zu  vermeiden,  und  es  müssen  einer  zweckmäßigen  Hiebs- 
führung durch  den  spätem  Abtrieb  älterer  und  die  frühere  Nutzung  jüngerer  Bestände 
nicht  selten  wesentliche  Opfer  an  Zuwachs  und  Nutzwert  gebracht  werden.  Durch 
sog.  Loshiebe,  d.  h.  durch  frühzeitigen  Abtrieb  eines  10 — 15  m  breiten,  alsbald 
wieder  anzupflanzenden  Streifens  des  älteren  Bestandes  auf  der  Grenze  der  beiden 
Bestände,  tunlichst  rechtwinklig  zur  Sturmrichtung,  sucht  man  dem  jungen  Bestand 
die  Möglichkeit  selbständiger  Bemäntelung  durch  entsprechende  seitliche  Wurzel- 
bildung und  Beastung  zu  geben  und  hiedurch  die  seinerzeitige  Wegnahme  des  alten 
Bestandes  ohne  Gefährdung  des  jüngeren  zu  ermöglichen  '). 

Den  Hieben  zum  Zweck  der  natürlichen  Verjüngung  in  Fichten-  und  Tannen- 
beständen wird  man  keine  zu  große  Ausdehnung  geben,  da  mit  solcher  die  Sturm- 

1)  Ueber  die  im  Prinzip  riclitigen,  gleichwolil  außerlialb  Tliüringen  und  Sachsen  minder 
verbreiteten  Loshiebe  hat  H  e  ß  in  der  allg.  Forst-  und  Jagdzeitung  1862.  S.  369  eingehend  be- 
richtet. 


Krankheileii  Jer  Holzgowächse.     §  106.  283 

gefahr  wäclist,  sondern  wird  diese  Hiebe  in  schmalen  Streifen  der  Sturmrichtung 
entgegen  führen;  dagegen  wird  man  in  gefährdeten  Lagen  auf  die  natiirhche  Ver- 
jüngung der  Fichte,  ebenso  auf  das  Ueberlialten  von  Föhren  in  den  zweiten  Umtrieb 
verzichten,  wird  den  gefährdeten  Holzarten  sturmfestere  beizumischen  suchen  — 
so  den  Nadelhölzern  in  passenden  Oertlichkeiten  die  Buche,  der  Fichte  die  Tanne 
und  Föhre;  wird  schon  bei  der  Aufforstung  holzleerer  Flächen  auf  Anzucht  eines 
Waldmantels  von  sturmfesteren  Holzarten  Bedacht  nehmen. 

Es  ist  in  erster  Linie  Aufgabe  einer  guten  Forsteinrichtung,  den 
Sturmgefährdungen  durch  eine  zweckmäßige  Reihenfolge  in  der  Abnutzung  der  Be- 
stände, durch  Bildung  richtiger  Hiebszüge,  rechtzeitige  Einlegung  von  Los- 
hieben Rechnung  zu  tragen ;  für  reine  Fichtenwaldungen  ist  dies  von  größter 
Bedeutung. 

Ist  aber  eine  größere  Windbruchkalamität  über  einen  Waldkomplex  herein- 
gebrochen, dann  gelten  bez.  der  Aufarbeitung  und  Konservierung 
des  Holzes,  der  Vorsichtsmaßregeln  gegen  schädliche  Insekten  die  gleichen 
Grundsätze,  wie  sie  oben  bez.  des  Schneebruchholzes  (s.  §  99)  angegeben  wurden. 
Der  Umstand,  daß  man  es  vorwiegend  mit  stärkerem  Holz  zu  tun  hat,  erleichtert 
Aufarbeitung  und  Verwertung. 

IV.  Krankheiten  der  Holzgewächse. 

Literatur:  R.  H  a  r  t  i  g  ,  Lehrbuch  der  Pflanzenkrankheiten,  3.  Aufl.  1900.  —  Derselbe, 
Die  Zersetzungserscheinungen  des  Holzes  der  Nadelholzbäume  und  der  Eiche.  1878.  — -Der- 
selbe, Untersuchungen  aus  dem  forstbotanischen   Institut  in  München  1880. 

§  106.  Ueber  kein  Gebiet  unserer  Disziplin  war  man  wohl  länger  im  Unklaren, 
als  über  jenes  der  sog.  Pflanzenkrankheiten,  über  deren  Ursachen  und  Folgen,  und 
in  nicht  wenig  Fällen  —  so  bei  den  Pilzen  —  hielt  man  das  für  die  Folge,  was  eigent- 
lich die  Ursache  war.  Kein  Gebiet  bot  aber  wohl  auch  der  Forschung  größere  Schwie- 
rigkeiten, und  insbesondere  war  dasselbe  für  den  eigentlichen  Forstmann  schwer  zu 
betreten  und  mit  Erfolg  zu  bebauen:  der  Botaniker,  der  mit  allen  Hilfsmitteln  der 
Wissenschaft  ausgerüstete  Forscher,  mußte  ihm  zu  Hilfe  kommen,  sollte  ein  ent- 
sprechendes Resultat  erzielt  werden. 

Neben  andern  Forschern  war  es  vor  allem  RobertHartig,  der  sich  dem 
Studium  der  Pflanzenkrankheiten  mit  großem  Erfolg  gewidmet,  der  Licht  in  dies 
bisher  dunkle  Gebiet  gebracht  und  zahlreiche  Rätsel  gelöst  hat,  dabei  auch  gleich- 
zeitig Fingerzeige  gebend,  wie  so  mancher  unsern  Holzgewächsen  drohenden  Gefahr 
vorzubeugen  sei.  Diesem  verdienten  Forscher  folgen  wir  denn  auch  in  der  nach- 
stehenden kurzen  Skizze  über  die  Pflanzenkrankheiten  vorzugsweise  und  verweisen 
im  übrigen  auf  dessen  oben  angegebene  Werke  behufs  näherer  Belehrung  ^). 

Pflanzenkrankheiten  nennt  man  jene  Störungen  im  Organismus, 
durch  welche  die  ganze  Pflanze  oder  doch  ein  Teil  derselben  zu  vorzeitigem  Absterben 
veranlaßt  wird.  Die  Ursachen  dieserStörungen  aber  können  verschiedene  sein,  nämlich : 

1.  Aeußere  Verwundungen  und  Verletzungen, 

2.  Ungünstige  Einflüsse  des  Bodens, 

3.  Ungünstige  atmosphärische  Einflüsse,  und 

4.  Phanerogame  oder  kryptogame  Pflanzen. 


1)  Es  möge  jedoch  hier  nicht  unerwähnt  bleiben,  daß  einzelne  Stimmen  manchen  der  Hartig- 
schen  Forschungen  geringere  Bedeutung  beimessen,  —  vergl.  Nördlinger,  Forstschutz 
(Einleitung)  und  Borggrevein  F.-Bl.  1886.  S.  121  und  1887.  S.  18,  dann  M  ö  1  1  e  r  in  F.-Bl. 
1889.    S.   134. 


284  VII.  Fürst,  Forstschutz. 

Nicht  jederzeit  aber  sind  die  Pflanzen  gegen  diese  äußern  Einflüsse  gleich  emp- 
fänglich, sondern  gewisse  Zeiten  und  Verhältnisse,  vorübergehende,  im  übrigen 
ganz  normale  Zustände  lassen  sie  gegenüber  solchen  Einflüssen  besonders  empfindlich 
erscheinen,  prädisponieren  sie  zu  Erkrankungen.  So  sehen  wir  manche  Ge- 
wächse nur  im  jugendlichen  Alter  für  gewisse  Krankheiten  besonders  empfänglich, 
für  andere  dagegen  erst  in  höherem  Alter,  sehen  im  Schutz  und  Schatten  erwachsene 
Pflanzen  gegen  die  Einwirkung  von  Frost  und  Hitze  empfindlicher  als  solche,  die 
im  Freien  erwuchsen,  sehen  in  Glattrindigkeit  und  plötzlicher  Freistellung  eine  Ver- 
anlassung zur  Erscheinung  des  Rindenbrandes,  beobachten,  daß  Pilzkrankheiten  bei 
feuchtem  Wetter  in  höherem  Grad  überhandnehmen  u.  dgl.  mehr.  Das  Zusammen- 
treffen besonderer  Empfänglichkeit,  begünstigender  Umstände  mit  Krankheits- 
ursachen wird  die  Erkrankung  dann  häufiger  und  intensiver  auftreten,  entgegen- 
gesetzten Falles  vielleicht  spurlos  vorübergehen  lassen. 

I.  Krankheiten  infolge  von  Verwundungen. 

§  107.  Auf  die  mannigfachste  Weise  gehen  den  Pflanzen  und  Bäumen  während 
ihrer  oft  so  langen  Lebensdauer  geringere  oder  größere  Verletzungen  zu :  bei  dem 
Fällen  und  Ausbringen  des  Holzes  erleiden  Stämme  und  Wurzeln  Quetschungen  und 
Rindeabschürfungen,  Aeste  werden  abgerissen,  brechen  dürr  werdend  ab  oder  werden 
durch  Aufastung  mittelst  Axt  und  Säge  entfernt;  durch  Harznutzung,  Schälen  oder 
Fegen  des  Wildes,  Benagen  der  Rinde  durch  Kaninchen,  Mäuse,  Eichhörnchen,  endlich 
durch  Insekten  verschiedener  Art  werden  ebenfalls  nicht  wenige  Verletzungen  ver- 
ursacht, die  teils  Veranlassung  zur  Infektion  durch  parasitäre  Pilze  und  dadurch  be- 
dingter Zersetzung  des  Holzes,  teils  zur  Zersetzung  des  Holzes  durch  saprophytische 
Pilze  unter  Mitwirkung  der  Atmosphärilien  geben  —  Hartig  bezeichnet  diese  Form 
der  Zersetzung  als  W  u  n  d  f  ä  u  1  e. 

Auf  mancherlei  Weise  schützt  sich  der  Stamm  gegen  die  äußern  Einflüsse  bei 
solchen  Verletzungen;  bei  den  Nadelhölzern  insbesondere  durch  alsbaldigen  Harz- 
austritt und  Ueberziehen  der  Wunde  mit  Harz,  bei  Laubhölzern  durch  Entstehung 
sog.  Schutzholzes,  dann  aber  bei  Laub-  und  Nadelholz  durch  die  bekannte  Erschei- 
nung der  Ueberwallung,  die  aber  bei  größeren  Wundflächen  nicht  rasch  genug  ein- 
tritt, um  das  Entstehen  der  W  u  n  d  f  ä  u  1  e  zu  hindern.  Unter  Zutritt  von  Regen- 
wasser beginnen  sich  die  bloßgelegten  und  abgestorbenen  Zellen  zu  bräunen  und  zu 
zersetzen ;  das  Holz  färbt  sich  durch  die  dunkle  Humuslösung  schwarzbraun  und  erst 
in  höheren  Zersetzungsstadien  wieder  heller.  Schließt  sich  die  Wunde  durch  Ueber- 
wallung, den  weitern  Zutritt  des  Regenwassers  hemmend,  so  wird  das  Weiterdringen 
der  Fäulnis  sehr  verlangsamt  oder  hört  selbst  ganz  auf. 

Um  der  Wundfäule,  die  das  Holz  zu  technischer  Verwendung  unbrauchbar 
macht,  vorzubeugen,  wird  man  Verletzungen  der  Stämme  möglichst  zu  verhindern 
suchen:  durch  Vorsicht  beim  Fällen  und  Rücken  des  Holzes,  bei  Ausastungen,  die 
immer  möglichst  nahe  am  Stamm,  ohne  weitere  Rindenverletzungen,  bei  Laubhölzern 
außer  der  Saftzeit  geschehen  und  bez.  starker  Aeste  tunlichst  unterlassen  werden 
sollten.  Man  wird  ferner  die  Wunden  der  Laubhölzer  nach  dem  Entasten  durch 
Bestreichen  mit  Teer  gegen  die  Feuchtigkeit  zu  schützen  suchen,  bei  einzelnen  wert- 
volleren Stämmen  (im  Park)  die  Ueberwallung  durch  Entfernung  toter  und  ge- 
quetschter Rindenteile  befördern,  eventuell  durch  Umwicklung  des  Stammes  mit 
feuchter  Leinwand  oder  Wachstuch  das  Vertrocknen  des  Cambiums  verhindern. 


Erkrankung:cn  durch  Einflüsse  des  Bodens.     §  109.  285 


2.  Erkrankungen  durch  Einflüsse  des  Bodens. 

§  108.  Die  chemische  Koiislitution  des  Bodens  ist  für  Erkrankungen  der 
Bäume  und  Bestände  ohne  Bedeutung,  dagegen  können  ungünstige  physikalische 
Eigenschaften  desselben,  namentlich  Mangel  oder  Ueberfluß  an  Feuchtigkeit, 
fehlender  Luftwechsel  im  Boden,  solche  hervorrufen.  Als  solche  Erkrankungen  er- 
scheinen nun: 

G  i  p  f  e  1  d  ü  r  r  e  oder  Zopftrocknis:  in  höherem  Alter  der  Bäume  als 
Beginn  des  Absterbens  auftretend,  sehen  wir  sie  auch  in  jungem,  noch  zuwachsfähigen 
Beständen  als  Folge  von  mangelnder  Feuchtigkeit  und  damit  zusammenliängend 
von  Nahrungsmangel;  so  werden  Erlenbestände  infolge  von  Entwässerung,  Tiefer- 
legung eines  nahen  Wasserspiegels  wipfeldürr,  ebenso  Buchenbestände  durch  wieder- 
holte Streunutzung  insbesondere  auf  an  sich  trocknerem  und  ärmerem  Boden,  an 
Süd-  und  Westgehängen,  Eichen  bei  Lichtstellung  der  Bestände  und  Vermagerung 
des  Bodens,  bei  plötzlicher  Freistellung  und  dadurch  hervorgerufener  Wasserreis- 
Bildung. 

Die  Gegenmittel,  auf  dem  Gebiet  des  Waldbaues  liegend,  ergeben  sich  aus  den 
Ursachen  von  selbst:  Vorsicht  bei  jeglicher  und  Vermeidung  zu  starker  Entwässerung, 
möglichste  Beschränkung  der  Streunutzung  zumal  bei  empfindlichen  Holzarten  und 
Oertlichkeiten,  Deckung  des  Bodens  in  Eichenbeständen  durch  Unterbau,  Unterlassen 
des  Einzelüberhaltes. 

Wie  aber  hier  vielfach  der  Wassermangel,  so  ist  auch  umgekehrt  ein  Ueberschuß 
an  Feuchtigkeit  —  wie  schon  früher  hervorgehoben  —  der  Vegetation  nachteilig, 
und  wir  sehen,  wohl  als  Folge  des  durch  Feuchtigkeit  in  Verbindung  mit  an  sich 
schwerem,  dichten  Boden  gehemmten  Luftwechsels  im  Boden  nicht  selten  in  Jüngern 
20 — 30j.  Föhrenbeständen  die  W  u  r  z  e  1  f  ä  u  1  e  auftreten  und  derselben  zahlreiche 
Stämme  erliegen.  Infolge  des  mangelnden  Sauerstoffzutritts  fault  die  Pfahlwurzel, 
die  zwar  in  den  bindenden  Boden  eindringen  konnte,  welcher  aber  bei  eintretendem 
Schluß  und  dichter  Humusdecke  der  nötige  Luftwechsel  entzogen  wurde,  während 
die  flach  laufenden  Seitenwoirzeln  gesund  bleiben,  und  nach  kurzem  Kümmern 
bricht  der  Stamm  bei  irgend  welchem  äußern  Anlaß  —  Wind,  Schneebelastung  — 
am  Boden  um  ^). 

Man  wird  dem  Uebel,  durch  welches  die  Bestände  in  bedenklichem  Grad  ver- 
lichten können,  etwa  dadurch  vorzubeugen  trachten,  daß  man  durch  baldige  Durch- 
forstung, Entfernung  der  luftabschließcnden  Humusdecke  die  Bodendurchlüftung 
fördert,  wird  eventuell  bei  der  Wiederaufforstung  zu  andern,  durch  die  Wurzelfäule 
minder  gefährdeten  Holzarten  —  Fichte,  Laubhölzer  —  greifen  oder  sie  wenigstens 
beimischen. 

Aehnliche  Verhältnisse  ergeben  sich  bisweilen,  wenn  ältere  Bäume  infolge  von 
Erdarbeiten  in  der  Nähe  tief  übererdet  werden  und  führen  zu  deren  Absterben. 

3.  Erkrankungen  durch  atmosphärische   Einflüsse. 

§  109.  Beschädigungen  durch  Frost  und  Hitze,  insofern  hiedurch  Pflanzen 
oder  Pflanzenteile  direkt  getötet  werden,  können  nicht  wohl  als  Pflanzen  k  r  a  n  k- 
h  e  i  t  e  n  betrachtet  werden,  wiu-den  doshalb  auch  in  speziellen  Abschnitten  behan- 
delt. Wohl  aber  könnte  man  hierher  jene  durch  die  eben  genannten  atmosphärischen 
Einflüsse  hervorgerufenen  Beschädigungen  rechnen,  welche  wir  als  F  r  o  s  t  r  i  s  s  e 

1)  Nach  Godbersen  (Die  Kiefer)  tritt  diese  Krankheit  insbes.  auf  bisherigem  Feldboden 
ein  und  steht  in  \'erbindung  mit  dem  Kiefernwurzelpilz  Polyporus  annosus. 


286  '^'11-  Fürst,  Forstschutz. 

und  Rindenbrand  bereits  (§  87  und  94)  kennen  gelernt  und  um  des  bessern 
Zusammenhanges  willen  in  jenen  Abschnitten  mit  besprochen  haben,  da  durch  beide 
für  die  betroffenen  Bäume  der  Grund  zur  Fäulnis  gelegt  wird  (Rindenbrand)  oder 
doch  gelegt  werden  kann  (Frostriß).  Auch  krebsartige  Krankheiten  können  nach 
Hartig  durch  Frost  hei-vorgerufen  werden  und  würden  als  Frostkrebs  hier  zu 
erwähnen  sein. 

Die  in  der  Neuzeit  so  häufigen  Waldbeschädigtmgen  durch  Steinkohlen- 
oder  Hüttenrauch  wurden,  weil  Folgen  menschlicher  Tätigkeit,  in  Abschnitt  I 
§  17  und  18  besprochen. 

§  110.  Eine  weitere  Krankheitserscheinung  möge  hier  besprochen  sein  und 
den  Uebergang  zu  den  durch  Pilze  erregten  Schäden  bilden :  es  ist  dies  die  unter  dem 
Namen  der  Schütte  allbekannte  Kinderkrankheit  der  Föhre,  die  von  den  einen 
der  Wirkung  von  Frühfrösten  ,  von  andern  einem  Vertrocknungs- 
prozeß  und  endlich  von  dritten  Pilzen  zugeschrieben  wurde,  nach  den  neuerdings 
geltend  gewordenen  Anschauungen  aber  wohl  allgemein  auf  eine  Pilzerkrankung 
zurückgeführt  wird. 

Während  Professor  Ebermayer  den  Grund  in  einer  Vertrocknung  der 
Nadeln  suchte,  welche  im  zeitigen  Frühjahr  bei  Sonnenschein  das  durch  Verdunstung 
verlorene  Wasser  aus  dem  noch  gefrorenen  Boden  nicht  ersetzen  konnten,  hatten 
schon  vor  30  Jahren  P  r  a  n  1 1  und  T  u  r  s  k  y  festgestellt,  daß  die  Schütte  durch 
einen  Pilz,  den  Kiefernritzenschort,  Lophodermium  (früher  Mysterium) 
pinastri,  veranlaßt  werde.  Professor  Dr.  von  Tubeuf  kommt  durch  von  ihm 
ausgeführte  Infektionsversuche  zu  dem  Satz:  ,,Daß  der  Schüttepilz  an  den  Nadeln 
junger  Pflanzen  parasitär  auftritt,  erscheint  zweifellos  i)",  und  Professor  Dr.  H. 
M  a  y  r  ,  der  solche  Versuche  ebenfalls  angestellt  hat,  spricht  auf  Grund  derselben 
die  Ueberzeugung  aus  ^),  daß  es  weder  eine  Frost-  noch  Ueberverdunstungsschütte 
gebe,  sondern  nur  eine  Pilzschütte,  veranlaßt  durch  eine  Infektion  mit  Sporen 
des  oben  genannten  Pilzes. 

Diese  Infektion  erfolgt  an  einjährigen,  wie  älteren  Pflanzen  nur  zur  Zeit  des 
Wachstums  der  Nadeln,  von  Mai  bis  Juli;  die  Zunahme  der  Mißfarbigkeit  und  end- 
liche Rötung  der  Nadeln  im  Herbst  und  Winter  ist  keine  Ausbreitung  der  Krankheit 
auf  gesunde  Gebiete,  sondern  nur  fortschreitende  Entwickelung  des  Schüttepilzes. 
Die  infizierenden  Sporen  haben  nur  geringe  Flugfähigkeit,  verbreiten  sich  aber  aus- 
fallend durch  Wind  auf  ihre  nächste  Umgebung. 

Stets  sind  es  nur  schwächere  1 — 5jährige  Pflanzen,  welche  vollständig 
von  der  Schütte  befallen  werden,  während  an  älteren  Pflanzen  nur  die  untern  Aeste 
die  Erkrankung  zeigen.  Schwächere  Pflanzen,  so  namentlich  jene  in  dichten  Saat- 
kulturen und  Saatbeeten,  sterben  ab,  kräftigere  erholen  sich  wohl  wieder,  doch  werden 
die  Saatbeetpflanzen  wohl  stets  als  verloren  bezw.  unbrauchbar  zu  betrachten  sein; 
zweijährige  Föhren  im  Saatbeet  schütten  fast  unausbleiblich.  Für  den  Wirt- 
schafter aber  entstehen  durch  die  bisweilen  innerhalb  weniger  Tage  sichtbar  werdende 
Erkrankung  seiner  Föhrensaatbeete  oft  große  Verlegenheiten. 

Als  Mittel  der  Vorbeugung  in  Saatkämpen  empfiehlt  M  a  y  r  die  Ansaat 
vieler  kleiner  Kämpe  oder  die  Trennung  der  Saatbeete  im  größern  Kamj)  durch  iso- 
lierende Hecken  von  Fichten,   Thujen  u.  dgl.,   das  Untergraben  der  getöteten  oder 


1)  ,, Studien  über  die  SciiüUekrankheit"  1901  in  Arbeiten  aus  der  biologisclien  Abteilung 
für  Land-  und  Forstwirtschaft  am  Kaiser).  Gesundheitsamte. 

2)  „Ist  der  Schüttepilz  ein  Parasit?"    Forstw.  Z.-Bl,  1902  S.  47,3  und  1903  S.  547. 


Erkrankungen  durch   Pilze.     §  Hl.  287 

stark  erkrankten  Pflanzen  und  Benutzung  der  Saatbeete  zur  Nachzucht  anderer 
Holzarten. 

Zur  Bekämpfung  der  Schütte  in  Saatkulturen  hat  die  Neuzeit  ein  Mittel 
durch  Bespritzung  mit  Kupfersalzen  gebracht  ^).  Zur  Verwendung  kommt  insbe- 
sondere die  sog.  Bordelaiser  Brühe,  hergestellt  durch  Lösung  von  2  kg  Kupfervitriol 
in  100  1  Wasser  unter  Zusatz  von  1  kg  frisch  gebranntem  Kalk,  dann  eine  Kupfer- 
soda-Brühe —  1  kg  Kupfersoda  in  100  1  Wasser  — ,  endlich  auch  Lösungen  von  Kupfer- 
zuckerkalk und  Kupferklebekalk.  Mit  diesen  Brühen  werden  die  im  2.  Lebensjahr 
stehenden  Kiefernstreifensaaten  im  Sommer  (Juni  bis  September)  teils  ein-,  teils 
mehrmals  mit  Hilfe  einer  Rebenspritze  bespritzt  und  hiedurch  in  vielen  —  nicht 
allen  —  Fällen  gute  Erfolge  erzielt;  in  den  Saatbeeten  dagegen  an  den  im  ersten 
Lebensjahr  stehenden  Pflanzen  erweist  sich  das  Bespritzen  als  erfolglos.  —  Eine 
\Mederholung  des  Bespritzens  der  Kulturen  im  3.  und  4.  Lebensjahr  ist  bisweilen 
nötig.  Die  nicht  geringen  Kosten  stehen  der  ausgedehnten  Anwendung  etwas  im  Weg. 

4.  Erkrankungen  durch  Pilze  -). 

gm.  Wie  insbesondere  durch  Robert  H  a  r  t  i  g  nachgewiesen  wurde,  werden 
eine  nicht  geringe  Anzahl  von  Mißbildungen  und  Erkrankungen  unserer  Waldbäume 
durch  auf  und  in  ihnen  wuchernde  parasitische  Pilze  hervorgerufen.  Teils  auf  dem 
^\"eg  direkter  Ansteckung,  indem  das  sog.  Mycelium  des  Pilzes  unterirdisch  (weil  es 
oberirdisch  dem  raschen  Vertrocknen  ausgesetzt  sein  würde),  von  der  Wurzel  einer 
erkrankten  Pflanze  ausgehend,  in  jene  der  Nachbarpflanzc  eindringt,  teils  durch  die 
Sporen,  die  in  großer  Masse  erzeugten,  sehr  kleinen  und  daher  durch  Wind,  durch 
Tiere  und  Menschen  leiclit  zu  verschleppenden  Fortpflanzungsorgane,  gelangen  die 
Pilze  auf  und  in  die  Gewächse,  wobei  ihnen  nicht  selten  Verwundungen  irgend  welcher 
Art  den  Zugang  öffnen.  In  verschiedenster  Weise  beeinträchtigen  sie  dann  die  Wirts- 
pflanze, bald  nur  unwesentliche  Mißbildungen  hervorrufend,  bald  das  Holz  zer- 
setzend, bald  den  Baum,  die  Pflanze  mehr  oder  weniger  rasch  tötend. 

Es  ist  jedenfalls  Aufgabe  des  Forstmannes,  sich  auch  mit  diesen  Feinden  des 
^^'aldes  bekannt  zu  machen,  umsomehr,  als  gar  manchen  durch  vorbeugende  Maß- 
regeln entgegengearbeitet,  die  weitere  Verbreitung  oder  Wiederholung  des  Schadens 
vermieden  werden  kann.  Als  solche  Maßregeln  im  allgemeinen  bezeichnet  Hartig 
die  Erziehung  gemischter  Bestände,  wodurch  jeder  Baum  gleichsam  durch  Nachbar- 
bäume anderer  Art  isoliert,  gegen  direkte  Ansteckung  geschützt  werde;  Wechsel 
der  Holzarten  auf  Böden,  die  durch  Wurzelparasiten  infiziert  sind;  Ausreißen  er- 
krankter Pflanzen  tunlichst  mit  den  Wurzeln,  Entfernung  pilzkranker  Stämme 
(Schwammbäume  etc.);  Isolierung  erkrankter  Bestandspartien  (bei  Wurzelparasiten) 
durch  Stichgräben. 

Dem  knappen  uns  hier  gestatteten  Raum  entsprechend  führen  wir  nur  jene 
durch  Pilze  hervorgerufene  Krankheiten  an,  welche  einerseits  durch  häufiges  Auf- 
treten ins  Auge  fallen  oder  bez.  deren  uns  Maßregeln  des  Schutzes  zur  Seite  stehen. 
Systematik  und  Lebe;risweise  der  Pilze  gehören  in  das  Gebiet  der  Forstbotanik. 

a .  Pilze  auf  B  1  ä  1 1  e  r  n  u  n  d  Nadeln. 
§   1 12.     Der  Buchenkeimlingspilz,  Phytophtora  omnivora   (früher 
fagi,  weil  zuerst  an  der  Buche  beobachtet),  tritt  vorwiegend  auf  den  Keimpflanzen 

1)  Osterheld,  Friedrich,  Die  erfolgreiche  Bekämpfung  der  Kiefernschütte.  Forslw. 
Z.-Bl.    1898    S.    399. 

2)  Bezüglich  der  Besprechung  der  Pilze  an  dieser  Stelle,  statt  bei  dem  Schaden  durch  Pflan- 
zen, sei  auf  das  in  §  85  Gesagte  verwiesen. 


288  ^'I-  Fürst,  Forstschutz. 

der  Rotbuche  auf,  ebenso  aber  auch  auf  jenen  des  Ahorns  und  sämUicher  Nadel- 
hölzer, und  äußert  sich  durch  Schwarz-  oder  Schwarzfleckigwerden  der  Stengel, 
Samenlappen  und  ersten  Blätter.  Die  befallenen  Pflanzen  gehen  rasch  zugrunde, 
die  jungen  Nadelholzkeimlinge  sterben  oft  in  großer  Menge  während  des  Aufgehens 
oder  unmittelbar  nach  demselben  ab.  Feuchtwarmes  Wetter  befördert  die  Verbrei- 
tung sehr;  die  sich  rasch  entwickelnden  Schwärmsporen  gelangen  teils  direkt,  teils 
durch  Verschleppung  (im  Pelz  der  Mäuse,  Kleidern  der  Menschen)  auf  die  Nachbarn 
wie  auf  entferntere  Pflanzen,  auch  diese  infizierend  und  tötend. 

Vorsichtiges  Ausziehen  erkrankter  Pflanzen  im  Saatbeet  oder  Uebererden  beim 
Zusammenstehen  vieler;  Vermeiden  der  Wiederbenutzung  eines  infizierten  Saat- 
kampes zur  Saat,  da  die  Sporen  mehrere  Jahre  keimfähig  bleiben,  werden  als 
Schutz-  und  Vorbeugimgsmittel  zu  betrachten  sein. 

Als  eine  vorher  wenig  beobachtete  Erscheinung  ist  in  den  Jahren  1908 — 1911 
der  Eichenmehltau  in  ganz  Deutschland  wie  den  Nachbarländern  epidemisch 
aufgetreten,  die  Blätter  und  Triebe  insbesondere  von  Eichen-StocTiausschlägen  und 
jüngeren  Pflanzen  mit  weißem  Mycel  überziehend.  Blätter  und  Triebspitzen  bräunen 
sich  vielfach  und  werden  trocken,  insbesondere  die  Johannitriebe.  Die  Zugehörig- 
keit des  Pilzes  (ob  Microsphära  quercina  oder  Erysiphe  Quercus)  konnte,  da  bisher 
nur  Konidien  gefunden  wurden,  noch  nicht  festgestellt  werden.  Gegenmittel  sind 
nicht  anwendbar  ^). 

Häufig  treten  auf  den  Nadeln  unserer  Nadelhölzer,  wie  auf  den  Blättern  von 
Laubhölzern  Erscheinungen  auf,  die  man  nach  ihrer  Färbung  als  R  o  s  t  erscheinungen 
bezeichnet  hat.  Als  einer  der  verbreitetsten  sei  hier  der  Fichtennadelrost 
(Chrysomyxa  abietis)  genannt,  der  auf  den  jungen  Nadeln  der  Fichte,  insbesondere  in 
Dickungen  und  Stangenhölzern,  auftretend  diese  im  infizierten  Teil  gelb  färbt  und 
zum  Vertrocknen  und  Abfallen  bringt.  Die  Erscheinung  tritt  in  manchen  Jahren 
in  sehr  bedeutendem  Grad  auf,  in  anderen  nur  sehr  schwach  —  die  Wittemngsver- 
hältnisse  zur  Zeit  des  Ausfallens  der  Sporidien  spielen  hiebei  offenbar  eine  sehr  wesent- 
liche Rolle;  eine  Gefahr,  die  zu  Gegenmitteln  aufforderte,  bringt  sie  jedoch  nicht 
mit  sich.   Aehnliche  Erscheinungen  treten  auf  den  Nadeln  der  Tanne  und  Lärche  auf. 

Auch  der  Kiefern  ritzenschorf  (Lophodermium  Pinastri)  gehört  hier- 
her; auf  den  natürlich  absterbenden  Kiefernnadeln  allenthalben  als  Saprophyt  auf- 
tretend, finden  wir  ihn  auch  parasitisch  auf  den  grünen  Nadeln  junger  Pflanzen, 
die.bekannte  und  schon  oben  besprochene  Krankheit  der  Schütte  erzeugend.  (Vergl. 


b.  Pilze  an  den  Wurzeln. 

§  113.  Der  Honigpilz  oder  Hallimasch  (Agaricus  melleus)  ist  ein 
sehr  verbreiteter  Pilz,  der  teils  saprophytisch  an  den  abgestorbenen  Stöcken  und 
Stämmen  von  Laub-  und  Nadelholz  lebt,  teils  als  echter  Parasit  insbesondere  jüngere 
Nadelholzpflanzen  befällt  und  tötet,  und  als  Kulturverderber  schon  sehr  schädlich 
aufgetreten  ist.  Die  unterirdisch  fortwachsenden  schwarzen  Mycelstränge  des  Pilzes 
bohren  sich  in  die  Rinde  der  Wurzeln  ein,  auf  die  sie  stoßen,  und  verbreiten  sich  dann 
unter  der  Rinde  emporwachsend  als  ein  weißes  hautartiges  Gewebe,  das  Rindengewebe 
tötend.  Im  Herbst  entwickeln  sich  sowohl  an  infizierten  Pflanzen  und  Stämmen, 
wie  an  im  Boden  wachsenden  Mycelsträngen  (Rhizomorphen)  vielfach  die  großen 

1)  Bericht  der  biol.  Anstalt  für  Land-  und  Forstwirtschaft  1908.  Forstl.  naturw.  Zeitschrift 
1909.   1910. 


Pilze  am  Stamm.     §   114.  289 

braungelben  Schwämme,  die  Fnichtträger,  deren  S|X)ren  durch  Wind  und  Tiere 
weiter  verbreitet  werden.  Charakteristisch  ist  der  starke  Harzfluß,  den  die  befallenen 
Pflanzen  unmittelbar  an  und  ühor  der  Erde  zeigen.  —  Auch  ältere  Stämme  fallen 
diesem  Pilz  zum  Opfer. 

In  Nadelholzkulturcn  macht  sicii  der  Pilz  durch  das  platzweise  Erkranken  und 
Absterben  von  Pflanzen  oft  sehr  lästig  und  veranlaßt  wiederholte  Nachbesserungen. 
Man  wird  die  erkrankten  Partien  zur  ^'e^neidung  weiterer  unterirdischer  Ansteckung 
durch  Stichgräben  isolieren,  die  kranken  Pflanzen  ausreißen  und  verbrennen,  die 
Lücken  wo  m  ö  g  1  i  c  h  mit  Laubholz  statt  mit  aufs  neue  bedrohten  Nadelholz- 
pflanzen ausfüllen. 

Der  \V  u  r  z  e  1  s  c  h  w  a  m  m  (Trametcs  radiciperda  oder  Polyporus  annosus) 
lebt  ebenfalls  saprophytisch  wie  als  Parasit  und  ist  als  solcher  ein  gefährlicher  Feind 
der  Fichten-  und  Föhrenbestände,  in  welchen  er  als  Ursache  der  Rotfäule  und  des 
Absterben«  zahlreicher  Individuen  auftritt,  die  Bestände  licht  und  lückig  machend. 
Die  Ansteckung  erfolgt  in  doppelter  Weise,  durch  Sporen  wie  durch  den  Kontakt 
der  Wurzeln  eines  erkrankten  mit  jenen  eines  gesunden  Stammes,  wobei  dann  von 
der  infizierten  Wurzel  aus  die  Fäulnis  bei  der  Fichte  oft  rasch  im  Stamm  aufwärts 
dringt,  während  bei  der  Föhre  durch  den  starken  Harzgehalt  und  das  Ergießen  des 
Harzes  aus  den  zersetzten  in  die  unzersetzten  Schichten  der  Wurzelstock  verkient, 
wodurch  dem  Aufsteigen  der  Fäulnis  im  Baum  ein  Hindernis  entgegengesetzt  wird, 
der  Stanmi  aber  rasch  abstirbt.  —  Das  Mycel  des  Pilze's  dringt  teils  ins  Holz,  dieses 
zersetzend,  teils  ins  Bastgewebe,  dasselbe  tötend;  die  Fruchtträger  des  Pilzes  er- 
scheinen am  Wurzelstock  und  den  Seitenwurzeln,  weiß,  auf  der  sterilen  Seite  braun, 
auch  ringförmig  in  mannigfacher  Weise  gefärbt  und  von  verschiedener  Gestalt,  und 
vegetieren  4 — 5  Jahre  fort. 

Mittel  gegen  diesen  Pilz  stehen  uns  nicht  zur  Verfügung;  vor  den  von  H  a  r  t  i  g 
empfohlenen  isolierenden  Stichgräben  wird  von  anderer  Seite  (Kienitz,  Möller)  ge- 
radezu gewarnt,  da  sich  in  ihnen  aus  allen  etwa  durchstochenen  erkrankten  Wurzeln 
üppige  Fruchtkörper  entwickeln,  die  der  \'erbreitung  des  Pilzes  durch  Sporen  \'or- 
schub  leisten. 

In  Eichensaatbeeten  wurde  der  Eichen  wurzeltöter  (Rosellinia  quer- 
cina)  vielfach  beobachtet,  ein  Pilz,  der  mit  seinen  Strängen  die  Wurzeln  1 — 3jäiuiger 
Eichen  umspinnt  und,  in  die  jüngsten  Wurzelteile  eindringend,  diese  in  kurzer  Frist 
tötet.  Die  Pflanzen  veibleichen  und  vertrocknen,  und  insbesondere  in  feuchten  Som- 
mern nimmt  die  Krankheit  oft  größere  Dimensionen  an.  —  Auch  hier  werden,  da  die 
Ansteckung  nur  unterirdisch  durch  Kontakt  erfolgt,  isolierende  Stichgräben  um  be- 
fallene Pflanzengruppen  sowie  Ausgraben  und  ^'erbrennen  erkrankter  Pflanzen  als 
Gegenmittel  empfohlen. 

c.  Pilze  am  S  t  a  m  m. 

§  114.  Allbekannt  sind  die  L  ö  c  h  e  r  p  i  1  z  e  oder  B  a  j  m  s  c  h  w  ä  m  m  e 
•der  Gattung  Polyporus.  die  früher  allgemein  als  ein  Beweis  für  die  Erkrankung  eines 
Baumes  und  für  auf  und  in  dem  abgestorbenen  Holz  lebende  Saprophyten  gehalten 
wurden,  die  aber  zum  Teil  auch  echte  Parasiten  sind,  deren  Mycel  im  Innern  des 
Stammes  wuchert,  das  Holz  zersetzend,  während  die  verschieden  gestalteten,  häufig 
konsolenförmigen  Fruchtträger  außen  am  Stamm  sitzen.  —  Da  die  Ansteckung 
durch  die  in  großer  Zahl  erzeugten  Sporen  erfolgt,  wenn  diese  eine  passende  Keim- 
stätte in  Astwunden,  Schälrissen  u.  dgl.  finden,  so  erscheint  baldmöglichste  Ent- 

Handb.  d.  Forstwiss.    3.  Aufl.    II.  19 


290  ^"-  Fürst,  Forstschutz. 

femung  der  Schwammbäume  umsomehr  geboten,  als  der  Zersetzungsprozeß  in  deren 
Innerem  raschen  Fortgang  zu  nehmen  pflegt.  Es  sind  Laub-  wie  Nadelhölzer,  welche 
diese  Erkrankung  zeigen,  und  kommen  einzelne  Polyporus-Arten  nur  auf  einer 
Holzart,  andere  an  den  verschiedensten  Laub-  und  Nadelhölzern  vor. 

Der  Lärchenkrebspilz  (Peziza  Willkommii)  erscheint  als  eine  sehr 
häufige  Krankheit  der  Jüngern  Lärchen,  diese  verunstaltend,  zum  Kümmern 
und  selbst  Absterben  bringend.  Dringen  die  Sporen  an  irgend  einer  Wundstelle  des 
Stammes  ein,  so  entwickelt  sich  das  Mycel  des  Pilzes,  wuchert  unter  der  Rinde,  deren 
Gewebe  tötend  und  selbst  ins  Holz  eindringend;  infolge  der  Bildung  von  Korkschicli- 
ten  wird  die  Rinde  ausgedehnt,  platzt  auf  und  es  entsteht  eine  sog.  Krebsstelle,  auf 
der  sich  auch  der  Ausfluß  von  Terpentin  zeigt  und  die  sich  alljährlich  vergrößert, 
zuletzt  bisweilen  den  Stamm  umfassend  und  ihn  dann  tötend.  Auf  der  Krebsstelle 
nimmt  man  die  Fruchtträger  des  Pilzes,  rote  Schüsselfrüchte,  wahr,  aus  kleinen 
gelbweißen  Pusteln  sich  entwickelnd,  die  bei  Trocknis  und  Luftzug  sehr  leicht  ver- 
trocknen und  absterben.  Hartig  glaubt  in  diesem  leichten  ^'ertrocknen  den  Grund 
zu  finden,  weshalb  die  Lärchen  in  den  lichten  Beständen  und  luftigen  Hochlagen 
der  Alpen  von  dem  Pilz  wenig  zu  leiden  haben,  während  die  Krankheit  in  allen  feuch- 
teren und  dumpfigeren  Lagen  und  in  geschlossenen  Beständen  nicht  selten  in  solcher 
Ausdehnung  auftritt,  daß  hiedurch  die  Erhaltung  der  Lärche  direkt  gefährdet  er- 
scheint. Vermeidung  der  eben  bezeichneten  Lagen  und  möglichst  vorwüchsiger 
Anbau  der  Lärclie  im  gemischten  Bestand  würden  als  Vorbeugungsmittel  zu  bezeich- 
nen sein  '). 

Der  T  a  n  n  e  n  p  i  1  z  (Aecidium  elatinum)  erzeugt  zunächst,  wenn  seine  Sporen 
in  eine  Wundstelle  eines  Tannenastes  eindringen,  durch  sein  Mycel  die  bekannte 
eigentümliche  Erscheinung  der  sog.  Hexenbesen,  deren  oft  auf  einer  Pflanze,  einem 
Stämmchen  eine  größere  Anzahl  erscheint,  beulenartige  Auftreibung  und  Wucherung 
an  der  befallenen  Stelle  hervorrufend  und  von  dieser  Stelle  aus,  vielleicht  auch  durch 
direkte  Infektion  von  WundsteUen  an  den  Stamni  gelangend.  Hier  erscheinen  dann 
die  gleichen,  den  ganzen  Stamm  umfassenden  Anscliwellungen,  die  später  aufplatzend 
die  sog.  Krebsbeulen  erzeugen;  der  Stamm  wird  an  der  betr.  Stelle  schadhaft,  das 
Holz,  durch  Wundfäule  oder  eindringende  andere  Parasiten  weiter  zersetzt,  ^u  Nutz- 
holz untauglich,  und  bei  Sturm  oder  bei  Schneebelastung  sehen  wir  die  Stämme 
nicht  selten  an  der  befallenen  Stelle  abbrechen.  Bei  dem  häufigen  Auftreten  des 
Krebses  in  Weißtannenbeständen  (Schwarzwald)  kann  der  Schaden  ein  sehr  bedeu- 
tender werden;  man  sucht  ihn  durch  sofortige  Entfernung  jeder  krebskranken  Tanne, 
insbesondere  bei  Durchforstungen,  sowie  duicli  tunlichste  Beseitigung  der  Hexen- 
besen im  Walde  zu  mindern. 

Der  K  i  e  f  e  r  n  b  a  u  m  s  c  h  w  a  m  m  (Trametes  pini),  vorzugsweise  in  den 
altern  Kiefernbeständen  Norddeutschlands  auftretend,  selten  in  Süddeutschland, 
im  übrigen  auch  an  Fichten,  Lärchen  und  Tannen  beobachtet,  erscheint  als  Ursache 
der  sog.  Ring-  oder  Kernschäle,  die  fast  immer  von  den  Aesten,  also  der  Krone  der 
Stämme,  ausgeht.  Seine  Sporen,  auf  frische,  durch  Harzüberzug  nicht  geschützte 
Astwunden  gelangend,  lassen  den  Keimschlauch  ins  Innere  des  Stammes  eindringen, 
und  da  sich  das  Mycel  mit  größerer  Geschwindigkeit  innerhalb  des  Jahresringes 
als  seitlich  verbreitet  und  das  Holz  zersetzt,  so  entsteht  hiedurch  die  Ringschäle. 
Die  nach  reicher  Wucherung  des  Mycels  im  Innern  an  jenen  Stellen,  wo  tote  Ast- 

1)  Borggreve  tritt  dieser  Ansicht  entgegen,  hält  vor  allem  die  Lärchenmolle  (s.  §  60) 
für  die  Ursache  des  schlechten  Gedeihens  so  vieler  Lärchen.  Vergl.  A.  F.-  u.  J.-Z.  1871.  S.  13ä 
und  F.-BI.  1875.  S.  195.  Nach  G  i  e  s  1  a  r  s  Angabc  erscheint  der  Pilz  in  den  Alpen  an  den  Lärchen 
sehr  häufig  als  unschädlicher  Astkrebs  an  absterbenden  Aesten. 


Pilze  am   Stamm.     §   114.  09J 

»tuiamt'l  die  Splintschicht  diirclisetzen.  erscheinenden  konsolenförmigen  Fruolil- 
träger  fordern  zu  rascher  Entfernung  der  infizieiten  Stämme  auf.  Der  Schaden  ist 
bei  der  großen  \'erbreitung  des  Baiunscliwammes  ein  außerorfh'utlic.li  großer,  da  die 
befallenen  Stämme  ganz  oder  großenteils  zu  Nutzholz  unbrauchbar  sind;  gibt  doch 
Möller  den  Anfall  an  Schwammholz  in  den  preußischen  Staatsforsten  1905 — 1908 
auf  rund  4  Millionen  Festmeter  an!  Angesichts  dessen  hat  die  preuß.  Regierung  eine 
intensive  Bekäm|ifung  durch  Aushieb  der  befallenen  Stämme  und,  wo  dies  nicht 
tunlich,  Beseitigung  der  Pilzkonsolen  unter  Bestreichung  der  Anlieftungsstellen  mit 
Raupenleim  angeordnet  *).     Die  abgestoßenen  Konsolen  sind  zu  verbrennen. 


1)  Möller,  ,,Ueber  die  Nol\vcnilif;l<eit  und  Mögliclil<eil  wirksamer  Bekämpfung  des  Kie- 
fernbaumscliwammes",  Z.  f.  F.-  u.  .J.-W.  Iitü4,  und  ,,Der  Kampf  gegen  den  Kiefernbaumscliwamm" 
Z.  f.  F.-  u.   .J.-\V.   1910.  S.   130. 


19^ 


292 


VIII. 

Die   W  i  1  d  b  a  c  h  -   und    L  a  \\'  i  n  e  n  v  e  r  b  a  u  u  n  g. 

Von 

Ferdinand  Wang. 


§  1.  Einleitung.  Die  außerordentlichen  Hochwasserverheerungen,  welche 
namentlich  in  den  letzten  Dezennien  des  verflossenen  .Jaln-liundorts  in  rascher  Folge 
das  europäische  Festland  heimgesucht  haben,  lenkten  die  Aufmerksamkeit  auf  eine 
früher  wenig  geübte  kulturelle  Tätigkeit,  auf  die  ^'erbauung  der  Wildbäche. 

Seither  vollzog  sich  auf  dem  in  Rede  stehenden  Gebiete  ein  außerordentlicher 
Umschwung,  es  entwickelten  sich  Theorie  und  Technik  der  Verbauung,  und  die  ge- 
machten reichen  Erfahrungen  erwiesen  die  Zweckmäßigkeit  und  Notwendigkeit 
rationeller  Verbauungsmaßnahmen. 

Die  zunehmenden  Lawinenschäden  erfordern  ein  energisches  Vorgehen  auch 
auf  diesem  Gebiete,  welches  sich  gleichfalls  einer  steten  technischen  Entwicklung 
erfreut. 

Wenn  Natur  und  Technik  dieser  beiden  kulturellen  Maßnahmen  in  dem  vorliegen- 
den Handbuch  in  Kürze  erörtert  werden  sollen,  so  geschieht  dies  aus  dem  Grunde, 
weil  mit  der  Durchführung  derselben  in  einzelnen  Staaten,  so  insbesondere  in  Oester- 
reich  und  Frankreich,  teilweise  auch  in  der  Schweiz,  der  Forstmann  betraut  ist,  der 
übrigens  auch  allenthalben  in  die  Lage  versetzt  werden  kann,  wenigstens  kleine  Uebel 
rasch,  billig  und  wirksam  zu  heilen  und  hiemit  großen  Katastrophen  in  manchmal 
ganz  unberechenbar  günstiger  Weise  vorzubeugen. 

Er  soll  deshalb  zum  mindesten  im  allgemeinen  über  die  einscidägigen 
Verhältnisse  unterrichtet  sein,  und  hiezu  sollen  ihm  die  folgenden,  durch  den  vorge- 
schriebenen Raum  in  enge  Grenzen  gezogenen  Ausführungen  dienen. 

Dieselben  bilden  einen  durch  die  Erfahrungen  der  letzten  Jahre  bereicherten 
kurzen  Auszug  des  bei  S.  Hirze!  in  Leipzig  in  den  .Jahren  1902  und  1903  erschienenen 
Werkes  des  Verfassers :  ,,G  r  u  n  d  r  i  ß  d  e  r  W  i  1  d  b  a  c  h  v  e  r  b  a  u  u  n  g"  I.  und 
IL  Teil. 

A.  Die  Wildbachvcrbauung. 

§  2.  Die  Charakteristik  und  Einteilung  d  e  r  ^^■  i  1  d  b  ä  c  h  e. 
Aus  naheliegenden  Gründen  ist  es  nicht  leicht  möglich,  mit  kurzen  ^^'orten  eine  allge- 


A.    Die  Wildbachverbaiiung.     §  2.  293 

mein  preltencie,  sich  allen  Wrhällnissen  anschmiegende  und  erschöpfende  Charakteri- 
stik der  \\"ildbäche  aufzustellen.  Zeigen  schon  die  Bäche  der  Alpen  je  nach  den  geo- 
gnostischen,  oro-  und  hydrographischen  Verhältnissen  oft  wesentlich  von  einander 
verschiedene  Eigenschaften,  so  nuiß  selbstverständlich  auch  der  Bach  des  Mittelge- 
birges, der  Bach  der  Niederung,  wenn  zum  ^^'ildbach  geworden,  ganz  besondere,  unter- 
scheidende Merkmale  an  sich  tragen. 

Immerhin  drückt  die  Bezeichnung  ,,W  i  1  d  b  a  c  h"  allen  jenen  Gewässern,  welche 
man  mit  Recht  in  diese  Kategorie  einreiht,  einen  gewissen  Stempel  auf,  der  sie  viel- 
leicht allgemein  am  besten,  wenn  auch  nicht  erschöpfend  charakterisiert. 

Ohne  die  speziellen  Verhältnisse  näher  zu  kennen,  wird  man  unter  der  Bezeich- 
nung ,,W  i  1  d  b  a  c  h"  ein  Ge\\ässer  vermuten,  das  nicht  ununterbrochen,  sondern 
nur  bei  gewissen  Anlässen  verhältnismäßig  rasch  und  mit  ganz  außerordentlicher 
Kraftentwickelung  die  Wässer  talabwärts  führt  und  sich  eben  dadurch  seiner  Umge- 
bung gefahrbringend  zeigen  muß.  Dieses  plötzliche  oder  doch  sehr  rasche  Entfesseln 
ist  es,  das  so  eigentlich  dem  Bache  den  Charakter  des  Wildbaches  gibt  und  dem  auch 
die  meisten  und  größten  Verheerungen  zugeschrieben  werden  müssen. 

Bringt  allein  schon  die  plötzliche  oder  doch  sehr  rasche  Zufuhr  von  großen 
Wassermassen  Unzukömmlichkeiten  aller  Art  mit  sich,  wie  furchtbar  müssen  diese 
letzteren  erst  werden,  wenn  dem  entfesselten  Elemente  noch  Schotter,  Schutt,  Gerolle 
usw.,  wie  dies  in  der  Regel  der  Fall  ist,  beigemengt  sind !  Abgesehen  von  vielen  schäd- 
lichen Folgen,  als  \'erklausungen,  zahlreichen  Ufereinbrüchen  usw.,  die  eine  solche 
Beimengung  haben  kann,  muß  auch  die  Ablagerung  dieser  letzteren  besonders 
gefahrbringend  seiil. 

Einer  jeden,  wenn  man  so  sagen  darf,  krankhaften,  raschen  Entfesselung  des 
^^'ildbaches  muß  auch  verhältnismäßig  rasch  wieder  ein  —  zumeist  sehr  teuer  er- 
kaufter —  Zustand  der  Ruhe  folgen.  Aus  verschiedenen  Gründen  bricht  sich  oft 
schon  während  des  \'erlaufes  der  Katastrophe  die  Kraft  der  Wässer  des  Wildbaches, 
und  gleichsam  erschlaffend  läßt  letzterer  die  mitgeführte  Last,  unbekümmert  um 
die  Oertlichkeit,  sinken,  ohne  imstande  zu  sein,  sie  schadlos  an  andere  Wässer  abzu- 
geben. Diese  Ablagerung,  Alluvion,  macht  nun  aber  die  Wildbäche  besonders  be- 
achtenswert und  sie  gehört  zu  den  gefährlichsten  Folgeerscheinungen  ihrer  Tätigkeit. 
Aus  dem  Vorstehenden  kann  der  Schluß  gezogen  werden,  daß  einerseits  rasche  Ent- 
fesselung und  Zufuhr  von  großen  Wasser-  und  Geschiebemassen  oder  von  beiden 
zugleich,  dann  andererseits  in  der  Regel  gefahrvolle  Ablagerung  der  letzteren  als  die 
wesentlichsten  Eigenschaften  der  Wildbäche  anzusehen  sind. 

Diese  sind  wohl  auch  in  größerem  oder  geringerem  Maße  den  Flüssen 
eigen  1).  Es  darf  aber  nicht  außer  acht  gelassen  werden,  daß  diese  wildbachartigen 
Flüsse  ihren  Charakter  zumeist  dem  Charakter  jener  Wildbäche  verdanken,  aus  welchen 
sie  sich  zusammensetzen,  und  man  muß  sie  umsomehr  aus  der  Reihe  der  eigentlichen 
Wildbäche  ausscheiden,  als  sie  sich  von  den  letzteren  in  einer  Richtung  ganz  wesent- 
lich unterscheiden.  Während  die  eigentlichen  Wildbäche  mit  verhältnismäßig  kurzem 
Laufe  und  steilem  Gefälle  vorherrschend  das  Bestreben  zeigen,  ihre  Sohle  zu  ver- 
tiefen, sich  also  kolkend  verhalten,  zeigen  die  wildbachartigen  Flüsse  mit  verhältnis- 
mäßig längerem  Laufe  und  geringerem  Gefälle  den  Charakter  des  Flusses,  d.  h.  sie 
erhöhen  vorherrschend  ihr  Bett  und  verhalten  sich  entweder  gar  nicht  oder  doch  nur 
in  geringem  Maße  auf  kurzen  Strecken  kolkend. 


1)  Prof.  Dr.  Breitenlohner,  „Wie  Murbrüclie  entstehen",  Wien  1883. 


294  N'III.    \V  a  n  g  ,  Die  Wildbach-  und  Lawinenverbauung. 

Diese  wildbachartigen  Flüsse  haben  schon  Fahre  i)  und  Surell  -)  von  den  eigent- 
lichen Wildbächen  geschieden.  Ersterer  nennt  sie  zum  Unterschiede  von  torrents, 
torrents-rivieres,  letzterer  rivieres  torrentielles. 

Die  vorstehende  allgemeine  Charakteristik  der  Wildbäche  erfährt  eine  wesent- 
liche Ergänzung,  wenn  die  von  einigen  Autoren  getroffene  Einteilung  berücksich- 
tigt wird. 

Josef  Duile^),  der  nur  die  Verhältnisse  Tirols  vor  Augen  hat,  teilt  die  Wild- 
bäche wie  folgt  ein: 

1.  In  solche,  welche  ununterbrochen  das  ganze  Jahr  hindurch  fließen;  sie  wer- 
den entweder  von  immerwährend  tätigen  Quellen  oder  von  Seen  und  Gletschern  ge- 
speist; 

2.  In  solche,  welche  erst  beim  Eintreten  der  wärmeren  Witterung  auftreten 
und  mit  der  kälteren  Witterung  zu  versiegen  beginnen;  ihnen  gibt  die  Wärme,  welche 
den  auf  den  Gebirgen  angehäuften  und  teilweise  in  Eis  übergegangenen  Schnee  auf- 
löst, ihr  Entstehen;  ihre  Wassermasse  steht  daher  immer  im  Verhältnisse  zu  dem 
Wärmegrade  in  den  Sommermonaten  und  der  den  Winter  hindurch  gefallenen  Masse 
des  Schnees  auf  den  Gebirgen; 

3.  in  solche,  die  erst  bei  länger  andauerndem,  warmen  Winde,  außerordentlich 
warmen  Regen,  bei  Hagel  oder  Wolkenbrüchen  entstehen. 

So  sehr  nützlich  nach  Anschauung  Duile's  die  Wildbäche  der  beiden  ersten 
Arten  unter  gewöhnlichen  Verhältnissen  dem  Menschen  durch  fruchtbare  Bewässe- 
rung der  Fluren  usw.  werden  können,  so  schädlich  müssen  sie,  in  tosende  Wildbäche 
umgewandelt,  sich  erweisen.  Da  die  Ursachen  des  Entstehens  der  Wildbäche  der 
dritten  Art  zumeist  nur  in  einzelnen  Gegenden  vorliegen,  so  sind  die  Verheerungen 
auch  in  den  meisten  Fällen  nur  partiell.  Selbstverständlich  werden  aber  durch  diese 
Ursachen  auch  die  Bäche  der  beiden  ersten  Arten  in  verheerende  Wildwässer  ver- 
wandelt. 

Von  einem  ganz  anderen  Gesichtspunkte  geht  Sureil  ^)  bei  der  Klassifikation  aus. 

Je  nach  der  Lage  des  Aufnahmsbeckens  unterscheidet  er: 

1.  Wildbäche,  die  von  einem  Sattel  ausgehen  und  in  ein  eigentliches  Tal  fUeßen; 

2.  solche,  die  von  einem  Gebirgskamm  ausgehen  und  in  der  Linie  des  stärksten 
Gefälles  herabstürzen  und 

3.  solche,  deren  Ursprung  unterhalb  des  Gebirgskammes  und  auf  den  Abhängen 
selbst  gelegen  ist. 

Demontzey*),  der  einstige  Leiter  des  Verbauungswesens  in  Frankreich,  teilt 
die  Wildbäche  in  zwei  große  Kategorien  ein. 

Die  erste  umfaßt  alle  jene  Wildbäche,  deren  Schuttmassen  lediglich  von  der 
Unterwühlung  der  Gebirgshänge  herrühren.  Er  nennt  sie  die  unterwühlenden  Wild- 
bäche, ,, torrents  ä  affouillements".  Zur  zweiten  Kategorie  zählt  Demontzey  jene 
Wildbäche,  die  vorwiegend  Verwitterungsprodukte  führen,  oder  die  von  Gletschern 
gespeist  werden.  Die  ersteren  nennt  er  ,, torrents  ä  casse",  die  Wildbäche  der  Schutt- 
halden; die  letzteren  ,, torrents  glaciaires",  die  Gletscherbäche. 

Eine  weitere  Einteilung  ist  diejenige  von  Costa  de  Bastelica  ^)  in  einfache  Wild- 
bäche, ,, torrents  simples",  mit  nur  einer  Schlucht,  und  in  zusammengesetzte  Wild- 

1)  Fabre,  ,, Essai  siir  la  tli^orie  des  torrents  et  de  riviferes".  Paris  1797. 

2)  Ale.xandre  Surell,  ,, Etüde  sur  les  torrents  des  Hautes-Alpes".  Paris  1842. 

3)  Josef   Duile,    ,,Ueber   Verbauung   der   Wikibäche   in    Gebirgsländern".    Innsbruck    1826. 

4)  P.  Demontzey,  ,,Trait6  pralique  du  reboisement  et  du  gazonnenient  des  niontagnes". 
Paris  1878,    In  deutscher  Uebersetzung  von  Dr.  A.  Freiherrn  von  .Seckendorft.  Wien  1880. 

5)  Costa  de  Bastelica,  ,,Les  torrents,  leurs  lois  et  leurs  effets".  Paris  1874. 


A.    Die  Wildbacliverbauun;;.     §  2.  295 

bäche,  „torrents  composös",  mit  zwei  oder  nieiireren  Schluc.liteu.  Demontzcy  fügt 
diesen  beiden  Arten  noch  eine  dritte,  den  sogenannten  musclielförniigen  AusriO, 
„la  combe",  bei. 

Gestützt  auf  die  Verhältnisse  der  österreichischen  Monarchie  liat  Ministeriahat 
Johann  Salzer  i)  die  Wildbäclie  in  zwei  große  Gruppen,  und  zwar  in  die  Wildbäciie 
des  Hochgebirges  und  in  jene  der  Berg-  und  Hügelländer  —  Böhmen,  Mähren,  Schle- 
sien, Galizien,  Bukowina  —  eingeteilt.  Die  ^^'ildbäche  der  ersten  Gruppe  werden  von 
ihm  in  vorwiegend  unterwühlende  und  in  vorwiegend  Verwitterungsprodukte  führende 
geschieden.  Zu  den  letzteren  werden  ausschließlich  die  Wildbäche  der  Kalkalpen 
gerechnet. 

Die  Wildbäche  des  Berg-  und  Hügellandes  mit  vorwiegend  mäßigem  Gefälle 
haben  brüchige  Stellen  zumeist  nur  in  den  höheren  Lagen,  weisen  im  ITnterlaufe  vor- 
herrschend Ufereinbrüche  im  Diluvium  auf  und  zeichnen  sich  besonders  durch  Zu- 
fuhr von  großen  Wassermassen  aus.  Von  den  Wildbächen  des  Hochgebirges  sind  sie 
zudem  noch  in  der  Regel  dadurch  unterschieden,  daß  bei  ihnen  die  Gebiete  der  Erosion 
und  Alluvion  nicht  so  scharf  getrennt  sind  wie  bei  diesen. 

Noch  sei  bemerkt,  daß  Professor  A.  Freiherr  von  Seckendorff  ^)  die  sogenannten 
Gießbäche  von  den  Wildbächen  trennt.  Es  sind  dies  seiner  Ansicht  nach  Bäche,  die 
meist  über  festes  Gestein  herabstürzen,  häufig  Wasserfälle  bilden  und  selten  außer 
Wasser-  noch  Erd-  und  Schuttmassen  mit  sich  führen.  Nach  Seckendorff  kann  ein 
Gießbach  niemals  zum  Wildbachc  werden.  Die  Gießbäche  sind  übrigens  nichts 
anderes  als  die  sogenannten  ,,ruisseaux"  Surell's,  der  die  Gewässer  außer  in  die  bereits 
namhaft  gemachten  ,,rivieres  torrentielles"  und  ,, torrents"  noch  in  ,,rivieres",  das 
sind  Flüsse  und  in  ,,ruisseaux",  das  sind  Bäche,  unterteilt.  Demontzey  fügt  allen 
diesen  noch  die  Runse,  den  Wasserriß,  ,,ravin"  hinzu. 

Die  vorstehend  namhaft  gemachte,  allerdings  nicht  erschöpfende  Einteilung 
der  Wildbäche  hat  mehr  oder  minder  ihre  Berechtigung.  Die  Einteilungen  nach  Surell, 
Bastelica  und  selbst  nach  Duile  sind  von  mehr  untergeordneter  Bedeutung,  weil  sie 
den  Charakter  des  Baches  nicht  genug  klarstellen,  wenigstens  nicht  so  klarstellen, 
daß  nach  ihm  auf  die  allenfalls  nötigen  oder  ratsamen  Gegenmaßregeln  geschlossen 
werden  könnte. 

Es  bilden  diese  Einteilungen  überdies  nichts  Feststehendes  und  es  kann  ihre 
Anwendung  häufig  auf  Schwierigkeiten  stoßen. 

Einen  wesentlich  höheren  Wert  dagegen  haben  die  Unterteilungen  nach  Demont- 
zey und  nach  Salzer.  Sie  geben  wenigstens  in  großen  Zügen  den  Bachcharakter  an 
und   lassen   auf  die  entsprechenden    Gegcnmaßregeln  schließen. 

Offenbar  gebührt  Demontzey  das  Verdienst,  daß  er  der  erste  war,  welcher  die 
eigentliche  Tätigkeit  des  Wildbaches  als  für  die  Einteilung  maßgebend  erachtete. 
Daß  er  die  sogenannten  Gletscherbäche  zu  den  vorwiegend  Verwitterungsprodukte 
führenden  Wildbächen  zählt,  ist  nicht  ganz  gerechtfertigt,  da  Gletscherbäche  sich 
auch  vorwiegend  durch  Unterwühhmg  auszeichnen  können  und  daher  bei  ihnen  im 
allgemeinen  das  anzuwendende  System  der  Verbauung  zweifelhaft  erscheint. 

Einen  großen  \'orzug  hat  die  Einteilung  nach  Salzer,  weil  sie  auch  die  Wildbäche 
der  Berg-  und  Hügelländer  ins  Auge  faßt,  was  um  so  gerechtfertigter  ist,  als  bei 
diesen  in  der  Regel  das  Svsteni  der  Verbauung  mehr  oder  weniger  abweichend  ist  von 


1)  Johann  Salzer,  ,,Ueber  den  Stand  der  Wildbachverbauungen  in  Oesterreicli".    Vortrag, 
gehallen  im   österreichischen   Forstkongresse.   Wien   1886. 

2)  A.   Freiherr  von   Seckendorff,  ,,\erbauung  der  Wildbäche,  Aufforstung  und  Berasung 
der  Gebirgsgründe".  Wien  1884. 


296  VIII.    Wang,   Die  Wildbacli    und  La\vinenverba\iung. 

jenen  Systemen,  die  bei  der  Verbauung  der  Wildbäche  des  Hochgebirges  in  Anwen- 
dung zu  kommen  haben. 

Wenn  an  dieser  letzteren  Einteilung  festgehalten  wird,  so  sollen  doch  bei  den 
Wildbächen  des  Hochgebirges  die  geognostischen  Verhältnisse  deshalb  außer  Betracht 
bleiben,  weil  sich  nicht  allein  die  Wildbäche  des  Kalk-,  sondern  auch  jene  des  kristal- 
linischen oder  des  Schiefergebirges  vorwiegend  durch  Führung  von  Verwitterungs- 
produkten auszeichnen  können. 

Die  von  Surell  und  Seckendorff  getroffene  Einteilung  in  Gießbäche  und  Wild- 
bäche, ,,ruisseaux"  und  ,,torrents",  hat  nur insofeme  Berechtigung,  als  die  ersteren  aus 
gewissen  Gründen  zeitweise  den  Charakter  der  letzteren  tatsächlich  nicht  besitzen.  Die 
allgemeine  Behauptung  aber,  daß  Gießbäche  niemals  den  Charakter  der  Wildbäche 
annehmen  können,  erscheint  zum  mindesten  sehr  gewagt,  denn  so  mancher  der  heute 
wütenden  Wildbäche  war  vielleicht  vor  nicht  geraumer  Zeit  zu  den  Gießbächen  zu 
zählen. 

§  3.  Die  Einteilung  des  Bach  Verlaufes.  Duile  (vergl.  Anm.  3, 
S.  294)  unterscheidet  innerhalb  des  Niederschlagsgebietes  drei  Sondergebiete,  welche 
von  ihm  im  weiteren  Verlaufe  seiner  interessanten  Schrift  als  ,, Sammelbecken",  weiters 
als  ,,Tobel"  oder  ,, Klamm"  und  schließlich  als  ,, Ablagerungsgebiet"  oder  ,, Ausguß- 
bett" bezeichnet  werden.  Die  Beschreibung  lautet :  ,,Man  denke  sich  nur  enge,  auch  bis 
12  Stunden  lange  Täler,  eingeschlossen  von  Höhen,  steilen  Gebirgen,  deren  Gipfel 
vielfältig  mit  ewigem  Eis  bedeckt  sind,  und  welche  da,  wo  sich  das  Tal  schließt,  das 
ist  im  Hintergrunde,  öfters  Trichter  von  ungeheurer  Ausdehnung  bilden  und 
nicht  selten  an  Ferner  grenzen;  man  denke  sich  weiters  diese  Gebirge  vielfältig  ver- 
wittert, die  Felsmassen,  aus  denen  sie  bestehen,  noch  locker,  unzusammenhängend, 
ihre  jäh  sich  gegen  das  Tal  abdachenden  Flächen  der  sie  schützenden  Decke  viel- 
fältig beraubt,  das  Gefälle  des  Tales  selbst  bis  zur  Ausmündung  äußerst  groß:  welche 
Verwüstungen  müssen  dann  wohl  in  solchen  Tälern  erfolgen,  wenn  Schnee  und  Eis, 
in  den  Schluchten  jahrelang  verborgen  liegend,  auf  einmal  schmelzen;  wenn  bei 
andauerndem,  warmem  Regen  die  große  Wassermasse  in  die  schon  damit  gesättigten 
steilen  Flächen  nicht  mehr  eindringen  kann,  sondern  mit  Gewalt  sich  über  dieselben 
und  über  Felsen  herabstürzt,  Schotter,  lockere  Erde,  entwurzelte  Bäume,  Felsstücke 
und  Steine  in  das  tiefe  Tal  fortreißt;  wenn  hier  dann  das  sich  sammelnde  Wasser 
—  durch  des  Tales  Fallen  an  Geschwindigkeit  immer  zunehmend  —  diese  schreck- 
lichen Massen  unter  fürchterlichem  Getöse  mit  sich  fortwälzt,  bis  es  dieselben  da,  wo 
das  Gefälle  sich  mindert,  d  a  s  T  a  1  erweitert,  daher  das  Wasser  an  Kraft  ab- 
nimmt, liegen  läßt." 

Vollkommen  übereinstimmend  mit  der  Anschauung  Duiles  ist  jene  Surells 
(vergl.  Anm.  2,  S,  294).  Er  unterscheidet  das  Aufnahmsbecken,  ,,bassin  der  recep- 
tion",  den  Abflußkanal,  ,,canal  d'ecoulement",  und  das  Ablagerungsgebiet,  ,,lit  de 
dejection".  Während  im  Aufnahmsbecken  die  Wässer  vorwiegend  unterwühlen,  im 
Ablagerungsgebiete,  wie  der  Name  sagt,  vorwiegend  ablagern,  ist  nach  Surell  im 
mittleren  Gebiete,  im  Abflußkanale,  eine  wesentliche  Tätigkeit  der  Wildwässer 
nicht  zu  konstatieren,  das  Gebiet  also  in  gewissem  Sinne  neutral  zu  nennen.  Dieser 
Abflußkanal  wird  von  Costa  de  Bastelica  (vergl.  Anm.  5,  S.  294)  als  ,,Sclilucht", 
,,gorge",  von  Culmann  ')  als  Sammelkanal  bezeichnet. 

Demontzey  (vergl.  Anm.  4.  S.  294),  der  für  das  Ablagerungsgebiet  den  Ausdruck 
,,c6ne  de  dejection",   Schuttkegel,  gebraucht,  akzeptiert  die  Bezeichnung  ,,gorge", 

1)  Culmann,  ,, Bericht  an  den  schweizerischen  Bundesrat  über  die  Untersuchung  der  schwei- 
zerischen Wildbäche,  vorgenommen  in  den  Jahren  1858,   1859,   1860  und  1863".  Zürich  1864. 


A.   Die  \\  ildbachverbauung.     §  3.  297 

Schlucht,  nach  Bastelica.  welch  letztere  seiner  Ansicht  nach  wenigstens  rudimentär 
bei  jedem  Wildbach  vorkommt.  Dagegen  ist  er  mit  der  Surellschen  Charakteri- 
sierung des  Abflußkanales  insoferne  nicht  einverstanden,  als  sich  seiner  Erfahrung 
nach,  die  man  übrigens  nicht  selten  selbst  machen  kann,  die  Ablagerung  durch 
einen  Teil  oder  selbst  durch  die  ganze  Schlucht  hindurch  vollziehen  kann. 

Dr.  Paul  Lehmann  *),  der  die  Bezeichnungen  „Schuttkegel",  ,,Sammclgebiet" 
und  „Sammelkanal"  gebraucht,  scheint  innerhalb  der  beiden  letzteren  Gebiete  die 
Neigung  des  Wassers  zur  Sohlenvertiefung,  Kolkung,  zu  erkennen;  die  diesbezügliche 
Stelle  lautet: 

,,Noch  mannigfacher  als  bei  den  Schuttkegeln  sind  die  Erscheinungen  im 
Sammelgebiete  und  im  Sammelkanale  der  Wildbäche;  doch  treten  uns  überall,  am 
Gletscherbache,  wie  an  der  öden  Rufe,  die  nur  bei  Regenwetter  ,,geht",  ein  starkes 
Gefälle,  steile  Ufer  und  infolgedessen  die  Neigung  des  Wassers  zur  Sohlenvertiefung, 
Kolkung,  als  bezeichnende  Merkmale  entgegen". 

Edniund  Graf  -)  akzeptiert  die  Duilesche  Einteilung,  während  Martin  Ko- 
watsch ')  den  Wildbach  in  drei  Zonen  scheidet  und  zwar: 

1.  Zone  des  absoluten  Abtrages,  den  obersten  Teil  des  \^'ildbach6s  umfassend. 
"2.  Zone  des  absoluten  Auftrages  im  untersten  und 

3.  Zone  der  Nullarbeit  im  mittleren  Laufe  des  Wildbaches. 

Offenbar  ist  diese  Einteilung  in  Uebereinstimmung  mit  jener  von  Surell. 

Kowatsch  bemerkt  überdies,  daß  die  3.  Zone,  also  jene  der  Nullarbeit,  dann  als 
die  für  die  Verbauung  tauglichste  angesehen  werden  müsse,  wenn  das  Uebel  nicht  am 
Ursprung  behoben  werden  kann. 

Während  G.  R.  Förster  ■*)  nur  oberflächlich  vom  Schuttkegel,  Sammel-  oder 
Einzugs-  und  vom  Durchflußgebiete  spricht,  äußert  sich  Elias  Landolt  ^)  in  einge- 
hender Weise  liinsichtlich  des  Bachverlaufes  und  unterscheidet  an  den  größeren 
Bächen  des  Hochgebirges  in  der  Regel  vier  wesentlich  von  einander  abweichende 
Teile,  und  zwar: 

L  Das  Sammel-  oder  Einzugsgebiet,  gewöhnlich  von  einer  großen  Zahl  von 
Zweigen  des  Hauptbaches  durchschnitten.  Es  fällt  im  Hochgebirge  auf  die  als  Weide 
benutzte  obere  Ten-asse.  beziehungsweise  in  die  unwirtlichen  Gegenden  (Felspartien, 
Gletscher  und  Schneefelder),  in  den  \'orbergen  in  die  obere  Waldregion.  Die  einzelnen 
Zweige  der  Bäche  sind,  wenn  nicht  von  Quellen,  Gletschern,  Schneefeldem  gespeist, 
in  der  Regel  wasserarm,  oft  sogar  trocken,  füllen  sich  aber  bei  Schneeschmelze,  Ge- 
wittern usw.  rasch  und  führen  dann  den  Runsen  und  Schluchten  im  Erosionsgebiete 
große  Wassermassen  und  Geschiebemengen  zu.  In  der  Regel  liegen  die  sich  oben 
oder  in  der  Schlucht  zu  einem  Bach  vereinigenden  Gräben  in  einer  weiten  Mulde. 

2.  Das  Erosions-  oder  Auswaschungsgebiet,  in  dem  der  Hauptbach  nicht 
selten  auch  noch  Seitenbäche  aufnimmt.  Es  befindet  sich  zum  größten  Teile  in  der 
Waldregion,  weil  die  steilsten  Partien  der  Hänge  dieser  angehören.  Hier  fließt  das 
Wasser  durch  enge,  tief  eingeschnittene  Runsen,  deren  Einhänge  häufig  ,, verrutscht" 
und  unproduktiv  sind,  und  nimmt  den  größten  Teil  des  Materiales  auf,  welches  bis 
ins  Tal  befördert  wird  und  dort  den  Schuttkegel  bildet. 


1)  Dr.  Paul  Lehmann,  „Die  Wildbäche  der  Alpen".  Breslau  1879. 

2)  Edmund  Graf,  ,,Waldver\vOstung  und  .Murbrüche".  Wien  1879. 

3)  Martin  Kowatsch,  „Das  obere  Fellagebicl  im  Kanaltale  in  Kärnten  und  die  dortigen 
Wasserbauten". 

4)  G.  R.  Förster,  „Das  forstliche  Transportwesen".  Wien  1885. 

ö)  Elias  Landolt,   „Die  Bäclie,   Schneelawinen  und   Steinschläge  und  die  Mittel  zur  Ver- 
minderung der  Schädigung  durch  dieselben  ".  Zürich  1887. 


298  VIII.    W  a  n  g  ,   Die  Wildbach-  und  Lawinenverbauung. 

3.  Den  Scluittkegel,  das  Gebiet  der  Ablagerung,  in  dem  das  Baciibett  iiäufig 
höher  liegt  als  das  angrenzende  Kulturland. 

4.  Die  Bachstreoke  im  Tale,  die  je  nach  den  Gefällsverhältnissen  sehr  ver- 
schieden gestaltet  ist,  oft  auch  ganz  fehlt  und  nicht  selten  zur  Versumpfung  Veranlas- 
sung geben  kann. 

Eine  ähnliche  Einteilung  in  4  Teile  trifft  aucii  Thiery  ^),  doch  scheidet  er  das 
eigentliche  Aufnahmsgebiet,  ähnlich  wie  dies  Scipion  Gras  ^)  tat,  nach  vier  charak- 
teristischen Typen.  Der  ersten  Type  gehören  jene  Gebiete  an,  die  von  steilen,  vielfach 
durchfurchten,  oft  viele  hundert  Meter  hohen  Felsen  umrahmt  sind.  Die  Möglichkeit 
des  raschen  Sammeins  der  Gewässer,  wie  nicht  minder  der  sich  stetig  fortsetzende, 
den  Tälern  Material  in  großen  Mengen  liefernde  Verwitterungsprozeß,  lassen  der- 
artige Wildbäche  gefährlich  erscheinen. 

Die  Aufnahmsgebiete  der  zweiten  Type  liegen  in  leicht  verwitterbarem  Boden, 
zeigen  immer  die  Form  eines  durch  einen  Hals  geschlossenen  Trichters  und  haben, 
wenn  kahl,  stets  das  Bestreben,  sich  durch  Einsturz  der  Wandungen  zu  vergrößern. 
Die  Aufnahmsgebiete  der  dritten  Type  vereinigen  die  Charaktere  der  beiden  vorher- 
gehenden. Sie  bestehen  aus  nackten  Felsen,  an  deren  Fuß  die  Wässer  in  leicht  ver- 
witterbarem Gesteine  eine  Vertiefung,  ähnlich  dem  Trichter  der  vorhergehenden 
Type,  ausgehöhlt  haben.  Auch  Wildbäche  dieser  Type  werden  als  sehr  gefährlich 
bezeichnet.  Die  Wildbäche  der  vierten  Type  zeigen  ein  hochgelegenes,  im  allgemeinen 
von  einem  Gebirgspaß  ausgehendes  Tal,  in  welches  sekundäre  Wildwässer  münden. 
Jedes  der  letzteren  hat  ein  verschiedenes,  einer  der  vorhergehenden  Typen 
angehöriges  Aufnahmsgebiet;  alle  sind  untereinander  durch  einen  gemeinsamen 
Schlauch  verbunden. 

Wie  zu  entnehmen,  ist  die  Frage  der  Einteilung  des  Wildbachverlaufes  zwar 
schon  vielfach  erörtert  worden  —  des  Raumes  wegen  muß  manch  andere  Einteilung 
übergangen  werden  — -doch  bieten  alle  diese  Einteilungen  nichts  Feststehendes,  da  die 
obwaltenden  Verhältnisse  nicht  nur  teilweise,  sondern  auch  gänzlich  abändernd  zu 
wirken  imstande  sind.  Im  allgemeinen  kann  behauptet  werden,  daß  die  Verhältnisse 
der  Talbildung  in  der  Kalkalpenwelt  wesentlich  verworrener  sind,  als  jene  in  der 
Urgebirgswelt,  so  z.  B.  innerhalb  der  Kette  der  Zentralalpen.  Diese  Verworrenheit 
der  Talbildung,  welche  in  den  höheren  Gegenden  in  völlige  Unbestimmtheit  ausartet, 
ist  für  sich  ein  charakteristischer  Zug  der  Kalkalpenwelt. 

Nichtsdestoweniger  lassen  sich  unter  allen  Umständen,  wenigstens  bei  den 
Wildbächen  des  Hochgebirges,  zwei  scharf  getrennte  Gebiete  unterscheiden  und 
zwar: 

1.  Das  Gebiet  der  Materialbeschaffung.  ,, Denudation",  zumeist  das  ganze  Nie- 
derschlagsgebiet  umfassend,   und 

2.  das  Gebiet  der  Materialablagerung,  ,, Akkumulation",  der  Schuttkegel. 
Bei  den  Bächen  des  Mittelgebirges  sind  beide  Gebiete  nicht  so  scharf  getrennt 

und  bei  jenen  der  Niederung  vielleicht  gar  nicht  zu  unterscheiden. 

Eine  ähnliclie  Einteilung  hat  auch  Schindler  ^)  getroffen,  der  das  erstere  Ge- 
biet als  jenes  der  ,, Erosion"  bezeichnet,  was  jedoch  nicht  immer  zutreffend  ist,  da 
sich  dort  mitunter  auch  andere  Prozesse  materialschaffend  erweisen  können. 


1)  E.  Thiery. ,, Restauration  des  montagnes,  correclion  des  torrents,  reboisement".  Paris  1891. 

2)  Scipion  Gras,  ,,Etudes  siir  les  torrents  des  Hautes-Alpes".  Annales  des  ponts  et  chaus- 
s6es.  Paris  1857. 

.S)  A.  Schindler,   ,,Die  Wildbach-  und  Flußverbauung  nach  den  Gesetzen  der  Natur".  Zürich 
1889. 


A.   Die  WililliaclivtTliauung.     §  4.  299 

§  4.  Das  Herkommen  des  Geschiebes.  Von  ganz  besonderer 
Bedeutung  ersclieint  die  den  Wildbächen  zukommende  Eigenschaft  der  starken  und 
unregelmäßigen  Geschiebeführung,  bei  deren  Beurteilung  das  Augenmerk  in  erster 
Linie  dem  Herkommen  der  Geschiebemassen  zugewendet  werden  muß. 

Im  großen  und  ganzen  ist  das  in  den  Rinnsalen  der  Wildbäche  angehäufte  und 
von  diesen  geführte  Geschiebe  als  das  Resultat,  sei  es  der  Verwitterung,  sei 
es  der  Erosion  oder  auch  der  U  n  t  e  r  w  ü  h  1  u  n  g  ,  beziehungsweise.  Durchfeuch- 
tung lockerer,  hangender  Schichten  anzusehen. 

Die  Verwitterung  liefert  den  Wildbächen  bedeutende  Geröllmassen.  Ihr  Fort- 
schritt hängt  nicht  allein  von  der  geognostischen  Beschaffenheit  des  Grundgesteines, 
sondern  auch  von  dem  Klima,  der  Höhenlage,  der  Exposition  und  insbesondere  von 
der  Beschaffenheit  der  Bodendecke  ab. 

Was  die  geognostische  Beschaffenheit  des  Grundgesteines  anbelangt,  so  leisten 
die  kristallinischen  Massengesteine,  insbesondere  der  Granit,  dem  Verwitterungspro- 
zesse im  allgemeinen  großen  Widerstand.  Ihnen  zunächst  die  kristallinischen  Schiefer 
und  unter  diesen  namentlich  der  Gneis.  Verhältnismäßig  geringen  Widerstand 
setzen  der  Verwitterung  die  Sedimente,  so  der  Tonschiefer  und  die  sandsteinartigen 
Gesteine,  in  den  einer  Vegetationsdecke  entbehrenden  Hochlagen  auch  die  Kalke 
entgegen. 

Die  allgemeinen  klimatischen  Verhältnisse  können  selbstverständlich  nicht 
ohne  Einfluß  auf  das  Fortschreiten  des  Verwitterungsprozesses  bleiben.  Oertlich- 
keiten  mit  häufigen  und  reichlichen  Niederschlägen,  Winden,  Gewittern,  Hagel  und 
insbesondere  mit  raschem  Temperaturwechsel  über  und  luiter  dem  Eispunkte  und 
daher  sehr  vermehrter  Wirkung  des  in  die  Gesteinsritzen  dringenden  und  dort  frieren- 
den Wassers,  müssen  als  dem  Fortschritte  des  Verwitterungsprozesses  günstig  be- 
zeichnet werden. 

Zum  großen  Teile  hängt  jedoch  die  Einwirkung  der  klimatischen  Verhältnisse 
von  der  Höhenlage  und  der  Exposition  ab. 

Hinsichtlich  der  Höhenlage  erscheint  erwiesen,  daß  die  Region  unmittelbar 
unter  der  Schneegrenze  die  größte  Zertrümmerung  erleidet.  Hier  mangelt  es  zumeist 
an  der  schützenden  Bekleidung  des  Bodens  mit  Vegetation  oder  mit  Schnee  und 
hier  ist  der  häufigste  Wechsel  der  Temperatur  ober  und  unter  dem  Nullpunkte  zu 
konstatieren.  Das  ist  aber  auch  jene  Region,  in  welcher  in  der  Regel  das  eigentliche 
Sammelgebiet  der  Wildbäche  gelegen  ist. 

Was  die  Exposition  anbelangt,  so  sind  Südabhänge  der  Verwitterung  mehr 
ausgesetzt  als  die  nördlichen.  Der  Gnmd  hiefür  ist  namentlich  darin  zu  suchen,  daß 
die  Schneedecke  schon  im  zeitlichen  Frühjahre  durch  die  mehr  senkrecht  auffallenden 
Sonnenstrahlen  inid  den  direkten  Anprall  des  Südwindes  entfernt  und  die  Einwirkung 
der  schädlichen  Nachtfröste  begünstigt  wird.  Auch  ist  zu  berücksichtigen,  daß 
die  südlichen  Hänge  in  der  Regel  in  größerer  Ausdehnung  und  oft  bis  in  die  höchsten 
Lagen  der  Agrikultur  gewidmet  sind,  was  bei  allzu  intensiver  Ausnützung  des  Bodens 
häufig  eine  Verschlechterung  der  Standorte  und  ein  Herabdrücken  der  Vegetations- 
grenze mit  sich  bringt. 

Einen  wesentlichen  Einfluß  auf  die  Art,  den  Grad  und  Fortschritt  der  Verwitte- 
rung übt  die  Beschaffenheit  der  Bodenoberfläche  aus.  Der  natürlichen  Kleidung 
beraubt,  ist  der  Boden  in  erhöhtem  Maße  und  schutzlos  der  zerstörenden  Einwirkung 
der  Atmosphärilien,  der  Einwirkung  der  Sonnenstrahlen  preisgegeben,  der  Tempera- 
turwechsel wird  füldbarer  und  der  F'rost  vermag  die  Verwitterung  wesentlich  zu 
fördern. 


300  VIII. 

Hieraus  geht  hervor,  welch  hochwichtige  Aufgabe  der  Vegetationsdecke  im 
Wildbachgebiete  hinsichtlich  der  Hintanhaltung  der  Geschiebebildung  und  hinsicht- 
lich der  Regelung  der  Geschiebeabfuhr  zufällt,  und  wie  sehr  es  nötig  ist,  die  Besse- 
rung der  kulturellen  Verhältnisse  im  Niederschlagsgebiete  ins  Auge  zu  fassen. 

Es  würde  zu  weit  führen,  wollte  man  an  dieser  Stelle  die  hydrologische  Bedeutung 
der  Pflanzendecke  und  insbesondere  jene  des  Waldes  zu  erörtern  versuchen.  Es 
muß  genügen,  diesbezüglich  auf  das  eingangs  bezogene  Werk  des  Verfassers  ,, Grund- 
riß der  Wildbachverbauung"  zu  verweisen.  In  ganz  ausgezeichneter  und  sehr  wissen- 
schaftlich gehaltener  Art  hat  diesen  Gegenstand  jüngst  Ney  ^J  behandelt.  In  beiden 
bezogenen  Arbeiten  sind  vielfach  gleiche  Anschauungen  vertreten. 

Die  Verwitterungsprodukte  können  auf  verschiedene  Weise  in  die  Rinnsale 
der  Bäche  gelangen.  Einerseits  werden  sie  durch  das  von  den  Hängen  herabfließende 
und  den  Rinnsalen  zueilende  Wasser,  sowie  auch  durch  Lawinen  und  Gletscher 
talwärts  befördert,  andererseits  gelangen  sie  durch  Steinschlag  oder  auch  durch 
Bergstürze  in  den  eigentlichen  Bereich  des  Wildwassers. 

Ganz  wesentlichen  Anteil  an  der  Beförderung  der  Verwitterungsprodukte  bis 
zu  jenem  Orte,  wo  dieselben  der  transportierenden  Tätigkeit  des  Wassers  unterwor- 
fen sind,  haben  wohl  die  Gletscher  und  die  Bergstürze.  Leider  sind  es  gerade  sie,  mit 
denen  im  Naturhaushalte  gerechnet  werden  muß,  ohne  ihrer  Tätigkeit  sehr  wirksam 
entgegentreten  zu  können. 

Auf  die  Tätigkeit  der  Gletscher  ist  das  reiche  ^'orkommen  des  Glacialschuttes 
in  den  Alpen  zurückzuführen,  eines  Gebildes,  welches  ein  außerordentlich  günstiges 
Feld  für  die  erodierende  Tätigkeit  des  Wassers  bildet  und  auf  dessen  Bindung  nicht 
genug  geachtet  werden  kann.  Die  Bergstürze  schaffen  außerordentlich  große  Material- 
massen in  die  Schluchten  und  Täler  und  begründen  hiemit  auch  eine  wesentliche 
Gefahr  für  das  Unterland.  Der  Einfluß  der  Lawinenstürze  und  der  Steinschläge  auf 
die  Geschiebeführung  ist  in  der  Regel  von  geringerer  Bedeutung,  denn  die  Masse 
des  auf  solche  Weise  in  das  Rinnsal  gelangten  Materiales  ist  in  der  Regel  im  Ver- 
hältnisse zur  tatsächlichen  Geschiebeführung  des  Wildbaches  doch  nur  eine  relativ 
geringe. 

Ueberraschender  in  ihren  Wirkungen  gegenüber  der  Verwitterung  ist  die  Ero- 
sion. Sie  äußert  sich  in  den  Wildbächen  nicht  allein  in  der  Vertiefung  der  Rinnsale 
und  den  hiemit  häufig  verbundenen  Lehnenfußunterwaschungen  und  ihren  Folgen, 
sondern  nicht  selten  auch  in  der  Zerwühlung  der  Hänge,  in  der  Schaffung  von  Runsen 
und  neuen,  wenn  so  gesagt  werden  kann,  zur  Existenz  nicht  berechtigten  Rinnsalen. 
Naturgemäß  wird  die  Erosion  unter  sonst  gleichen  Verhältnissen,  also  unter  gleichen 
geognostischen,  gleichen  Gefälls-  und  Verwitterungsverhältnissen  umsomehr  zur 
Geltung  kommen  müssen,  je  rascher  der  Wasserabfluß  ist,  und  es  wird  deshalb  und 
weil  die  Vegetationsdecke  der  erodierenden  Kraft  des  Wassers  mechanischen  Wider- 
stand entgegensetzt,  die  Erosion  in  einem  kahlen  Sammelgebiete  mehr  zur  Geltung 
kommen,  als  in  einem  mit  Vegetation  hinreichend  bedeckten  und  geschützten  Gebiete. 
Daraus  erhellt  wieder  deutlich  die  Aufgabe  der  Kultur  im  Niederschlagsgebiete, 
gleichzeitig  aber  auch  die  Notwendigkeit  der  Durchführung  solcher  Maßnahmen,  die 
geeignet  sind,  dem  schon  entstandenen  üebel  Einhalt  zu  tun  und  die  vorhandenen 
Wunden  zur  Heilung  zu  bringen. 

In  ihrer  Wirkung  gleichfalls  außerordentlich  unregelmäßig  und  zumeist  schaden- 
bringend ist  die  Unterwühlung  hangender  Bodenschichten.    Diese  Erscheinung,  die 


1)   Karl   Eduard   Ney,   „Die   Gesetze  der  Wasserbewegung  im   Gebirge".   Neudamm   1911. 


A.   Die  Wildbaclivorhaiuin!».     §  5.  3()1 

bekanntlich  auf  die  Tätigkeit  der  Sicker-  und  Quellwässer  zurückgeführt  werden  muß, 
tritt  unter  sonst  gleichen  Wrhältnissen  in  der  Regel  um  so  rascher  und  in  um  so 
größerem  Umfange  ein.  je  zusanunenhangloser,  je  nackter  und  verwitterter  der  Boden 
ist.  Ganz  gewaltig  sind  oft  die  Materialmassen,  die  auf  solche  Weise  in  die  Rinnsale 
gelangen,  und  von  großer  Wichtigkeit  ist  es  deshalb,  diese  Erscheinung  in  den  ^^'ild- 
bächen  genauestens  zu  beobachten. 

§  5.  Die  Ursachen  der  W  i  1  d  b  a  c  h  v  e  r  h  e  e  r  u  n  g  e  n :  Als  Ur- 
sachen der  Wildbachverheerungen  sind  anzusehen: 

1.  Außerordentliche  meteorische  Niederschläge,  wie  sie  periodisch  wieder- 
kehren. Im  Falle  reichlicher  fester  Niederschläge  im  Winter  oder  im  zeitigen  Früh- 
jahre ist  es  die  rasche  Schneeschmelze,  welche  die  Führung  großer  Wassermassen  mit 
sich  bringt.  In  Wildbächen  sind  es  besonders  die  wolkenbruchartigen  Regengüsse, 
namentlich  aber  unter  gewissen  geotektonischen  Verhältnissen,  bei  Vorhandensein 
nackter,  aus  Schutt  und  leicht  erodierbaren  Gesteinsmassen  zusammengesetzter 
Gehänge  die  Hagelwetter,  welche  zur  Entfesselung  der  Gewässer  beitragen. 

2.  Die  mangelhafte  Wasserpolizei  und  im  Zusammenhange  damit  der  trostlose, 
vernachlässigte  Zustand  der  Gerinne.  Hier  ist  zu  erwähnen:  das  Vorhandensein 
nicht  widerstandsfähiger  neuer,  an  und  für  sich  nicht  entsprechender  Einbauten, 
insbesondere  Wehren,  die  oft  ungenügenden  Profile,  die  nicht  hochwasserfreien 
Brücken,  die  Ablagerung  von  Holz  und  dergl.  in  den  Inundationsgebieten,  die  Be- 
lassung von  hochstämmigem  Holze  innerhalb  derselben  und  besonders  an  den  Ufern 
der  Gewässer  sowie  an  den  Fiändern  der  Bruchflächen,  die  Benützung  der  Rinnsale 
als  Wege,  die  Unterlassung  der  Reinigung  der  Gerinne  von  Wildholz,  die  oft  irra- 
tionelle Ausübung  der  Trift  und  Flößerei,  dann  im  Falle  der  Auflassung  des  Holz- 
transportes zu  Wasser  die  nicht  genügende  Instandhaltung  von  Klausen,  Rechen 
und  Uferschutzbauten,  welche  früher  dem  Transporte  dienten,  u.  a.  m. 

3.  \'ielfach  fehlende  oder  unzureichende  Flußregulierungen,  insbesondere  aber 
Wildbachverbauungen,  und  alle  jene  Umstände  legislativer,  finanzieller,  administra- 
tiver und  wohl  auch  mitunter  partikularistischer  Natur,  welche  der  energischen  und 
ausreichenden  Durchführung  dieser  im  höchsten  Interesse  der  Landeskultur  gelegenen 
Maßnahmen  im  Wege  stehen. 

4.  Die  gewiß  auch  noch  unzureichende  Forstgesetzgebung  und  ungenügende 
staatliche  Forstaufsicht.  Trotz  des  unverkennbaren  Fortschrittes  bleibt  in  dieser 
Richtung  noch  vieles  zu  tun.  Die  Güterschlächterei  und  das  vielfach  offenbar  nur 
auf  schrankenlose  Ausbeutung  des  Waldes  gerichtete  Bestreben  nach  Erriclitung  von 
holzverzehrenden  Betriebsstätten,  sind  als  weitere  Ursachen  zu  nennen;  die  die 
ordnungsmäßige  Wirtschaft  behindernde  Streu-  und  Weideservituten,  die  nicht 
selten  praktizierten  Waldtcihmgen  im    Gebirge  können  nicht  unerwähnt  bleiben. 

5.  Die  zumeist  mangelhafte  Bewirtschaftung  der  Alpen  und  Gebirgsweideflä- 
chen.  Die  Folge  dieser  mangelhaften  Bewirtschaftung  ist  zunächst  das  Bedürfnis 
nach  Ausdehnung  des  Weideterrains,  und  diesem  Bedürfnisse  ist  es  wieder  zuzu- 
schreiben, daß  so  manche,  vermöge  ihrer  konkreten  Bodenbeschaffenheit  dem\\'ald- 
lande  angehörige  und  als  solche  im  Hinblick  auf  möglichste  Retention  zu  erhaltende 
Fläche  der  Waldkultur  entzogen,  selbst  aber  nach  und  nach  infolge  der  mangelhaften 
landwirtschaftlichen  Benützung  der  Verödimg  zugeführt  wird. 

Dieser  mangelhaften,  für  das  Regime  der  Wildwasser  sehr  bedeutungsvollen 
Bewirtschaftung  liegt  wieder  vielfach  der  Mangel  an  Alpenbewirtschaftungsgesetzen, 
an  nicht  genügender  Würdigung  der  Hebung  des  Futterbaues  auf  den  Alpen 
zugrunde. 


302  VIII.    Wang,  Die  Wildbach-  und  Lawinenverbauung. 

6.  Ist  der  Entwässerung  des  Waldlandes  und  der  Gebirgsmoore  und  Filze  zu 
gedenken. 

§  6.  Die  Systeme  d  e  r  W  i  1  d  b  a  c  h  v  e  r  b  a  u  u  n  g.  Den  Wildbächen 
des  Hochgebirges  ist  im  Gegensatze  zu  jenen  der  Berg-  und  Hügelländer,  und  an 
dieser  Einteilung  soll  bei  den  folgenden  Ausführungen  festgehalten  werden,  zumeist 
eine  ganz  besondere,  häufig  mit  den  Wassermassen  in  gar  keinem  Verhältnisse 
stehende  Materialführung  eigen.  Man  begegnet  hier  einer  Erscheinung,  dem  Mur- 
gange, die  als  eine  Eigenheit  des  Hochgebirgswildbaches  angesehen  werden  kann  und 
die  bei  den  Bächen  des  Berg-  und  Hügellandes  wenigstens  nicht  in  so  bestimmter 
Weise  zum  Ausdrucke  kommt. 

Je  nach  dem  Herkommen  der  Geschiebemassen  hat  man  im  Hochgebirge  Wild- 
bäche zu  unterscheiden,  welche  vorherrschend  Verwitterungsprodukte  führen  und 
solche,  welche  das  Geschiebe  vorwiegend  durch  ihre  erodierende  oder  unterwühlende 
Tätigkeit  in  Bewegung  setzen. 

Wenn,  wie  hervorgehoben,  bei  derlei  Bächen  die  Geschiebeführung  vorherrscht, 
so  ist  in  der  Regel  bei  den  Wildbächen  der  Berg-  und  Hügelländer  die  Wasserführung 
überwiegend ;  doch  kann  auch  hier  die  Materialführung  als  Folge  von  Uferbrüchen 
und  wegen  des  beständigen,  unregelmäßigen  Wühlens  in  alten  Schotterdeponien, 
mitunter  eine  ganz  bedeutende,  sowie  in  Anbetracht  des  sich  meist  auf  wertvolle 
Kulturgründe  ausdehnenden  Inundationsgebietes,  auch  eine  sehr  schädliche  werden. 

Die  vorwiegend  Verwitterungsprodukte  führenden  Wildbäche  des  Hochge- 
birges, zu  welchen  in  erster  Linie  die  des  Kalkgebirgfes  zu  zählen  sind,  bieten  der 
Verbauung  im  allgemeinen  keine  günstigen  Operationsgebiete.  Wie  aus  dem  Vorher- 
gehenden erhellt,  muß  es  sich  naturgemäß  in  solchen  Fällen  um  die  tunlichste  Be- 
kämpfung der  Verwitterungserscheinung  durch  Schaffung  womöglich  besserer  kultu- 
reller Verhältnisse  im  Niederschlagsgebiete  handeln.  Wenn  schon  die  Durchführung 
der  diesfalls  nötigen  Maßnahmen  innerhalb  des  Vegetationsbereiches  oft,  und  zwar 
deshalb  mit  großen  Schwierigkeiten  verbunden  ist,  weil  man  nur  allzuhäufig  dem 
Widerstände  seitens  der  Bevölkerung  begegnet,  so  ist  leider  mit  der  Vegetationsgrenze 
der  diesfälligen  Tätigkeit  überhaupt  eine  Schranke  gesetzt. 

Unter  allen  Umständen  ist  in  solchen  Fällen  das  Hauptaugenmerk  auf  die  Er- 
haltung oder  Schaffung  eines  Waldgürtels  an  der  Waldvegetationsgrenze  zu  legen, 
weil  nur  auf  diese  Weise  eine  größere  Gewähr  für  die  Zurückhaltung  des  Geschiebes 
über  diese  Grenze  nach  aufwärts  geboten  erscheint.  Selbstverständlich  ist  auch  der 
Bewirtschaftung  der  ober  der  Waldgrenze  gelegenen  Alpsgründe  besondere  Sorgfalt 
zuzuwenden  und  überhaupt  zu  trachten,  der  Vegetation  soweit  als  möglich  in  den 
höchsten  Lagen  Eingang  zu  verschaffen. 

Die  Besserung  der  Alpenwirtschaft  ist  eine  auch  wasserwirtschaftlich  außer- 
ordentlich wichtige  Maßnahme,  denn  sie  zielt  in  erster  Linie  auf  die  Verhinderung 
der  Bodendeteriorierung  hin,  die  auch  dem  Regime  der  Hochwässer  zugute  kommt. 

Andere  und  namentlich  bauliche,  in  solchen  Wildbächen  auszuführende  Arbei- 
ten können  in  der  Regel  nur  als  Palliativmittel  angesehen  werden.  Sie  sind  wohl  ge- 
eignet, die  Gefahr  momentan  oder  für  längere  Zeit  zu  bannen,  nicht  aber  auch,  sie 
vollkommen  zu  beheben.  Zu  diesen  Maßnahmen  gehört  die  Herstellung  größerer 
Talsperren  als  Materialstauwerke,  welche  den  Zweck  haben,  die  Geschiebe- 
führung durch  eine  gewisse  Zeit  hindurch  auf  ein  vielleicht  unschädliches  Maß  einzu- 
schränken. Unter  Umständen  kann  so  Zeit  gewonnen  werden,  die  wirtschaftlichen 
Verhältnisse  im  Niederschlagsgebiete  in  zufriedenstellender  Weise  zu  bessern.  Weiters 
sind  als  im  Innern  solcher  Gewässer  eventuell  noch  durchzuführende  Maßnahmen 


A.   Die   W'iUlbaclivcrliauuiig.      §   6.  303 

die  Vorkehrungen  ge^en  den  Steinschlag  und  gegen  den  Abgang  von  Lawinen  er- 
wähnenswert. 

Der  leidigen  Tatsache,  daß  derartige  Wildbäche  der  Verbauung  kein  besonders 
günstiges  Operationsgebiet  liefern,  kann  iininerhin  der  umstand  entgegengehalten 
werden,  daU  sie,  weil  in  ihrer  Tätigkeit  und  schädlichen  Wirkinig  eine  gewisse  Regel- 
mäßigkeit zeigend,  auch  nicht  zu  den  besonders  gefürchteten  Wildwässem  gezählt 
werden  können.  In  den  meisten  Fällen  nehmen  die  von  ihnen  herabgeführten  ^'er- 
witterungsprodukte  am  Talausgang  für  sich  ein  gewisses  Gebiet  in  Anspruch,  welches 
die  Bewohner  der  Umgebung  im  Hinblick  auf  die  vorhandene,  nahezu  unabweisliche 
Gefahr  in  der  Regel  auch  nicht  nutzbar  zu  machen  bestrebt  sind.  In  nicht  seltenen 
Fällen  wird  es  deshalb  bei  solchen  Bächen  auch  angezeigt  sein,  auf  den  Schuttfeldern 
förmliche  Materialablagerungsplätze  zum  sicheren  Schutze  des  umliegenden  Kultur- 
landes zu  schaffen,  oder  die  Bildung  solcher  Materialdeponien  auch  schon  im  Talinnern 
an  geeigneten  Stellen  durch  entsprechende  \'orkehrungen  zu  begünstigen. 

Selbstverständlich  schließt  es  das  bisher  geschilderte  Verfahren  nicht  aus,  daß 
die  in  solchen  Wildbächen  in  größerem  oder  geringerem  Maße  durch  andere  Erschei- 
nungen, z.  B.  durch  Erosion  und  Unterwühlung  verursachte  Geschiebeführung  auch 
auf  andere,  diesen  Erscheinungen  entgegenwirkende,  entsprechende  Weise  bekämpft 
werden  muß. 

Ein  bei  weitem  reichhaltigeres  und  dankbareres  Feld  für  die  Verbauungstätig- 
keit  liefern  die  vorherrschend  erodierenden  und  unterwühlenden  Wildbäche.  Hier 
bieten  sich  dem  Fachmanne  die  mannigfachsten  Aufgaben  dar,  deren  richtige  Lösung 
nur  an  der  Hand  reichlicher  praktischer  Erfahrung  gelingen  kann.  Als  die  haupt- 
sächlichsten Aufgaben  sind  die  V  e  r  h  i  n  d  e  r  u  n  g  der  weiteren  Sohlen- 
erosion,dann  häufig  im  Zusammenhang  hie  mit  die  Siche- 
rung der  anbrüchigen  L  e  h  n  e  nf  ü  ß  e  ,  die  unschädliche  Ab- 
leitung der  Ouell-  und  Sickerwässer,  die  eventuelle 
Zurückhaltung  der  bereits  angehäuften  Erosions-,  Un- 
t  e  r  w  ü  h  1  u  n  g  s -  oder  teilweise  auch  V  e  r  w  i  1 1  e  r  u  n  g  s  p  r  o  d  u  k  t  e, 
die  Konsolidierung  der  der  Erosion  und  der  Unterwüh- 
lung unterworfenen  Hänge  der  Nieder  Schlagsgebiete 
und  endlich  die  Besserung  der  kulturellen  und  \\  i  r  t  - 
s  c  h  a  f  1 1 i  c  h  e  n  Verhältnisse  innerhalb  der  letzteren  an- 
zusehen. 

Die  Sohlenerosion  ist  das  Resultat  zweier,  sich  nicht  im  richtigen  Verhältnisse 
gegenüberstehender  Faktoren,  das  ist  der  Gewalt  des  abfließenden  Wassers  einerseits 
und  der  Widerstandskraft  der  Bachsohle  andererseits.  Die  Mittel,  die  beiden  genannten 
Faktoren  in  das  richtige  Gleichgewicht  zu  setzen,  müßten  also  in  der  Verminderung 
der  Wasserkraft,  beziehungsweise  in  der  Festigung  der  Bachsohle  bestehen. 

In  ersterer  Hinsicht  kommen  mehrere  Momente  in  Betracht.  Die  Kraft  des 
abfließenden  Wassers  ist  in  einem  gegebenen  Querprofile  bei  gleicher  Wassermenge, 
bei  gleichem  Grade  der  Sättigung  mit  Geschiebe,  von  der  Neigung  des  Wasserspiegels 
beziehungsweise  von  der  Sohlenneigung  abhängig.  Einer  gewissen  Wassermenge 
und  Geschiebeart,  einem  gewissen  Sättigungsgrade  und  einem  gewissen  Ouerprofile 
entspricht  bei  gegebener  Sohlenbeschaffenheit  ein  Sohlengefälle,  welches  mit  der 
Wasserkraft  im  Gleichgewicht  stehend,  den  Bestand  der  Sohle  sichert.  Es  muß  des- 
halb zunächst  Sache  der  Verbauung  sein,  in  einer  der  Erosion  unterworfenen  Bach- 
sohle dieses,  den  konkreten  \'erhältnissen  entsprechende,  sogenannte  ,, Ausgleichs- 
gefälle" durch  Einbau  von  Querwerken,  Talsperren  oder  Grundschwellen  zu  schaffen, 


304 


VIII.   Wan?,   Die  Wiklbach-  und  Lawinenverbauung. 


oder,  wenn  dies  nicht  tunlich  wäre,  in  anderer  Weise  auf  die  Erhöhung  des  Sohlen- 
widerstandes hinzuwirken.     (Abb.  1.) 

Es  darf  aber  hiebei  nicht  außeracht  gelassen  werden,  daß  mit  der  fortschreiten- 
den Verbauung  im  Talinnem  die  auf  Bildung  des  Ausgleichsgefälles  Einfluß  nehmen- 
den  Faktoren  andere  werden   können.    Insbesondere  wird  durch  die  ^'erminderung 

Abbildung  1. 


Solilenstaffclung  mittelst  Querwerken.     Im  Hinlergrunde  Siclierung  einer  Bructifläche. 


der  Geschiebeführung  bei  sonst  gleichbleibenden  Verhältnissen  die  Geschwindigkeit 
des  abfließenden  Wassers  eine  beträchtlichere  und  das  Ausgleichsgefälle  deshalb  ein 
geringeres,  denn  das  seiner  Größe  und  Beschaffenheit  nach  als  gleichbleibend  ange- 
nommene Geschiebe  vermag  sich  bei  dieser  erhöhten  Geschwindigkeit  auf  einer 
gleich  steil  geneigten  Sohle  nicht  mehr  zu  halten.    Die  so  mit  der  fortschreitenden 


A.  Die  Wildbaclivcrbauung.     §  6. 


305 


Verbauung  verbundene  stete  Abnahme  des  Ausgleichsgefälles  laßt  es  behufs  Verhin- 
derung der  Gefährdung  schon  bestehender  Objekte  nötig  erscheinen,  durch  Einschal- 
tung weiterer,  sogenannter  sekundärer  Werke  ein  der  jeweiligen  VVasscrtätigkeit  ent- 
sprechendes, geringeres  Gefälle  zu  schaffen.  So  kann  endlich  ein  den  konkreten  Ver- 
hältnissen entsprechender  und  ein  gewisses  Gleichgewicht  gewährleistender  Zustand 


Abbildung  2. 


Ausschalung  eines  Bachgerinnes 


geschaffen  werden,  bei  dessen  Eintritt  das  Ausgleichsgefälle  die  möglichst  unterste 
Grenze  erreicht  und  sich  zum  sogenannten  ,, Gleichgewichtsgefälle"  entwickelt  hat. 
Aus  dieser  wohl  nur  ganz  allgemein  gehaltenen  Auseinandersetzung,  auf  deren 
theoretische  Begründung  hier  nicht  eingegangen  werden  kann,  ist  doch  zu  entnehmen, 
daß  einer  derartigen  Verbauung  nicht  nur  eine  ausgedehnte  Beobachtung  der  Bach- 

Handb.  d.  Foislwiss.     3.  -\ufl.     II.  20 


306  VIII.    \V  a  n  g  ,   Die  Wildbach-  iinil  Lawincnverbauung. 

Verhältnisse  vorausgehen  muß,  sondern  daß  auch  nach  Vollzug  derselben  ihre  stete 
Ergänzung  nötig  wird.  Die  diesbezügliche  theoretische  Begründung  findet  sich  in  den 
in   den  Anmerkungen  1,    S.  298  und  1)  dieser  Seite  angeführten  Abhandlungen  '). 

Die  Geschwindigkeit  des  Wassers  kann  auch  durch  Verbreiterung  der  Querprofile 
oder  durch  Schaffung  längerer  und  somit  auch  weniger  steil  geneigter  Bachläufe, 
durch  Erhöhung  der  Rauhigkeiten  vermindert  werden.  Es  soll  sonach  Grundsatz 
rationeller  Verbauung  sein,  womöglich  jede  Konzentration  der  Wässer,  jedwede 
glatte  Ausgestaltung  der  Gerinne  zu  vermeiden. 

Anders  ist  es,  wenn  die  Sohlenerosion  durch  direkte  Hebung  der  Sohlenwider- 
standskraft bekämpft  werden  soll.  In  solchen  Fällen  handelt  es  sich  um  die  teilweise 
oder  vollkommene  Sohlenfixierung  durch  Pflasterung  oder  auf  ähnliche  Weise.  Diese 
Verbauungsart,  die  in  ihrer  vollkommensten  Ausführung  zur  Herstellung  der  Stein- 
schalen oder  Steinkunetten  führt  (Abb.  2)  und  zu  der  Sohlenstaffelung  mittels  Quer- 
werken in  einem  gewissen  Gegensatze  steht,  kann  sich  insbesondere  dort  empfehlen, 
wo  infolge  des  bestehenden  größeren  Gefälles  die  Entwickelung  des  wünschenswerten 
Ausgleichs-  beziehungsweise  Gleichgewichtsgefälles  nur  durch  Einbau  einer  unver- 
hältnismäßig großen  Zahl  von  Querwerken  möglich  wäre.  Das  ist  namentlich  in 
den  engen  und  sehr  steil  verlaufenden  Runsen,  Wasserrissen,  der  oberen  Einzugsge- 
biete der  Wildbäche  der  Fall.  Obwohl  diese  Methode  den  offenbaren  Vorteil  für 
sich  hat,  daß  dem  Wasser  keine  Gelegenheit  zum  ,, Kolken"  geboten  wird,  soll  sie 
doch  unter  allen  Umständen  nur  dort  tau-  Anwendung  kommen,  wo  die  mit  ihr  ver- 
bundene rasche  Wasserabfuhr  und  Begünstigung  des  Materialtransportes  den  Effekt 
der  ganzen  Verbauung  nicht  nachteilig  beeinflussen  oder  einzelnen  Verbauungspartien 
zum  Schaden  gereichen  könnte  und  wo  durch  Steinschlag  oder  Terrainbewegung 
oder  auch  auf  andere  Weise  der  Bestand  des  Objektes,  der  Schale,  nicht  zu  sehr 
in  Frage  gestellt  wäre. 

Die  seitliche  Erosion,  die  Unterwaschung  der  Lehnenfüße,  als  Folge  von  Ver- 
werfungen, oder  als  Folge  des  Wasseranpralles  an  stark  konkav  gekrümmte  Ufer  kann 
durch  Uferversicherungen  entsprechend  behoben  und  für  die  Zukunft  durch  Schaffung 
möglichst  geregelter  Abflußverhältnisse  verhindert  werden. 

Ein  besonderer  Anteil  an  ^ler  Materialbeschaffung  in  den  Wildbächen  ist  der 
unterwühlenden  Wasserwirkung  zuzuschreiben. 

Im  allgemeinen  hat  man  es  mit  zwei  Bodenschichten,  mit  einer  oberflächlich 
lagernden,  mehr  oder  minder  wasserdurchlässigen,  der  sogenannten  ,, hangenden", 
und  einer  darunter  befindlichen,  mehr  oder  minder  wasserundurchlässigen,  der  soge- 
nannten ,, liegenden"  Schichte  zu  tun.  Letztere  kann  aus  einem  festen  Grundgestein, 
beispielsweise  Schiefer,  oder  auch  aus  einem  mehr  weichen,  tonigen  Gebilde  bestehen. 
Es  ist  klar,  daß  bei  geneigtem  Terrain  der  Zusammenhalt  der  hangenden  und  liegenden 
Bodenschichten  von  gewissen  Bedingungen  abhängig  ist. 

Das  Lostrennen  der  oberen  Schichten  von  der  unteren  ist  selbstverständlich 
schon  bei  einem  gewissen  Schichten-Neigungswinkel  und  unter  einem  bestimmten 
Kohäsionsverhältnisse  möglich,  auch  kann  durch  die  Wirkung  der  oberflächlich 
atifließenden  Meteorwässer,  also  infolge  von  Erosion,  oder  selbst  durch  Hagel  eine 
Bodenabschwemmung  verursacht  oder  gefördert  werden.  In  ganz  besonderem  Maße 
ist  aber  in  den  meisten  Fällen  das  oberflächlich  einsickernde  Wasser  bei  Entstehung 
von  Terrainabsitzungen  tätig.  Es  durchtränkt  nicht  nur  die  obere  Bodenschichte, 
vermindert  zumeist  die  Kohäsion,  vermehrt  ihr  Volumen  und  ihr  Gewicht,  sondern 

1)  Ferdinand  Wang,  „Die  Gesetze  der  Bewegung  dos  Wassers  und  des  Geschiebes,  die 
Berechnung  der  Wasserabflußmengen  und  der  Durchflußprofile".  Wien  1899. 


A.  Die  Wildbachvcrbauung.     §  6.  307 

es  beseitigt  auch,  auf  der  TrennuiiKsIläclie  abwärts  gleitend,  gänzlich  oder  doch  zum 
Teile  die  Reibungswiderstände  und  führt  schlieOlieh  zur  Absitzung  der  durchtränkten 
und  unterwühlten  hangenden  Bodenschichte.  Bei  weicheren  liegenden  Schichten 
kann  das  eindringende  Wasser  selbst  bei  sehr  geringem  Schichten-Neigungswinkel 
schon  dann  Absitzungen  veranlassen,  wenn  es  entweder,  durch  ein  Hindernis  ge- 
hemmt, auf  der  Trennungsfläche  zu  stagnieren  und  die  liegende  Schichte  selbst  zu 
durchweichen  beginnt,  oder  aber  wenn  es  durch  Risse  in  dieselben  einzudringen  und 
so  von  innen  aus  ihre  Durchfeuchtung  zu  vollführen  vermag.  Unter  allen  Umständen 
ist  es  nötig,  solch  schädliche,  bereits  eingesickerte  Wässer  abzuleiten  und  auch,  wo 
tunlich,  in  Hinkunft  ihr  Eindringen  möglichst  zu  verhindern.  In  ersterer  Richtung 
wird  man  durch  ausreichende  Entwässerungsanlagen,  in  letzterer  Richtung  durch 
tunlichste  Ermöglichung  und  Erleichterung  des  oberirdischen,  schadlosen  Abflusses 
der  Meteorwässer  das  angestrebte  Ziel  erreichen. 

Es  möge  noch  bemerkt  werden,  daß  bei  schon  unterwaschenen  und  mit  Holz 
bestockten  Böden  die  Bewegimgstendenz  durch  die  Schwere  der  oberirdischen,  allen- 
falls auch  noch  flach  bewurzelten  Holzmasse,  insbesondere  im  Vereine  mit  starken 
Luftströmungen  gefördert  werden  kann.  Das  ist  aber  keineswegs  ein  Argument  für  eine 
ungünstige  \Mrkung  der  Bewaldung;  in  einem  solchen  Falle  handelt  es  sich  lediglich 
um  die  richtige  Wahl  der  Bestandesform,  also  um  die  Anzucht  bodenbindender, 
im   Niederwalde  zu  bewirtschaftender  Holzarten. 

Bei  Verbauung  der  in  Rede  stehenden  Art  der  Wildbäche  ist  es  selbstverständ- 
lich nicht  ausgeschlossen,  daß  es  außerordentlich  erwünscht  oder  notwendig  sein  kann, 
das  bereits  in  den  Rinnsalen  des  Niederschlagsgebietes  angehäufte  Erosions-  oder 
Unterwühlungs-,  eventuell  auch  teilweise  Verwitterungsprodukt  im  Innern  des  Wild- 
bachgebietes festzuhalten.  Man  hat  dann  in  der  Regel,  ähnlich  wie  bei  den  vorwiegend 
Verwitterungsprodukte  führenden  Wildbächen,  durch  die  Herstellung  von  Talsperren 
an  geeigneten  Stellen  Materialdeponien  zu  schaffen,  dabei  aber  insbesondere  im  Auge 
zu  behalten,  daß  es  an  gewissen  Oertlichkeiten  möglich  sein  kann,  einer  Talsperre 
gleichzeitig  die  Wirkung  eines  Material-Stau-  und  eines  Konsolidierungswerkes  zu 
geben. 

Weitere  wichtige  Aufgaben  bei  Verbauung  erodierender  oder  unterwühlender 
Wildbäche  sind  die  endgültige  Konsolidierung  der  anbrüchigen  Hänge  durch  Schaf- 
fung der  \'egetationsdecke  auf  denselben,  sowie  die  Besserung  der  kulturellen  und 
der  wirtschaftlichen  Verhältnisse  im  Niederschlagsgebiete.  Diese  Aufgaben  dürfen 
nicht  aus  dem  Auge  gelassen  werden,  denn  von  ihrer  zielbewußten  und  gelungenen 
Ausführung  hängt  vielfach  der  volle  Effekt  der  Verbauung  des  Wildbaches  ab. 

Die  Wildbäche  der  Berg-  und  Hügelländer,  in  ihrem  Charakter  von  jenen  der 
Alpen  verschieden,  erfordern  auch  im  allgemeinen  die  Anwendung  eines  anderen  Ver- 
bauungssystemes.  Bei  vorherrschend  geringem  Gefälle  in  den  tieferen  Partien  und 
in  der  Regel  einem  bloß  auf  die  höchsten  Lagen  beschränkten  starken  Gefälle,  führen 
diese  Bäche  größere  Wassermassen  und  das  aus  dem  Niederschlagsgebiete  herab- 
kommende Material  den  Talflüssen  zu.  Brüchige  Stellen,  , .Lehnenbrüche",  finden 
sich  zumeist  nur  in  den  oberen  Teilen  der  Niederschlagsgebiete;  in  den  tieferen  Lagen, 
in  welchen  der  Bach  häufig  schon  beiderseits  von  älteren  oder  jüngeren  Anschwem- 
mungen eingerahmt  ist,  sind  es  die  stetigen  Uferbrüche,  welche  die  Materialbewegung 
verursachen.  Das  Augenmerk  bei  Verbauung  solcher  Bäche  ist,  was  den  Oberlauf  an- 
belangt, meist  der  Konsolidierung  vorkommender  Brüche,  der  Zurückhaltung  des 
im  Bachbette  schon  vorhandenen  Geschiebes  und  der  möglichsten  Hintanhaltung 
des  raschen  Abflusses  der  Niederschlagswässer  zuzuwenden.    In  den  tieferen  Lagen 

20* 


308  VIII.    W  a  n  g  ,   Die  Wildbach-  und  Lawinenverbauung. 

finden  sich  in  den  verhältnismäßig  breiten  Bachbetten  mit  flachen  Ufern,  bei  höchst 
unregelmäßig  im  Wasserabflüsse  große  Schotterdeponien  vor,  und  es  erwächst  hieraus 
die  Notwendigkeit,  der  Wandelbarkeit  dieser  Schottermassen  durch  entsprechende 
Regulierungsarbeiten  ein  Ziel  zu  setzen.  Die  Hauptfrage  ist  und  bleibt  aber  die  tun- 
lichste Verminderung  des  raschen  Wasserabflusses  im  Niederschlagsgebiete,  und  diese 
Aufgabe  ist,  da  ausgiebige  Wasserbehälter,  Resei'voirs,  oft  nicht  oder  nur  in  beschränk- 
ter Zahl  oder  Dimensionierung  ausführbar  sind,  meist  nur  auf  kulturellem  Wege 
zu  erreichen. 

Mit  der  Durchführung  der  vorbeschriebenen  Maßnahmen  zur  Beruhigung  der 
Wildbäche,  sei  es  nun  jener  im  Hochgebirge  oder  jener  im  Berg-  und  Hügellande, 
muß  nötigenfalls  die  Herstellung  von  Schutzvorrichtungen  am  Schuttkegel  Hand 
in  Hand  gehen,  wobei  auf  den  richtigen  Zusammenhang  der  Arbeiten  im  Innern 
der  Wildbäche  und  im  Tallaufe  großes  Gewicht  gelegt  werden  muß.  Naturgemäß 
erfordert  die  Verbauung  der  Wildbäche  im  Talinnern  einen  relativ  größeren  Zeit- 
aufwand als  jene  am  Schuttkegel,  so  daß  es  in  vielen  Fällen  nicht  zulässig  wäre,  den 
Effekt  der  ^'erbauung  im  Talinnern  abzuwarten  und  die  Durchführung  von  nötigen 
Schutzvorrichtungen  am  Schuttkegel  oder  im  Tallaufe  des  Wildbaches  außer  acht 
zu  lassen.  Doch  muß  darauf  verwiesen  werden,  daß  es  mitunter  ratsam  ist,  diese 
letzteren,  wenn  tunlich,  vorerst  nur  in  einfacher  Bauweise,  also  mehr  provisorisch 
herzustellen.  Ein  kostspieliges  Definitivum  wäre  einerseits  während  der  Verbau- 
ungsperiode  zu  stark  exponiert  und  könnte  andererseits  möglicherweise  den  nach  der 
Verbauung  eintretenden  Abflußverhältnissen  nicht  mehr  entsprechen,  denn  die 
Wirkungen  eines  verbauten  Wildbaches  sind  naturgemäß  ganz  andere  als  die  eines 
unverbauten.  —  In  manchen  Fällen  wird  nach  vollzogener  Verbauung  von  der  Her- 
stellung eines  Definitivums  vielleicht  überhaupt  ganz  abgesehen  werden  können, 
jedenfalls  ist  aber  anzunehmen,  daß  sich  die  Notwendigkeit  der  Durchführung  be- 
sonderer Vorkehrungen  gegen  Verschotterung  im  Tallauf  mit  dem  Fortschritte  der 
Verbauung  im  Talinnern  vermindert. 

Als  integrierender  Teil  eines  jeden  Verbauungssystems  ist  auch  die  Reinhaltung 
der  Bäche  von  Wildholz  und  die  sorgfältige  Beobachtung  der  Rinnsale,  eventuell  das 
langsame  und  zweckmäßige  Aussteinen  derselben  anzusehen.  Dringend  geboten  ist  es 
selbstverständlich,  daß  das  Gehänge  der  Wildbäche  in  keiner  Weise,  weder  durch 
irrationelle  forst-  noch  landwirtschaftliche  Maßregel,  zu  welch  letzteren  insbesondere 
und  unter  gewissen  Verhältnissen  Bewässerungen  und  Wasserleitungen  gezählt 
werden  müssen,   beunruhigt  werde. 

Von  ganz  besonderer  Wichtigkeit  ist  die  Handhabung, strenger  Wasserpolizei, 
die  sich  auf  entsprechende  wasserrechtliche  Bestimmungen  zu  stützen  hat.  Wenn 
man  sich  bei  NoveOierung  der  Wasserrechtsgesetzgebung  mehr  mit  der  Nutzung  als 
mit  der  Abwehr  der  Gewässer  beschäftigt,  so  ist  das  bedauerlich,  denn  die  erstere 
ist  wesentlich  von  der  letzteren  abhängig. 

§  7.  Die  allgemeinen  Regeln  für  den  Bau  und  die  Er- 
haltung der  W  i  1  d  b  a  c  h  V  e  r  b  a  u  u  n  g  e  n.  Für  die  Ausfüln-ung  der  Wild- 
bachverbauungen  muß  als  Grundsatz  nicht  nur  das  rechtzeitige,  sondern  auch  das 
ausreichende  Eingreifen  bezeichnet  werden.  Jedes  Säumen  ist  von  oft  unberechen- 
barem Schaden  begleitet  und  jede  Lücke  im  Verbauungswerke  wird  leicht  zu  dessen 
Achillesferse.  Auch  ein  allzu  rasches,  überstürztes  Vorgehen  empfiehlt  sich  nicht 
und  kann  der  Sache  nur  allzuleicht  schädlich  werden. 

Einen  maßgebenden  Faktor  der  Ausführung  bilden  die  Kosten,  von  deren 
Höhe   nicht   selten   die    Durchführbarkeit   einer   bestimmten   Verbauung   abhängt. 


A.   Die  Wildbachverbauung.     §   7.  3Qg 

Insofeme  die  Solidität  der  Ausfiilirung  hiedurch  nicht  in  Frage  gestellt  erscheint, 
wird  demnach  vor  allem  zu  erwägen  sein,  auf  welche  möglichst  einfache  ^^■eise  und 
mit  welchen  möglichst  geringen  Kosten  die  \'erbauung  durchgeführt  werden  könnte. 
Die  Kosten  der  Bauausführung  sind  im  allgemeinen  zunächst  abhängig  von  der 
^^'ahl  und  Beschaffung  der  Baumaterialien,  von  der  Art  und  \\'eise  der  Konstruktion 
der  einzelnen  Werke  und  von  den  lokalen  Arbeitsverhältnissen.  Bei  den  in  den 
Wildbächen  vorherrschend  schwierigen  Transportverhältnissen  wird  man  sich  selbst- 
verständlich, wenn  die  Ausführung  überhaupt  eine  Wahl  zuläßt,  jenes  Materiales 
bedienen  müssen,  welches  ohne  zu  erhebliche  Kosten  zur  Baustelle  geschafft  werden 
kann.  Wenn  auch  Steinbauten  unter  sonst  gleichen  Verhältnissen  in  der  Regel  teurer 
als  Holzbauten  zu  stehen  kommen,  so  verdienen  die  ersteren  in  Anbetracht  ihrer 
Solidität  und  Dauerhaftigkeit  im  allgemeinen  doch  den  Vorzug. 

Unter  der  \'oraussetzung,  daß  gutes  Bauholz  an  Ort  und  Stelle  oder  in  der 
Nähe  zur  Verfügung  steht,  kann  sich  dasselbe  allerdings  mitunter  für  eine  billigere 
Bauweise  insbesondere  deshalb  empfehlen,  weil  die  heimische  Bevölkerung  in  der 
Regel  mit  der  Holzarbeit  mehr  vertraut  ist  und  deshalb  auch  fremde,  zumeist  kost- 
spieligere Arbeitskräfte  nicht  herangezogen  w-erden  müssen.  Der  Bestand  der  hölzer- 
nen ^^'erke  ist  übrigens  namentlich  dort,  wo  dieselben  beständig  unter  Wasser  stehen, 
oder  vom  Materiale  verdeckt  sind,  oder  wo  mit  Rücksicht  auf  die  Bodenverhältnisse 
eine  baldige  Begrünung  des  verbauten  Baches  zu  erwarten  steht,  ein  zumeist  hin- 
reichend dauerhafter.  Ein  wesentlicher  \'orteil  der  Holzbauten  ist  darin  zu  suchen, 
daß  eingetretene  lokale  Beschädigungen  in  der  Regel  nicht  so  rasch  zur  Zerstörung 
des  ganzen  Baues  führen  und  daher  öfter  "rechtzeitig  wieder  gut  gemacht  werden 
können.  Es  wäre  deshalb  gewiß  einseitig,  wollte  man  unter  allen  Umständen  dem 
Holzbaue  aus  dem  \^'ege  gehen,  es  ist  vielmehr  Sache  des  Projektanten,  je  nach  den 
örtlichen  \'erhältnissen  die  richtige  Wahl  und  das  richtige  Maß  in  der  Verwendung 
von  Stein  und  Holz  zu  treffen.  Unter  allen  Umständen  sind  zu  den  Steinbauten  nur 
gute  und  dauerhafte  Steine  von  möglichst  großen  Dimensionen  zu  verwenden.  Steine, 
die  in  einem  feuchten  Grunde  der  Verwitterung  stark  unterliegen,  wie  z.  B.  alle 
Schieferarten,  Sandsteine  usw.,  sind  für  Bauten  im  ^\'ildbachgebiete  nicht  gut  ver- 
wendbar. Der  Betonbau  konnte  sich  bisher  im  Wildbachverbauungsdienste  nicht 
recht  einbürgern.  Die  Ursache  ist  die  größere  Gefährdung  der  oberirdischen  Bauteile 
durch  Abschleifen  und  durch  Frost.  Für  Fundierungen  eignet  sich  Beton  selbstver- 
ständlich vorzüglich. 

Zu  den  Holzbauten  ist  gesundes  Lärchen-,  Kiefern-,  Tannen-  und  ausnahms- 
weise auch  Fichtenholz  in  genügender  Stärke  zu  vei'wenden.  Die  Hölzer  sind  rund 
zu  belassen,  zu  entrinden  und  nach  Erfordernis  untereinander  am  besten  mit  Holz- 
nägeln zu  festigen.  Zu  den  Faschinenbauten  ist,  wo  immer  möglich,  ausschlagfähiges 
Material  zu  verwenden,  während  sich  dicht  und  stark  beastete  Tannen  für  Packwerke 
am  zweckmäßigsten  erweisen.  Der  Kostenpunkt  der  Ausführung  hängt  auch  von  den 
lokalen  Arbeitsverhältnissen  ab.  Es  soll  als  Grundsatz  gelten,  sich,  wenn  halbwegs 
tunlich,  eine  ständige  Arbeiterschaft  zu  bilden  und  nicht  durch  Zugeständaisse 
einzelner  hoher  Löhne  diese  letzteren  nach  und  nach  auf  eine  den  Verhältnissen  nicht 
entsprechende  Höhe  zu  bringen.  In  dieser  Hinsicht  hat  sich  die  Verwendung  von 
Sträflingen  und  Zwänglingen  bestens  bewährt. 

Zur  Sicherung  einer  entsprechenden  Solidität  des  Verbauungswerkes,  sowie 
auch  zur  Erzielung  einer  möglichst  billigen  Ausführung,  ist  die  stete  Aufsicht  durch 
tüchtige,  fachmännisch  gebildete  Organe  erforderlich,  welche  vorgefundene  Mängel 
ohne  Rücksicht  sogleich  abzustellen  und  die  nötigen  \\eisungen  an  Ort  und  Stelle 


310  VIII.    Wang,   Die  Wildbach-  und  Lawinenverbauung. 

ZU  erteilen  haben.  Nicht  nur  die  Kosten  der  Ausführung,  sondern  auch  die  Kosten 
der  ferneren  Erhaltung  sollen  einen  hervorragenden  Faktor  bei  Projektierung  von 
Verbauungen  bilden.  Die  Erhaltung  der  Bauten  ist  von  den  verwendeten  Materialien 
und  Arbeitskräften,  von  der  Art  der  Ausführung,  sowie  selbstverständlich  von  der 
Art  und  Weise  der  Durchführung  der  Erhaltung  selbst  abhängig.  Wie  bereits  an  frühe- 
ren Stellen  hervorgehoben,  stellt  sich  die  Erhaltung  der  Steinbauten,  weil  diese  im 
allgemeinen  dauerhafter  sind,  unter  sonst  gleichen  Verhältnissen  billiger  als  jene  der 
Holzbauten.  Kleinere  Objekte,  die  überdies  im  allgemeinen  leichter  herzustellen 
sind,  erfordern  weniger  intensive  Erhaltung  als  große,  an  deren  Bestand  sich  auch 
gleichzeitig  und  naturgemäß  ein  höheres  Interesse  knüpft.  Die  Kosten  der  Erhaltung 
können  übrigens  durch  intensive  Beaufsichtigung  wesentlich  verringert  werden. 
Es  erscheint  deshalb  unbedingt  nötig,  daß  gleich  nach  Verlauf  eines  Elementarfalles 
die  Bauten  einer  eingehenden  Untersuchung  unterzogen  und  vorgefundene,  noch  so 
geringfügige  Mängel  ohne  Verzug  behoben  werden.  An  Bauten,  bei  welchen  die  hei- 
mische Bevölkerung  werktätig  beteiligt  war,  werden  derartige  Schäden  leichter  be- 
hoben werden  können,  weil  in  einem  solchen  Falle  das  Verständnis  und  das  Interesse 
in  weit  höherem  Grade  vorhanden  sind,  als  umgekehrt.  Schäden,  welche  nicht 
mit  Elementarfällen  zusammenhängen,  sondern  dem  natürlichen  Zersetzungsprozesse 
zugeschrieben  werden  müssen,  sind  gleichfalls  tunlichst  rasch  zu  beheben,  und  wird 
diesbezüglich  die  Veranlassung  periodischer  Bachbegehungen  von  großem  Vorteile 
sein.  Da  die  intensive  und  verständige  Erhaltung  der  Bauten  insbesondere  in  den 
ersten  Jahren  von  großer  Bedeutung  ist  und  mangelhafte  Objekte  dem  Talgrunde 
nur  unberechenbaren  Schaden  bringen  können,  so  soll  und  muß  auf  die  Bildung  eines 
Erhaltungsfonds  und  insbesondere  auch  auf  die  Möglichkeit  sorgfältiger  Ueber- 
wachung  der  Instandhaltung  Bedacht  genommen  werden.  Die  Aufstellung  von  In- 
standhaltungskatastem  ist  empfehlenswert. 

Wenn  es  sich  um  die  systematische  Verbau  ung  eines  Wildbaches  handelt,  so 
muß  vorerst  eine  gründliche  Durchforschung  des  Gebietes  in  geologischer  und  geo- 
gnostischer  Beziehung  vorgenommen  werden,  der  sich  auch  noch  die  Ermittelung 
jener  Grundursachen  anzuschließen  hat,  welche  ausschließlich  oder  doch  vorwiegend 
zur  Entstehung  des  nunmehr  zu  verbauenden  Wildbaches  die  Veranlassung  gegeben 
haben.  Erst  auf  Grundlage  dieses  möglichst  sorgfältig  erhobenen  Materiales  kann 
an  die  Abfassung  des  eigentlichen  Verbauungsprojektes  geschritten  werden.  Dasselbe 
hat  im  allgemeinen  aus  der  Situation  des  Niederschlagsgebietes,  den  Längenprofilen 
der  zu  verbauenden  Bachstrecke,  den  nötigen  Querprofilen  und  dem  Kostenvoran- 
schlage zu  bestehen.  In  der  Situation  sind  die  vorhandenen  Terrainbrüche  und  alle 
sonstigen,  für  die  Verbauung  wichtigen  materialschaffenden  Oertlichkeiten  kennt- 
lich zu  machen. 

Der  Motivenbericht  enthält  die  Begründung  der  Verbauung  und  die  der  zeicli- 
nerischen  Darstellung  nicht  zu  entnehmenden,  jedoch  zu  berücksichtigenden  Ver- 
hältnisse. 

In  einigen  Staaten  sind  für  die  finanzielle  Sicherstellung  und  für  die  Durchfüh- 
rung der  Wildbachverbauungen  eigene  Gesetze  geschaffen  worden  und  es  dient  dann 
das  technische  Elaborat  als  Grundlage  für  die  im  Sinne  dieser  Gesetze  durchzufüh- 
renden Verhandlungen  und  für  die  technische  Ausführung  selbst. 

§8.  Die  technischen  Mittel  der  Wildbach  verbauung. 
Die  Mittel,  um  einen  Wildbach  zu  beruhigen  und  ihn  in  normale  Verhältnisse  zurück- 
zuführen, sind  zweifacher  Art.  In  erster  Linie  sind  zu  ihnen  die  technischen  Ar- 
beiten, d.  h.  die  unterschiedlichen  Schutz-  und  Festigungsbauten,  und  in  zweiter 


A.   Die  Wildbachverbauung.     §  8.  ^n 

Linie  die  eigentliclien  forstlichen  Arbeiten,  d.  li.  Bindung  und  Festigung  der  Terraiii- 
brüche  und  des  entwaldeten  Sammelgebietes  durch  Berasung  und  Bewaldung,  dann 
sonstige  kulturelle  wirtschaftliche  Maßnahmen  zu  zählen.  Die  letzteren  Vorkeh- 
rungen unterstützen  nicht  nur  wesentlich  die  ersteren,  es  ist  vielmehr  in  vielen  Fällen 
eine  gelungene  Wiederbewaldung  für  den  Gesamterfolg  der  ^'erbauung  ausschlag- 
gebend. 

Zu  den  technischen  Mitteln  der  Verbauung  sind  zu  zählen: 

1.  Die   Quer  bauten. 

2.  Die  Parallelbauten. 

3.  Die  Schalenbauten. 

4.  Die  Entwässerungsanlagen. 

5.  Die  Lehnenbindungen. 

6.  Die  Schuttkegelversicherungen. 

L  Die  Querbauten.  Es  sind  das  Werke,  welche  ähnlich  wie  ein  Wehr 
von  einem  Ufer  zum  anderen  reichen,  und  zumeist  senkrecht  auf  den  Stromstrich  zu 
stehen  kommen.  Mit  Hilfe  solcher  Bauten  .wird  die  Bachsohle  entweder  in  ihrem 
konkreten  Zustande  erhalten  oder  aber  gehoben,  immer  aber  vor  der  weiteren  Sohlen- 
erosion geschützt.  Bei  Hebung  der  Bachsohle  tritt  in  der  Regel  gleichzeitig  eine  Profil- 
erweiterung ein  und  angebrochene  Füße  der  seitlichen  Hänge  erhalten  eine  Stütze. 
Ueberdies  wird  das  wirksame  Bachgefälle  und  hiemit  die  Schleppkraft  des  Wassers 
vermindert. 

Je  nach  der  Höhe  über  der  Bachsohle  trennt  man  die  Querwerke  in  Tal- 
sperren und  in  G  r  u  n  d  s  c  h  w  e  1 1  e  n. 

a)  Die  Talsperren.  Man  bezeichnet  gemeiniglich  solche  Ouerbauten  als 
Talsperren,  welche  mindestens  eine  Höhe  von  "2 — 3  Meter  über  der  Bachsohle  haben. 
Je  nach  der  ihnen  zufallenden  Aufgabe  werden  Stauwerke  und  Konsoli- 
dierungswerke unterschieden.  Im  ersteren  Falle  hat  das  Objekt  die  einzige 
oder  doch  vornehmliche  Aufgabe,  Material  zurückzuhalten,  im  zweiten  Falle  aber 
fiie  Bachsohle  vor  Erosion  zu  schützen  oder  anbrüchige  Lehnenfüße  durch  die  Ver- 
landung  zu  decken.  Nicht  selten  kann  das  Objekt  durch  günstige  Wahl  der  Baustelle 
beiden  Aufgaben  zugleich  gerecht  werden.  Stauwerke  finden  insbesondere  bei  Ver- 
bauung der  Wildbäche,  welche  vorwiegend  Verwitterungsprodukte  führen,  Anwen- 
dung. Als  Grundsatz  für  die  Wahl  der  Baustelle  solcher  Objekte  gilt  die  Ausnützung 
felsiger  Stellen  innerhalb  des  Bachgerinnes,  und  dies  in  engen  Ouerprofilen,  oberhalb 
welchen  sich  das  Tal  bei  vorherrschend  geringem  Gefälle  zu  einem  Becken  erweitert. 

Die  Wahl  der  Baustelle  für  Konsolidierungszwecke  soll  zwar  von  ähnlichen 
Grundsätzen  geleitet  sein,  doch  hängt  sie  zumeist  von  der  Beschaffenheit  der  zu  ver- 
sichernden Bachstrecke  ab.  Immer  sollen  Konsolidierungswerke  auf  einer  der  Ero- 
sion unterworfenen  Bachstrecke  derart  systematisch  im  Zusammenhange  stehen, 
daß  die  unter  dem  Ausgleichsgefälle  geneigten  Linien  ihrer  \'erlandung 
von  der  Krone  des  einen  Objektes  bis  zum  Fuße  des  nächst  höheren  reichen.  Auch 
soll  es  Grundsatz  sein,  wenn  tunlich,  an  Stelle  eines  höheren  Objektes  mehrere  niedrige 
zu  errichten,  weil  hiemit  der  Gefahr  der  Auskolkung  des  Sperrfußes,  welche  den 
Bestand  des  Objektes  am  meisten  gefährdet,  wirksamer  vorgebeugt  wird. 

Die  Talsperre  besteht  aus  dem  Sperrkörper  samt  seinem  Fundamente  und  der 
seitlichen  Einbindung,  dann  aus  der  Vorfeldversicherung,  dem  Fall-  oder  Sturzbett, 
dessen  Aufgabe  es  ist.  den  Sperrfuß  zu  sichern,  d.  h.  ihn  vor  Kolkungen  und  Unter- 
spülungen durch  das  herabfallende  Geschiebe  und  abfließende  Wasser  zu  bewahren. 

Nachdem  Talsperren  in  der  Regel  größere  und  bedeutungsvollere  Objekte  sind, 


312  VIII.    Wang,   Die  Wildbach-  und  Lawinenverbauung. 

SO  werden  sie  zumeist  in  Stein,  oder,  wenn  schon  aus  Holz,  so  doch  nur  mit  Zuhilfe- 
nahme von  Stammholz  errichtet. 

Talsperren  aus  Faschinen  oder  aus  Packwerk  gelangen  selten  zur  Herstellung. 

Der  Körper  einer  Steinsperre  wird  zumeist  in  Form  eines  liegenden  Ge- 
wölbes mit  dem  Scheitel  stromaufwärts  erbaut.  Der  Vorteil  der  Bogenform,  deren 
Pfeilhöhe  beiläufig  dem  Zehntel  der  Sehne,  diese  letztere  also  annähernd  dem  Bogen- 
radius  entsprechen  soll,  liegt  in  der  größeren  Widerstandsfähigkeit  gegen  den  Stoß 
und  Druck  der  sich  ansammelnden  Wasser-  und  Geschiebemassen. 

Bei  geringer  Spannweite  und  dort,  wo  starker  Seitendruck  zu  erwarten  ist, 
werden  die  Talsperren  gerne  in  Art  freistehender  Mauern  geradlinig  errichtet.  Die 
talwärts  gekehrte  oder  talseitige  Stirnwand  einer  Sperre  ist  vorteilhaft  mit  einem 
Anzug  von  20 — 25  "o  cler  Höhe,  in  seltenen  Fällen  vertikal  herzustellen.  Allerdings 
wird  mit  der  vertikalen  Stellung  die  kolkende  Einwirkung  der  überstürzenden  Wasser- 
massen auf  den  unmittelbaren  Fuß  der  Sperre  vermieden,  auch  wird  die  Abnützung 
der  talseitigen  Stirnfläche  auf  die  oberste  Lage  beschränkt.  Dagegen  ist  die  Stand- 
festigkeit einer  an  der  Talseite  geböschten  Sperre  größer  und  die  Inanspruchnahme 
des  Sturzbettes  im  allgemeinen  geringer.  Die  bergwärts  gekehrte  sog.  bergseitige 
Stirnwand  wird  in  der  Regel  vertikal  gehalten. 

Mit  Rücksicht  auf  die  Ausführung  kann  der  Körper  einer  Steinsperre  entweder 
aus  einer  in  hydraulischen  Mörtel  gelegten  Bruchsteinmauer  oder  aus  einem  gemisch- 
ten Mauerwerk,  d.  h.  teilweise  in  Mörtel,  teilweise  trocken  gemauert,  oder  endlich  aus 
einem  reinen  Trockenmauerwerk  mit  mehr  oder  minder  gut  behauenen  Steinen  be- 
stehen. In  neuerer  Zeit  werden  auch  Talsperren  in  Beton  ausgeführt,  wobei  es  sich 
empfiehlt,  die  Krone  mit  gutem  Stein  in  hydraulischem  Zement  abzudecken. 

Bei  den  Wildbachverbauungen  in  Oesterreich  und  in  der  Schweiz  werden  die 
Talsperren  vielfach  als  Trockenmauem  mit  lagerhaft  zugehauenen  Steinen  erbaut, 
während  in  Frankreich  zumeist  Mörtelmauenmgen  oder  gemischte  Mauerungen  An- 
wendung finden.  Wo  großer,  schöner  Stein  vorhanden,  kann  die  Trockenmauerung 
in  Art  der  Zyklopenmauerung  immerhin  Anwendung  finden,  es  wäre  denn,  daß  es 
sich  um  die  Herstellung  sehr  hoher  und  wichtiger  Objekte  handelt,  in  welchem  Falle 
unbedingt  der  Zementmauerung  der  Vorzug  einzuräumen  ist. 

\A'ird  der  Körper  einer  Talsperre  in  hydraulischen  Mörtel  gelegt,  so  muß  eine 
größere  Abflußöffnung,  eine  sog.  Dohle  oder  mehrere  kleine  Mauerschlitze  für  den 
Abfluß  des  Sickerwassers,  letztere  in  ausreichender  Anzahl  und  Verteilung,  hergestellt 
werden.  Bei  dem  Aufbaue  der  Sperre  sind  für  die  Herstellung  der  talseitigen  Stirn- 
wand möglichst  große  und  gute  Steine  bei  entsprechender  Ausarbeitung  der  Stoß- 
und  Lagerfugen  zu  benützen. 

Die  einzelnen  Steine  sollen  mit  ihrer  längsten  Dimension  nach  der  Tiefe  der 
flauer  gelegt  werden;  die  Höhe  der  einzelnen  Steinlagen  entspricht  der  zweitgrößten 
Dimension  der  ven\endeten  Steine. 

In  jeder  Steinlage  (Gewölbering)  sind  womöglich  gleich  hohe  Steine  zu  verwen- 
den. Das  selbständige,  gewölbartige  und  tunlichst  rasche  Abschließen  einer  jeden 
einzelnen  Steinlage  ist  mit  Hinblick  auf  die  Möglichkeit  großer  Beschädigung  im  Falle 
eines  Hochwassers  oder  Murganges  geboten.  Höhe  und  Mauerstärke  werden  mit 
Rücksicht  auf  die  örtliche  Beschaffenheit  fallweise  zu  bestimmen  sein. 

Die  Krone  der  Steinsperre  wird  mit  besonders  großen  Steinen  abgedeckt,  und 
erhält  vielfach  ein  schalenförmiges  Profil,  d.  h.  es  wird  der  Wasserüberfall  gegen 
die  Mitte  der  Krone  in  eine  sogenannte  Abflußsektion  verlegt.  Ist  die  eine 
Böschung  felsig,   die  andere  locker,  so  wird  der  Abfluß  gegen   die  erstere  gerichtet. 


A.  Die  Wiklljaclnorhaiuing.     §  8.  323 

Die  horizontale  Krone  ist  dort  zulässig,  wo  die  Seitenhänge  beiderseits  aus 
festem,  felsigen  Materiale  zusammengesetzt  sind.  Es  ist  ihr  im  übrigen  der 
Vorteil  der  Vermeidung  der  Konzentration  der  Wässer  zuzusprechen,  welcher 
Vorteil  auch  teilweise  durch  die  Wahl  eines  trapezförmigen  Profiles  der  Abflußsek- 
tion, an  Stelle  des  schalenförmigen,  zu  erreichen  ist.  Diese  letztere  wird  nicht  selten 
der  erhöhten  Sicherheit  wegen  abgediolt,  wobei  die  Bedielung  als  Schußtenne  über 
die  talseitige  Stirnwand  hervorragt. 

Die  Widerlager  einer  Sperre  werden  durcli  das  möglichst  tiefe  Einbauen  des 
Sperrkörpers  in  die  Seitenhänge  des  Wildbaches  ersetzt  und  in  den  wenigsten  Fällen 
durch  künstliche  Anlagen  geschaffen. 

Ist  das  Gehänge  locker,  so  erscheint  es  vorteilhaft,  Böschungsversicherungen, 
anlehnend  an  das  Ufergelände,  von  den  Sperrflügeln  aus  nach  auf-  besonders  aber 
nach  abwärts  möglichst  weit  zu  führen  und  an  den  Enden  in  das  natürliche  Terrain 
einzubinden. 

Das  Fundament  einer  Steinsperre  ist  um  so  sorgfältiger  herzustellen,  je  höher 
und  massiver  der  Bau  errichtet  werden  soll.  Ist  in  der  Bachbettsohle,  und  zwar  in 
mäßiger  Tiefe  fester,  gewachsener  Boden  anzutreffen,  so  ist  der  Sperrkörper  bis  auf 
den  Felsen  hinabzuführen;  es  muß  also  dieser  bloßgelegt  und  die  Fundamentmauer 
unmittelbar  darauf  bezw.  in  den  Fels  entsprechend  vertieft  gesetzt  werden.  Dabei 
ist  die  Oberfläche  des  Felsens  vorerst,  sei  es  stromaufwärts  etwas  geneigt,  sei  es  in 
Staffelform  herzurichten.  Ist  ein  felsiger  Untergnmd  nicht  vorhanden  oder  doch 
erst  in  bedeutender  Tiefe  anzutreffen,  dann  sollen  nur  Objekte  von  mäßiger  Höhe 
erbaut  werden  oder  es  müssen  selbe  auf  eine  solide  Rostanlage  gestellt  werden. 

Sind  die  beiderseitigen  Anschlußlehnen  felsig,  die  Sohle  dagegen  aus  losem 
Schotter  zusammengesetzt,  so  kann  es  sich  behufs  Verhinderung  der  gefahrvollen 
Auskolkung  empfehlen,  das  Fundament  des  Objektes  gewölbartig,  mit  dem  Scheitel 
nach  aufwärts,  auszubauen,  wobei  die  beiderseitigen  festen  Anschlußlehnen  dem 
Fundamentgewölbe  als  Widerlager  zu  dienen  haben. 

Das  Vorfeld  der  Talsperre  ist  jener  Teil  der  Bachbettsohle,  welcher  unmittelbar 
von  den  über  die  Sperre  abstürzenden  Wasser-  oder  Geschiebemassen  ge- 
troffen wird.  Derselbe  wird  selbstredend,  soll  nicht  eine  Auskolkung  und  Unterspü- 
lung der  Sperre  eintreten,  deren  Folgewirkung  der  Einsturz  der  gesamten  Anlage  wäre, 
dieser  erhöhten  Kraftäußerung  Widerstand  leisten  müssen.  Eine  feste  und  dauerhafte 
Versicherung  dieser  Stelle  ist  somit  die  wichtigste  Aufgabe  des  Gesamtbaues  und 
kann  nur  dann  entfallen,  wenn  die  besagte  Stelle  felsiger  Beschaffenheit  sein  sollte. 

Bei  Steinsperren  kommt  zumeist  die  solide  Abpflasterung  des  Vorfeldes  als 
Vorfeldversicherung  in  Anwendung.  Hiebei  ist  darauf  zu  sehen,  daß  die  Steine,  die 
vorteilhaft  in  Zement  zu  legen  sind,  auf  die  ,,hohe  Kante"  gesetzt  werden  und  daß 
die  Vorfeldversicherung  genügend  weit  nach  abwärts  reiche.  Die  doppelte  Fallhöhe 
des  Objektes  als  Länge  der  Vorfeldversicherung  wird  unter  allen  Umständen  genügen. 
Vorteilhaft  hat  sich  die  Abdielung  der  Pflasterung  mit  Holz  erwiesen.  Je  weiter  die 
Pflasterung  gegen  die  Krone  heraufgezogen  wird,  desto  mehr  wird  die  Fallhöhe  ver- 
ringert und  desto  mehr  wird  der  Beschädigung  des  Vorfeldes  vorgebeugt. 

Das  Vorfeld  kann  auch  durch  die  Herstellung  eines  sekundären  Vorbaues,  einer 
sog.  Vorsperre  oder  Gegentalsperre  geschützt  werden,  welchem  Baue  dann  der  Cha- 
rakter einer  Grundschwelle  zukommt.  Ihre  Verlandung  hat  bis  zum  Fuße  des  Haupt- 
objektes zu  reichen.  Oft  wird  zur  erhöhten  Sicherung  das  talseitige  Ende  der  Vor- 
feldversicherung durch  eine  Grundschwelle,  eine  Gegensperre,  abgeschlossen, 
Abb.  5. 


314 


VIII.    W  a  n  g  ,   Die  Wildbacli-  und  Lawinenverbauung. 


Für  die  Ausführung  gilt  der  allgemeine   Grundsatz,  vorerst  jene  Objekte  zu 
bauen,  welche  den  anderen  zum  Schutze  zu  dienen  haben.   Es  wird  deshalb  zunächst 


Abbildung  3. 


i 


/j-  ,v ' 


,.  yk.^'^ 


Abbildung  4. 


die  Vorsperre,  daran  anschließend  eventuell  die  Pflasterung  des  Vorfeldes  und  dann 
erst  die  eigentliche  Sperre  zu  errichten  sein. 

Es  kann  nicht  unbemerkt  bleiben,  daß  oft  die  stärksten  Vorfeldversicherungen 
der  Kraft  des  abstürzenden  Wassers  nicht  Widerstand  zu  leisten  vermögen.    Es  hat 


A.   Die   WiUlbaclivcrbauung.      §   8. 


315 


sich  daher  als  vorteilliaft  erwiesen,  bei  geiuifjender  Tiefe  des  Fundamentes  der  Sperre, 
oder  bei  gewöibartigeiii  Ausbaue  derselben,  den  sich  vor  dem  Objekte  stets  bildenden 
Kolk  selbst  künstlich  herzustellen  und  ihn  mit  großen  Steinen  auszufüllen  und  immer 
wieder  nachzufüllen,  das  gänzliche  Abschwemmen  dieses  Steinvorgrundes  aber  durch 
Herstellung  einer  Pilotenwand  zu  verhindern. 

In  den  Abb.  3,  4  und  5  ist  die  Type  einer  Steinsperre  in  Trockenmauerung  er- 
sichtlich gemacht.  Die  Krone  ist  trapezförmig  ausgestaltet,  die  Vorfeldversicherung 
am  talseitigen  Ende  verstärkt,  d.  h.  in  Art  einer  Grundschwelle  hergestellt.  Im  Falle 
der  Verwendung  von  Mörtel  würde  sich  die  Form  des  Objektes  nicht  ändern,  nur 
müßte  für  die  Freilassung  einer  Dohle  oder  von  Sickerschlitzen  Sorge  getragen  werden. 

Talsperren  aus  Holz  können  ein-  oder  zweiwandig  sein.  Die  ersteren 
bezeichnet  man  als  B  1  o  c  k  w  a  n  d  -  oder  Balken  sperren,  die  letzteren  als 


Abbildung  5. 


Steinkastensperren.  Der  Körper  der  Balkensperren  besteht  aus  einer 
Anzahl  von  übereinandergelegten,  runden  Stammstücken  von  gehöriger  Länge  und 
Stärke,  die  entweder  unmittelbar  aufeinanderliegen  oder  untereinander  Zwischen- 
räume von  15 — 20  cm  Weite  bilden.  Im  ersteren  Falle  wird  die  Sperrwand  in  der 
Regel  durch  vorne  eingerammte  Piloten  gehalten.  Im  zweiten  Falle  dienen  zur  Festi- 
gung dieser  Wand  Zangenhölzer,  welche  in  die  Hinterfüllung  möglichst  weit  hinein- 
greifen. Nicht  ohne  Vorteil  ist  die  Verwendung  von  ganzen  Stämmen  mit  voller 
Beastung  als  Zangenhölzer,  in  welchem  Falle  die  in  der  Hinterfüllung  fest  eingeschlos- 
sene Krone  einen  weit  höheren  Festigkeitsgrad  gewährt.  Es  entsteht  dann  die  im 
Gebirge  häufig  angewendete  R  a  u  h  b  a  u  m  s  p  e  r  r  e  ,  Abb.  6,  7  und  8.  Die  Stein- 
kastensperre, Abb.  9,  10  und  11,  besteht  aus  zwei  Balkenwänden,  die  untereinander 
mittels  Querhölzern  verbunden  sind,  während  der  Zwischenraum  mit  Geschiebe  aus- 


316 


VIII.    Wang,   Die  Wildbach-  und  Lawinenverbauung. 


Abbildung  6. 


Abbildung  7. 


Abbildung  8. 


A.  Die  Wildbachverbauung      §  8. 


317 


gefüllt  und  an  der  Oberfläche  überdielt  oder  abgepflastert  wird.  Ist  die  Profilweite 
sehr  beträchtlich,  so  wird  der  Holzbau  aus  zwei  oder  drei  Teilen  derart  zusanunen- 
gesetzt,  daß  zwei  Teile  bergwärts  einen  stumpfen  Winkel  bilden  oder  daß  bei  drei 
Teilen  der  mittlere  Teil  senkrecht  auf  den  Stromstrich  und  die  Seitenteile  schief  und 
talwärts  geführt  werden,  so  daß  die  Form  einem  mit  dem  Scheitel  bergwärts  liegenden 
Gewölbe  ähnlich  wird.    In  der  obersten  Balkenlage  wird  durch  Einschnitte  und  durch 


Abbildung  9. 


Abbildung  10. 


■V- 


Befestigung  von  kürzeren  Seitenstücken  eine  Abflußrinne  für  die  Wässer  geschaffen 
und  damit  auch  der  Stromstrich  von  den  gefährdeten  Uferpartien  abgelenkt.  Die 
Versicherung  des  Vorfeldes  bei  hölzernen  Talsperren  erfolgt  in  ähnlicher  Weise  wie 
bei  den  Steinsperren  und  ist  den  Abb.  7 — 11  zu  entnehmen.  Zu  beachten  ist,  daß 
Holzsperren  im  untersten  Teile  einen  Holzboden,  den  sog.  Schwerboden  zu  dem 
Zwecke  erhalten  sollen,  damit  im  Falle  der  Auskolkung  die  Füllung,  wo  eine  solche  vor- 
handen, nicht  nachsinken  kann. 


318 


VIII.    W  a  n  g  ,  Die  Wildbacli-  und  Lawinenverbauung. 


b)  Die  Grund  seh  wellen  sind  niedrige  Querwerke,  welche  im  allge- 
meinen die  Aufgabe  haben,  entweder,  älmiich  wie  die  Talsperren,  im  systematischen 
Zusammenhange  die  Erosion  zu  verhindern,  oder  aber  anderen  Objekten,  Parallel- 
werken, Schalenbauten,  auch  den  Talsperren  als  Vorsperren    zur  Stütze   zu  dienen. 

Die  Wahl  der  Baustelle  hängt  von  der  Aufgabe  ab,  welche  das  Objekt  oder  eine 
ganze  Reihe  solcher  Objekte  zu  erfüllen  hat.  Im  allgemeinen  gelten  für  die  Wahl  der 
Baustelle  die  bei  den  Talsperren  zu  berücksichtigenden  Grundsätze. 

Grundschwellen  können,  ähnlich  wie  die  Talsperren,  in  Stein  und  Holz  bei  ent- 
sprechend geringerer  Dimensionierung  ausgeführt  werden. 

Abbildung  11. 


■1«*' 


Eine  Stelngmndschwelle,  welche  einer  sich  anschließenden  Sohlenpflasterung 
zur  Stütze  dient,  ist  in  den  Abb.  12,  13  und  14  ersichtlich   gemacht. 

Hölzerne  Grundschwellen  bestehen  aus  einem,  aus  zwei  oder  mehreren  Balken, 
die  senkrecht  auf  den  Stromstrich  in  die  Bachsohle  eingelassen  und  beiderseits  mit 
den  Hängen  entsprechend  verbunden  werden. 

Die  geringere  Dimensionierung  der  Grundschwellen  und  ihre  Anwendung  in 
den  kleinen  Wasserrinnen,  welche  sich  rasch  begrünen  sollen,  lassen  es  oft  wünschens- 
wert erscheinen,  ausschlagfähiges  Material  zu  ihrer  Herstellung  als  sog.  lebende 
Werke  zu  verwenden.  Derartige  Objekte  sind  dann  als  Querflechtwerke,  Abb.  15,  16 
und    17,  oder  als  Faschinenquerwerke,  Abb.  18,  19  und  20  bekannt. 


A.   Die  Wildbacliveihaiiuiig.     §  8. 


319 


Abbildung  12. 


Abbildung  13. 


Abbildung  14. 


320 


VIII.    W  a  n  g  ,  Die  Wildbacli-  und  Lawinenverbauung. 


Die  Art  der  einfach  gehaltenen  Vorfeldversicherung  ist  den  bezogenen  Abbil- 
dungen zu  entnehmen.  Im  Bedarfsfalle  können  die  Konstruktionen  entsprechend 
verstärkt  werden. 

Steht  ausschlagfähiges  Material  nicht  zur  Verfügung,  so  müssen  derartige 
Objekte  aus  sonstigem  Astwerk,  als  sog.  tote  Werke  errichtet  werden. 

Abbildung  15. 


Abbildung  16. 


Abbildung  17 


■  % 


Die  lebenden  Werke  finden  übrigens  auch  dort  Anwendung,  wo  es  sich  darum 
handelt,  auf  die  Verlandung  der  Ouerwerke  erster  oder  zweiter  Ordnung  schwächere 
Objekte  höherer  Ordnung  zum  Schutze  dieser  Verlandung  und  zur  Ermöglichung 
ihrer  raschen  Begrünung  aufzusetzen. 

Die  lebenden  Werke,  die  mit  Rücksicht  auf  ihre  Widerstandskraft  und  längere 
Dauer  den  toten  Werken  vorzuziehen  sind  und  zu  deren  Ausführung  ausschlagfähiges 


A.  Die  Wildbachverbauun". 


321 


Material  verwendet  wird,  sollen  zu  einer  Zeit  hergestellt  werden,  zu  welcher  auf  das 
Austreiben  mit  Bestiinintheit  gerechnet  werden  kann.  Das  Material  soll  daiier  frisch 
gewonnen  werden  und  speziell  zur  Herstellung  von  Faschinen  aus  möglichst  langen 
und  nicht  zu  starken  Weidenruten  bestehen. 

Abbildung  18. 


Abbildung  19. 
77z. 


Abbildung  20. 


Im  Falle  der  Errichtung  von  Flechtwerken  werden  senkrecht  auf  den  Strom- 
strich Pfähle  aus  womöglich  gleichfalls  ausschlagfähigem  Materiale  in  einer  oder 
in  zwei  Reihen  geschlagen  und  mit  ausschlagfähigen  Weidenruten,  deren  unteres  Ende 
genügend  tief  in  den  Boden  zu  versenken  ist,  verflochten. 

Die  Faschinen  werden  durch  Binden  des  Materiales  mittelst  Draht  oder  Wieden 
ergänzt  und  sollen  länger  sein,  als  die  Breite  des  damit  zu  verbauenden  Rinnsales. 
Wird  die  Faschine  mit  einem  Schotterkem  versehen,  so  entsteht  die  Senkfaschine, 


Handb.  d.  Forstwig?. 


.\ufl.     II. 


21 


322 


VIII.    Wang,  Die  Wildbach-  und  Lawincnverbauung. 


in  größerer  Dimensionierung  auch  Sinkwalze  genannt,  welche  den  Vorteil  einer  ge- 
wissen Beweglichkeit  insoferne  besitzt,  als  sie  im  Falle  der  Auskolkung  durch  ihre 
Schwere  nachzusinken  und  den  Kolk  wenigstens  teilweise  auszufüllen  vermag. 

2.  Die  Parallelbauten.  Es  sind  dies  Objekte,  welche  nach  der  Längsrichtung 
des  Baches  in  der  Regel  zum  Schutze  von  anbrüchigen  Lehnen  oder  Ufern,  oder  auch 
zur  Schaffung  geregelter  Gerinne  errichtet  werden.  Zu  derlei  Bauten  gehören  zunächst 
die  verschiedenen  Arten  des  Uferschutzbaues,  auf  deren  nähere  Beschreibung  wegen 
Raummangel  hier  nicht  eingegangen  werden  kann. 

Abbildung  21. 


Abbildung  22. 


Die  Wahl  der  Baustelle  ist  durch  die  örtlichen  Verhältnisse  gegeben;  für  die 
Wahl  des  Baumateriales  gelten  die  allgemeinen  Grundsätze.  Uferschutzbauten  wer- 
den in  den  Wildbächen  nicht  selten  als  Flechtwerke  oder  in  Form  von  Streichwänden, 
dann  in  Form  einfacher  oder  doppelter  Steinkästen,  rohen  oder  geschlichteten  Stein- 
würfen u.  dergl.  m.  errichtet.  Flache  Böschungen  sind  den  steilen  vorzuziehen.  Gegen 
die  Gefahr  der  Auskolkung  sowohl,  als  auch  der  der  Ueberflutung  muß  entsprechend 
vorgesorgt  sein. 


A.  Die  Wildbachverbauung.     §  8. 


323 


Abbildung  23. 


Abbildunor  24. 


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Abbildung  26. 


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324 


VIII.   Wang,   Die  Wildbach-  und  Lawinenverbauung. 


Die  Abb.  21  und  22  zeigen  solche  nicht  selten  in  Anwendung  kommende  Ufer- 
schutzbauten. 

Wenn  es  sich  um  die  Herstellung  geschlossener  Gerinne  handelt,  was  insbesondere 
in  den  ausgedehnten  Talläufen  der  Wildbäche  der  Berg-  und  Hügelländer  nötig  fällt, 
so  kommen  oft  Flechtwerke,  Faschinenwerke,  Spreitlagen  oder  auch  Sinkwalzen 
in  Anwendung.  Wo  Steine  vorhanden,  werden  gemauerte  Leitwerke  oder  Böschungs- 
pflasterungen, Taludierungen,  ausgeführt. 

Zur  Verhinderung  der  Unterwaschung  sind  nach  Bedarf  Grundschwellen  einzu- 
bauen. Die  Abb.  23 — ^26  zeigen  derartige  Bachlaufkorrektionen,  Abb.  27  überdies  den 
Sinkwalzenbau. 

Die  sehr  veränderlichen  Wasserstände  der  Wildbäche  der  Berg-  und  Hügel- 
länder schließen  die  Wahl  des  einfachen,  alle  Wasserstände  konsumierenden  Ouer- 
profiles  aus,  weshalb  zumindest  den  extremen  Hochwassern  die  Ueberflutung  nicht 
verwehrt  wird.  Aus  diesem  Grunde  erscheint  es  aber  umso  mehr  geboten,  das  Vor- 
land durch  Einziehen  von  Traversen  aus  Flechtwerk,  oder  in  Art  von  Steinwürfen 
auf  Faschinenbettung,  u.  dergl.  m.  zu  festigen. 

In  seltenen  Fällen  wird  das  Doppelprofil  gewählt. 


Abbildung  27. 


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^ 


Strenge  genommen  zu  den  Paralleh\erken  nicht  zu  zählen  sind  die  Buhnen, 
welche,  mehr  oder  weniger  weit  und  verschieden  gestellt,  in  das  Bachbett  ragen.  Sie 
werden  als  Schutz-,  Treib-  und  Verlandungsbuhnen  errichtet,  bilden  aber  in  den 
Wildbächen  stärkeren  Gefälles  ein  zweischneidiges  Schwert  in  der  Hand  des  Projek- 
tanten, denn  je  offensiver  ihr  Charakter,  desto  größer  wird  die  Gefahr  von  Bachver- 
werfungen. In  den  Wildbächen  der  Berg-  und  Hügelländer  können  sie  bei  den  dort 
vielfach  herrschenden  geringeren  Gefällswerten  dazu  benützt  werden,  um  durch  lang- 
sames Vorschieben,  bei  gleichzeitiger  Kultivierung  des  Vorlandes,  die  Entwickelung 
des  Normalprofiles  zu  fördern  und  dessen  nachträgliche  Stabilisierung  zu  erleichtern. 

Ihre  Herstellung  erfolgt  in  Art  des  Uferschutzbaues.  Besonderes  Gewicht  ist 
auf  die  ausreichendste  Versicherung  des  Buhnenkopfes  zu  legen. 

3.  Die  Schalenbauten.  Schalen  oder  Kunetten  sind  künstlich  herge- 
stellte Abflußkanäle  mit  am  vorteilhaftesten  segment-  oder  halbkreisförmigem  Profile. 

In  der  Regel  kommt  der  Schalenbau  zur  Verhinderung  der  Sohlenerosion  in  den 
obersten  Runsen  des  Niederschlagsgebietes  eines  Wildbaches  zur  Anwendung,  doch 
setzt  das  voraus,  daß  die  beiderseitigen  Gehänge  schon  so  weit  abgebösclit  sind,  daß 
durch  ihren  Einsturz  oder  selbst  durch  Herabfallen  größerer  Steine  die  Schale,  die 
in  der  Regel  gepflastert  ist,  nicht  Schaden  leide.  In  größerer  Form  können  Schalen 
auch  behufs  Ableitung  des  Baches,  sei  es  im  Talinnern,  sei  es  am  Schuttkegel  errichtet 
werden.     Unter  gewissen  Verhältnissen  kann  es  genügen,  an  Stelle  von  Steinschalen 


A.  Die  Wildbacliverbauung.     §  8. 


325 


hölzerne,  schalenförmige  Gerinne  oder  selbst  solche  aus  Rasen  (Rasenkunetten)  zu  ähn- 
lichen Zwecken  herzustellen.  \'orteilhat't  sind  gepflasterte  Schalen  in  ^'e^bindung  mit 
Verpfählungen,  die  sog.  Pfahlkunetten.  Die  Dimensionierung  hängt  in  allen  Fällen  von 
den  zu  erwartenden  Abflußmengen  ab.  In  steilem  Gefälle  \\ird  die  Unterstützung 
durch  Grundschwellen  nottun.     Die  .A.bb.  28 — 31  zeigen  eine  durch  Grundschwellen 

Abbildung   28. 


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Abbildung  29. 


Abbildung  30. 


.■\bbildung  31. 

gestützte  steinschale.  Heivorzu heben  ist,  daß  derartige  Objekte,  wenn  es  besondere 
Verhältnisse  nicht  anders  erheischen  sollten,  von  unten  hinauf  zu  bauen  sind,  weil  so 
im  Falle  des  Eintrittes  eines  Hochwassers  während  der  Arbeit  größeren  Beschädi- 
gungen besser  vorgebeugt  erscheint. 

4.  Die  Entwässerungsanlagen.  Dieselben  bestehen  in  der  Errichtung  von 
Entwässerungsgräben  zum  Zwecke  der  Ableitung  der  Quell-  und  Sickerwässer,  welche 


326 


VIII.   Wang,  Die  Wildbach-  und  Lawinenverbauung. 


Abbildung  32. 


o  e.i 


vornehmlich  durch  Unterwühlung  schädlich  wirken.  Für  die  Anlage  sind  die  lokalen, 
oft  sehr  verschiedenen  Verhältnisse  derart  maßgebend,  daß  sich  in  gedrängter  Kürze 
allgemeine  Grundsätze  für  die  technische  Durchführung  nicht  aufstellen  lassen.  In 
den  Wildbächen  ist  es  unbedingt  notwendig,  die  auf  die  Unterwühlung  der  Gehänge 
zurückzuführenden  Terrainbrüche  sorgfältig  zu  beobachten  und  eventuell  vorerst 
provisorisch  zu  entwässern,  bevor  zur  Anlage  definitiver  derartiger,  zumeist  kost- 
spieliger Anlagen  geschritten  wird. 

Die  Abb.  32  und  33 
zeigen  Querschnitte  von 
Entwässerungsgräben, 
wie  solche  zumeist  zur 
Herstellung     gelangen. 
In  Abb.  33  ist  der  Gra- 
ben durch  eine  Schale 
gedeckt,  welche  den 
Zweck    hat,    das   ober- 
flächlich  abfließende 
Meteorwasser  unschäd- 
lich über  den  lockeren, 
untei-wühlten  Hang  ab- 
zuleiten. 

Die  Anlage,  die  wenn  nötig,  in  anderen  voranzugehenden  baulichen  Maßnahmen, 
als  Fußversicherungen,  Sohlensicherungen  u.  dgl.  m.  ihre  Stütze  finden  muß,  soll 
umsomehr  die  Eigenschaft  der  tunlichsten  Bauökonomie  aufweisen,  als  ihre  Zweck- 
mäßigkeit oft  von  vorneherein  nicht  hinreichend  beurteilt  werden  kann.   Zur  Füllung 

der  Gräben  ist  deshalb 
Abbildung  33.  das  in  der  Regel  nicht 

weit  von  der  Baustelle 
zu  gewinnende  Stein-, 
Holz-  oder  auch  Fa- 
schinenmaterial zu  ver- 
wenden. Drainröhren 
und  ähnliche  Leitungen 
sind  der  Kostspieligkeit 
und  der  in  der  Regel 
hohen  Transportkosten 
halber  selten,  und  wohl 
nur  an  zugänglicheren 
Orten  im  Gebrauch. 
Der  zu  verwendende 
anhaftenden  Erde  zu  befreien  und  mit  der  breiten  Fläche  nach 
Die  größten  Steine  kommen  zu  unterst  zu  liegen.  Um  das 
Verschlammen  zu  verhindern,  ist  eine  Einlage  von  Moos  oder  Fichtennadeln  vor- 
teilhaft. Bruchstein  in  loser  Schichtung  ist,  weil  dem  Wasser  mehr  Zwischen- 
raum zum  Abflüsse  geboten  wird,  venvendbarer  als  Findlinge.  Bei  größerem  Ge- 
fälle ist  die  Sohle  des  Entwässerungsgrabens  durch  Pflasterung  oder  sonstwie 
zu  versichern.  Die  Anlage  ist  an  geeigneten  Stellen,  so  insbesondere  am  unteren 
Ende  durch  Grundschwellen  zu  stützen;  auch  stützt  sich  nicht  selten  der  Ent- 
wässerungsgraben  (Hauptgraben)    in  seinem  untersten  Teile   an   ein  Parallelwerk, 


Stein  ist  von  der 
abwärts    zu    legen. 


A.  Die  Wildbaclivcrbauung.     §  8.  327 

welches  der  zu  entwässernden  Lehne  als  Fußversicherung  dient,  wobei  naturgemäß 
für  den  ungehinderten  Abfluß  der  abgeleiteten  Wässer  Sorge  getragen  werden  nuiß. 
Offene  Gräben  kommen  im  Hinblick  auf  die  Grefahr  der  Verschüttung  oder  Beschä- 
digung seltener  in  Anwendung. 

Eine  besondere  Art  der  Entwässerung  können  Horizontalgräben  bilden,  deren 
Anlage  oft  empfohlen  wird.  Sie  durchziehen  die  Lehne  horizontal,  ununterbrochen 
zumeist,  und  sollen  das  Meteorwasser  im  Abflüsse  über  die  Lehne  aufhalten.  Ihre 
allgemeine  Anwendung  kann  jedoch  im  Hinblick  auf  den  Kostenpunkt  und  auf  den 
Umstand,  daß  das  Wasser  zum  Stagnieren  veranlaßt  wird  und  so  in  etwa  vorhan- 
denen lockeren  Boden  einzudringen  und  dann  vielleicht  zu  unterwühlen  vermag, 
nicht  empfohlen  werden. 

Entwässerungen  werden  auch  dann  mitunter  erforderlich,  wenn  es  sich  um 
die  Vermeidung  der  Gefahr  von  Bergstürzen  oder  größeren  Steinschlägen  handelt, 
falls  diese  auf  die  Frostwirkung  oder  Unterwühlung  des  in  das  Gestein  eindringenden 
W'assers  zurückzuführen  sind.  Mit  ihnen  Hand  in  Hand  gehen  dann  nicht  selten 
Untermauerungen  des  zum  Sturze  bereit  liegenden  Gesteines. 

5.  Die  L  e  h  n  e  n  b  i  n  d  u  n  g  e  n.  Sind  dieGrvmdursachen,  welche  die  Terrain- 
bewegung hervorrufen,  als  Erosion,  Korrosion,  Unterwühlung,  durcli  die  vorange- 
führten baulichen  Maßnahmen  behoben,  so  kann,  wenn  dies  noch  nötig  fallen  sollte, 
zur  oberflächlichen  Bindung  des  Terrains  geschritten  werden.  Es  erfolgt  dies  durch 
Verflechtung,  Plaggadierung,  in  seltenen  Fällen  durch  Abpflasterung,  durch  Her- 
stellung von  sog.  Berauhwehren  und  auf  mancherlei  andere  Weise. 

Die  Verflechtung  ausgedehnter  Flächen  ist  eine  in  der  Regel  ziemlich  kost- 
spielige Maßnahme  und  soll,  wenn  nicht  unbedingt  nötig,  vermieden  werden.  Ihr, 
sowie  andern  Bodenbindungsarten  geht  gewöhnlich  das  Planieren  (Skarpieren)  des 
Bruchterrains  voraus.  In  vielen  Fällen  wird  man  sich  mit  der  Entfernung  der  größern 
Steine  aus  der  Bnichfläche,  deren  Wasserrisse  auf  tunlichst  primitive  Weise  gegen 
weitere  Erosion  versichert  werden,  begnügen  können.  Nach  Herstellung  möglichst 
einfacher  Terrassen  wird  das  am  vorteilhaftesten  aus  ausschlagfähigen  Pflöcken 
und  Flechtmateriale  zusammenzustellende  einfache  Flechtwerk  in  am  besten  hori- 
zontal verlaufenden  Reihen  errichtet,  wobei  die  Arbeit  grundsätzlich  von  unten 
nach  oben  hin  fortzuschreiten  hat.  Der  Zaun  soll  behufs  Verhinderung  seiner  Be- 
schädigung durch  herabrollende  Steine  möglichst  wenig  aus  dem  Boden  hervorragen, 
oder  doch  an  der  Bergseite  durch  angelegtes  Erdreich  gedeckt  werden. 

Bei  Anwendung  von  Rasenplaggen  wird  die  Lehne  entweder  vollkommen  mit 
diesem  Materiale  bedeckt,  oder  es  ist  dasselbe  schachbrettförmig  angeordnet;  die 
so  freibleibenden  Stellen  werden  bepflanzt.  Die  Anwendbarkeit  dieser  Methode 
ist  eine  beschränkte.  Ebenso  eignet  sich  volle  Abpflasterung  nur  für  kleine 
Flächen  von  besonderer  Wichtigkeit.  Berauhwehren  bestehen  in  dem  Aushub  von 
horizontal  verlaufenden  kleinen  Gräben,  in  welche  ausschlagfähiges  Material  gesteckt 
und  an  der  Lehne  befestigt  wird. 

Nach  einem  von  Müller  i)  empfohlenen  System  werden  Rasenplaggen  ver- 
einzelt auf  der  Lehne  mit  je  einem  Pflocke  befestigt;  die  Zwischenräume  sind  zu 
bepflanzen.  Auch  die  dem  Firmamente  zugekehrte,  gewöhnlich  noch  beraste  Seite 
der  oft  überhängenden  Bruchwände  wird  nach  Müller  durch  vereinzelt  aufgelegte, 
mit  Pflöcken  befestigte  Plaggen  versichert,  verschlagen. 

Die  weitern  Lehnenbindungsarbeiten,  als  Berasung  und  Aufforstung,  zählen  zu 
den  forestalen  Maßnahmen,  auf  die  an  anderer  Stelle  zurückgekommen  wird.   Hervor- 

1)  F.  Müller,  „Die  Gebirgsbäche  und  ihre  \'erheerungen".  Landslmt  1857. 


328  VIII.   Wang,  Die  Wildbach-  und  Lawinenverbauung. 

gehoben  sei,  daß  es  stets  geboten  erscheint,  das  allenfalls  innerhalb  der  Bruchfläche 
und  an  deren  Rändern  stockende  schwere  Holz  zu  entfernen. 

Wenn  auch  nicht  als  Lehnenbindung,  so  doch  als  ein  Mittel,  welches  vor  allen- 
falls abgehenden  Steinen,  vor  Steinschlag  zu  schützen  hat,  sind  innerhalb  der  Lehne 
zu  errichtende  höhere  Flecht-  oder  auch  Schwartling-Zäune  anzusehen. 

6.  Die  Schuttkegelsicherungen.  Die  diesbezüglichen  Arbeiten 
kommen  vorwiegend  bei  den  Wildbächen  des  Hochgebirges,  woselbst  die  Schutt- 
kegelbildung in  der  Regel  eine  ausgesprochene  ist,  in  Anwendung.  Im  allgemeinen 
kann  die  Versicherung  des  Schuttkegels  auf  zweifache  Weise  erfolgen,  und  zwar  durch 
Herstellung  eines  mehr  oder  minder  festen,  stabilen  Gerinnes,  oder  aber  durch  Schaf- 
fung eines  Ablagerungsplatzes,  in  welch  letzterem  Falle  strenge  genommen  weniger 
der  eigentliche  Schuttkegel  gesichert,  als  vielmehr  das  angrenzende  Gelände  vor  der 
Schuttkegelvergrößerung  bewahrt  wird. 

Bei  Schaffung  eines  Gerinnes  am  Schuttkegel  sollen  die  folgenden  wichtigsten 
Gesichtspunkte  nicht  außer  acht  gelassen  werden. 

Das  Gerinne  soll  ein  Querprofil  erhalten,  welches  genügend  groß  ist,  um  die 
Wässer  des  höchsten  Standes  samt  Geschiebe  abzuführen.  In  den  Hochgebirgs- 
bächen  wird  das  einfache  schalen-  oder  das  trapezförmige  Profil  gewählt,  weil  die  in 
der  Regel  größern  Gefällswerte  die  Abfuhr  des  Hochwassers  sowohl  als  auch  des  Nie- 
derwassers in  einem  solchen  Profile  gestatten.  Das  Längenprofil  des  Gerinnes  muß 
ein  Gefälle  aufweisen,  einerseits  groß  genug,  eine  ungehinderte  Materialabfuhr  zu 
gewährleisten,  anderseits  nicht  zu  groß,  um  der  Gefahr  der  Beschädigung  des  Baues, 
namentlich  der  Sohle  desselben,  zu  begegnen.  Die  lokalen  Verhältnisse  lassen  bezüg- 
lich der  Wahl  des  Längenprofiles  in  der  Regel  nicht  viel  Spielraum.  Längenprofil 
und  benetzte  Querprofilfläche  bedingen  die  Abflußgeschwindigkeit  und  die  Masse 
des  ungehindert  abzufließenden  Wassers.  Geschwindigkeitswerte  von  über  4  m 
pro  Sekunde  gehören  schon  zu  den  bedeutenderen  im  Hinblick  auf  die  Gefahr  der 
Erosion  und  Verletzung  der  Gerinnsohle  bei  größerer  Geschiebeführung. 

Die  Mündung  des  Gerinnes  in  den  Rezipienten  soll  die  ungehinderte  Abfuhr 
des  Wassers  und  des  Geschiebes  gestatten. 

Die  in  der  Regel  durch  ein  festes  Querwerk  gestützte  Einmündung  soll  deshalb 
tunlichst  spitzwinkelig  erfolgen.  Behufs  Vermeidung  jedes  Rückstaues  bezw.  Schaf- 
fung der  nötigen  Vorflut  soll,  was  allerdings  nicht  immer  tunlich  ist,  die  Sohle  des 
Gerinnes  höher  liegen  als  der  Hochwasserspiegel  des  Rezipienten. 

Der  Beginn  des  Gerinnes,  dessen  Trasse  naturgemäß  mit  Rücksicht  auf  Ab- 
wendung der  Gefahr  für  Ortschaften,  Kommunikationen  gewählt  sein  soll,  muß 
gegen  die  Gefahr  der  Beschädigung,  insbesondere  Hinterspülung  geschützt  sein. 

Endlich  muß  die  ganze  Anlage  allen  sonstigen  technischen  Anforderungen  ent- 
sprechen. Bei  vorherrschenden  großem  Gefällswerten  ist  unter  allen  Umständen 
die  Pflasterung  der  Sohle  in  Zement,  vielfach  aber  auch  die  Unterstützung  des  Sohlen- 
pflasters durch  Grundschwellen  bei  allenfalls  staffeiförmiger  Ausgestaltung  des 
Längenprofiles  der  Gerinnsohle  geboten.  Die  beiderseitigen  Böschungen  sind  der 
größern  Stabilität  halber  tunlichst  flach  zu  halten.  Die  Ausführung  erfolgt  nach  Art 
des  Schalenbaues  und  wie  dort,  von  unten  nach  oben,  nach  vorhergegangener  genauer 
Trassierung  imd  Profilierung. 

Was  die  Schaffung  von  Ablagerungsplätzen  auf  Schuttkegeln  anbelangt,  so  be- 
stehen dieselben  aus  der  Errichtung  von  entsprechend  hohen  Fassungsmauern, 
welche,  von  der  Spitze  des  Schuttkegels  ausgehend,  sich  an  einer  entsprechenden 
Stelle  an  seinem  unteren  Ende  wieder  vereinigen.    Diese  Vereinigungsstelle  ist  zu- 


A.  Die  Wilcibaclivcrbauung.     §  10.  329 

meist  durch  ein  Quenverk,  eine  Talsperre  oder  Grundschwelle  gestützt  und  von  da 
ab  wird  der  vom  Geschiebe  entlastete  Bach  in  einem  in  der  Regel  auf  kurzer 
Strecke  talab  gesicherten  Gerinne  geleitet.  Ablagerungsplätze  kommen  im  Hinblick 
auf  ihren  denn  doch  nur  problematischen  ^^'ert  und  die  Kosten  ihrer  Ausführung 
selten  zur  Herstellung. 

§  9.  Die  Berasung  und  Aufforstung.  Die  erstere  soll  den  Boden 
oberflächlich  binden  und  gegebenenfalls  zur  Aufforstung  geeigneter  machen. 

Zur  Berasung  von  Gebirgsböden  eignet  sich  die  Esparsette  (Hedysarum  ono- 
brj'chis),  welche  vorteilhaft  im  Herbste  mit  Ueberfrüchten  gesät  wird.  Weiters 
sind  zu  nennen  je  nach  Lage  und  Beschaffenheit  der  Oertlichkeit:  die  Luzerne,  Medi- 
cago  sativa  und  media,  die  Carex-,  Poa-  und  Luzulaarten,  das  riedgrasartige  Rauh- 
gras, Lasiagrostis  calamagrostis  u.  dgl.  m.  In  neuerer  Zeit  werden  wegen  ihrer 
Pfahlwurzelbildung,  bezw.  besonderer  Widerstandskraft  gegen  Temperaturwechsel 
gerühmt:  die  veredelte  Platterbse,  Lathyrus  silvestris  und  das  Flohkraut  der  Insel 
Sachalin,  Polygonum  sachalinense. 

Speziell  im  Gebirge  soll  die  Rutschfläche  nur  mit  einer  Handhaue  stellenweise 
aufgelockert  werden,  und  es  sind  eventuell  vorhandene  einzelne  Grasbüsche,  besonders 
von  Alpenrispengras,  stehen  zu  lassen.  Vor  allem  ist  es  ratsam,  den  als  erste  Besied- 
lungspflanze auf  Rutschflächen  charakteristischen  Huflattich  (Tussilago  farfara),  in 
hohem  Lagen  den  Alpenlattich  (Adenostyles  albifrons)  wegen  der  bodenbefestigenden 
unterirdischen  Kriechtriebe  möglichst  zu  schonen. 

Was  die  Aufforstung  anbelangt,  so  kann  von  diesbezüglichen  Erläuterungen 
hier  wohl  abgesehen  werden,  zumal  ja  jeder  Forstmann  mit  den  einschlägigen  Arbeiten 
betraut  sein  muß.  Es  wäre  hervorzuheben,  daß,  insoweit  es  sich  um  Aufforstung  von 
entblößten  und  zur  Rutschung  geneigten  Böden  handelt,  die  Erziehung  von  Nieder- 
waldbeständen ins  Auge  zu  fassen  ist,  damit  einerseits  die  Aufforstung  rascher  voll- 
zogen werden  könne  und  damit  nicht  späterhin  durch  die  Schwere  der  oberirdischen 
Hochwaldmasse  die  Bewegungstendenz  des  Bodens  gefördert  werde. 

Bei  Ergänzung  der  Aufforstung  innerhalb  des  Niederschlagsgebietes  des  Wild- 
baches ist  insbesondere  darauf  zu  achten,  daß  die  geeigneten  Oertlichkeiten,  d.  h. 
die  mehr  oder  minder  steilen  Einhänge,  der  Waldkultur  zugeführt  werden. 

Es  handelt  sich  im  Wildbachgebiete  mehr  um  die  Oertlichkeit  des  Waldbe- 
standes und  um  seine  Beschaffenheit,  denn  um  die  Ausdehnung  desselben. 

§  10.  Die  besonderen  Verbauungssysteme.  Als  besondere 
Verbauungssysteme,  die  hier  des  knappen  Raumes  wegen  nur  in  Kürze  berührt 
werden  können,  sind  zu  nennen: 

\.  Das  System  nach  Jenny.  Dieses  besteht  in  der  schalenförmigen  Auspfla- 
sterung der  Bachbettsohle.  Vorerst  wird  jedoch  die  letztere,  die  mehr  oder  minder 
tief  eingeschnitten  ist,  entsprechend  gehoben  und  erst  dann  gegen  neuerliche  Unter- 
wühlung durch  die  Ausführung  der  Schale  gefestigt.  Das  Profil  der  letzteren  richtet 
sich  ausschließlich  nach  den  zu  erwartenden  Hochwasser-Abflußmengen.  Das  Heben 
der  Bach-  oder  Runsensohle  —  zumeist  kommt  dieses  System  bei  Verbauung  von 
Runsen  in  Anwendung  —  wird  in  einfacher  Weise  durch  gewöhnliche  Flechtzäune 
derart  erzielt,  daß  diese,  von  unten  nach  aufwärts  fortschreitend,  in  passenden  Ab- 
ständen in  einer  von  der  Tiefe  des  Gerinnes  und  der  Höhe  der  einzelnen  Objekte 
abhängigen  Anzahl  von  Etagen  errichtet  werden.  (Siehe  des  Verfassers  ,, Grundriß 
der  Wildbachverbauung",  IL  Teil,  pag.  110.) 

2.  Das  System  nach  Schindler^).  Das  sogenannte  natürliche  Ver- 
, Die  Wildbach-  u.  Flußverbauuno:  nach  denGesetzen  der  Natur".  Zürich  1889. 


330  \"III.    W  a  n  g  ,  Die  Wildbach-  und  Lawinenverbauung. 

bauungssystem  nach  Schindler  ist  für  sich  etwas  originelles  und  beruht  in 
der  Schaffung  nach  oben  konvexer  Gerinnsohlen,  sowie  in  der  fast  ausschließlichen 
Anwendung  des  gewöhnlichen  Holzpfahles  als  Baumittel.  Die  Anwendung  dieses 
Systems,  selbst  in  einfachster  und  auch  etwas  modifizierter  Form,  ist  bisher  eine 
sehr  beschränkte  geblieben.  (Siehe  des  Verfassers  ,, Grundriß  der  VVildbachverbau- 
ung",  II.  Teil,  pag.  124). 

3.  Das  Regulierungssystem  nach  \\o\i  i).  Es  besteht  in  der  Anwendung  der 
sog.  schwimmenden  Gehänge,  hat  sich  jedoch  in  den  Wildbächen,  der  dort  vorherr- 
schenden größeren  Gefällswerte  und  besonderen  Geschiebeführung  halber,  nicht  be- 
währt. 

4.  Das  System  nach  Seeling.  Dasselbe  ist  häufiger  und  vorteilhafter  anzu- 
wenden. Es  besteht  in  der  Verwendung  von  losem,  nur  mittelst  Pflöcken  und  Draht 
oder  Wieden  an  den  Ufern  befestigten  Faschinenmateriale.  (Siehe  des  Verfassers 
,, Grundriß  der  Wildbachverbauung",  II.  Teil,  pag.  364.) 

5.  Das  System  nach  Serrazanetti  -).  Es  besteht  in  der  Anwendung  von  Draht- 
geflecht, zumeist  zum  Uferschutzbau  (Drahtgeflechtsäcke,  sogen.  Tuben,  mit  Schotter 
gefüllt).  Genügende  Erfahrungen  konnten  bisher  in  Oesterreich  und  soviel  bekannt, 
auch  in  Deutschland,  mit  diesem  Systeme  noch  nicht  gemacht  werden.  Der  Kosten- 
punkt fällt  jedenfalls  sehr  in  die  Wagschale,    In  Italien  ist  die  Anwendung  häufiger. 

§  11.  Die  wirtschaftlichen  Maßnahmen.  Von  der  Berasung 
und  Aufforstung  abgesehen,  sind  im  Interesse  der  Regelung  des  Regimes  der  Wild- 
bäche noch  manch'  andere  wirtschaftliche  Maßnahmen  zu  beachten. 

Unter  Hinweis  auf  die  diesbezüglichen  Auseinandersetzungen  in  des  Verfassers 
,, Grundriß  der  Wildbachverbauung",  II.  Teil,  pag.  253 — 291,  sollen  hier  nur  hervor- 
gehoben sein:  die  entsprechende  Bewirtschaftung  der  Waldungen;  die  gefahrlose 
Bringung  und  Lagerung  der  Forstprodukte;  die  stete  Reinhaltung  und  Räumung 
der  Gerinne,  sowie  die  rationelle  Bewirtschaftung  der  Alpen  und  Weiden.  In  letzterer 
Richtung  möchte  insbesondere  angeraten  sein :  die  Entwässerung  nasser  Böden ;  die 
Kultivierung  öden  Terrains ;  die  Vermeidung  des  Einsickerns  des  Wassers  in  zur 
Absitzung  geneigten  Böden  aus  Brunnen,  Zisternen,  Bewässerungs-  und  Entwässe- 
rungsanlagen, aus  Nutzwasserleitungen  u.  dgl.  m. 

Als  von  ganz  besonderer  Wichtigkeit  sind  auch  die  ordnungsgemäße  Instand- 
haltung bestehender  Wasserbauten,  namentlich  Wehren ;  die  Vermeidung  der  Profils- 
verengimgen  durch  Einbauten  jeder  Art;  die  Einführung  und  Handhabung  eines 
organisierten  Flußaufsichts-  und  Hochwassermeldedienstes;  die  Ausgestaltung  des 
hydrographischen  Dienstes  überhaupt  u.  dgl.  m.  anzusehen. 

In  jüngster  Zeit  ist  speziell  bezüglich  der  wasserwirtschaftlichen  Nutzung  des 
Waldes  manch  wertvoller  Ratschlag  erteilt  worden.  Im  allgemeinen  wird  vom 
wasserwirtschaftlichen  Standpunkt  der  Plenter-  oder  der  Femelschlagbetrieb  an 
Stelle  des  Kahlschlagbetriebes  empfohlen.  Von  besonderer  Bedeutung  sind  der 
rationelle  Nebenmitzungsbetrieb,  der  Holztransport,  die  Entwässerung  des  Wald- 
landes und  der  Gebirgsmoore,  sowie  manches  andere  mehr.  Es  ist  im  allgemeinen 
nicht  so  sehr  der  \\'ald  als  solcher,  sondern  die  in  demselben  vorhandene  Bodendecke, 
welche  als  das  beste  Mittel  der  Wasserregulierung  im  Walde,  namentlich  im  Gebirgs- 


1)  ,, Mitteilungen  über  das  Wesen  und  die  Erfolge  der  vom  Kgl.  Bayrischen  Bauamtmann 
A.  Wolf  erfundenen  Flußregulierungsmethode",  von  R.  Iszkowski.  Wochenschrift  des  österr. 
Ingenieur-  und  .\rchitekten-Vereines.  .Nr.  8  u.  9.  1888. 

2)  ,,Cenni  Monografici  sulla  difesa  dei  funni,  torrcnti,  canali,  secondo  il  sistema  e  coi  nuovi 
apparecchi  ideati",  von  Giulio  Serrazanetti.  Bologna  1899. 


B.   Die  Lawiiionvorbamiiig.     §  12.  33J 

walde  anzusehen  ist.  Auf  den  Schutz  der  Bodendecke  soll  die  Wirtschaft  in  erster 
Linie  hinzielen. 

Der  \\irtschaft  im  Wolilfaintswaidc  sind  im  Hinblick  auf  dessen  wassenvirt- 
schaftliche  Bedeutung  gewisse  Grenzen  gezogen. 

Sie  einzuhalten,  gehört  nicht  zu  den  letzten  Aufgaben  des  Hochwasserschutzes. 

B.  Die  Lawiiienverbauung. 

§  12.  Die  Ursachen  und  die  Einteilung  der  Lawinen. 
Verschiedene  Einflüsse  sind  es,  die  den  auf  den  Gehängen  angehäuften  Schnee  in 
Bewegung  setzen  und  so  das  Entstehen  der  Lawinen  verursachen.  Auf  schiefen  Flä- 
chen findet  mitunter  schon  bei  geringem  Gefälle,  den  Gesetzen  dai-  Schwere  folgend, 
eine  Bewegung  des  Schnees  statt.  Dieselbe  hängt  von  der  Neigung  des  Hanges, 
von  der  Beschaffenheit  und  Masse  des  gefallenen  Schnees,  von  den  Witterungs- 
verhältnissen, so  namentlich  Windströmungen,  dann  von  der  Konfiguration,  Be- 
schaffenheit der  Bodendecke  und  mitunter  auch  von  Zufälligkeiten  ab. 

Die  Grundursache  des  Entstehens  gibt  den  Lawinen  in  der  Regel  auch  ihren 
Charakter.  So  werden  die  Lawinen  nach  Coaz  ^)  in  Staub-,  Grund-  und  Oberlawinen 
geteilt,  zu  welchen  noch  die  Gletscherlawinen  gezählt  werden  können.  Staublawinen 
entstehen,  wenn  es  bei  kalter  \A'itterung  stark  schneit.  Die  große  Masse  des  leicht- 
flügigen  Schnees  gerät  dann  auf  steilen  waldlosen  Hängen  wie  eine  Schichte  Sand 
in  Bewegung  und  reißt  die  übrige  Schneemasse  mit  sich  fort.  Der  feine  Schnee  wird 
vom  Winde  getragen,  der  schwerere  bewegt  sich  am  Boden.  Die  Luft  wird  kompri- 
miert und  strömt  als  Orkan,  dessen  Wirkung  zumeist  eine  größere  ist  als  jene  der 
Lawine  selbst,  dieser  voraus  zu  Tale.  Solche  Lawinen  brechen  gewöhnlich  schon 
während  des  Schneefalles  ab,  oder  sie  werden  nachträglich  durch  Windströmungen 
veranlaßt. 

Der  bei  mäßiger  Kälte  gefallene  Schnee  ist  naß,  massig,  schwer  und  hängt  an 
dem  Boden  ziemlich  fest  an.  Größere  ^Massen  solch  frisch  gefallenen  Schnees  rutschen 
viel  eher  ab  oder  sind  bei  mäßig  warmer  Temperatur  noch  zu  locker,  um  nicht  von 
selbst  in  Bewegung  zu  geraten.  Dieser  Schnee  bleibt  aber  mehr  massig  beisammen, 
zerstiebt  nicht,  übt  daher  auch  keinen  so  großen  Druck  auf  die  Luft  aus  wie  derjenige 
der  Staublawine.  Die  Schnelligkeit  der  letzteren  ist  vermöge  der  Reibung,  ver- 
möge der  Hindernisse  an  der  Gleitfläche,  eine  verhältnismäßig  geringe,  ihre  Wirkung 
eine  räumlich  beschränkte.  Solche  Lawinen  heißen  Grundlawinen,  Schlag-,  Schlaß- 
oder  Schlessemlawinen. 

Wenn  auf  die  Fimkruste  des  gefrorenen  alten  Schnees  frischer  Schnee  fällt,  und 
dieser  dann  auf  der  glatten  Gleitfläche  in  Bewegung  gerät,  so  wird  von  Oberlawinen 
gesprochen. 

Gletscherlawinen  dagegen  entstellen,  wie  schon  der  Name  sagt,  wenn  sich  am 
Ende  eines  Gletschers  bedeutende  Eismassen  loslösen,  über  steile  Hänge  stürzen, 
dabei  in  kleine  Eisteilchen  zerstieben  und  in  Form  einer  Staublawine  insTal  stürzen. 
Abrutschende  Schneemassen  endlich  oder  Lawinen  von  kleinem  Umfange  werden  als 
Schneerutschen  bezeichnet. 

Um  die  Ursachen  der  Lawinenbildung  kurz  zu  berühren,  ist  zunächst  hervor- 
zuheben, daß  die  Neigung  des  Hanges,  wenn  auch  nicht  immer  als  ausschlaggebend, 
so  doch  als  maßgebend  angesehen  werden  muß. 

Unregelmäßiges  Gefälle  ist  der  Lawinenbildung  weniger  günstig,  als  regelmäßiges. 

1)   S.  Coaz,  „Die  Lawinen  der  Schweizer  .\lpen".  Bern  1888. 


332  \III.    Wang,   Die  Wildbach-  und  Lawinenverbauung. 

Ein  terrassierter  Hang  kann  das  Entstehen  von  größern  Grundlawinen  verliindern. 
Das  gleiche  gilt  von  sanft  verlaufenden  Mulden,  in  welchen  sich  größere  Schneemassen 
anzusammeln  vermögen.  Muldenförmiges,  abschüssiges  Terrain  dagegen  ist  der 
Lawinenbildung  förderlich,  weil  durch  das  sich  am  Muldengrunde  ansammelnde 
Schmelzwasser  der  Schnee  leicht  in  Bewegung  gerät. 

Eine  hervorragende  Rolle  spielen  die  Masse  des  gefallenen  Schnees  und  die 
herrschenden  Witterungsverhältnisse.  Während  die  Staublawinen  zu  Beginn  und 
während  des  Winters  am  häufigsten  zu  beobachten  sind,  gehen  die  Grundlawinen 
zumeist  zu  Ende  des  Winters  oder  zu  Beginn  des  Frühjahrs,  zur  Zeit  der  Schnee- 
schmelze, und  zwar  gewöhnlich  innerhalb  eines  Zeitraumes  von  14  Tagen  ab.  Ein 
zur  Zeit  der  Schneeschmelze  eintretender  Regen  befördert  den  Abgang  von  Grund- 
lawinen ganz  beson'ders.  Oberlawinen  bilden  sich  zumeist  während  der  Monate  Dezem- 
ber, Januar  und  Februar.  Bei  ruhigem  Wetter  hält  sich  der  Schnee  bis  zu  einer 
bedeutenden  Schichte  am  Hange;  bei  stürmischer  Witterung  rutscht  er  schon  bei 
geringer  Schichtenhöhe.  Je  bewegter  die  Luft,  desto  leichter  entwickeln  sich  daher 
die  Lawinen,  insbesondere  die  Staublawinen.  Das  Ueberspringen  des  Windes  von 
einer  in  eine  andere  Richtung  soll  das  Anbrechen  von  Lawinen  ganz  besonders  be- 
günstigen. 

Der  Grad  der  Sonnenwärme  zur  Zeit  der  Schneeschmelze  ist  von  hervorragen- 
dem Einfluß  auf  den  Abgang  von  Lawinen.  Die  Südabhänge  mit  direkt  einfallenden 
Sonnenstrahlen  sind  daher  der  Lawinenbildung  günstiger  als  die  Nordabhänge. 
Wegen  der  sich  auf  der  Sonnenseite  des  Gebirges  leichter  bildenden  Fimkruste 
treten  dort  Oberlawinen  häufiger  als  auf  der  Schattenseite  auf.  Bei  windstillem 
Wetter  und  kräftigem  Sonnenschein  fällt  die  Zeit  des  Lawinensturzes  nach  Coaz 
auf  die  ersten  Nachmittagsstunden,  je  nachdem  der  Hang  etwas  früher  oder  später 
von  den  Sonnenstrahlen  getroffen  wird.  Bei  Südwind,  Scirocco,  halten  sich  die  La- 
winen an  keine  Zeit  mehr.  Im  Hochgebirge  fallen  übrigens  Lawinen  nicht  selten  bei 
jedem  neuen  Schneefall,  selbst  mitten  im  Sommer.  Es  wird  auch  beobachtet,  daß 
Lawinen  zumeist  bei  heiterer  Witterung,  seltener  bei  bewölktem  Himmel  abgehen, 
weil  bei  heiterer  Witterung,  namentlich  morgens,  Kälte  eintritt,  der  Schnee,  d.  h. 
die  Eisfäden,  welche  ihn  an  die  Bergseite  festhalten,  sich  zusammenziehen,  brechen 
und  die  Bewegung  der  Massen  herbeiführen.  Quell-  und  Sickerwässer,  dann  die 
Schmelzwässer  durchfeuchten  die  untere  Bodenschichte  bis  zur  Sättigung  und  ver- 
mindern im  Abwärtsgleiten  auf  der  Trennungsfläche  die  Reibungswiderstände  dort- 
selbst.    Sie  sind  sonach  der  Bildung  von  Grundlawinen  förderlich. 

Die  geologischen  Verhältnisse  des  Grundgesteines  sind  weiter  sehr  einfluß- 
nehmend. Die  kristallinischen  Massengesteine  sind  bei  gleicher  Steilheit  des  Hanges 
der  Lawinenbildung  weniger  günstig  als  die  kristallinischen  Schiefergesteine,  z.  B. 
Glimmerschiefer,  Flysch  usw.  Stark  in  Verwitterung  begriffenes  Gestein  ist  der 
Bildung  von  Gnmdlawinen  förderlicher  als  festes,  obzwar  große  Steine  und  Fels- 
blöcke mitunter  gute  Hindernisse  dem  Lawinenabgang  bieten.  Gefährlich,  und  zwar 
im  Hinblick  auf  das  Abgehen  von  Grundlawinen,  sind  steile,  mit  Quell-  und  Sicker- 
wässern durchtränkte  Schichtenseiten,  auf  welchen  die  Bodenschichte  stets  feucht 
und  im  gefrorenen  Zustand  auch  schlüpfrig  bleibt.  Die  Seite  der  Schichtenköpfe 
mit  rauher  Oberfläche  ist  der  Lawinenbildung,  wenn  nicht  besonders  starkes  Gefälle 
vorhanden,  weniger  günstig. 

\'on  Einfluß  auf  die  Lawinenbildung  ist  die  Beschaffenheit  der  Vegetations- 
decke. Geradstämmiger,  dichter,  nicht  zu  alter  Wald  bietet  die  meisten  Hindernisse. 
Weiden-,  Krummholz,  Erlen-,  Jungbuchen-  und  Junglärchenbestände  können  infolge 


B.  Die  Lawinenverbauung.     §   14.  333 

ihrer  Elastizität  die  Bildung  von  Lawinen  nicht  immer  un<l  nicht  überall  vr rhindera. 
Rasen  ist  dem  Abgleiten  des  Schnees  günstig.  In  den  über  der  Waldvegetation 
gelegenen  sogenannten  „Bergmähdcrn"  mit  oft  40 — 50  Grad  Neigung  sind  Lawinen 
am  meisten  zu  beobachten.  Insbesondere  treten  dieselben  gerne  im  zweiten  Winter 
dort  ein,  wo  die  Ernte  nur  jedes  zweite  .Jahr  erfolgt.  Im  ersten  Winter  nach  der 
Heuernte  geben  nämlich  die  steifen  Grasstoppeln  noch  einigen  und  zwar  mehr  Halt, 
als  das  lange  und  schlüpfrige  Gras  des  zweiten  Jahres. 

Unter  den  Zufälligkeiten,  welche  die  LawinenbiWung  begünstigen  können,  ist 
das  Abfallen  von  Eiszapfen,  Steinen,  Aesten  und  namentlich  von  Schneeschildern 
und  Schneewächten,  wde  solche  sich  nicht  selten  an  scharfen  Gebirgsrücken,  vorste- 
henden Felspartien  etc.  bilden,  zu  nennen.  Wird  der  Fuß  einer  Schneewand  von 
einem  Bache  unterwaschen,  oder  unterbricht  eine  Quelle  oder  sonst  ein  Umstand  den 
Zusammenhang  der  Schneemassen,  so  wird  das  Entstehen  der  Lawinen  begünstigt. 
Hinsichtlich  zufälliger  Erschütterung  wird  auch  darauf  verwiesen,  daß  die  Land- 
bevölkerung nicht  selten  sogar  das   Glockengeläute  als  Lawinen-Erreger  fürchtet. 

§  13.  Die  Lawinenverbauung.  Im  Anbruchgebiete  einer  Lawine  ist 
die  Gewalt  der  in  Bewegung  geratenen  Schneemassen  zumeist  eine  noch  so  geringe, 
daß  man  gewöhnlich  mit  unbeträchtlichen  Mitteln  helfend  eingreifen  und  die  Ur- 
sachen der  Bildung,  insbesondere  von  Grundlawinen,  nicht  selten  durch  zweckent- 
sprechende Maßnahmen  beheben  kann. 

Schwieriger  ist  es,  Staublawinen  und  wohl  auch  Oberlawinen  in  ihrem  Ent- 
stehen und  ihren  Wirkungen  zu  bekämpfen.  Im  allgemeinen  kann  man  Bauten 
zur  Festigung  und  Bindung  der  Lawinen  in  deren  unmit- 
telbarem Anbruchgebiete,  dann  Bauten,  die  eine  Ablei- 
tung der  Lawinen  bezwecken,  und  solche,  die  ausschließ- 
lich zum  Schutze  einzelner  Objekte  errichtet  werden, 
unterscheiden.  Nach  Maßgabe  des  verfügbaren  Materiales  können  die  einzelnen 
Werke  ausschließlich  aus  Holz,  aus  Holz  und  Eisen  oder  aus  Stein 
hergestellt  werden.  Endlich  können  die  Verbauungsanlagen  noch  in  dauernde  und 
in  vorübergehende  unterteilt  werden.  Die  ersteren,  für  welche  der  Steinbau  zunächst 
zu  berücksichtigen  kommt,  sind  in  jenem  Anbruchgebiete  auszuführen,  wo  die  Boden- 
verhältnisse oder  die  Höhenlage  eine  Bewaldung  ausschließen,  während  dort,  wo  eine 
Aufforstung  noch  möglich  ist  und  gleichzeitig  auch  veranlaßt  wird,  den  Bauten  der 
Charakter  provisorischer  Anlagen  zufällt,  die  nach  einer  bestimmten  Zeit  durch  den 
heranwachsenden  widerstandsfähigen  Holzbestand  ersetzt  werden  sollen. 

§  14.  M  i  1 1  e  1  zum  Abbaue  der  Lawinen  im  A  n  b  r  u  c  h  g  e  - 
bietei).  1.  A  1 1  g  e  m  e  i  n  e  s.  Als  Maßnahmen  zum  Abbaue  der  Lawinen  im 
Anbruchgebiete  sind  alle  jene  anzusehen,  welche  die  Reibung  zwischen  Schnee  und 
Unterlage  vergrößern,  sowie  ein  Abtrennen  oder  Abrollen  losen  Schnees  verhindern. 

Als  ein  Lawinenbildung  hinderndes  Mittel  gilt  dichter,  geradstämmiger,  nicht 
zu  alter  Wald,  während,  wie  bereits  an  anderer  Stelle  hervorgehoben,  steile  Weide- 
flächen, Wiesen,  Felshänge,  Mulden,  Runsen  und  Tobel,  sowie  auch  Krummholz-, 
Erlen-,  Jungbuchen-  und  Junglärchenbestände  u.  dgl.  infolge  ihrer  Elastizität  die 
Bildung  von  Lawinen  nicht  immer  und  überall  verhindern  können. 

Es  ist  ein  naheliegendes  Mittel,  durch  Aufforstung  der  Anbruchgebiete  die 
Bildung  von  Lawinen  zu  verhindern.    Damit  jedoch  an  solchen  Stellen   das  Fort- 


1)  „lieber  die  Lawinen  Oesterreichs  und  der  Schweiz  und  deren  Verbauungen";  dann 
„Ueber  den  Schnee  im  Gebirge":  von  Vinzenz  Pollak.  Zeitschrirt  des  österr.  Ingenieur-  und 
Architeklenvereins.  Wien   1891. 


334 


VIII.   Wang,  Die  Wildbacli-  und  Lawinenverbammg. 


kommen  von  Kulturen  überhaupt  ermöglicht  wird,  sind  bis  zur  Kräftigung  derselben 
weitere  Mittel  in  Anwendung  zu  bringen.  Sie  dienen  dazu,  die  Bewegung  des  Schnees 
zu  verhindern,  welche  einerseits  den  Anlaß  zur  Lawinenbildung  gibt,  andererseits 
die  zarten  Pflanzen  leicht  entwurzelt.  Diese  Mittel  sind :  Verpfählungen, 
Schneebrücken   und    Schneefänge. 

2.  Die  Verpfählungen.  Die  Verpfählung  glatter  Flächen  besteht  darin, 
daß  Rund-  und  Spaltholzpflöcke  in  einer  Länge  von  1,6 — 2,0  m  nach  entsprechendem 
Vorbohren  etwa  zur  Hälfte  in  den  Boden  getrieben  werden.  Die  Pfähle  stehen  meist 
reihenartig  mit  einer  Pfahldistanz  von  0,6  m  und  einer  Reihendistanz  von  einem 
oder  auch  mehreren  Metern.  Diese  Anlagen  erfüllen  den  bescheidenen  Zweck  dem  sie 
dienen,  bei  nicht  zu  bedeutenden  Schneehöhen  und  nicht  zu  trockenem  körnigen 
Schnee  gut,  doch  ist  das  Ausrutschen  von  Schnee  aus  den  Lücken  oder  oberhalb 
der  obersten  Pfähle  beobachtet  worden. 


Abbildung   34. 

■■•ff,  ■^'     .-     .'    •/  '  -   i 
.•''-.        •'>;.•..;'' f. 


Abbildung  35. 


f/v ^    ■   -r  >■    ■^     - 


^%\ 


Nicht  zu  hoch  oberhalb  der  Pfähle  abreißende  Schneemassen  gehen  entweder 
zerteilt  zwischen  den  Pfählen  durch  oder  rutschen,  wenn  die  Pfähle  im  Schnee  stecken, 
darüber  hinweg,  dabei  wohl  auch  Schäden  verursachend. 

Pfähle  bis  zu  0,3  m  Entfernung  geschlagen,  kommen  als  geschlossene 
P  f  a  h  1  r  e  i  h  e  n   oder  auch    Pfahl  wände    hie  und  da  zur  Anwendung. 

Bald  nach  dem  ersten  größeren  Schneefall  zeigen  sich  jene  Stellen,  wo  die  Pfähle 
zu  wenig  Boden  fassen  konnten,  indem  sie  durch  den  Schneedruck  aus  ihren  Lagen 
gebracht  werden. 

Im  allgemeinen  soll  man  solche  Verpfählungen,  sowie  Holzwerke  überhaupt,  über 
der  Walflgrenze  nur  anwenden,  wenn  eine  Aufforstung  möglich  ist  und  die  ersteren 
daher  nach  genügender  Erstarkung  letzterer  nicht  mehr  erneuert  zu  werden  brauchen, 
was  je  nach  Höhe  und  Lage  15—25  Jahre  dauern  kann.  Während  dieser  Zeit  sind 
die  Pfähle  je  nach  Stärke  und  Güte  1— 3mal  zu  erneuern. 

In  minder  steilen  Lagen  und  bei  geringer  Bodentiefe  lassen  sich  mit  Vorteil 
3seitige  Pyramiden,  welche  aus  Pfählen  hergestellt  sind,  wobei  die  Pfähle  am  Kopfe 
durch  einen  hölzernen  oder  eisernen  Bolzen  und  Eisenring  zusammengehalten  werden, 


B.   Die   I,a\viiicu\  iTliaiuiiig. 


335 


verwenden.  Die  Bockfüße  können  nocli  überdies  niitlelst  Ouerbändern  unterein- 
ander verbunden  und  versteift  worden.  Alle  einzuschlagenden  Pfähle  sind  zuzuspitzen 
und  anzukohlen. 

Eine  zweite  Art  der  Verbauung  besteht  darin,  daß  man  die  Pfahle  in  unter- 
schiedlich langen  Reihen  aufstellt,  beziehungsweise  30 — 60  cm  tief  in  den  Boden 
einschlägt  und  dann  mit  alten  Stangen,  Ast-  und  Abraumliolz  verflicht,  Abb.  34 
und  3o.  Es  genügt,  wenn  diese  4 — 10  m  langen  Pfahlreihen  in  Abständen  von  6 — 15  m 
in  horizontalen  Linien  ober-  und  unterhalb  der  Anbruchstelle  derart  errichtet  werden, 
daß  stets  über  einen  Zwischenraum  der  untem  Heihc  ein  Flechtwcrk  in  der  obern 
Reihe  zu  stehen  kommt. 

3.  Die  Schneebrücken  und  Schneefänge.  Sind  kleine  Rinnen 
oder  Gräben  zu  verbauen,  dann  werden  sog.  Schneebrücken,  Abb. 36,  angebracht. 


Abbildung  36. 


Abbildung  37. 


Sä. 


V:t 


■dM^ 


'^^f::^  a 


Eine  Schneebrücke  besteht  aus  einem  über  den  Graben  gelegten  Stammstück,  ähn- 
lich dem  Tragholz  einer  Brücke,  welches  an  den  beiden  Auflagern  durcli  vorgeschla- 
gene Pfähle  befestigt  wird.  In  Abständen  von  20 — 30  cm  werden  an  dieses 
Stammstück  gegen  den  Hang  gestellte  Stangen  befestigt.  Bei  großer  Spannweite 
wird  dasselbe  auch  noch  durch  unterstellte  Joche  versteift. 

Die  Form  eines  einfachen  Schneefanges  ist  in  Abb.  37  dargestellt.  Ein  solcher 
besteht  aus  Säulen  und  Querhölzern,  die  im  Anbruchgebiet  zur  Aufstellung  kommen. 
Stärkere  Schneefänge  sind  entweder  aus  Altschienenständern  mit  Altschwellen  oder 
Holzriegeln,  dann  in  fester  Holzkonstruktion  oder  aus  Trockenmauerung  hergestellt. 

Diesfällige  Anlagen  sind  in  den  Abb.  38 — 41  ersichtlich.  Die  in  den  Abb. 
38 — 40  dargestellten  sollen  mit  Rücksicht  auf  ihre  in  der  Regel  beträchtlichen  Her- 
stellungs-  sowie  Kosten  der  alljährlichen  Erhaltung  und  Nachbefestigimg  nur  dort 
Anwendung  finden,  wo  andere  Mittel  nicht  in  Betracht  kommen  können.  Schnee- 
fänge in  Trockenmauerung,  bei  geringer  Stärke  0,6 — Im  und  Höhe  von  1 — "2m, 
Abb.  41,  sind  mit  Erfolg  zur  Ausführung  gebracht  worden,  ohne  daß  durch  Schnee- 
druck  oder  Lawinen  nennenswerte   Schäden   an   ihnen  verursacht  worden  wären. 


336 


VIII.    W  a  n  g  ,  Die  Wildbach-  und  Lawinenverbauung;. 


Dort,  wo  man  auch  Oberlawinen  tunlichst  vermeiden  will,  muß  als  nötige  Maßnahme 
die  entsprechend  vermehrte  Höhe  der  Mauern  und  sonstigen  Schneefangvorrichtungen 

ins  Auge  gefaßt  werden.     Man  hat 
""°      ■  denn    auch    in     neuester    Zeit    die 

Mauern  bis  zu  2  m  hoch  angelegt. 

Die  Mauer-  und  Schneefang- 
höhe und  der  Höhenabstand  der 
Werke  muß  eine  schädliche,  also 
rasche  Bewegung  der  gefallenen  oder 
zusammengewehten  Schneemassen 
^<  ^'1^  unmöglich  machen.  Der  Abstand, 
welchen  man  den  zu  erstellenden 
Objekten  zu  geben  hat,  bildet  so- 
nach einen  der  wichtigsten  Faktoren 
bei  Verbau  des  Anbruchgebietes 
einer  Lawine.  Eine  theoretische  Un- 
tersuchung des  Gegenstandes  ist  mit 
Rücksicht  auf  die  vielfachen,  un- 
wägbaren Einflüsse  nicht  möglich. 
Zu  diesen  letzteren  sind  die  Be- 
schaffenheit der  Bodenoberfläche, 
ihre  Form  und  geologische  Zusam- 
mensetzung, dann  der  Feuchtig- 
keitsgrad, die  Höhenlage,  die  Exposition,  Beschaffenheit  des  Schnees  usw. 
zu  zählen. 

Die  Erfahrung  gibt  jedoch  manchen  Fingerzeig. 

Abbildung  39. 


Ein  bekannter  Fachmann,  der  eidgen.  Forstinspektor  Dr.  F.  Frankhauser  i), 
meint,  es   lasse  sich  die  zurückhaltende  Wirkung  eines  Einbaues  durch  dessen  in 


l)''„ZuT  Bestimmung  des  Abstandes  von   Einbauten  beim   Lawinenverbau",  von  Dr.   F. 
Frankhauser.    Schweizerische  Zeitschrift  für  Forstwesen,  Nr.  1,  1912. 


B.  Die  Lawincnvcrbauun".     §   14. 


337 


vorhinein  zu  bestiniinemle,  sogenannte  luitzliclie  Breite,  a— c  Abb. 41,  ausdrücken, 
d.  i.  die  Länge  der  Horizontalen  von  der  vorderen  Oberkante  bis  zur  Lehne  gemessen. 
Die  durcli  diese  Linie  gelegte  Horizontalebene  kann  wenigstens  annähernd  als  Basis 
des  vom  Einbau  gestützten  Sclmeefekles  betrachtet  werden. 

Sie  wächst  einerseits  mit  der  Höhe  des  Bauwerkes,  andererseits  mit  der  Breite 
der  Terrasse,  welche  liintor  jenem  ausgehoben  wird. 

.\bbiIJung  40. 


Die  zurücklialtende  \\irkung  eines  Bauwerkes  von  gegebener  nützlicher  Breite, 
so  meint  Frankhauser  weiter,  wird  sich  am  Hange  verschieden  hoch  hinauf  erstrecken, 
je  nachdem  er  mit  stärkerem  oder  scliwächorem  Gefälle  ansteigt.  Die  durchschnitt- 
liche Terrainneigung,  bei  welcher  Grundlawinen  abgehen,  schwankt  zwischen  80  bis 
120%.  Nach  Professor  Engler  i)  kann  innerlialb  dieser  Gefällswerte  ein  Bauwerk 
die  Last  der  Schneedecke  aufwärts  annähernd  bis  zur  nämlichen  vertikalen  Höhe 


1)  Ueber  Verbau  und  Aufforstung  von  Lawinenzügen.    Von  Arnold  Englcr,  Professor  am 
ejdgen.  Polytechnikum  in  Zürich.    Zenlralblalt  für  das  gesamte  Forstwesen.  1907. 

ilandb.  d.  Forstwiss.     3.   Aufl.     II.  22 


338  VIII,    Wang,   Die  Wildbach-  und  Lawinenverbauung. 

tragen.  Zur  Bestiinnumg  des  zulässigen  größten  Abstandes  zweier  Bauten  hätte 
man  somit  deren  Niveaudifferenz  zur  nützliclien  Breite  in  Beziehung  zu  bringen  unter 
gleichzeitiger  Berücksichtigung  der  maximalen  Schneehöhe  und  eines  die  Reibung 
der  Schneeschicht  an  der  Bodenoberfläche  zum  Ausdrucke  bringenden  Koeffizienten. 
Dieser  letztere  schwankt  jedoch  innerhalb  so  weiter  Grenzen,  daß  es  ausgeschlossen 
erscheint,  ihn  zahlenmäßig  zu  fixieren.  Auf  diesen  Umstand  weist  auch  Coaz  i)  hin. 
Frankhauser  gibt  über  das  Verhältnis  zwischen  der  Niveaudifferenz  h  und  der  nütz- 
lichen Breite  b,  Abb.  40,   welches   Verhältnis   .—  er   als  den  Vertikalabstandsfaktor 

b 

oder  kurzweg  Abstandsf aktor  bezeichnet,  Erfahrungszahlen  an,  die  je  nach  Dimen- 
sionierung der  Anlagen,  Neigung  des  Hanges  usw.  bei  Trockenmauern  zwischen 
2,0 — 5,1,  bei  Bernien  mit  Pfahlreihen  zwischen  3,3 — 3,6,  bei  Erdterrassen  zwischen 
2,7 — 7,1  schwanken. 

Wie  Frankhauser  richtig  bemerkt,  lassen  sich  aus  diesen  Zahlen  noch  keinerlei 
Schlüsse  ziehen;  immerhin  wäre  dies  bei  einer  großen  Zahlenreihe  möglich,  weshalb 
einschlägige  Erfahrungen  zur  Veröffentlichung  gelangen  sollten. 

Die  Frage,  ob  Mauern  und  ähnliche  Objekte,  die  in  der  Regel  in  der  Schichten- 
linie, also,  wenn  in  längerem  Zusammenhange  errichtet,  wurmförmig  verlaufen,  frei- 
stehend oder  im  hinterfüllten  Zustande  bessere  Dienste  leisten,  ist  dort,  wo  keine 
größern  Steinschläge  drohen  —  in  welch  letzterem  Falle  Hinterfüllungen  vorzuziehen 
sein  dürften,  da  sie  die  Mauer  besser  vor  Deformationen  schützen  — ,  nach  dem  der- 
maligen Stande  dahin  zu  beantworten,  daß  die  nicht  hinterfüllten  Mauern  den  Schnee 
besser  zurückhalten  dürften.  Die  vollkommene  Lösung  muß  von  weitem  Erfahrun- 
gen abhängig  gemacht  werden.  Wenn  es  sich  darum  handelt,  das  Entstehen  von 
Sclmeeschildern,  Schneewächten,  zu  verhindern,  —  durch  deren  Abbruch  wird  nicht 
selten  das  Abgehen  von  Lawinen  veranlaßt  —  so  kommen  auf  scharfen  Rücken 
oder  an  sonst  geeigneten  Stellen  Schneefänge  mit  Vorteil  in  Anwendung. 

4.  Die  Aufforstungen.  Bei  Lawinenverbauungen,  bei  welchen  es  sich 
um  die  Instandhaltung  umfangreicher  Ausführungen  handelt,  sollen  durch  Aufforstung 
mit  einer  dicht  gesetzten ,  äußerst  stämmigen,  kräftigen,  dem  Schneedrucke  widerstehen- 
den Pflanzenart  nicht  nur  die  Erhaltungskosten  wesentlich  verringert,  sondern  es 
soll  außerdem  noch  eine  erhöhte  Sicherung  erreicht  werden,  indem  der  zweckent- 
sprechend dichte  Wald  das  beste  Mittel  zur  Verhinderung  der  Entstehung  von  La- 
winen ist. 

Soll  der  Wald  diesen  seinen  Zweck  erfüllen,  so  muß  er  gewisse  Eigenschaften 
besitzen,  und  zwar:  Er  darf  nicht  von  offenen  Streifen,  Wiesen,  Bächen,  Runsen, 
Erdriesen  u.  dgl.  nach  der  Linie  des  größten  Gefälles  durchzogen  werden,  oder  größere 
Lücken  aufweisen,  auch  sollen  die  einzelnen  Stämme  in  ziemlich  dichtem  Schlüsse 
stehen.  Der  Wald  darf  nicht  zu  alt  werden,  indem  dann  einerseits  die  Stämme  zu 
weit  von  einander  zu  stehen  kommen  und  das  Abgehen  von  Schnee  zwischen  den- 
selben ermöglicht  wird,  und  andererseits  die  einzelnen  Stammindividuen  durch 
Ueberständigkeit  und  losen  Stand  leicht  zu  Fall  kommen  können. 

Ueberständige,  wurzelunsichere  Stämme  sollten  überall  entfernt  und  die  ent- 
stehenden Lücken  nachgeforstet  werden.  Doch  ist  es  nicht  zu  verwundern,  wenn  dort, 
wo  alte  Wälder  als  Schutz  gegen  fallende  Lawinen  dienen,  die  Bedroiiten  einem 
massenhaften  Entfernen  der  alten  großen  Bäume  zum  Zweck  der  Neuaufforstung 
deshalb  Widerstand  entgegenstellen,  weil  sie  dadurch  auf  längere  Zeit  ihres  Schutzes 

1)  „Statistik  und  Verbau  der  Lawinen  in  den  Schweizeralpen".  Im  Auftrage  des  eidgen. 
Departements  des  Innern  bearbeitet  und  veröffenilichl  von  Dr.  J.  Coaz,  eidgen.  OberforsI Inspektor, 
Bern  1910. 


B.   Die  Lawiiieiivorbauuns;.     §   14. 


339 


beraubt  werden.    Hier  kann  wohl  mir  eine  allmähliclie,  partienweise,  wenn  auch 
schwierige  Verjüngung  zum  Ziele  führen. 

Wenn  man  unter  natürlicher  Waldgrenze  jene  höchsten  Lagen  im  Gebirge  ver- 
steht, bis  zu  welcher  Höhe  unsere  derzeitigen  Wälder  vordringen,  so  wird  in  der 


.\bbildvins  42. 


Lawinenverbauun?  mit  Trückenmauern. 


Mehrzahl  der  Fälle  die  Meereshöhe  von  1800  m  gewöhnlich  wenig  überschritten.  Daß 
in  vielen  Gegenden  des  Hochgebirges,  wo  früher  Wälder  bestanden  haben,  jetzt 
dieselben  verschwunden  sind  oder  deren  obere  Grenze  herabgedrückt  erscheint  und 
hauptsächlich  den  Weideflächen  behufs  Vergrößerung  der  Alpenwirtschaft  Platz 
machen  nmßten,  ist  bekannt.  Die  iMöglichkeit  der  Wiederhebung  der  herabgedrückten 
Waldgrenze  unter  Anwendung  der  richtigen  Maßregeln  muß  jedoch  zugegeben  werden. 
Wenn  in  dieser  Richtung  nur  selten  \'er?uche  gemacht  werden,  so  liegt  nicht  nur 

22* 


3^Q  \'II1.    W  a  n  g  ,  Die  Wildbacli-  und  Lawinenverhaiiung. 

passiver  und  aktiver  Widerstand  der  um  die  Schmälening  der  Weidegründe  be- 
sorgten Besitzer  vor,  es  befassen  sich  auch  Forstleute  nur  ungeme  mit  einer  so  schwie- 
rigen Arbeit  in  schneereichen  unil  iawinengefährdeten  Lagen,  wo  von  einem  Er- 
trägnisse keine  Rede  sein  kann. 

Bezüglich  der  zu  Lawinenverbauungen  geeigneten  Holzarten  möchte  folgendes 
erwähnt  sein:  Reine  Lärchenbestände  sind  für  Schneezurüc.khaltung  trotz  des  raschen 
Wachstumes  gegenüber  anderen  Nadelhölzern  viel  zu  nachgiebig  und  elastisch.  Selbst 
schon  größere,  mehrere  Jahre  alte  Stämme  leisten  wenig  Widerstand  und  biegen  sich 
unter  einem  dichten,  reichlichen  Schneefall  oder  dem  langsam  wirkenden  Drucke 
der  anwachsenden  Schneemassen.  Kiefern  leiden  von  Schneebruch  viel,  stellen 
sich  auch  licht,  und  die  Buchen  bekommen  an  Lehnen  den  bekannten  Säbel- 
wuchs, der  auf  wenig  Widerstand  in  ihrer  Jugendperiode  hinweist.  Deshalb  sind  die 
genannten  Baumarten  allein  für  die  Aufforstung  in  den  Lawinenverbauungen  nicht 
zu  empfehlen,  ja  selbst  nicht  für  Bepflanzung  von  Bahnböschungen,  wo  Schnee 
zurückgehalten  werden  soll.  Die  Zirbe  ist  besonders  für  Hochlagen  eine  außerordent- 
lich genügsame,  kräftige  Pflanze,  die  sehr  leicht  Wurzel  faßt.  Sie  ist  es  insbesondere, 
die  zum  Abbaue  von  Lawinen  in  den  höchsten  Lagen  empfohlen  werden  kann.  Ihr 
zunächst  reiht  sich  die  geradstämmige  Varietät  der  Legföhre,  die  Bergföhre. 

Nach  abwärts  zu  wäre  diesen  Holzarten  Lärche  und  noch  tiefer  Fichte  beizu- 
mischen. 

§  15.  Die  Lawinenbauten,  die  eine  Ableitung  der  La- 
winen bezwecken,  oder  ausschließlich  zum  Schutze  ein- 
zelner Objekte  errichtet  werden.  Zu  derlei  Maßnahmen,  welche  nur 
als  Palliativmittel  anzusehen  sind  und  weniger  in  das  Gebiet  der  Forsttechnik 
fallen,  sind  die  Leitwerke,  Schutzdämme,  Schutzmauern  und  Ablenkungswerke  zu 
zählen.  Um  durch  derlei  Vorkehrungen  einen  größeren  Schneestrom  zurückhalten 
zu  können,  müssen  gewöhnlich  bedeutende  Mauer-  oder  Damnihöhen  zur  x\nwen- 
dung  gelangen,  wobei  außerdem  der  zur  Ablagerung  nötige  Raum  oberhalb  und  längs 
des  Baues  vorhanden  sein  muß. 

Leitwerke  haben  gewöhnlich  den  Zweck,  die  abgleitenden  Schneemassen  in 
eine  zweite  Gleitrinne  abzuleiten,  wo  sie  allenfalls  unschädlich  nach  der  Tiefe  stürzen. 
Die  Leitwerke  können  gleichfalls  aus  Holz  oder  Stein  bestehen  und  bekommen  die 
Form  einer  schiefen  Block-  oder  Balkenwand ;  mitunter  werden  sie  auch  aus  einer 
hinreichend  hohen  Trockenmauer  hergestellt,  die  sich  in  einer  sanften  Kurve  längs 
des  Hanges  bis  zu  jener  Stelle  hinzieht,  wo  die  Einleitung  der  abstürzenden  Schnee- 
massen erfolgen  soll.  Das  Leitwerk  bildet  mit  dem  aufwärts  ansteigenden  Terrain 
die  neue  Gleitrinne,  deshalb  muß  das  Profil  derselben  dem  Umfange  der  voraussicht- 
lich zum  Abstürze  gelangenden  Schneemassen  entsprechen,  aber  auch  den  genügenden 
Festigkeitsgrad  besitzen,  um  dem  Seitendruck  der  gleitenden  Schneemassen  wider- 
stehen zu  können.  Die  Leitwerke  können  sowohl  innerhalb  als  auch  am  oberen 
oder  unteren  Ende  des  Lawinenzuges  erbaut  werden. 

Zum  Schutze  einzelner  Objekte,  z.  B.  Alpenhütten,  Wolmhäusern  usw.,  haben 
sich  auch  entsprechend  dimensionierte  Steinpyramiden  bewährt,  deren  eine  scharfe 
Kante  gegen  den  Lawinenzug  gerichtet  ist.  Nur  dürfen  die  abstürzenden  Schnee- 
massen nicht  übermäßig  große  sein.  Dagegen  haben  sich  Gräben  oder  Terrassen  im 
Anbnichsgebiete  als  erfolglos  gezeigt.  Im  übrigen  enthalten  die  in  der  Fußnote  1, 
Seite  333  zitierten  Abhandlungen  Pollaks  genauen  Aufschluß  über  ausgeführte 
derartige  Bauten  und  die  hiebei   zu  befolgenden  Regeln. 

In  erster  Linie  sind  die  beschriebenen  Verbauungen  wohl  nur  als  Schutz  gegen 


B.   Die   Lawinonvorbaming.     §   iti.  3-11 

den  Absturz  von  Gnindlawinon  anzusehen;  iianierliin  scheint  es  als  würde  die 
durch  die  Werke  erzielte  wellenförmige  Oberfläche  der  Schneemassen  auch  das  Ab- 
gleiten der  Oberlawinen  verhiurlern,  wenigstens  sind  erfahrungsgemäß  in  einem 
verbauten  Lawinenzuge  nocli  keine  Oberlawinen  abgegangen. 

§  16.  Die  L  a  w  i  n  e  n  s  t  a  t  i  s  t  i  k.  Das  zielbewußte  Vorgehen  auf  dem 
Gebiete  des  Lawinenbaues,  wie  es  sich  in  manchen  Staaten  bereits  als  nötig  erweist, 
erfordert  die  Schaltung  einer  sich  auf  gewisse  Grundsätze  aufbauenden  Lawinen- 
statistik. Die  Schweiz  besitzt  schon  seit  langer  Zeit  eine  derartige  Statistik,  und 
nunmehr  ist  man  auch  daran,  für  sie  in  Oesterreich  die  Grundlage  zu  schaffen.  Die 
von  den  in  Betracht  komiiieuden  Behörden  zu  sammelnden  Daten  sollen  sich  bezie- 
hen auf: 

Gebiet  (Land,  Flußgebiet,  poiit.  Bezirk), 

Art  der  Lawine  (Grund-,  Staub-,   Gletscherlawine), 

Periodizität  des  Lawinensturzes  (jährlich  einmal,  zweimal,  mehrnial), 

Zeitraum  des  Lawinenabganges  (Herbst,  Winter,  Frühjahr), 

Ursprung  der  Lawine  (innerhalb  oder  oberhalb  der  Waldgrenze), 

Höhe  des  Ursprunges  über  dem  Meere  (unter  1500  m,  über  3000  m), 

Geologische  Beschaffenheit  des  Ursprungsgebietes, 

Ausdehnung  der  Lawine, 

Höhe  und  Beschaffenheit  des  Schnees, 

Angerichteter  Schaden, 

Gefahrenbereich  der  Lawine, 

Ausgeführte  Verbauungen, 

Aufforstungen  und  deren  Effekt,  sowie  manches  andere  mehr. 

Diese  Statistik  wird  sicherlich  auch  imstande  sein,  die  bis  heute  gesammelten 
Erfahrungen  über  die  Bewegung  des  Schnees,  über  die  Wirkung  der  Verbauungen 
zu  ergänzen  und  wird  so  vielleicht  auch  der  Entwickelung  der  Theorie  des  Lawinen- 
verbaues  zugute  kommen. 


M2 


IX. 

Die   F'orstbenutzung. 

A.  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer 

Von 

Wilhelm  Franz  Exner. 

Für  die  3.  Auflage  bearbeitet  von  Gabriel  J  a  n  k  a. 


Einleitung.    Allgemeine  Gesichtspunlvte.  —   Geschichte  der  einschlägigen  Forschung 
und  Literatur.  —  Einteilung  des  Stoffes. 

§  1.  Die  Fachleute  stimmen  nicht  darin  überein,  welche  Eigentümlichkeiten, 
welche  Erscheinungen,  welche  Verhältnisse  im  Holzkörper  als  ,,E  i  g  e  n  s  c  h  a  f  t  e  n" 
aufzufassen  und  unter  diesem  Schlagwort  abzuhandeln  seien.  Mancher  Autor  erörtert 
als  ,, Eigenschaft  des  Holzes"  dessen  ,, inneren  Bau",  ,, Gefüge",  ,, Gewebe",  ,, Struk- 
tur", ,, Textur",  während  derselbe  die  ,, chemische  Zusammensetzung"  keiner  näheren 
Untersuchung  wert  hält,  ein  anderer  Fachmann  beschränkt  sich  auf  ,, Elastizität 
und  Festigkeit",  auf  ,, Dichtigkeit  und  Feuchtigkeits-  oder  Wassergehalt"  und  läßt 
die  Spaltbarkeit,  die  Farbe,  den  Glanz,  den  Geruch  ganz  außer  Betracht.  Die  Grenzen 
des  Stoffes,  welchen  man  unter  obigem  Titel  behandeln  soll,  sind  aber  auch  in  der 
Tat  sehr  diskutierbar. 

Wir  sind  der  Ansicht,  daß  sich  jene  im  Recht  befinden,  welche  den  ,,Bau  des 
Holzes"  und  die  ,, Chemie  des  Holzes"  als  das  unmittelbare  Ergebnis  des  Lebens- 
prozesses im  Baume  dem  Pflanzen-Anatomen  und  -Physiologen  zur  Erforschung 
und  Erörterung  überlassen,  hingegen  die  Eigenschaften  als  auf  der  Zusammen- 
setzung des  Holzkörpers,  mittelbar  auf  den  Lebensumständen  des  Bau- 
mes, beruhende  Verhältnisse  an  und  für  sich  ins  Auge  fassen. 

Die  Eigenschaften  verhalten  sich  zur  Konstruktion  des  Holzkörpers  etwa  wie 
die  Wirkung  zur  Ursache,  wie  die  Folge  zur  Voraussetzung. 

Die  Beziehungen,  welche  zwischen  den  Graden  der  Eigenschaften  einerseits 
und  den  Modifikationen  im  räumlichen  und  stofflichen  Aufbau  des  Holzes  existieren, 
haben  sich  aber  bisher  gar  sehr  unserer  Erkenntnis  entzogen,  und  nur  äußerst  wenig 
ist  in  dieser  Beziehung  wissenschaftlich  sichergestellt. 

Auch  über  die  Beziehungen  der  Eigenschaften  des  Holzes    untereinander   ist 


Einleitung.    §  2.  343 

noch  wenig  bekannt;  Vermutungen,  mehr  oiler  minder  plausible  Annahmen  über- 
wiegen die  positive,  aus  Tatsachen  oder  Versuciisorgobnissen  hergeleitete  Erkenntnis. 

Noch  dürftiger  ist  unser  Wissen  hinsiclitlich  der  Beziehungen  zwischen  den 
Eigenschaften  und  den  Methoden  der  Umgestaltung,  Umformung,  Bearbeitung  des 
Holzes,  sowie  der  hiezu  benützten  Hilfsmittel.  Sind  die  Lebensbedingungen  für  ein 
Holzgewächs  erfüllt,  so  entsteht  die  Pflanze  und  mit  ihr  der  Holzkörper;  dieser  hat 
bestimmte  Eigentümlichkeiten  (Merkmale  seiner  Gattung)  und  bestimmbare  Eigen- 
schaften (Eigenschaftsgrade).  Auf  diesen  basiert  die  Verwendungsart  und  das  Ver- 
fahren zur  Herstellung  des  Gebrauchsobjektes.  Welch  interessante  Kette  von  Ver- 
.hältnissen  und  Beziehungen,  die  mit  der  chemischen  Zusammensetzung  des  Bodens, 
der  Luft  und  des  Samens,  Wärme-  und  Lichtzufuhr  jetzt  erst  beginnt  und  mit  dem 
fertigen  Dachstuhl,  der  Brücke,  dem  JMöbel  oder  der  Heiligenfigur  endet!  In  dieser 
Kette  sind  uns  die  einzelnen  Glieder  meistens  genau  genug  bekannt,  nur  das  ist  uns 
ein  bisher  unerschlossenes  Rätsel  geblieben,  wie  sich  die  Ringe  ineinander  gelegt 
und  geschlossen  haben. 

Vorläufig  arbeiten  jene  Wissenschaften  ziemlich  unabhängig  voneinander,  die 
zur  Erkenntnis  von  Tatsachen  an  einem  bestimmten  Punkte  der  Reihe  führen. 

Pflanzen-Physiologie,  Biologie,  Anatomie,  mit  ihren  empirischen  Schwestern 
Agrikulturchemie,  Standortslehre,  Pflanzen-  oder  Waldbau  stehen  der  H  o  1  z  p  r  o- 
d  u  k  t  i  0  n  zur  Seite  und  gelangen  auf  analytischem  oder  induktivem  Wege  zu 
Gesetzen,  auf  synthetischem  oder  spekulativem  Wege  zu  Regeln  für  die  Praxis. 

Nun  kommt  die  spezielle  Xylotomie  und  lehrt  uns  die  Kennzeichen  der  Holz- 
arten, indem  sie  dieselben  im  Wege  des  Vergleiches  der  Produkte  ermittelt. 

Hierauf  folgt  die  Erforschung  der  sogenannten  ,, technischen",  d.  i.  der  für  die 
Verwendung  des  Holzes  zur  Befriedigung  von  Lebensbedürfnissen  belangreichen 
Eigenschaften.  Diese  wissenschaftliche  Aufgabe  hat  keinen  speziellen  Namen,  sie  ist 
nahe  verwandt  mit  der  Xylotomie  und  ergänzt  sie. 

Mit  dieser  wissenschaftlichen  Aufgabe,  welche  N  ö  r  d  1  i  n  g  e  r  zur  Disziplin 
entwickelt  hat,  beschäftigten  und  beschäftigen  sich  Botaniker,  Physiker,  Mechaniker, 
Forstleute  und  Vertreter  der  sog.  Warenkunde,  endlich  Technologen,  alle  von  ihrem 
Standpunkte  aus,  mit  dem  ihnen  zu  Gebote  stehenden  wissenschaftlichen  Apparate 
und  in  Verfolgung  ihrer  spezifischen  Zwecke  und  Aufgaben.  Dabei  wurde  aber  nur 
ausnahmsweise  mit  Erfolg  nach  einer  Beziehung  zwischen  der  Eigen- 
schaft und  den  Bedingungen  der  Entstehung  des  Holzes 
gefragt,  der  naturgesetzliche  Zusammenhang  der  Eigenschaften  untereinander,  der 
Eigenschaften  mit  der  Anatomie  und  Chemie  des  Holzes  aufgedeckt.  Der  Forstmann 
sowie  der  Physiker,  der  Technologe  sowie  der  Ingenieur  gehen  jeder  ihren  eigenen 
Weg,  isoliert,  und  nur  ihr  Ziel  vor  Augen  habend.  Hier  könnte  nur  durch  die  Ver- 
einigung von  Fachleuten  Ersprießliches  geleistet  werden! 

§  2.  Eine  kurze  Uebersicht  der  wichtigeren  Arbeiten  auf  unserem  Gebiete  wird 
das  eben  Gesagte  bestätigen  und  die  weiteren  Darstellungen  einleiten. 

P  a  r  e  n  t  veröffentlichte  in  den  Memoires  de  1' Academie  des  Sciences  in  den  Jah- 
ren 1707  und  1708  Untersuchungen  über  die  Festigkeit  der  Hölzer  der  Eiche  und  Tanne. 

Welchen  Grad  von  Genauigkeit  man  zu  jener  Zeit  für  ausreichend  hielt,  zeigt 
das  Resume  der  .\rbeit:  daß  die  mittlere  Festigkeit  der  Tanne  sich  zu  jener  der  Eiche 
verhält  wie  358  zu  300  oder  119  zu  100.  Von  dem  für  die  technische  Verwendung 
der  Rohstoffe  im  Bauwesen  viel  wichtigeren  Begriffe  der  Elastizität  ist  noch  nicht 
die  Rede,  wurde  doch  erst  durch  Young  und  Tredgold  der  Begriff  des  Elastizitäts- 
Koeffizienten  in  die  Wissenschaft  eingeführt. 


344  INA.    E  X  n  e  r,  Die  teclinischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

Eine  bemerkenswerte  Arbeit  rührt  von  Müsse  henbroeck  her  (Introductio 
ad  philosophiam  naturalem,  Lugduni  Batavorum  1762,  I.  Band  S.  409).  Dieser 
Gelehrte  glaubte  behaupten  zu  dürfen: 

,,Der  Teil  der  Bäume,  welcher  gegen  Norden  gekehrt  ist,  wird  in  der  Mehrzahl  der  Fälle 
von  schmäleren  Jahrringen  gebildet;  die  Kälte  des  Nordens  hindert  nämlich  die  Zunahme 
und  die  Entwickelung  der  Vegetation;  die  dem  Süden  zugewendete  Seite  setzt  sich  dagegen 
aus  breiteren  Jahrringen  zusammen,  —  freilich  findet  zuweilen  auch  das  entgegengesetzte 
statt.  .  .  ." 

„Bei  all'  meinen  Versuchen  habe  ich  die  folgenden  Resultate  gefunden:  Die  Festigkeit 
des  Kernes  des  Baumes  ist  die  geringste.  .  .  .  \'om  Kerne  ausgehend  ist,  die  Festigkeit  im  ganzen 
gegen  Norden  zu  gelegenen  Teile  geringer,  als  in  dem  gegen  Süden  exponierten;  die  Festigkeit 
in  dem  westlichen  Teile  hat  einen  Mittelwert  zwischen  den  beiden  vorangeführten,  die  größte 
Festigkeit  findet  sich  aber  in  dem  gegen  Osten  gelegenen  Teile.  Wenn  man  weiters  das  Holz 
von  der  Axe  bis  zur  Peripherie  verfolgt  in  der  Richtung  der  vier  Weltgegenden,  so  findet  man 
das  festeste  Holz  an  einer  mittleren  Stelle,  die  zwischen  Rinde  und  Mark  liegt,  und  die  dem  Splint 
zunächst  gelegene  Partie  des  Holzes  übertrifft  jenes  bedeutend  an  Festigkeit,  welches  dem  Kern 
zumeist  genähert  ist". 

„Die  Festigkeit  der  höheren  Teile  des  Stammes,  wo  sich  die  Aeste  abzweigen,  differiert 
von  jener  der  dem  Boden  benachbarten  fast  nicht,  auch  gibt  es  keine  derartigen  Unterschiede 
zwischen  dem  Stamm  und  den  Aesten.  Ich  weiß,  daß  mehrere  Physiker  entgegengesetzter  An- 
sicht sind;  sie  behaupten,  der  Kern  des  Holzes  enthalte  das  härteste  und  festeste  Holz  und  auf 
gleiche  Entfernung  vom  Ivern  und  um  denselben  sei  es  von  gleicher  aber  schwächerer  Kohäsion, 
der  Splint  endlich  sei  die  schwächste  Partie;  ich  aber  führe  einfach  das  an,  was  mich  die  \er- 
suche  mit  unseren  Bäumen  gelehrt  haben." 

,,Es  gibt  einen  von  der  Natur  des  Bodens  bedingten  Unterschied.  Die  Bäume,  welche 
auf  einem  sandigen  Boden  erwachsen,  sind  gebrechlicher,  während  die  auf  einem  thonigen 
Grunde  stehen,  zäher  sind.  Das  grüne,  friscli  gefällte  ist  fester  als  das  gleiche  Holz  im  getrock- 
neten Zustande". 

Die  Arbeit  Musschenbroecks  basiert,  obwohl  sie,  besonders  was  die  Verschieden- 
heiten der  Festigkeit  in  einem  und  demselben  Baume  betrifft,  eine  der  vollständigsten 
in  der  ersten  Periode  der  wissenschaftlichen  Bestrebungen  auf  diesem  Gebiete  dar- 
stellt, auf  einer  nicht  so  großen  Zahl  genügend  überzeugender  Versuche,  um  die  oben 
angeführten  Folgerungen  sicher  zu  stellen.  Dies  scheint  der  Autor  auch  gefühlt  zu 
haben,  denn  er  sagt  selbst  in  seinem  Buche:  , .Vielleicht  habe  ich  nicht  alle  Umstände 
beachtet,  welche  auf  die  Festigkeit  der  Hölzer  Einfluß  nehmen." 

Der  berühmte  Naturforscher  B  u  f  f  o  n  hat  sich  ebenfalls  nnt  den  mechanischen 
Eigenschaften  des  Holzes  beschäftigt,  doch  ist  wohl  zu  beachten,  daß  sich  die  Arbeit 
Butfons,  obwohl  sie  nach  einem  sehr  großen  Maßstabe  durchgeführt  wurde,  nur  auf 
Eichenholz  bezieht,  was  also  ausschließt,  die  von  Buffon  gezogenen  Schlüsse, 
selbst  wenn  sie  vollständig  erwiesen  wären,  auf  andere  Holzarten  anzuwenden. 

In  den  Oeuvres  de  Buffon,  tome  I,  finden  sich  folgende  Behauptungen,  die  hier 
ihren  Platz  finden  sollen. 

S.  10.  „Das  junge  Holz  ist  weniger  fest,  als  das  ältere;  ein  dem  Fuße  des  Baumes  ent- 
nommener Barren  widersteht  mehr  als  ein  dem  Gipfel  desselben  Baumes  entnommener;  ein 
an  dem  Umfang  des  Baumes  nahe  dem  Splint  gewonnener  Barren  ist  weniger  fest,  als  ein  gleiches 
aus  dem  Mittelpunkte  des  Baumes  herrührendes  Stück.  Ueberdies  modifiziert  der  Grad  der 
Austrocknung  sehr  dessen  Widerstandsfähigkeit;  das  grüne  Holz  bricht  viel  schwerer,  als  ein 
trockenes." 

S.  18.  „Das  Holz,  welches  auf  einem  gewissen  Boden  am  schnellsten  erwächst,  ist  das 
festeste;  jenes,  welches  langsam  erwachsen  ist  und  bei  dem  die  Jahrringe  sehr  schmal  sind,  ist 
schwächer  als  das   erstere." 

„Ich  habe  gefunden,  daß  die  Festigkeit  des  Holzes  seinem  Gewicht  proportional  ist, 
folglich  daß  ein  Stück,  welches  gleiche  Abmessungen  wie  ein  anderes  hat,  aber  schwerer  ist, 
auch  beiläufig  in  demselben  Verhältnisse  fester  sein  wird." 

S.  27.  ,,Die  Dichte  des  Holzes  nimmt  vom  Zentrum  gegen  den  äußersten  Umfang  des 
Splintes  hin  nach  einer  arithmetischen  Progression  ab " 

„Das  Holz  vom  Fuße  des  Baumes  wiegt  mehr  als  jenes  vom  Stamm  aus  der  Mitte  seiner 
Höhe,  und  dieses  wieder  wiegt  mehr  als  jenes  vom  Gipfel,  und  zwar  nahezu  nach  einer  arithme- 
tischen Progression,  welche  vom  Wachstum  des  Baumes  abhängt.  Es  gibt  eine  Zeit,  zu  welcher 
das  Holz  in  der  Mitte  und  am  Umfange  des  Kernes  nahezu  gleiches  Gewicht  haben,  imd  das  ist 


Einleitung.   §  2.  345 

jene  Zeit,  in  wclflior  das  lliilz  in  seiner  XoHeminn"-  (Reife)  ist  (diese  I-ieoljaclilnnfjen  wurden  an 
Bäumen  im  Alter  von  40  l)is  46  Jalirengemaclit);  aber  l)ei  100-  bis  llOjährifren  Haunien  war  der 
Kern  nicht  mehr  der  solideste  Teil  des  Baumes;  der  Splint  ist  schwerer  und  fester  in  den  alten 
als  in   den  jungen   Bäumen." 

Im  Jahre  1870  erschien  das  oft  zitierte  Werk:  Traite  de  la  conservation  et  de 
la  force  des  bois  von  Duhamel  du  IMonceau.  Demselben  sind  folgende 
Thesen  zu  entnehmen: 

S.  50.    „Man  soll  trockene  Hölzer  anwenden.  .  .  ." 

S.  .56.  ,,,Das  Holz  bedarf  jedoch  einer  l<leinen  Menge  Feuchtigkeit,  damit  es  hart  sei, 
woraus  ich  schließe,  daß  zu  trockene  Hölzer  nicht  gute  Dienste  zu  leisten  vermögen." 

S.  65.  ,,Das  Holz,  das  man  dem  Fuße  des  Baumes  entnimmt,  ist  schwerer  als  jenes  vom 
Gipfel." 

S.  71.  .,Das  grüne  Holz  muß  ein  Dritteil  seines  Totalgewichtes  verlieren,  um  für  so  trocken 
zu  gelten,  daß  es  sich  so  verhalte,  wie  ein  Hygrometer." 

S.  264.  „Es  scheint,  daß  die  Extraktion  des  Saftes  die  Festigkeit  des  Holzes  nicht  ver- 
mindert, nachdem  der  Saft  die  Festigkeit,  welche  von  der  .\nzahl  und  Stärke  der  Fasern  abhängt, 
auch  nicht  zu  steigern  vermag.  Der  Saft  macht  die  Holzfaser  geschmeidiger  und  geneigter, 
zu   brechen." 

S.  378.  ,,Es  ist  ferner  eine  erwiesene  Tatsache,  daß  die  Jahrringe  von  Mastbäumen  aus- 
gezeichneter Beschaffenheit,  welche  in  einem  sehr  kalten  Lande  erwachsen  sind,  schmäler 
und  daher  näher  aneinander  gerückt  sind." 

S.  411.  ,,So  lange  die  Bäume  kräftig  und  in  lebhaftem  Waciistum  begriffen  sind,  ist 
das  Kernholz  das  dichteste,  und  in  den  dicken  Bäumen,  welche  anfangen  in  die  Rückbildung 
einzutreten,  ist  das  Kornholz  oft  leichter  als  das  Reifholz  (la  couronne,  qui  est  entre  le  coeur  et 
la  circonference) ;  folglich  gewinnt  das  Holz  nach  und  nach  seine  Dichte  und  verliert  an  dersel- 
ben, nachdem  es  das  Maximum  derselben  erreicht  hat." 

S.  438.  ,,Die  Bodenarten,  welche  dii  geeignetsten  sind  zur  Bildung  schöner  Bäume,  sind 
nicht  jene,  welche  das  Holz  bester  Qualität  hervorbringen." 

S.  458.  ,,In  diesen  starken  Fichten  (Pins  du  Nord  von  beiläufig  260  Jahren)  ist  das  festeste 
Holz  jenes,  welches  sich  in  der  fünften  ringförmigen  Zone  befindet,  vorausgesetzt,  daß  man  die 
Querschnittsfläohe  einschließlich  Splint  in  sechs  glfich  breite  Ringe  teilt;  aber  man  begreift, 
daß  dies  zufolge  von  Umständen  Aenderungen  unterliegt." 

Die  drei  Autoren,  welche  wir  nun  zitiert  haben,  sind  fast  die  einzigen,  welche 
sich  mit  den  in  ein  und  demselben  Baume  auftretenden  Unterschieden  von  Dichte 
und  Festigkeit  und  mit  dem  Einflüsse  der  Bodenbeschaffenheit  auf  diese  Eigen- 
schaften befaßt  haben.  Die  Widersprüche  in  ihren  Ansichten  ließen  diese  großen 
Fragen  als  unentschieden  bestehen.  Die  Divergenz  der  Auffassungen  ist  vielleicht 
der  geringen  Gleichförmigkeit  und  Genauigkeit  zuzuschreiben,  welcher  die  Bruch- 
versuche unterworfen  waren. 

Die  Untersuchungen,  welche  Duhamel  über  den  Einfluß  der  Spaltbarkeit  und 
des  Verhältnisses  zwischen  der  Zusammendrückung  und  Ausdehnung  der  Fasern  auf 
den  Totalwiderstand  von  der  Biegung  unterworfenen  Körpern  angestellt  hat,  können 
hier  übergangen  werden. 

Erst  die  Autoren  späterer  Perioden  haben  sich  dem  Studium  der  Elastizi- 
tät gewidmet. 

Girard  (Traite  de  la  resistance  des  solides  1798,  p.  183)  schließt  aus  dem 
Gange  seiner  Versuche,  und  zwar  in  Uebereinstimmung  bezüglich  dieses  Punktes  mit 
Perronet  (Oeuvres  de  Perronet,  1782,  Tome  I,  Memoire  sur  les  pieux  et  pilotis, 
page  93),  daß  sich  die  Elastizität  der  Eiche  verhält  zu  jener  der  Tanne  wie  63  :  47, 
und  er  sagt  weiters  (p.  159),  daß  die  kontinuierliche  gleiche  Belastung  die  Pfeilhöhe 
der  Durchbiegungskurve  vergrößere,  was,  nach  seiner  Ansicht,  nicht  der  Fall  sein 
könnte,  ohne  daß  die  Elastizität  sich  ändern  und  in  jedem  Augenblick  einen  gewissen 
Teil  ihrer  Energie  einbüßen  würde. 

Schon  im  Jahre  1782  und  am  Beginne  des  vorigen  Jahrhunderts  haben  einige 
anerkannte  ^länner  der  Wissenschaft  auf  experimentellem  Wege  für  eine  große  Zahl 
von  Holz  -Arten  und  -\'  o  r  k  o  m  m  e  n  die  Dichte,  die  Festigkeit  und  den  Elasti- 


346  IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

zitäts-Koeffizienten  bestimmt.  Es  sind  zu  nennen :  B  e  1  i  d  o  r  ( Architecture  hy- 
draulique  1782),  R  o  n  d  e  1  e  t  (Art  de  bätir),  B  a  r  1  o  w  (Essay  on  the  strength  of 
timber  1817),  E  b  b  e  1  s  u.  T  r  e  d  g  o  1  d  in  verschiedenen  Werken. 

Charles  Dupin  hat  im  Journal  de  l'Ecole  polytechnique,  tome  X,  1815 
eine  große  Arbeit  über  die  mechanischen  Eigenschaften  des  Holzes  veröffentlicht 
(Experiences  sur  la  flexibilite,  la  force  et  l'elasticite  des  bois).  Dupin  untersuchte  die 
Natur  der  elastischen  Kurve,  die  Lage  der  neutralen  Schichte  (fibre  invariable),  er 
berichtigte  die  Formeln,  welche  die  Beziehungen  der  Abmessungen  der  Stücke  und 
der  angewandten  Belastungen  zu  den  erzeugten  Durchbiegungen  ausdrücken. 

Er  bewies  S.  142,  daI3  ,,die  Durchbiegungen  der  Hölzer,  welche  durch  sehr  kleine  Gewichte 
hervorgebracht  werden,  diesen  Belastungen  proportional  sind",  und  S.  150  folgert  er  aus  einem 
die  Versuche  mit  Eichen-,  Zypressen-,  Buchen-  und  Tannenholze  enthaltenden  Tableau,  daß 
,,die  spezifischen  Gewichte  gleichzeitig,  aber  in  viel  geringerem  Grade  mit  dem  Widerstände 
gegen  Durchbiegung  zunehmen." 

S.  191  bemerkt  Dupin,  daß  ,,die  Kräfte,  die  man  anwenden  muß,  um  die  Hölzer  dem 
Bruche  zuzuführen,  in  keiner  notwendigen  Relation  zu  den  Kräften  stehen,  welche  die  Durch- 
biegung der  Hölzer  hervorrufen." 

„So  setzten  einige  Holzarten  der  Biegung  einen  sehr  geringen,  dem  Bruche  einen  großen 
\\iderstand  entgegen;  solche  sind  die  Rotbuche,  der  Nußbaum,  die  tjlme,  die  Tanne  etc.  Einige 
Arten  widerstehen  im  Gegenteile  sehr  stark  der  Biegung  und  viel  weniger  dem  Bruche,  z.  B. 
die  Zypresse,  das  Mahagoni  etc.  .\ndere  endlich  bieten  gleichzeitig  großen  Widersland  dem 
Bruche  und  der  Biegung  dar,  hieher  gehören  die  korsische  Föhre  und  die  Eiche." 

Diese  Klassifikation  führt  Dupin  dazu,  die  beste  Anwendung  dieser  verschie- 
denen Holzarten  in  der  Praxis  anzugeben. 

B  e  V  a  n  befaßte  sich  vornehmlich  mit  der  Bestimmung  des  Elastizitäts-Moduls 
im  Wege  der  Torsion  (Philosophical  transactions,  1829). 

S  a  v  a  r  t  bediente  sich  der  durch  Tonschwingungen  auf  Holzplatten  hervorge- 
rufenen Knotenlinien,  um  die  Unterschiede  der  Elastizität  und  die  Lage  ihrer  Achsen 
zu  ermitteln.  Diese  Platten  waren  aus  einem  Stücke  Rotbuchenholz  nach  verschie- 
denen Richtungen  herausgeschnitten  worden. 

Er  bemerkt  S.  404  seiner  in  den  Mimoires  de  TAcadfimie  des  Sciences  1830  publizierten 
Arbeit,  daß  ,,die  Hölzer,  bei  denen  die  Jahrringe  nahezu  zylindrisch  und  konzentrisch  sind, 
eine  nach  allen  Radien  in  jedem  zur  Axe  senkrechten  Schnitt  auffallend  gleiche  Elastizität 
besitzen". 

S.  417.  ,,  Jeder  Stab  kann  bei  derselben  .\rt  der  Einteilung,  je  nachdem  die  Schwingungen 
nach  der  Breite  oder  Dicke  erfolgen,  zwei  Töne  zum  Vorschein  bringen,  aber  man  kann  den 
Unterschied  zwischen  diesen  Tönen,  als  sehr  geringfügig,  vernachlässigen,  wenn  jene  .Abmes- 
sungen sehr  klein  sind." 

Savart  nimmt  drei  Achsen  an :  Die  erste,  parallel  zu  den  Fasern,  die  zweite  im 
Sinne  des  Radius  und  die  dritte  tangential  zu  den  Jahrringen.  Er  fand  durch  Ver- 
suche, die  er  mit  kleinen  im  Sinne  dieser  drei  Achsen  dem  Stamme  entnommenen  Barren 
angestellt  hat,  daß,  wenn  man  den  Widerstand  gegen  Biegung  im  Sinne  der  Tangente 
als  Einheit  annimmt,  jener  im  Sinne  des  Radius  2,25,  jener  im  Sinne  der  Faserrich- 
tung 16  beträgt. 

Dieselbe  Frage  verfolgte  W  h  e  a  t  s  t  o  n  e  ,  der  sich  hierüber  in  den  Philo- 
sophical transactions,  1833,  S.  608  folgendermaßen  äußert: 

„Wenn  man  eine  Platte  so  ausformt,  daß  die  Fasern  zu  einer  der  Seitenkanten  parallel 
laufen,  so  sind  die  Axen  der  größten  und  kleinsten  Elastizität  rechtwinklig  zu  einander  und 
parallel  gestellt  zu  den  anliegenden  Seiten''.  .  .  . 

,,Wenn  die  Platte  die  Form  eines  Rechteckes  hat,  dessen  Seitenkanten  sich  umgekehrt 
wie  die  Quadrate  ihrer  Widerstände  gegen  Biegungen  verhalten,  so  werden  die  beiden  ."^rten 
der  Schwingungen  parallel  zu  den  Seiten,  wiewohl  diese  verschieden  lang  sind,  isochronisch 
sein,  und  ihre  Koexistenz  wird  eine  resultierende  Figur  liefern,  deren  Linien  parallel  zur  Diagonale 
verlaufen." 

Man  könnte  demnach,  indem  man  die  diesen  Seiten  zu  gebende  relative  Länge 


Einleitung.   §  2.  347 

durch  Versuche  ermittelt,  das  Verhältnis  der  Elastizitäts-Koeffizienten  in  zwei  auf 
einander  senkrechten  Richtungen  finden. 

P  o  n  c  c  I  e  t  geht  in  seinem  Werke  Mecanique  industrielle,  1839,  S.  316  in  sehr 
genaue  Details  über  die  Elastizität  der  Hölzer  und  besonders  über  Dehnungsversuche 
mit  denselben  ein.  Er  leitet  aus  den  Versuchen  von  Minard  und  D^sorme  und  jenen 
von  Ardanl  ab,  daß  für  die  ersten  Belastungen  die  Verlängerungen  den  spannenden 
Kräften  ausgesprochen  proportional  sind  und  rechnet  aus  diesen  Verlängerungen  die 
Elastizitäts-Koeffizientcn.  Die  Elastizitätsgrenze  für  die  Eiche  entspricht  nach  den 
Versuchen  von  Minard  und  Desorme  einer  Belastung  von  2,13  Kilogrammen  per 
Quadratmillimeter  und  einer  Verlängerung  von  0,0016  der  ursprünglichen  Länge. 
Die  analogen  Zahlen  sind  nach  Ardant  für  die  Vogesen-Tanne  1,85  Kilogramm  und 
0,00117.  Diese  verschiedenen  Daten  verstehen  sich  für  die  Elastizität  im  Sinne  des 
Fasemlaufes.  Poncelet  urgiert  weitere  Versuche  über  die  Elastizität  im  Sinne  der 
Tangente  und  der  Normale  zu  den  Jahrringen. 

Nach  Eaton  Hodgkinson  (Combes,  Exploitation  des  mines,  I.  Band, 
S.  550)  alteriert  eine  Verkürzung  um  0,0027  der  ursprünglichen  Länge  eines  nicht 
gebogenen  Prismas  die  Elastizität  um  ein  Erhebliches. 

Hagen  hat  die  Elastizität  mehrerer  Holzarten  durch  Biegung  von  Stäben, 
die  im  Sinne  der  Fasern  und  senkrecht  auf  dieselben  genommen  worden  waren, 
untersucht  und  hat  keine  große  Differenz  zwischen  Kern-  und  Splintholz  gefunden; 
er  hat  indessen  erkannt,  daß  der  Elastizitäts-Koeffizient  bedeutend  abnimmt,  wenn 
das  Holz  sehr  stark  durchnäßt  ist.    (Poggendorff's  Annalen,  LVIIL  Band,  S.  125.) 

Im  Jahre  1845  debütierten  zwei  italienische  Physiker,  und  zwar  Paccinotti 
und  Peri  (II  Cimento,  III.  Jahrgang)  mit  einer  äußerst  präzisen  und  detaillierten 
Untersuchung  über  die  Elastizität  der  Hölzer,  in  welcher  sie  die  verschiedenen  Me- 
thoden zur  Bestimmung  des  Elastizitäts-Koeffizienten  untereinander  verglichen  und 
auf  ihren  Wert  prüften.  Sie  operierten  nach  den  drei  Methoden  auf  Zug,  Biegung  und 
Torsion  mit  quadratischen  Stäben  von  27 — 36  Millimeter  Querschnitt-Seite.  Bei  den 
Biegungsversuchen  wendeten  sie  fünf  verschiedene  Arten  der  Befestigung  beziehungs- 
weise Unterstützung  der  Stäbe  an.  Diese  Experimentatoren  haben  sowohl  die  elasti- 
schen als  auch  die  permanenten  Verlängerungen,  Torsionswinkel,  und  die  verschie- 
denen Punkten  des  Stabes  entsprechenden  Ordinalen  des  Stabes  während  dessen 
Durchbiegung  bei  wachsender  Belastung  desselben  gemessen.  Im  zweiten  Teile  ihrer 
Arbeit  vergleichen  Paccinotti  und  Peri  die  ziffermäßigen  Ergebnisse  ihrer  Versuche 
mit  jenen  Ziffern,  die  sich  unter  Anwendung  der  bekamiten  Formeln  berechnen  ließen, 
und  suchen  für  die  von  ihnen  untersuchten  Hölzer  eine  Relation  zwischen  der  Dichte 
und  dem  Elastizitäts-Koeffizienten  aufzustellen. 

Sie  gelangten  endlich  zu  folgenden  Konklusionen : 

1)  ,,Die  Elastizität  ermöglicht  in  den  verschiedenen  Teilen  des  Holzes  Veränderungen 
der  Dimensionen,  w  lohe  nicht  bloß  den  ersten  Belastungen,  sondern  auch  jenen,  die  der  Bruch- 
belastung nahe  liegen,  proportional  sind,  vorausgesetzt,  daß  man  dafür  Sorge  trägt,  von  den 
elastischen  Veränderungen  jene  permanenten  auszuscheiden,  die  entweder  der  Weichheil  des 
Materials  oder  der  Kontinuität  der  Belastung  zuzuschreiben  sind". 

2)  „Die  Durchbiegungskurven,  welche  die  an  einem  Ende  fest  eingelassenen  (einge- 
klammerten) Hölzer  annehmen,  weichen  unter  sonst  gleichen  Umständen  von  jenen  ab,  welche 
die  gleichen  Hölzer  bilden,  wenn  sie  an  beiden  Enden  unterstützt  sind,  was  man  der  Reaktion 
der  Fasern  in  den  beiden  entgegengesetzten  Aesten  zuschreiben  muß.  Indessen  kann  dieselbe 
Theorie  dazu  dienen,  um  die  beiden  Arten  von  Kurven  abzuleiten,  vorausgesetzt,  daß  bei  der 
Integration  der  betreffenden  Differentialgleichung  auf  die  gehörige  Bestimmung  der  Konstanten 
Bedacht  genommen  werde  (deren  Größe  von  dem  Grade  der  Unveränderlichkeit  der  Einfügung, 
Einklemmung  des  Endes  des  Versuchsstückes  abhängig  ist)." 

3)  „Die  unterschiede,  die  sich  bei  der  Bestimmung  des  Elastizitäts-Koeffizientcn  bei 
demselben  zeigen,  verschwinden  fast  vollständig,  wenn  man  mit  diesem  .■Vusdrucke  den  Quotien- 


348  IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

TT 

ten    E'  =—  bezeichnet,  wobei  E  den  gewöhnlichen  Begriff  des  Elastizitäts-Koeffizienten  und 

G 
G  das  spezifische  Gewicht  bedeutet." 

i)  „Der  Elastizitäts-Koeffizient  E'  ist,  wiewohl  es  einige  Unterschiede  bei  den  diversen 
Holzarten  gibt,  im  allgemeinen    =   2000  für  den   Quadratmillimeter   Querschnitt." 

5.  ,,jfan  kann  den  Elaslizitäts-Koeffizicnten  nicht  nur  durch  Zug,  sondern  auch  durch 
Biegung  und  Drehung  ermitteln,  aber  man  erliält  mit  diesen  verschiedenen  Methoden  auch 
verschiedene  Werte  und,  um  sie  auf  eine  gleiche  Ziffer  zurückzuführen,  wird  man  in  jedem  Falle 
einen  von  der  Art  der  Operation  abhängigen  konstanten  Koeffizienten  zu  bestimmen  haben." 

6.  „Die  leichteste  Methode  zur  Bestimmung  des  Elastizitäts-Koeffizienten  besteht  darin, 
den  Körper  an  beiden  Enden  zu  unterstützen  und  in  der  Mitte  des  .\bstandes  der  Stützpunkte 
zu  belasten." 

Die  Beobachtungen  Paccinottis  und  Paris  sind  so  exakt,  als  sie  es  o  h  n  e  A  n- 
wendungdesKathetometers  sein  konnten.  Auch  das  Gesetz,  das  unter  1 
ausgesprochen  ist,  stimmt  mit  jenem  überein,  das  man  als  für  die  Metalle  gültig  hin- 
stellte. Aber  es  blieb  einige  Unsicherheit  bezüglich  der  aus  den  Versuchen  abgeleiteten 
Koeffizienten  und  des  Vergleiches  der  Methoden  untereinander,  denn  diese  Autoren 
haben  es  vernachlässigt,  den  Teil  des  Baumes,  dem  die  Versuchsstücke  entnommen 
sind,  sowie  den  Feuchtigkeitsgrad  der  Versuchsstücke  zur  Zeit  der  Erprobung  in 
Rechnung  zu  ziehen.  Bekanntlich  ist  aber  die  Elastizität  nicht  in  allen  Teilen  des 
Baumes  dieselbe  und  sie  verändert  sich  bemerkenswert  mit  dem  Feuchtigkeitsgehalte, 
und  dieser  ist  in  so  kleinen  Stäben,  wie  sie  die  Autoren  benützt  haben,  besonders 
variabel.  Demnach  sind  die  Ergebnisse  der  Beobachtungen  Paccinottis  und  Peris, 
welche  unter  verschiedenartigen  Umständen  an  dem  nämlichen  Holze,  und  jene, 
welche  bei  diversen  Holzarten  gewonnen  wurden,  denn  doch  nicht  ganz  vergleichbar 
untereinander.  Es  ist  ferner  zu  bemerken,  daß  nach  den  bekannten  Formeln,  welche 
die  Beziehung  zwischen  dem  Elastizitäts-Koeffizienten  und  der  Schallgeschwindigkeit 
ausdrücken,  der  von  Paccinotti  und  Peri  eingeführte  Begriff  E'  dem  Quadrate  der 
Schallgeschwindigkeit  proportional  sein  müßte,  woraus  folgt,  daß,  wenn  E  eine  un- 
veränderliche Größe  darstellen  würde,  auch  die  Schallgeschwindigkeit  für  alle  Arten 
von  Hölzern  die  gleiche  zu  sein  hätte,  was  bekanntlich  nicht  der  Fall  ist,  denn  sie 
schwankt  nicht  nur  mit  der  Holzart,  sondern  auch  in  demselben  Baume  in  den  ver- 
schiedenen Partien  desselben,  ja  in  demselben  \''ersuchsstab  mit  dem  Grade  der 
Trockenheit  desselben.  Nachdem  E  im  allgemeinen  mit  dem  Grade  der  Trockenheit 
wächst,  und  G  bei  Feuchtigkeitsabnahme  sich  verringert,  so  muß  in  um  so  stärkerem 
Maße  E'  bei  steigender  Trockenheit  zunehmen. 

§  3.  Ueberblickt  man  die  auf  unserem  Arbeitsfelde  bis  gegen  das  Ende  der 
ersten  Hälfte  des  vorigen  .Jahrhunderts  gewonnenen  Forschungsergebnisse,  so  findet 
man,  daß  die  Methode  und  die  Schärfe  des  Raisonnements  zwar  große  Fortschritte 
machte,  —  der  wichtigste  war  jedenfalls  die  Aufnahme  der  Untersuchungen  über  die 
Elastizität  — ,  aber  die  R  e  s  u  1 1  a  t  e  der  Untersuchungen  widersprachen  sich  häufig 
untereinander,  die  Fragestellung  der  Autoren  ist  häufig  unsystematisch  und  ließ 
empfindliche  Lücken,  die  Einseitigkeit  der  Autoren  ist  vorherrschend.  In  voller 
Erkenntnis  dieser  Verhältnisse  unternahmen  zwei  französische  Fachleute,  ein  Forst- 
mann und  ein  Techniker,  C  h  e  v  a  n  d  i  e  r  und  W  e  r  t  h  e  i  m  ,  eine  epochemachende 
Arbeit.  Die  Versuchshölzer  wurden  einem  Forstgebiete  der  westlichen  Vogesen  ent- 
nommen, dessen  lokale  Verhältnisse  den  Forschem  genau  bekannt  waren.  In  dem 
4000  Hektar  messenden  Komplexe  fanden  sich  genügend  viele  ^'arianten  von 
Wachstumsbedingungen  und  Holzarten.  Der  Auswahl,  Beschreibung  und  Vorbe- 
reitung der  Versuchsstücke  wan-de  die  gleiche  weitgehende  Sorgfalt  zugewendet,  wie 
den  Versuchen  selbst,  für  welche  alle  nötigen  Hilfsmittel  in  befriedigender  Qualität 
zur  Verfügung  standen.  Chevandier  und  Wertheim  publizierten  ihre  Arbeit,  die  Frucht 


Einleitung.   §  3.  349 

niehrjäliriger  Anstrengung,  welche  in  einem  bis  daliin  nicht  eneicliten  Grade  von 
Vollkommenheit  durchgeführt  wurde,  im  Jahre  1848  als  Monographie:  Memoire  sur 
les  proprietcs  mecaniques  du  Bois.  nachdem  die  Ergebnisse  sciion  am  5.  Oktober  1846 
iler  Akademie  der  Wissenschaften  in  Paris  vorgelegt  worden  waren.  Die  beiden  Au- 
toren bewiesen  zunächst  im  ersten,  dem  historischen  Teile  ihres  Memoire,  dem  wir 
liier  bisher  gefolgt  waren,  die  Unentbehrlichkeit  einer  neuen  Untersuchung,  welche 
sich  mit  der  Feststellung  der  allgemeinen  Gesetze,  mit  der  Bewegung  der  mechani- 
schen Eigenschaften  in  den  Individuen  und  mit  jenen  Abweichungen  derselben, 
welche  der  Verschiedenheit  der  Art,  des  Alters,  der  Exposition  und  der  Provenienz 
zuzuschreiben  sind,  zu  befassen  hätte,  wobei  die  theoretischen  Untersuchungen  unter 
Rücksichtnahme  auf  die  in  der  praktischen  Verwendung  des  Holzes  aidtretenden 
Verhältnisse  komplettiert  werden  sollten. 

Chevandier  und  Wertheim  legten  sich  folgende  Fragen  vor: 

1.  Welche  Wirkung  übt  eine  allmählich  wachsende  Belastung  auf  die  Hölzer 
aus,  nach  welchen  Gesetzen  vollziehen  sich  die  dabei  entstehenden  Formveränderungen 
und  welche  Methoden  sind  zur  Bestimmung  der  mechanischen  Eigenschaften  der 
Hölzer  verwendbar? 

2.  Variieren  die  mechanischen  Eigenschaften  des  Holzes 

a)  mit  der  Orientierung,  d.  h.  nach  der  Lage  im  Baume  in  Beziehung  auf  die 
Weltgegend ; 

b)  mit  dem  Feuchtigkeitsgehalte; 

c)  mit  der  Lage  im  Baume,  bei  gleicher  Höhe  über  dem  Erdboden,  in  Beziehung 
auf  die  Entfernung  vom  Mittelpunkte  gegen  den  Umfang  hin; 

d)  mit  der  Lage  im  Baume  nach  der  Höhe  über  dem  Boden? 

3.  In  welchem  Verhältnis  stehen  die  mechanischen  Eigenschaften  des  Holzes 
im  Sinne  der  Fasernlänge  und  der  auf  dieser  senkrechten  Richtungen  im  Stamme 
je  nach  der  verschiedenen  Höhe  über  dem  Boden? 

4.  Welchen  Einfluß  übt  das  Alter  der  Bäume  aus? 

5.  Welchen  Einfluß  zeigen  die  .Jahrringbreite,  die  Exposition  und  die  Boden- 
beschaffenheit? 

6.  Welche  Beziehungen  bestehen  zwischen  den  mechanischen  Eigenschaften 
der  Hölzer  untereinander? 

7.  Welche  Mittelzahlen  kann  man  für  die  mechanischen  Eigenschaften  der 
Hölzer  als  richtig  annehmen  und  welche  Folgerungen  ergeben  sich  daraus  für  die 
Praxis  ? 

Mit  Beziehung  auf  diese  Fragen  stellten  Chevandier  und  Wertheim  die  Er- 
gebnisse der  Arbeiten  aller  weiter  oben  zitierten  Autoren  zusammen  und  zeigten  auf 
diese  Art  die  bestehenden  Widersprüche,  endlich  stellten  dieselben  in  einer  Tabelle 
die  von  den  beachtenswerten  Experimentatoren  gefundenen  Ziffern  einander  gegen- 
über und  fanden  hierbei,  daß  die  Resultate  innerhalb  sehr  weit  auseinander  liegender 
Grenzen  schwankten. 

nd  man  für 

Elastizitäts-Koeffizient    Festigkeit 
500  bis  1600  ö  bis  12 

950    „    1483  8    „    12 

611    „    1615  5    „      9 

433    „    1776  4    „      8 

Was  immer  die  Ursache  so  großer  Abweichungen  sein  mochte,  die  Tatsache  stand 
fest,  daß  von  diesen  Ziffern  ein  sicherer  Gebrauch  nicht  gemacht  werden  konnte,  und 


Beispielsweise 

fand  man  für 

Dichte 

Eiche 

0,616  bis  0,993 

Rotbuche 

0,600    „    0,811 

Tanne 

0,443    „    0,703 

Fichte 

0,396    „    0,753 

350  IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

die  Erneuerung  der  Anstrengungen  seitens  der  fachmännischen  Kreise,  zu  deren  her- 
vorragendsten Zierden  Chevandier  und  Wertheim  zählten,  erscheint  als  vollkommen 
gerechtfertigt. 

Die  Resultate,  welche  aus  den  Forschungen  der  letztgenannten  Gelehrten  ab- 
zuleiten waren,  gehören  schon  in  jene  Gruppe  von  Daten,  mit  denen  wir  heute  noch 
zu  rechnen  haben,  und  die  sicher  teilweise  schon  in  die  Darstellung  des  gegenwärtigen 
Zustandes  unserer  Erkenntnis  über  den  in  Rede  stehenden  Stoff  fallen,  weshalb  sie 
an  dieser  Stelle  nicht  weiter  erörtert  werden. 

§  4.  Außer  den  mechanischen  und  physikalischen  Eigenschaften  —  Elastizität 
und  Festigkeit,  Dichte  und  Volumsveränderlichkeit  —  fanden  manche  andere  Eigen- 
schaften vorübergehend  in  der  Fachliteratur,  namentlich  der  Forstleute,  Beachtung. 
Auch  hierin  gab  ja  Duhamel  du  Monceau  ein  leider  nur  zu  wenig  nachge- 
ahmtes rühmliches  Beispiel.  Alles  zusammengenommen,  was,  abgesehen  von  dem 
bereits  hier  Erwähnten  in  der  Entwickelung  unseres  speziellen  Stoffes,  vor  dem 
Jahre  1850  erreicht  wurde,  verschwindet  im  Vergleiche  zu  der  Bedeutung  der  Nörd- 
lingerschen  Leistung,  weshalb  wir  gleich  ohne  weiteren  Aufenthalt  zu  dieser  über- 
gehen. 

Dr.  H.  Nördlinger,  Professor  der  Forstwissenschaft  und  Oberförster  zu 
Hohenheim,  der  Sohn  eines  hochgebildeten  Forstmannes  (Julius  Nördlinger),  hatte 
eine  umfassende  naturwissenschaftliche  Grundlage  für  seinen  Beruf  erhalten  und  in 
dieser  selbst  schon  Bedeutendes  geleistet,  als  er  erkannte,  welche  enorme  Wichtigkeit 
eine  genaue  Kenntnis  der  Hölzer  für  den  Forstmann  und  den  holzverbrauchenden 
Techniker  habe  und  beklagte,  daß  ,, Forstleute  selten  erfahren,  welche  Eigenschaften 
das  von  ihnen  gelieferte  Holz  gezeigt  habe,  während  Bauleute,  Handwerker  und 
Fabrikanten  andrerseits  an  Hölzern  Erfahrungen  sammeln,  zu  deren  Begründung 
ihnen  der  verbindende  Faden,  nämlich  die  Kenntnis  der  Herkunft  der  Bäume,  abgehe. 
Jeder  verfolge  seinen  Weg  ohne  den  anderen."  Im  Jahre  1847  bewilligten  dem  Pro- 
fessor Nördlinger  die  Direktion  der  Hohenheimer  Akademie  und  das  Finanzmini- 
sterium die  Mittel  zur  Anstellung  von  Versuchen,  welchen  er  sich  mit  bewunderungs- 
würdigem Fleiße  hingab.  Prof.  Dr.  R  e  u  s  c  h  und  der  Assistent  H  ä  b  e  r  1  e  am 
polytechnischen  Institute  zu  Stuttgart  sowie  eine  große  Zahl  seiner  Schüler  unter- 
stützten den  begeisterten  Forscher.  Als  Frucht  seiner  Studien  erschien  im  Jahre 
1860  das  tonangebend  gewordene  Werk  :,,Die  technischen  Eigenschaf- 
ten der  Hölzer  für  Forst-  und  Baubeamte,  Technologen 
und  Gewerbetreibende". 

In  Beziehung  auf  die  mechanischen  Eigenschaften  stützte  sich  Nördlinger  auf 
die  für  sein  Unternehmen  rechtzeitig  erschienene  Monographie  von  Chevandier 
und  W  e  r  t  h  e  i  m.  Für  alles  andere  war  die  gesamte  Literatur  weniger  maßgebend, 
und  er  selbst  füllte  mit  wahrem  Bienenfleiß  die  Lücken  aus,  die  sich  bei  einer  uni- 
versellen Behandlung  des  Stoffes  darboten. 

Nördlinger  bezog  in  sein  Werk  auch  die  Schilderung  des  ,,i  n  n  e  r  e  n  B  a  u  e  s" 
der  Hölzer  ein,  da  er  hoffte,  aus  demselben  manche  Eigenschaft  und  ihre  Schwankun- 
gen ableiten  oder  erklären  zu  können.  Außerdem  behandelt  Nördlinger  Feinheit, 
Farbe,  Glanz  und  Durchscheinen,  Geruch,  Wärmeleitungsfähigkeit,  Fähigkeit  des 
Holzes,  zu  dunsten  und  Wasser  oder  Dunst  einzusaugen,  spezifisches  Gewicht,  Härte, 
Spaltbarkeit,  Schwinden,  Quellen,  Sichwerfen,  Federkraft,  Biegsamkeit  und  Zähig- 
keit, Festigkeit,  chemische  Zusammensetzung,  Brennkraft,  natürliche  Dauer  und 
Fehler  des  Holzes.  Diese  Inhaltsangabe,  ein  reiches  Durcheinander,  zeigt,  daß  Nörd- 
linger den  Stoff  weiter  umfing  als  irgend  einer  seiner  Vorfahren.    Die  Bearbeitung 


Einloiluncr.    §  5.  3;^,J 

manchen  Abschnittes  ward  durchaus  originell  ohne  irgend  eine  Vorarbeit  anderer 
abgehandelt,  z.  B.  die  S  p  a  1 1  b  a  r  k  e  i  t.  Ein  unsäglicher  Fleiß  bekundete  sich 
in  der  Revision  der  von  anderen  Fachleuten  gewonnenen  Daten  und  in  der  Umrech- 
nung auf  ein  einheitliches  .Maß  und  Gewicht.  Das  Nördlingersehc  Buch  muß  heute 
noch,  nach  mehr  als  einem  halben  Jahrlnmdert,  von  jedem  zu  Rate  gezogen  werden, 
der  gewohnt  ist,  an  der  Quelle  zu  schöpfen.  Von  den  seither  erschienenen,  mitunter 
sehr  hübsch  angeordneten  kompilatorischen  Abhandlungen  über  die  technischen 
Eigenschaften  der  Hölzer  fußt  jede  bis  zu  einem  gewissen  Grade  auf  Nördlinger, 
keine  brachte  quantitativ  mehr  an  ,, neuem  Material". 

Nördlinger  hat  auf  dem  Gebiete  der  Erforschung  der  technischen  Eigenschaften 
auch  später  noch  weitere  Studien  gemacht,  und  besonderes  Augenmerk  den  mecha- 
nischen Eigenschaften  der  Hölzer  zugewendet.  Seine  diesbezüglichen  Resultate 
publizierte  er  1890  unter  dem  Titel  ,,Die  gewerblichen  Eigenschaften  der  Hölzer". 
Dieses  Schriftchen  enthält  die  Ergebnisse  seiner  Forschungen  in  gedrängter  Kürze, 
während  die  Versuchsresultate  in  den  Jahrgängen  1888  und  1889  des  ,,österr.  Zen- 
tralblattes für  das  gesamte  Forstwesen"  enthalten  sind. 

§  5.  Von  den  Publikationen  des  letzten  halben  .Jahrhunderts  ist  folgende  kurz- 
gefaßte Uebersicht  zu  geben. 

Die  Errichtung  von  mechanisch-technischen  Laboratorien  an  technischen  Lehr- 
instituten bot  Gelegenheit  zu  neuen  Studien  über  die  mechanischen  Eigenschaften 
der  Hölzer.  Die  Resultate  werden  bei  der  später  zu  liefernden  Darstellung  der  heu- 
tigen Auffassung  des  Gegenstandes  zu  verwerten  sein.  An  dieser  Stelle  sei  nur  er- 
wähnt, wo  und  wie  diese  Arbeiten  entstanden  sind.  Zuerst  einige  Worte  von  einem 
Vorläufer. 

Das  Science  and  Art  Departement  of  the  Committee  of  Council  on  Education 
in  London  ließ  im  Jahre  1867  ,,Tables  ot  the  results  of  a  series  of  experiments  on  the 
strength  of  british  colonial  and  other  woods"  drucken,  deren  Autor  und  Veranlasser 
der  Königliche  Ingenieur-Kapitän  Francis  Fowke  war.  Dieser  hatte  schon 
während  der  Pariser  internationalen  Ausstellung  vom  Jahre  1855  Versuche  mit 
Hölzern  von  den  englischen  Kolonialbesitzungen  und  anderer  Provenienz  durch- 
geführt, um  deren  Eigenschaften  zu  demonstrieren.  Nach  der  internationalen  Aus- 
stellung zu  London  1862  ^^•urden  die  Versuche  mit  dem  reichlich  der  Universal-Expo- 
sition  zugeströmten  Materiale  und  in  vergrößertem  Maßstabe  sowie  mit  vermehrter 
Sorgfalt  vorgenommen.  Die  von  Hayward  Tyler  u.  Co.  zur  Verfügung  gestellte 
hydraulische  Presse  war  indessen  nach  unseren  heutigen  Vorstellungen  ein  sehr 
primitiver,  in  Beziehung  auf  die  Bedürfnisse  der  Beobachtung  unzureichender  Appa- 
rat. In  Intervallen  von  1120  Pfund  oder  einer  halben  Tonne  wurden  die  Formver- 
änderungen an  den  Versuchshölzem  in  Tausendstel-ZoUen  gemessen.  Diese  Ver- 
suchshölzer waren  16  Zoll  lang  und  maßen  2  Zoll  engl,  an  der  quadratischen  Quer- 
schnittseite, oder  bildeten  \\'ürfel  von  1  Zoll  Seite.  Untersucht  \nirde  an  beiläufig 
3000  Versuchsstücken  die  relative  und  die  rückwirkende  Festigkeit,  letztere  im  Sinne 
der  Faser  oder  senkrecht  zu  derselben,  ermittelt  die  Einwirkung  der  Belastungen 
auf  die  Form.  Aus  den  Ergebnissen  vergleichbarer  ^'ersuche  wurden  Mittelwerte 
gerechnet.  Von  den  Hölzern  waren  meist  nur  der  Vulgär-  oder  Lokalname,  nur  aus- 
nahmsweise der  botanische  Name  und  die  Provenienz  bekannt.  Folgerungen  über 
den  gesetzmäßigen  Zusammenhang  von  Eigenschaften  zog  der  Autor  nicht.  DR- 
Riesenarbeit  hat  der  ^^■issenschaft  geringe  Dienste  geleistet. 

Eine  ähnliche  Veranlassung  wie  die  Fowkesche  Arbeit  hatte  die  Arbeit  des 
Professors  an  der  k.  k.  technischen  Hochschule  in  Wien,  Bergrat  K  a  r  1  v.  J  e  n  n  y, 


352  IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

welcher  über  Antrag  des  Königl.  Ungarischen  Kommissärs  für  die  forstliche  Abteilung 
auf  der  Wiener  Weltausstellung,  JosefWessely,  dem  bekannten  Forstschrift- 
steller, von  der  ungarischen  Regierung  für  Untersuchungen  von  Hölzern  aus  den 
Ländern  der  ungarischen  Krone  gewonnen  worden  war.  Diese  Untersuchungen 
wurden  nach  einem  weitausblickenden  Programme  begonnen,  und  ein  Teil  der  Re- 
sultate gelangte  als  selbständige  Publikation  (Untersuchungen  über  die  Festigkeit 
der  Hölzer  aus  den  Ländern  der  ungarischen  Krone,  verfügt  vom  Königl.  Ungarischen 
Finanzministerium,  Budapest  1873,  1.  H  ef  t)  in  die  Oeffentlichkeit.  .Jenny  unter- 
suchte die  Druck-Elastizität  und  -Festigkeit,  die  Scherfestigkeit  parallel  zur  Faser 
und  die  Zug-Elastizität  und -Festigkeit  von  Hölzern,  bei  denen  bekannt  war:  Pro- 
venienz, Bodenbeschaffenheit,  Holzart  und  .Jahrringbreite.  Der  Mitteilung  der  Re- 
sultate ist  eine  theoretische  Betrachtung  vorangestellt. 

Infolge  einer  Anregung  von  selten  der  k.  k.  forstlichen  Versuchsleitung  (Regie- 
rungsrat Prof.  Dr.  Arthur  Frh.  v.  S  e  c  k  e  n  d  o  r  f  f)  in  Wien  veranstaltete  der 
vormalige  Assistent  am  deutschen  Prager  Polytechnikum  Karl  JMikolaschek 
eine  ansehnliche  Reihe  von  Versuchen  über  die  mechanische  Beschaffenheit  von  in 
Böhmen  erwachsenen  Hölzern  mit  Hilfe  der  Gollnerschen  Probiermaschine  bei 
der  Lehrkanzel  für  Maschinenbau  an  der  k.  k.  deutschen  technischen  Hochschule  in 
Prag.  Mikolaschek  untersuchte  vierzig  Holzausschnitte,  von  denen  meist  3  dem- 
selben Baume,  unmittelbar  über  dem  Stocke,  eine  gemessene  Höhe  über  dem  Stocke 
aus  dem  Stamme  und  einem  Aste  entnommen  waren.  Außer  der  Holzart,  dem  Alter 
und  dem  Durchmesser  des  Baumteiles  war  die  Lage  und  Beschaffenheit  des  Stand- 
ortes bekannt;  ermittelt  wurde  die  Elastizität  und  Festigkeit  auf  Zug  und  Druck  im 
Sinne  der  Faserrichtung,  Elastizität  und  Festigkeit  bei  Biegung  und  Torsion,  endlich 
die  Abscherfestigkeit  sowohl  in  der  zur  Faser  parallelen  als  in  einer  darauf  senkrech- 
ten Richtung.  Gesetzmäßige  Folgerungen  wurden  aus  den  Versuchsergebnissen 
nicht  gezogen,  die  Resultate  verdienen  als  zuverlässige  Daten  Beachtung.  Die  Ar- 
beit ist  im  Heft  1  Band  H  der  ,, Mitteilungen  aus  dem  forstlichen  Versuchswesen 
Oesterreichs"  und  als  Separatabdruck  veröffentlicht  im  Jahre  1879. 

Die  Zahl  der  auf  die  mechanischen  Eigenschaften  der  Hölzer  Bezug  habenden 
Untersuchungen  und  Abhandlungen  vermehrte  sich  nun  in  der  periodischen  Fach- 
literatur von  Tag  zu  Tag;  es  muß  hier  vorläufig  darauf  verzichtet  werden,  eine  Ueber- 
sicht  zu  geben,  da  es  sich  doch  jetzt  zunächst  nur  um  die  Feststellung  jener  Momente 
handelt,  welche  für  die  Entwickelung  des  ganzen  Faches  eine  weittragende  Bedeutung 
haben.  Dazu  gehören  aber  zunächst  zwei  größere  Studien,  welche  beide  in  das  Jahr 
1883  fallen. 

L  Methoden  und  Resultate  der  Prüfung  der  Schweiz.  Bauhölzer, 
bearbeitet  von  L.  Tetmajer,  Ingenieur,  Professor  am  Schweiz.  Polytechnikum, 
Zürich. 

2.  Untersuchungen  über  die  Elastizität  und  Festigkeit  von  Fichten-  und  Kiefern- 
Bauhölzern  (Mitteilungen  aus  dem  mechanisch-technischen  Laboratorium  der  Königl. 
Technischen  Hochschule  in  München,  IX.  Heft)  von  J.  Bauschinge  r,  ord. 
Professor  der  technischen  Mechanik  und  graphischen  Statik,  .München. 

ad  1.  Das  eidgenössische  Festigkeits-Institut  hat  für  die  Gruppe  der  , .Bau- 
materialien" auf  der  Schweiz.  Landesausstellung  eine  sehr  umfangreiche  Untersuchung 
nach  einem  Programme  durchgeführt,  welches  ein  Kompromiß  zwischen  den  bau- 
technischen und  forstwirtschaftlichen  Interessen  darstellt  und  die  Prof.  Tetmajer 
und  L  a  n  d  o  1  t  zu  Verfassern  hat.  Im  ganzen  waren  31  Bauholzstämme  zur  Er- 
probung gelangt  und  zwar  in  der  Weise,  daß  von  jedem  22  Versuchsstücke  vorgerichtet 


Einleitung.   §  6,  353 

wxirden.  Diese  dienten  zur  Ermittlung  der  Diclite  und  des  Feuchtigkeitsgehaltes,  dann 
der  Elastizitäts- und  Fe-stigkeits- Verhältnisse  bei  Zug,  Druck,  Knickung,  Abscherung 
und  Biegung.  Die  Holzarten  Tanne,  Fichte,  Föhre,  Lärche,  Eiche  und  Buche  waren  aus 
verschiedenen  Höhenlagen  repräsentiert  und  für  jedes  Individuum  war  mit  Sorgfalt 
festgestellt:  Geologie  des  Standortes,  örtliche  Lage  und  Höhe  desselben  über 
dem   Meeresspiegel,    Alter  und   Beschreibung  des   Aussehens   des  Holzes. 

Tetmajer  hat  eine  sehr  bemerkenswerte  Methode  der  Qualitätsbestimmung  des 
Holzes  in  bautechnischer  Richtung  an  der  Hand  der  Arbeitskapazitätder 
Biegungsfestigkeit  in  Vorschlag  gebracht.  Auch  in  Beziehung  auf  den 
Wert  der  Ziffern,  welche  die  umfangreiche  Studie  lieferte,  nimmt  dieselbe  einen 
ersten  Rang  ein. 

ad.  2.  Bauschinger  beasichtigte,  Aufschluß  über  den  Einfluß  des  Stand- 
ortes und  der  Fällzeit  auf  die  Elastizität  und  Festigkeit  der  wichtigsten  Nadel- 
bauhölzer zu  gewinnen.  Dabei  wurde  überaus  rationell  vorgegangen.  Von  vier 
Standorten  wurden  je  vier  Kiefern  und  Fichten  im  Alter  von  90  bis  100  Jahren, 
welche  unter  ähnlichen  Standortsverhältnissen  vollkommen  gesund  und  fehlerfrei 
erwachsen  waren,  ausgewählt  und  nach  der  ,, Anleitung  zur  Standorts-  und  Bestandes- 
beschreibung beim  forstlichen  Versuchswesen"  (abgedruckt  und  erläutert  in  Gang- 
hofers  forstlichem  Versuchswesen,  Band  I,  Heft  1)  geschildert.  Je  zwei  der  Stämme 
Avurden  von  jedem  Standort  im  Sommer  (.\ugust  1881)  und  je  zwei  im  folgenden 
Winter  (Dezember  und  Januar)  gefällt  und  unter  bestimmten  Modalitäten  ans  Mün- 
chener Laboratorium  gesandt.  Bauschinger  unterwarf  die  Balken,  welche  verhältnis- 
mäßig große  Abmessungen  hatten,  auf  der  Werderschen  Maschine  den  Ver- 
suchen auf  Biegung  (250  cm  Spannweite),  Zug,  Druck,  Abscherung.  Außerdem 
wurde  an  einem  speziell  zu  diesem  Zwecke  hergestellten  Stammstücke  eine  Unter- 
suchung über  die  Beziehung  zwischen  den  mechanischen  Eigenschaften  (Elastizität 
und  Festigkeit)  und  den  physikalischen  (Dichte  und  Feuchtigkeit)  angestellt,  um 
die  obigen  Versuchsergebnisse  untereinander  vergleichbar  zu  machen.  Hierauf 
konnten  die  nötigen  Korrektionen  und  Reduktionen  vorgenommen  und  endlich  die 
Resultate  verglichen  und  bestimmte  Folgerungen  gezogen  werden. 

Die  neueren  Forschungen  und  üntersuchungsresultate,  welche  sich  durch  ihren 
wissenschaftlichen  Wert  ganz  besonders  auszeichnen,  sind  die  Arbeiten  von  M.  R  u- 
d  e  1  o  f  f ,  Bericht  über  die  im  Auftrage  des  Herrn  Ministers  für  Landwirtschaft, 
Domänen  und  Forsten  ausgeführten  Holzuntersuchungen,  Berlin  1889.  —  Dr.  A. 
S  c  h  w  a  p  p  a  c  h  ,  Untersuchungen  über  Raumgewicht  und  Druckfestigkeit  des 
Holzes  wichtiger  Waldbäume.  I.  Die  Kiefer.  Berlin  1897.  —  II.  Fichte,  Weißtanne 
Weymouthskiefer  und  Rotbuche.  Berlin  1898.  —  Anton  Hadek  und  Gabriel 
J  a  n  k  a  ,  Untersuchungen  über  die  Elastizität  und  Festigkeit  der  österr.  Bauhölzer. 
I.  Fichte  Südtirols.  Wien  1900.  —  G.  J  a  n  k  a  ,  Untersuchungen  über  die  Elastizität 
und  Festigkeit  der  österr.  Bauhölzer.  II.  Fichte  von  Nordtirol,  vom  Wienerwalde 
und  Erzgebirge.  Wien  1904,  und  III.  Fichte  aus  den  Karpathen,  aus  dem  Böhmerwalde, 
Temovanerwalde  und  den  Zentralalpen.  Technische  Qualität  des  Fichtenholzes  im 
allgemeinen.    Wien  1909. 

§  6.  In  Beziehung  auf  die  m  e  c  h  a  n  i  s  c  h  e  n  (bei  der  Anwendung  des  Holzes 
im  Bau-  und  Konstruktions-,  also  allgemein  im  Ingenieur- Wesen  ausschlaggebenden) 
Eigenschaften  liegt  ein  ungemein  reiches,  aber  ebenso  vielartiges  und  erst  seit  G  h  e- 
V  a  n  d  i  e  r  und  W  e  r  t  h  e  i  m  heute  noch  berücksichtigungswertes  Material  an  For- 
schungsergebnissen vor.  Hier  sind  aber  trotzdem  erst  die  Wege  gefunden  und  einzelne 
Beispiele  gelungen,  ein  weites  Feld  ist  der  Forschung  noch  offen,  —  freilich  erfordert 

Handb.  d.  Forstwiss.     3.  Aufl.     II.  23 


c>XA  IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

sie  bedeutenden  Aufwand  an  physischen  und  pekuniären  Kräften  und  sollte,  statt 
von  den  zufälligen  Veranlassungen  abhängig  zu  sein,  durch  ernste  planmäßige  An- 
ordnungen geregelt  werden.  Die  hiehergehörigen  neuesten  Arbeiten  von  M.  Rudeloff, 
Dr.  Schwappach  und  A.  Hadek  und  G.  Janka  haben  bereits  den  gezeichneten  Weg 
eingehalten,  und  wäre  es  nur  zu  wünschen,  daß  solche  Versuchsreihen  auch  ferner- 
hin zur  Ausführung  gelangten.  Ist  doch  unser  technisches  Versuchswesen  heute 
derart  ausgebildet,  daß  die  Lösung  dieser  wichtigen  Aufgaben  leicht  zu  erreichen 
ist.  Die  Hilfsmittel  hiezu  sind  allenthalben  vorhanden,  die  präzisesten  Apparate 
stehen  zur  Verfügung,  ein  allgemeiner  Arbeitsplan  für  Holzuntersuchungen  ist  aufge- 
stellt, —  nur  die  Aufbringung  der  finanziellen  Mittel  zur  Durchführung  solcher  umfang- 
reicher Arbeiten  bereitet  uns  heute  leider  oft  genug  noch  die  größten  Schwierigkeiten. 

Die  Entwickelung  der  Erkenntnis  voia  anderen  Gruppen  von  Eigenschaften  ist 
zwar  natürlich  eine  ähnliche,  aber  das  heute  Errungene  steht  in  mancher  Beziehung 
von  dem  wünschenswerten  Ziele  noch  weiter  ab. 

Schon  im  Jahre  1869  hat  Wilh.  Fr.  Exner  in  seinen  Vorträgen  über  das  Holz  als 
Rohstoff  für  das  Kunstgewerbe  am  österr.  Museum  für  Kunst  und  Industrie  die  Unter- 
suchung des  Holzes  sowohl  nach  der  technischen  als  nach  der  kunstgewerblichen  Seite 
hin  verlangt  und  dadurch  tatsächlich  die  Holzuntersuchungen  nach  dieser  Richtung 
hin  inauguriert. 

Der  berühmte  Technologe  K.  K  a  r  m  a  r  s  c  h,  welcher  bekanntlich  die  ,, be- 
schreibende Technologie"  zum  Range  einer  Wissenschaft  erhob,  legte  mit  seinem 
epochemachenden  Werke:  ,, Handbuch  der  mechanischen  Technologie"  die  Grundlage 
für  die  Erörterung  aller  technischen  Eigenschaften,  die  zur  Verarbeitung  und 
Verwendung  des  Holzes  in  der  Industrie  in  Relation  stehen. 
Dabei  treten  die  Elastizität  und  selbst  die  Festigkeit  in  den  Hintergrund,  und  Dichte, 
Härte,  Spaltbarkeit,  namentlich  aber  die  Volumsveränderlichkeit  erhalten  für  die 
Gestaltgebung  und  die  Erhaltung  des  beabsichtigten  Gefüges  Belang.  Karmarsch  hat 
selbst  mancherlei  Beobachtungen  gemacht,  sein  Hauptverdienst  besteht  aber  in  der 
zusammenfassenden  Darstellung  aller  zuverlässigen  älteren  und  neueren  Daten,  welche 
ja  nur  für  die  mechanischen  Eigenschaften  von  Chevandier  und  Wertheim  gemacht 
worden  war,  und  in  der  Einbeziehung  jener  Erfahrungen,  die  man  bei  der  mecha- 
nischen, physikalischen  und  chemischen  Behandlung  d  erHölzer  auch  in 
bezug  auf  ihre  Eigenschaften  gewonnen  hatte.  Seine  Nachfolger  E.  H  o  y  e  r  (Lehr- 
buch der  vergleichenden  mechanischen  Technologie,  Wiesbaden  1878),  F.  Stübchen- 
Kirchner  (Karmarsch-Heerens  technisches  Wörterbuch,  3.  Auflage  ergänzt  und 
bearbeitet  von  F.  K  i  c  k  und  Dr.  W.  G  i  n  1 1,  IV.  Band,  Prag  1886),  endlich  Prof.  A. 
Ledebur  (Die  Verarbeitung  des  Holzes  auf  mechanischem  Wege,  Braunschweig 
1881)  und  Prof.  H.  Fischer  (Die Bearbeitung  der  Metalle,  der  Hölzer  etc.,  Handbuch 
der  mechan.  Technologie  1891)  konnten  wie  Karmarsch  in  den  späteren  Auflagen  seines 
Werkes  schon  die  Arbeiten  der  Forstleute  und  Botaniker  N  ö  r  d  1  i n  g e  r ,  Dr.  J.  W  i  e s- 
ner,  Dr.  R.  Hart  ig  ,  Th.  H  artig  etc.  mit  in  ihre  Darstellung  einbeziehen').  Eine 
völlig  moderne  Auffassung  der  Rolle,  welche  die  Eigenschaften  in  technologischer 
Richtung  spielen,  bekundet  aber  erst  der  obengenannte  Technologe  (Ledebur), 
indem  er  zwischen  Arbeits-  und  Gew  er  bseigensc  haften  unterscheidet. 

Nebst  den  Vertretern  der  mechanischen  Technik,  dem  Forstmanne  Nördlinger 
und  den  Technologen  ist  aber  weiters  die  Gruppe  der  Botaniker  zu  besprechen,  welche 

1)  Eine  gute  kompilalorische  Arbeit  über  die  Eigenschaften  des  Holzes,  welche  in  tech- 
nischen Kreisen  viel  benützt  wird,  findet  sich  bei:  Rudolph  Gottgetreu,  Physische 
und  chemische  Beschaffenheit  der  Baumaterialien,  3.  .\uflage,  Berlin  1880,  I.  Band. 


Einleitung.    §  6.  355 

sich  speziell  auf  das  Holz,  dessen  Anatomie,  Physiologie,  Histologie  verlegten  und 
dem  Mikroskop  zu  neuen  Erfolgen  verhalfen, 

Hofrat  Prof.  Dr.  Julius  von  W  i  e  s  n  e  r ,  welcher  früher  als  Dozent  für  Warenkunde 
an  der  Wiener  k.  k.  technischen  Hochschule  wirkte,  gab  diesem  Fach  neue  Gestalt 
und  neuen  Inhalt  auf  naturwissenschaftlicher  Grundlage.  Seine  beiden  Hauptwerke 
auf  diesem  Gebiete,  ,, Einleitung  in  die  technische  Mikroskopie",  Wien  1867,  und  ,,Die 
Rohstoffe  des  Pflanzenreichs",  Leipzig  (H.  Auflage  1900),  behandeln  das  Holz  vor- 
nehmlich vom  Standpunkte  der  Anatomie  aus.  In  dem  letztgenannten  Werke  werden 
von  Prof.  Dr.  K.  Wilhelm-  Wien,  welchem  W  i  e  s  n  e  r  für  die  II.  Autlage  die 
Bearbeitung  des  Abschnittes  über  die  Hölzer  übertragen  hat,  zum  ersten  Male  in 
umfassender  Weise  die  Unterscheidungsmerkmale  der  Holzarten  und  deren  physi- 
kalische Eigenschaften  sowie  die  Verwendung  der  Hölzer  festgestellt  und  manche 
landläufige  Irrtümer  aufgedeckt  und  bleibend  beseitigt. 

Dr.  J.  M  0  e  1 1  er  hatte  sich  schon  durch  seine  ausgezeichneten  ,, Beiträge  zur 
vergleichenden  Anatomie  des  Holzes"  (Denkschriften  der  math.-naturwissenschaftl. 
Klasse  der  Kais.  Akademie  der  Wissenschaften,  Band  XXXVI)  und  andere  einschlägige 
Studien  eine  hervorragende  Stellung  als  Fachmann  erworben,  bis  er  endlich  die  für 
die  Technologie  höchst  wertvolle  Monographie:  Die  Rohstoffe  des  Tischler-  und 
Drechsler-Gewerbes,  I.  Teil,  Das  Holz,  Kassel  1883,  veröffentlichte,  in  welcher  er 
auch  die  dem  Botaniker  ferner  liegenden  Verhältnisse,  insbesondere  die  technischen 
Eigenschaften  geschickt  darstellte. 

Es  dürfte  genügen,  hier  darauf  hinzuweisen,  daß  Botaniker  wie  B  ö  h  m  ,  R.  und 
Th.  Ha  rtig.  Höhne  1,  Rein  ke,  Roß  mann,  Unger,  Sani  o,  Schacht, 
W'  e  i  ß,  W  i  1 1  k  o  m  m  u.  a.  m.  manchen  Beitrag  lieferten.  Nördlinger  be- 
schenkte die  Literatur  auch  nach  dem  Erscheinen  seines  Hauptwerkes  mit  mancher 
Spezialstudie  (z.  B.  Der  Holzring  als  Grundlage  des  Baumkörpers,  Stuttgart  1872); 
R.  H  a  r  t  i  g  untersuchte  ,,das  spez.  Frisch-  und  Trockengewicht  etc.,  den  Wasser- 
gehalt und  das  Schwinden  des  Kiefernholzes  (Berlin  1874)  und  veröffentlichte  1885 
(Berlin)  die  vortreffliche  Monographie:  ,,Das  Holz  der  deutschen  Nadelwaldbäume"; 
seine  zahlreichen,  auf  die  Qualität  des  Holzes  bezugnehmenden  Arbeiten  hat  R.  H  a  r- 
t  i  g  schließlich  zusammengefaßt  in  seinem  Buche:  ,, Holzuntersuchungen.  Altes  und 
Neues"  1901.  J.  Sachs  veröffentlichte  eine  beachtenswerte  Untersuchung  über 
die  ,, Porosität  des  Holzes",  Würzburg  1877;  in  den  ,, Studien  über  die  Qualität 
rasch  erwachsenen  Fichtenholzes"  (Zentralbl.  f.  d.  g.  Forstw.  1902)  haben  Dr.  G  i  e  s- 
1  a  r  und  G.  J  a  n  k  a  auf  Grund  von  anatomischen  bezw.  technologischen  Unter- 
suchungen auf  die  Nachteile  einer  zu  weitständigen  Begründung  und  Erziehung  von 
Fichtenbeständen  bezüglich  der  Holzqualität  aufmerksam  gemacht,  usw.  usw. 

Um  einigermaßen  vollständig  zu  sein,  muß  noch  auf  jene  literarischen  Produkte 
hingewiesen  werden,  die  entweder  den  Bedürfnissen  der  Praxis  un- 
mittelbar entspringend  oder  der  Popularisierung  der  Wissenschaft  dienend, 
manches  wertvolle  Datum  enthalten.  Gerade  nur  um  typische  Beispiele  anzuführen, 
nennen  wir  folgende  Werke  und  Schriften,  chronologisch  geordnet: 

Instruction  sur  les  bois  de  marine  et  leur  application  aux  constructions  navales. 
Publice  par  Ordre  de  S.  Exe.  le  ministre  secretaire  d'etat  au  departement  de  la  ma- 
rine.   Paris. 

Holzhandel  und  Holzindustrie  der  Ostseeländer  von  Dr.  G.  M  a  r  c  h  e  t  und 
W.  F.  E  X  n  e  r.    Weimar  1885. 

Studien  über  das  Rotbuchenholz  von  W.  F.  E  x  n  e  r.    Wien  1875. 

Les  bois  indigenes  et  etrangers,  Physiologie  —  Culture  —  Production  —  Qua- 

■23* 


3gg  IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

lit,^    —    Industrie   —  Commerce.     Par  Adolphe  E.  Dupont  et  Bouquet  de 
1  a  G  r  y  e.    Paris  1875. 

Untersuchungen  über  den  Einfluß  der  Fällungszeit  auf  die  Dauerhaftigkeit 
des  Fichtenholzes,  ausgeführt  an  der  Königl.  Sachs,  forstlichen  Versuchs- 
station zu  Tharandt  und  am  Königl.  Sachs.  Polytechnikum  zu  Dresden,  mitgeteilt 
von  Dr.  E.  H  a  r  t  i  g  in  Dresden,  1877. 

Burkarts  Sammlung  der  wichtigsten  europäischen  Nutzhölzer  in  charakte- 
ristischen Schnitten,  herausgegeben  vom  Technologischen  Gewerbe-Museum  in  Wien. 
Mit  einem  erläuternden  Text.     Brunn  1880. 

Die  Unterscheidungs-Merkmale  der  wichtigeren  in  Deutschland  wachsenden 
Hölzer  (Spezielle  Xylotomie)  von  Dr.  R.  H  artig.    München  1879. 

Experimente  über  Gewichts-  und  Volumenenveiterung  am  Holze  der  jurassi- 
schen Waldbäume  vom  grünen  Zustande  bis  zur  Verkohlung,  ausgeführt  1877,  er- 
weitert und  ergänzt  1883  zur  Beschickung  der  schweizerischen  Landesausstellung 
von  J.  A.  Frey.    Münster  im  Jura  1883. 

Die  industrielle  Verwertung  des  Rotbuchenholzes,  eine  Denkschrift,  heraus- 
gegeben von  einer  Kommission,  welche  von  dem  österr.-ungar.  Verein  der  Holzprodu- 
zenten, Holzhändler  und  Holzindustriellen  und  dem  Technologischen  Gewerbe- 
Museum  eingesetzt  wurde.     Wien  1884. 

Versuche  und  Erfahrungen  mit  Rotbuchen-Nutzholz  von  P.  von  Alten. 
Berlin  1895. 

Die  Buchenfrage  in  der  österr.  Forstwirtschaft  von  Leopold  H  u  f  n  a  g  1. 
Wien  1899. 

Ein  vorzügliches,  populär  geschriebenes  Büchlein  über  die  technischen  Eigen- 
schaften des  Holzes  ist  Sig.  G  a  y  e  r  s  „Die  Holzarten"  (Bibliothek  der  gesamten 
Technik).  In  jüngster  Zeit  ist  erschienen:  ,, Gewerbliche  Materialkunde,  Die  Hölzer, 
Stuttgart,  Verlag  K  r  a  i  s  1910,  das  vollständigste  Werk,  das  bisher  über  diesen 
Gegenstand  veröffentlicht  wurde. 

§  7.  Mit  dieser  kurzen  Uebersicht  von  Forschungen  und  Arbeiten,  Darstellungen 
und  Anregungen  mannigfaltigster  Art  und  aus  den  verschiedensten  Veranlassungen 
entsprungen,  ist  wohl  der  Nachweis  geliefert,  daß  auf  unserem  Gebiete  mancherlei 
erreicht,  viele  Anknüpfungspunkte  für  weitere  Bestrebungen  erlangt  wurden,  daß 
wir  uns  aber  doch  erst  am  Anfange  exakter  Forschung  befinden  und  daß  namentlich 
die  breite  Basis  fehlt,  welche  d  i  e  Großartigkeit  des  Baues  erheischt,  die  unerläßlich 
ist,  um  zur  befriedigenden  Höhe  der  Erkenntnis  zu  führen.  Am  wenigsten  ist  noch 
in  technologischer  Hinsicht  geschehen.  Während  Ernst  Hartig  in  Dresden  gelehrt 
hat,  die  Maschinen  zur  Bearbeitung  des  Holzes  auf  ihre  Leistung  zu  erproben,  ihren 
„Wirkungsgrad"  zu  ermitteln,  hat  es  noch  niemand  versucht,  die  Arbeitseigenschaften 
des  Holzes  in  solcher  Weise  ziffermäßig  festzustellen,  daß  sie  zur  Vorausbestimmung 
des  Arbeitsaufwandes  dienen  könnten. 

Die  vorliegende  Abhandlung  kann  nun  nicht  den  Zweck  haben,  die  wissen- 
schaftliche Bearbeitung  des  Stoffes  selbst  direkt  zu  fördern;  es  kann  nur  erwartet 
werden,  daß  die  bisher  gewonnenen  Resultate  in  neuer  Form  übersichtlich  und  brauch- 
bar für  den  Fachmann  zusammengestellt  werden.  Da  eine  Zusanunenstellung  über- 
haupt nicht  existiert,  welche  nicht  den  Stempel  der  Einseitigkeit  an  der  Stime  tragen 
würde,  so  ist  die  Aufgabe  eine  wichtige  und  dankenswerte. 


§  8.    In  Beziehung  auf  die  Einteilung  des  Stoffes  mögen  folgende  motivierende 
Bemerkungen  noch  hier  in  der  Einleitung  ihren  Platz  finden. 


Farbe  des  Holzes.  §  9.  357 

Die  Erörterung  des  Baues  des  Holzkörpers,  seiner  Konstitution,  seines  Ge- 
füges,  seiner  Struktur  oder  Textur,  die  chemische  Zusanunensetzung  und  die  im 
Leben  der  Holzpflanze  bedingenden  Umstände  etc.,  gelegenen  Voraussetzungen 
obiger  Verhältnisse  werden  in  der  vorliegenden  Abhandlung  entfallen,  da  hiezu  andere 
Fachleute  berufen  sind. 

Die  technischen  Eigenschaften,  welche  als  die  natürliche  Konse- 
quenz des  Baues  und  der  Chemie  des  Holzes  aufgefaßt  werden  müssen,  werden  in 
mechanische  und  physikalische  (Chevaudier  und  Wertheim,  Bauschinger  u.  a.)  oder 
in  Arbeits-  und  Gewerbs-Eigenschaften  (L  e  d  e  b  u  r  u.  a.  m.)  eingeteilt.  Die  letztere 
Einteilung  hat  einen  Nachteil  für  die  Behandlung  des  Stoffes,  indem  manche  Eigen- 
schaft, wie  die  Härte,  e  i  n  m  a  1  als  Arbeits-Eigenschaft,  d.i.  eine  auf  die  Formgebung 
Einfluß  nehmende  Beschaffenheit,  ein  andermal  als  Gewerbs-Eigenschaft,  d.  i. 
eine  die  Verwendbarkeit  als  Gewerbeprodukt  bestimmende  Beschaffenheit  auftritt 
und  daher  der  Platz  dieser  Eigenschaft  im  Systeme  nicht  ein  fixer  ist.  Es  soll  daher 
von  einer  neuen  Einteilung  Gebrauch  gemacht  werden. 
Die  Eigenschaften  zerfallen  in  drei  Gruppen: 

I.  Aeußere  Erscheinung.  Eigenschaften,  welche  im  unveränderten 
oder  veränderten  Bestände  durch  den  Gesichts-,  Geruchs-  und  Tastsinn  wahr- 
nehmbar sind. 
n.  Materieller  Zustand.  Dichte,  Feuchtigkeitsgehalt,  Veränderlich- 
keit desselben,  Veränderlichkeit  des  Volumens,  Folgen  desselben. 
III.  Verhalten  gegen  von  außen  einwirkende  Energien. 
Gestaltsveränderung  ohne  Aufhebung  des  Zusammenhanges  der 
Substanz.  Elastizität,  Biegsamkeit,  Zähigkeit. 

Gestaltsveränderung  mit  Aufhebung  des  Zusammenhanges.    Fe- 
stigkeit,  Spaltbarkeit,  Härte. 

I.  Aeiissere  Erscheinung. 

Eigenschaften,  welche  im  unveränderten  oder  ver- 
änderten Bestände  des  Holzes  durch  den  Gesichts-,  Ge- 
ruchs- und    Tastsinn    wahrnehmbar    sind. 

§9.  1.  Farbe  des  Holzes.  Wir  verstehen  unter  Farbe  des  Holzes  den 
Farbton,  sowohlseinerArtals  seinerTiefe  nach,  wie  sich  derselbe 
dem  Auge  darstellt,  nachdem  irgend  eine  Fläche  am  Holzkörper  erzeugt  worden  ist. 
Man  hat  von  dieser  jedem  Holze  zukommenden  Eigenschaft  wohl  zu  unterscheiden 
den  Fall,  daß  ein  Farbstoff  bei  besonders  reichem  Vorkommen  im  Holze  nicht 
nur  demselben  eine  auffällige  Farbe  verleiht,  sondern  auch  aus  diesem  Holz  auf  ver- 
schiedenem Wege  gewonnen  und  zu  Zwecken  der  Färberei  benützt  werden  kann  ^). 

Die  Farbe  des  Holzes  stellt  nicht  nur  eine  wichtige  Gewerbs-Eigen- 
schaft dar,  wenn  das  Holz  ohne  w-eitere  künstliche  Veränderung  der  Farbe  in  dem 
Produkte  zum  Vorschein  kommt,  sondern  die  Farbe  hat  auch  eine  allerdings  be- 
schränkte symptomatische  Bedeutung  für  die  Qualität  des  Holzes  nach  bestimmten 
Richtungen. 

1)  Solche  an  Farbstoffen  sehr  reiche  Hölzer  sind  beispielsweise:  Die  Rothölzer  (Fernam- 
buk,  Sappan,  Brasilienholz),  welche  sämtlich  von  Cäsalpinia-Arten  stammen;  das  Blau-  oder 
Campeche-Holz  (Haematoxylon  campechianum);  das  rote  Sandel-  oder  Calialurholz  (Ptero- 
carpus  sanlalinus);  der  Färbermaulbeerbaum  (Jlaclura  aurantiaca);  der  Perückenbaum  (Rhus 
colinus);  das  Wurzelholz  des  Sauerdorns  (Bcrberis  vulgaris)  usw.  Vergl.  Dr.  Josef  Moeller, 
„Die  Rohstoffe  des  Tischler-  und  Drechsler-Gewerbes",  I.Teil,  Kassel  1883,  und  Dr.  Gustav 
Adolf   Weiß,  Allgemeine  Botanik,  I.  Band,  Wien  1878. 


358  IX  •'^-    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

In  ersterer  Hinsicht  ist  etwa  folgendes  zu  bemerken:  Das  Holz  hat  sehr  häufig 
durch  seine  Farbe  einen  erhöhten  Gebrauchswert,  namentlich  für  jene  Gewerbe,  in 
welchen  nebst  der  Form  des  Produktes  auch  die  Farbe  der  Oberfläche  eine  Wichtigkeit 
hat,  wie  bei  allen  Kunstgewerben.  In  der  Möbeltischlerei  ist  selbstverständlich 
die  beabsichtigte  Farbe  der  Oberfläche  mit  entscheidend  für  die  Wahl  der  zu  ver- 
wendenden Holzart.  Das  Mahagoniholz,  das  Ebenholz,  das  Nußholz,  verschiedene 
Obstbaumhölzer,  wie  Birne,  Kirsche,  Apfel,  Pflaume  usw.  spielen  in  der  Möbeler- 
zeugung, abgesehen  von  anderen  Eigenschaften,  durch  ihre  Farbe  eine  hervorragende 
Rolle.  Von  gewissen  Artikeln  verlangt  man,  daß  sie  ein  möglichst  helles  Weiß  zeigen 
und  bei  der  Verwendung  beibehalten.  Dies  ist  ein  Grund  der  Bevorzugung  des  Ahom- 
holzes  bei  verschiedenen  Gegenständen  des  Kücheninventars. 

Die  Mosaik-Arbeit  beruht  bei  allen  Rohstoffen  auf  der  Verschiedenheit 
der  Farbe  der  einzelnen  Bestandteile,  welche  zu  einem  polychromen  Bilde  zusammen- 
gesetzt werden.  Die  verschiedenfarbigen  Hölzer  bilden  auf  diese  Art  die  Grundlage 
eines  speziellen  Kunstgewerbes,  der  sogenannten  ,, eingelegten  Arbeit",  der  Intarsia. 
Es  ist  daher  die  Farbe  des  Holzes  die  Vorbedingung  für  die  kunstindustrielle  Verwen- 
dung des  Holzes  in  der  gedachten  Richtung. 

Die  Zusammensetzung  des  Holzes  mit  anderen,  durch  eine  gewisse  Farbe  oder 
einen  bestimmten  Glanz  ausgezeichneten  Rohstoffen,  wie  z.  B.  Perlmutter,  Schildkrot, 
Elfenbein,  Zinn  und  Zink,  Messing  etc.,  wie  dies  in  der  äußersten  Kompliziertheit  bei 
der  sogenannten  ,,Boule"-Arbeit  vorkommt,  setzt  für  jene  Hölzer,  welche  in  diese 
Verbindung  eintreten,  wieder  bestimmte,  namentlich  dunkle  Farbtöne  voraus. 

Da  die  Hölzer  nicht  immer  von  Natur  aus  in  den  gewünschten  Farbtönen  er- 
scheinen, so  werden  häufig  technische  Verfahrungsweisen  zu  Hilfe  genommen,  um  die 
natürliche  Farbenwirkung  des  Holzes  zu  erhöhen  oder  vollständig  zu  verändern,  wie 
dies  durch  das  Beizen,  Färben  an  der  Oberfläche,  durch  Dämpfen  und  Imprägnieren, 
durch  Räuchern  oder  durch  das  neue  Verfahren  der  Bodenverbräunung  durch  den 
ganzen  Bestand  des  Holzstückes  hindurch  erreicht  wird. 

In  Beziehung  auf  die  Bedeutung  der  Farbe  als  Kennzeichen  für  die  Beschaffen- 
heit des  Holzes  hat  man  zu  unterscheiden:  1.  die  Farbe  des  frisch  gefällten  Holzes 
von  jener,  welche  etwas  später  erscheint,  und  von  jener,  welche  sich  schließlich  am 
vollständig  trockenen  Holze  zeigt;  2.  hat  man  zu  beobachten  den  Unterschied  zwi- 
schen der  Farbe  des  Splint-  und  Kernholzes  an  sich  und  in  den  sub  1  bezeichneten 
Fällen. 

Als  Kennzeichen  für  die  Holzart,  also  zur  Entscheidung  der  Provenienz  des 
Holzes  hat  die  Farbe  fast  gar  keinen  Wert ;  so  zeigt  das  Holz  der  Koniferen  hinsicht- 
lich der  Farbe  nur  geringe  Verschiedenheiten ;  es  ist  weiß  mit  einem  schwachen  gelb- 
lichen oder  rötlichen  Schimmer.  Das  hie  und  da  sich  bildende  Kernholz  ist  braun  bis 
rotbraun  gefärbt.  Gerade  bei  den  nahe  verwandten  Arten  sind  die  Farben-Nuancen 
diagnostisch  nicht  zu  verwerten.  Sie  lassen  häufig  den  geübtesten  Praktiker  im  Stiche. 

Wenn  wir  doch  eine  Uebersiclit  der  verschiedenen  Farben  der  Hölzer  im  trockenen  Zu- 
stande hier  geben,  so  will  damit  keineswegs  ein  besonders  wertvolles  Material  geboten  werden. 

Weiß:  Ahorn,  Linde,  Roßkastanie,  Eschensplint,  Weißbuche; 

gelb:  Fisettholz,  Perückenstrauch,  Sauerdorn,  Zilronenholz,  Satinholz,  Buclis; 

braun:  Eiche,  Nuß,  Mandel,  Tulpenbaum,  Ulme,  Vogelbeere; 

graubraun:  Trompetenbaum,  Ailanlhus,  Edelkastanie,  Zürgel; 

gelbbraun:   Maulbeerbaum,   Pappel,    Hartriegel,    Kirsche,   Robinia,   Olive; 

rotbraun:  Eibe,  Lärche,  Föhre,  Pflaume,  Mahagoni,  Coruelkirsche,  Apfel  (hell), 
Eisbeere,  Kreuzdorn;. 

schwarzbraun:  Eisenholz  von  Casuarina,  braunes  Ebenholz,  Palisander,  Teak, 
Grenadille,  Cocoholz; 

schwarz:  Ebenholz; 


Farbe  des  Holzes.  §  9.  359 

rot:  Virginischer  Wachholder,  Padouk,  Korallenholz,  Rosenholz  von  IMiysocalyinna; 
gelb  rot:  Fernambuk,   Gleditschia,   Gymnocladus,   Gelbholz,   Goldreijon; 
ziegelrot:  Sappan,  Bniyfere  (hell),  Faulbaum: 
blutrot:  Sandelholz  von  Plcrocarpus; 
rotviolett:  Campecheholz,  Amaranth,  Königsholz: 
grün:   Guajak,  grünes  Ebenholz,  Veilchenholz,  Cocus'). 

Von  verschiedenen  mit  der  Farbe  des  Holzes  zusammenhängenden  Beobach- 
tungen und  Ansichten  wollen  wir  hier  Notiz  nehmen,  um  die  Bedeutung  der  Farbe  als 
technischer  Eigenschaft  zu  markieren. 

Nördlinger  behauptet  beiläufig  folgendes:  „Wenn  die  Witterung  nach  dem  Holz- 
schlage regnerisch,  die  Luft  sehr  feucht  ist,  wie  in  milden  Wintern  oder  im  Spätherbste,  so  be- 
hält der  Schrot  der  Bäume  die  natürliche  Farbe  des  nassen  Holzes  oft  längere  Zeit.  Ist  dagegen 
die  Luft  sehr  trocken,  wie  gewöhnlich  im  Frühling,  so  nimmt  das  gehauene  Holz  in  kurzer 
Zeit  die  Trockenfarbe  an  und  zwar  Kern-  und  Reifholz  früher  als  der  seine  Nässe  immer  noch 
aus  dem  Stamme  ziehende  Splint.  Je  heller  dieser  anfänglich  war,  um  so  dunkler  kann  er  in 
der  Folge  werden,  wenn  er  ohne  oberflächliche  rasche  Austrocknung  allmählich  vielen  Saft  und 
damit  auch  sich  umsetzende  Farbstoffe  an  die  Oberfläche  gefülirt  hat. 

Gesägte  Holzflächen  dagegen  bekommen  wegen  ihres  faserigen  Ueberzuges  schnell 
ein  sich  nachher  längere  Zeit  gleichbleibendes  äußeres  Aussehen. 

Die  eigentümliche  Farbe  des  grünen  Holzes  bildet  sich  häufig  erst  an  der  Luft  aus.  So 
die  des  Erlenholzes,  das  auf  dem  frischen  Schrot  nur  fleischrot  aussieht,  nach  Y^  Stunde  aber 
stark  gelbrot  wird,  und  das  jüngere,  saftreichere  Holz  mehr  als  das  ältere.  Gefrorene  Erlen- 
spachen  fangen  erst  an  rot  zu  werden,  wenn  sie  auftauen  und  der  Luft  zugänglich  werden. 
Eschenholz  nimmt  auf  der  Hirnseite  eine  leicht  violette,  Zürgelbaum  eine  graue  Färbung  an. 
Das  grünliche  Stechpalmenholz  dagegen  wird  schön  grünblau. 

Mit  dem  Austrocknen  des  Holzes  verbleicht  häufig  wieder  ein  Teil  der  Grünholzfarbe. 
.An  einem  Würfel  aus  frischem  Erlenholze  entfärben  sich  daher  zuerst  die  Kanten,  an  einem 
Rundholze  zuerst  das  weichere  Frühlingsholz  der  Jahresringe.  An  einem  dielförmigen  Holzstücke, 
an  dessen  euer  Breitseite  die  .Mitte  lag,  verlor  sich  die  Farbe  früher  auf  der  entgegen- 
gesetzten Seite. 

.\uf  gutem,  geeignetem  Boden,  im  freien  Stand  kräftig  erwachsenes  Holz  hat  grün  und 
trocken  frischere,  lebhaftere  Färbung,  als  im  Schluß  oder  auf  zu  nassem  Boden  erwachsenes. 
Die  Tisciüer  behaupten,  die  Färbung  sei  bei  Kirschbäumen  zur  Zeit  der  Blüte  am  stärksten,  was 
dahin  gestellt  bleiben  mag. 

Besonders  auch  ist  bei  Eichenholz  die  Gleichförmigkeit  der  Farbe  ein  gutes  Kennzeichen. 
Nicht  bloß  die  ganze  Fläche  des  Kernholzes  soll  dieselbe  Färbung  haben,  sondern  auch  die 
einzelnen  Jahresringe.  Dies  ist  vorzugsweise  der  Fall,  wenn  der  Porenring  nur  aus  sparsamen, 
zerstreuten  Poren  besteht.  Ist  er  breit-  und  weit-  und  vielporig,  so  pflanzt  sich  die  Porosität 
noch  über  einen  Teil  des  festen  Ringes  fort,  wodurch,  zumal  infolge  der  beginnenden  .Austrock- 
nung, konzentrisch  verschiedene  Färbung,  Ringstreifung  entsteht". 

Die  Farbe  hat  einen  wesentlichen  Einfluß  auf  den  Verwendungswert  des  Eichen- 
holzes für  die  Marine  und  ist  sogar  in  der  offiziellen,  von  dem  Staatssekretär  des  Ma- 
rine-Departements in  Frankreich  herausgegebenen  Verordnung:  ,, Instruction  sur  les 
bois  de  marine  et  leur  application  aux  constructions  navales"  (Paris,  Arthur  Bertrand) 
zum  Ausdrucke  gelangt.  Man  unterscheidet  nämlich  nach  dieser  Verordnung  jenes 
Eichenholz,  welches  auf  der  frischen  Schnittfläche  eine  strohgelbe  Farbe  besitzt, 
das  bois  maigre,  von  jenem  Eichenholze,  dessen  Farbe  blaß  oder  b  r  a  u  n  bis  r  o  t- 
b  r  a  u  n  ist  und  bois  gras  genannt  wird.  Von  dem  ersteren  wird  behauptet,  daß  es 
erfahrungsgemäß  viel  mehr  unter  den  atmosphärischen  Einflüssen  leidet,  also  in  hohem 
Grade  geneigt  ist,  zu  schwinden,  zu  quellen,  sich  zu  werfen  und  zu  reißen,  daß  es  aber 
trotzdem  das  geeignetste  Holz  für  das  gesamte  Rippenwerk  des  Schiffes  bilde,  hin- 
gegen zeige  das  bois  gras  bei  großer  Sprödigkeit  eine  höhere  Widerstandsfähigkeit 
gegen  Temperatur-  und  Feuchtigkeits-.\enderungen  und  es  ist  daher  dieses  Holz  für 
Parkett-,  Tischler-Arbeit  und  für  die  Schiffsverkleidung  besser  zu  verwenden. 

Die  Grünholzfarbe  des  Eichenkemes  soll  nach  den  dänisch-preußischen  Marine- 


1)  Vergl.  Dr.  J  o  s  e  p  h  M  o  e  1 1  e  r,  „Die  Rohstoffe  des  Tischler-  und  Drechslergewerbes" 
I.  Teil,  Kassel  1883,  und  Dr.  G  u  s  t  a  v  A  d  o  1  f  W  e  i  ß  a.  a.  O.,  ferner  Dr.  J.  W  i  e  s  n  e  r,  Die 
Rohstoffe  des  Pflanzenreichs,   Leipzig,  II.  Auflage  1900. 


36Q  IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

Satzungen  (H  ä  r  i  n  g  ,  Zusammenstellung  der  Kennzeichen  1853)  weißlichgelb,  bräun- 
lichgelb, rötlichgelb  sein,  alle  drei  häufig  mit  einem  Stich  ins  Graue.  Die  weißlichgelbe 
Farbe  werde,  sagt  man,  später  mehr  und  mehr  strohfarbig  oder  sandgrau,  die  bräunlich- 
gelbe grünbraun,  die  rötlichgelbe  schmutzig-  oder  staubiggelbbraun.  Von  entschieden 
geringerer  Qualität  seien  die  Eichen  von  brauner  Grünholz-Farbe,  diese  teils  von 
der  wirklichen  Färbung  der  Holzmasse,  teils  von  den  dunkel  erscheinenden  starken 
Porenkreisen  abzuleiten  und  verbunden  mit  sehr  engen,  porenreichen  Jahresringen; 
als  häufigste  Farbe  die  dritte,  die  schlechteste  Beschaffenheit  von  Eichenholz  bezeich- 
nend. Auch  eine  bläulichrote  (Lila-)  Farbe  kann  vorkommen  und  ist  in  Verbindung 
mit  sehr  breiten  Jahresringen  ein  schlimmes,  ,,Brauschheit"  verratendes  Zeichen,  wofür 
allerdings  auch  der  Umstand  spricht,  daß  dieses  Holz  nach  Häring  sehr  wenig  einge- 
wachsene und  abgestorbene  Aeste  zeigt.  Bläulichrotes  oder  rotblaues  Eichenholz  mit 
schmalen  Jahresringen  wäre  das  schlechteste,  brüchigste  Eichenholz.  Nach  demselben 
würde  die  Lilafarbe  am  Längsholz  öfters  einen  mehr  bräunlichen,  oft  auch  ganz  hell- 
gelben und  weißen  Ton  annehmen. 

Man  sieht  aus  diesen  sowohl  in  Frankreich  als  auch  in  Deutschland  herrschenden 
Ansichten  über  die  Konnexität  der  Farbe  mit  der  wahrscheinlichen  Qualität  des 
Eichenholzes,  welche  Wichtigkeit  die  Farbe  für  den  Verkaufswert  des  Holzes 
besitzt. 

Nördlinger   macht  weiters   folgende   beachtenswerte   Bemerkungen: 

,,Auch  die  Farbe  des  Eichenholzes  wechselt  stark  beim  Austrocknen.  Die  ringförmige 
Streifung  bei  Hölzern  von  ungleichem  Bau  der  Jahreslagen  verschwindet.  Braunes  Eichen- 
holz, vor  Regen  geschützt,  wird  heller  und  sieht  sich  vorteilhafter  an,  helles,  wenn  es  Wind 
>md  Wetter  ausgesetzt  liegt,  dunkler,  zumal  schwammiges,  sehr  poröses;  der  Splint  oft  ganz 
schwarz.  Geflößtes  wird  dunkler  und  unscheinbarer  in  der  Farbe,  auch  gleichförmiger,  und 
sein  Splint  öfters  braun  wie  junger  Kern. 

Es  ist  deshalb  in  bezug  auf  die  Farbe  immer  von  Wert,  schon  im  Schlag  oder  kurz  nach- 
her die  Hölzer  zu  untersuchen.  Ist  dies  nicht  möglich,  so  legt  man  allerdings  noch  nach  Monaten, 
zumal  bei  Stämmen  in  der  Rinde,  durch  Absägen  einer  dicken  Scheibe  die  ursprüngliche  Farbe 
wieder  einigermaßen  bloß.  Es  geschieht  solches  aber  wegen  des  Holzverlustes  nicht  immer 
gern  und  hilft  bei  Hölzern  nichts,   die  schon  jahrelang  der  Witterung  ausgesetzt  waren  . 

Aus  den  hier  vorangestellten  Mitteilungen  erhellt,  daß  die  Praktiker  der  Farbe 
des  Holzes  im  grünen  und  trockenen  Zustande  einen  großen,  vielleicht  zu  großen  Wert 
beilegen.  Von  technischer  Wichtigkeit  ist  indessen  sicherlich  der  schon  früher  erwähnte 
LTnterschied  in  der  Farbe  von  Kern  und  Splint  des  Holzes.  Bei  genauerer  Untersu- 
chung findet  man  nicht  selten,  daß  das  zwischen  Splint  und  Kernholz  liegende  Reifholz 
nicht  erheblich  dunkler  als  der  Splint,  aber  fast  so  trocken  als  der  Kern  erscheint. 
Mitunter  verwandelt  sich  der  Splint  bloß  in  Reifholz,  dieses  aber  nicht  in  Kernholz. 
Da  die  Ausbildung  dieser  Schichten  bekanntlich  keineswegs  zufällig,  sondern  für  die 
Holzart  charakteristisch  ist,  so  unterscheidet  man  ja  Splintbäume,  Reif  holzbäume, 
Kernbäume  und  Reifholzkernbäume.  Diese  Unterscheidung  kann  namentlich  bei  den 
Kernbäumen  durch  die  Differenz  in  der  Farbe  von  Splint  und  Kern  ein  wichtiges  Hilfs- 
mittel für  die  Erkennung  der  Holzart  sein  und  spielt  sogar  in  der  Industrie  eine  Rolle. 
Eibe,  Wachholder  imd  Zeder,  die  zu  den  Kenibäumei^  gehören,  einen  sehr  lichten 
Splint  und  einen  an  denselben  unmittelbar  angrenzenden,  schön  braunrot  gefärbten 
Kern  besitzen,  gestatten  eine  derartige  Verarbeitung,  daß  an  dem  fertigen  Objekte 
hervorragende  Partien  dem  lichten  Splint,  tiefer  gelegene  dem  dunklen  Kern  ange- 
hören; es  ist  dies  das  der  Camde  zugrunde  liegende  Prinzip.  Ein  Erzeugnis  dieser  Art, 
welches  sehr  beliebt  ist  und  vielfach  angetroffen  wird,  bilden  Eßbestecke  —  will  sagen 
Gabel  und  Löffel  —  mit  reicher  ornamentaler  Verzierung  des  Handgriffs,  wie  solche 
namentlich  im  Bemer  Oberlande  aus  Eiben-  und  Wachholderholz  erzeugt  werden. 
Manschetten-  und  Rockknöpfe,  Eierbecher,  Zahnstocher,  Serviettenringe  und  ähnliche 


Farbe  des  Holzes.  §  9.  361 

Gegenstände  werden  überaus  häufig  aus  den  genannten  Holzarten  initcr  geschickter 
Benutzung  der  Verschiedenfarbigkeit  von  Splint-  und  Kernholz  erzeugt. 

Hier  muß  auch  des  ganz  speziellen  und  charakteristischen  Falles  gedacht  werden, 
der  beim  Zirbenholz  vorkommt.  Die  kastanienbraunen,  an  den  Schnittflächen  wachs- 
artig erglänzenden  Astknoten,  die  bei  dem  Zirbenholze  überaus  häufig  im  Innern  der 
Stämme  vorkommen,  fallen  aus  den  Brettern  oder  aus  sonstigen  Objekten  nicht  heraus, 
wie  dies  bei  den  Hornästen  anderer  Nadelhölzer  der  Fall  ist.  Diese  dunkelbraunen 
Flecken  treten  häufig  recht  zahlreich  auf,  verteilen  sich  über  die  Oberfläche  der  Gegen- 
stände mehr  oder  minder  regelmäßig,  verleihen  dem  Holze  einen  eigentümlichen 
Reiz  und  dadurch  auch  einen  erhöhten  Wert. 

Bei  manchen  Hölzern  ist  der  Abstand  zwischen  der  Farbe  des  Splint-  und  jener 
des  Kernholzes  ein  sehr  großer  und  gleichzeitig  auch  die  Verschiedenheit  anderer 
Eigenschaften  eine  sehr  bedeutende;  so  z.  B.  beim  Ebenholz  und  beim  Guajakholz. 
Bei  diesen  beiden  Hölzern  ist  der  Splint  nahezu  weiß,  etwa  von  der  Farbe  des  Elfen- 
beins, der  Kern  hingegen  bei  ersterem  schwarz,  bei  letzterem  dunkelgrünlichbraun. 
Der  Splint  dieser  beiden  Bäume  hat  für  die  technische  Verwendung  geringen  Wert, 
während  das  Kernholz  sehr  geschätzt  wird.  Da  außerdem  das  Splintholz  sich  von  dem 
Kernholz  leicht  absplittert,  muß  bei  technischen  ^'erwendungen  dieser  Hölzer  Sorge 
getragen  werden,  daß  der  Splint  vollständig  beseitigt  wird.  Hier  ist  also  die  Farbe  des 
Holzes  ein  Wegweiser  bei  der  technischen  Verarbeitung  desselben.  Ein  ganz  eklatantes 
Beispiel  bietet  in  dieser  Hinsicht  die  Verwendung  des  Guajakholzes  zu  Kegelkugeln. 
Das  Kernholz  ist  ungemein  hart,  widerstandsfähig  gegen  jede  Art  von  Abnützung,  von 
dichter  Struktur  und  hohem  Gewichte.  Diese  Vorzüge  werden  zum  Teil  der  im  Kem- 
holze  enthaltenen,  verhältnismäßig  großen  Menge  des  sogenannten  Guajak-Harzes 
zugeschrieben.  Eine  aus  diesem  Materiale  hergestellte  Kegelkugel  darf  keinerlei  Splint 
enthalten.  Im  entgegengesetzten  Falle  plattet  sich  die  Splintstelle  der  Kugel  rasch 
ab,  d.  h.  die  Kugel  wird  unrund  und  schließlich  unbrauchbar. 

Im  allgemeinen  ist  der  Unterschied  zwischen  der  Splint-  und  Kemholzfarbe  bei 
den  Hölzern,  die  in  heißen  Klimaten  heimisch  sind,  hervorstechender  als  bei  den  Holz- 
gewächsen der  gemäßigten  Zone.  Das  Kernholz  der  Tropenhölzer  zeigt  oft  eine  warme, 
satte,  mitunter  tiefdunkle  Färbung. 

Von  der  den  Hölzern  im  gesunden  Zustande  eigentümlichen  Farbe  sind  jene 
Färbungen  zu  unterscheiden,  welche  die  Hölzer  infolge  von  Krankheitser- 
scheinungen annehmen.  So  tritt  bei  manchen  Hölzern  in  der  Nähe  des  Markes 
in  kleinen  Flecken,  beim  Ahomholze  Strahlenrissen  entlang,  bei  der  Ulme  gleichfalls 
in  Strahlenrissen  oder  an  der  Peripherie  des  Kernholzes,  dann  beim  Pflaumenbaume 
im  Kerne  ringförmig  eine  kupfergrüne,  oft  sehr  dunkle  Färbung  ein,  welche  als  die 
Folge  eines  Zersetzungsprozesses  zu  betrachten  ist.  Von  Wundstellen  sickert  mitunter 
ein  dunkel  gefärbtes  Zersetzungsprodukt  am  Baumstamme  abwärts  und  erzeugt  an 
den  tiefer  gelegenen  Stellen  des  Baumes  eine  dunklere  Färbung,  die  sogenannte  ,, falsche 
Kembildung"  (Rotbuche).  Diese  anormalen  Färbungen  müssen  nicht  mit  einer  Ver- 
ringerung der  Qualität  des  Holzes  in  sonstiger  Beziehung  Hand  in  Hand  gehen. 

Wir  gelangen  mit  dieser  Bemerkung  zur  Angelegenheit  der  F  a  r  b  e  n  -  V  e  r  ä  n- 
d  e  r  u  n  g.  Fast  alle  Hölzer  dunkeln  unter  dem  Einflüsse  der  Atmosphärilien  und 
des  Sonnenlichtes  nach.  Auch  nahezu  weiße  Koniferenhölzer  nehmen,  dem  Lichte 
ausgesetzt,  eine  stets  satter  werdende  gelbe  Färbung  an,  eine  Erscheinung,  welche 
auch  bei  dem  größere  Mengen  „Holzschliff"  enthaltenden  Papiere  auftritt.  Das 
unmittelbar  nach  der  Erzeugung  im  gebleichten  Zustande  völlig  weiße  Papier  wird 
mit  der  Zeit  gelb  bis  lichtbraun.    Aber  auch  warme  Töne,  welche  das  Kernholz  ge- 


362  I'^  A-    E  X  n  er,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

wisser  Bäume  zeigt,  wie  Lärche  und  Mahagoni,  dunkeln  bedeutend  nach.  Mahagoni- 
holz, welches  im  frischgeschnittenen  Zustande  warm  rot  erscheint,  wird  mit  der  Zeit 
kastanienbraun,  manchmal  düster  schwarzbraun  i). 

Eine  besonders  auffällige  Veränderung  der  Farbe  unter  dem  Einflüsse  von  Licht 
und  Luft  zeigt  das  Amarantholz,  welches  an  frisch  bloßgelegten  Stellen  graubraun  mit 
einem  bläulichen  Schimmer  erscheint,  aber,  längere  Zeit  hindurch  in  lichten  Räumen 
aufbewahrt,  dunkel  blauviolett  wird.  Dieser  Eigenschaft  verdankt  auch  das  Holz  den 
Namen  L  u  f  t  h  o  1  z. 

Diese  Erscheinungen  der  Farbenveränderung  sind  von  den  Pflanzen-Physiologen 
noch  nicht  aufgeklärt  worden;  dagegen  sind  zwei  technisch  wohl  weniger  interessante, 
aber  doch  sehr  auffällige  Erscheinungen  in  der  Veränderung  der  Farbe  durch  eine 
Untersuchung  Wiesners  in  hinreichender  Weise  erörtert  worden.  Es  sind  dies: 
Das  Grauwerden  der  Dachschindeln  und  das  Auftreten  einer  tief  rotbraunen  Färbung, 
ähnlich  der  gebrannten  Siena,  bei  dem  Nadelholze  an  der  Außenseite  von  Gebäuden  in 
solchen  Gegenden,  welche  reich  an  Niederschlägen  sind,  so  insbesondere  in  unseren 
Alpenländem  in  der  Nähe  von  Gebirgsseen  usw.  Dieses  Braunwerden  der  Hölzer 
gibt  den  Gebäuden  ein  überaus  malerisches  Aussehen,  hat  aber  selbstverständlich  keine 
technische  Wichtigkeit.  Dagegen  sind  jene  Farbenveränderungen,  welche  gleichzeitig 
mit  gewissen  Krankheitserscheinungen  auftreten,  von  großer  Tragweite;  so  z.  B.  die 
Weißfäule  und  die  Rotfäule.  Hieher  gehört  wohl  auch  die  seltener  beobachtete  soge- 
nannte Grünfäule,  eine  spangrüne  Vermoderung,  die  bei  Birken-,  Ahorn-,  Buchen- 
und  Eichenholz  auftritt.  Selbstverständlich  ist  derartig  infolge  eines  Fäulnisprozesses 
verändertes  Holz  von  jeder  technischen  Verwendung  ausgeschlossen.  Solange  ein 
solcher  Krankheitsprozeß  nur  an  der  Oberfläche  des  Holzes  auftritt,  bildet  derselbe 
für  die  gewerbliche  Verwertung  wohl  kein  Hindernis,  doch  kann  er  den  Marktpreis 
des  Holzes  stark  beeinflussen.  Auch  das  Blauwerden  frischen  Kiefernsplintholzes, 
hervorgerufen  durch  den  Blaufäulepilz  Ceratostomella,  beeinträchtigt  noch  nicht  den 
technischen  Gebrauchswert  des  Holzes,  gilt  aber  als  Schönheitsfehler. 

Bis  nun  haben  wir  nur  von  der  n  a  t  ü  r  1  i  c  h  e  n  Farbe  des  Holzes  gesprochen. 
Zufällige  oder  beabsichtigte  Veränderungen  der  Farbe  auf  künstlichem  Wege  gehören 
nicht  in  den  Rahmen  dieser  Abhandlung;  doch  sollen  ihnen  einige  Worte  gewidmet 
werden. 

Gerbsäurehaltige  Hölzer,  im  grünen  Zustande  mit  Werkzeugen  aus  Schmiede- 
eisen oder  Stahl  bearbeitet,  zeigen  dunkelbraune  bis  schwarze  Streifen,  wie  dies  z.  B. 
oft  an  den  Schnittflächen  der  Eichenholz-Sortimente  beobachtet  wird.  Eichenholz, 
welches  sehr  lange  auf  der  Sohle  von  fheßenden  oder  dem  Grunde  stehender  Gewässer 
gelegen  ist,  nimmt  von  selb.<t  eine  blauschwarze  oder  grauschwarze  Färbung  an  und 
bleibt  dabei  zü  technischen  Zwecken  vorzüglich  geeignet.  Solches  Eichenholz  heißt 
Wasser-Eichenholz  und  bildet  ein  vortreffliches  Material  für  den  Möbelbau. 

Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  die  Methode  der  Behandlung  des  Rotbuchen- 
holzes mit  gewöhnlichem  Dampfe.  Das  Dämpfen  des  Rotbuchenholzes  bewirkt  eine 
auffallende  Verringerung  des  Grades  jener  Eigenschaften,  die  der  industriellen  Ver- 
wertung des  Rotbuchenholzes  in  vielen  Fällen  hindernd  im  Wege  gestanden.  Gleich- 
zeitig erhält  aber  das  Rotbuchenholz  durch  das  Dämpfen  eine  fleischrote  bis  rotbraune 
Farbe,  welche  auffallend  an  die  Farbe  der  verschiedenen  Arten  des  Mahagoniholzes 
erinnert.  Diese  durch  das  Dämpfen  des  Rotbuchenholzes  herbeigeführte  Farben- 
veränderung ist  die  Folge  einer  Art  Humifizierungszersetzung  der  gegen  hohe  Tempera- 


1)  Dinglers  Polytechnisches  Journal  Band  CII,  Seite  198 


Farbe  des  Holzes.   §  9.  363 

tur  und  gegen  Alkali  und  Wasserdampf  empfindlichen  Ligninbestandteile  (Zucker- 
und Gummiarten,  Gerbstoffe  etc.)  des  Holzes. 

Zur  Erzeugung  eines  angenehmen  Graubraun,  das  bei  antiken  Eichenholzgeräten 
so  hoch  geschätzt  ist,  ist  bei  gerbstoffreichen  Hölzern  das  Räuchern  mit  A  m- 
m  o  n  i  a  k  in  Aufnahme  gekommen.  Es  geschieht  in  der  Weise,  daß  die  fertig  gearbeite- 
ten Hölzer  1  — ^2  Tage  lang  in  einem  luftdicht  verschließbaren  Raum  der  Einwirkung 
von  Ammoniakdünsten  und  Luft  ausgesetzt  werden.  Das  Ammoniak  erzeugt  mit  dem 
Sauerstoff  der  Luft  zusammen  mehr  oder  weniger  braune  Farbtöne,  die  um  so  tiefer 
ins  Holz  hinein  reichen,  je  länger  die  Dämpfe  einwirken. 

Auch  gerbstofffreie  Holzarten  können  auf  diese  Weise  durch  Ammoniak  dunkel 
gefärbt  werden,  wenn  man  als  Beize  eine  5 — 10%ige  wässerige  Lösung  der  äußerst 
leicht  oxydierbaren  Pyrogallussäure  in  heißem  Zustande  verwendet,  die  sich  mit 
Ammoniak  und  Luftsauerstoff  dunkel  färbt.  Das  von  T  h  i  m  m  angegebene  Sal- 
miak-Räucherverfahren besteht  darin,  daß  in  gerbstoff freie  Hölzer 
Lösungen  von  solchen  Metallsalzen  eingebracht  werden,  welche  beim  Räuchern  mit 
Ammoniak  oder  mit  Schwefelwasserstoff  verschieden  gefärbte  Metallverbindungen 
in  der  Holzschicht  bilden.  Aber  alle  diese  Räucherfarben  dringen  nicht  tief  ins  Holz 
ein;  die  Farben  sind  auch  nicht  wasserbeständig. 

Dagegen  entspricht  das  von  Prof.  Dr.  W  i  s  1  i  c  e  n  u  s  -  Tharandt  erfundene 
Grau  holzverfahren  vollkommen  dem  Grundsatze,  die  natürlichen  Ver- 
färbungsvorgänge des  Holzes  mit  möglichst  natürlichen  Mitteln  zu  fördern.  Es  besteht 
in  der  Behandlung  von  Holz  mit  Bodengasen,  wodurch  eine  Bodenverbräunung 
(echte  Humifizierungsverfärbung)  des  Holzes  herbeigeführt  wird.  Durch  dieses  paten- 
tierte Verfahren,  welches  in  den  Dresdner  Werkstätten  für  Handwerkskunst  geübt 
wird,  ist  es  gelungen,  in  einer  vei^hältnismäßig  kurzen  Zeit  matte,  braungraue  Alters- 
farbtöne in  jeder  Holzart  durch  die  ganze  Masse  selbst  starker  Hölzer  hei-vorzurufen. 
Es  eigenen  sich  hiezu  besonders  Buche,  Erle  und  Birke,  dann  von  den  Nadelhölzern 
am  besten  die  Lärche  und  die  amerikanischen  Koniferenhölzer,  ja  selbst  Fichte  und 
Kiefer.  Das  Verfahren  besteht  darin,  daß  das  zu  Brettern  oder  Bohlen  verschnittene 
Holz  in  einen  Boden  eingebettet  wird,  der  mit  einem  Ammoniakbildner  gemischt  ist. 
Die  Bodengase:  Wasserdampf,  Luft,  Ammoniak  und  Kohlensäure,  vielleicht  auch 
Wasserstoffsuperoxyd,  vollbringen  dann  die  gewniinschte,  dem  Altersgrau  ähnliche 
Bräunung  der  eingebetteten  Hölzer.  Die  auf  diese  Art  behandelten  Hölzer  gewinnen 
aber  infolge  der  Verwesung  der  leicht  zersetzlichen  Bestandteile  bei  der  Bodenver- 
bräunung noch  weitere  wertvolle  Eigenschaften,  vor  allem  eine  gewisse  Altersreife, 
die  man  als  ,, Bodengare"  bezeichnen  könnte  ^). 

Erzeugnisse  aus  weißem  Holze,  welche  besonders  auffällig  aussehen  sollen,  wer- 
den mitunter  gebleicht  oder  mit  weißen  pulverigen  Substanzen  (auch  Schwefel)  ge- 
schüttelt, wie  z.  B.  die  aus  Ahorn-  oder  Birkenholz  hergestellten  Schuhstifte.  Dabei 
handelt  es  sich  nur  um  eine  vorübergehende  Verstärkung  des  Effektes  der  natürlichen 
Farbe. 

Ganz  etwas  anderes  ist  das  künstliche  Färben  des  Holzes,  welches  entweder  bloß 
von  der  Oberfläche  her  auf  eine  verhältnismäßig  geringe  Tiefe  eindringend  oder  die 
ganze  Masse  des  Holzes  durchsetzend  bewerkstelligt  wird.  Ueber  das  oberflächliche 
Färben  oder  Beizen,  wozu  man  häufig  die  aus  anderen  Hölzern  gewonnenen  Farbstoffe 
verwendet,  wollen  wir  uns  hier  nicht  weiter  verbreiten.  Es  muß  jedoch  erwähnt  wer- 
den, daß  die  anatomische  Beschaffenheit  und  die  chemische  Zusammensetzung  der 


1)  „Behandlung  des  Holzes' mit  Gasen  und  Dämpfen". \'on  Hans  Wislicenus.     In  Krais 
„Gewerbliche  Materialkunde.    Die  Hölzer".    Stuttgart  1910. 


ocA  IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschatten  der  Hölzer. 

Hölzer  die  Eignung  derselben  so  sehr  beeinflussen  wie  ihre  natürliche,  man  könnte 
sagen  die  Grundfarbe.  So  ist  es  kein  Zufall,  daß  sich  zum  Schwarzbeizen  ganz  beson- 
ders gut  das  Birnholz  eignet,  welches  sich  schwarz  gebeizt  sowohl  massiv  als  auch 
insbesondere  in  der  Form  von  Fournieren  zum  Ersätze  von  Ebenholz  eignet.  Zur 
Erzielung  von  matten  und  zarten  Farbtönen  durch  Beizen  qualifizieren  sich  am  besten 
Ahorn,  Erle,  Weißbuche  und  Linde. 

Für  die  Kenntnis  der  Natur  des  Holzes  in  anatomischer  und  physiologischer 
Beziehung  interessanter  sind  jene  Verfahren,  durch  welche  dem  Holze  seiner  ganzen 
Masse  nach  eine  fremde  Farbe  aufgenötigt  wird.  Hieher  gehören  die  Verfahren  von 
Augustin  Delmas  in  Bordeaux  i),  das  Holzimprägnierungs-Verfahren  von 
J.  B.  B  1  y  t  h  e  in  Bordeaux  und  Wien  ^),  dann  das  Verfahren  von  G.  A.  0  n  k  e  n 
in  Hamburg  ^),  und  von  Pfister-Breunerin  Wien. 

Von  besonderem  Interesse  ist  die  Arbeit  von  FriedrichGoppelsroeder 
(Basel  1901),  ,,die  Kapillaranalyse  beruhend  auf  Kapillaritäts-  und  Absorptionserschei- 
nungen" mit  dem  Schlußkapitel:  Das  Emporsteigen  der  Farbstoffe  in  den  Pflanzen. 

Weiter  oben  wtirde  erwähnt,  daß  zur  künstlichen  Färbung  des  Holzes  auch  die 
aus  den  eigentlichen  Farbhölzem  gewonnenen  Farbstoffe  benutzt  ^\•erden.  Es  sei  hier 
noch  die  Ergänzung  gestattet,  daß  auch  Dekokte  oder  die  beim  Dämpfen  verschiedener 
Hölzer  sich  bildenden  Jauchen  eine  Verwertung  zum  Färben  des  Holzes  zulassen. 
Ein  solcher  Rückstand  bei  der  Behandlung  der  sogenannten  Zedemhölzer  wird  dazu 
benützt,  um  ordinäre  inländische  Weichhölzer,  die  zum  Fassen  der  Bleistifte  dienen, 
wie  z.  B.  das  Erlenholz,  der  Farbe  und  dem  Gerüche  nach  dem  Zedemholze  ähnlicher 
zu  machen. 

Wir  entnehmen  dem  ,, Zentralblatte  für  das  gesamte  Forstwesen",  VI.  Jahrg., 
1880  (S.  327),  die  Notiz,  daß  man  aus  dem  Pappelholze  oder  aus  dem  Stamme  der 
Erica  (Besenhaide,  Calluna  vulgaris)  durch  Erhitzen  mit  einer  Alaunlösung  eine  schöne, 
hellgelbe  Flüssigkeit  erhält,  die  durch  weitere  Filtration  etc.  eine  prächtige  goldgelbe 
Färbung  annimmt.  Die  neue  Farbe  heißt  Ericine.  Durch  Behandeln  mit  Eichenrinde 
wird  diese  Farbe  chamois  oder  nußbraun  und  soll  sich  als  Holzbeize  gut  verwenden 
lassen. 

Damit  haben  wir  uns  aber  schon  sehr  dem  Gebiete  der  Holzfärberei  genähert, 
welches  uns  doch  hier  zu  fern  abliegt,  da  es  schon  der  Technologie  im  engeren  Sinne 
des  Wortes  angehört. 

§10.  2.  GlanzdesHolzes.  Wie  jede  mehr  oder  minder  glatte  Fläche 
das  auffallende  Licht  reflektiert  und  dadurch  jene  Erscheinung  zeigt,  welche  man 
gemeinhin  den  Glanz  oder  das  Spiegeln  nennt,  so  erscheint  auch  bei  Hölzern 
der  Glanz  oder  das  Spiegeln,  wenn  man  Flächen,  seien  sie  nun  eben  oder  gekrümmt, 
durch  eine  entsprechende  Bearbeitung  möglichst  glättet.  Nicht  zu  verwechseln  damit 
sind  jene  Erscheinungen,  welche  man  durch  das  Ueberziehen  der  Holzfläche  mit 
einer  glänzenden,  wenn  auch  noch  so  dünnen  Schicht,  z.  B.  mit  Politur,  hervorrufen 
kann.  Wenn  man  aber  vom  Glänze  des  Holzes  spricht,  so  meint  man  damit  gewöhn- 
lich nicht  jene  optische  Wirkung,  die  erst  durch  eine  vorangehende  mehr  oder  minder 
sorgfältige  Bearbeitung  erzielt  werden  kann,  sondern  man  versteht  unter  dem  Glänze 
oder  dem  Spiegeln  des  Holzes  gewöhnlich  die  auf  den  Spaltflächen,  selbst 
wenn  sie  durchaus  nicht  vollkommen  eben  sind,  hervortretendenReflex-Erscheinungen. 


1)  „Die  mechanische  Holzbearbeitung,  deren  Hilfsmittel  und  Erzeugnisse",  Bericht  von 
W.  F.  E  X  n  e  r  und  G.  Lauboeck  über  die  Welt-Ausstellung  in  Paris  1878;  Wien  1879,  2.  Heft, 
S.    57. 

2)  W.  F.  Exner  und  G.  Lauboeclv,    Pariser  Ausstellungsbericht  a.  a.  O,  S.  59. 

3)  „Zentralblatt  für  das  gesamte  Forstwesen",  V.  Jahrg.  1879   S.  613. 


Feinheit  des  Holzes.  §  1 1.  355 

Namentlich  ist  es  die  radiale  Spaltfläche,  auf  welcher  die  Markstrahlen  oder  Spiegel 
ihrer  Längenausdehnung  nach  zum  Vorscheine  kommen,  die  bei  manchen  Holzarten 
einen  hohen  Glanz  zeigen ;  man  nennt  deshalb  diese  Flächen  auch  Spiegelflä- 
chen, das  nach  Spiegelflächen  ausgeformte  Holz  Spaltholz,  Spiegelholz.  (Die 
französische  Bezeichnung  der  Markstrahlen,  Spiegel:  ,,miroir"  stammt  offenbar  davon 
her,  daß  die  vertikale  Wandfläche  der  Markstrahlen  eben  den  Glanz  der  Holzfläche 
erhöht.  Auch  der  Ausdruck  Mark  strahlen  rührt  vielleicht  nebst  der  strahlen- 
förmigen Richtung,  in  der  sie  vom  Mittelpunkte  des  Stammes  aus  verlaufen,  von 
dieser  Eigentümlichkeit  her^).  —  Bekanntlich  zeichnen  sich  die  Spaltflächen  des 
Ahomholzes  durch  hohen  Glanz  aus ;  ebenso  die  Radialschnitte  des  Holunders,  '^der 
auf  der  Hirnseite  mattbraun  erscheint. 

Die  Markstrahlen  machen  ihrem  Namen  wenig  Ehre,  ja  sie  verleugnen  sogar 
die  Herkunft  der  Bezeichnung  Spiegel  in  manchen  Fällen,  indem  sie  zuweilen  den 
dem  Holze  an  sich  zukommenden  Glanz  vermindern  oder  ermäßigen,  wie  bei  der 
Aspe  und  einigen  Pappeln,  verschiedenen  Pyrus-Arten  usw. 

Wenn  die  Markstrahlen  als  verhältnismäßig  große  Körper  auf  der  Spaltfläche 
des  Holzes  erscheinen,  so  glänzen  sie  für  sich,  und  es  ist  dann  nicht  die  ganze  Spalt- 
fläche, welche  spiegelartig  das  Licht  reflektiert,  es  sind  vielmehr  dem  freien  Auge 
sehr  auffällig  nur  die  platten  Seiten  der  Markstrahlen,  welche  spiegeln  oder  glänzen. 
Ein  prägnantes  Beispiel  hiefür  bildet  die  Rotbuche,  auf  deren  radialen  Spaltflächen 
die  Spiegel  als  braune  Streifen  erscheinen,  die  bei  unter  einem  gewissen  Winkel  ein- 
fallendem Lichte  hohen  Glanz  zeigen,  eine  Erscheinung,  welche  sogar  als  ein  Kenn- 
zeichen des  Rotbuchenholzes  aufgefaßt  werden  kann. 

Bei  gewissen  Hölzern  bietet  der  Glanz  der  Spiegelfasern  ein  Moment,  welches 
für  die  Wertschätzung  des  Holzes  ausschlaggebend  ist;  so  brilliert  der  Ahornmaser 
und  das  sogenannte  ungarische  Eschenholz  an  den  geebneten  Flächen  durch  den 
Glanz  der  zutage  tretenden  Spiegelfasem  in  so  hohem  Maße,  wie  bei  gewissen  Seiden- 
stoffen, dem  Moiree.  Wenn  auch  die  Spiegelfasern  in  der  ganzen  Angelegenheit  eine 
entscheidende  Rolle  spielen,  so  sind  sie  es  doch  nicht  allein,  welche  die  Gesamtwirkung 
herbeiführen,  und  es  ist  manchesmal  ein  kompliziertes  Zusammenwirken  von  Licht- 
reflex-Erscheinungen, welches  gewissen  Holzarten  ein  eigentümliches  Gepräge  ver- 
leiht. So  spricht  man  von  einem  Silber-  oder  Metallglanze  beim  Holze  des  Götter- 
baumes, des  Ahornbaumes,  der  Platane,  Esche,  Robinie  usw.  Diese  Wirkung  wird, 
es  kann  das  nicht  überraschen,  durch  gesteigerte,  auf  künstlichem  Wege  erzielte 
Glättung  sehr  erhöht.  Dies  ist  z.  B.  beim  Sapeh-Mahagoni-,  Atlasholz  usw.  zu 
beobachten. 

§  IL  3.  F  e  i  n  h  e  i  t.  Farbe  und  Glanz  des  Holzes  gehören  zu  den  Gewerbe- 
eigenschaften, d.  h.  sie  nehmen  keinen  unmittelbaren  Einfluß  auf  die  Bearbeitungs- 
fähigkeit des  Holzes,  aber  sie  wirken  mitbestimmend  auf  die  Wahl  und  auf  den  Wert 
desselben  für  das  künftige  Produkt.  Die  Feinheit  des  Holzes  ist  hingegen  eine  Eigen- 
schaft, welche  nicht  bloß  das  Aussehen  der  Oberfläche  mitbestimmt,  sondern  auch 
die  Methoden  der  Bearbeitung  des  Holzes  ebensosehr  wie  den  künftigen  Gebrauchs- 
wert des  fertigen  Produktes  bedingt. 

Nach  dem  Sprachgebrauche  versteht  man  unter  feinen  Hölzern  solche,  welche 
mit  freiem  Auge  keinerlei  Einzelheiten  des  Baues  oder  diese  nur  höchst  unvollkommen 
erkennen  lassen.     Bei  diesen  Hölzern  sind  im   Querschnitte  die  Jahrringe  und  im 


1)  Ueber  die  Natur  der  Markstrahlen  vergl.  Dr.  Theodor  H  artig,  Anatomie  und 
Physiologie  der  Holzpflanzen,  Berlin  1878  (S.  les  u.  ff.)  und  Dr.  J.  Reinke,  Lehrbuch  der 
allgemeinen  Botanik  mit  Einschluß  der  Pflanzen-Physiologie,  Berlin  1880  (S.  268  u.  ft.). 


366  IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

Längsschnitte  das  Spätholz  vom  Frühjahrsholze  kaum  zu  unterscheiden.  In  einem 
solchen  Holze  sind  die  Größenunterschiede  sowohl  zwischen  den  verschiedenen  Zellen- 
arten sehr  gering,  als  auch  zwischen  gleichnamigen  Zellen  an  verschiedenen  Orten, 
in  verschiedenen  Jahrringen,  in  altem  und  in  jungem  Holze.  Die  absolute  Größe  der 
Zellen  ist  dabei  weniger  entscheidend.  Ein  Holz  kann  großzellig,  demnach  weich, 
aber  dennoch  sehr  fein  sein  (Lindenholz);  freilich  wird  ein  ähnlich  zusammenge- 
setztes, aber  aus  kleinen  und  zarten  Elementen  aufgebautes  Holz  in  noch  höherem 
Grade  als  fein  angesprochen  (Buchsholz).  Je  geringer  der  Unterschied  in  den  Di- 
mensionen der  einzelnen  Elemente  des  Holzes,  wozu  auch  die  Dicke  der  Zellwände 
gehört,  ist,  desto  weniger  wird  durch  eine  Häufung  gleichartiger  Zellen  die  Feinheit 
des  Holzes  beeinträchtigt  und  umgekehrt.  Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  ist  auch 
die  Ausgeglichenheit  der  Jahrringe  zu  betrachten,  worauf  nicht  nur  die  Organisation  der 
Holzart,  sondern  auch  die  klimatischen  Verhältnisse  Einfluß  nehmen,  unter  denen  das 
Holz  erwachsen  ist.  Endlich  sind  in  feinen  Hölzern  die  Holzstränge  einander  so  stark 
genähert,  daß  die  Markstrahlen  auf  dem  Querschnitte  unkenntlich  sind ;  auch  müssen 
die  Markstrahlenzellen  den  Dimensionen  nach  sich  den  Holzparenchymzellen  nähern, 
die  Markstrahlen  von  geringer  Höhe  daher  mit  den  Strängen  enge  verflochten  sein. 
Die  Feinheit  des  Holzes  ist  im  allgemeinen,  wie  aus  dem  Gesagten  hervorgeht,  für 
eine  gegebene  Holzart  eine  gegebene,  kann  aber  bei  jeder  Holzart  durch  die  Wachs- 
tumsverhältnisse in  ihrem  Grade  modifiziert  erscheinen.  Aus  dem  Vorangehenden 
leitet  sich  von  selbst  die  Vorstellung  von  dem  ,, groben"  Holze  ab,  indem  dies  die 
eben  für  das  feine  Holz  angeführten  Kennzeichen  nicht  besitzt,  welches  also  makro- 
skopisch die  Gefäßporen  zeigt,  welches  auffällig  gezeichnet  ist  durch  die  gruppenweise 
Anordnung  der  Elemente,  durch  die  scharfe  Ausprägung  und  ungleiche  Beschaffenheit 
der  Vegetationsperioden,  welches  endlich  auffallend  breite  oder  hohe  Markstrahlen 
besitzt.  Typische  Beispiele  groben  Holzes  sind  Eiche,  Zürgelbaum  (Celtis),  Nuß, 
Ulme  usw. 

Es  wäre  ein  großer  Irrtum,  wollte  man  annehmen,  daß  die  nach  der  voran- 
gehenden Erklärung  als  grob  anzusprechenden  Hölzer  für  gewerbliche  Vollendungs- 
arbeiten wenig  geeignet  seien.  Grobe  Hölzer,  die  sich  dem  Auge  sofort  als  solche 
darstellen  und  sich  auf  den  Hobel-,  Drechsel-  oder  Fräsflächen  rauh  anfühlen,  lassen 
sich  mitunter  sehr  gut  polieren,  indem  das  Poliermittel  auf  der  Oberfläche  des  groben 
Holzes  in  den  Poren  in  größerer  Menge  zurückgehalten  wird,  als  dies  bei  den  feinen 
Hölzern,  an  denen  es  weniger  haftet,  der  Fall  ist^). 

§  12.  4.  T  e  X  t  u  r,  Z  e  i  c  h  n  u  n  g,  F  1  a  d  e  r,  M  a  s  e  r.  Der  Ausdruck  Tex- 
tur des  Holzes  ist  synonym  mit  Struktur  oder  bedeutet  beiläufig  das  anato- 
mische Gefüge  des  Holzes.  Die  Gewerbetreibenden  jedoch,  welche  Holz  ver- 
arbeiten, gebrauchen  den  Ausdruck  Textur  häufig  für  die  aus  dem  inneren  Baue 
des  Holzes  hervorgehende  äußere  Erscheinung  auf  den  angearbeiteten  Flächen.  Man 
verwechselt  also  dabei  die  Ursache  mit  der  Wirkung,  indem  tatsächlich  die  Zeichnung 
auf  der  Holzfläche  das  in  die  Erscheinung  tretende  Bild  des  Gefüges  des  Körpers  ist. 
Je  gröber  das  Holz  nach  der  weiter  oben  gegebenen  Definition,  desto  deutlicher  die 
Zeichnung  oder  nach  dem  Sprachgebrauche  die  Textur.  Der  buchstäbliche  Sinn  des 
Wortes  Textur:  Gewebe,  also  hier  Holzgewebe,  deckt  sich  nicht  einmal  vollständig 
mit  der  Ursache  der  Erscheinung,  daß  auf  den  Holzflächen  dem  unbewaffneten 
Auge  eine  Zeichnung  erscheint,  denn  in  der  Zeichnung  drücken  sich  mehr  oder  minder 
deutlich  die  Unterschiede  zwischen  Herbst-  und  Frühjahrsschicht  im  Jahrringe,  die 


1)  Vergl.  bei  Dr.  J  o  s  e  f  M  0  e  11  e  r  a.  a.  O.,  1.  Teil  (S.  li  u.  ff.; 


Textur,  Zeichnung,  Flader,  Maser.   §  12.  307 

Poren  und  die  Markstrahlen  je  nach  den  Dimensionen  und  dem  Grade  der  Fär- 
bung aus. 

Die  Zeichnung  des  Holzes  ist  demnach  bei  regelmäßig  erwachsenen  Bäumen 
eine  andere  im  Querschnitte,  eine  andere  im  radialen  Längsschnitte  und  wieder  eine 
andere  im  tangentialen  oder  Sehnen-Längsschnitte.  (Es  sei  hier  ein-  für  allemal  be- 
merkt, daß  wir  in  dieser  Abhandlung  nur  von  den  dikotyledonen  Bäumen  sprechen, 
da  das  Holz  der  Palmen  nur  eine  sehr  untergeordnete,  man  könnte  sagen  aus- 
nahmsweise Verwendung  in  der  europäischen  Technik  findet.^  Demnach  ist  das 
charakteristische  Merkmal  der  Zeichnung  des  Hirnschnittes  der  R  i  n  g  b  a  u  ,  das 
der  beiden  Längsschnitte  die  parallele  Streifung,  welche  beim  radialen 
Längsschnitte  vollkommener  als  beim  Sehnen-Längsschnitte  auftritt. 

Ohne  uns  weiter  in  die  Details  zu  verlieren,  sei  hier  nur  hervorgehoben,  daß  in 
der  Holzindustrie  die  Zeichnung  des  Hirnschnittes  verhältnismäßig  selten  auftritt; 
wohl  kommt  der  Hirnschnitt  des  Holzes  bei  Eckverbindungen  zum  Vorscheine,  auch 
bei  Holzskulpturen  und  bei  den  diese  vertretenden  Holzpressungen,  beim  Stiften- 
mosaik, dem  Holzstöckelpflaster,  dann  bei  einer  in  neuester  Zeit  aufgetauchten  Art 
von  Parquetten.  In  weit  überwiegendem  Maße  jedoch  ist  es  die  Zeichnung,  welche 
auf  tangentialen  oder  richtiger  Sehnen-Längsschnitt-Flächen  des  Holzes  zum  Vor- 
schein kommt,  die  unser  Interesse  erregt  und  verdient.  Pfosten  oder  Dielen,  Staffel- 
holz und  Bretter,  Tavoletti  und  Foumiere  zeigen  auf  ihren  Oberflächen  die  Zeichnung 
des  Sehnenlängsschnittes  der  Holzstämme.  Bei  den  foumierten  Möbeln  wird  das  ganze 
blinde  Holzgerüste  und  somit  auch  bei  den  Holzverbindungen  die  hie, und  da  auf- 
tretende Himfläche  mit  Längsholz  bedeckt. 

Ist  das  Holz  normal  erwachsen  oder  ,, schlicht",  so  heißt  die  Zeichnung  des 
Holzes,  oder  soll  wenigstens  ausnahmslos  so  genannt  werden,  der  Flader. 

An  der  Gabelung  des  Baumstammes,  d.  i.  an  der  Stelle,  wo  die  Kronenbildung 
beginnt,  femer  überall  dort,  wo  ein  Ast  aus  dem  Stamme  abzweigt,  hören  die  dunkel 
gefärbten  Grenzen  der  .Jahrringe  (die  Herbstholzschichten)  auf,  geradlinig  zu  ver- 
laufen. Die  Zeichnung  von  aus  diesen  Teilen  des  Baumes  entnommenen  Holzsorti- 
menten wird  in  ge\vissen  Fällen  besonders  geschätzt,  so  z.  B.  bezahlt  man  die  Four- 
niere  aus  dem  Gabelungsteile  des  Mahagonistammes  mit  bedeutend  höheren  Preisen 
als  die  schlichten,  in  der  Zeichnung  reizlosen  Stücke  aus  dem  geradwüchsigen  Stamme; 
man  nennt  diese  Art  von  Mahagoni-Fournieren  Blumen-  oder  Pyramiden-Mahagoni  ^). 
Bei  unregelmäßigem  Wachstume,  möge  es  veranlaßt  sein  durch  natürliche  Hin- 
dernisse, wie  Aeste,  schlafende  Augen,  oder  durch  Verwundungen  aller  Art,  werden 
die  Jahrringe  in  ihrer  Entwicklung  in  mannigfacher  und  mitunter  in  höchst  aben- 
teuerlicher Weise  verändert.  Die  durch  unregelmäßiges  Wachstum  entstehenden 
Holzbildungen  nennt  man  w  i  m  m  e  r  i  g  oder  maserig  und  die  durch  dasselbe 
bedingte  Zeichnung  der  Schnittflächen :  Maser. 

Der  wimmerige  Wuchs  ist  strenge  genommen  ein  Fehler  des  Holzes  und  gilt 
auch  als  solcher  bei  Bauholz  und  bei  Schnittware.  Vielfach,  namentlich  für  Zwecke 
der  Kunsttischlerei  und  Drechslerei,  ist  jedoch  der  Maser  ein  geschätztes  Vorkommen 
und  zwar  umsomehr,  je  stärker  er  entwickelt  ist  2).  Für  foumierte  Möbel  bildet 
die  abwechselnde  Verwendung  von  schlichten  und  Maserfournieren,  so  z.  B.  die  ersteren 
bei  Friesen,  die  letzteren  bei  Füllungen,  ein  oft  verwendetes,  wirkungsvolles  Motiv. 
Der  Wert  von  Maserfournieren  kann  durch  die  phantastische  Zeichnung  ein  sehr 


1)  Vergl.  G.  M  a  r  c  h  e  t  und  W.  F.  E  x  n  e  r,  Die  Holzindustrie  der  Ostseeiänder.  Kapitel 
Hamburg.    Weimar  1864. 

2)  Vergl.  N  ö  r  d  1  i  n  g  e  r  a.  a.  O.  (S.  498  u.  ff.). 


358  IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

hoher  werden  und  namentlich  ist  es  das  Emporium  der  Foumier-Erzeugung,  Paris, 
welches  vor  noch  kurzer  Zi.it  mitunter  enorme  Summen  für  knorrige  Stammaus- 
wüchse (loupes)  bezahlte.  Wäre  die  Zeitdauer,  welche  zur  Entstehung  von  Maser- 
wüchsen notwendig  ist,  nicht  eine  so  enorm  lange,  daß  während  derselben  der  Ge- 
schmack der  Konsumenten  öfter  \\echselt.  so  \A-ürde  man  wohl  die  künstliche,  richtiger 
absichtlich  her\'orgerufene  Bildung  von  Maserwüchsen  ernstlich  ins  Auge  ge- 
faßt haben. 

Ein  interessanter  Fall  des  wimmerigen  Wuchses,  der  ein  bestimmtes  Holzvor- 
kommen betrifft,  ist  unter  der  Bezeichnung  ,, ungarisches  Eschenholz"  in  der  Industrie 
bekannt.  Dasselbe  ^\^rd  zu  Foumieren  für  die  Kunsttischlerei  verarbeitet  und  über- 
trifft an  Schönheit  der  Zeichnung,  erhöht  durch  prächtigen  Seidenglanz  regelmäßig 
verteilter  Partien,  das  Atlasholz  (salin  wood).  Andere  besonders  schöne  !Maserbil- 
dungen,  die  in  der  Technik  von  Wert  sind,  findet  man  an  der  Wurzel  von  Buchs 
(Tabaksdosen),  an  Stöcken  und  dem  Wurzelhals  von  Erlen,  an  Kopfholzstämmen 
von  Ulmen,  Erlen  (auserlesene  Foumiere)  etc.,  am  Stanune  von  Birken  (Birkenmaser, 
Pfeifenköpfe),  von  Nußbäumen  und  Ahomen  (der  hochgeschätzte  \"ogelaugenmaser 
von  dem  amerikanischen  Zuckerahorn),  am  Stamme  mehrerer  Pterocarpus-Arten 
(P.  indicus,  P.  saxatilis  u.  a.),  welche  unter  dem  Namen  Amboina-Maser  oder  Am- 
boene  aus  Indien  und  den  ostasiatischen  Inseln  nach  Europa,  besonders  nach  Frank- 
reich eingeführt  werden.  Der  Rohstoff  einer  bekannten  französischen  Spezial-Indu- 
strie,  welche  übrigens  auch  in  Belgien  und  Wien  eine  Zeitlang  blühte,  ist  das  soge- 
nannte Bruvere-Holz.  Dieses  Holz  stammt  von  der  maserwüchsigen  Wurzel  der 
Erica  arborea  (Baumheide).  Dieses  Wurzelholz  von  fleisch-  oder  ziegelroter  Farbe, 
welches  aus  Spanien,  dem  südlichen  Frankreich  und  aus  Korsika  in  den  Handel 
kommt,  bildet  ein  vorzüghches  Material  für  Pfeifen,  indem  einerseits  der  hochgradige 
Maserwuchs  das  Springen  der  Pfeife  während  der  großen  Erhitzung  verhindert, 
andererseits  der  bedeutende  Ivieselsäuregehalt  eine  schwere  Verbrennbarkeit  be- 
gründet 1). 

Wimmeriger  Wuchs  oder  Maserwuchs  und  sonstige  physiologisch  nicht  aufge- 
klärte Abnormitäten  im  Wachstume,  in  der  Verteilung  von  Farbstoffen,  Harzen 
u.  dgl.  führen  zu  verschiedenen  Erscheinungen  in  der  Zeichnung,  welche  vorüber- 
gehend eine  gewisse  Bedeutung  erlangen,  wobei  natürlich  die  Mode  ein  ausschlag- 
gebendes Moment  bildet.  Der  wellenförmige  Verlauf  der  Holzringe  (auf  dem  Quer- 
schnitte sichtbar)  und  das  dadurch  verursachte  flammige  Aussehen  auf  den  radialen 
Spaltflächen  sucht  N  ö  r  d  1  i  n  g  e  r  in  einer  Abhandlung  über  den  ,, Rindedruck" 
im  Oktoberheft  1880  des  „Zentralblatt  f.  d.  ges.  Forstwesen"  zu  erklären.  Später 
(1882)  hat  Krabbe  in  der  Königl.  Preußischen  Akademie  der^^'issenschaften  eine 
Untersuchung  über  die  Rindenspammng  und  deren  Beziehungen  zur  Jahrringbildung 
veröffenthcht,  welche  Nördlingers  Auffassung  teilweise  in  Frage  stellt. 

Von  dem  hochgeschätzten  Mahagoni-Holze  kommen  im  Handel,  ganz  besonders 
von  Paris  aus,  Mahagoni-Sorten  vor,  die  ihren  Namen  nicht  von  der  Provenienz 
erhielten,  wie  Kuba-,  Jamaika-,  Haiti-,  Yucatan-,  Tabasco-,  Laguna-,  St.  Domingo-, 
Porto  Plata-,  Honduras-Mahagoni  etc.,  sondern  von  ihrer  Zeichnung.  So  z.  B.: 
Acajou  mouchete,  Acajou  rongeux,  A.  branche,  A.  conde.  Solche  auffällige  Zeich- 
nungen verschaffen  gewissen  Gattungen  eine  vorübergehend  gesteigerte  ^'er^\■endung, 
eine  Art  Blüteperiode.  Häufig  verschwinden  solche  Industriehölzer  aber  wieder  so 
rasch  aus  dem  Verkehre,  daß  man  kaum  die  Zeit  findet,  ihre  botanische  oder  geo- 


])  Vergl.  Dr.  J  0  s  e  p  h    M  o  e  11  e  r  a.  a.  O.  (S.  164  u.  ff.). 


Geruch  des  Holzes.    §  13.  369 

graphische  Herkunft  zu  eruieren.  Hölzer  dieser  Kategorie  sind  das  Ziricota-Holz, 
das  geperlte  Holz,  das  grüne  Havanna-  oder  Haiti-Holz,  das  Tiger-Holz,  das  Par- 
tridge-Holz  usw. 

§  13.  5.  G  e  r  u  c  li  d  e  s  H  0  1  z  e  s.  Im  grünen  frischen  Zustande  hat  jedes 
Holz  einen  eigentümlichen  Geruch,  der  mitunter  sehr  kräftig  und  für  das  Holz  cha- 
rakteristisch ist.  Bei  vielen  Hölzern  verliert  sich  dieser  Geruch  mit  der  Austrocknung 
derselben  und  nur  wenige  unter  jenen  Hölzern,  die  auch  im  trockenen  Zustande 
wohlriechend  sind,  verdanken  dieser  Gewerbseigenschaft  einen  erhöhten  technischen 
Wert. 

Die  ätherischen  Oele,  welche  die  Ursache  des  Wohlgeruches  einer  Reihe  von 
Hölzern  bilden,  sind  nur  in  einigen  wenigen  Fällen  genau  erforscht.  Meistens  nur 
dann,  wenn  diese  ätherischen  Oele  selbst  als  Produkt  aus  den  betreffenden  Hölzern 
gewonnen  und  weiter  verwertet  werden.  Diese  Gruppe  von  Fällen  kommt  hier  aber 
nicht  in  Betracht,  \\ar  haben  nur  darauf  aufmerksam  zu  machen,  daß  der  Gehalt  an 
gewissen  wohlriechenden  Stoffen  für  bestimmte  Hölzer  in  gewerblicher  Beziehung 
charakteristisch  geworden  ist. 

In  erster  Linie  stehen  diesbezüglich  die  Nadelhölzer.  Ihr  Gehalt  an  Terpen- 
tinen  verleiht  ihnen  einen  auffälligen,  mitunter  köstlichen  Geruch.  Bekannte  Bei- 
spiele bilden  die  sogenannten  Zedemhölzer  und  das  Wachholderholz,  besonders  vom 
virginischen  Wachholder  (.Juniperus  virginiana,  fälschlich  Zedemholz  genannt), 
welche  Hölzer  unter  anderem  ihres  Geruches  wegen  für  manche  \'envendungen  spezi- 
fisch geworden  sind;  so  als  Bleistiftholz,  als  Materiale  für  die  Laden  von  Schmuck- 
kästen und  sonstigen  hochfeinen  Möbeln,  für  allerlei  Galanteriewaren,  für  Zigarren- 
kisten u.  dgl.  m. 

Von  den  in  Europa  heimischen  Nadelhölzern  ist  es  besonders  das  Zirbenholz, 
welches  sich  durch  einen  edlen,  bestechenden  Geruch  auszeichnet. 

Bei  manchen  Nadelhölzern  kann  jedoch  der  übermäßige  Terpentin-Reichtum 
sogar  ein  Ausschließungsgrund  für  technische  Verwendungen  sein,  und  es  ist  dann 
die  Ursache  des  \A'ohlgeruches  ein  Uebelstand,  welchen  der  Geruch  selbst  wett  zu 
machen  nicht  hinreicht. 

Die  wohlriechenden  Hölzer  im  engeren  Simie  des  ^^'ortes,  das  sind 
solche,  welche  ihre  technische  ^'erwendung  v  o  r  a  1 1  e  m  ihrem  Gerüche  verdanken, 
stammen  meistens  aus  anderen  Klimaten ;  hieher  gehören  das  australische  \'  e  i  1- 
c  h  e  n  h  o  1  z  und  das  den  Gegenstand  wichtiger  Kulturen  in  Oesterreich  bildende 
W  e  i  c  h  s  e  1  r  0  h  r. 

Das  letztere  sind  die  Triebe  der  Mahaleb-Kirsche  (Prunus  mahaleb),  welche 
bei  dem  in  Baden  bei  Wien  eingehaltenen  Kultur\erfahren  im  Holze  und  in  der  Rinde 
einen  köstlichen  Geruch  besitzen,  der  nach  der  Ansicht  M  o  e  1 1  e  r  s  von  dem  Ge- 
halte an  Kumarin  oder  eines  diesem  ähnlichen  ätherischen  Oeles  herrührt.  Das 
Weichselrohr,  richtiger  Mahaleb-Kirschenholz,  wird  nicht  nur  zu  Pfeifenröhren, 
sondern  auch  zu  Holzgalanteriewaren  aller  Art,  Spazier-  und  Schirmstöcken,  Reit- 
gerten, Fächern,  Papiermessem  etc.  verwendet. 

In  der  ostasiatischen  Industrie  spielt  eine  Rolle  ersten  Ranges  das  wohlriechende 
gelbe  Sandelholz,  welches  übrigens  ein  vortreffliches  Schnitzereiholz  ist. 
Die  Vorliebe  und  damit  die  eifrige  Suche  nach  wohlriechenden  Hölzern  und  deren 
Venvendung  insbesondere  in  der  Marqueterie-Arbeit  hat  ziemhch  nachgelassen,  und 
die  verschiedenen  Arten  von \'eilchenholz,  das  Moschusholz  u.dgl.  sind  nicht  mehr 
sehr  in  der  Mode. 

Es  darf  hier  nicht  unerwähnt  bleiben,  daß  der  bei  Laubhölzern  häufig  auf- 

Handb.  d.  Forstwiss.    3.  Aufl.     II.  24 


370  IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

tretende  Gehalt  an  Gerbstoff  manchen  Holzarten  einen  auffallenden  Geruch  nach 
Gerberlohe  verleiht.  H  ä  r  i  n  g  ,  den  wir  schon  an  anderer  Stelle  zitiert  haben, 
reklamiert  diesen  Geruch  sogar  als  ein  Kennzeichen  der  guten  Qualität  des  Eichen- 
holzes. Von  unseren  einheimischen  Holzarten  hat  das  Holz  des  gemeinen  Schneeballs 
(Viburnum  opulus)  einen  höchst  widerwärtigen  Geruch. 

Eine  auffallende  Erscheinung,  welche  mit  dem  Gerüche  der  Hölzer  zusammen- 
hängt, mag  hier  noch  flüchtige  Erwähnung  finden.  Ein  Baum,  welcher  in  Ostasien 
Bestände  von  enormer  Ausdehnung  bildet,  ist  der  K  a  m  p  f  e  r  1  o  r  b  e  e  r  b  a  u  m 
(Laurus  camphora) ;  dieser  Baum  enthält  in  allen  seinen  Teilen,  besonders  aber  auch 
in  seinem  Holze  ein  schon  bei  gewöhnlicher  Temperatur  festes  ätherisches  Oel,  das 
fast  wie  Alabaster  aussieht  und  bei  geringen  Quantitäten  einen  sehr  angenehmen 
Geruch  besitzt.  Der  sogenannte  Japan-Kampfer  wird  aus  den  Teilen  des  genannten 
Baumes  durch  Destillation  gewonnen.  Bewahrt  man  Kampferholz  in  geschlossenen 
Gefäßen  auf,  so  überziehen  sich  die  Innenseiten  der  Wandungen  mit  Kampfer- 
kriställchen,  welche  durch  Sublimation  von  selbst  entstanden  sind. 

Eine  ähnliche  Erscheinung  zeigt  sich  am  frischen  Holze  des  virginischen  Wach- 
holders,  welches  sich  mit  einer  dünnen  Schichte  feinster  weißer  Kriställchen  überzieht. 

II.  Jlaterieller  Zustand  des  Holzes. 

§  14.  Während  im  ersten  Abschnitte  nur  die  äußere  Erscheinung  des  Holzes 
behandelt  wurde,  welche  allerdings  in  enger  Beziehung  mit  der  substanziellen  Zu- 
sammensetzung steht,  soll  nun  die  Substanz  selbst  vom  physikalischen  Standpunkte 
aus  erörtert  werden.  Auch  hier  wollen  wir  von  den  anatomischen  und  physiologi- 
schen Verhältnissen  des  lebenden  Baumes  möglichst  abstrahieren  und  die  Holz- 
substanz, so  wie  sie  ist,  nach  den  technisch  wichtigen  physikalischen  Eigenschaften 
beschreiben. 

Viele  physikalische  Eigenschaften,  wie  die  Wärmeleitungsfähigkeit  '■),  haben 
nur  eine  sehr  untergeordnete  technische  Bedeutung;  dagegen  ist  es  ein  bestimmter 
Komplex  von  physikalischen  Eigenschaften,  welcher  nicht  nur  auf  die  Verwendung 
des  Holzes  zu  technischen  Zwecken  und  daher  auf  dessen  Auswahl  und  Wert  den 
bestimmendsten  Einfluß  nimmt,  sondern  auch  den  aus  Holz  angefertigten  Gegen- 
ständen eine  bestimmte  Beschaffenheit  verleiht.  Das  Holz  als  Rohstoff  für  die  In- 
dustrie wird  durch  die  hier  in  Erörterung  zu  ziehende  Gruppe  von  physikalischen 
Eigenschaften  so  beherrscht,  daß  der  Handwerker,  der  Industrielle  oder  der  Tech- 
niker im  weitesten  Sinne  des  Wortes  diese  Eigenschaftsgruppe  mit  den  aus  ihr  resul- 
tierenden Verhältnissen  sich  stets  gegenwärtig  halten  muß.  Diese  Gruppe  von  Eigen- 
schaften hat  das  Eigentümliche,  daß  unter  den  einzelnen  Eigenschaften  ein  durch 
keinerlei  Mittel  aufzuhebender  Zusammenhang  besteht,  und  wenn  man  mit  der  Be- 


1)  Vergl.  M  o  e  11  e  r  a.  a.  O.  S.  107. 

Nach  W  i  e  d  e  m  a  n  n  's  mit  großer  Sorgfalt  ausgeführten  Versuchen  über  W  ä  r  ni  e- 
leitungsfähigkeit  verhält  sich  diese  zum  besten  Wärmeleiter,  diesen  =  1000  gesetzt, 
wie  folgt: 

Ahorn  —  Faserrichtung 192 


„       —  senkrecht  hierauf,  radial 

„  „         tangential 

Eichen   —    Faserrichtung       .... 
„  „  radial      .     . 

„  „  tangential     . 

Buchsbaum  —  Faserrichtung    .     .     . 
„  „         tangential 

(Poggendorff's  Annalen,  Ergänzung  VIII,   S.   175.) 


86 
85 

161 
75 
86 

135 
96 


Dichte  des  Holzes.    §15.  37I 

sprechung  einer  dieser  Eigenschaften  beginnt,  so  muß  man  sogleich  auch  die  mit 
derselben  in  Konnexität  stehenden  anderen  Eigenschaften  ins  Auge  fassen. 

Diese  Eigenschaften  sind :  Die  Dichte  oder  das  spezifische  Gewicht,  der  Wasser- 
oder Feuchtigkeits-Gehalt,  die  Veränderlichkeit  des  letzteren,  welche  zugleich  die 
Veränderlichkeit  der  Dichte  zur  unmittelbaren  Folge  hat;  die  Veränderlichkeit  des 
Volumens,  welche  ebenso  wie  die  Veränderlichkeit  des  Gewichtes  mit  der  Veränderung 
des  Feuchtigkeitsgehaltes  zusammenhängt. 

Die  Veränderlichkeit  des  Volumens,  welche  sich  als  Verkleine- 
rung oder  Vergrößerung  des  ^'olumens  äußern  kann,  als:  Schwindung  oder  Schrump- 
fung einerseits  und  als  Ouellung  andererseits,  vollzieht  sich  nicht  in  einer  nach  allen 
Richtungen  hin  gleichen  Weise,  vielmehr  ändern  sich  die  Dimensionen  sowohl  bei 
der  Schwindung  als  bei  der  Ouellung  in  verschiedenem  Grade,  was  eine  Veränder- 
lichkeit der  Gestalt  zur  Folge  hat.  Diese  Gestaltsveränderungen,  welche  die 
verschiedensten  Bezeichnungen  führen,  können  auch  in  letzter  Linie  die  Aufhebung 
des  Zusammenhanges  der  einzelnen  Teile  des  Holzstückes,  also  die  Ueberwindung 
der  Kohäsion,  herbeiführen. 

Es  besteht  also  eine  Konnexität  zwischen  Dichte,  Feuchtigkeits- 
gehalt, Volumen  und  Gestalt  derart,  daß  jede  Aenderung  in  der  einen 
Richtung  eine  Aenderung  in  allen  anderen  als  unausbleibliche  Konsequenz  nach 
sich  zieht.  Die  Konnexität  der  Eigenschaften  in  dieser  Gruppe  physikalischer  Ver- 
hältnisse erschwert  und  kompliziert  die  Erforschung  oder  auch  nur  die  Ermittlung 
eines  bestimmten  Datums  bezüglich  einer  Eigenschaft  in  außerordentlichem  Maße. 
Der  Praktiker  sagt,  das  Holz  sei  ,, lebendig",  und  er  ist  damit  vollständig  im  Rechte. 
Das  Holz  ist  ein  organisierter  Körper  und  der  Organismus  fungiert  in  gewissem  Sinne 
fort  auf  lange  Dauer.  Erst  wenn  eine  Zerstörung  des  Organismus  durch  Fäulnis 
oder  Verkohlung  eintritt,  wird  die  Konnexität  jener  Eigenschaften  mehr  oder  minder 
aufgehoben. 

§15.  I.Dichte  oder  spezifisches  Gewicht  (Raumgewicht)  des 
Holzes.  Das  ^Mischungsverhältnis  der  das  Holz  zusammensetzenden  Elementar- 
Bestandteile  ist  in  verschiedenen  Teilen  des  Holzkörpers  ein  verschiedenes.  Neben 
der  Holzsubstanz  kommen  viele  andere  Stoffe  im  Holze  vor  und  überdies  besteht 
nirgends  das  Holz  aus  einer  zusammenhängenden,  lückenlosen  Masse.  Es  bestehen 
im  Gegenteile  viele  das  Holz  durchsetzende,  mit  Luft  oder  Wasser  gefüllte  Hohl- 
räume (Zellen  und  Gefäße),  welche  gruppenweise  oder  auch  zerstreut  auftreten.  Der 
im  Holze  überwiegend  vorkommende  Stoff,  oder  richtiger  der  das  Holzgerüste  bildende 
Stoff  ist  die  Holzfaser. 

Man  kann  im  Wege  des  Versuches  die  Holzfaser  ziemlich  von  den  anderen  sub- 
stanziellen  Bestandteilen  trennen  und  das  spezifische  Gewicht  der  kompakten,  ohne 
Zwischenräume  gedachten  Holzmasse  ermitteln.  Dasselbe  beträgt  nach  den  über- 
einstimmenden Untersuchungen  von  Sachs  und  R.  H  artig  („Untersuchungen 
aus  dem  forstbotanischen  Institute  zu  München",  2.  Heft)  für  Eiche,  Buche,  Birke, 
Fichte  und  Kiefer  gleichförmig  1,56.  Dabei  ist  ein  Unterschied  zwischen  Kern-  und 
Splintholz  desselben  Stammes  nicht  bemerkbar. 

Dieses  spezifische  Gewicht  der  Holzfaser  hat  jedoch  keinerlei  technische  Wichtig- 
keit und  ist  daher  auch  nicht  als  technische  Eigenschaft  aufzufassen.  Man  versteht 
vielmehr  unter  der  Dichte  des  Holzes  wie  unter  dessen  spezifischem  Gewichte  jene 
Zahl,  welche  ausdrückt,  wie  viel  mal  größer  oder  kleiner  das  absolute  Geweht  des 
Holzes,  wie  es  besteht,  ist,  als  ein  gleich  großes  Volumen  chemisch  reinen  Wassers 
von  der  Temperatur  von  4 "  C. 

24  * 


372  IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

Die  im  Wege  des  Experimentes  gefundene  Ziffer  gilt  nur  für  das  der  Ermittlung 
selbst  unterzogene  Versuchsstück  und  nur  für  den  Moment,  in  %\elchem  das  Ver- 
suchsergebnis durch  die  Beobachtung  zum  Vorschein  kommt.  Richtig  ist  die  er- 
haltene Ziffer  auch  nur  dann,  wenn  durch  den  Versuch  selbst  der  Feuchtigkeitsgehalt 
nicht  geändert  wurde.  Es  ist  auch  nur  unter  gewissen  Voraussetzungen  gestattet, 
aus  dem  durch  den  Versuch  ermittelten  spezifischen  Gewichte  eines  Probestückes 
auf  die  Dichte  des  größeren  Holzkörpers,  dem  das  Probestück  entnommen  wurde, 
einen  Schluß  zu  ziehen  oder  die  abgeleitete  Ziffer  für  eine  längere  Zeitperiode  gegen- 
über dem  betreffenden  Holzkörper  als  giltig  anzunehmen. 

Aus  dem  Gesagten  geht  hervor,  daß  man  zwischen  der  wissenschaftlichen  Un- 
tersuchung der  Dichte  des  Holzes  im  Dienste  der  Forschung  und  zwischen  der  Be- 
stimmung des  spezifischen  Ge\^ichtes  zu  irgend  welchem  praktischen  Ziele  wohl  unter- 
scheiden muß. 

Die  erstere  muß  auf  alle  Umstände  Bedacht  nehmen  und  kann  ohne  Gegen- 
überhalt der  mit  der  Dichte  konnexen  physikalischen  Eigenschaften  gar  nicht  be- 
handelt werden;  die  letztere  wird  sich  mit  einer  mehr  oder  minder  scharfen  Methode 
begnügen,  um  ein  Näherungsresultat  zu  erlangen,  das  für  den  gedachten  technischen 
Zweck  genügende  Anhaltspunkte  bietet. 

Wir  wollen  uns  vorerst  gerade  der  zuletzt  angeführten,  mehr  empirischen  Seite 
der  Frage  zuwenden. 

Es  ist  einleuchtend  und  allgemein  bekannt,  daß  das  Holz  im  lebenden  Baume 
oder  unmittelbar  nach  der  Fällung,  das  Holz  ,,im  Safte"  bedeutend  schwerer  sein 
muß  als  trockenes  Holz,  da  dasselbe  teils  in  den  Zellhohlräumen,  teils  in  den  Zell- 
wandungen eine  verhältnismäßig  große  Menge  von  Wasser  enthält.  Je  länger  der 
Trocknungsprozeß  gedauert  hat,  desto  mehr  Wasser  hat  das  Holz  verloren,  desto 
leichter  ist  es  geworden.  Das  Holz  im  lebenden  Baume  oder  unmittelbar  nach  der 
Fällung  heißt  waldgrünes  oder  grünes  Holz,  dessen  Dichte  Grüngewicht. 
Durch  die  natürliche  Trocknung  im  Freien  entweicht  ein  großer  Teil  des  in  den  Zellen- 
räumen enthaltenen  Wassers,  dieses  wird  durch  Luft  ersetzt  und  nach  einer  gewissen 
Zeit  tritt  ein  Zustand  relativer  Trockenheit  ein,  in  welchem  man  das  Holz  luft- 
trocken nennt,  dessen  Dichte  heißt  dann  Lufttrockengewicht.  Allein 
auch  die  im  lufttrockenen  Holze  enthaltene  Wassermenge  ist  noch  immer  ziemlich 
beträchtlich.  Wenn  man  daher  das  spezifische  Gewicht  möglichst  wasserfreien  Holzes 
erfahren  will,  so  muß  das  Holz  durch  Zufuhr  von  Wärme  ,,k  ü  n  s  1 1  i  c  h"  g  e- 
trocknet  werden.  Man  geht  dabei  gewöhnlich  nicht  höher  als  auf  eine  Tempe- 
ratur von  100"  C.  und  setzt  das  Verfahren  so  lange  fort,  bis  eine  Abnahme  des  Ge- 
wichtes durch  Verdunstung  des  Wassers  nicht  mehr  ^\  ahrgenommen  wird.  Man 
nennt  das  so  getrocknete  Holz :  künstlich  getrocknetes,  gedarrtes 
oder  absolut  trockenes  und  die  Dichte  könnte  kurz  mit  Darrgewicht 
bezeichnet  werden. 

Für  den  Bedarf  der  Technik  genügt  meistens  die  Angabe  des  Lufttrocken- 
gewichtes. Die  Danebenstellung  des  Grüngewichtes  hat  schon  A\"enig  Wert,  des  Darr- 
ge^\•ichtes  bedarf  man  in  der  Praxis  schon  gar  nicht.  Wohl  aber  ist  das  Darrge- 
wicht (spezifische  A  b  s  o  1  u  1 1  r  o  c  k  e  n  g  e  w  i  c  h  t)  für  die  Zwecke  der 
wissenschaftlichen  Forschung  von  g  r  ö  ß  t  e  r  W  i  c  h  t  i  g  k  e  i  t  und 
nicht  zu  umgehen,  da  es  a  1 1  e  i  n  eine  feststehende,  von  dem  Einflüsse  des  variablen 
Wassergehaltes  befreite  Größe  darstellt.  Holz,  das  längere  Zeit  in  trockenen,  zeit- 
weilig geheizten  Räumen  (Zimmern)  aufbewahrt  \nirde,  hat  einen  Feuchtigkeits- 
gehalt von  et\\"a  10  bis  13  %  (es  ist  zimmertrocken) ;  Holz  in  geschlossenen  Schuppen 


Dichte  des  Holzes.   §  1  j. 


373 


einen  solchen  von  etwa  13  bis  17  "i,  (lufttrocken),  Holz  in  feuchten  Räumen,  im 
Freien  unter  Dach  oder  in  Kellern  aufbewahrt,  zeigt  schließlich  einen  Feuchtig- 
keitsgehalt von  etwa  17  bis  22  °o  (kellerfeucht). 

Mit  Rücksicht  auf  die  Labilität  des  lufttrockenen  Gewichtes,  das  sich  ja  jeden 
Augenblick  mit  dem  Feuchtigkeitsgehalte  der  atmosphärischen  Luft  ändert,  mit 
Rücksicht  auf  den  Umstand,  daß  die  spezifischen  Gewielite  im  grünen  und  luft- 
trockenen Zustande  innerhalb  derselben  Holzart  mit  der  Exposition  des  Baumes, 
mit  der  .Jahreszeit,  mit  dem  Klima,  mit  der  örtlichen  Lage  im  Baume  selbst  schwanken, 
endlich  im  Hinblicke  auf  die  unvermeidlichen  Beobachtungsfehler  bei  den  gewöhn- 
lichen Bestimmungsmethoden  ist  es  zweckmäßig,  die  Dichten  nach  G  r  e  n  z  w  e  r- 
t  e  n  anzugeben. 

Tabelle  I. 


Namen   der   Holzarten 


Spezifisches  Gewicht 


Grün 


Lufttrocken 


Grenzen 


Mittel- 
zahl II 


Grenzen 


Mittel- 
zahl 


Ahorn  (Bergahorn,  .\cer  pseudoplatanus  L.)  .     .     .     . 

„     (Feldahorn,  Acer  canipestre  L.) 

„     (Spitzahorn,  Acer  platanoides  L.)       .... 

Akazie(Robinia  Pseudacacia  L.)        

Apfelbaum  (Pyrus  malus  L.) . 

Aspe  (Populus  tremula  L.) 

Birke  (Weißbirke,  Betula  alba  L 

Birnbaum  (Pyrus  communis  L.l . 

Buche  (Rotbuche,  Fagus  sylvatica  L.) 

Cypresse  (Cupressus  fastigiata  DC.) 

Edelkastanie  (Castanea  vesca  Gärtn.) 

Eibenbaum  (Taxus  baccata  L.) 

Eiche  (Stieleiche,  Ouercus  pedunculata  Erh.)     .     .     .     , 

„     (Traubeneiche,   Ouercus  sessiliflora  Lm.) .     .     .     . 

Elsbeerbaum  (Sorbus  torminalis  Crantz) 

Erle  (Schwarzerle,  Alnus  glutinosa  Gärtn.) 

Esche  (Fraxinus  excelsior  L.) 

Feldrüster  (Ulmus  campestris  L.) 

Fichte  (Rottanne,  Picea  excelsa  Lk.) 

Föhre  (Weißföhre,  gemeine  Kiefer,  Pinus  sylvestris  L.)    . 

„     (Schwarzkiefer,  Pinus  laricio  var.  austriaca  Traft.) 

„     (Weymouthskiefer,  Pinus  Strobus  L.)       .     .     .     . 

„     (Zirbelkiefer,  Pinus  Cembra  L.)        

Hopfenbuche  (Ostrya  vulgaris  WilM  ) 

Kirschbaum  (Prunus  avium  L.) 

Lärche  (Larix  europaea   D.  C.) 

Linde,  kleinblättrige  (Tilia  parvifolia  Ehrh.) 

Maulbeerbaum  (Morus  nigra  L.) 

Mehlbeerbaum  (Sorbus  .\ria  Crantz) 

Oelbaum  (Olea  europaea  L.)    ....  

Pappeln  (Populus  sp.) 

Platane  (Platanus  occidentalis  L.) 

Roßkastanie  (.aesculus  Hippocastanum  L.) 

Salweide  (Sali.x  caprea  L.) 

Tanne  (Weißtanne,  Edeltanne,  Abies  pectinata  DC.)    . 

Wachholder  (Juniperus  communis  L  ) 

Wallnußbaum  (Juglans  regia  L.) .     .     . 

Weiden  (Sali.x  sp.) 

Weißbuche  (Carpinus  Betulus  L.) 

Zwetschgenbaura  (Pflaumenbaum,   Prunus  domestica  L.) 


0,83 — 1,04 
0,87 — 1,05 
0,90 — 1,02 
0,75 — 1,00 
0,95 — 1,26 
0,61 — 0,99 
0,80 — 1,09 
0,96 — 1,07 
0,90 — 1,12 

0,84 — 1,14 
0,97 — 1,10 
0,93—1,28 
0,87—1,16 
0  87 — 1,13 
0,63—1,01 
0,70 — 1,14 
0  73—1,18 
0,40 — 1,07  j 
0,38—1,03  ( 
0,90 — 1,11 
0,45—1,02 


0,65 — 1,05 
0,52—1.00 
0,61 — 0,87 
0,87 — 1,18 
1,02 — 1,21 


0,78—0,99 
0,76 — 1,04 
0,73—0,97 
0,77—1,23 
1  02 — 1,12 
0,91 — 0,92 

0,92 — 1,25 
0,87—1,17 


0,94 
0,96 
0,96 
0,88 
1,11 
0,80 
0,95 
1,02 
1,01 

0,99 
1,04 
1,11 
1,02 
1,00 
0,82 
0,92 
0,96 
0,74 
0,70 
1,00 
0,74 
0,88 
1,05 
0,93 
0,81 
0,74 
1,02 
1,12 

0,75 
0,89 
0,90 
0,85 
1,00 
1,07 
0,92 
0,78 
1,09 
1,02 


0,53—0,79 
0,61 — 0,74  i 
0,56 — 0,81  l 
0,58 — 0,85 
0,66 — 0,84 
0,43 — 0,56 
0,51 — 0,7  7 
0,71 — 0,73  j 
0,66 — 0,83  i 

0,60 — 0,72 
0,74 — 0,94 
0,69 — 1,03  ! 
0,53 — 0,96 
0,69 — 0,89 
0,42 — 0,64 
0,57—0,94  j 
0,56—0,82 
0,35 — 0,60 
0,31 — 0,74 
0,38—0,76 
0,31 — 0,56 


0,57 — 0,78 
0.44 — 0,80 
0,32 — 0,59 

0,73 — 1,02 
0,84 — 1,12 

0,61—0,68 
0,52 — 0,63 
0,43—0,63 
0,37 — 0,60 
0,53 — 0,70 
0,65 — 0,71  j 

0,62 — 0,82  ' 
0,68—0,90  , 


0,66 

0,68 

0,69 

0,75 

0,75 

0,50 

0,64 

0,72 

0,75 

0,66 

0,66 

0,84 

0,76 

0,75 

0,79 

0,53 

0  76 

0,69 

0,48 

0,52 

0,57 

0,40 

0,44 

0,84 

0,64 

0,60 

0,46 

0,82 

0,88 

0,98 

0,43 

0,65 

0,58 

0,53 

0,45 

0,62 

0,68 

0,46 

0,82 

0,80 


374  I^  •'^-    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

Das  Grüngewicht  der  fremdländischen  Hölzer  ist  nur  in  sehr  wenigen  vereinzel- 
ten Fällen  bekannt,  und  wir  müssen  uns  daher  darauf  beschränken,  die  mittlere 
Dichte  im  lufttrockenen  Zustande  nach  einer  Zusammenstellung  von  M  o  e  1 1  e  r 
u.  a.  hier  vorzuführen: 

Holzart.  Dichte. 

Amaranth  (Copaifera  bracteata)        .     .     .     0,9 

Bambus  (Bambusa) 0,4 

Brasilienholz  (Caesalpinia  brasiliensis)   .     .     1,1 

Bruyere  (Erica  arborea)       1,0 

Cocoholz  (Inga  vera)        1,3 

Ebenholz,  schwarzes  (Diospyros  Ebenum)        1,2 

Eisenholz  (Mesua  sp.) 1,1 

Fernambuk  (Caesalpinia  echinata)     .     .     .     0.8 
Grenadille  (Brya  Ebemis)  (Dalbergia)        1,1—1,3 

Grünholz  (Nectandra  sp.) 1,0 

Guajak  (Guajacum  officinale)       .     .     .     0,7 — 1,4 
Jacaranda  (.Jacarandra  brasiliensis)       .     .     0,7 
Kokus  (Lepidostachys  Roxburghii)   .     .     .     1,4 
Mahagoni  (Swietenia  Mahagoni)   .     .     .     0,6 — 0,9 

Padouk  (Pterocarpus  indicus) 0,7 

Rosenholz  (Convolvulus  scoparius)    .     .     .     1,0 
Satinholz  (Ferolia  guyanensis)      .     .     .     .     1,0 

Teak  (Tectona  grandis) 0,8 

Veilchenholz  (Acacia  homalophylla)       .     .     1,1 
Zebraholz  (Omphalobium  Lamberti)      .     .     1,1 

Die  hier  eingeschalteten  Tabellen  dürften  für  die  technische  Praxis  vollständig 
ausreichen.  Die  Forstleute  und  Holzhändler,  sowie  die  Holzindustriellen  legen  wohl 
den  Daten  über  spezifisches  Gewicht  eine  höhere  Bedeutung  bei  als  die  Ingenieure, 
indem  dieses  direkt  auf  die  Verwendung  und  die  Transportkosten  Einfluß  nimmt, 
andererseits  als  ein  Wertmesser  für  die  Härte,  Festigkeit,  Dauer,  Brennkraft  etc. 
gilt.  Um  den  Stand  der  Auffassung,  die  der  gebildete  Forstwirt  von  der  Rolle 
hat,  welche  die  Dichte  des  Holzes  spielt,  zu  charakterisieren,  verweisen  wir  auf 
G  a  y  e  r  s  Forstbenutzung,  in  welchem  Werke  ausführlich  berichtet  wird,  von  N\el- 
chen  Faktoren  die  Dichte  des  Holzes  abhängig  ist,  resp.  welche  Umstände  maßgeben- 
den Einfluß  auf  das  spezifische   Gewicht  einer  Holzart  nehmen. 

Die  Bestimmung  des  spezifischen  Gewichtes  zum  Behufe  der  Erlangung  von 
beiläufig  richtigen  Ziffern  mit  Ausschluß  der  durch  wissenschaftliche  Zwecke  ge- 
gebenen Aufgaben  erfolgt  nach  den  allgemein  gebräuchlichen  Methoden  unter  der 
Einhaltung  gewisser,  durch  die  Natur  des  Holzes  gegebener  Vorschriften  ^). 

§  16.  2.  D  e  r  W  a  s  s  e  r  g  e  h  a  1 1.  Das  grüne  oder  frische  Holz  enthält 
beiläufig  zur  Hälfte  seines  Gewichtes  Wasser.  So  schreibt  man  den  harten  Laub- 
hölzem  einen  Jahresdurchschnitt  an  perzentualem  Wassergehalt  von  42,  den  weichen 
Laubhölzem  von  52  und  den  Nadelhölzern  von  57  Gewichtsteilen  zu.  Das  Wasser, 
welches  im  grünen  Holze  enthalten  ist,  füllt  die  Zellräume  zum  großen  Teile  aus 
und  durchdringt  die  Zellwände.  Nach  der  Fällung  des  Holzes  beginnt  sofort  eine 
Wasserabgabe  an  die  atmosphärische  Luft,  welche  quantitativ  stets  abnimmt.  Das 
Imbibitions-  Wasser  wird  so  lange  verdunsten,  bis  ein  gewisser  Gleichsewichts- 


1)  Vergl.  N  ö  rd  1  i  n  g  e  r  a.  a.  O.  (S.  115  u.  ff.). 


Der  Wassergehalt.    §  IG.  375 

zustand  zwischen  der  Spannung  der  atmosphärischen  Luft  und  dem  Verdunstungs- 
streben des  Wassers  im  Holze  eintritt:  Das  Holz  ist  lufttrocken  geworden, 
enthält  aber  in  diesem  Zustande,  wie  oben  angegeben  \\'urde,  noch  immer  eine  be- 
deutende Quantität  Wasser,  deren  Größe  von  der  wasserhaltenden  Kraft  verschie- 
dener Zellmembranen  und  Inhaltsstoffe  abhängt.  Dieses  im  lufttrockenen  Holze 
enthaltene  Wasser  kann  man  mit  Recht  hygroskopisches  Wasser  nennen, 
indem  sich  der  Gehalt  desselben  mit  dem  Feuclitigkeitszustande  der  Luft  proportional 
ändert.  Die  Wasserhaltungskraft  des  Holzes  ist  je  nach  der  Holzart  verschieden, 
bei  den  Nadelhölzern  größer  als  beim  Laubholze.  Das  hygroskopische  Wasser  kann 
nur  auf  dem  Wege  der  künstlichen  Trocknung  aus  dem  Holze  entfernt 
werden.  Beide  Arten  von  Wasser,  dasjenige,  welches  durch  Dunstung  von  selbst 
aus  dem  Holze  austritt,  und  jenes,  welches  nur  durch  Wärmezufuhr  beseitigt  werden 
kann,  d.  i.  verdampft  werden  muß,  bilden  zusammen  den  \^'  a  s  s  e  r  g  e  h  a  1 1 , 
welcher  mit  der  Holzart,  der  Jahreszeit,  dem  Baumteile,  dem  Standorte  etc.  wechselt. 
Das  im  Holze  enthaltene  Wasser  ist  nie  chemisch  reines  Wasser  und  bekanntlich 
wechselt  die  Menge  und  Art  der  gelösten  Stoffe,  Saftstoffe,  bei  derselben  Holz- 
gattung je  nach  dem  Individuum,  der  .Jahreszeit,  dem  Klima  etc. 

So  wie  der  Gehalt  an  hygroskopischem  Wasser  im  lufttrockenen  Zustande  mit 
der  Witterung  und  mit  dem  Feuchtigkeitsgehalte  der  Luft  wechselt,  ab-  und  zunimmt, 
so  kann  man  dem  Holze  auch  den  gesamten  Wassergehalt,  den  es  beim  Uebergange 
vom  grünen  in  den  lufttrockenen  Zustand  verloren  hat,  wieder  zuführen  durch  das 
,,T  ranken  des  Holze  s",  d.  h.  durch  das  Untertauchen  des  Holzes  in  Wasser 
eine  entsprechende  Zeit  hindurch. 

Die  Hölzer  sind  fähig,  mehr  Wasser  aufzunehmen,  als  sie  ursprünglich  im  frisch 
gefällten  Zustande  besaßen,  besonders  dann,  wenn  beim  Tränken  durch  eine  höhere 
Wassersäule  ein  besonderer  Druck  ausgeübt  wird.  Doch  steht  die  Quantität  des  auf 
künstlichem  Wege  dem  Holze  zugeführten  und  von  diesem  aufgenommenen  Wassers 
in  einem  appro.ximativen  ^^erhältnisse  zu  der  bei  der  Austrocknung  verdunsteten 
Wassermenge. 

Das  mit  Wasser  völlig  getränkte  Holz  hat  ein  höheres  Gewicht,  als  das  Grün- 
gewicht betrug.  W  e  i  ß  b  a  c  h  beobachtete,  daß  auch  frisch  gefälltes  Holz  durch 
Tränkung  mit  Wasser  noch  eine  bedeutende  Menge  desselben  aufzunehmen  imstande 
ist. 

Speziell  über  das  Wasser-Aufsaugungs- Vermögen  stellte  Forst- 
verwalter L.  H  a  m  p  e  1  in  Gußwerk  (Zentralblatt  f.  d.  ges.  Forstwesen,  1881)  einen 
Versuch  an,  der  die  aufgenommene  Wassermenge  in  Prozenten  des  Volumens  der 
Versuchsstücke  zum  Ergebnis  hatte.    Siehe  folgende  Tabelle: 

Holzart.  Volumenprozente  Wasseraufnahme. 

Bergahom 58,671 

Esche       47,322 

Rotbuche 43,347 

Kiefer 39,174 

Birke 38,879 

Ulme        36,360 

Fichte 33,540 

Eibe 33,036 

Lärche 23,529 

Um  im  nächsten  Kapitel  nicht  wieder  darauf  zurückkommen  zu  müssen,  sei 
hier  erwähnt,  daß  das  Quellen  lufttrockenen  Holzes  und  die  Wasseraufnahme  nicht 


376  IX  A-    E  >;  "  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

gleichen  Schritt  halten.  Ersteres  ist  nach  den  Beobachtungen  Weißbachs  binnen 
1% — ^2  Monaten  beendigt,  die  Gewichtszunahme  erfordert  aber  viele  Jahre,  um  ihr 
Maximum  zu  erreichen. 

Nach  den  Beobachtungen  J  a  n  k  a  s  betrug  das  schließliche,  nach  lOjähriger 
Lagerung  in  Wasser  konstatierte  spezifische  Wassersättigungsgewicht 
beim  Fichtenholze 1,125 


1,130 
1,148 
1,134 
1,162 
1,188 


beim  Tannenholze        .     .     . 

beim  Weißtöhrenholze.     .     . 

beim  Schwarzföhrenholze 

beim  Lärchenholze       .     .     . 

beim  Rothuchenholze       .     . 
Diese  durch  Wasseraufnahme  hei-vorgerufene  bedeutende  Gewichtsvermehrung 
ist  für  den  Schwemmbetrieb  sowie  bei  der  Berechnung  des  Gewichtes  der  Holzwände 
beim  Schiffbau  und  des  schließlichen  Gewichtes  der  hölzernen  Wasserräder  nicht 
ohne  Bedeutung. 

Den  Gesamt- Wasser  geh  alt  nennt  man  auch  die  absolute 
Feuchtigkeit  des  Holzes.  Zur  Beftimmung  derselben  sind  verschiedene,  mehr 
oder  minder  präzise  JMethoden  eingeschlagen  worden.  In  jenen  Fällen,  wo  es  sich 
um  die  Auffindung  eines  gesetzmäßigen  Zusammenhanges  zwischen  dem  Wasser- 
gehalte und  anderen  physikalischen  oder  mechanisch-technischen  Eigenschaften  des 
Holzes  gehandelt  hat,  wurde  natürlich  getrachtet,  ein  möglichst  zuverlässiges  und 
genaues  Resultat  zu  erlangen.  In  dieser  Beziehung  sind  bemerkenswert  die  Ver- 
fahrungsweisen  von  :Chevandier  und  W  e  r  t  h  e  i  m  ,  B  a  u  s  c  h  i  n  g  e  r  (,,Mit- 
teilungSfi  aus  dem  mechanisch-technischen  Laboratorium  der  Kgl.  Technischen  Hoch- 
schule in  München",  1883),  Tetmajer  (,, Mitteilungen  der  Anstalt  zur  Prüfung 
von  Baumaterialien  am  eidgenössischen  Polytechnikum  in  Zürich",  2.  Heft,  1884), 
endlich  Hermann  Schild  (Mitteilungen  aus  den  Kgl.  Mech.-Techn. Versuchs- 
anstalten in  Berlin"  IV.  Jahrgang,  3.  Heft,  1886)  i). 

Die  letztangeführte  Untersuchung  ist  eine  erschöpfende  Darstellung  aller  Ver- 
hältnisse, welche  auf  die  Richtigkeit  des  Resultates  Einfluß  nehmen  können.  Diese 
höchst  beachtenswerte  Forschung  führte  eigentlich  zu  einem  negativen  Resultate, 
nämlich  zu  der  Erkenntnis,  daß  alle  bisher  gewählten  IMethoden  zur  Bestimmung  des 
absoluten  Wassergehaltes  vollkommen  richtige  Ergebnisse  zu  liefern  nicht  geeignet 
sind  und  daß  bei  Nadelholz  zur  Erlangung  von  für  die  wissenschaftliche  Forschung 
verwertbaren  Daten  Harzgehalts-Bestimmungen  imerläßlich  sind. 
Alle  bisher  zustande  gebrachten  Versuchsergebnisse  über  den  absoluten  Wasser- 
gehalt können  daher  nur  als  Nähemngswerte  aufgefaßt  werden. 

Eine  interessante  Arbeit:  ,jUeber  den  Einfluß  der  Feuchtigkeit  auf  den  Längen- 
zustand von  Hölzern"  -)  rührt  von  R.  Hildebrand  her,  welche  folgende  Punkte 
umfaßt:  1.  Untersuchungen  über  die  Längenunterschiede  von  Hölzern  in  völlig 
trockenem  Zustande  und  dem  Zustande  der  Feuchtigkeit,  der  durch  gesättigte  feuchte 
Luft  eintritt,  die  entsprechenden  Wasserquantitäten  und  endlich  den  Einfluß  der 
vollständigen  Tränkung  der  Hölzer  mit  Wasser;  2.  die  täglichen  Schwankungen  an 
Gewicht  und  Länge  und  3.  inwieweit  eine  geeignete  Behandlung  des  Holzes,  als  z.  B. 
Politur,  Lacküberzug,  Tränkung  mit  Paraffin  usw.  die  Einflüsse  der  Feuchtigkeit 
in  bezug  auf  Länge  und  Gewicht  hintanzuhalten  vermag. 


1)  Siehe  auch  die  Feuchtigl^eilsbestimmung  in  den  \'orschriften  für  einheitliche  Prüfungs- 
verfahren für  Holz,  Seile  390  dieser  Abhandlung. 

2)  Annalen  der  Physik  und  Chemie,  Band  XXXIV,  Heft  2.    Leipzig  1888. 


Noluiasveränüerlichkeil.     §   17.  377 

§  17.  3.  V  o  1  u  111  s  V  e  r  a  n  d  e  r  1  i  c  h  k  e  i  t.  Es  wurde  sclion  weiter  oben 
auseinanderiresetzt,  daß  die  Abnahiiie  an  \\'asseri;ehalt  heim  Holze,  ob  sie  sich  nun 
auf  dem  Wege  der  natürhchen  Trocknung  vollzieht,  oder  durch  künstliche  Zufuhr 
von  Wärme  beschleunigt  wird,  eine  X'erkleinenmg  des  Volumens  zur  Folge  hat.  Das 
Seh  w  i  n  d  e  n  ,  die  Seh  w  i  n  d  u  n  g  oder  die  Schrumpfung  vollzieht  sich 
jedoch  nicht  nach  allen  Richtungen  im  Holzkörper  gleichartig.  Das  Holz  ist  auffal- 
lend anisotrop. 

Jene  Größe,  welche  die  Volumsveränderung  an  einer  bestimmten  Dimension 
des  Holzkörpers  angibt,  die  mit  einer  der  Hauptrichtungen  im  Stamme :  Axe,  Radius 
oder  Sehne  zusammenfällt,  nennt  man  lineares  Seh  wind  maß,  dasselbe 
drückt  die  Schwindung  in  Prozenten  der  Längeneinheit  aus. 

Von  dem  linearen  Schwindmaße  ist  zu  unterscheiden  die  Flächenschwindung 
und  die  Volumsschwindung,  das  ist  die  Differenz  in  der  Oberflächenausdehnung 
oder  in  dem  gesamten  Körperinhalte  des  Holzes,  welche  sich  aus  dem  \'ergleiche 
bestimmter  Teile  der  Oberfläche  oder  des  ganzen  Körperinhaltes  im  grünen  und 
trockenen  Zustande  ergibt. 

Die  Oberflächen-Schwindung  wird  selten  in  Betracht  gezogen;  auch  das  lineare 
Schwindmaß  nach  der  Achsenrichtung  des  Holzes  wird  häufig  seiner  Geringfügigkeit 
wegen  unbeachtet  gelassen.  Dagegen  interessiert  den  Techniker  zumeist  das  lineare 
Schwindmaß  nach  der  radialen  Richtung  und  bezüglich  der  Sehnenrichtung;  den 
Forstmann  die  gesamte  Sch\^■indung  des  Körperinhaltes,  die  Volumen-Schwindung. 

Nachdem  die  Schwindung  die  Folge  der  Abgabe  von  Wasserdünsten  des  Holzes 
an  die  umgebende  Luft  ist,  so  richtet  sich  die  Dauer  des  Schwindungsprozesses  in 
der  Hauptsache  nach  der  Dauer  des  Dünstungsprozesses.  Genau  genommen  wird 
jedoch  im  Anfange  des  Trocknens  die  Feuchtigkeit  aus  den  offenstehenden  Holz- 
poren austreten.  Der  Austritt  dieser  zuerst  sich  verflüchtigenden  Feuchtigkeit 
äußert  noch  keine  merkbare  Wirkung  auf  die  Dimensionen  des  Holzes.  Je  mehr 
aber  die  Holzzellen  ihre  Feuchtigkeit  im  weiteren  Verlaufe  der  Austrocknung  ab- 
geben, desto  energischer  tritt  die  Schwindung  auf.  Das  Schwinden  folgt  also  im  An- 
fange zögernd,  später  unmittelbar  und  mehr  proportional  der  Wasserabgabe. 

Aus  demselben  Grunde  ist  die  Rückwirkung  des  Feuchtigkeitsgehaltes  in  der 
Luft  auf  das  ^'olumen  des  Holzes,  sei  sie  eine  Abnahme  oder  eine  Zunahme,  nicht 
eine  augenblickliche,  sondern  die  Volumsverändei-ungen  folgen  allmählich  oder,  wie 
Nördlinger  sagt,  ,,in  einiger  Entfernung"  jenen  Veränderungen  des  Feuchtigkeits- 
zustandes im  Holze,  die  es  seiner  Hygroskopizität  verdankt. 

Die  Dauer  des  Schwindens  ist  konform  der  Dauer  des  Austrocknens  bei  den 
weichen  Nadelhölzern  eine  auffallend  geringere,  als  bei  den  harten  Hölzern.  Das 
langsam  trocknende  Kernholz  schwindet  langsamer,  als  der  Splint. 

Bei  einer  und  derselben  Holzart  schwindet  das  spezifisch  schwerere  Holz  stärker 
als  das  leichtere. 

Robert  Hartig  hat  eine  sehr  bemerkenswerte  Studie  über  den  Einfluß 
des  Holzalters  und  der  Jahrringbreite  auf  die  Menge  der  organischen  Substanz,  das 
Trockengewicht  und  das  Schwinden  des  Holzes  angestellt,  welche 
in  mehreren  Jahrgängen  der  ,,Untersuchungen  des  forstbotani- 
schen Institutes  ]klünche  n"  von  1882  ab  publiziert  ist. 

Einen  sehr  bedeutenden  Einfluß  auf  die  Dauer  der  Schwindung  und  die  Größe 
derselben  übt  der  Umstand  aus,  ob  das  Holz  in  vollkommen  oder  nur  teilweise  be- 
rindetem  Zustande  oder  gänzüch  entrindet  der  Austrocknung  unterzogen  wird.  Es 
ist  femer  von  Bedeutung,  ob  das  Schwindmaß  an  aus  dem  Massiv  des  Holzes  heraus- 


378 


IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 


gearbeiteten  axialen,  radialen  oder  Sehnen-Stäben  gemessen  wird,  oder  ob  man  die 
Schrumpfung  der  Radien  und  Sehnen  an  kompletten  Stammscheiben  untersucht. 
Auch  bei  diesen  stellen  sich  wesentliche  Unterschiede  heraus,  wenn  die  Zusammen- 
ziehung des  Holzes  durch  einen  Radialschnitt  erleichtert  wird.  Nördlinger  war 
der  erste,  welcher  eine  rationell  angelegte  Forschung  über  die  bei  der  Schwindung 
auftretenden  Erscheinungen  angestellt  hat.  Er  hat  den  Einfluß  der  Rinde  auf  die 
Schwindung  erwogen,  ebenso  die  Schwindungs-Verhältnisse  im  Kern-  und  Splint- 
Halbmesser,  an  den  Kern-  und  Splint-Sehnen,  je  nachdem  dieselben  frei  gelegt  oder 
im  kompakten  Holze  befindlich  waren. 

Aus  der  Verschiedenheit  des  Kernes  und  Splintes  in  Beziehung  auf  ihr  Ver- 
halten beim  Schwinden  entstehen  Erscheinungen,  welche,  wie  das  Klemmen, 
das  ist  die  Verengerung  von  Schnittfugen,  zuerst  von  Nördlinger  mit  großer 
Klarheit  erörtert  wurden. 

Die  N  ö  r  d  1  i  n  g  e  r  sehen  Untersuchungsmethoden  haben  in  wenigen  ver- 
einzelten Fällen  noch  weitere  Ausbildung  erfahren  ^). 

Nördlinger  ließ  sich  bei  seinen  Arbeiten,  welche  gerade  in  dem  Kapitel 
,, Schwindung"  besonders  mustergültig  sind,  hauptsächlich  von  der  Absicht  leiten, 
einerseits  den  Zusammenhang  zwischen  den  Verschiedenheiten  des  anatomischen 
Baues  des  Holzes,  dem  Wassergehalt  in  den  einzelnen  Teilen  des  Holzes  im  Baume 
usw.  und  andererseits  den  Vorgängen  bei  der  Schwindung  aufzufinden.  Bei  diesen 
Arbeiten  steht  Nördlinger  als  Botaniker  und  Holzanatom  im  Vordergrund. 
Doch  sind  von  ihm  auch  die  Konsequenzen  der  Schwindungsverhältnisse  bei  ver- 
schiedenen Holzsortimenten:  Spalthölzern,  Pfosten,  Brettern  usw.,  in  so  anschaulicher 
Weise  dargestellt  worden,  daß  sich  eine  große  Zahl  von  Autoren  auf  dem  Gebiete 
der  Forstwissenschaft  und  Technik  nicht  versagen  konnte,  Nördlinger  abzu- 
schreiben und  die  erläuternden  Figuren  zu  kopieren.  So  kommt  es,  daß  man  gewissen 
graphischen  Darstellungen  der  Form  und  Abmessungen  von  verschiedenen  Holz- 
sortimenten nach  vollzogener  Schwindung  in  einer  großen  Anzahl  von  Büchern  neuen 
und  neuesten  Datums  begegnet.  Wir  können  daher  füglich  darauf  verzichten,  noch- 
mals eine  Wiederholung  dieser  Darstellung  unseren  Lesern  anzubieten.  Der  Voll- 
ständigkeit halber  müssen  wir  aber  hier  eine  kleine  Tabelle  über  das  Schwindmaß 
der  technisch  wichtigen  Hölzer  anfügen. 


Schwindung 

Schwindung 

radial  tangential 

radial 

tangential 

Ahorn 

2,56 

4,90 

Robinie 

3,90 

5.80 

Birke 

4,50 

6,50 

Rotbuche 

4,65 

8,36  2) 

Eiche 

3,08 

5,52 

Schwarzkiefer 

2,79 

4,82 

Erle 

3,16 

4,15 

Tanne 

2,01 

5,32 

Esche 

4,60 

7,20 

Ulme 

3,27 

5,10 

Fichte 

2,25 

4,85 

Weißbuche 

6,09 

9,00 

Hopfenbuche 

4,32 

7,67 

Weißkiefer 

2,29 

4,78  3) 

Lärche 

3,04 

6,06 

Weide 

2,85 

5,55 

Linde 

5.73 

7,17 

1)  Siehe    Schwindungs-\'ersuche   in:   W.  F.  E  x  n  e  r,    Studien   über   das   Rotbuchenholz; 
Wien  1875  (S.  59). 

2)  E  X  n  e  r  fand  durch  seine  eigenen  Untersuchungen  bei  Rotbuchenholz  das  Schwind- 
maß des  Radius  in  der  vollen  Scheibe  mit  4%,  das  Schwindmaß  der  Sehnen  in  der  vollen  Scheibe 


3)  Vergl.  die  interessante  Monographie:  R.  H  a  r  t  i  g  ,    .Das  spezifische  Frisch-  und  Trocken- 
gewicht, der  Wassergehalt  und  das  Schwinden  des  Kiefernholzes."    Berlin  1874. 


Volumsveränderlichkeit.    §  17.  379 

M  o  e  1 1  e  r  beschränkt  sich  darauf,  anzugeben,  daß  die  Nadelhölzer  im  allge- 
meinen am  wenigsten  schwinden  und  die  gebräuchlichsten  Tischlerhölzer  nach  der 
Größe  des  Schwindmaßes  in  aufsteigender  Reihe  geordnet  anzuführen  wie  folgt: 
Ahorn,  Pappel,  Eiche,  Ulme,  Buche,  Linde,  Nuß. 

Die  Schwindung  in  der  Faserrichtung  beträgt  durchschnittlich  0,1  %,  in  der 
Sehnenrichtung  durchschnittlich  10%  und  in  der  radialen  Richtunc:  durchschnittlich 
5%.  Von  allen  untersuchten  Arten  ausländischer  Hölzer  schwindet  Mahagoniholz 
am  wenigsten,  nämlich  nach  der  Breite,  im  Sinne  der  Spiegel  nur  1,09%,  im  Sinne 
der  Jahrringe  nur  1,69%.  — 

Karmarsch  knüpft  an   die  einschlägigen  Daten  einer  ?ehr  vollständigen 

Tabelle  folgende  Bemerkungen: 

Von  dem  bedeutenden  Unterschiede  zwischen  der  Schwindung  des  Längenholzes  und 
jener  des  Querholzes  überzeugt  man  sich  oft  an  Zeichenbrettern  u.  dergl.,  welche  mit  soge- 
nannten Hirnleisten  oder  eingeschobenen  Gratleisten  versehen  sind,  indem  hier  nach  längerer 
Zeit,  wenn  das  Brett  durch  Eintrocknen  schmäler  geworden  ist,  die  Enden  der  erwähnten, 
nicht  merklich  verkürzten  Leisten  über  den  Band  etwas  vorspringen.  —  Hölzerne  Gemäße 
(zu  Korn,  Mclil  etc.)  werden  häufig  durch  Rundbiegen  eines  —  gespaltenen  oder  geschnittenen 
—  dünnen  Eichenholzbrettes  gebildet,  wobei  die  Fasern  in  der  Peripherie  herum  liesen.  die 
Gemätiwand  ilirer  Höhe  nach  aus  Querholz  besteht;  auf  solche  Weise  verfertigt,  verkleinern 
sie  ihren  Fassungsraum  durch  .\ustrocknung,  oder  vergrößern  sie  denselben  durch  Feuchtig- 
keit bemerkbar  mehr,  als  wenn  das  Gemäß  aus  Stäben  (Dauben)  zusammengesetzt  ist;  denn  im 
letzteren  Falle  ist  in  der  Richtung  der  Wandhöhe  Längenholz,  welches  viel  weniger  schwindet 
und  quillt.  Nach  genauen  \'ersuchen  vergrößerten  Gemäße  von  rundgebogenem  Eichenholze, 
bei  welchen  die  Tiefe  sehr  nahe  dem  inneren  Durohmesser  gleich  kam,  nachdem  sie  zuerst  im 
warmen  Zimmer  ausgetrocknet  waren,  durch  achttägiges  Verweilen  in  einem  feuchten  Keller 
ihren  Inhalt  um  1 — 2^/5%  (durchschnittlich  nahe  2%);  wogegen  die  Vergrößerung  bei  den 
aus  Stäben  zusammengesetzten  Gemäßen  (halb  so  tief  als  weit)  nur  ^:\„  bis  -'i°o  (im  Durchschnitt 
etwa  73%)  l>etrug. 

Von  Hölzern,  welche  geringe  Unterschiede  in  den  Abmessungen  bei  dem  durch 
den  Feuchtigkeitsgehalt  der  Luft  auftretenden  Schwinden  und  Quellen  zeigen,  sagt 
man,  daß  sie  ,,gut  stehen".  Im  Gegensatze  hiezu  bezeichnet  der  Sprachgebrauch 
den  Umstand,  daß  das  Holz  verschiedene  Volumina  annimmt,  mit  den  Worten  ,,es 
arbeitet". 

Ueber  die  Zunahme  der  Abmessungen  des  Holzes  bei  neuerlicher  Steigerung  des 
Feuchtigkeitsgehaltes  nach  vorangegangener  Austrocknung,  die  sogenannte  Ouellung 
des  Holzes,  wurde  bereits  an  einer  früheren  Stelle,  soweit  es  notwendig,  gesprochen. 

Bisher  war  nur  von  den  Schwindungs-Erscheinungen  die  Rede,  welche  die 
natürliche  Austrocknung  begleiten.  Es  kann  nicht  überraschen,  daß  die  fortgesetzte 
Trocknung  auf  künstlichem  Wege  auch  zu  einer  Steigerung  der  Schwindung  führt, 
nachdem  im  Wege  der  künstlichen  Trocknung  noch  ein  Teil  des  Wassergehaltes  aus 
dem  lufttrockenen  Holze  beseitigt  werden  kann.  Die  Schwindung  vom  nassen  zum 
lufttrockenen  Zustande  ist  größer  als  diejenige  vom  lufttrockenen  zum  absolut- 
trockenen Zustande. 

Eingehende  Studien  über  die  Hygroskopizität  und  die  damit  zusam- 
menhängenden Erscheinungen  des  Schwindens  und  Quellens 
der  Hölzer  hat  J  a  n  k  a  unter  dem  Titel :  ..Die  Einwirkung  von  Süß-  und  Salzwässern 
auf  die  gewerblichen  Eigenschaften  der  Hauptholzarten"  veröffentlicht  *).  Es  wurden 
Rundklötze  der  Fichte,  Tanne,  Weißkiefer,  Lärche,  Rotbuche,  Eiche,  Ulme,  des 
Ahorns  und  Walnußbaumes,  teils  von  der  Sommer-,  teils  von  der  Winterfällung 


1)  Mitteilungen  aus  dem  forstlichen  \ersuchswesen  Oesterreichs.   XXXIII.  Heft.    Die  Ein- 
wirkung von    Süß-   und   Salzwässern  auf  die  gewerblichen   Eigenschaften   der   Hauptholzarten. 

I.  Teil.    Untersuchungen  und  Ergebnisse  in  mechanisch-technischer  Hinsicht.    \  on   G.   Janka. 

II.  Teil.    Untersuchungen  und  Ergebnisse  in  chemischer  Hinsicht,    ^■on  Dr.  N.  Lorenz  R.  v. 
Liburnau.    Wien  1907. 


380 


IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 


herrührend,  in  stehendes  und  fließendes  Süßwasser,  in  Salzsolen-Mutterlauge  und 
in  I\Ieer\vasser  eingebettet,  um  die  Wirkungen  zu  studieren,  welche  das  Wasser  auf 
die  Eigenschaften  des  Quellens,  Schwindens  und  Reißens,  dann  auch  auf  die  Druck- 
festigkeit der  so  behandelten  Hölzer  ausübt.  Selbstverständlich  wurden  die  gleichen 
Eigenschaften  auch  an  unausgelaugtem  Vergleichsholze  erhoben.  Die  Feuchtigkeits- 
verhältnisse, das  Schwinden  und  Quellen  wurden  teils  an  den  von  Nördlinger  empfoh- 
lenen Scheibenproben  (60grädigen  Kreissektoren),  teils  an  Pfosten  und  Brettern 
ermittelt,  die  aus  den  Rundhölzern  erzeugt  worden  waren. 

Bezüglich  der  Hygroskopizität,  welche  sich  aus  der  Zunahme  des  Feuchtig- 
keitsprozentsatzes der  lufttrockenen  Schwindungsscheiben  nach  5monatlicher  Lage- 
rung in  stets  feuchter  Luft  in  ziffermäßiger  Höhe  ergab,  \\'urde  konstatiert,  daß  das 
Süßwasser-Auslaugholz  am  wenigsten,  das  Salzwasser-Auslaugholz  am  stärksten 
hygroskopisch  war;  die  Zunahme  an  hygroskopischer  Feuchtigkeit  ist  aus  der  nach- 
folgenden Tabelle  II  zu  ersehen.  Korrespondierend  mit  der  Feuchtigkeits-Zu-  oder 
Abnahme  tritt  natürlich  auch  die  Ouellung  beziehungsweise  Schwindung  des  Holzes 
auf,  so  daß  das  in  Süßwasser  geschwemmte  Holz  weniger  quillt  und  schwindet  als  das 
nicht  ausgelaugte  Holzmaterial,  während  sich  das  in  Salzwasser  präparierte  Holz 
vermöge  seiner  vermehrten  Hygroskopizität  verschieden  verhält.  Die  Größe  des 
Schwind-  und  Ouellmaßes  ist  für  die  untersuchten  Holzarten  gleichfalls  aus  der 
Tabelle  H  zu  entnehmen. 


Tabelle  II. 


Lineare  Schwindung. 

Lineare  Quellung. 

Zunahme 

Mittelwert  zwischen 

Kern-  und  Splintholz, 
und  tangentialer 

an  hygroskopischer 

zwischen  radialer 

Feuchtigkeit  beim 

Schwindung  vom 

Quellung  vom 

Holzart 

unaus- 
gelaug- 

Süß- 

Salz- 

nassen  zum  lufttrockenen 
Zustande 

lufttrockenen  zum  feuchten 
Zustande 

ten 
Ver- 

wasser- 
Aus- 

wasser- 
Aus- 

in  Prozent  des  nassen 

in  Prozent  des  luft- 

gleichs- 

laug- 
holz 

laug- 
holz 

Zustandes 

trockenen  Zustandes 

holz 

Unge- 
schwemm- 
tes  Holz 

In  Süß-          Salz- 
wasser ge-      wasser- 
schwemm-  Auslaug- 

tes  Holz          holz 

TJnge- 
schwemm- 
tes  Holz 

In  Süß-         Salz- 

Wassergehalts-P 

rozente 

wasser  ge-     wasser- 
schwemm-j  Auslaug 
tes  Holz  1       holz 

Fichte 

11,56 

9,78 

14,71 

3,72 

3,63 

2,96 

2,56 

2,24 

2,49 

Tanne 

10,06 

9,13 

13,89 

3,03 

3,01 

2,38 

2,13 

2,00 

2,02 

Weißkiefer 

10,20 

8,52 

13,06 

3,61 

2,66 

2,53 

2,26 

1,56 

1,88 

Lärche 

10,03 

9,66 

12,81' 

4,21 

3,36 

3,21 

2,60 

2,13 

2,56 

Rotbuche 

11,21 

9,64 

15,13 

5,86 

5,30 

4,75 

3,39 

2,78 

3,52 

Eiche 

8,87 

8,62 

9,23 

4,04 

3,73 

3,92 

2,28 

2,03 

2,47 

Ulme 

10,60 

8,83 

15,40 

4,21 

4,39 

3,67 

2,42 

2,12 

2,57 

Ahorn 

11,07 

9,88 

16,32 

3,37 

3,54 

2,90 

2,39 

2,18 

2,24 

Nuß 

11,10 

8,00 

8,75 

3,85 

3,56 

3,48 

2  22 

1,73 

1,80 

Aus  Tabelle  H  ergibt  sich,  daß  die  lineare  Schwindung  vom  nassen  (waldgrünen) 
zum  lufttrockenen  Zustande  bei  dem  in  Salzwasser  ausgelaugten  Holze  am  kleinsten, 
beim  ungeschwemmten  Vergleichsholze  am  größten  ist,  weil  das  Salzholz  infolge  der 
hygroskopischen  Wirkung  des  Salzgehaltes  bei  der  Trocknung  zum  lufttrockenen 
Zustande  unter  sonst  ganz  gleichen  Bedingungen  die  meiste  Feuchtigkeit  zurückhält 
und  daher  nicht  so  schnell  austrocknet  und  schwindet  wie  das  weniger  hygroskopische 
ungeschwemmte  und  das  in  Süßwasser  ausgelaugte  (geflößte)  Holz.    Dagegen  quillt 


Folgen  der  Hygroskopizität  und  Nolumsveränderlichkeit.    §  18.  381 

das  in  Süßwasser  geschwemmte  Holz,  ^\■em^  es  nach  der  Austrocknung  Gelegenheit 
findet,  Wasserdunst  aus  der  umgebenden  Luft  anzuziehen,  am  wenigsten,  ist  also 
am  schwächsten  hygroskopisch,  während  das  unausgelaugte  Holz  dabei  die  stärksten 
linearen  (und  Volums-)Veränderungen  erleidet. 

Es  ist  nicht  möglich,  an  dieser  Stelle  auf  die  weiteren  Ergebnisse  dieser  umfangreichen 
Untersuchungen  über  die  Wirkungen  der  .\uslaugung  des  Holzes  durch  Süß-  oder  Salzwasser 
einzugehen,  und  es  muß  in  dieser  Hinsicht  auf  die  obige  Abhandlung  verwiesen  werden.  Die 
Schlußfolgerungen,  welche  Janka  aus  seinen  Untersuchungen  zieht,  seien  hier  jedoch  kurz  an- 
gefütirt;  sie  lauten:  „Das  Auslaugen  des  Holzes  in  Süßwasser,  also  das  Flößen,  Schwemmen  und 
Triften,  vielleicht  auch  schon  das  öftere  Begießen  mit  Süßwasser,  übt  auf  die  gewerblichen 
und  industriellen  Eigenschaften  desselben  einen  vorteilhaften  Einfluß  aus,  indem  es  die  Hygro- 
skopizität und  damit  sie  Schwindung  und  Ouellung  vermindert  und  auch  die  unangenehme 
Eigenschaft  des  Reißens  etwas  einschränkt:  auch  bezüglich  der  Dauer  dürfte  das  Süßwasser- 
Auslaugholz  dem  ungeschwemmten  Holze  überlegen  sein. 

Das  in  Salzwasser  präparierte  Holz  hat  zwar  auch  eine  geringere  Schwindung  als  das 
unausgelaugte  Holzmaterial,  aber  nur  infolge  seiner  durch  den  höheren  Salzgehalt  bewirkten 
vermehrten  Hygroskopizität;  die  Folge  davon  ist  ein  stärkeres  Quellen  und  .arbeiten,  wenn  es 
wechselnd  feuchter  Luft  ausgesetzt  wird:  es  reißt  auch  weniger  als  ungeschwemmtes  Holz. 

Es  ist  also  für  industrielle  und  gewerbliche  Zwecke  die  Auslaugung  des  Holzes  in  Süßwasser 
nur  wärmstens  zu  empfehlen,  zumal  auch  die  Farbe  des  Auslaugholzes,  sofern  nicht  zu  unreines 
oder  schlammiges  Wasser  zur  Verwendung  kommt,  nicht  leidet,  —  und  es  ist  von  diesem  Stand- 
punkte aus  eigentlich  zu  bedauern,  daß  man  in  der  Forstwirtschaft  von  der  Trift  und  Flößerei 
allmählich  zum  Landtransport  übergeht. 

Die  Präparation  des  Holzes  in  Salzwasser  dagegen  könnte,  natürlich  nur  dort,  wo  solches 
Wasser  unentgeltlich  zur  Verfügung  steht,  also  bei  den  Salinen  und  am  Meeresstrande,  für 
solche  ^■erwendungszwecke  empfohlen  werden,  bei  welchen  die  erhöhte  Hygroskopizität  und  das 
dadurch  bedingte  Arbeiten  unter  dem  Einflüsse  wechselnder  Feuchtigkeit  der  Luft  nicht  störend 
wirkt,  dagegen  mehr  die  Dauer  des  Holzes  in  Frage  kommt,  —  also  zu  Bau-  und  Konstruktions- 
hölzern im  Hoch-  und  Brückenbau,  im  Erd-  und  Grubenbau,  zu  Eisenbahnschwellen,  Holz- 
stöckelpflaster  und  dergl.  —  L'numgängliche  ^'oraussetzung  dabei  ist  aber,  daß  das  .\uslaug- 
holz  vor  seiner  ^'erwendung  wiederum  vollständig  lufttrocken  geworden.  Wohl  aber  ist  stärker 
salzhaltiges  Holz  für  feinere  industrielle  Zwecke  ausgeschlossen,  da  das  aufgenommene  Salz, 
namentlich  bei  Berührung  mit  Eisen  und  in  feuchter  Luft,  immer  wieder  ausblüht  und  dabei 
jeden  Holzanstrich  durchbricht." 

Wir  können  dieses  Kapitel  nicht  schließen,  ohne  jener  bemerkenswerten  Arbeit 
zu  gedenken,  welche,  im  Auftrage  der  Direktion  der  Domänen  und  Forste  des  Kantons 
Bern  im  Jahre  1877  ausgeführt,  im  .Jahre  1883  anläßlich  der  schweizerischen  Landes- 
ausstellung revidiert,  ergänzt  und  publiziert  \\'urde.  Der  Forstinspektor  J.  A.  F  r  e  y 
in  Münster  hat  nämlich  die  Gewichts-  und  Volums- Veränderung  an  einer  Reihe  juras- 
sischer Waldbäume  untersucht,  indem  aus  dem  frischen  Holze  Würfel  von  1  dm  Seite 
hergestellt  und  dann  in  4  Stadien  der  Austrocknung.  ,. sommertrocken".  ..abgetrock- 
net", „ausgetrocknet"  und  ,,dürr",  endlich  im  verkohlten  Zustande  in  Beziehung 
auf  spezifisches  Gewicht  und  Volumen  untersucht  wurden.  Wenn  man  sich  auch 
über  die  absolute  Richtigkeit,  respektive  Brauchbarkeit  dieser  Erhebungen  ebenso- 
wenig als  der  Versuchsansteller  Illusionen  hingeben  darf,  so  dürfte  es  doch  im  Hin- 
blick auf  die  relative  Richtigkeit  der  Versuchsergebnisse  begründet  sein,  hier  ein 
Resümee  derselben  mitzuteilen. 

(Siehe  Tabelle  III,   Seite  382.) 

§  18.  4.  Folgen  der  Hygroskopizität  und  \'  o  1  u  m  s  v  e  r- 
ä  n  d  e  r  1  i  c  h  k  e  i  t.  Nachdem  das  Schwinden  in  den  den  verschiedenen  Baum- 
teilen zugehörigen  Holzkörpern,  wie  oben  gezeigt  \\Tirde,  in  verschiedenem  Maße 
stattfindet  und  dabei  außerdem  wieder  in  jedem  Teile  für  sich  verschieden  nach  den 
Hauptabmessungen  ist,  so  ergibt  sich  von  selbst,  daß  das  Schwinden  nicht  nur  zu 
einer  A'olums-\'erkIeinerung.  sondern  auch  zu  einer  Gestaltsveränderung  führt, 
welche  um  so  mehr  die  Bezeichnung  ,,D  e  f  o  r  m  a  t  i  o  n"  verdient,  als  die  durch  das 
Schwinden  hervorgerufene  neue  Gestalt  meistens  für  die  gewerbliche  \"erwertung, 
bezw.  weitere  Verarbeitung  des  Rohstoffes  unbequem  ist. 


382 


IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 


Tabelle  III. 


Grün 

Sommer- 
trocken 

Ausgetrocknet 

Dürr 

Verkohlt 

Name  der 
Holzarten 

-5 

Spczif. 
Gewicht 

o-S 

c 

o 
1 

Totales 
Schwind- 
maß 

i.2 

c 
ü 

S 

3 

"o 

> 

Totales 
Schwind- 
maß 

Spczif. 
Gewicht 

c 

o 

E 

3 
'S 
> 

Totales 
Schwiiid- 

ccm 

% 

ccm 

0/ 

/o 

ccm 

% 

Eiche 

1,0745 

0,9852 

0,804 

939 

SA 

0,766 

867 

13,1 

0,387 

648 

35,2 

Esche 

0;8795 

0,8304 

0,771 

916 

8,4 

0,746 

835 

16,5 

0,371 

523 

47,7 

Buche 

1,0288 

0,8160 

0,747 

616 

8,4 

0,700 

856 

14,4 

0,319 

569 

43,1 

Kiefer 

0,8734 

0,7828 

0,678 

933 

6,7 

0,662 

865 

13,5 

0,351 

492 

50,8 

Ulme 

0,9166 

0,7502 

0,635 

930 

7,0 

0,595 

885 

11,5 

0,284 

586 

41,4 

Eibe 

0,9030 

0,7106 

0,696 

979 

2,1 

0,642 

911 

8.9 

0,262 

804 

19,6 

Ahorn 

0,9210 

0,7044 

0,637 

966 

3,4 

0,604 

911 

8,9 

0,247 

693 

30,7 

Aspe 

0,8809 

0,6898 

0,515 

922 

7,8 

0,463 

879 

12,1 

0,179 

672 

32,8 

Lärche 

0,7633 

0,6112 

0,607 

831 

6,9 

0,560 

895 

10,5 

0,238 

733 

26,7 

Weißtanne 

0,8041 

0,5878 

0,527 

954 

4,6 

0,510 

886 

11,4 

0,214 

713 

28,7 

Linde 

0,7690 

0,5810 

0,505 

889 

11,1 

0,484 

831 

16,9 

0,240 

511 

48,9 

Rottanne 

0,5266 

0,4931 

0,487 

939 

6,1 

0,457 

887 

11,3 

0,193 

729 

27,1 

Ebenso  A\ird  ein  im  trockenen  Zustande  zugerichteter  oder  verarbeiteter  Holz- 
körper durch  die  Aufnahme  von  Feuchtigkeit  und  das  daraus  resultierende  Anquellen 
gleichfalls  eine  neue  Gestalt  annehmen,  und  diese  Deforniation  wird  häufig  den  bei 
der  Verarbeitung  vor  Augen  gehabten  Zweck  vereiteln,  nicht  selten  zur  Zerstörung 
oder  Verminderung  des  Wertes  oder  der  Gebrauchsfähigkeit  des  Objektes  beitragen. 
Dieses  Verhältnis,  welches  im  allgemeinen  mit  , .Werfen  des  Holzes"  bezeichnet  wird 
—  das  Holz  ,, wirft"  oder  ,, verzieht  sich"  — ,  tritt  in  um  so  drastischerem  Maße  auf, 
je  größer  der  Abstand  in  dem  Verhalten  der  zu  einem  Holzkörper  organisch  ver- 
bundenen Holzteile  ist.  Die  verschiedenen  einzelnen  in  der  Praxis  vorkommenden 
Fälle  des  Schwindens  von  Halbholz,  Viertelholz,  Kantholz,  Brettern,  Spaltholz  usw. 
sind  in  der  Mehrzahl  der  Lehrbücher  abgehandelt  und  zu  bekannt,  um  hier  neuer- 
dings erörtert  zu  werden. 

Kann  sich  die  aus  dem  Schwinden  oder  Quellen  entspringende  Deformation 
nur  dadurch  vollziehen,  daß  an  einzelnen  Teilen  die  Kohäsion  der  Holzsubstanz 
überwunden  wird,  so  entstehen  Spalten,  Klüfte  oder  Risse,  man  sagt  dann:  ,,das 
Holz  reißt".  Meistens  sind  diese  Art  von  Rissen  als  aus  der  Schwindimg  entspringende 
Fehler  des  Holzes  zu  erkennen,  man  nennt  sie  ,, Schwindrisse",  ,, Trockenrisse"  und 
je  nach  der  Lage  derselben  ,, Strahlenrisse",  wenn  sie  von  der  Peripherie  des  Holzes 
ausgehen;  ,, Kernrisse",  wenn  sie  aus  der  Achse  des  Baumes  entspringen  und  sich 
gegen  den  Umfang  zu  verlieren. 

Beim  Reißen  des  Holzes  können  entweder  „weitklaffende  Sprünge"  oder  viele 
kleine  Rißchen  (,, Luftrisse")  entstehen;  das  letztere  schädigt  den  Gebrauchswert 
natürlich  in  geringerem  Maße. 

Die  Behandlung  des  Holzes  vor,  während  und  nach  der  Fällung,  die  gänzliche 
oder  teilweise  Entrindung,  das  sukzessive  Vorgehen  bei  der  Entrindung,  verschiedene 
Maßregeln  zur  Verlangsamung  des  Trocknungsprozesses,  namentlich  an  den  Hirn- 
flächen, femer  Vorkehrungen  mechanischer  Art  gegen  die  Deformation:  alles  das, 
vereinzelt  oder  nach  Gruppen  vereinigt,  bildet  das  Verfahren,  welches  von  dem  Prak- 
tiker eingeschlagen  wird,  um  das  ,, Sichwerfen"  und  ,, Reißen"  des  Holzes  zu  ver- 
mindern oder  bis  zu  einem  gewissen  Grade  unschädlich  zu  machen.  Dieses  Gebiet 
bildet  ein  dankbares  Feld  für  das  Vorurteil,  aber  ebensosehr  eine  Domäne  der  prak- 
tischen Erfahrung.    Es  kann  nicht  unsere  Sache  sein,  hier  die  verschiedenen  Rezepte 


Elastizität  und  Festigkeit.    §  19.  333 

beglaubigten  oder  nicht  beglaubigten  Ursprunges  für  die  Behandlung  des  Holzes 
anzuführen.  Es  ist  vielmehr  Sache  der  Technologie,  den  Holzindustriellen  zu  lehren, 
wie  er  mit  den  Eigentümlichkeiten  des  Holzes  zu  rechnen  hat,  welche  im  Gefolge 
des  Schwindens  und  Quellens  des  Holzes  auftreten. 

ni.  3Iecliaiiisch-techuische  Eigenschafteu. 

§19.  .l.ElastizitätundFestigkeit.  Die  Kenntnis  der  Elastizitäts- 
und Festigkeits-Eigenschaften  des  Holzes,  welche  in  die  Gruppe  „m  ec  hanische 
Eigenschaften"  fallen,  ist  bis  in  die  jüngste  Zeit  sehr  zurückgeblieben. 

Bei  dem  stetigen  raschen  Fortschritte,  welchen  die  mechanische  Technik  über- 
haupt genommen  hat,  überrascht  es,  daß  wir  gerade  auf  diesem  einen  Gebiete  —  mit 
Ausnahme  der  Ergebnisse,  welche  den  verflossenen  letzten  Dezennien  angehören  — 
nur  wenige  positive  Daten  besitzen. 

Die  Wichtigkeit  solcher  Versuche,  welclie  uns  zuverlässige  Aufschlüsse  über 
die  ,,  Qualität"  der  verschiedenen  Konstruktionshölzer  geben,  braucht  wohl  nicht 
erst  besonders  hervorgehoben  zu  werden,  da  über  die  ,, Bedeutung  des  Holzes  als 
Baumaterial"  ja  kaum  ein  Zweifel  besteht.  Nicht  nur  wissenschaftlichen  Speku- 
lationen, sondern  auch  den  praktischen  Bedürfnissen  sollte  die  Vornahme  jener 
^'eräuche  in  erster  Linie  dienen,  welche  die  Ermittlung  obiger  Eigenschaften  zum 
Gegenstand  hat. 

Dem  Techniker  brauchbare  Daten  über  die  Festigkeits-Eigenschaften  der  Hölzer 
zu  geben,  ist  zunächst  der  leitende  Gedanke  gewesen,  ^\•elcher  den  Versuchs-An- 
stellern  vorschwebte,  und  erst  im  ^\'ege  der  Diskussion  der  gewonneneu  Resultate 
ist  die  Frage  reif  geworden:  ,,In  welchem  Zusammenhang  steht  der  Bau  des  Holzes 
mit  den  mechanischen  Eigenschaften  desselben?"  Die  Lösung  dieser  Frage  erheischt 
zunächst,  eine  Relation  zu  finden  zwischen  den  mechanischen  Eigenschaften  des 
Holzes  und  den  physikalischen,  z.  B.  der  Dichtigkeit  und  dem  Feuchtigkeitsgehalt 
des  Holzes.  Die  Bekanntschaft  mit  jenen  Beziehungen,  welche  zwischen  den  mecha- 
nischen und  physikalischen  Eigenschaften  des  Holzes  bestehen,  ist  aber  andererseits 
notwendig,  da  sonst  ein  Vergleich  jener  gewonnenen  Resultate,  die  unter  verschie- 
denen Verhältnissen,  vorzugsweise  bei  verschiedenen  Feuchtigkeitsgraden  der  Probe- 
stücke, angestellt  wurden,  unmöglich  wäre.  Hier  stehen  wir  aber  vor  einer  Aufgabe, 
welche  eine  Fülle  von  im  gegenseitigen  Abhängigkeits-Verhältnis  sich  befindlichen 
Faktoren  in  sich  vereinigt. 

Schon  aus  der  einfachen  Aufzählung  der  wichtigsten  Eigenschaften  des  Holzes, 
welche  hier  in  Zusammenhang  zu  bringen  sind,  läßt  sich  auf  die  Ausdehnung  der 
Versuche  und  die  Schwierigkeiten  schließen,  welche  sich  dem  Forscher  entgegen- 
stellen. 

Die  Hauptfragen  sind :  Welcher  Zusammenhang  besteht  zwischen  der  Elastizität 
und  Festigkeit  des  Holzes  und  dem  spezifischen  Gewicht  und  dem  Feuchtigkeitsgehalt 
desselben;  wie  verhalten  sich  die  ersteren  Eigenschaften  sowohl  in  Beziehung  auf 
die  Höhenlage  der  Probestücke  im  Stamme  selbst  als  auch  gegenüber  der  Lage  im 
Querschnitt,  d.  i.  in  Beziehung  auf  die  Nord-,  Süd-,  West-  und  Ostseite;  in  welchem 
Abhängigkeits-Verhältnis  stehen  Kernholz,  Reifholz  und  Jahrringbreite  zu  den  ge- 
nannten Eigenschaften?  Nebst  diesen  Beziehungen,  welche  auf  den  anatomischen 
Bau  des  Baumes  Rücksicht  nehmen,  besteht  aber  noch  der  Zusammenhang  der 
Festigkeits-Eigenschaften  mit  der  eigentlichen  Holzsubstanz,  ihrer  Qualität  und 
chemischen  Zusammensetzung. 


384  IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

Stellen  nun  die  im  Voranstehenden  gegebenen  Fragen  schon  ein  überaus  großes 
Arbeitsgebiet  für  den  Forscher  dar,  so  erweitert  sich  dasselbe  noch  in  beträchtlichem 
Maße  dadurch,  daß  alle  oben  angeführten  Eigenschaften  auch  in  Beziehung  zu  bringen 
sind  mit  den  Fragen  nach  dem  Einfluß  des  Bodens  und  der  Fällungszeit  des  Holzes 
auf  dessen  mechanische  und  physikalische  Eigenschaften.  Berücksichtigt  man  femer, 
daß  der  Einfluß  der  Fällungszeit  und  des  Standortes  auf  die  Dauerhaftigkeit 
des  Holzes  zu  obigen  Fragereihen  hinzutritt,  wodurch  erst  die  in  Rede  stehenden 
Forschungsaufgaben  als  nahezu  erschöpfend  aufgezählt  zu  betrachten  sind,  so  dürfte 
die  Fülle  des  sich  darbietenden  Materiales  erkannt  werden,  welches  aber  dadurch 
noch  einen  geradezu  überwältigenden  Umfang  nimmt,  wenn  man  bedenkt,  daß  die 
Erforschung  obiger  Daten  sich  nicht  nur  auf  eine  Holzart  zu  beziehen  hat, 
sondern  auf  eine  nicht  unbeträchtliche  Zahl  von  Holzarten  auszudehnen  ist,  da  die 
zur  praktischen  Verwendung  gelangenden  europäischen  Hölzer  allein  schon  bekannt- 
lich eine  stattliche  Reihe  ausmachen. 

§  20.  Bevor  wir  auf  die  gewonnenen  Resultate  selbst  übergehen,  wollen  wir 
im  Nachstehenden  die  für  das  Verständnis  dieses  Kapitels  notwendigen  Definitionen 
und  Formeln  der  Festigkeitslehre  wiedergeben  und  bemerken,  daß  wir  uns  in  der 
Bezeichnung  der  Festigkeitsformeln  an  jene  durch  Prof.  J.  Bauschinger  ge- 
wählte anschließen. 

Unter  Festigkeit  versteht  man  den  Widerstand,  welchen  ein  fester  Körper 
der  Trennung  seiner  Teile  entgegenstellt,  oder  mit  andern  Worten,  jeneKraft,  welche 
zur  Aufhebung  ihres  Zusammenhanges  notwendig  ist. 

Elastizität  ist  der  Widerstand,  den  ein  fester  Körper  der  vorübergehenden 
Formänderung  entgegensetzt. 

Im  gewöhnlichen  Leben  versteht  man  unter  Elastizität  jene  Eigenschaft,  welche 
ein  Körper  äußert,  wenn  derselbe  bei  einer  durch  die  Einwirkung  einer  äußeren 
Kraft  erlittenen  Veränderung  der  Lage  seiner  Teile  zueinander  bestrebt  ist,  nach 
Aufhören  dieser  Kraftäußerung  wieder  in  seine  ursprüngliche  Gestalt  zurückzukehren. 

Ein  Körper  kehrt  entweder  vollständig  in  die  frühere  Lage  seiner  Teile 
zueinander  zurück  oder  nur  teilweise,  und  dabei  gibt  es  eine  Grenze  des  Ge- 
bietes des  ersten  Falles  der  Elastizität,  welche  man  mit  dem  Ausdrucke  Elasti- 
zitätsgrenze bezeichnet ;  man  versteht  demnach  hierunter  den  äußersten  Grad 
der  Formänderung,  bis  zu  welchem  man  sicher  ist,  daß  der  Körper  nach  Beseitigung 
der  auf  ihn  einwirkenden  Kraft  wieder  in  seine  ursprüngliche  Form  (Lage  seiner 
Teile)  zurückkehrt.  Es  gibt  Körper,  die  sofort  bei  der  Inanspruchnahme  über  die 
Elastizitätsgrenze  hinaus  in  Stücke  zerspringen  (spröde  Körper)  und  solche,  die  noch 
eine  weitere  Formveränderung  zulassen  (geschmeidige,  zähe  Körper). 

Elastizitätsmodul  (das  Maß  der  elastischen  Nachgiebigkeit  eines  Ma- 
teriales) ist  die  Spannung  (Kraft  pro  Flächeneinheit  des  Querschnittes),  bei  welcher 
ein  prismatischer,  in  seiner  Längenrichtung  beanspruchter  Körper  innerhalb  seiner 
Elastizitätsgrenze  um  seine  ganze  Länge  ausgedehnt  oder  zusammengepreßt  werden 
könnte,  falls  dies  die  Substanz  zulassen  würde. 

T  r  a  g  m  o  d  u  1  ist  die  Spannung,  welche  der  Elastizitätsgrenze  entspricht. 

Der  Zug-  und  Druckfestigkeit  entsprechen  ein  Zug-  und  Druck-  Tragmodul. 

B  r  u  c  h  m  o  d  u  1  hingegen  nennt  man  die  Spannung,  welche  den  Bruch  des 
Holzes  herbeiführt. 

Alle  !\Ioduli  drückt  man  in  Kilogrammen  aus  und  bezieht  sie  auf  einen  Quadrat- 
Zentimeter  Querschnitt;  sollten  jedoch  große  Kräfte  zur  Ueberwindung  der  mecha- 
nischen Eigenschaften  (bei  Verwendung  großer   Querschnitte)  erforderlich  sein,  so 


Die  verschiedenen  Arten  von  Festigkeit.     §  21.  385 

drückt  man  die  Kräfte  bequemer  in  Tonnen  u  lUOO  kg  aus  und  gibt  die  ^uersclinilt- 
fläche  in  Quadrat-Zentimetern  an.  Außerdem  kann  man  die  Moduli  in  Atmosphären 
ausdrücken  (at.  unter  Atmosphäre  1  kg  pro  qcm  verstanden). 

§  21 .  Die  verschiedenen  .\  r  t  e  n  von  Festigkeiten,  w  eiche 
wir  zu  unterscheiden  haben,  sind  folgende: 

a)  Zugfestigkeit  oder  a  b  s  o  1  u  t  e  F  e  s  t  i  g  k  e  i  t .  d.  i.  der  Wider- 
stand, welchen  das  Holz  der  Trennung  seiner  Teile  durch  Zerreißen  oder  Abreißen 
entgegensetzt,  w  enn  Kräfte  in  der  Richtung  der  Fasern  ')  ziehend  oder  spannend 
wirken ; 

b)  0  u  e  r  -  Z  u  g  f  e  s  t  i  g  k  e  i  t  .  der  ^^'iderstand.  den  das  Holz  gegen  das 
Zerreißen  leistet,  vorausgesetzt,  daß  die  Richtung  des  Zuges  rechtwinkehg  gegen  die 
Lage  der  Fasern  ^)  steht. 

c)  Druckfestigkeit  oder  rückwirkende  Festigkeit.  Ist  die  Kraft 
gerade  entgegengesetzt  der  Zugfestigkeit,  so  wird  der  Körper  auf  seine  Druck- 
festigkeit beansprucht,  vorausgesetzt,  daß  die  Länge  des  Stabes  im  Vergleiche 
zu  dessen  Querschnitts- Abmessungen  nicht  zu  groß  sei.  Ist  die  Länge  des  Stabes 
so  viel  mal  größer  als  seine  Ouerschnitts-Abmessungen ,  daß  dem  Bruche  eine 
Durchbiegung  vorangeht,  so  wird  der  Stab  auf 

d)  Zerknickungs-  oder  Säulen-Festigkeit  beansprucht,  denn 
hier  kommt  neben  der  D  r  u  c  k-  auch  die  Biegungs-Festigkeit  gleich- 
zeitig in  Betracht. 

e)  Die  Biegungs-Festigkeit  oder  relative  Festigkeit,  d.  h. 
der  Widerstand  gegen  das  Zerbrechen,  wobei  das  Holz  an  einem  Ende  oder  an  beiden 
Enden  unterstützt  (befestigt)  ist  und  eine  Kraft  rechtwinkelig  gegen  die  Fasern,  sowie 
gegen  die  Hauptdimension  (Länge)  des  Stückes  wirkt. 

Die  Biegsamkeit  des  Holzes  läßt  sich  ausdrücken  durch  die  äußerste 
Größe  der  Biegung,  welche  unter  festgesetzten  Umständen  ein  an  seineu  beiden  Enden 
unterstützter,  in  der  Mitte  seiner  Länge  belasteter  Stab  annimmt,  bevor  er  bricht. 
In  diesem  Sinne  gebraucht  man  dafür  auch  den  Ausdruck  Zähigkeit.  Frisches 
(grünes),  durchnäßtes  und  gedämpftes  Holz  ist  in  viel  höherem  Grade  biegsam  oder 
zäh  als  trockenes.  Sofeme  das  Holz  nach  solcher  Behandlung  die  ihm  aufgezwungene 
Form  beibehält,  spricht  man  von  dessen  F  o  r  m  b  a  r  k  e  i  t. 

f)  Die  D  r  e  h  u  n  g  s-  oder  Torsions-Festigkeit  ist  der  Widerstand, 
welchen  ein  Körper  der  Verdrehung  um  seine  geometrische  Achse  entgegensetzt. 

g)  Die  Festigkeit  gegen  das  Verschieben  oder  Abscherungs- 
Festigkeit  (Schubfestigkeit),  welche  sich  äußert,  wenn  durch  eine  in  der  Rich- 
tung der  Fasern  oder  senkrecht  zu  derselben  wirkende  Kraft  ein  Teil  der  Fasern 
längs  der  übrigen  Holzmasse  fortgeschoben  oder  fortgezogen  und  dadurch  von  der- 
selben abgetrennt  oder  abgerissen  werden  soll. 

h)  Die  Spaltungsfestigkeit,  d.i.  der  Widerstand  gegen  Trennung 
der  Fasern  durch  einen  zwischen  sie  eindringenden,  keilförmigen  Körper.  Geht  diese 
Trennung  leicht  vor  sich,  so  bezeichnet  man  diese  Eigenschaft  als  S  p  a  1 1  b  a  r  k  e  i  t. 
Nach  den  Ebenen  der  Spiegelfasem  ist  diese  in  der  Regel  größer  als  nach  der  Sehne 
der  .Jahresringe;  gar  nicht  „spaltbar"  sind  die  Maserhölzer. 

i)  H  ä  r  t  e  ist  der  Widerstand  des  Holzes  gegen  das  Eindringen  eines  beliebigen 
Körpers  in  dasselbe;  Schnittfestigkeit  der  \\iderstand  speziell  gegen  das 
Eindringen  eines  schneidigen  ^^'erkzeuges. 

1)  Bezeichnet  mit  //  zur  Faser. 

2)  Bezeichnet  mit  J_  zur  Faser. 

Handb.  d.  Forstwiss.     3.  Auti.     II.  2o 


ggg  IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

§  22.  Der  Lehre  von  der  Elastizität  und  Festigkeit  der  ^Materialien,  die  uns 
Aufschluß  über  die  Widerstände  gibt,  welche  feste  Körper  den  auf  sie  von  außen 
einwirkenden  Kräften  entgegenstellen,  sind  die  nachstehenden  Formeln  entnommen, 
welche  zur  Berechnung  der  durch  Versuche  gewonnenen  Daten  erforderlich  sind. 

1 .  Zug-  und  Druckfestigkeit. 

Die  Belastung  P,  welche  ein  auf  Zug-  oder  Druckfestigkeit  in  Anspruch  ge- 
nommener Körper  zu  tragen  vermag,  ist: 

wobei  A  1  die  Verlängerung  beziehungsweise  Verkürzung  der  ursprünglichen  Länge  I 
des  Stabes  für  die  Belastung  P,  F  den  Querschnitt  des  Stabes  und  £  den  Elastizitäts- 
modul bezeichnet. 

2.  Z  e  r  k  n  i  c  k  u  n  g  s-  oder   Säulen-Festigkeit. 

Die  Bruchbelastung  P  eines  auf  Zerknicken  beanspruchten  Stabes  ist,  je  nach 
der  Befestigungsweise  der  Stabenden,  wenn: 

1.  ein  Ende  fest  (eingeklemmt),  das  andere  frei  ist, 

P-'li^- 

4    1-2' 

2.  beide  Enden  frei  und  in  der  ursprünglichen  Achse  geführt, 


P  = 


£0 


12    ' 

3.  ein  Ende  fest,  das  andere  frei  in  der  Achse  geführt, 

p  =  2r'-i-^- 

4.  beide  Enden  fest  und  in  der  ursprünglichen  Stabachse  geführt, 

P  =  4::^  — 

—  12   ' 

wobei  1  die  Länge  der  Säule,  6  das  Trägheitsmoment  des  Querschnittes  in  der  Mitte 
des  Stabes  und  £  den  Elastizitätsmodul  bezeichnet. 

3.  Biegungsfestigkeit. 
Die  biegende  Kraft 

P  =  5  — j-  oder  S  =  ;i  j^j-,, 

wobei  S  die  Biegungsspannung  in  den  äußersten  Fasern,  P  die  in  der  Mitte  konzen- 
trierte Kraft,  1  die  Spannweite,  b  und  h  des  Querschnitts  Breite  und  Höhe  bezeichnen. 
Bedeutet  s  den  Elastizitätsmodul,  (-)  das  Trägheitsmoment  des   Querschnittes 
und  f  den  Biegimgspfeil,  so  ist 

_    ,    P13         ,     Pia 
^  ~  '^Sf.e  ~  ■•   fbhä- 

4.  Torsions-Festigkeit. 

Bezeichnen : 

t  die  Maximalschubspannung,  welche  beim  kreisförmigen  Querschnitt  ringsum 
in  der  Peripherie,  beim  quadratischen  in  den  Seitenmitten,  beim  elliptischen  an  den 
Enden  der  kleinen  Halbachse  und  beim  rechteckigen  Querschnitt  in  den  Mitten  der 
Langseiten  stattfindet, 

T  das  Torsionsmoment  =  der  Kraft  P  mal  dem  Hebelarm  1,  an  welchem  die 
Kraft  P  wirkt, 


Material-Pnifiingsmascliinen.     §  23.  387 

w  die  durch  dasselbe  hervorgebrachte  Verdrehung  zweier  Querschnitte  gegen- 
einander; 

r  den  Radius  des  Kreises,  auf  welchem  w  als  Bogen  gemessen  \\ird; 

e  die  gegenseitige  Entfernung  jener  beiden   Querschnitte; 

F  den  Flächeninhalt  und 

0'  das  polare  Trägheitsmoment  eines  Querschnittes,  bezogen  auf  dessen  Schwer- 
punkt ; 

a,  b  die  große  und  kleine  Halbachse  eines  elliptischen  oder  die  große  und  kleine 
Halbseite  eines  rechteckigen  Querschnitts,  speziell  aber 

a  den  Radius  eines  kreisförmigen  oder  die  Halbseite  eines  quadratischen  Quer- 
schnittes, 

Ha  das  Trägheitsmoment  des  Querschnittes  in  bezug  auf  eine,  durch  seinen 
Schwerpunkt  gehende,  mit  der  Achse  a  zusammenfallende,  oder  mit  der  Seite  a 
parallele  Momentenachse  und 

Yj   den  Schubelastizitätsmodul,  so  ist 

T 

T  =  x'  ;=r-  b  und 

Wa 

T  r-)' 
^  =  ^,vFi*^''- 
In  diesen  Formeln  bedeuten  x  und  x'  Koeffizienten,  welche  für  die  verschie- 
denen Querschnittsformen  nach  Saint-Venant  folgende  Werte  besitzen: 
Für  den  kreisförmigen  und  elliptischen  Querschnitt  ist 
"  X  =  47:-  =  39,48  und  x'  =  0,5 
für  den  rechteckigen   Querschnitt  mit  dem  Seitenverhältnis: 

1  :  1  ist  x  =  42,68  und  x'  =  0,75 
1  : 2  ist  X  =  42,00  und  x'  =  0,75 
1  :  4  ist  X  =  40,20  und  x'  =  0,75 
5.  Abscherungs-Festigkeit. 

Bezeichnet  man  mit  P  die  abscherende  Kraft  in  kg,  F  den  abgescherten  Flächen- 
inhalt in  qcm,  so  hat  man  als  Maß  für  die  Abscherungs-  oder  Scherfestigkeit 

^  =  1- 

Es  stellt  also  die  Scherfestigkeit  die  Kraft  in  Kilogrammen  vor,  welche  not- 
wendig ist,  um  eine  Fläche  von  1  qcm  abzuscheren;  d.  h.  ist  die  abscherende  Kraft 
parallel  zur  Richtung  der  Holzfaser,  so  ist  die  Scherfestigkeit  jene  Kraft  in  Kilo- 
grammen ausgedrückt,  welche  erforderlich  ist,  um  die  Parallelkohäsion  von  1  qcm 
zu  überwinden. 

§  23.  Die  Beschreibung  der  bei  den  Versuchen  benützten  Maschinen  mit  in  den 
Rahmen  dieser  Arbeit  aufzunehmen,  würde  viel  zu  weit  führen,  doch  halten  wir  es 
für  angemessen,  jene  Quellen  anzugeben,  aus  denen  die  Konstruktion  der  Versuchs- 
apparate entnommen  werden  kann.  Eine  kurz  gehaltene  Uebersicht  der  Literatur, 
welche  die  Versuchsreihen  der  verschiedenen  Autoren  enthält,  wairde  bereits  in  der 
.,Einleitung"  gegeben.  Die  Resultate,  welche  ältere  Autoren  gefunden  haben,  hier 
zu  benutzen,  halten  wir  nicht  für  angezeigt.  Wohl  ist  es  höchst  lehrreich,  die  Art 
und  Weise  der  Durchführung  auch  dieser  älteren  \'ersuche  zu  verfolgen,  da  sie  zeigen, 
mit  welch  gering\vertigen  technischen  Hilfsmitteln  die  \'ersuche  durchgeführt  wurden; 
die  Resultate  bewegen  sich  aber  innerhalb  so  weit  voneinander  entfernter  Grenzen, 
woran  nicht  nur  die  Heterogenität  des  Versuchsmateriales,  sondern  vielmehr  auch 
die  primitiven  Versuchsapparate  Schuld  tragen,  daß  dieselben  für  die  praktische  Be- 

25* 


388  IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

nutzung  kaum  mit  Vorteil  Anwendung  finden  können.  Wir  beschränken  uns  daher 
auf  die  \^"iedergabe  der  Versuchsresultate,  welche  die  neueren  Forscher  gefunden 
haben,  aus  dem  Grunde,  weil  dieselben  mit  Versuchsstücken  größerer  Dimension 
und  mit  Versuchsapparaten  gearbeitet  haben,  welche  die  Ablesung  der  Beobachtungs- 
resultate entweder  gleich  genau  oder  doch  mit  nahezu  gleicher  Präzision  zuließen. 

Zu  den  vollkommensten  Festigkeits-JMaschinen  gehört  die  Maschine  von  L  u  d- 
wig  Werder,  welche  von  der  Maschinenbau-Aktiengesellschaft  ,, Nürnberg", 
vormals  Klett  u.  Co.  ausgeführt  wird.  Die  zu  dieser  Maschine  gehörigen  Instrumente 
zum  Messen  der  Gestalts-^'eränderung  der  Probekörper,  konstniiert  von  Prof.  .J. 
Bausc  hinger,  werden  in  dem  mechan  .-technischen  Laboratorium  der  K.  Techn. 
Hochschule  in  München  ausgeführt.  Die  Beschreibung  der  Maschine  sowohl  als  der 
dazu  gehörigen  Instrumente  ist  in  der  von  der  genannten  Fabrik  publizierten  Schrift: 
,,Die  I\Iaschine  zum  Prüfen  der  Festigkeit  der  Materialien,  konstruiert  von  L.  W  e  r- 
d  e  r",  München  1882,  zu  finden. 

Mit  dieser  Maschine  sind  sowohl  die  Versuche  von  Bau  sc  hinger  durch- 
geführt worden  als  auch  jene,  welche  der  Vorstand  der  eidg.  Anstalt  zur  Prüfung  von 
Baumaterialien  in  Zürich  Prof.  L.  T  e  t  m  a  j  e  r  und  der  Professor  an  der  k.  k.  tech- 
nischen Hochschule  in  Wien  Karl  v.  Jenny  bezüglich  der  Festigkeit  des  Holzes 
unternommen  haben. 

Auch  die  neueren  Versuchsreihen,  herrührend  von  M.  R  u  d  e  1  o  f  f  .  wurden 
auf  der  Werderschen  Maschine  durchgeführt.  Die  Untersuchungen  über  die  Druck- 
festigkeit des  Holzes  von  Dr.  A.  S  c  h  w  a  p  p  a  c  h  wurden  mit  der  Festigkeits- 
probiermaschine von  Pohlmeyer  vorgenommen,  während  bei  den  größeren  Probe- 
körpem  die  500  Tonnen-Maschine  Bauart  Hoppe  zur  Anwendung  gelangte.  Beide 
Maschinen  standen  dem  Versuchsansteller  in  der  Charlottenburger  Materialprüfungs- 
Anstalt  zur  ^^erfügung,  %\ährend  A.  H  a  d  e  k  und  G.  J  a  n  k  a  eine  130  Tonnen-Presse 
von  der  Firma  Amsler-Laffon  u.  Sohn  in  Schaffhausen  benutzten,  welche  mit  einem 
Spiegel-Apparat  System  Martens  ausgerüstet  war.  Letzterer  dient  bekanntlich  zur 
Beobachtung  der  äußerst  geringen  Längenveränderungen,  welche  das  Holz  durch 
Druck  parallel  zur  Faser  iimerhalb  seiner  Elastizitätsgrenze  erleidet  und  deren  Mes- 
sung zur  Berechnung  der  Druck-Elastizitätskoeffizienten  erforderlich  ist. 

Nebst  den  Arbeiten  der  letztgenannten  Autoren  sind  noch  zu  berücksichtigen: 
Die  Untersuchun-gen  von  Karl  ;\I  i  k  o  1  a  s  c  h  e  k  ,  w  elcher  sich  der  G  o  1 1  n  e  r- 
schen  Fesligkeitsmaschine  bediente  (siehe  ,, Technische  Blätter"  .Jahrgang  1877  bis 
1884)  und  die  Arbeiten  von  Prof.  Ernst  H  a  r  t  i  g  ,  welcher  seine  ^^ersuche  mit 
einem  Schlagapparat,  ausgeführt  in  der  Sächsischen  Maschinenfabrik  zu  Chemnitz, 
vorgenommen  hatte. 

Jene  Untersuchungen  von  W.  F.  E  x  n  e  r  ,  welche  gelegentlich  der  ,, Studien 
über  das  Rotbuchenholz,  ^^■ien  1875"  in  Beziehung  auf  die  rückwirkende  Festigkeit 
dieses  Holzes  angestellt  worden  sind,  wurden  mit  einer  englischen  liydraulischen 
Presse  durchgeführt,  welche  eine  Drucksteigerung  bis  zu  12  000  kg  auf  die  Preß- 
kolbenfläche von  25,51  Quadrat-Zentimeter  zuläßt.  Mit  dem  gleichen  Apparate  sind 
jene  Untersuchungen  vorgenommen  worden,  welche  zur  Lösung  der  Frage  der  tech- 
nischen Verwendung  des  Ailanthus-Holzes  mit  besonderer  Berücksichtigung  des 
Wagenbaues  (siehe  Mitteilungen  des  Techn.  Gewerbe-Museums  Nr.  62)  in  Ausfüh- 
ung  gebracht  wurden  i). 

1)  Eine  sehr  hübsche,  übersichtliche  Darstellung'  der  Einrichtung  und  Ausrüstung  aller 
wichtigeren  mechanisch-technischen  Laboratorien  findet  man  in  der  Monographie:  The  LIse  and 
Equipment  of  Engineering  Laboratories  by  Alexander  Blackic  William  Kennedy,  London:  Publi- 
shed  by  the  Institution  o}  Civil  Engineers,  1887. 


Arbeitsplan  für  Holzuntersuchungen.    §  24.  339 

§  24.  Um  die  II  o  1  z  u  u  t  e  r  s  u  c  h  u  n  g  e  n  auf  eine  einheitliche 
Grundlage  zu  stellen  und  zu  erreichen,  daß  die  von  verschiedenen  Versuchs- 
stellen erhaltenen  Ergebnisse  untereinander  vergleichbar  sind,  wurde  auf  dem 
Kongreß  des  Internationalen  Verbandes  für  die  Materialprüfungen  der  Technik  zu 
Brüssel  im  Jahre  1906  ein  Arbeitsplan  für  die  Prüfung  von  Holz 
auf  seine  technischen  Eigenschaften  vereinbart,  der  unter  Mit- 
wirkung von  Forstleuten  und  Technikern  unter  dem  Vorsitze  Prof.  Dr.  Schwappachs 
nach  dem  Referate  Prof.  Rudeloffs  ausgearbeitet  worden  war.  Es  scheint  uns  am 
Platze,  die  Grundzüge  dieses  Arbeitsplanes  für  die  Untersuchungen  des  Holzes  we- 
nigstens in  kurzen  Umrissen  hier  vorzuführen. 

Diese  Gi-undsätze  für  einheitliche  Verfahren  zur  Prüfung  von  Holz  enthalten: 
I.Angaben   über    den    Ursprung   des    M  a  t  e  r  i  a  1  e  s. 
n.  Aeußere    Kennzeichen    der    Eigenschaften. 

III.  Die  Prüf  ungs  verfahren. 

IV.  Die  Probenentnahme. 

I.  Die  Angaben  über  den  Ursprung  des  Materials  erstrecken  sich 
auf  den  Standort,  die  Standortsgüte,  die  Art  des  Bestandes  und  die  Wachstums- 
verhältnisse sowie  das  Alter  der  Bäume,  die  Fällungszeit,  die  Art  der  Lagerung  und 
des  Trocknens  von  der  Fällung  bis  zur  Prüfung  und  die  Lage  des  Versuchsstückes 
im  Stamme. 

II.  Als  äußere  Kennzeichen  der  Eigenschaften  des  Holzes 
sind  anzugeben:  Das  Aussehen  des  Längsschnittes  oder  der  Spaltfläche  und  des 
Querschnittes,  also  die  .Jahrringbiklung  und  Jahrringlagerung,  worunter  auch  die 
Daten  bezüglich  des  Spätholzprozentes  inbegriffen  sind. 

III.  Bei  den  Prüfungsverfahren  wird  grundsätzlich  festgestellt,  daß 
die  Proben  zunächst  an  ast-  und  fehlerfreiem  ^laterial  vorgenommen  werden  sollen, 
oder  doch  wenigstens  die  Ergebnisse  für  astfreies  und  astiges  Material  auseinander- 
zuhalten sind. 

A.  Zur  Kennzeichnung  der  Festigkeitseigenschaften  eines  Bauholzes  dient  an 
erster  Stelle  der  Druckversuch,  der  Biegeversuch  und  der  Schei-versueh ;  Zug-  und 
Spaltversuche  sind  nicht  obligat,  werden  aber  anempfohlen.  Als  Belastungsge- 
schwindigkeit wird  die  Laststeigerung  von  20  kg  auf  1  cm-  in  der  Minute  festgesetzt. 
Der  Feuchtigkeitsgehalt  der  Probe  ist  zu  ermitteln,  die  Beobachtungswerte  sollen 
womöglich  auf  den  Feuchtigkeitsgehalt  von  15%  (Normalfeuchtigkeitsgehalt)  redu- 
ziert werden. 

1.  Beim   Druckversuch   ist  zu   ermitteln:   Die   Spannung  an  der   Pro- 

portionalitätsgrenze,  der  Elastizitätsmodul,  die  Bruchspannung  und  die  \'erkürzung 

Druckfestigkeit 
mit  fortschreitender  Belastung  bis  zum  Bruche,  dann  der  Quotient  —  .,    _, — .-r^ 

spezif.  Gewicht 

beim  Normalfeuchtigkeitsgehalt.  Als  Form  des  Probekörpers  für  gewöhnliche  Druck- 
versuche gilt  der  Würfel,  für  Druckelastizitätsuntersuchungen  das  Prisma,  dessen 
Länge  der  Sfachen  Oucrschnittskantc  gleich  sein  soll.  Bei  Untersuchung  ganzer 
Stämme  sind  die  Proben  in  der  Art  aus  dem  Stammquerschnitt  zu  entnehmen,  daß 
eine  Diagonale  der  quadratischen  Druckfläche  des  Probekörpers  einen  Halbmesser 
des  Stamniquerschnitt,s  bildet;  bei  Sonderuntersuchungen  sind  Probenentnahmen 
derart  anzuwenden,  daß  inimer  2  Seiten  des  Probekörpers  möglichst  tangential  zu 
den  Jahrringen  verlaufen. 

2.  Der  Biegeversuch  wird  an  prismatischen  Stäben  in  der  Art  durchge- 
führt, daß  der  Stab  an  beiden  Enden  unterstützt  und  in  der  Mitte  durch  eine  Einzel- 


390  '^  ^'    E  \  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

last  auf  Biegung  beansprucht  wird.  Der  Reiter,  d.  i.  die  Zwisclienlage  zwischen  der 
Angriffsschneide  der  Maschine  und  dem  Probebalken,  besteht  aus  hartem  Holz  und 
wird  in  seinen  Dimensionen  genau  vorgeschrieben.  Die  Entnahme  der  Biegeproben 
aus  dem  Stammquerschnitt  erfolgt  analog  wie  bei  der  Entnahme  der  Druckproben. 
Die  Stützweite  der  Biegebalken  soll  mindestens  gleich  der  Sfachen  Stärke  des  Balkens 
sein;  sie  wird  mit  l,ö  m  festgesetzt.  Ermittelt  werden  beim  Biegeversuch:  Die  Pro- 
portionalitätsgrenze, der  Elastizitätsmodul,  die  Bruchspannung,  der  Verlauf  der 
Durchbiegungen  mit  fortschreitender  Belastung  bis  zur  Bruchlast  zur  Verzeichnung 
des  Biegungsdiagrammes,  die  Biegungsarbeit  bis  zur  Proportionalitäts-  und  bis  zur 
Bruchgrenze.  Die  Biegungsarbeit  ist  auf  einen  Normalbiegestab  von  10  X  10  cm 
Querschnitt  und  1,5  m  Stützweite  zu  beziehen,  um  die  Werte  für  Stäbe  von  ver- 
schiedenen Abmessungen  vergleichbar  zu  machen. 

3.  Der  Scherversuch  ist  an  prismatischen  Proben  einschnittig  auszu- 
führen und  soll  sich  auf  die  Ermittlung  der  Festigkeit  radial  und  tangential  zu  den 
Jahrringen  erstrecken.  Der  Angriff  der  Belastung  erfolgt  stets  von  Hirn  aus;  die 
Scherbacken  sollen  nicht  über  10  cm  breit  sein,  die  Breite  der  Proben  bei  Radial- 
schnitt nicht  über  50  mm,  bei  Tangentialschnitt  nicht  über  30  mm  betragen;  die 
Länge  der  Proben  in  der  Kraftrichtung  soll  gleich  der  4fachen  Breite  der  Scherbacken 
sein.  Ermittelt  wird  die  Bruchspannung,  bezogen  auf  den  vollen  Probenquer- 
schnitt. 

4.  Zur  Ermittlung  der  Zugfestigkeit  in  der  Längsrichtung  der  Faser 
dienen  Flachstäbe,  die  aus  Spaltstücken  herausgearbeitet  werden  sollen.  Die  Dicke 
der  Stäbe  beträgt  1  cm,  die  Breite  mindestens  2  cm,  die  Versuchslänge  22  cm. 

5.  Der  S  p  a  1 1  v  e  r  s  u  c  h  \\  ird  an  kluppenförmigen  Proben  in  der  von  Nörd- 
linger  eingeführten  Form  durchgeführt;  die  Dimensionen  der  Spaltfläche  sind 
2,5  X  4,0  cm ;  beobachtet  wird  die  Bruchlast. 

B.  Der  Feuchtigkeitsgehalt  ist  in  Prozenten  des  Absoluttrocken- 
gewichtes anzugeben ;  er  ist  möglichst  unmittelbar  an  den  ganzen  Festigkeits- 
proben, andernfalls  an  Scheiben  von  2 — 5  cm  Stärke  zu  ermitteln,  welche  möglichst 
nahe  der  Bruchstelle  quer  zur  Faserrichtung  entnommen  sind  und  den  ganzen  Proben- 
querschnitt umfassen.  Die  Trocknung  der  Proben  behufs  Ermittlung  des  Feuchtig- 
keitsgehaltes erfolgt  im  Trockenkasten  bei  95 — 98°  C.  Als  Normalfeuchtigkeitsgehalt, 
auf  welchen  Gewichts-  und  Festigkeitszahlen  zu  reduzieren  sind,  ist  derjenige  von 
15%  anzunehmen. 

C.  Das  spezifische  Gewicht  (Raumgewicht)  wird  entweder  stereo- 
metrisch aus  den  Abmessungen  sauber  bearbeiteter  rißfreier  Proben  oder  mittels 
Eintauchverfahrens  nach  der  verdrängten  ^^'assermenge  ermittelt.  Die  Zahlen\\erte 
für  das  spezifische  Gewicht  sind  auf  einen  einheitlichen  Feuchtigkeitsgehalt  (15  °o) 
umzurechnen. 

D.  Die  Veränderung  des  Rauminhaltes  des  Holzes  durch  Schwinden  und 
Quellen  wird  ent\\eder  unmittelbar  mittels  Eintauchverfahrens  an  Stücken  be- 
liebiger Form  oder  durch  Berechnung  aus  den  Längenänderungen  prismatischer 
Proben  senkrecht  und  tangential  zu  den  Jahrringen  sowie  in  der  Längsrichtung  der 
Faser  ermittelt,  wobei  gleichzeitig  auch  die  Gewichtsänderungen  der  Probehölzer 
anzugeben  sind. 

E.  Bezüglich  der  Dauer  des  Holzes  sind  bestimmte  Vorschläge  für  eine 
einheitliche  Prüfung  noch  nicht  festgesetzt.  Nach  den  Vorschlägen  von  Prof.  Dr.  Tu- 
beuf  dürfte  sich  hiezu  am  besten  die  lufizierung  der  auf  Dauer  zu  untersuchenden 
Hölzer  mit  dem   lebenden  Mycel  des  Hausschwammes  und  die  Beobachtung  der 


Versuchsrcsultate  von  Mikolaschek.     §  26.  39I 

Zersetzungserscheinungen,  die  sich  in  der  \'erminderung  des  spezifischen  Gewichtes 
des  Hülzes  äußern,  eignen. 

IV.  Betreffs  der  E  n  t  u  a  h  in  e  der  1'  r  n  1)  e  n  aus  ganzen  Stämmen  wird 
zur  Ermittlung  von  Durchschnillseigenschaflen  vurgesclilagen,  einen  Abschnitt  zur 
Ausforniung  der  Biegeproben  zwischen  7  und  10  m  Höhe  vom  Boden  aus,  die  Proben 
zu  den  übrigen  Versuchen  unmittelbar  ober-  und  unterhalb  der  Biegeproben  zu  ent- 
nehmen. Zur  Erprobung  der  Stämme  auf  Verwendbarkeit  zu  Tragbalken  und  Sti'itzen 
von  bestinnnter  Länge  soll  die  Mitte  der  Biegeproben  tunlichst  mit  der  .Mitte  der  Ge- 
brauchsstücke zusammenfallen.  Bei  Untersuchungen  über  den  Einfluß  der  Höhenlage 
der  Probe  am  Stamm  soll  der  unterste  Abschnitt  zur  Ermittlung  der  Druckfestig- 
keit und  des  spezifischen  Gewiclites  1,3  m  über  dem  Boden  (Brusthöhe)  gelegen  sein, 
die  weiteren  Abschnitte  in  je  6  m  Abstand  dem  Stamme  entnommen  werden.  Um 
die  durchschnittliche  Beschaffenheit  des  Holzes  eines  bestimmten  Standortes  fest- 
zustellen, sind  mindestens  3  Stämnae  zur  Untersuchung  heranzuziehen. 

§  25.  Im  Nachstehenden  geben  wir  nun  im  Auszuge  die  Resultate 
jener  Versuchsreihen,  welche  mit  den  eben  zitierten  Maschinen  von  den  folgenden 
Autoren  gewonnen  wurden: 

Karl  Mikolaschek,  Untersuchungen  über  die  Elastizität  und  Festigkeit 
der  wichtigsten  Bau-  und  Nutzhölzer  Böhmens.  Mitteilungen  aus  dem  forstlichen 
Versuchswesen  Oesterreichs  Band  II,  Heft  I,  Wien  1879. 

K.  Jenny,  Untersuchungen  über  die  Festigkeit  der  Hölzer  aus  den  Ländern 
der  ungarischen  Krone.     Budapest  1873. 

Dr.  W.  F.  E  X  n  e  r  ,   Studien  über  das  Rotbuchenholz.   Wien  187.Ö. 

Georg  Lauboeck,  die  technische  Verwendung  des  Ailanthus-Holzes 
mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Wagenbaues.  Mitteilungen  des  Technologischen 
Gewerbe-Museums  Nr.  62.   1885. 

Dr.  E.  H  a  r  t  i  g  ,  Untersuchungen  über  den  Einfluß  der  Fällungszeit  auf  die 
Dauerhaftigkeit  des  Fichtenholzes,  ausgeführt  an  der  Kgl.  Sachs.  Forstlichen  Versuchs- 
station zu  Tharandt  und  am  Kgl.  Sachs.  Polytechnikum  zu  Dresden.    1876. 

L.  T  e  t  m  a  j  e  r  ,  Methoden  und  Resultate  der  Prüfung  der  schweizerischen 
Bauhölzer.    Zürich  1883  und  Zürich  1896. 

J.Bausc  hinger,  Untersuchungen  über  die  Elastizität  und  Festigkeit  von 
Fichten-  und  Kiefern-Bauhölzern;  IMitteilungen  aus  dem  mechanisch-technischen 
Laboratorium  der  K.  Technischen  Hochschule  in  JMünchen,  1883  und  1887. 

M.  R  u  d  e  1  o  f  f  ,  Bericht  über  die  im  Auftrage  des  Herrn  Ministers  für  Land- 
wirtschaft, Domänen  und  Forsten  ausgeführten  Holzuntersuchungen.    Berlin  1889. 

Dr.  A.  S  c  h  w  a  p  p  a  c  h  ,  Untersuchungen  über  Raumgewicht  und  Druck- 
festigkeit des  Holzes  wichtiger  Waldbäume.  I.  Die  Kiefer.  Berlin  1897.  —  II.  Fichte 
Weißtanne,  Weymouthskiefer  und  Rotbuche.    Berlin  1898. 

A.  H  a  d  e  k  und  G.  .J  a  n  k  a  ,  Untersuchungen  über  die  Elastizität  und  Festig- 
keit der  österr.  Bauhölzer.    I.  Fichte  Südtirols.   Wien  1900. 

G.  J  a  n  k  a  ,  Untersuchungen  über  die  Elastizität  und  Festigkeit  der  österr. 
Bauhölzer.  II.  Fichte  von  Nordtirol,  vom  Wienerwalde  und  Erzgebirge.  Wien  1904, 
und  III.  Fichte  aus  den  Karpathen,  aus  dem  Böhmerwalde,  Ternovanerwalde  und 
den  Zentralalpen.  Technische  Qualität  des  Fichtenholzes  im  allgemeinen.  Wien  1909. 

§  26.  Die  ^'ersuche  von  Mikolaschek  hatten  den  Zweck,  die  Elasti- 
zität und  Festigkeit  der  wichtigsten  Bau-  und  Nutzhölzer  Böhmens  li  i  n- 
sichtlich  der  Lage  des  Holzes  im  Stamme  selbst  zu  ermitteln. 
Die  Untersuchungen  erstreckten  sich  auf  14  verschiedene  Holzarten.     Von  diesen 


392  IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

Hölzern  wurde  vom  untersten  Teile  sowie  von  jenem  Teile  des  Stammes,  der  in  einer 
gewissen  Höhe  über  dem  Stocke  lag,  und  endlich  vom  Astliolz  je  ein  meterlanges 
Stück  samt  Rinde  entnommen  und  der  Untersuchung  auf  folgende  Arten  von  Festig- 
keit unterzogen: 

1.  Zugfestigkeit  in  der  Richtung  der  Fasern, 

2.  Druckfestigkeit  in  der  Richtung  der  Fasern, 

3.  Biegungsfestigkeit, 

4.  Torsionsfestigkeit, 

5.  Abscherungsfestigkeit  sowohl  in  der  zu  den  Fasena  parallelen  als  auch  in 
einer  darauf  senkrechten  Richtung. 

Bei  den  ersten  vier  Festigkeitsarten  wiarden  bestimmt:  Die  Elastizitätsgrenze 
sowie  die  Formveränderungen  an  derselben,  der  Elastizitätsmodul  innerhalb  der 
Elastizitätsgrenze,  die  Bruchgrenze  und  bei  den  Biegungs-  und  Torsionsversuchen 
auch  die  bleibenden  Formveränderungen  an  derselben.  Bei  den  Abscherversuchen 
konnte  natürlich  bloß  die  Bruchgrenze  bestimmt  werden. 

Zur  Erprobung  des  Holzes  auf  seine  Zugfestigkeit  in  der  Faser- 
r  i  c  h  t  u  n  g  wurden  Probestücke  von  rechteckigem  Querschnitte  gewählt.  Die 
Probestücke  waren  sämtlich  aus  nahe  der  Mitte  des  Querschnittes  gelegenen  Teilen 
desselben  entnommen.  M  i  k  o  1  a  s  c  h  e  k  hat  bei  allen  Festigkeitsuntersuchungen 
jeder  einzelnen  Holzart  folgende  Baumteile  in  Berücksichtigung  gezogen:  Unter- 
trumm,  Mitteltrumm  und  Astholz,  ^^'ir  beschränken  uns  im  Nachfolgenden  auf  die 
Wiedergabe  der  hauptsächlichsten  ^■ersuchsresultate,  das  sind  jener,  welche  sich  auf 
das  ■Mitteltrumm  beziehen. 

Die  Probelänge  der  Versuchsstücke  bei  den  Zugversuchen  betrug  17  Zen- 
timeter. Die  bei  den  Druckversuchen  verwendeten  F'robestücke  waren  von 
prismatischer  Form  und  zwar  dem  Würfel  sein-  genähert;  die  Höhe  der  Versuchs- 
stücke betrug  ca.  6  Zentimeter. 

Zur  Vornahme  der  Biegungsversuche  N\'urden  Probestücke  von  recht- 
eckigem Querschnitt  gewählt  und  dieselben  auf  die  Hochkante  gestellt.  Die  Spann- 
weite betrug  0,5  Meter  der  frei  aufliegenden  Stäbe. 

Die  für  die  T  o  r  s  i  o  n  s  v  e  r  s  u  c  h  e  verwendeten  Probestücke  hatten  einen 
kreisförmigen  Querschnitt  und  waren  mit  quadratischen  Köpfen  versehen,  mit  wel- 
chen sie  in  die  Maschine  zentrisch  eingepaßt  wurden.  Die  Länge  der  Probestücke 
betrug  40  Zentimeter.  Zur  Bestimmung  der  \'erdrehungen  wurde  nur  eine  Faser 
beobachtet,  was  hier,  wo  die  Formveränderungen  regelmäßig  sind,  ohne  Beeinträch- 
tigimg der  Genauigkeit  geschehen  konnte.  Dem  Biaiche  ging  häufig  eine  bedeutende 
(bis  160  Grad)  Verdrehung  voraus  und  trat  mit  dieser  eine  starke  ^'erkürzung  des 
Stabes  auf. 

Bei  den  A  b  s  c  h  e  r  v  e  r  s  u  c  h  e  n  wurden  zylindrische  Probestücke  von  kreis- 
förmigem Querschnitte  verwendet,  und  zwar  war  der  Durchmesser  bei  sämtlichen 
Stücken  nahezu  gleich  (ca.  3,55  Zentimeter).  Jedes  Probestück  wurde  auf  seine 
Scherfestigkeit  sowohl  in  der  Faserrichtung  als  auch  quer  gegen  dieselbe  untersucht. 
(Siehe  Tabelle  IV,  S.  393). 

Aus  diesen  Versuchsresultaten,  welche  sich  auf  die  Ergebnisse  des  Mitteltrumms^) 
der  einzelnen  Holzarten  beziehen,  und  aus  jenen,  welche  M  i  k  o  1  a  s  c  h  e  k  für  das 
Untertrumrn  und  Astholz  gefunden  hat,  ließen  sich  folgende  Schlußresultate  zusam- 
menfassen : 


1)  Das  Mitteltrumm  ist  bei  den  verschiedenen  Stämmen  in  der  HöIie  von  i— 12  Meter  über 
dem  Stocke  entnommen  worden. 


Versuchsresultate  von  Mikolasclick.     §  26. 


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394  IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschatten  der  Hölzer. 

1.  Aus  den  Zugversuchen:  ,,Die  Zug-Elastizitätsgrenze  zeigt  sich  im 
allgemeinen  bei  dem  Untertrummholze  höher  als  beim  Mitteltrummholze  und  diese 
liegt  in  manchen  Fällen  sehr  bedeutend  höher  als  jene  beim  Astholz. 

Die  Elastizitätsgrenze  für  Zug  liegt  zirka  zwischen  0,"2  und  0,5  des  Wertes 
der  absoluten  Zugfestigkeit  (Bruchgrenze).  Der  Elastizitäts-Modul  zeigt  sich  bei 
allen  Holzarten  beim  Mitteltrummholze  am  größten,  beim  Untertrummholze  kleiner, 
jedoch  in  den  meisten  Fällen  hier  noch  immer  größer  als  beim  Astholze. 

Die  absolute  Zugfestigkeit  (Bruchgrenze)  zeigt  sich  dagegen  hauptsächlich  beim 
Unterholze  größer  als  beim  Mittelholze  und  Astholze. 

Es  stellt  sich  somit  nach  den  Zugversuchen  heraus,  daß  das  Unterholz  nicht 
nur  eine  größere  Elastizität,  sond,ern  auch  eine  größere  Festigkeit  besitzt  als  das 
Mittelholz,  welchem  eine  größere  Steifheit  zukommt.  In  bezug  auf  die  Festigkeit 
steht  das  Astholz  dem  Mittelholze  nach,  bezüglich  der  Elastizität  dagegen  hält  es 
zwischen  dem  Unter-  und  Mittelholz  die  Mitte. 

Der  Bruch  erfolgte  bei  den  meisten  Stäben  nicht  in  einem  Querschnitt, 
sondern  in  zwei  oder  mehreren  von  einander  entfernt  liegenden,  die  durch  einen  oder 
mehrere  Längsrisse  mit  einander  in  Verbindung  standen.  Manchmal,  namentlich 
bei  den  Nadelhölzern,  war  der  Bruch  sehr  splitterig,  nur  bei  wenigen  war  derselbe 
stumpf  und  kurzfaserig." 

2.  A  u  s  d  e  n  D  r  u  c  k  V  e  r  s  u  c  h  e  n:  ,,Die  Elastizitätsgrenze  für  Druck  stellt 
sich  für  die  Mehrzahl  der  Hölzer  beim  Mittelholze  höher  als  beim  Unterholze  und 
beim  Astholze  häufig  höher  als  beim  Unter-  und  Mittelholze. 

Die  Zusammendrückungen  sind  beim  Unterholze  kleiner  als  beim  Mittelholze 
und  diese  wieder  bei  nahezu  allen  Holzarten  kleiner  als  beim  Astholze.  Der  Elasti- 
zitäts-Modul ist  beim  Unterholze  bei  der  Mehrzahl  der  Holzarten  größer  als  beim 
Mittelholze,  beim  Astholze  ist  bezüglich  dieses  Wertes  eine  große  Verschiedenheit 
zu  konstatieren. 

Die  absolute  Druckfestigkeit  ist  beim  Unterholze  nur  wenig  größer  als  beim 
Mittelholze,  beim  Astholze  dagegen  größer  als  bei  beiden  ebengenannten  Arten.  Es 
zeigt  sich  daher,  daß  die  absolute  Druckfestigkeit  des  Unterholzes  wenig  größer  als 
jene  des  Mittelholzes,  hingegen  jene  des  Astholzes  am  größten  ist;  dagegen  ist  das 
Unterholz  steifer  als  das  Mittelholz,  während  das  Astholz  mancher  Sorten  steifer, 
anderer  Sorten  wieder  elastischer  ist  als  das  Mittel-  und  Unterholz  derselben  Baum- 
gattung." 

3.  Aus  den  B  i  e  g  u  n  g  s  v  e  r  s  u  c  h  e  n:  ,,Nach  denselben  stellte  sich  die 
Elastizitätsgrenze  für  Biegung  beim  Unterholze  höher  als  beim  Mittelholze  und  jene 
beim  Astholze  höher  als  bei  den  beiden  anderen  Holzarten  heraus.  Sie  liegt  zirka  bei 
0,25  bis  0,50  der  Inanspruchnahme  an  der  Bruchgrenze.  Die  Einbiegungen  an  der- 
selben sind  beim  Unterholze  am  kleinsten,  beim  Astholze  am  größten.  Der  Elasti- 
zitätsmodul ist  beim  Astholze  der  meisten  Holzarten  kleiner  als  beim  Unter-  und 
Mittelholze  und  der  Elastizitätsmodul  dieser  letzteren  ist  nahezu  der  gleiche;  weiters 
ist  die  Biegungsfestigkeit  beim  Unterholze  am  kleinsten,  beim  Astholze  am  größten. 

In  bezug  auf  diese  Festigkeit  zeigt  sich  dasAstholz  am  festesten,  das  Unterholz 
am  wenigsten  fest;  bezüglich  der  Elastizität  stellt  sich  gleichfalls  das  Unterholz  minder 
elastisch,  also  steifer,  als  das  Mittelholz  heraus,  während  das  Astholz  die  größte 
Elastizität  besitzt." 

4.  Ausden  Torsionsversuchen:  ,,Die  Elastizitätsgrenze  für  Torsion 
liegt  beim  Astliolze  am  höchsten,  beim  Mittelholze  am  tiefsten  und  befindet  sich 
zirka  bei  ^js  bis  ^It  der  Inanspruchnahme  des  Materials  an  der  Bruchgrenze.     Die 


Versuchsresullale  son  Jenny.     §  2  7.  395 

Verdrehungen  sind  beim  Astholze  ebenfalls  am  größten,  beim  Mittelholze  entweder 
größer  als  diese  oder  nahezu  gleich  jenen  beim  Unterholze.  Der  Elastizitätsmodul 
ist  beim  Mittelholze  am  kleinsten,  beim  Unterholze  teils  größer,  teils  kleiner  als  beim 
Astholze.  Die  Tor»ionsfe.stigkeit  ist  beim  Astholze  am  größten,  beim  Mitlelholze 
am  kleinsten.  Es  ist  deshalb  das  Astholz  am  festesten,  das  Mittelholz  am  wenigsten 
fest,  während  mit  Rücksicht  auf  die  Elastizitätsverhältnisse  das  Mittelholz  am  steif- 
sten, Ast-  und  Unterholz  sich  aber  in  dieser  Beziehung  nahezu  gleich  verhalten." 
5.  Aus  den  A  b  s  c  h  e  r  v  e  r  s  u  c  h  e  n :  ,,Die  Festigkeit  in  der  Richtung 
quer  gegen  die  Fasern  ist  beim  Astholz  am  kleinsten,  beim  Unterholz  teils  größer, 
teils  kleiner  als  beim  Mittelholze;  in  der  Richtung  der  Fasern  ist  die  Festigkeit  bei 
der  Mehrzahl  der  Holzarten  beim  Mittelholze  größer  als  beim  Ast-  und  Unterholze, 
welch  letztere  sich  in  dieser  Beziehung  nahezu  gleich  stellen." 

Aus  sämtlichen  Versuchen  von  i\I  i  k  o  I  a  s  c  h  e  k  läßt  sich  folgender 
Schluß  ziehen:  ..Nimmt  man  speziell  auf  die  Festigkeit  Rücksicht,  so  ergibt 
,,sich  nachstehende  Reihe,  wenn  die  größte  Festigkeit  vorangesetzt  wird:  Astholz, 
,, Unterholz,  Mittelholz.  In  bezug  auf  E  1  a  s  t  i  z  i  t  ä  t,  wenn,  die  größte  Elastizität 
„vorausgesetzt  wird :  Astholz,  Unterholz,  Mittelholz,  woraus  das  Schlußergebnis  re- 
„sultiert,  daß  dem  Holze  von  größerer  Festigkeit  auch  die 
,,g  r  ö  ß  e  r  e    Elastizität    zukommt". 

Endlich  zeigt  sich,  daß  wegen  der  großen  Verschiedenheit  der  \^^erte  der  Ela- 
stizitäts-  und  Bruchgrenze,  sowie  der  Moduli  für  die  verschiedenen  Holzarten  eine 
sehr  große  Zahl  von  Versuchen  notwendig  wäre,  um  entsprechende  Mittelwerte  auf- 
stellen zu  können. 

§  27.  Die  ^■ersuche  .J  e  n  n  y  s  hatten  den  Zweck,  die  Elastizitäts-  und  Festig- 
keits-Eigenschaften der  ungarischen  Hölzer  kennen  zu  lernen.  Die  Versuche 
erstreckten  sich  auf  die  Ermittlung  der  Zug-,  Dnick-  und  Abscherfestigkeit  der  Buche, 
Tanne,  Fichte  und  Lärche. 

Eine  Diskussion  der  Versuchsresultate  wurde  von  dem  Versuchsansteller  unter- 
lassen; von  demselben  wurden  nur  die  nackten  Ergebnisse  der  JNIessungen  und  Be- 
stimmungen der  Elastizitäts-  und  Festigkeitsgrößen  angegeben. 

Die  3  Holzarten  Buche,  Tanne  und  Fichte  \\-urden  von  dem  Forstamte  Fuccine 
(Kroatien),  Lärche  und  Fichte  von  dem  Forstamte  Hradek  (Nordkarpathen)  ein- 
gesandt. Die  erstgenannten  Hölzer  wurden  im  Frühjahr,  die  letztgenannten  im 
Herbste  gefällt.  Das  Alter  dieser  Hölzer  war  ziemlich  das  gleiche  (120  .Jahre).  Nebst 
diesen  Versuchen  hatte  Jenny  gleichzeitig  noch  an  zwei  Holzarten,  nämlich  an 
der  Fichte  und  Tanne,  aus  Siebenbürgen,  der  Mamiaros  und  den  West-  und  Ost- 
karpathen  stammend,  die  Elastizität  und  Festigkeit  erhoben,  und  zwar  wieder  in 
bezug  auf  Zug,  Druck  und  Abscherung.  Diese  Resultate  aller  dieser  Untersuchungen 
hier  in  extenso  anzuführen,  würde  zu  viel  Raum  einnehmen,  wir  ^-erweisen  in  dieser 
Beziehung  auf  die  oben  zitierte   Quelle. 

Nachdem  wir  es  hier  mit  Resultaten  zu  tun  haben,  welche  unter  gleichartigen 
Verhältnissen  und  überdies  in  großer  Anzahl  von  Probestücken  derselben  Holzart 
gewonnen  ^^-u^den.  so  ist  man  berechtigt,  Mittelwerte  abzuleiten;  diese  sind  in  der 
nachstehenden  Tabelle  V  (S.  396)  wiedergegeben. 

Hieraus  geht  hervor,  daß  die  Fichte  aus  Kroatien  hinsichtlich  der  Zug-  und 
Abscherfestigkeit  den  anderen  ungarischen  Fichtenhölzern  überlegen  ist;  dagegen 
hat  das  Siebenbürger  Fichtenholz  sowohl  in  bezug  auf  die  Druck-  als  auch  auf  die 
Abscherfestigkeit  gegenüber  den  anderen  Fichtenhölzern  den  Vorrang. 

Das  gleiche  gilt  von  dem  kroatischen  Tannenholz.     Dasselbe  ist  hinsichtlich 


396 


IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaflen  der  Hölzer. 


Tabelle  V. 


Mittelwerte  der 

Abscher- 

Zugversu 

che 

D  r  u  c 

k  \'  e  r  s  u  c  h  e 

versuche 

//  zur  Faser 

// 

zur  Faser 

//  zur  Faser 

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Holzart 

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a     ^ 

< 

Buche 

565 

122  250 

813 

88 

83  650 

391 

71,7 

Kroalien 

Tanne 

369 

115  175 

558 

119 

67  625 

354 

39,2 

Fichte 

372 

117  350 

596 

114 

77  975 

337 

43,2 

Nordkarpathen 

Lärche 

312 

130  820 

551 

114 

88  933 

446 

55,8 

Fichte 

288 

99  967 

436 

133 

78  817 

846 

34,7 

Siebenbürgen                    , 

Marmaros                           | 

Fichte 

310 

115  392 

494 

220 

127  565 

363 

42,0 

Ost-  und  West-                  | 

Tanne 

336 

115  531 

426 

209 

104  970 

357 

40,2 

karpalhen                      ' 

der  Zugfestigkeit  jenem  aus  Siebenbürgen  vorzuziehen,  während  letzteres  hinsicht- 
lich der  Druckfestigkeit  dem  kroatischen  Tannenholze  überlegen  ist.  Die  Abscher- 
festigkeit dieser  beiden  Tannenhölzer  kann  nahezu  als  übereinstimmend  angesehen 
werden. 

Die  aus  verschiedenen  Gegenden  Ungarns  eingesandten  Fichtenhölzer 
würden  in  bezug  auf  ihre  Zugfestigkeit  wie  folgt  beurteilt  werden  können: 

Die  größte  Zugfestigkeit  kommt  dem  kroatischen  Fichtenholze  zu,  in 
zweiter  Linie  steht  jenes  aus  Siebenbürgen,  während  das  Fichtenholz  aus  den  Nord- 
karpathen das  mindestwertige  ist; 

die  größte  Druckfestigkeit  zeigte  hingegen  das  aus  Siebenbürgen 
stammende  Fichtenholz,  minderwertig  erscheint  jenes  aus  den  Nordkarpathen,  und 
in  letzter  Reihe  steht  das  aus  Kroatien  stammende  Fichtenholz.  — 

Die  Abscherfestigkeit  des  Fichtenholzes  aus  den  Nordkarpathen  steht 
gegenüber  den  beiden  anderen  Fichtenhölzern  beträchtlich  zurück,  während  diesen 
Hölzern  nahezu  die  gleiche  Abscherfestigkeit  zukommt. 

Würde  man  die  aus  den  verschiedenen  Gegenden  Ungarns  eingesandten  Fichten- 
hölzer mit  den  Tannenhölzern  hinsichtlich  ihrer  Festigkeit  vergleichen,  so  gelangte 
man  zu  dem  Resultate,  daß  zwischen  diesen  Holzarten,  also  zwischen  dem  Ungar. 
Fichten-  und  dem  ungar.  Tannenholze,  nur  ein  sehr  geringer  Unterschied  besteht. 
Fichtenholz  hat  eine  etwas  größere  Zugfestigkeit  (ca.  3,5  "o)  als  das  Tannenholz,  dieses 
aber  eine  größere  Druckfestigkeit  (ca.  2%)  als  das  Fichtenholz:  hingegen  ist  die 
Abscherfestigkeit  beider  Holzgattungen  gleich. 

Was  das  aus  den  Nordkarpathen  stammende  L  ä  r  c  h  e  n  h  o  1  z  betrifft,  so 
muß  hei-vorgehoben  werden,  daß  dieses  hinsichtlich  seiner  Druck-  und  Abscherfestig- 
keit den  sämtlichen  untersuchten  Fichten-  und  Tannenhölzern  voransteht;  in  bezug 
auf  die  Zugfestigkeit  des  Lärchenholzes  jedoch  geht  hervor,  daß  dieses,  wenn  auch 
nicht  bedeutend,  hinter  der  Zugfestigkeit  des  kroatischen  Fichten-  und  Tannenholzes 
zurückbleibt. 


VersuchsresuUate  von  Exner.     §  28.  397 

Dagegen  übertrifft  das  B  u  c  li  e  n  li  o  1  z  liiiisichtlicli  der  Zuj,'-  und  Abscher- 
festigkeit alle  untersuchten  Hölzer,  hinsichtlich  seiner  Druckfestigkeit  wird  dieses 
von  dem  Lärchenholze  überragt. 

Ob  diese  Unterschiede  vorzugsweise  den  verschiedenen  Bodenverhältnissen  zu- 
zuschreiben sind,  kann  zwar  mit  Grund  vermutet,  nicht  aber  bestimmt  behauptet 
werden,  schon  deshalb  nicht,  weil  die  Fällungszeit  der  Hölzer  eine  verschiedene  war 
und  der  Feuchtigkeitsgehalt  der  Probestücke  leider  gar  n  i  c  h  t  in  Betracht  gezogen 
wurde. 

§  28.  lieber  die  r  ü  c  k  \\'  i  r  k  e  n  d  e  Festigkeit  des  Rotbuchen- 
holzes  hat  W.  F.  Exner  in  seinen  ,, Studien  über  das  Rotbuchenholz"  weit- 
gehende Versuche  angestellt,  welche  den  Zweck  hatten,  diese  Festigkeit  in  Beziehung 
auf  den  Einfluß  der  Höhenlage  des  Holzes  im  Stamme  selbst  und  ferner  jenen  Einfluß 
auf  die  Festigkeit  kennen  zu  lernen,  \\elchen  die  nach  den  4  Haupt-Weltgegenden 
verschiedenen  klimatischen  Verhältnisse  nehmen.  Die  Exner  sehen  Versuche, 
welche  sich  u.  a.  auch  auf  die  Ermittlung  des  spezifischen  Grün-  und  Trockenge- 
^\•ichtes,  sowie  auf  die  Schwindung  des  Rotbuchenholzes  erstreckten,  wurden  an 
einer  in  der  Nähe  von  Vorder-Hainbach  (Wiener-Wald)  gefällten  130jährigen 
Rotbuche  vorgenommen.  Die  zur  Erprobung  bestimmten  Zylinder  hatten  einen 
Durchmesser  von  40  mm  und  eine  Länge  von  80  nun ;  dieselben  \\urden  gleich  altem 
Holze  entnommen,  d.  h.  es  gehörte  jedem  Probezylinder  ein  bestimmter  Jahrring 
des  Holzes  an.  So  \\airden  unzweifelhaft  dem  Splintholze  angehörige  Probezylinder 
(mit  a  bezeiclmet)  gewonnen,  bei  denen  der  gegen  die  Außenseite  des  Baumes  ge- 
legene Teil  der  Probezylinder  mit  dem  im  Jahre  1869  entstandenen  Holze  begann, 
und  somit  gehörten  diese  Zylinder  gleichalterigem,  unter  gleichen  klimatischen  Ver- 
hältnissen entstandenem  Holze  an.  Die  zweite  Serie  von  Probezylindern  (mit  b  be- 
zeichnet) wurde  aus  jenem  Teile  des  Stammes  entnommen,  bei  welchem  der  42.  Jahr- 
ring als  Anfangspunkt  für  die  Gewinnung  der  Probezylinder  diente,  also  aus  jenem 
Holze  bestand,  welches  nicht  später  als  42  Jahre  vor  der  Fällung  entstanden  war. 
Auch  diese  Zylinder  gehörten  noch  dem  Splintholze  an.  Die  dritte  Sorte  von  Probe- 
zylindem  endlich  (mit  c  bezeichnet)  wurde  jenem  Teile  des  Stammquerschnittes 
entnommen,  bei  welchem  der  80.  Jahrring,  von  der  Außenseite  des  Baumes  gezählt, 
begann.  Die  Probezylinder  c  enthielten  häufig  schon  zum  Teile  deutlich  erkennbares 
Kernholz. 

Der  ganze  Schaft  der  Rotbuche  wurde  in  Stücke  von  2  Metern  Länge  zer- 
schnitten und  so  ergaben  sich  10  sehr  regelmäßig  zylindrisch  gestaltete  Abschnitte, 
welche  mit  römischen  Ziffern  bezeichnet  wairden.  \'on  jeder  Walzt-  \\urde  an  deren 
unterem  Teile  eine  Scheibe  herausgenommen  und  zur  Anfertigung  der  Probezylinder 
benützt. 

Hiezu  muß  bemerkt  werden,  daß  das  nuttlere  spezifische  Gewicht  des  grünen 
(frischen)  Stammholzes  zu  0,945  gefunden  wurde,  während  das  mittlere  spezifische 
Trockengewicht  des  Stammes  zu  0,694  angegeben  wird. 

Die  nachstehende  Tabelle ^■I(S. 398)  gibt  eine  Uebersicht  der  Druckfestigkeit 
pro  qcm  jener  zur  Bestinunung  des  Trockengewichtes  venvendeten 
Probezylinder. 

Aus  dieser  Uebersicht  geht  hervor,  daß  die  geringsten  Druckfestigkeiten  die 
Probezylinder  IV  Na  und  IV  Oa  mit  496  bezw.  510  kg,  die  höchste  der  Zylinder  II 
Oa  mit  685  Kilogramm  pro  qcm  zeigten.  Eine  Relation  zwischen  der  Druckfestigkeit 
und  der  Höhe  im  Baume  konnte  nicht  erkannt  werden.  Der  Vergleich  zwischen  den 
a-,  b-  und  c-Ringen  der  Scheibe  ergibt,  daß  das  der  Baumachse  zunächst  liegende 


398 


IX  A.  E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 


Tabelle  VI. 

Rotbuche 

Rückwirkende  Festigkeit  in  kg  pr.  qcm 

Mittelwerte 

nmer  des 

Laiiini- 

chnittes 

Ilölie  über 

dein  Erdboden 

in  Metern 

Nord 

Ost 

Süd 

West 

c. 

II 

P 

c 
o 

CT 

Mittlere  Festigkeit 

der  Probe-Zylinder 

in  kg  pr.  qcm 

z     < 

a 

b 

c 

a 

b 

c 

a 

b 

c 

a 

b 

c 

a 

b 

c 

I 

0,5 

547 

518 

597 

601 

575 

591 

613 

589 

615 

627 

616 

643 

594 

597 

575 

612 

II 

2.5 

602 

574 

630 

6851  — 

633 

582 

592 

642 

569 

584 

583 

607 

610 

583 

622 

III 

4,5 

643  618 

— 

— 

605 

— 

570 

608 

595 

594 

548 

613 

599 

602 

595 

604 

IV 

6,5 

4961  — 

— 

510 

525 

586 

547 

— 

— 

616 

588 

607 

559 

542 

557 

597 

V 

8,5 

6041572 

518 

593 

588 

— 

603 

567 

— 

— 

565 

539 

572 

599 

573 

529 

VI 

10,5 

554|568 

— 

589 

580 

— 

663 

533 

— 

564 

587 

— 

580 

593 

567 

— 

VII 

12,5 

593,589 

— 

592 

— 

— 

560 

553 

— 

611 

— 

— 

583 

589 

571 

— 

VIII 

14,5 

568 

571 

— 

592 

— 

— 

— 

— 

553 

589 

— 

575 

561 

584 

— 

IX 

16,5 

560 

— 

— 

588 

547 

— 

525 

— 

— 

561 

518 

— 

550 

584 

533 

— 

X 

18,5 

609 

— 

— 

615 

— 

570 

— 

— 

611 

— 

— 

601 

601 

— 

— 

XI 

20,5 

556 

— 

— 

550 

— 

— 

— 

— 

— 

533 

— 

— 

546 

546 

— 

— 

Holz  die  höcliste  rückwirkende  Festigkeit  zeigte,  die  geringste  zeigte  das  der  Quer- 
schnittslage b  entnommene  Holz,  während  das  äußerste  Splintholz  hinsichtlich  seiner 
rückwirkenden  Festigkeit  in  der  Mitte,  richtiger  näher  dem  Werte  für  das  Kernholz 
liegt.  Auffallend  ist  endlich,  daß  die  niedrigste  rückwirkende  Festigkeit  bei  der 
höchsten  Stelle  an  den  einzelnen  Holzringen  bemerkt  wurde.  Da  dieses  Sinken  ganz 
unvermittelt  auftrat  und  dafür  ein  plausibler  Grund  auch  nicht  gefunden  werden 
kann,  im  Gegenteil  die  hier  nicht  weiter  angeführten  hohen  Ziffern  für  das  Ast-  und 
Wipfelholz  der  Annahme,  daß  die  Festigkeit  mit  der  Höhe  abnimmt,  widersprechen, 
muß  wohl  diese  Erscheinung  einem  zufälligen  Zusammentreffen  nicht  bekannter 
Umstände  zugeschrieben  werden. 

In  Beziehung  auf  die  Bewegung  der  rückwirkenden  Festigkeit  hinsichtlich  der 
Lage  des  Holzes  nach  den  Weltgegenden  wurde  gefunden,  daß  das  Maximum  der 
Festigkeit  gegen  Osten,  eine  ihr  zunächst  stehende  gegen  Westen  und  eine  minimale 
gegen  Süden  lag,  doch  kann  auch  dieses  Datum  nicht  Anspruch  darauf  machen,  zu 
weiteren  Schlüssen  zu  berechtigen. 

Wichtiger  ist  die  bei  dem  Bruche  der  einzelnen  Zylinder  beobachtete  Erschei- 
nung, daß  diese  in  der  Richtung  der  Markstrahlen  eine  bedeutend  höhere  Festigkeit 
zeigen,  als  im  Sinne  der  .Jahrringe.  Die  sämtlichen  Probezylinder  sind  nämlich  immer 
so  gebrochen,  daß  die  herausgedrückten  Holzteile  in  der  Richtung  der  kurzen  Achse 
der  Querschnitts-Eilinie,  also  in  der  Richtung  der  Sehne  zu  den  Jahrringen  heraus- 
treten. 

Bezüglich  der  rückwirkenden  Festigkeit  des  in  neuester  Zeit  vielfach 
(namentlich  im  Schiffbau)  in  Anwendung  kommenden  Teakholzes  geben  wir  im  nach- 
stehenden die  Resultate  '),  welche  für  die  Druckfestigkeit  im  k.  k.  See-Arsenal  zu  Pola  gewonnen 
wurden.  Zur  Untersuchung  gelangten  zweierlei  .\rten  des  Teakholzes,  nämlich  solches  aus 
Java  und  aus  Indien  (Festland).  Die  Probestücke  waren  würfelförmig  bearbeitet,  von  25  Milli- 
meter, resp.  100  Millimeter  Kantenlänge. 

Als  Mittelwerte  ergeben  sich  für  die  Druckfestigkeiten  ])r.  qcm: 

Für    Teakholz    aus    Java: 
senkrecht  zur  Faser  182  kg,  parallel  zur  Faser  430  kg  bei  Probestücken  von  25  Millimeter 
Kantenlänge; 

senkrecht  zur  Faser  133  kg,  parallel  zur  Faser  354  kg  bei  Probestücken  von  100  Millimeter 
Kantenlängc; 


1)   Siehe  Mitteilungen  des  Technologischen  Gewerbe-Museums  in  Wien    Nr.  61.  Jahrgang 


Versuchsrcsullate  von  Lauboeck.     §  29.  399 

für  indische?    T  e  a  li  li  o  1  z : 
senkrecht  zur  Fa?or  240  kg,  parallel  zur  Faser  496  kg  bei  25  Millinietcr-Probestockcn; 
senkreclil  zur  Faser  löl  kgr,  parallel  zur  Faser  387  kg  bei  100  Millimeter-Probestücken. 
Hieraus  geht  hervor,  daß  das  javanische  Teakholz  geiren  das  indische  in  der  Druckfestig- 
keit senkreclit  zur  Faser  um  9— IS",,  zurücksteht.    Die  Untersuchungen  des  spezifischen  Ge- 
wichtes, des  Harzgchaltes  und  .\schengehaltes  haben  folgendes  ergeben: 

für    T  e  a  k  h  o  1  z  a  u  s    Java:  für    Teakholz    aus    Indien: 

Spezifisches   Gewicht     0,6884.  Spezifisches  Gewicht        0,697 

Harzgehalt  ll,ä5°o.  Harzgehalt  11, 29°^. 

Aschengehalt  1,15,,  Aschengehalt  1,28,, 

Aus  diesen  Resultaten  ergibt  sich,  daß  die  beiden  Holzgatlungen  in  bezug  auf  spezifisches 
Gewicht,  Harz-  und  Aschengehalt  als  nahezu  gleichwertig  zu  betrachten  sind. 

Hier  darf  wohl  auch  an  jene  Mitteilung  erinnert  werden,  die  wir  über  mehrere  der  wich- 
tigsten japanischen  Holzarten  an  anderer  Stelle  machten  '),  in  der  auch  einige 
Zahlen  bezüglich  der  rückwirkenden  Festigkeit  enthalten  sind. 

§  29.  Ueber  die  Biegung  s-undDruckf  estig  keit  des  .Xilanthus-Holzes^) 
(Gölterbaum),  untersucht  von  Ingenieur  G.  L  a  u  b  0  e  c  k,  liegen  die  nachstehenden  Daten  vor. 

Der  zur  Untersuchung  verwendete  Stammabschnitt  zeigte  ein  Alter  von  26  Jahren  (Pro- 
venienz Krain).  Das  spezifische  Gewicht  des  Holzes  wurde  mit  0,69  erhoben.  Zur  Ermittlung 
der  Fesligkeits-Eigenschaften  dienten  im  ganzen  22  Probeslücke. 

a)  Druckfestigkeit. 

Da  es  interessant  ist,  die  Festigkeil  des  Holzes  sowohl  als  auch  ^  zu  den  Fasern  kennen 
zu  lernen,  so  wurde  bei  beiden  Festigkeits-.^rten  darauf  Rücksicht  genommen.  Ueber  die 
Gewinnung  der  Versuchsstücke  sei  hier  folgendes  bemerkt: 

Die  Zylinder,  welche  der  Druckprobe  /  zu  den  Fasern  unterzogen  wurden,  wurden  derart 
aus  einer  entsprechend  der  Zylinderhöhe  dimensionierten  Stammscheibe  gewonnen,  daß 
jeder  derselben  den  15.  Jahresring  in  seiner  Mitte  enthielt.  Der  Durchmesser  der  Zylinder 
betrug  35  Millimeter. 

Sodann  wurden  aus  der  nächstfolgenden  Stammscheibe,  welche  als  Dicke  den  Dureh- 
messer der  Zylinder  enthielt,  sechs  Zylinder  gewonnen,  welche  j_  zu  den  Jahresringen  der  Druck- 
probe unterzogen  wurden.  Dieselben  wurden- aus  der  Stammscheibe  in  der  Weise  geschnitten, 
daß  die  .\chse  des  Zylinders  als  Radius  des  Baumstammes  aufzufassen  ist  und  deshalb  kürzer 
angefertigt  werden  mußten,  da  eine  Höhe  derselben  von  100  Millimeter  aus  dem  Grunde  un- 
zulässig war,  als  die  Grundflächen  der  Zylinder  sowohl  nicht  als  ,, völlig  frei  vom  Splint",  als 
andererseits  „vom  Ivern"  hätten  bezeichnet  werden  können. 

Die   Querschnittsfläche  in  der  halben   Höhe  des  Zylinders  enthielt  den  lö.   Jahresring. 

Auf  diese  Weise  wurde  erreicht,  daß  die  zur  Untersuchung  gelangten  Probestücke  möglichst 
gleichalterigem  Holze  angehörten,  welcher  Umstand  gewiß  nicht  außer  acht  zu  lassen  ist, 
da  bekannt  ist,  daß  die  Lage  des  Holzes  im  Stamme  eine  \erschiedenheit  der  technischen 
Eigenschaften  des  Holzes  zeigt. 

Die  Versuchsstücke  wurden  einer  möglichst  genauen  Bearbeitung  unterzogen  und  die 
\'ersuche  ausgedehnt  auf  die  Ermittlung  der  Druckfestigkeit  //  und    I   zur  Faser. 

Die  Art  der  Zerstörung  bestand  in  einem  Ineinanderschieben  der  Fasern.  Es  bildet  sich 
ein  sogenannter  Wulst,  dessen  Lage  abhängig  ist  von  der  inneren  Beschaffenheit  des  Holzes, 
und  somit  von  lokalen  \"erhältnissen  beeinflußt  wird.  Da  die  Versuchsstüeke  ein  äußerlich 
vollkommen  gleichartig  gestaltetes  Material,  respektive  gleiche  Struktur  zeigten,  also  z.  B. 
Aeste  oder  dergleichen  nicht  vorhanden  waren,  so  trat  die  Bruchstelle  bei  allen  Probestücken 
ziemlich  nahe  der  Mitte  der  Zylinderhöhe  ein. 

Bei  fortgesetzter  Steigerung  der  Belastung,  und  zwar  bei  jenen  %'ersuchsstücken,  welche 
J  zu  den  Fasern  der  Belastung  unterworfen  wurden,  zeigt  sich  nebst  der  \erschiebung  der 
Jahresringe  ein  keilförmig  gestalteter  Körper,  welcher  an  jene  Form  von  deformierten  Prü- 
fungsobjekten erinnert,  wie  solche  die  künstlichen  und  natürlichen  Bausteine  zeigen. 

Jene  Zylinder,  welche  /  zu  den  Fasern  gedrückt  wurden,  zeigten  nach  der  Deformation 
eine  parallele  \erschiebung  ihrer  Endflächen  und  zufolge  dessen  eine  einfach-  oder  zuweilen 
auch  doppeltgekrümmte  Linie  als  Kontur,  welche  dort  am  weitesten  ausgebaucht  ist,  wo  die 
Jahresringe  die  größte  Breite  besitzen. 

DieBelastungen  erfolgen  innerhalb  bestimmterGrenzen,  wobei  stets  die  jeweilige  Zusammen- 
drückung des  Probestückes  gemessen  wurde,  um  die  permanente  und  elastische  Dehnung, 
respektive  Kompression  (Nerkürzung)  zu  ermitteln.  Nach  jedesmaliger  Belastung  erfolgte 
die  Entlastung  und  wurde  die  permanente  Zusammendrückung  angegeben. 


1)  Japans  Holzindustrie  von  Prof.  W.  F.  E  x  n  e  r  in  der  ,,Oesterreichischen  Monatsschrift 
für  den  Orient",  7.  Jahrgang,  1881,  .Nr.  4.  und  5,  Beilagen. 

2)  Siehe  Mitteilungen  des  Technologischen  Gewerbe-Museums  in  Wien,  Nr.  62  Jahrgang  1885. 


400  IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

Die  auf  den  Quadratzentimeter  reduzierte  Belastung,  bei  welcher  der  Bruch  eintrat, 
(Druckfestigkeit)  ergab: 

1.  //  zu  den  Fasern  652  Kilogramm  per  Quadrat-Zentimeter  (im  Mittel); 

2.  _!_  zu  den  Fasern  316  Kilogramm  per  Quadrat-Zentimeter  {im  Mittel), 

woraus  hervorgeht,  daß  das  Holz  //  zu  den  Fasern  in  Anspruch  genommen,  zirka  das  doppelte 
zu  tragen  vermag,  gegenüber  dem  in  darauf  senkrechter  Richtung  beanspruchten  Holze. 
Es  ergab  sich  der  Elastizitäts-Modul 

e  =    721,76  //  zur  Faser, 
s  =      50,02   1    „ 
Die  Elastizitäts-Grenze: 

E  lag  bei  538   Kilogramm  per   Quadrat-Zentimeter  //  zur  Faser, 

E       »  y:    '7  ,,  ,,  ,,  i       ,,  ,, 

Die  bedeutenden  Differenzen  zwischen  der  Beanspruchung  des  Holzes  in  der  Richtung 
der  Jahresringe  und  in  jener  senkrecht  zu  diesen  dürfen  nicht  überraschen,  um  so  mehr,  als  ja  das 
innere  Gefüge  der  Hölzer  darauf  hinweist,  daß  das  Holz  als  ein  in  der  Hauptsache  aus  Längs- 
fasern zusammengesetzter  Körper  betrachtet  werden  muß  und  bekanntermaßen  seine  größeren 
Festigkeits-Eigenschaften  zeigt  in  der  Beanspruchung  durch  eine  Kraft  parallel  dieser  Richtung. 

b)  Biegungsfestigkeit. 

Zur  Ermittlung  der  Biegungsfestigkeit  wurden  im  ganzen  sieben  Versuchsstücke  verwendet, 
welche  einen  quadratischen  Querschnitt  von  30  auf  30  Millimeter  zeigten,  bei  einer  Stablänge 
von  300  Millimeter.    Die  Stützweite  der  Stäbe  betrug  250  Millimeter. 

Einzelne  Versuche  wurden  derart  ausgeführt,  daß  die  Biegung  des  Stabes  //  zu  den  Fasern 
erfolgte,  während  bei  drei  \'ersuchen  die  Biegung  des  Stabes  _L  zur  Richtung  der  Fasern  vor- 
genommen wurde. 

Betreffs  der  Gewinnung  der  Stäbe  aus  dem  Versuchsstamm  sei  hier  mitgeteilt,  daß  die 
Mitte  derselben  gleichfalls  wie  alle  anderen  Versuchsstücke  den  15.  Jahresring  enthielten, 
also  aus  den  gleichalterigen  Teilen  des  Stammes  entnommen  wurden.  Die  Zerstörung  der  Ver- 
suchsstücke erfolgte  ausnahmslos  durch  das  Reißen  der  gespannten  Fasern.  An  den  Stützpunk- 
ten des  Stabes  und  dem  .Angriffspunkt  der  Kraft  waren  nur  geringe  Kompressionen  des  Holzes 
bemerkbar.  Unmittelbar  vor  dem  Eintreten  des  Bruches  war  ein  mehr  oder  weniger  wahrnehm- 
bares Reißen  der  gespannten  Fasern  hörbar. 

Aus  den  Versuchs- Ergebnissen  folgten  nachstehende   Mittelwerte: 

Beanspruchung//  zur    Faser: 

Biegungsfestigkeit  So  =  1184  Kilogramm  per  Quadrat-Zentimeter;  elastische  Biegungs- 
spannung äe  =   973  Kilogramm  per  Quadrat-Zentimeter; 

Elastizitäts-Modul  e  =  89840  Kilogramm  per  Quadrat-Zentimeter. 

Beanspruchung  X  zur   Faser: 

So  =     1144  Kilogramm, 
5s    =        972  „ 

£    =    84070  „ 

Der  Vollständigkeit  halber  sei  hier  bemerkt,  daß  der  Feuchtigkeitsgrad  der 
zur  Untersuchung  gebrachten  Probestücke  sich  mit  10,2%  ergab.  Die  Ermittlung  des  Wasser- 
gehaltes erfolgte  durch  Austrocknung  mehrerer  Versuchsslücke  während  so  langer  Zeit,  bis 
eine  Gewichts-Abnahme  infolge  der  Trocknung  nicht  mehr  bemerkbar  wurde. 

Da  es  sich  bei  der  Durchführung  obiger  Versuche  darum  handelte,  ob  das  .\ilanthus- 
holz  dem  Eschenholz  in  bezug  auf  Festigkeit  etc.  gleichsteht,  so  soll  hier  noch  folgende  kurze 
Betrachtung  ihren  Platz  finden. 

Das  Schwind-  und  Ouellmaß  der  beiden  Hölzer  ist  nahezu  übereinstimmend,  weshalb 
nach  dieser  Richtung  hin  die  beiden  Hölzer  als  gleichwertig  betrachtet  werden  können. 

Die  Angaben  mehrerer  ,\utoren  über  die  Biegungsfestigkeit  des  Eschenholzes  variieren 
zwischen  705  und  1025  Kilogramm,  im  Mittel  also  865  Kilogramm,  während  Nördlineer 
die  Biegungsfestigkeit  der  Esche  zu  834  Kilogramm  angibt.  Die  gefundene  mittlere  Bie- 
gungsfestigkeit des  Ailanthusiiolzes  ergab  sich  zu  1164  Kilogramm  per 
qcm,  ist  somit  um  27,4%  g  r  ö  ß  e  r  als  jene  des  Eschenholzes. 

Angaben  über  die  Druckfestigkeit  des  Eschenholzes  sind  nicht  bekannt,  aus 
welchem  Grunde  ein  Vergleich  der  beiden  in  Rede  stehenden  Hölzer  nach  dieser  Richtung 
nicht  geführt  werden  kann.  Immerhin  weisen  die  von  uns  gefundenen  ziemlich  großen  Werte 
darauf  hin,  daß  das  .\ilanthusholz  auch  in  bezug  auf  Druckfestigkeit  kaum  gegenüber  dem 
Eschenholze  zurückstehen  dürfte. 

Aus  den  gewonnenen  Resultaten  konnte  sohin  mit  Sicherheit  geschlossen  werden,  daß 
das  Ailanthusholz  zufolge  seiner  technischen  Eigenschaften  im  allgemeinen  minde- 
stens als  gleichwertig,  in  einzelnen  Fällen  sogar  als  relativ 
besser   wie   Eschenholz  bezeichnet  werden  muß. 

§    30.     Ueber  den  Einfluß  der  Fälliingszeit  auf  die  Dauer- 
haftigkeit   des    Fichtenholzes     hat    Prof.    Dr.    E.    H  a  r  t  i  g   Unter- 


Versuchsresullate  von  Hartig.     §  30.  401 

sucliungen  durchgeführt,  welche  zur  Beantwortung  der  Frage:  ,,In  welchem  Betrage 
vermindert  sich  die  Festigkeit  der  zu  x'erschiedenen  Jahreszeiten  gefällten 
Hölzer  beim  Liegen  in  freiem  Sandboden?"'  führten. 

Das  Versuchsmaterial  bildeten  zwei  Reihen  von  Stammstücken,  deren  eine  von 
der  im  Jahre  1868  erfolyteu  Fällung  an  in  einem  trockenen  Sammlungsraum  der  K. 
Forstakademie  in  Tharandt  aufbewahrt  worden  war  und  deren  andere  aus  Schwell- 
stücken bestand,  welche  während  eines  Zeitraumes  von  6  Jahren  aufrecht  stehend 
und  bis  zur  oberen  Fläche  eingegraben  in  freiem  Sandboden  gesteckt  hatten,  nach 
ihrer  Aushebung  jedoch  auch  in  lufttrockenen  Zustand  übergeführt  worden  waren. 
Die  Probestücke  der  ersten  Reihe  erhielten  die  Bezeichnung  ,, Luftholz",  die  der 
zweiten  Reihe  ,, Faulholz".  Für  jeden  Fällungsmonat  standen  4  Probestücke  zur 
Verfügung  und  außerdem  noch  einige  Stücke  zur  \'ornalane  von  \'orversuchen.  ^'on 
letzteren  wurden  einige  dazu  benützt,  die  Zerdrückungsfestigkeit  des 
Luftholzesund  des  Faulholzes  in  der  Richtung  des  Faserlaufes  zu  ermitteln.  Es  ergab 
sich  hiebei  die  Zerdrückungsfestigkeit  des  Faulholzes  zu  65  kg  pro  qcm,  des  Luft- 
holzes zu  500  kg  pro  qcm  Querschnitt.  Durch  sechsjähriges  Liegen  in  freiem  Sande 
hat  sich  sonach  die  Zerdrückimgsfestigkeit  des  Fichtenholzes  um  87  °o  des  ursprüng- 
lichen Wertes  vermindert.  Das  spezifische  Gewicht  betrug  beim  Faulholz  0,357,  beim 
Luftholz  0,579,  war  also  beim  Faulholz  um  37,3  %  geringer  als  beim  Luftholz. 

Von  der  Festigkeitsprüfung  der  ganzen  Holzstücke  mußte  wegen  der  schon 
vorgeschrittenen  Zerstörung  der  Faulholzstücke  abgesehen  werden;  es  wurden  viel- 
mehr kleinere  Probestücke  in  Zylinderform  von  50  mm  Durchmesser  und  ebenso- 
großer Höhe  ausgeformt  und  diese  durch  Schlagproben  auf  ihre  Festigkeit  untersucht. 
Der  Schlagapparat  bestand  aus  einer  gußeisernen  Chabotte  mit  Stahlamboß  von  zu- 
sammen 258,84  kg  und  einem  Gestell,  in  welchem  ein  gußeisernes  Schlaggewicht 
bequem  auf  bestimmte  Höhe  gehoben  und  plötzlich  herabfallen  gelassen  werden 
konnte.  Als  angemessenstes  Schlaggewicht  für  die  Versuche  ergab  sich  dasselbe  zu 
48,81  kg  bei  einer  Fallhöhe  von  0,375  Meter.  Bei  Anwendung  desselben  führten  näm- 
lich 2 — 15  Schläge  beim  Faulholz  und  10 — 35  Schläge  beim  Luftholz  zur  völligen 
Zerstörung.  Für  die  Vergleichung  der  Widerstandsfähigkeit  von  Faulholz  und  Luft- 
holz wurden  die  nachfolgenden  Momente  benützt: 

1.  die  Zahl  der  Schläge  bis  zum  Eintritt  des -ersten  Langrisses; 

2.  die  Zahl  der  Schläge  bis  zur  vollen  Zerstörung; 

3.  die  mittlere  Verkürzung  des  Probestückes  pro  Schlag; 

4.  der  hieraus  zu  berechnende  Widerstand  des  Materiales  gegen  bleibende 
Formänderung,  bezogen  auf  die  Flächeneinheit  und 

5.  das  totale  Arbeitsquantum,  welches  zur  gänzlichen  Zerstörung  erforderlich  war. 
Nach  Beschaffenheit  der  Beobachtungsreihen  erschien  es  nicht  ratsam,  irgend 

eines  dieser  Momente  in  der  ^^'eise  zu  benützen,  daß  der  Eintritt  der  Zerstörung  als 
Kriterium  angesehen  würde,  denn  es  war  besonders  bei  dem  Luftholz  äußerst  schwierig 
anzugeben,  nach  welchem  Schlage  die  Zerstörung  als  eingetreten  anzusehen  war; 
dagegen  schien  der  Beginn  der  Zerstörung  an  der  rascheren  Zunahme  der  Verkürzung 
des  Probestückes  ziemlich  sicher  erkennbar.  Deshalb  wurde  für  je  zwei  zusammen- 
gehörige Paare  von  Probestücken  zunächst  für  das  Faulholz  aus  der  Zahl  der  Schläge 
und  der  totalen  \'erkürzung  für  den  bezeichneten  Moment  der  mittlere  Widerstand 
pro  qcm  Querschnitt  (Stoßfestigkeit  Ivg)  berechnet,  sodann  für  das  Luftholz  unter 
Berücksichtigung  der  gleichen  Zahl  von  Schlägen  dieselbe  Rechnung  durchgeführt 

(Stoßfestigkeit  des  Luftholzes  Ki);  ferner  wurde  der  Quotient  -"  gebildet,  der  um 

Kl 

Handb.  d.  Forstwias.    3.  Aufl.     II.  26 


402 


IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 


SO  näher  an  die  Einheit  fällt,  je  widerstandsfähiger  das  Holz  sich  beim  Liegen  im 
freien  Sand  erwiesen  hat.  Sämtliche  zur  Untersuchung  gelangten  Zylinder  waren 
sorgfältig  gemessen  und  gewogen  worden,  in  der  Absicht,  das  spezifische  Gewicht 
zu  ermitteln;  es  ergab  sich  als  Durchschnittswert  für  das  Faulholz  0,469,  für  das 
Luftholz  0,537.  Auch  der  Wassergehalt  der  Probestücke  wurde  bestimmt,  wobei 
sich  als  Mittelwert  für  das  Faulholz  13,1  "o,  für  das  Luftholz  14,1  °o  ergab. 

In  der  nachfolgenden  Tabelle  VII  sind  die  für  die  einzelnen  Fällungsmonate  er- 
zielten Durchschnittswerte  des  Widerstandes  (Stoßfestigkeit)  in  kg  pro  qcm  enthalten. 

Taljelle  VII. 


Fällunfrszeit 


Faulholz 


Luftholz 


Zahl  der 
Probestücke 


"Widerstand 

pr.  qcm 

in  kg 

K„ 


Zahl  der 
Probestücke 


Widerstand 

pr.  qcm 

in  kg 


Quotient 
K„ 
K, 


I 


Januar  .     . 
Februar 

März 
April 

Mai  .  .  . 
Juni  .  . 
Juli  .  .  . 
August  .  . 
September 
Oktober 
November  . 
Dezember  . 


706 
1096 
503 
564 
775 
466 
362 
578 
345 
682 
431 
601 


1449 

0,487 

1621 

0,676 

1367 

0,368 

1003 

0,552 

1458 

0,532 

1374 

0,339 

1089 

0,332 

1118 

0,517 

946 

0,365 

1138 

0,590 

1120 

0,385 

867 

0,693 

Die  in  der  letzten  Kolumne  enthaltenen  Zahlen  stellen  nun  leider  nicht,  wie 
der  Versuchsansteller  nach  der  aufgewendeten  Sorgfalt  erwartet  hatte,  ein  klares 
Gesetz  unzweifelhaft  dar;  wohl  fällt  der  niedrigste  Wert  der  verhältnismäßigen  Festig- 
keit (0,332)  auf  einen  Sommermonat  (Juli),  der  höchste  Wert  (0,693)  auf  einen  Winter- 
monat (Dezember);  auch  ist  der  Durchschnittswert  der  für  die  Frühjahrs-  und  Som- 
mermonate (April  bis  September)  geltenden  Zahlen  um  17,6  °o  niedriger  als  derjenige 
für  die  Herbst-  und  Wintermonate  (Oktober  bis  März),  nämlich  0,439  gegen  0,.d33; 
trotzdem  kann  aber  aus  diesem  Versuche  nicht  mit  Bestimmtheit  behauptet  werden, 
daß  in  bezug  auf  die  technischen  Eigenschaften  und  die  Dauerhaftigkeit  der  Hölzer 
die  Winterfällung  vor  der  Sommerfällung  den  Vorzug  verdient.  Bisher  sind  auch 
alle  in  dieser  Richtung  angestellten  \'ersuche  negativ  ausgefallen,  so  daß  es  den 
Anschein  hat,  daß  die  Fällungszeit  keinen  Einfluß  auf  die  tech- 
nischen Eigenschaften  des  Holzes  ausübe,  sofern  nur  das  Holz  von  der 
Fällung  bis  zur  Verwendung  sachgemäß  behandelt,  vor  allem  gut  getrocknet  wurde. 

§  31.  T  e  t  m  a  j  e  r  in  Zürich  hat  eine  Reihe  von  Untersuchungen  der  Elasti- 
zitäts-  und  Festigkeits-Verhältnisse  der  schweizerischen  Bauhölzer  durchgeführt.  Für 
die  Aufstellung  des  Versuchsprogrammes  waren  folgende  Gesichtspunkte  maßgebend : 
Einerseits  sgllten  hiemit  jene  Festigkeits-Koeffizienten  festgestellt  werden,  welche  zur 
Dimensionierung  bei  Holzkonstruktionen  erforderlich  sind,  anderseits  aber  sollten 
in  möglichst  eingehender  und  umfassender  Weise  die  Festigkeitsverhältnisse  der  ver- 
schiedenen Teile  des  Stammes  und  soweit  als  möglich  auch  ihre  Abhängigkeit  von 
klimatischen  und  geognostischen  \'erhältnissen  klargelegt  werden. 

Zur  Ermittelung  der  Festigkeitsverhältnisse  wurden  Zug-,  Druck-,  Knickungs-, 
Scher-  und  Biege-Proben  an  Föhre,  Weißtanne,  Rottanne  (Fichte),  Lärche,  Eiche 
und  Buche  vorgenommen. 


Versuchsresultatc  von  Telmajer.     §  31.  403 

Zum  Behiife  der  Erforschung  des  Einflusses  klimatischer  und  geognostischer 
Verhältnisse  des  Standortes  wurden  die  Versuche  ausgedehnt  auf  Nord-  und  Süd- 
hänge, auf  Höhenlagen  von  unter  und  über  1300  Meter  und  a\if  Molasse-,  Kalk-, 
Tonschiefer-  und  Granit-  rcsp.  Gneisböden.  Die  Fälhnigszeit  der  Versuchshölzer 
war  der  Monat  Dezember,  das  zur  Untersuchung  gelangte  Holz  wurde  der  Stamm- 
mitte, d.  h.  der  halben  Höhe  bis  zur  Krone  gerechnet,  entnommen.  Mit  Ausschluß 
der  Versuchsproben  für  die  Zugfestigkeit  gelangten  durchweg  prismatische  Proben 
von  quadratischem  Querschnitt  mit  10  cm  Seitenlange  zur  Untersuchung. 

Zur  Ermittelung  der  Zaliigkeitsverhältnisse  des  Holzes,  worüber  korrekte  Aus- 
drücke noch  fast  gänzlich  fehlten,  wählte  T  e  t  m  a  j  e  r  die  Biegungsarbeit,  und 
zwar  deshalb,  weil  die  A\'iderstandsfähigkeit  des  Holzes  gegen  Biegung  in  den  Bau- 
werken eine  besondere  Bedeutung  annimmt,  vorzugsweise  aber  deshalb,  weil  die 
Deformation  relativ  erheblich,  die  Bestimmung  der  Elemente  des  Arbeitsdiagrammes 
eine  sicherere  und  exaktere  ist,  als  dies  unterZugrundelegung  der  E)eformationsarbeit 
irgend  einer  anderen  Festigkeitsart  möglich  schien.  Mit  Rücksicht  darauf,  daß  die 
Qualitätsbestimmung  des  Holzes  von  dem  jeweiligen  Feuchtigkeitsgehalt  desselben 
abhängig  ist,  wurden  parallel  den  Biegungsproben  Versuche  zur  Feststellung  des 
Wassergehaltes  der  der  Biegung  unterworfenen  Versuchsobjekte  ausgeführt.  Von 
der  Bestimmung  des  Feuchtigkeitsgrades  der  Versuchsobjekte  der  Zug-,  Druck-, 
Knickungs-  und  Scherfestigkeit  mußte  wegen  der  großen  Anzahl  von  Versuchs- 
stücken Abstand  genommen  werden.  Im  ganzen  gelangten  660  \'ersuche  zur  Durch- 
führung und  zwar  fielen: 

9  ^'ersuchs-Serien  auf  die  ^^'eißtanne 

—  3  Serien  von  über,  6  Serien  von  unter  1300  m  über  dem  Meeresspiegel 
erwachsenem  Holze; 

11  Versuchs-Serien  auf  die  Rottanne 

—  5  Serien  von  über,  6  Serien  von  unter  1300  m  ü.  d.  M.; 
2  Versuchs-Serien  auf  die  Föhre 

—  2  Serien  von  unter  1300  m  ü.  d.  M.; 
5  Versuchs-Serien  auf  die  Lärche 

—  3  Serien  von  über,  2  Serien  von  unter  1300  m  ü.  d.  M.; 

2  Versuchs-Serien  auf  die  Eiche,  gewachsen  unter  1.300  m  ü.  d.  M.; 

1  Versuchs-Serie  auf  die  Buche,  gewachsen  unter  1300  m  ü.  d.  M. 

Zur  Beurteilung  des  Einflusses  der  Höhenlage  des  Standortes  auf  die  Holz- 
qualität konnte  dem  vorstehenden  Programme  gemäß  unter  den  div.  Holzarten  nur 
die  Weiß-  und  Rottanne  herangezogen  werden,  während  der  Einfluß  der  geognosti- 
Echen  Verhältnisse,  des  Wachstums  etc.  trotz  des  namhaften  Umfanges  dieser  Arbeit 
mit  Sicherheit  nicht  eniiittelt  werden  konnte. 

U ebergehend  zur  ^'eranstaltung  der  \'ersuche  ist  hervorzuheben,  daß  die  Zug- 
estigkeit  der  Hölzer  an  B  a  u  s  c  h  i  n  g  e  rschen  Normalstäben  gewonnen  wurde, 
welche  eine  Schaftdicke  von  0,5 — 0,7  cm  bei  einer  Breite  von  3 — t  cm  hatten. 

Die  Druckfestigkeit  in  der  Faserrichtung  \\ urde  an  \\ürfeln  von  ca.  10  cm  Kan- 
tenlänge ermittelt;  als  Knickfestigkeitsproben  wurden  50  cm  lange  Prismen  von  10 
auf  10  cm  Stärke  verwendet. 

Zur  Erhebung  der  Scherfestigkeit  wurden  Platten  von  10  auf  10  cm  Querschnitt 
und  4,5—5,5  cm  Dicke  benützt.  Die  eine  der  Scheiben  gehörte  der  Stamm-Mitte  an, 
während  die  beiden  anderen  dem  Reifholz  entnommen  \Mirden. 

Zu  den  Biegungsversuchen  wurden  Balken  von  10  auf  10  cm  Querschnitt  und 
1,5  m  Stützweite  ver^vendet.  Die  Beanspruchung  erfolgte  senkrecht  zu  den  Jahrringen. 

26* 


404  IX  A.    E  x  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

Sieht  man  von  der  Dauer  des  Holzes  ab,  so  bleibt  als  entscheidendes  Moment 
bei  der  Beurteilung  der  Verwendbarkeit  einer  Holzart  für  bautechnische  Zwecke 
neben  der  Festigkeit  nur  noch  das  Maß  der  durch  ihre  Zähigkeit  bedingten 
Leistungsfähigkeit  übrig,  welche  am  besten  aus  der  Arbeitskapa- 
z  i  t  ä  t  der  Biegungsfestigkeit  bestimmt  werden  kann.  Hiebei  ist  die  frag- 
liche Arbeitskapazität  durch  Ausmaß  eines  Diagrammes  erhältlich,  welches  aus  den 
bis  zum  Bruch  gesteigerten  Belastungen  und  zugehörigen  Biegungen  eines  normalen 
Prüfungsobjektes  in  der  Art  gebildet  wird,  daß  man  zum  jeweiligen  Biegungspfeil 
als  Abszisse  rechtwinklig  die  korrespondierende  Belastung  als  Ordinate  aufträgt  und 
die  so  gefundenen  Punkte  durch  einen  Linienzug  verbindet.  Der  Inhalt  des  so  kon- 
struierten Diagrammes  stellt  den  Wert  der  Biegungsarbeit  dar.  Diese  Arbeit  muß 
durch  Schlag  oder  allmähliche  gesteigerte  Belastung  verrichtet  werden,  soll  ein  Bruch 
des  Balkens  erzielt  werden. 

Bezeichnet  man  mit  fo  den  Biegungspfeil  des  Balkens  beim  Bruch,  mit  B  die 
Bmchkraft  desselben,  so  stellt  das  Produkt  fp  .  B  den  Inhalt  des  dem  Biegungs- 
diagramme umschriebenen  Rechteckes  dar.  Ein  Bruchteil  dieses  Inhalts  gibt  den 
Inhalt  A  der  Arbeitsfläche,  welche  man  somit  durch 

A  =  r^  fo  .  B 
ausdrücken  kann,  worin  Tj  den  Koeffizienten  der  Biegungsarbeit  bezeichnet.  Dieser 
Koeffizient  ist  selbst  bei  ein  und  derselben  Holzart  nicht  konstant.  Derselbe  ändert 
sich  mit  dem  Zähigkeitsgrade  des  Materials,  er  ist  desto  kleiner  (sinkt  bis  auf  0,5), 
je  geringer  der  Arbeitswert,  je  größer  der  Grad  der  Sprödigkeit  und  Brüchigkeit  ist 
umgekehrt  wächst  der  absolute  Wert  des  Koeffizienten  mit  zunehmender  Zähigkeit 
des  Materials  und  erreicht  eine  Größe  von  0,8 — 0,85. 

Da  nun  tj  auch  für  Holz  des  gleichen  Stammes  selbst  näherungsweise  nicht  als 
konstant  angesehen  werden  kann,  so  ist  auch  weder  die  absolute  Größe  des  Biegungs- 
pfeiles noch  das  Produkt  aus  Biegungspfeil  und  Bruchkraft  zur  Oualitätsbestim- 
mung  maßgebend  und  bleibt  somit  nichts  anderes  übrig,  als  Fall  für  Fall  den  tat- 
sächlichen Wert  der  Biegungsarbeit  A  in  t/cm  ausgedrückt  der  Beurteilung  zugrunde 
zu  legen. 

Am  Schlüsse  dieser  Auseinandersetzung  gelangt  T  e  t  m  a  j  e  r  zu  folgender  Be- 
trachtung: Zur  Beurteilung  des  Wertverhältnisses  der  Bauhölzer  untereinander 
sowie  zur  Vergleichung  des  Holzes  aus  verschiedenen  Teilen  des  Stammes  ist  das 
Maß  der  Arbeitskapazität  (stets  unter  Zugrundelegung  einheitlicher  Prüfungsobjekte 
maßgebend ;  dieselbe  stellt  eine  durch  Festigkeit  und  gleichzeitig  Zähigkeit  bedingte 
Zahl  dar,  die  unter  sonst  gleichen  Umständen  sich  sowohl  mit  der  Zähigkeit  als  ander 
seits  mit  der  Festigkeit  ändern  kann.  Ist  das  Holz  spröde,  brüchig  (d.  h.  elastisch, 
fest,  aber  nicht  zähe  —  biegsam),  so  wird  sein  Arbeitswert  gering  ausfallen,  umge- 
kehrt kann  das  Arbeitsvermögen  erheblich  werden,  wenn  das  Material  neben  geringer 
Bruchfestigkeit  große  Zähigkeit  und  Biegsamkeit  besitzt.  Ein  Maximum  der  Bie- 
gungsarbeit wird  aus  der  Vereinigung  möglichst  großer  Festigkeit  und  Zähigkeit 
resultieren;  es  erscheint  daher  die  Größe  der  Biegungsarbeit  (A)  als  wohlberechtigter 
Oualitätsniesser  des  Holzes. 

Bevor  wir  die  Zusammenstellung  der  T  e  t  m  a  j  e  r  sehen  Ver.suchsresultate 
wiedergeben,  wollen  wir  nicht  versäumen,  jene  Erfahrungen  anzuführen,  welche  der 
Versuchsansteller  gelegentlich  der  Knickimgsfestigkeit  gewonnen  hat  und  sich  auf 
die  Feststellung  des  Gesetzes  der  Abnahme  der  Druckfestigkeit  mit  wachsender 
Prismenlänge  bezogen.  Gewöhnlich  wird  der  Knickungskoeffizient  k  für  variable 
Verhältnisse  der  Balkenlängen  und  Querschnittsabmessungen  als  konstant  an- 


Versuchsresultate  von  Tetmajcr.     §  31.  405 

genommen.    T  e  t  m  a  j  e  r  ist  gelegentlich  des  Studiums  dieser  Frage  zu  folgenden 
Schlüssen  gelangt:  daß 

1.  die  Druckfestigkeit  mit  wachsender  Länge  der  Balken  sich  mehr  oder  weniger 
sprungweise  ändert ; 

"2.  die  Knickungsgefahr  bei  Balkenlängen  von  fünf-  bis  zehnfacher,  schätzungs- 
weise von  achtfacher   Oucrschnittsbreite  beginnt; 

3.  die  Abnahme  der  Druckfestigkeit  bei  Balkenlängen  von  zehn-  bis  zwanzig- 
facher Oucrschnittsbreite  unerheblich,  jedoch  fast  stetig  wächst. 

In  der  folgenden  Tabelle  VIII  (S.  406)  führen  wir  nur  jene  Mittelwerte  an,  welche 
als   Festigkeitskoeffizienten   für   bautechnische   Zwecke  Verwendung   finden   sollen. 
Darin  bezeichnet: 
£     in  t  pro  qcm  den  Elastizitätsmodul; 

Y     in  t  pro  qcm   den  Grenzmodul    (speziell  Tragkraft  an  der  Elast.-Grenze); 
ß     in  t  pro  qcm  den  Festigkeitsmodul  für  Zug,  Druck  und  Biegung;  speziell: 
fij   in  t  pro  qcm  den  Festigkeitsmodul   für  das  Stammzentrum  (Mittelstück); 
ßs   in  t  pro  qcm  den  Festigkeitsmodul  für  seitliches  Holz  (Seitenstück); 
ß„  in  t  pro  qcm  den  mittleren  Festigkeitsmodul ; 
^c  in  t  pro  qcm  den  Schermodul  für  das  Stanimzentrum ; 
^ä  in  t  pro  qcm  den  Schermodul  für  seitliches  Holz ; 
<3m  in  t  pro  qcm  den  mittleren  Schermodul ; 
»    in  t/cm  die  spezifische  Arbeit  an  der  Elastizitätsgrenze; 
A  in   t/cm  die  Deformationsarbeit  beim  Bruch; 
n  in    %  den  Feuchtigkeitsgrad  desHolzes. 

Was  die  Festigkeitsverhältnisse  des  Holzes  an  verschiedenen  Stellen  des  Quer- 
schnittes betrifft,  so  ergibt  sich,  daß  das  Holz  der  Stamm-Mitte  selbst  bei  Stämmen 
im  Alter  des  vorgelegenen  Versuchsmaterials  (80 — 100  Jahren)  schwächer  ist 
als  das  Reifholz  seitlich  der  Stamm-JMitte  (gleichviel  ob  aus  Höhen  über  oder  unter 
1300  m  ü.  d.  M.). 

Aus  einer  anderen  Tabelle,  bezüglich  welcher  wir  der  Raumökonomie  halber 
auf  die  Publikation  des  Versuchsanstellers  venveisen  müssen,  geht  ferner  hei-vor,  daß 
die  Nadelhölzer  in  der  Stamm-Mitte  sowohl  an  Festigkeit  wie  Zähigkeit  als  wesentlich 
minderwertig  erscheinen;  so  ist  z.  B.  die  Biegungsfestigkeit  des  seitlichen  Holzes  der 
Koniferen  um  16  °o,  die  Leistungsfähigkeit  um  39  »o  größer  als  für  die  Stamm-Mitte. 
Nach  ihren  Festigkeitsverhältnissen  rangieren  die  geprüften  Bauhölzer  in  fol- 
gender Weise: 

Druckfestigkeit      Scherfestigkeit     Biegungsfestigkeit 
Föhre  Föhre  Föhre 

Rottanne  Weißtanne  Rottanne 

Weißtanne  •  Rottanne  Weißtanne 

Lärche  Lärche  Lärche 

Buche  Eiche  Eiche 

Eiche  Buche  Buche. 

Den  kleinsten  Arbeitswert  zeigte  die  Föhre.    Setzt  man  denselben  =  1,  so  er- 
scheint bei  einem  Wassergehalt  von  11— ^Co  (lufttrockenes  Holz) 
der  Arbeitswert  der  \\eißtanne  um  19%  größer; 
„  „  „    Rottanne        „  26%        ,. 

„  „  ,,    Lärche  ,,  66%         ,, 

.,    Eiche  „    95% 

Der  Arbeitswert  der  Buche  dürfte  neben  jenem  der  Eiche  stehen. 


Nr. 

Zugfestigkeit 

I 

Weißtanne 

II 

Rottanne 

III 

Lärche 

IV 

Föhre 

V 

Eiche 

VI 

Buche 

406 


IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 


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Versuchsresullate  von  Bauschinger.    §  32.  407 

Hinsichtlich  der  interossaiilon  Folgerungen,  welche  sich  ergeben,  ob  das  Holz 
unter  oder  über  130()  ni  ü.  d.  M.  erwachsen  ist,  müssen  wir  auf  die  höchst  beachtens- 
werte Publikation  T  e  t  m  a  j  e  r  s  selbst  verweisen.   — 

Hofrat  T  e  t  m  a  j  e  r  hat  später  gelegentlich  der  schweizerischen  Laudesaus- 
stellung in  Genf  1896  die  voranstehenden  Versuche  weiter  verfolgt  und  deren  Resultate 
in  dem  Werke :  Methoden  und  Resultate  der  Prüfung  der  Schweiz.  Bauhölzer.  H.  Heft. 
Zürich  18%  niedergelegt.  Dortselbst  finden  sich  nelist  den  erweiterten  Untersuchungs- 
resultaten der  Festigkeitseigenschaften  der  Schweiz.  Baidiölzer  auch  folgende  interes- 
sante Kapitel:  1.  Resultate  der  Untersuchungen  der  Einflüsse  des  Dämpfens  und  Dar- 
rens auf  die  Festigkeitsverhältnisse  der  Bauhölzer;  2.  Resultate  der  Prüfung  der 
Einflüsse  der  Imprägnierung  der  Hölzer  auf  deren  Festigkeitsverhältnisse;  3.  Unter- 
suchung des  relativen  Wertes  der  Bündener  Lärche  und  der  amerikanischen  Pitsch- 
Pine;  4.  Untersuchung  des  Einflusses  des  exzentrischen  Wuchses  auf  die  Druck- 
festigkeit einiger  Nadelhölzer;  Z).  Untersuchung  der  Kompressibilität  eichener  Bohlen 
und  6. Untersuchung  der  Einflüsse  der  Exzentrizität  auf  die  Druckfestigkeit  des  Holzes. 

§  32.  Die  Untersuchungen,  welche  Prof.  Bauschinger  angestellt  hat, 
behandelten  hauptsächlich  den  Einfluß  des  Standortes  und  der  Fällzeit  auf  die  Elasti- 
zität und  Festigkeit  des  Fichten-  und  Kiefernholzes.  Als  \  ersuchsmaterial  dienten 
je  4  Stämme,  welche  4  verschiedenen  Standorten  (Lichtenhof,  Frankenhofen,  Regen- 
hütte und  Schliersee)  entnommen  und  wovon  je  2  Stämme  im  Sommer,  die  beiden 
anderen  im  Winter  gefällt  wurden.  Von  dem  Standort  Lichtenhof  wurde  Kiefernholz 
(Föhre),  von  doli  anderen  drei  Standorten  Fichtenholz  eingesandt.  Die  Bäume  wur- 
den 1,5  cm  über  dem  Boden  abgeschnitten  und  aus  jedem  der  so  gewonnenen  32  Ab- 
schnitte ein  Balken  von  möglichst  großem  ([uadratischem  Querschnitt  so  herausge- 
nommen, daß  der  Kern  ganz  oder  doch  nahezu  in  dessen  Mitte  zu  liegen  kam  und 
die  Ouerschnittsseiten  parallel  zur  Süd-Nord-,  bezw.  Ost-West-Richtung  liefen.  Diese 
Probestücke  wurden  auf  Biegung  untersucht.  \'on  den  beim  Ausschneiden  jener 
Balken  abgefallenen  Schwartlingen  wurden  50  cm  lange  Stücke  abgeschnitten  und 
hieraus  Lamellen  von  8  cm  Breite  und  2  cm  Dicke  gewonnen;  diese  Probestücke, 
welche  dann  noch  weiter  hergerichtet  wurden,  sind  der  Zugfestigkeit  unterworfen 
Morden.  \'on  den  bei  den  Biegungsversuchen  erhaltenen  beiden  Bruchstücken  wurden 
jene  Probestücke  gewonnen,  welche  man  zur  Untersuchung  auf  Zug-,  Druck-  und 
Abscherungs  -Festigkeit  benötigte. 

Die  zu  den  Biegungsversuchen  verwendeten  32  Balken  hatten  eine 
Spannweite  von  250  cm.  Ihr  Querschnitt  war  möglichst  groß  und  schwankte  zwischen 
15,2  cm  Breite  und  33,49  cm  Höhe. 

Gelegentlich  der  Zusammenstellung  der  Resultate  gibt  Bauschinger  auch 
die  Biegungsarbeit  an,  welche  sowohl  als  Maßstab  für  die  Festigkeit  als  auch  zugleich 
für  die  Zähigkeit  des  betreffenden  Holzstückes  dient. 

Bei  Ausführung  der  \'ersuche  über  die  Zugfestigkeit  hat  Bauschinger 
fünf  typische  Bruchformen  unterschieden  und  folgendermaßen  charakterisiert:  kurz 
stumpf;  kurz  zackig;  blättrig;  faserig  und  langfaserig,  und  zugleich  gefunden,  daß 
in  derselben  Reihenfolge,  in  welcher  die  Bruchformen  aufgezählt  sind,  von  der  klei- 
neren zur  größeren  aufsteigend,  in  der  Regel  auch  die  Zugfestigkeiten  der  Probe- 
stücke stehen. 

Die  Druckversuche  wurden  an  Probestücken  von  9x9  cm  Querschnitt  und 
15  cm  Länge  vorgenommen,  während  für  die  Abscherungsversuclie  Scheiben  von 
8  cm  Dicke  zur  Verfügung  standen. 

Gelegentlich  der  \'ornahme  dieser  Versuche  hatte  Bauschinger  noch  eine 


408  I^  '^-    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

eigene  Versuchsreihe  (an  Fichtenholz)  unternommen  zu  dem  Zwecke,  den  Beziehungen 
zwischen  den  mechanischen  und  physikalischen  Eigenschaf- 
ten des  Holzes  auf  die  Spur  zu  kommen.  Zu  diesem  Ende  wurden  die  Probestücke 
auf  4  Trockenstufen,  d.  h.  nach  und  nach  durch  allmähliches  Austrocknen  bis  zu 
jenem  Zustand  gebracht,  wo  das  Holz  an  Luft  von  gleichbleibender  Feuchtigkeit 
nichts  mehr  abgibt  und  feuchter  oder  trockener  wird,  je  nach  dem  Feuchtigkeitsgehalt 
der  Luft. 

Hierauf  wurde  der  Feuchtigkeitsgehalt  der  einzelnen  Probestücke  und  die 
Festigkeit  derselben  ermittelt. 

Wir  müssen  uns  darauf  beschränken,  die  Hauptresultate  dieser  höchst  instruk- 
tiven Arbeit  wiederzugeben,  welche  sich  in  Folgendem  ausdrücken:  ,,Im  großen  und 
ganzen  ist  bei  geringerem  Feuchtigkeitsgehalt  und  größerem  spezifischem  Trocken- 
gewicht ein  höherer  Elastizitätsmodul  und  eine  größere  Festigkeit  vorhanden,  aber 
letztere  Eigenschaften  unterliegen  noch  anderen  Einflüssen,  die  mindestens  ebenso 
mächtig  sind  wie  die  Wirkungen  der  Feuchtigkeit  und  des  spezifischen  Gewichtes 
und  folglich  diese  ganz  oder  teilweise  verdecken.  Diese  Einflüsse  rühren  natürlich 
von  der  örtlichen  Beschaffenheit  der  Holzsubstanz  in  dem  betr.  Probestück  oder  an 
dessen  Bruchstelle  her,  dieses  organischen  Gebildes  von  fester  Holzmasse  (Zellulose, 
Lignin)  mit  Hohlräumen  verschiedener  Art  (Poren,  Höhlungen  der  Holzfasern  etc.), 
das  sich  schon  beim  näheren  Besichtigen  eines  Querschnittes  mit  bloßem  Auge,  noch 
mehr  aber  bei  der  Beobachtung  eines  Dünnschnittes  unter  dem  Mikroskop  von  außer- 
ordentlich verschiedener  Beschaffenheit  zeigt,  sowohl  innerhalb  "desselben  Quer- 
schnittes als  auch  an  gleichen  Querschnittsorten  in  verschiedenen  Höhenlagen  des- 
selben Stammes,  wenn  diese  auch  nur  verhältnismäßig  wenig,  um  2 — 3  Meter,  von- 
einander entfernt  sind." 

Bausc  hinger  hat  nun  eine  Relation  zwischen  der  Druckfestigkeit  und  dem 
Feuchtigkeitsgehalt  aufgestellt  und  gefunden,  daß 

ßo  =  ß[l  +  M9-?o)], 
wobei  ß  die  Druckfestigkeit  beim  Feuchtigkeitsgehalt  o  und  ßp  diejenige  bei  einem 
niedrigeren  Feuchtigkeitsgehalt  90  bezeichnet,  welcher  in  der  Nähe  der  Lufttrockene 
liegt.    Die  Konstante  X  wurde  im  Mittel  zu  0,0366  gefunden. 

In  ähnlicher  Weise  fand  Bau  sc  hinger  den  Zusammenhang  zwischen  der 
Schubfestigkeit  und  dem  Feuchtigkeitsgehalt  aus  der  ähnlich  gebauten  Formel: 

ro  =  v[i  +n(9— 9o)]. 

worin  y  die  Schubfestigkeit  beim  Feuchtigkeitsgehalt  9  undy,,  diejenige  beim  Feuch- 
tigkeitsgehalt 9o  bezeichnet.    Der  Koeffizient  |i  wurde  zu  0,0430  ermittelt. 

Dieser  Wert  [/,  stimmt  so  ziemlich  mit  jenem  (Ä)  für  die  Druckfestigkeit  überein. 

In  Nachstehendem  geben  wir  die  Mittelwerte  der  Versuchsresultate. 
(Siehe  Tabelle  IX.,  S.  409.) 

Bezüglich  der  Resultate  und  Folgerungen  aus  denselben  müssen 
wir  auf  die  Bauschinger  sehe  Arbeit  selbst  verweisen,  können  aber  nicht  umhin, 
wenigstens  die  wichtigsten  derselben  hier  anzuführen,  da  dieselben  neue  Perspektiven 
eröffnen. 

Bezüglich  der  Zugfestigkeit  wurde  gefunden,  ,,daß  die  Zugfestigkeit 
unabhängig  ist  von  der  ganzen  Jahrringbreite,  und  nur  bedingt  ist  von  der  Beschaf- 
fenheit der  beiden  Zonen  und  daher  bei  der  fast  konstanten  Beschaffenheit  der 
Frühjahrszone  wesentlich  abhängig  von  der  Festigkeit  der  Spätholz-(Herbst)zone 
und  außerdem  von  der  verhältnismäßigen  Breite  derselben". 

Es  hat  sich  ferner  ergeben,  daß  ,,eine  dichte  Herbstzone  von  großer  Verhältnis- 


Versuchsresultate  von  Bauschinger.     §  32. 
Tabelle  IX. 


409 


Fällzeit 


Holzart 


Standort 


Elastizitäts-MocUiI  in  at 
Elastiziläts-Grenze  in  at 
Biegungsfestigkeit  at 
Spezif.  Gew.  bei  Luft- 
trockene .... 
Feuchtigkeitsgehalt  in 
°o  des  Holzgewichtes 


Mittlere  Festigkeit  der 
Umtang-Stücke  in  at 

Jlittlcre  Festigkeit  der 
Kern-Stücke  in  at     . 

Mittlere  Festigkeit  des 
ganzen  Querschnittes 
in  at 


Druckfestigkeit  für  den 
ganzen  Querschnitt 
in  at 

Feucht  igkeitsgehalt"; 
Druckfestigkeit   f.   10°, 
Feuchtigkeit       (Luft 
trockene)  in  at 


Schubfestigkeit  im 
Durchmesser  in  at 
Schubfestigkeit   im 

Quadrat  in  at   .   ' 
Feuchtigkeitsgehalt 

"o  des  Holzgew. 


Sommer 


Kiefer 


Fichte 


Lichten-  Franken-I  Regen- 
hof     ;    hofen    I    hütte 


Schlier- 
see 


Winter 


Kiefer 


Fichte 


Lichten-  Franken- 
hof     I    hofen 


Regen- 
hatte 


Schlier- 
see 


Bieg  ungs  versuche. 


08  000 

110  000 

115  000 

73  000 

103  000 

116  000 

110  000 

201 

228 

216 

146 

220 

262 

227 

472 

419 

416 

295 

451 

446 

446 

0,50 

0,45 

0,46 

0,355 

0,55 

0,43 

0,43 

23 

29 

34 

23,5 

33 

27 

31 

69  000 
132 
257 

0,375 


Zugversuche. 


050 

790 

1030 

700 

750 

1240 

960   1 

230 

310 

410 

290 

290 

345 

300 

790 

750 

825 

565 

595 

940 

740 

Druckversuche. 


. 


281 
19 


373 

43 
46 
25 


246 

234 

162 

319 

313 

281 

20 

27 

20 

26 

17 

20 

335 

379 

222 

504 

393 

383  { 

Abscher  ungs  versuche//  zur  Faser. 


41 

38 

32 

49 

51 

49 

41 

38 

31 

51 

52 

49 

38 

38 

28 

— 

— 

— 

580 
255 

470 


225 
19 


298 


38 
38 


mäßiger  Breite  stets  eine  große  Zugfestigkeit  (und  Dichtigkeit),  eine  locker  gewebte 
und  verhältnismäßig  dünne  Herbstzone  aber  stets  eine  geringere  Festigkeit  (und 
Dichtigkeit)  des  ganzen  Querschnittes  zur  Folge  hat  imd  daß  die  so  bedeutend  ge- 
ringere Festigkeit  der  Kernstücke  nicht  sowohl  von  der  großen  Breite  der  Jahrringe, 
sondern  vielmehr  von  der  lockeren  Beschaffenheit  und  verhältnismäßig  geringen 
Breite  der  Herbstzone  herrührt". 

,, Immer  ist  eine  höhere  Zugfestigkeit  von  einem  faserigen  Bruch,  eine  niedrigere 
von  einem  kurzen,  stumpfen  oder  zackigen  Bruch  begleitet." 

Die  ungeheure  ^lannigfaltigkeit,  welche  in  der  Anordnung  der  Fasern  betreffs 
ihrer  Lage  neben-  und  hintereinander  möglich  ist,  scheint  der  Hauptgrund  der  großen 
Verschiedenheiten  zu  sein,  welche  die  Zugfestigkeit  innerhalb  desselben  Stammes, 
ja  innerhalb  desselben  Querschnittes  eines  solchen  zeigt." 

Außer  den  im  anatomischen  Bau  des  Holzes  sich  aussprechenden  Verhältnissen 
hat  auch  noch  die  eigentliche  Holzsubstanz  ihrer  Qualität,  ihrer  chemischen  Zusam- 


410  IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschatten  der  Hölzer. 

mensetzung  nach  Einfluß  auf  die  Festigkeit.     Um  dieser  Frage  näher  zu  kommen, 
wurden  mehrere  Probestücke  auf  ihren  Lignin-Gehalt  und  Gehalt  an  Zeikilose  unter-  . 
sucht  und  gefunden : 

„Die  Zugfestigkeit  nimmt  mit  dem  Gehalt  an  Zellulose  zu  und  umgekehrt  wird 
die  Zugfestigkeit  kleiner,  wenn  der  Lignin-Gehalt  wächst." 

,,Lignin  scheint  das  Holz  härter,  spröder,  wiflerstandsfähiger  gegen  Biegung  zu 
machen,  während  die  Zugfestigkeit  durch  Ligninbildung" verringert  wird." 

Bezüglich  der  Fragen  nach  dem  Einfluß  des  Bodens  und  der  Fällzeit  auf  die 
Festigkeit  gelangte  B  a  u  s  c  h  i  n  g  e  r  zu  folgenden  Resultaten: 

1.  Die  auf  den  Standorten  Frankenhofen  und  Regenhütte  erwachsenen  Stämme 
haben  ungefähr  gleiche  mittlere  Zugfestigkeit,  etwas  geringer  ist  diejenige  der  Kiefern 
von  Lichtenhof  und  entschieden  die  geringste  Festigkeit  haben  die  breitringigen 
Fichtenstämme  von  Schliersee. 

2.  Ein  Einfluß  der  Fällzeit  ist  bei  Hölzern,  die  kürzere  Zeit,  etwa  einen  Monat 
nach  ihrer  Fällung  geprüft  werden,  nicht  zu  erkennen. 

Der  Elastizitätsmodul  für  Zug  variiert  sehr  bedeutend  mit  der  Festigkeit;  er 
nimmt  mit  der  Festigkeit  zu  und  ab,  doch  in  der  Regel  bei  weitem  nicht  in  demselben 
Verhältnisse  wie  diese. 

Die  Elastizitätsgrenze  für  Zug  fällt  nahezu  mit  der  Bruchgrenze  zusammen. 

Aus  den  Ergebnissen  über  die  Biegungsfestigkeit  folgt,  daß  die  Zahlen 
für  die  Biegungsfestigkeit  ebenfalls  von  der  zufälligen  örtlichen  Beschaffenheit  des 
Holzes,  die  innerhalb  desselben  Stammes  so  sehr  verschieden  sein  kann,  beeinflußt 
werden  wie  diejenigen  für  die  Zugfestigkeit,  wenn  auch  nicht  in  so  hohem  Grade  wie 
diese.  Ein  Zusammenhang  zwischen  den  mechanischen  Eigenschaften  und  der  Dich- 
tigkeit war  hiebei  nicht  festzustellen,  wenigstens  nicht  mit  Sicherheit.  Aus  den  Mittel- 
werten ließen  sich  folgende  Schlüsse  ziehen: 

1.  Die  auf  den  Standorten  Frankenhofen  und  Regenhütte  erwachsenen  Stämme 
haben  bei  fast  gleichem  spezifischemGewichte  ungefähr  gleiche  Qualität  für  die  Be- 
anspruchung auf  Biegung  und  werden  von  den  in  Lichtenhof  gewachsenen  Stämmen 
trotz  deren  bedeutend  größerem  spezifischem  Gewichte  kaum  übertroffen;  dagegen 
stehen  jenen  die  Schlierseer  Stämme  bedeutend  nach,  sowohl  was  die  mechanischen 
Eigenschaften  anbelangt,  als  auch  betreffs  des  spezifischen  Gewichtes. 

2.  Ein  Einfluß  der  Fällzeit  ist  auch  hier  nicht  zu  konstatieren. 

Bei  den  Druckversuchen  ist  charakteristisch,  daß  die  Ueberschreitung 
der  Festigkeitsgrenze  sehr  scharf  zu  beobachten  ist,  obwohl  eine  Lösung  des  Zusam- 
menhanges der  Teile  nicht  stattfindet.  Die  Elastizitätsgrenze  dagegen  ist  bei  Druck- 
versuchen in  der  Regel  sehr  verschwommen  und  der  Elastizitätsmodul  wegen  der 
großen  Schwierigkeiten  einer  völlig  gleichmäßigen  Verteilung  des  Druckes  etwas  un- 
sicher. Auch  hier  zeigte  sich  wieder,  daß  die  Kernstücke  eine  geringere  Festigkeit 
haben  als  die  Seitenstücke.  Ein  Einfluß  der  Himmelsrichtung  ließ  sich  nicht  erkennen. 

Ferner  hat  sich  ergeben: 

L  Die  auf  den  Standorten  Frankenhofen  und  Regenhütte  erwachsenen  Stämme 
haben  bei  fast  gleichem  spezifischem  Gewicht  ungefähr  gleiche  mittlere  Druckfestig- 
keiten und  werden  von  den  in  Lichtenhof  gewachsenen  Stämmen  trotz  deren  größerer 
Dichtigkeit  kaum  übertroffen,  dagegen  stehen  jenen  die  Schlierseer  Stämme  be- 
deutend nach. 

2.  Bei  allen  vier  Standorten  ist  die  Festigkeit  der  im  Winter  gefällten  Stämme 
größer  als  die  der  im  Sommer  gefällten,  und  zwar  verhalten  sich  beide  Festigkeiten 
im  lufttrockenen  Zustand  im  Mittel  wie  1  :  1  22. 


Versuchsresullate  von  Bauschinger.     §  33.  4jl 

Aus  den  Resultaten  der  A  b  »  e  h  c  r  v  e  r  s  u  c  li  e  gelit  liervor,  daß  die  Scliub- 
festigkeit  unabhängig  von  der  Breite  der  Jahrringe  und  daß  sie  im  Kern  am  {kleinsten 
ist  und  von  da  aus  liis  zur  Peripherie  liiu  wächst.  Selir  häufig  ist  sie  aber  nächst  dem 
Splint  wieder  kleiner  als  zwischen  dem  Kern  und  diesem. 

Es  konnte  weder  ein  Einfluß  der  Himmelsrichtung  auf  flie  Schubfestigkeil  noch 
ein  entschiedener  Einfluß  «ler  Höhenlage  im  Stanuue  abgeleitet  werden.  In  ziemlicher 
Uebereinstimmung  mit  den  bei  der  Druckfestigkeit  gefundenen  Sätzen  ergab  sich 
auch  hier: 

1.  Die  Schubfestigkeit  des  Holzes  längs  der  Faser  von  den  drei  Standorten 
Lichtenhof,  Frankenhofen  und  Regenhütte  ist  nahezu  die  gleiche,  die  des  Schlierseer 
Holzes  aber  wesentlich  geringer. 

2.  Die  Schubfestigkeit  des  im  Winter  gefällten  Holzes  ist  größer  als  diejenige 
der  Stämme,  welche  im  Sommer  geschlagen  wurden,  und  zwar  verhalten  sich  beide 
Festigkeiten  im  Mittel  wie  1  :  1,'27. 

In  seiner  Schlußbemerkung  gibt  B  a  u  s  c  h  i  n  g  e  r  auf  die  beiden  Haupt- 
fragen: Einfluß  des  Standortes  und  der  Fällzeit  auf  die  Elastizitäts-  und  Festigkeits- 
Eigenschaften  des  Fichten-  und  Kiefernholzes,  folgende  Antwort: 

1.  Fichten-  oder  Kiefernstämme,  welche  bei  gleichem  Alter  ungefähr  gleichen 
Durchmesser  haben,  die  also  ungefähr  gleich  schnell  gewachsen  sind,  haben,  unab- 
hängig vom  Standorte,  die  gleichen  mechanischen  Eigenschaften  bei  gleichem  Feuch- 
tigkeitsgehalt. Stämme,  welche  bei  gleichem  Alter  größeren  Durchmesser,  also  breitere 
Jahrringe  haben,  schneller  gewachsen  sind,  haben  eine  geringere  Festigkeit,  als  lang- 
samer gewachsene. 

2.  Fichten-  oder  Kiefernstämme,  welche  im  Winter  gefällt  wurden,  haben,  zwei 
bis  drei  Monate  nach  ihrer  Fällung  geprüft,  unter  sonst  gleichen  Umständen  eine  um 
ca.  25  "o  größere  Festigkeit  als  solche,  die  im  Sommer  geschlagen- werden. 

§  33.  Nebst  dieser  ausgezeichneten  Arbeit,  welche  Bausc  hinger  im  Jahre 
1882  zur  Durchführung  brachte,  hat  derselbe  in  dem  ,, sechzehnten  Heft  der  Mit- 
teilungen aus  dem  mechanisch-technischen  Laboratorium  der  K.  Technischen  Hoch- 
schule in  München  1887"  als  Fortsetzung  dieser  Studie  die  Resultate  der  Unter- 
suchungen über  ,,die  Veränderung  der  Festigkeit  des  Nadelhol- 
zes nachdemFällen"  publiziert.  Diese  Arbeit  hatte  den  Zweck,  den  Einfluß 
der  Fällzeit  und  des  Standortes  auf  die  Dauer  des  Nadelholzes  zu  untersuchen. 
Als  \'ersuchsmaterial  wurden  aus  den  zu  Gebote  stehenden  32  Balkenstücken  der 
oben  zitierten  Hölzer  an  möglichst  astfreier  Stelle  zwei  15  cm  dicke,  viereckige  Plat- 
ten unmittelbar  nebeneinander  herausgeschnitten,  und  beschränkte  sich  die  Prüfung 
dieses  Versuchsmaterials  auf  die  Ermittlung  der  Druckfestigkeit  und  des  dabei  vor- 
handenen Feuchtigkeitsgehaltes  der  Probestücke.  Das  Material  war  5  bezw.  4  ^2  Jahre 
im  Freien  gelagert  und  während  dieser  Zeit  den  \\itterungseinflüssen  ausgesetzt. 
Eine  der  beiden  Platten  wurde  benützt,  um  ein  quadratisches  Prisma  mit  ca.  10  cm 
Ouerschnittsseite  zu  gewinnen,  welches  in  seiner  Mitte  den  Kern  enthielt;  die  andere 
Platte  wurde  durch  zwei  aufeinander  senkrecht  stehende  und  durcli  die  Mitte  des 
Kernes  gehende  Schnitte  in  4  rechtwinkelige  Parallelepipede  zerlegt,  aus  welchen 
Prismen  gearbeitet  wurden,  deren  Querschnitt  nahezu  quadratisch  und  deren  Länge, 
parallel  der  Faser,  1  ^omnl  so  groß  als  die  kleinste  L>imension  war. 

Um  die  Resultate  für  das  spezifische  Gewicht  und  die  Druckfestigkeit  mit 
jenen  Daten  für  frisch  gefälltes  Holz  vergleichen  zu  können,  mußten  alle  auf  den 
gleichen  Feuchtigkeitsgehalt  reduziert  werden.  B  a  u  s  c  h  i  n  g  e  r  wählte  hiezu  den 
Feuchtigkeitsgehalt  der  Lufttrockene   <p  =  10%  des   Gewichtes  des  feuchten  oder 


412 


IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 


']i  =  12%  des  Gewichtes  des  im  Trockenofen  getrockneten  Holzes  und  benutzte  die 
Formeln : 

S  =  Sa  (1  +0,006  ('1^—12) 
für  die  Dichtigkeit  und 

ßo  =  ß  (1  +0,0366  (9—10) 
für  die  Druckfestigkeit. 

Aus  den  so  erhaltenen  Daten  für  das  spezifische  Gewicht  und  die  Druckfestig- 
keit ei'gab  sich,  daß  die  spezifischen  Gewichte  teils  gleich  geblieben,  teils  ein  wenig 
größer  oder  ein  wenig  kleiner  geworden  sind.  Etas  ^Mittel  aus  64  Zahlen  für  das  spe- 
zifische Gewicht  des  Holzes,  5  Jahre  nach  der  Fällung,  war  0,424,  und  das  spezifische 
Gewicht  des  Holzes  3  Monate  nach  der  Fällung  betrug  0,43 ;  die  Dichtigkeit  ist  also 
im  ganzen  fast  unverändert  geblieben. 

Dagegen  zeigt  die  Druckfestigkeit  fast  durchweg  eine  und  zwar  meist  sehr  er- 
hebliche Zunahme;  Ausnahmen  finden  nur  da  statt,  wo  schon  das  äußere  An- 
sehen des  Probestückes  beträchtliche  Zeichen  von  Zerstörung  durch  Fäulnis 
zu  erkennen  gibt.  Das  Anfaulen  von  geringerem  Betrag  vermag  die  Erhöhung 
der  Druckfestigkeit  nicht  aufzuheben,  sondern  nur  zu  verringern.  Um  zu  sehen,  ob 
bei  der  Erhöhung  der  Druckfestigkeit  durch  das  Ablagern  die  im  Sommer  gefällten 
Stämme  gegenüber  den  im  Winter  gefällten  einen  Unterschied  zeigen,  hat  B  a  u  - 
s  c  h  i  n  g  e  r  für  jeden  der  4  Standorte  die  durchschnittliche  Druckfestigkeit  des 
ganzen   Querschnittes  wie  folgt  ermittelt: 

Tabelle  X. 
Durchschnittliche  DruclcfestigUeit    des  ganzen   Querschnitts  der  Stämme  von 


Lichtenhof 

Frankenhofen 

Regenhütte 

Schliersee 

Fällzeit 

5  Jahre  |  3  Monate 

n.  d.      '      n.  d. 

Fällen     1    Fällen 

at        1        at 

5  Jahre  '  3  Monate 

n.  d.            n.  d. 

Fällen     ,     Fällen 

at        i        at 

5  Jahre 

n.  d. 

Fällen 

at 

3  Monate 

n.  d. 

Fällen 

at 

5  Jahre 

n.  d. 

Fällen 

at 

3  Monate 

n.  d. 

Fällen 

at 

Sommer 
Winter 

505                368 

446        i        477 

451              338 
465                395 

442 
446 

374 
376 

322 
336 

221 
298 

Sieht  man  hierin  von  den  im  Winter  gefällten  Stämmen  von  Lichtenhof  ab, 
deren  Stücke  sämtlich  so  beträchtlich  angefault  waren,  daß  sie  eine  Verminderung 
der  Druckfestigkeit  ergaben,  so  folgt  hieraus: 

,,Die  Zunahme  der  Druckfestigkeit  ist  bei  den  im  Sommer  gefällten  Stämmen 
größer  als  bei  den  im  Winter  gefällten,  so  daß  die  anfänglich,  kurze  Zeit  nach  dem 
Fällen,  geringere  Druckfestigkeit  der  im  Sommer  gefällten  Stämme  diejenige  der  im 
Winter  gefällten  während  des  Ablagems  ganz  oder  nahezu  einholt." 

W'ie  lange  die  hiedurch  bewirkte  Erhöhung  der  Druckfestigkeit  des  Holzes 
dauert,  in  welcher  Zeit  dieselbe  ein  unzweifelhaft  bestehendes  Maximum  erreicht, 
konnte  durch  die  vorstehenden  Versuche  nicht  ermittelt  werden.  Sie  zeigten  nur 
die  Erhöhung,  welche  nach  5  Jahren  stattfand. 

B  a  u  s  c  h  i  n  g  e  r  kommt  am  Schlüsse  seiner  Arbeit  unter  Berücksichtigung 
der  weiter  unten  angeführten  Resultate  zu  dem  Schlüsse,  ,,daß  die  Erhöhung  der 
Druckfestigkeit  din-ch  das  Ablagern  nicht  über  1  Jahr  hinaus,  von  der  Fällzeit  an 
gerechnet,  dauere". 

§  34.  Außer  diesen  Untersuchungen  publizierte  B  a  u  s  c  h  i  n  g  e  r  in  dem 
gleichen  Hefte  der  Mitteilungen  eine  Arbeit  „über  die  Elastizität  und 
Festigkeitverschied  euer  Nadel  holze  r",  welche  als  Folgerung  den 
von  ihm  bereits  früher  aufgestellten  Satz  ergibt,  daß  bei  jenen  Versuchen,  bei  denen 


Versuchsresultate  von  Bauschinger.    §  34.  ^13 

es  sich  um  die  Durchschnittsqualität  eines  Stammes  handelt,  wie  bei  den  Fragen 
über  den  Einfluß  des  Standortes,  der  Fällzcit  etc..  Druckversuche,  angestellt  an  prisma- 
tischen Stücken  von  ca.  15  cm  Länge  und  8—10  cm  Querschnittsseite  am  sichersten 
zum  Ziele  führen  dürften,  ^"on  dem  Gedanken  ausgehend,  daß  dem  Hauptverwen- 
dungszwecke entsprechend  die  wichtigste  Eigenschaft  des  Holzes  die  Biegungs- 
Elastizität  und  -Festigkeit  sei,  war  der  Grundplan  der  folgenden  Versuche  der,  daß  ein 
und  demselben  Baumstamme  Probestücke  für  B  i  e  g  u  n  g  s-  und  Druckver- 
suche entnommen  und  die  Resultate  dieser  \"ersuche  unter  Berücksichtigung  des 
Feuchtigkeitszustandes  der  Probestücke  untereinander  verglichen  werden  sollten. 

Als  Versuchsmaterial  dienten  im  ganzen  45  Stämme,  welche  4  verschiedenen 
bayrischen  Revieren  angehörten.  Dieselben  wurden  1  Meter  über  dem  Boden  abge- 
schnitten und  es  kamen  die  4  Meter  langen  Trumme  zur  Verwendung.  Das  ge^^•onnene 
\'ersuchsmaterial  diente  zur  Erhebung  der  Druckfestigkeit,  des  spez.  Gewichtes  und 
des  Feuchtigkeitsgehaltes  sowie  der  Biegungs-Elastizität  und  -Festigkeit. 

Die  Druckversuche  wurden  an  ganz  frischem  (nassem)  Holze,  in  getrocknetem 
Zustande  befindlichem  Holze  und  an  ganz  oder  doch  nahezu  lufttrockenem  Holze 
vorgenommen. 

Aus  den  Versuchsresultaten  lassen  sich  folgende  Ergebnisse  anführen: 

Zunächst  folgte  wieder  die  Abhängigkeit  der  Druckfestigkeit  und  des  spezifi- 
schen Gewichtes  vom  Feuchtigkeitsgehalt,  und  zwar  nimmt  die  Druckfestigkeit  bei 
zunehmendem  Feuchtigkeitsgehalt  anfangs  rascher,  dann  langsamer  ab,  ebenso  das 
spezifische  Gewicht  bei  abnehmendem  Feuchtigkeitsgehalt. 

Bezüglich  des  Zusammenhanges  zwischen  den  Festigkeits-Eigenscliaften  des 
Nadelholzes  und  seinem  anatomischen  Bau  hat  Bauschinger  gelegentlich  seiner 
ersten  Versuche  (siehe  Seite  409)  den  Satz  aufgestellt,  daß  eine  dichte  Sommerholz- 
Zone  der  .Jahrringe  von  verhältnismäßig  großer  Breite  im  ^"eI^leich  zur  Frühjahrs- 
zone eine  große  Zugfestigkeit,  eine  locker  gewebte  und  verhältnismäßig  dünne  (schmale) 
Sommerzone  dagegen  stets  eine  geringere  Festigkeit  (und  Dichtigkeit)  des.  ganzen 
Querschnittes  zur  Folge  hat.  Ferner  hat  er  gefunden,  daß  Stämme,  welche  bei  glei- 
chem Alter  größeren  Durchmesser,  also  breitere  .Jahrringe  haben,  schneller  gew  achsen 
sind,  eine  geringere  Festigkeit  haben  als  langsam  gewachsene  Stämme.  Wohl  traf 
diese  Annahme  bei  den  damals  untersuchten  Stämmen  zu,  doch  ist  sie  im  allgemeinen 
nicht  richtig.  Aus  den  in  Rede  stehenden  \'ersuchen  hat  sich  vielmehr  ergeben,  daß 
die  verhältnismäßige  Breite  der  Sommer-  gegenüber  der  Frühjahrszone  von  der 
ganzen  Breite  der  .Jahrringe  unabhängig  ist,  daß  größere  verhältnismäßige  Breiten 
der  Sonunerzone  sowohl  bei  weit-  als  bei  engringigen  Stämmen  vorkommen  und 
ebenso  kleinere  verhältnismäßige  Breiten.  Hieraus  folgte  der  Schluß,  ..daß  die  Quali- 
tät des  Holzes,  für  welche  seine  Druckfestigkeit  maßgebend  ist,  mit  der  ganzen  Breite 
der  Jahrringe  in  keinem  gesetzmäßigen  Zusammenhang  stehe".  Daß  eine  verhältnis- 
mäßig größere  Breite  der  dichten  Sommerzone  auch  eine  größere  Dichtigkeit  des 
Holzes  zur  Folge  hat,  wurde  schon  in  den  früheren  Arbeiten  B  a  u  s  c  h  i  n  g  e  r  s 
he^^•orgehoben,  und  daß  zwischen  der  Druckfestigkeit  und  dem  spezifischen  Gewicht 
bei  einem  bestimmten  Feuchtigkeitsgehalt  ein  inniger  Zusammenhang  bestehe,  be- 
wies auch  diese  neue  Arbeit.  Als  annähernder  Ausdruck  für  die  Abhängigkeit  der 
Druckfestigkeit  vom  spezifischen  Gewicht  bei  15  °o  Feuchtigkeitsgehalt  wairde  fol- 
gende   Gleichung  gefunden: 

ß  =  1000  8  —100, 
"vvorin  ß  die  Druckfestigkeit,  S  das  spezifische  Gewicht  bei  dem  Feuchtigkeitsgehalt 
von  15  %  bedeuten. 


414  IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

Wenn  man  sich  fragt,  wonach  die  „Qualität"  des  Holzes  bezüglich  seiner  me- 
chanischen Eigenschaften  bei  seiner  bautcclmischen  A'envendung  zu  beurteilen  sei, 
so  kommt  dabei  in  erster  Linie  die  Biegungsfestigkeit  in  Betracht,  in  zweiter  die 
Druckfestigkeit  bei  der  Verwendung  zu  Säulen,  Pfosten  etc.  Nun  ist  aber,  wie  dies 
die  Versuche  bestätigen,  die  Biegungsfestigkeit  und  mit  ihr  auch  die  Biegungsarbeit, 
welch  erstere  ja  immer  gerade  an  einer  bestimmten  Stelle  des  Probestückes,  im  ge- 
fährlichen Querschnitt,  überwunden  wird,  in  außerordentlichem  Grade  abhängig 
von  den  Einflüssen,  welche  besonders  Aeste  an  oder  in  der  Nähe  jener  Stelle  ausüben, 
so  daß  zwei  Stämme  von  im  ganzen  gleicher  Qualität  bei  dem  \'ersuche  sehr  ver- 
schiedene Biegungsfestigkeit  und  Biegungsarbeit  ergeben  können.  Eine  ähnliche 
Bewandtnis  hat  es  mit  der  Elastizitätsgrenze,  mozu  noch  kommt,  daß  diese  immerhin 
nur  ziemlich  unsicher  zu  bestimmen  ist.  Dagegen  zeigt  das  Holz,  daß  sein  Elastizi- 
tätsmodul, sowohl  jener  für  Zug  als  auch  der  für  Ditick  und  Biegung,  in  hohem  Grade 
mit  diesen  Festigkeitseigenschaften  veränderlich  ist,  mit  ihnen  steigt  und  fällt.  Da 
nun  der  Elastizitätsmodul  von  der  Qualität  des  ganzen  Probestückes  abhängig 
ist  und  innerhalb  der  Elastizitätsgrenze  ermittelt  wird,  also  einer  Grenze,  innerhalb 
deren  nur  das  Material  in  Wirklichkeit  angestrengt  wird,  so  hält  Bauschinger 
diesen  um  so  eher  geeignet  als  Maßstab  für  die  Beurteilung  der  Qualität,  als  er  durch 
Biegungsversuche  leicht  mit  genügender  Sicherheit  bestimmt  werden  kann. 

Um  die  Richtigkeit  dieser  Ansicht  zu  prüfen,  hat  Bauschinger  seiner 
Arbeit  eine  graphische  Aufzeichnung  der  diesbezüglichen  Daten  beigefügt,  welche 
unverkennbar  einen  gesetzmäßigen  Zusammenhang  zwischen  dem  Elastizitätsmodul 
einerseits  und  der  Biegungs-  oder  Druckfestigkeit  andererseits  zeigt,  und  folgert 
hieraus,  daß  die  Druckfestigkeit  ein  sichereres  Kennzeichen  für  die  bautechnisch  wich- 
tige Qualität  des  Holzes  ist  als  die  Biegungsfestigkeit.  Und  da  die  Druckfestigkeit 
bei  der  zweiten,  wichtigen  Verwendungsart  des  Holzes  in  der  Bautechnik,  zu  Pfosten 
u.  dgl.,  von  direktem  Einfluß  ist,  weil  ferner  die  Probestücke  für  Druckfestigkeit 
so  leicht  und  ohne  bedeutende  Kosten  zu  beschaffen  sind  und  weil  endlich  dieselbe 
so  sicher  und  genau  bestimmt  werden  kann,  so  empfiehlt  Bauschinger  aufs  neue 
dieses  Verfahren  zur  Prüfung  des  Holzes.  Seine  Vorschläge  sind  zum  Teil  in  dem 
allgemeinen  Arbeitsplane  für  Holzprüfungen,  welcher  vom  Internationalen  Verband 
für  die  Materialprüfungen  der  Technik  aufgestellt  wurde,  berücksichtigt  worden. 

§  35.  Die  Arbeiten  M.  Rudeloffs  hatten  den  Zweck,  eine  umfassende  Unter- 
suchung über  die  Abhängigkeit  der  Festigkeit  der  in  Preußen  vorkommenden  Haupt- 
holzarten von  den  Standortsverhältnissen  durchzuführen.  Der  hiefür  erforderliche 
Versuchs-Arbeitsplan  wurde  von  Prof.  Martens  ausgearbeitet.  Es  wurde  zunächst 
die  Untersuchung  von  drei  Kieferstämmen  aus  der  Umgegend  von  Berlin  in  den 
Arbeitsplan  aufgenommen.  Die  ^'ersuchsergebnisse  lassen  sich  wie  folgt  kurz  cha- 
rakterisieren: Bezüglich  des  Einflusses  der  Höhenlage  im  Stamme  auf  die  D  ru  c  k- 
festigkeit  ergab  sich  aus  den  Mittelwerten  für  die  einzelnen  Trockenstufen, 
daß  die  Festigkeit  im  allgemeinen  mit  zunehmender  Höhe  im  Stamme  abnimmt. 
Ferner  wurde  gefunden,  daß  die  Druckfestigkeit  mit  dem  spezifischen  Gewichte  und 
zwar  annähernd  in  dem  gleichen  \'erhältnisse  wie  dieses  abnimmt.  Im  allgemeinen 
entsprach  der  größeren  .lahrringsbreite  auch  die  größere  Druckfestigkeit.  Für  diesen 
auf  den  ersten  Blick  scheinbaren  Widerspruch  ist  in  der  genannten  Abhandlung 
eine  Erklärung  gegeben,  und  ferner  gelangten  die  Versuclisansteller  zu  dem  Schlüsse, 
daß  die  Druckfestigkeit  des  Holzes  wesentlich  von  dem  \Mderstande  abhängt,  wel- 
chen die  einzelnen  aus  Herbstholz  bestehenden  Schichten  (Platten)  dem  Zerknicken 
entgegensetzen  und  daß  die  Druckfestigkeit  einer  ,,von  Hirn"   aus  beanspruchten 


Versuchsresullale  von  Rudeloff.    §  35.  4j5 

Holzprobe  bei  sonst  gleichen  Verhältnissen  um  so  größer  ist,  je  geringer  der  Krüm- 
mungsradius der  .Jahrringe  ist. 

Ebenso  wie  beim  lufttrockenen  Holz  zeigt  sich  auch,  daß  beim  grünen  Holz  die 
Druckfestigkeit  mit  dem  spezifischen  Gewicht,  der  Jahrringbreite  und  wachsender 
Höhenlage  im  Stanune  abnimmt.  Bezüglich  der  Lage  im  Querschnitt  und  der  Him- 
melsrichtung ist  ein  bestimmter  Einfluß  auf  die  Festigkeit  nicht  ersichtlich. 

Die  Scherversuche  dienten  zur  Ermittlung  der  Festigkeit  des  Holzes 
in  der  Richtung  des  Spiegels  und  in  der  Richtung  tangential  zu  den  .Jahrringen.  Aus 
den  Ergebnissen  läßt  sich  hinsichtlich  des  Einflusses  der  Lage  des  Holzes  im  Stamm- 
querschnitt erkennen,  daß  die  Scherfestigkeit  des  dem  Mark  zunächst  gelegenen 
Kernholzes  geringer  ist  als  die  der  übrigen  Kernstücke.  Ein  gesetzmäßiger  Zusam- 
menhang zwischen  Schubfestigkeit  und  Höhenlage  im  Stamm  konnte  nicht  nach- 
gewiesen werden.  Die  Scherfestigkeit  des  lufttrockenen  Splintholzes  sowohl  im 
Spiegel  als  auch  in  der  \\'ölbfläche  zeigte  sich  um  12 — 13  °o  kleiner  als  die  des  Kern- 
holzes. Im  allgemeinen  ergab  sich  die  Schubfestigkeit  im  Spiegel  um  etwa  10 — 15% 
größer  als  in  der  ^^"ölbfläche. 

Die  Versuche  auf  Biegung  des  Holzes  konnten  nur  an  wenigen  Probestücken 
vorgenommen  werden.  Es  ergab  sich,  daß  die  \\"iderstandsfähigkeit  des  Holzes  gegen 
Inanspnichnahme  auf  Biegung  mit  der  Höhenlage  im  Stamm  abnimmt. 

Die  Resultate  über  die  Zugfestigkeit  sind  vielfach  durch  Schwierig- 
keiten und  Unzulänglichkeiten  beeinflußt,  welche  sich  der  Durchführung  dieser  Ver- 
suche entgegenstellten.  Immerhin  konnten  aus  den  Zahlenwerten  folgende  Schlüsse 
gezogen  werden:  1.  Der  Einfluß  der  Himmelsrichtung  tritt  nicht  scharf  zutage,  ob- 
gleich sowohl  im  lufttrockenen  als  auch  im  halbtrockenen  Zustande  das  nach  Osten 
gelegene  Holz  den  niedrigsten  Elastizitätsmodul  zeigt.  Zieht  man  hier  die  Jahrring- 
breite mit  in  Betracht,  so  ergibt  sich,  daß  auch  diese  ohne  gesetzmäßigen  Einfluß 
ist.  2.  Der  Einfluß  der  Höhenlage  im  Stamm  äußert  sich  in  der  Weise,  daß  bei  allen 
drei  Stänuiien  das  Holz  des  höher  gelegenen  Trumms  einen  wesentlich  geringeren 
Elastizitätsmodul  aufweist,  als  am  Stamm-Ende.  Der  Unterschied  beti-ug  im  Mittel 
für  das  grüne  Holz  18,8 °o,  für  das  halbtrockene  21,2%  und  für  das  lufttrockene 
22,8  °o-  3.  Bezüglich  des  Trockenzustandes  ergab  sich,  daß  das  Holz  mit  zunehmender 
Trockenheit  an  Starrheit  gewinnt,  und  zwar  ist  der  mittlere  Elastizitätsmodul  aller 
Stämme  bei  dem  grünen  Holz  um  32,7  "^o  und  bei  dem  halbtrockenen  um  7,4  %  kleiner 
als  derjenige  des  lufttrockenen  Holzes. 

Bezüglich  der  Schwindungs-\'erhältnisse  sei  auf  diese  ausgezeichnete  Publi- 
kation direkt  verwiesen. 

Ueberblicken  wir  die  Hauptresultate,  so  muß  zunächst  erkannt  werden,  daß  der 
Versuch  unternommen  \uirde,  aus  den  Ergebnissen  allgemeine  Schlüsse  abzuleiten, 
deren  Richtigkeit  teils  durch  die  Versuche  von  Tetmajer,  Bauschinger  und  Nörd- 
linger  ihre  Bestätigung  gefunden  haben,  teils  aber  durch  weitere  Versuche  erst  noch 
finden  werden. 

Immerhin  läßt  uns  auch  diese  mühevolle  Arbeit  die  großen  Schwierigkeiten 
der  \'ersuchsausführungen  bei  Hölzern  im  vollen  Maße  erkennen  und  zu  dem  Resultate 
gelangen,  daß  wir  bei  der  Ermittlung  der  technischen  Eigenschaften  des  Holzes  nach 
einem  ganz  bestimmten  und  vorher  reiflich  zu  überlegenden  Arbeitsprogramm  vor- 
zugehen haben,  sollen  die  Resultate  für  die  Technik  brauchbare  Daten  liefern.  Ein 
derartiger  allgemeiner  Arbeitsplan  für  Holzuntersuchungen  ist  mittlenveile  (im  Jahre 
1906)  vom  Internationalen  \erband  für  die  Materialprüfungen  der  Technik  (siehe 
Seite  389)  aufgestellt  worden.     Rudeloff  gebührt  das  \'erdienst,  die  Grundzüge  für 


416  IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

eine  Vereinheitlichung  der  Holzprüfungen  zusammengestellt  und  den  Entwurf  dieses 
Arbeitsplanes  verfaßt  zu  haben. 

Von  demselben  Versuchsansteller  rührt  auch  die  höchst  interessante  Arbeit: 
„Untersuchung  über  den  Einfluß'  des  Blauwerdens  auf  die  Festigkeit  von  Kiefernholz" 
her,  welche  im  Heft  I  der  Mitteilungen  aus  den  Kgl.  Techn.  Versuchsanstalten  zu 
Berlin  1897  erschienen  ist  und  im  V.  Heft  des  Jahrganges  1899  zum  Abschlüsse  ge- 
langte. 

Aus  den  umfangreichen  Untersuchungen  über  den  Einfluß  des  Blauwerdens 
und  des  Lagerns  der  Stämme  im  Walde  zieht  Rudeloff  den  Schluß,  1.  daß  die  Unter- 
schiede zwischen  dem  weißen  und  blauen  Kiefernholz  nicht  derart  seien,  daß  man  in 
dem  Blauwerden  eine  Schädigung  der  Festigkeitseigenschaften  des  Holzes  erblicken 
könne,  und  2.  daß  das  Holz  durch  das  Lagern  der  Stämme  im  ^^'alde,  selbst  wenn 
es  keine  Veränderung  im  Aussehen  zeige,  hinsichtlich  seiner  Festigkeit  minderwertig 
werde. 

§  36.  Die  Untersuchungen  von  Dr.  A.  S  c  h  w  a  p  p  a  c  h  über  Raumgewicht 
und  Druckfestigkeit  der  Kiefer,  Fichte,  Weißtanne,  Weymouthskiefer  und  Rotbuche 
stellen  das  Resultat  einer  gemeinsamen  Arbeit  der  preußischen  Hauptstation  des 
forstlichen  Versuchswesens  in  Eberswalde  mit  den  Königl.  Technischen  Versuchsanstal- 
ten in  Berlin-Charlottenburg  dar.  Die  ersteren  Versuche  erstreckten  sich  auf  135 
Kiefemstämme,  welche  verschiedenen  Standorten  angehörten.  Sowohl  das  spezi- 
fische Trockengewicht  als  auch  die  Druckfestigkeit  wurden  an  den  Probekörpern 
erhoben.  Ohne  auf  die  wertvollen  Einzelergebnisse  einzugehen,  seien  hier  die  Schluß- 
resultate angeführt,  welche  diese  höchst  instruktive  Arbeit  geliefert  hat. 

Die  wichtigsten  Ergebnisse  über  die  Qualität  des  Kiefernholzes  sind  folgende: 

Als  Mittelwerte  ganzer,  haubarer  Stämme  von  besseren  Standorten  können 
angenommen  werden:  ein  spezifisches  Trockengewicht  von  0,49  und  eine  Dmck- 
festigkeit  von  480  kg  per  qcm.  Die  Güte  des  Kiefernholzes  hängt  nach  den  Unter- 
suchungen über  Raumgewicht  und  Druckfestigkeit  gleichmäßig  ab  von  a)  Stamm- 
teil, b)  Alter,  c)  Prozentsatz  des  Sommerholzes,  d)  Wachstumsgebiet  und  e)  Stand- 
ortsgüte. 

ad  a)  Das  Holz  aus  den  untersten  Stammteilen  ist  das  schwerste  und  härteste ; 
beide  Eigenschaften  nehmen  zuerst  rasch,  dann  in  den  mittleren  Baumteilen  lang- 
samer ab,  das  Verhalten  der  obersten  Stammteile  ist  wechselnd  und  hauptsächlich 
durch  die  Lage  der  Aeste  bedingt. 

ad  b)  Gesundes  altes  Holz  ist  besser  als  junges;  Raumgewicht  und  Druckfestig- 
keit verhalten  sich  jedoch  in  dieser  Richtung  nicht  ganz  gleichmäßig.  Das  laufend- 
jährige Optimum  an  Gewicht  wird  etwa  im  60  jährigen  Alter  erreicht,  von  da  ab 
sinkt  das  Raumgewicht  des  erzeugten  Holzes  zuerst  langsam,  dann  rascher.  Das 
durchschnittliche   höchste  Raumgewicht   tritt  etwa  im  90 — 100jährigen  Alter  ein. 

Eine  Ausnahme  von  diesem  Gang  machen  nur  die  geringsten  Standorte,  auf 
denen  das  schwerste  Holz  in  frühester  Jugend  erzeugt  wird.  Die  Druckfestigkeit 
nimmt  mit  dem  Alter  innerhalb  der  Grenzen  dieser  Untersuchung  noch  zu. 

ad  c)  Einem  geringen  Prozentsatz  von  Sommerholz  (30  "o  und  weniger)  ent- 
spricht stets  ein  niedriges  Raumgewicht  und  eine  geringe  Druckfestigkeit;  beide 
steigen  mit  einer  Ziuiahme  dieses  Prozentsatzes  rasch  an.  Alle  Verhältnisse  und 
wirtschaftlichen  Maßregeln,  welche  eine  Zunahme  des  Prozentsatzes  vom  Sommer- 
holze zur  Folge  haben,  steigern  auch  die  Güte  des  Holzes. 

ad  d)  Die  Qualität  des  Kiefernholzes  wechselt  nach  dem  ^^'achstumsgebiet; 
das  Optimum  für  die  Güte  des  Kiefernholzes  innerhalb  des  Kreises  dieser  Unter- 


VersuchsresuUate  von  Scliwappach.    §  36.  417 

suchung  und  anscheinend  wohl  aucli  wenigstens  für  Deutschland  liegt  zwischen  der 
Oder  und  Weichsel,  und  zwar  zwischen  dem  mittleren  und  unteren  Lauf  dieser  Ströme, 
ad  e)    Kiefernholz  von  geringeren  Standorten  des  gleichen  Wachstumsgebietes 
ist  weniger  gut,  als  solches  von  besseren  Standorten. 

Das  Verhältnis  zwischen  Raumgewicht  und  Druckfestigkeit  ändert  sich  nach 
Alter,  Wachstumsgebiet  und  Standortsgüte.  Je  besser  die  Qualität,  desto  geringer 
ist  unter  sonst  gleichen  Umständen  das  Raumgewicht,  welches  einer  bestimmten 
Druckfestigkeit  entspricht. 

Da  mit  zunehmendem  Alter  \'eränderungen  im  Kiefernholz  eintreten,  welche 
dessen  Qualität  wesentlich  erhöhen,  so  sind  auf  den  besseren  Standorten  Umtriebs- 
zeiten  von  120 — 140  Jahren  angezeigt.  Die  notwendige  Voraussetzung  hiefür  besteht 
aber  darin,  daß  diese  bessere  Qualität  auch  im  Preise  zum  Ausdmck  gelangt. 

Das  Holz  der  Pinus  silvestris  besitzt  unter  günstigen  Bedingungen  eine  Druck- 
festigkeit, welche  jener  der  als  Pitch-pine-Holz  im  Handel  vorkommenden  Arten 
durchschnittlich  gleichwertig  ist,  mehrere  derselben  aber  sogar  wesentlich  über- 
trifft. Hinsichtlich  des  Raumgewichtes  steht  das  Holz  von  Pinus  silvestris  hinter 
jenem  von  P.  cubensis  und  australis  zurück,  kommt  aber  jenem  von  P.  taeda  und 
mitis  gleich. 

Unter  dem  Einfluß  ständiger  Windströmungen  entsteht  ein  exzentrischer 
Wuchs  der  Kiefer,  bei  welchem  das  härteste  ^)  Holz  auf  der  schmalen  Seite  liegt. 
Die  Ausdrücke  ,, harte"  und  ,, weiche"  Seite  der  Kiefer  entsprechen  nicht  der  Druck- 
festigkeit. 

Diesen  lehrreichen  Untersuchungsresultaten  über  das  Kiefernholz  ließ  Dr. 
S  c  h  w  a  p  p  a  c  h  ein  Jahr  später  die  Veröffentlichung  über  die  Ergebnisse  der  Fichte, 
Weißtanne,  Weymouthskiefer  und  Rotbuche  in  einem  separaten  Bande  folgen.  Ein 
Rückblick  auf  die  Ergebnisse  dieser  höchst  beachtenswerten  Arbeit  führte  den  \er- 
suchsansteller  zu  folgenden  Schlüssen: 

Das  Raumgewicht  und  die  Druckfestigkeit  hängen  ab:  von  der  Holzart,  und 
bei  gleicher  Holzart:  vom  Stammteil,  Alter,  Wachstumsgebiet,  Standortsgüte  und 
■wenigstens  bei  der  Kiefer  auch  vom  Prozentsatz  des  Sommerholzes.  (Bei  den  übrigen 
Holzarten  sind  Ermittlungen  über  den  Einfluß  des  Sommerholzes  auf  Raumgewicht 
und  Druckfestigkeit  nicht  angestellt  worden).  Das  spezifische  Trockengewicht  der 
einzelnen  Hölzer  wurde  im  Mittel  gefunden  für  Rotbuche  0,67,  Kiefer  0,49,  Fichte 
0,46,  Weißtanne  0,41  und  für  die  Weymouthskiefer  0,37.  Die  Druckfestigkeit  der 
einzelnen  Hölzer  im  Mittel  betrug  für  die  Rotbuche  540,  Kiefer  480,  Fichte  460, 
Weymouthskiefer  420  und  \^'eißtanne  400  kg  pro  qcm. 

Hinsicb.tlich  der  Beziehungen  zwischen  dem  Verhalten  von  Raumgewicht  und 
Druckfestigkeit  am  Einzelstamm  und  hinsichtlich  des  Zusammenhanges  zwischen 
Alter  einerseits  und  Raumgewicht  bezw.  Druckfestigkeit  andererseits  sei  auf  die 
betr.  Arbeit  selbst  verwiesen. 

Nach  der  Volumenschwindung  ordnen  sich  die  Holzarten  für  100 — 120jährigeä 
Alter  wie  folgt:  Buche  15  °b,  Fichte  13,2  °i,  Kiefer  und  Weißtanne  11,8%  und  Wey- 
mouthskiefer 9,1  %;  die  Rotbuche  schwindet  also  am  meisten,  während  die  Wey- 
mouthskiefer durch  sehr  geringe  Schwindung  ausgezeichnet  ist. 

Am  Schlüsse  seiner  Ergebnisse  sind  die  Einflüsse  präzisiert,  welche  die  Wachs- 
tumsgebiete auf  die  Güte  des  Holzes  haben. 


1)  Soll  richtiger  heißen  „druckfestesle".    Sielie  auch  die  Bemerkungen  über  die  harte  und 
weiche  Seile  der  Nadelhölzer  im  Kapitel  über  die  Härte  des  Holzes  auf  Seite  439.  J. 

Handb.  d.  Forstwiss.     3.  Aufl.     II.  27 


418  IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

Die  Arbeiten  Schwappachs  haben  neuerdings  gezeigt,  wie  verschieden  die  Eigen- 
schaften des  Holzes  der  gleichen  Art  je  nach  Wachstiimsgebiet,  Alter,  Standort  und 
wirtschaftlicher  Behandlungsweise  sind.  Handelt  es  sich  um  die  Beantwortung  der 
Frage,  ob  innerhalb  eines  größeren  Landes  ein  Unterschied  in  der  Qualität  des  in  ver- 
schiedenen Gegenden  erwachsenden  Holzes  der  gleichen  Art  besteht,  so  genügt  jeden- 
falls neben  der  Ermittlung  des  Raumgewichtes  die  Untersuchung  der  Druckfestig- 
keit. Daß  die  Untersuchung  sämtlicher  Arten  von  Festigkeiten  zur  Erlangung  sicherer 
Werte  wünschenswert,   ja  notwendig  ist,    wird    auch   von  Schwappach  anerkannt. 

§  37.  Die  k.  k.  österreichische  forstliche  Versuchsanstalt 
in  M  a  r  i  a  b  r  u  n  n  hat  den  Untersuchungen  über  die  technischen  Eigenschaften, 
speziell  der  Elastizität  und  Festigkeit  der  Hölzer  stets  besondere  Beachtung  gewid- 
met; nach  einem  weitausgreifenden  Arbeitsplane  sollen  die  Hauptholzarten  Oester- 
reichs:  Fichte,  Lärche,  Eiche,  Buche,  Tanne  und  Kiefer  in  möglichst  vollständiger, 
alle  einzelnen  Wuchsgebiete  umfassenden  Weise  in  monographischer  Bearbeitung 
nach  der  angedeuteten  Richtung  in  den  Bereich  der  Untersuchung  gezogen  werden. 

Die  hiebei  gesteckten  Ziele  sind  einerseits  rein  technischer  Natur,  indem 
durch  diese  Untersuchungen  die  Festigkeitskoeffizienten  der  Bauhölzer  sowie  deren 
Abhängigkeit  von  den  sie  beeinflussenden  Faktoren  festgestellt  werden  sollen,  ander- 
seits forsttechnischer  Natur,  da  hiedurch  die  Verbindung  hergestellt 
werden  soll  zwischen  Produzenten  und  Konsumenten  des  Holzes,  zwischen  der  Forst- 
wirtschaft und  den  Holz  verarbeitenden  Gewerben  und  Industrien ;  speziell  wird  den 
die  Forstwirtschaft  interessierenden  Fragen  eine  besondere  Beachtung  gewidmet,  wie 
gutes  und  schlechtes  Holz  schon  dem  äußeren  Aussehen  nach  unterschieden  werden 
könne,  welche  Umstände  maßgebend  seien  für  die  Erzeugung  guten  oder  schlechten 
Holzes  und  welche  Maßnahmen  der  Forstwirtschaft  zu  Gebote  stehen,  um  ein  quali- 
tativ wertvolles  Holzmaterial  zu  erziehen. 

Bisher  liegt  die  Bearbeitung  des  Holzmaterials  der  F  i  c  h  t  e  in  3  Heften  der 
Mitteilungen  aus  dem  forstlichen  Versuchswesen  Oesterreichs,  ,, Untersuchungen  über 
die  Elastizität  und  Festigkeit  der  österreichischen  Bauhölzer"  vor,  und  zwar:  Heft 
XXV,  Fichte  Südtirols,  von  A.  Hadek  und  G.  Janka,  1900;  Heft  XXVHI, 
Fichte  von  Nordtirol,  vom  Wienerwalde  und  Erzgebirge,  von  G.  Janka,  1904 ; 
und  Heft  XXXV,  Fichte  aus  den  Karpathen,  aus  dem  Böhmerwalde,  Temovaner- 
walde  und  den  Zentralalpen.  Technische  Qualität  des  Fichtenholzes  im  allgemeinen, 
von  G.  Janka,  1909.  Das  letztgenannte  Heft  enthält  eine  Zusammenfassung  der 
Untersuchungsergebnisse  über  die  technischen  Eigenschaften  des  Fichtenholzes  über- 
haupt, ohne  Trennung  des  Untersuchungsmaterials  nach  Wuchsgebieten ;  die  wichtig- 
sten Ergebnisse  hieraus  seien  hier  wiedergegeben.  Bemerkt  wird,  daß  sich  die  hier- 
bei in  Anwendung  gekommenen  Prüfungsmetlioden  mit  nur  geringen  Abweichungen 
mit  den  Vorschriften  des  international  festgestellten  Arbeitsplanes  für  Holzuntersu- 
chungen decken. 

Janka  rollt  hiebei  die  ganze  Frage  über  die  Qualität  des  Holzes 
auf.  Zunächst  ist  die  Tatsache  zu  konstatieren,  daß  in  neuerer  Zeit  die  Forderung 
immer  nachdrücklicher  erhoben  wird,  daß  die  Forstwirtschaft  bei  Erziehung  der 
Bestände  nicht  nur  auf  die  Quantität,  sondern  auch  auf  die  Qualität  des  Holzes 
Rücksicht  nehmen  müsse,  wie  dies  auf  der  ^■ersammlung  des  Internationalen  Ver- 
bandes forstlicher  Versuchsanstalten  in  Stuttgart  1906  und  bei  dem  internationalen 
land-  und  forstwirtschaftlichen  Kongreß  zu  Wien  1907,  dann  auch  in  den  Aussprüchen 
von  G  i  e  s  1  a  r  -  Wien,  Schwappach-  Eberswalde,  C.  W  a  g  n  e  r  -  Tübingen  und 
Martin-  Tharandt  u.  a.  zum  Ausdrucke  kam. 


VersiichsresuUale  von  Janka.    §  37.  4J9 

Da  aber  die  Qualität  eines  Ilolzmaterials  ein  relativer  Begriff  ist  und  seitens 
der  verschiedenen  holzverarbeitenden  Gewerbe  eine  verschiedene  Auslegung  findet, 
so  ist  man,  wenn  man  die  Qualität  eines  Holzmaterials  ziffermäßig  exakt  feststellen 
will,  genötigt,  dieselbe  im  Siime  des  das  meiste  Holz  verbrauchenden  Gewerbes, 
d.  i.  der  Bautechnik,  zu  definieren;  und  für  diesen  Verwendungszweck  sind  eben  die 
Festigkeitseigenschafteu  des  Holzes  vor  allem  maßgebend. 

Die  Untersuchungen  J  a  n  k  a  s  über  die  technischen  Eigenschaften  des  Fichten- 
holzes haben  nun  ergeben,  daß  die  Festigkeitseigenschaften  des 
Holzes  mit  dem  spezifischen  Gewichte  Hand  in  Hand  gehen, 
in  der  Art,  daß  mit  steigendem  spezifischen  Trockengewichte  diese  Eigenschaften 
gleichsinnig  ansteigen.  Anderseits  sinkt  die  Festigkeit  bei  gleichem  spezifischen 
Gewichte  mit  zunehmendem  Feuchtigkeitsgehalte  des  Holzes,  so  daß  dieses  Gesetz, 
welches  in  aller  Schärfe  zunächst  für  das  Fichtenholz  nachgewiesen  wurde,  zweifellos 
aber  für  alle  Holzarten  gilt,  folgendermaßen  formuliert  werden  kann:  Die  F  e- 
s  t  i  gk  e  i  t  s  e  i  g  en  s  c  h  a  f  t  e  n  des  Holzes  einer  und  derselben 
Holzart  steigen  bei  gleichem  Feuchtigkeitsgehalte  pro- 
portional mit  steigendem  spezifischen  Gewicht  und  bei 
gleichem  spezifischen  Gewicht  mit  abnehmender  Feuch- 
tigkeit. Feuchtigkeit,  spezifisches  Gewicht  und  Festigkeit  stehen  also  unter- 
einander in  innigstem  Kontakt,  so  daß  eine  gemeinschaftliche  Abhandlung  derselben 
notwendig  ist. 

Daß  das  spezifische  Gewicht  des  Holzes  mit  zunehmendem  Feuchtigkeitsgehalte 
ansteigt,  ist  selbstverständlich;  aber  dieses  Wachsen  des  spezifischen  Gewichtes  mit 
dem  Wassergehalte  erfolgt  nur  in  den  unteren  und  obersten  Stufen  des  Feuchtig- 
keitsgehaltes proportional ;  in  dem  Momente,  in  welchem  das  trockene  Holz  liquides 
Wasser  aufnimmt,  ändert  sich  der  bis  dahin  geradlinige  Verlauf  der  die  Beziehun- 
gen zwischen  spezifischem  Gewicht  und  Feuchtigkeitsgehalt  darstellenden  Linie; 
es  ist  dies  bei  Feuchtigkeitsprozentsätzen  von  etwa  25 — 40%  der  Fall.  Eine  ähn- 
liche, nur  noch  schärfer  ausgeprägte  ^^'endung  der  Diagrammlinie  tritt  auch  bei  der 
Darstellung  der  Beziehungen  zwischen  Feuchtigkeit  und  Druckfestigkeit  ein.  Die 
beigegebene  Fig.  1  stellt  dieses  Geäetz  der  Abhängigkeit  a)  des  spezifischen  Ge- 
wichtes, b)  der  Druckfestigkeit  vom  Feuchtigkeitsgehalte  für  die  verschiedenen 
Trockengewichtsstufen  des  Fichtenholzes  dar. 

Da  es  bei  der  Variabilität  sowohl  des  spezifischen  Gewichtes  als  auch  der  Druck- 
festigkeit des  Holzes  einer  bestimmten  Holzart  wünschenswert  ist,  diese  Zahlen- 
angaben untereinander  vergleichbar  zu  machen,  so  sind  dieselben  auf  einen  e  i  n- 
heitlichen  Feuchtigkeitsprozentsatz  zu  reduzieren,  und 
zwar  gemäß  internationaler  Vereinbarung  auf  den  Feuchtigkeitsprozentsatz  von 
15%,  bezogen  auf  das  Gewicht  des  absoluttrockenen  Holzes. 

Die  dieser  Reduktion  dienenden  Formeln  sind  für  Fichtenholz  ermittelt  worden 
und  lauten: 

Sj5=l,02  So  +2,2 .' 1. 

Sjg  =  s-s  +  [(0,00133    So  +  0,147)  (15  —  ©)]        .     .    2. 

ßi5  =  10,3  315-60 3. 

ßi5  =  10,5  So  —38 4. 

ßo    =  22.5  So  —200         5. 

Hiebei  bedeutet 

Si5  das  spezifische  Gewicht,  ßjs  die  Druckfestigkeit  beim  Normalfeuchtigkeits- 
gehalte von  15%, 

27* 


420 


IX  A.    E  X  n  e  r  ,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 


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Versuchsresultate  von  Janka.    §  37. 


421 


0°/ 


70  j, 


S:p  das  spezifische  Gewicht,  ß-.-  die  Druckfestigkeit  beim  Feuchtigkeitsgehalte 
von  9%, 

Sq  das  spezifische  Absokittrockeugewiclit, 

ßo  die  Druckfestigkeit  absoluttrockenen  Holzes  (also  beim  Feuchtigkeitsgehalte 

und   zwar  ist 

s  im  lOOfachen  Werte, 

ß  in  kg/cm-  für  astfreie  plattenförmige  Druckproben  ausgedrückt. 

Aus  dem  Graphikon  auf  Seite  420  läßt  sich  noch  folgendes  erkennen :  Je  größer 
das  spezifische  Trockenge\\  icht  eines  Holzes,  desto  weniger  Wasser  braucht  dasselbe 
zur  endgültigen  Erreichung  des  wassersatten  Zustandes.  Daher  sinken,  z.  B.  bei  ver- 
zögerter Trift,  unter  sonst  gleichen  Umständen,  d.  i.  bei  gleichem  anfänglichen  Feuch- 
tigkeitsgehalte, die  schwersten,  also  besten  Hölzer  zuerst  unter. 

Die  Druckfestigkeit  ist  bei  0  °o  Feuchtigkeit  ein  Maximum  und  fällt  mit  zuneh- 
mendem Wassergehalte  zunächst  rasch,  bei  höheren  Feuchtigkeitsgraden  (über  25 
bis  etwa  40  °o)  langsamer,  um  sodann  bis  zum  ^^'assersättigungszustande  annähernd 
auf  gleicher,  sehr  geringer  Höhe  zu  verharren, 

.Je  größer  das  spezifische  Trockengewicht  eines  Holzes,  desto  größer  ist  die 
Zunahme  der  Druckfestigkeit  nicht  nur  im  absoluten,  sondern  auch  im  relativen 


Sinne  genommen,  so  daß  also  der  Oualitätsquotient 


Druckfestigkeit 


für  die  schwe- 


spezif.  Gewicht 

reren,  festeren  Hölzer  ein  günstigerer  wird  als  für  die  leichteren,  schlechteren  Hölzer 
der  gleichen  Holzart, 

Aber  nicht  nur  die  Druckfestigkeit,  sondern  auch  alle  übrigen  Eigen- 
schaften der  Elastizität  und  Festigkeit  werden  von  der  F  e  u  c  h- 
tigkeitund  dem  spezifischen  Ge\\'ichte  eines  Holzes  beeinflußt. 

Die  Abhängigkeit  dieser  Festigkeitseigenschaften  vom  Wassergehalte  zeigt  zu- 
nächst die  nachstehende  Tabelle  XI, 


Tabelle  XI. 


k  e  i  t  s 

g  e  h  a  1 1  e. 

Druckelastizität  u. 

-Festigkeit 

Biegungselastizität  u 

.  -Festigkeit 

Feuchtig- 
keitszu- 
stand der 
Proben 

a 

J3 

<D 

o 

Ol 

'Ji 

Spezifisch, 
Trocken- 
gewicht 

Elastizitäts- 
modul 

Tragmodul 

3  .i" 

11:. 
111 

II 

■3^.2 

ElastiziLäls- 
iiiodul 

3 

•a 
o 

S 
io 

C3 

u 
H 

m 

£5| 

C3  — 

0/ 

lOOfach 

_t/cm2 

kg/cm^ 

% 

lOOfachJ  t/cm2 

kg/cm^ 

lufttrocken 

13.9 

38,9 

115,1 

202 

347 

13.8 

38.7 

104.1 

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38.8 

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336 

Aus  dieser  Tabelle  ist  die  Abnahme  der  Festigkeits-  und  Elastizitätseigenschaf- 
ten bei  zunehmender  Feuchtigkeit  klar  ersichtlich;  das  gilt  ganz  besonders  für  den 
Tragmodul  der  Druck-  und  Biegungsfestigkeit,  weniger  stark  werden  die  Elasti- 
zitätsmoduli vom  Feuchtigkeitsgehalte  beeinflußt. 

Scharf  ausgeprägt  tritt  das  Abhängigkeitsverhältnis  zwischen  den  E  1  a  s  t  i- 
zitäts-und   Festigkeitseigenschaften  und  dem  spezifischen 


422  IX  A.    E  X  n  e  r  ,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

Gewichte  des  Fichtenholzes  unter  gleichen  Feuchtigkeitsverhältnissen  hervor, 
\ne  die  nachstehende  Tabelle  XII  (S.  423)  dies  beweist. 

Diese  Tabelle  zeigt,  welch  großen  Einfluß  das  spezifische  Gewicht  auf  die 
Festigkeitseigenschaften  eines  Holzes  ausübt;  es  können  in  dieser  Hinsicht  Unter- 
schiede in  der  Festigkeit  zwischen  leichtem,  schlechtem  und  schwerem,  guten  Holze 
bis  zu  100%  konstatiert' werden,  so  daß  also  ein  qualitativ  sehr  gutes  Holz  eine  fast 
doppelt  so  große  Festigkeit  aufsveisen  kann  als  ein  schlechtes  Holzmaterial  derselben 
Holzart. 

Für  ein  Fichtenholz  mittlerer  Qualität  von  42,4  spezifischem  Lufttrocken- 
gewicht (entsprechend  einem  Absoluttrockengewicht  von  39,0)  und  von  etwa  14,0  % 
Feuchtigkeitsgehalt  ist  nach  Tabelle  XII  anzunehmen 

ein  Druckelastizitätsmodul  von 115     t/cm- 

ein  Druck-Tragmodul   von 200  kg/cm^ 

eine  Druckfestigkeit  (50  cm  lange  Prismen)  von     .     .     347  kg/cm- 

ein  Biegungselastizitätsmodul  von 104     t/cm- 

ein  Biegungs-Tragmodul  von 338  kg/cm^ 

eine  Biegungsfestigkeit  von 584  kg/cm^ 

Bezüglich  des  Unterschiedes  zwischen  Kern-  und  S  p  1  i  n  t  h  o  1  z  der 
Fichte  haben  die  Untersuchungen  Dr.  .Jankas  ergeben,  daß  das  Splintholz  hin- 
sichtlich der  Festigkeit  dem  Kernholze  nicht  nur  nicht  nachsteht,  sondern  demselben 
sogar  überlegen  ist.  Daß  das  Splintholz  allgemein  geringer  geschätzt  wird  als  das 
Kernholz,  hat  seine  Ursache  in  dem  höheren  Feuchtigkeitsgehalte  desselben,  woraus 
natürlich  bei  unvollständiger  Austrocknung  eine  geringere  Festigkeit  desselben  gegen- 
über dem  trockeneren  Kernholze  sich  von  selbst  ergibt;  dann  aber  auch  in  dem  Um- 
stände, daß  das  Splintholz  zahlreiche  Saftbestandteile,  Eiweiß,  Gummi,  Stärke, 
Zucker  etc.  aufgespeichert  enthält,  die  einen  vorzüglichen  Nährboden  für  holzzer- 
störende Pilze  abgeben,  weshalb  Splintholz  im  feuchten  Zustande  von  sehr  geringer 
Dauer  ist,  im  trockenen  Zustande  aber  wieder  von  Holzbohrkäfern  angegangen  wird. 
Kernholz  hat  dagegen  eine  geringere  Biegungsfestigkeit  als  Splintholz,  es  zeigt  sich 
beim  Biegeversuch  spröder  als  letzteres.  Dieser  Umstand  tritt  besonders  deutlich  in 
der  Arbeitskapazität  von  solchen  Balken  hervor,  die  .,kenidurchschnitten"  in  der 
Art  beansprucht  werden,  daß  die  Kernfasern  in  die  Zugseite  des  Balkens  fallen.  Bei 
dieser' unrichtigen  Verlegungsweise  der  Fichtenbalken  zeigt  sich  eine  Verminderung 
der  Biegungsfestigkeit  um  8  °o.  der  Biegungsarbeit  beim  Bruche  um  40  %  gegenüber 
der  richtigen  Beanspruchungsweise,  bei  welcher  der  Splint  in  die  Zugseite  des  Bal- 
kens fällt. 

Was  nun  die  Beziehungen  zwischen  Jahrringbreite  und 
den  technischen  Eigenschaften  des  Fichtenholzes  anbe- 
langt, so  läßt  sich  der  Erfahrungssatz  der  Praktiker,  daß  engringiges  Fichtenholz 
qualitativ  besser  sei  als  breitringiges,  in  dieser  allgemeinen  Form  nicht  aufrecht  er- 
halten; es  kann  in  einzelnen  Fällen  ein  recht  breitringiges  Holz  größere  Festigkeit 
aufweisen  als  ein  sehr  schmalringiges  — ,  nur  darf  die  Breitringigkeit  eine  gewisse 
Maximalgrenze  nicht  überschreiten.  Maßgebend  für  die  Höhe  des  spezifischen  Ge- 
wichtes und  damit  gleichzeitig  auch  für  die  Festigkeit  des  Fichtenholzes  ist  lediglich  der 
Umstand,  ob  das  betreffende  Holz  einen  hohen  oder  niedrigen  Prozentsatz  an  festem, 
hartem,  dicht  gebautem  und  daher  schwerem  Spätholze  aufweist.  Die  Festigkeit  eines 
Holzes  ist  in  erster  Linie  von  dem  Verhältnisse  des  Spätholzes  zum  Frühholze  ab- 
hängig; dieses  Verhältnis  läßt  sich  auf  der  glatt  gehobelten  Hirnfläche  einer  Holzprobe 
schon  mit  freiem  Ausre  beurteilen.  Nichtsdestoweniger  aber  hat  der  oben  erwähnte  Satz 


Versuchsresultate  von  Janka.    §  37. 


423 


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424  IX  A.    E  X  n  e  r  ,   Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

der  Forstleute,  Holzarbeiter  und  Holzhändler,  welcher  die  Güte  eines  Fichtenholzes 
(überhaupt  eines  Nadelholzes)  nach  der  bloßen  Jahrringbreite  beurteilt,  im  großen 
Durchschnitte  seine  Gültigkeit,  weil  die  Breite  der  Spätholzzonen  beim  Nadelholz 
sowohl  bei  eng-  als  bei  weltringigem  Holze  im  allgemeinen  ziemlich  konstant  bleibt, 
und  nur  die  Frühholzzonen  bei  breitringigem  Holze  in  ihrer  Breite  wachsen. 

Aus  der  großen  Zahl  von  Einzelproben  des  Fichten  holzes  aus  den  ver- 
schiedensten Wuchsgebieten  Oesterreichs  hat  Janka  folgende  Zahlen  für  Jahrring- 
breite, spezifisches  Gewicht  und  Druckfestigkeit  abgeleitet: 


Jahrringbi 

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Spezif.   Gewicht 

(lOOfach) 

Druckfestigkeit 

lufttrocken 

absoluttrocken 

lufttrocken 

absoluttrocken 

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44,9 

41,7 

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kg/cm2 

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g/cm^ 

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44,3 

41,3 

395 

729 

1,5—2,0 

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43,1 

40,2 

386 

708 

2,0-2,5 

jj 

41,9 

38,9 

364 

666 

2,5-3,0 

j) 

41,3 

38,4 

353 

647 

3,0—3,5 

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39,9 

37,0 

339 

622 

3,5-4,0 

j) 

40,2 

37,2 

342 

619 

4,0-4,5 

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39,1 

36,0 

314 

581 

4,5—5,0 

n 

40,2 

36,8 

308 

554 

über  5,0 

») 

38,1 

34,9 

306 

510 

Im  Mittel  ergab  sich  für  das  Fichtenholz  Oesterreichs  eine  Jahrringbreite  von 
2,2  mm,  ein  spezifisches  Absoluttrockengewicht  von  39,6  (entsprechend  einem  spezi- 
fischen Lufttrockengewicht  bei  15%  Feuchtigkeit  von  42,6),  eine  Druckfestigkeit 
lufttrocken  von  348  kg/cm-,  absoluttrocken  687  kg/cm^. 

Neben  der  Jahrringbreite  ist  aber  auch  die  Art  der  Anlagerung  der  einzelnen 
Jahrringe,  also  die  Gleichmäßigkeit  oder  U  n  g  1  e  i  c  h  m  ä  ß  i  g  k  e  i  t 
in  der  Breite  der  aufeinanderfolgenden  Jahrringe  für  die 
Güte  eines  Holzmaterials  von  Bedeutung.  Das  Ideal,  welches  dem  Forstwirte  bei  der 
Erziehung  seiner  Bestände  vorschweben  muß,  ist  eine  durchaus  gleiche  Jahrring- 
breite vom  innersten  Kern  bis  zum  äußersten  Splint,  eine  Forderung,  welche  Prof. 
Martin  in  seinem  Gesetz  von  der  Erhaltung  gleicher  Ringbreiten  formuliert  hat  und 
zu  deren  Erreicliung  er  für  die  Erziehung  der  Fichte  einen  dichteren  Stand  in  der 
Jugend  beziehungsweise  die  natürliche  Verjüngung  unterm  Schirmbestand  der  Mutter- 
bäume, in  der  Folge  allmählich  und  schwach  beginnende  und  immer  stärker  werdende 
Durchforstungen  und  schließlich  im  späteren  Alter  der  Bestände  ausgiebige  Lich- 
tungen vorschlägt. 

Eine  der  wichtigsten  Forderungen,  die  an  die  Beschaffenheit  eines  Holzmaterials 
gestellt  werden,  ist  die  A  s  t  r  e  i  n  h  e  i  t.  Astreines  Holz  wird  nun  zwar  stets  ein 
frommer  Wunsch  des  Baugewerbes  bleiben;  aber  die  Astigkeit  auf  das  möglichst 
geringe  Maß  herabzudrücken  und  den  Baumschaft  möglichst  astfrei  zu  erziehen, 
das  muß  die  Forstwirtschaft  als  Ideal  unter  allen  Umständen  anstreben.  Das  Mittel, 
möglichst  astfreies  Holz  zu  erziehen,  beruht  in  der  guten  Schlußregelung  der  Be- 
stände, besonders  der  Nadelhölzer.  Glücklicherweise  treffen  die  Bedingungen,  unter 
welchen  ein  qualitativ  wertvolles,  festes  Fichtenholz  erwächst,  mit  jenen  Bedingungen 
zusammen,  unter  welchen  ein  astreines  Holz  zu  erwachsen  pflegt;  es  ist  dies  der 
engere  Schluß  der  Nadelholzbestände  schon  von  Jugend  an. 

Die  Qualität  des  Fichtenholzes  ist  aber  auch  vom  Alter  der  Stämme 
abhängig,  in  der  Weise,  daß  junge  Stämme  ein  geringeres  spezifisches  Gewicht  und 


Versuchsresultate  von  Janka.    §  38.  405 

daher  eine  geringere  Festigkeit  des  Holzes  besitzen  als  ältere  Stämme.    Nach  den 
Untersuchungen  Jankas  hatten  Fichtenstämme 

von  50 — 60jährigem  Alter  ein  spezif.  Trockengewicht  von     36,6 
60-70        „  „       „         „  „  „      36,9 

70-80        „  „       „        „  „  „      38,5 

80-90        „  „      „        „  „  „      39,1 

90-100       „  „       „         „  „  „      39,2 

100-110      „  „      „        „  „  „      38,8 

110-1-20       „  „       „         „  „  „      39,9 

120-130       „  „       „         „  „  „      42,4 

130-140      „  „       „         „  „  „      39,6 

Ueberalte  Stämme  zeigen  daher  -wieder  eine  Abnahme  in  der  Qualität  ihres 
Holzes,  aus  dem  Grunde,  weil  diese  überständigen  Stämme  aus  den  Hochlagen  der 
Alpen  stammten,  wo  die  Fichte  bei  der  kurzen  Vegetationszeit  zwar  ein  sehr  fein- 
ringiges,  aber  ein  etwas  leichteres,  wenig  Spätholz  umfassendes  Holz  bildet. 

Wenn  man  berücksichtigt,  wie  sehr  die  Festigkeit  eines  Holzmaterials  durch 
den  Feuchtigkeitsgehalt  und  das  spezifische  Gewicht  beeinflußt  wird,  so  erscheint  es 
gerechtfertigt,  daß  die  für  Baukonstruktionen  bisher  in  Anwendung  stehenden 
Festigkeitskoeffizienten  in  der  Hinsicht  einer  Revision  unterzogen  wür- 
den, daß  für  schweres  und  festes  Holz  einerseits,  für  leich- 
tes und  schlechtes  Material  anderseits,  dann  auch  für  die 
Y  e  r  w  e  n  d  u  n  g  von  Holz  in  stets  trockenen  und  in  stets  feuchten 
Räumen  oder  ganz  unter  Wasser  verschiedene  Festigkeits- 
koeffizienten den  statischen  Berechnungen  von  Baukonstruktionen  zugrunde 
gelegt  würden.  Gutes,  schweres,  tragfähiges  Holz  verdient  in  jeder  Beziehung  den 
Vorzug  vor  leichtem,  schlechtem,  leichtbrüchigem  Holzmaterial.  Diesem  Umstände 
sollten  auch  die  Techniker  und  die  Baugewerbe  Rechnung  tragen,  indem  sie  für  gutes 
Holz  bessere  Preise  bewilligen  als  für  schlechtes.  Unter  dieser  Voraussetzung  würden 
sich  auch  die  Forstwirte  bei  der  Begründung  und  Erziehung  ihrer  Waldbestände 
veranlaßt  sehen,  nicht  so  sehr  auf  Massenerzeugung  als  vielmehr  auf  die  Erziehung 
qualitativ  wertvollen  Holzmaterials  hinzuwirken. 

§  38.  Ueber  die  technische  Qualität  des  E  s  c  h  e  n  h  o  1  z  e  s  und  die  Eigen- 
schaften, welche  dieses  Holzmaterial  für  die  Verwendung  bei  der  Fabrikation  von 
Skis,  den  norwegischen  Schneeschuhen,  aufweisen  soll,  hat  Forstmeister  Dr.  Janka 
eine  Abhandlung  im  Zentralblatt  für  das  gesamte  Forstwesen  1911  publiziert.  Auch 
bei  diesem  Holzmaterial  ergaben  sich  ähnlich  wie  beim  Fichtenholze  große  Verschie- 
denheiten in  der  Qualität,  so  daß  die  zahlenmäßigen  Werte  der  Elastizitäts-  und  Festig- 
keitseigenschaften für  schlechtestes  und  bestes  Eschenholz  um  100  und  mehr  Pro- 
zent auseinanderliegen.  Wie  nicht  anders  zu  erwarten,  gilt  auch  für  das  Eschenholz 
das  gleiche  Gesetz  der  Abhängigkeit  der  Festigkeit  vom  Feuchtigkeitsgehalte  und 
dem  spezifischen  Gewichte  wie  für  Fichtenholz.  Wenn  sich  hie  und  da  in  den  Tabellen 
der  technischen  Eigenschaften  des  Eschenholzes  Unregelmäßigkeiten  im  Verlauf 
dieser  Eigenschaften  geltend  machen,  so  kann  dieser  Umstand  bei  der  komplizierten 
Natur  des  Holzes  und  dem  organischen  Aufbau  desselben  nicht  wundernehmen;  auch 
war  das  diesen  Untersuchungen  zugrunde  liegende  iMaterial  nicht  umfangreich  genug, 
um  etwaige  Ausnahmen  auszugleichen. 

Wir  geben  in  der  nachstehenden  Tabelle  XIII  die  Ergebnisse  der  Qualitäts- 
untersuchungen des  Eschenholzes  auszugsweise  wieder. 


426 


IX  A.    E  X  n  e  r  ,  Die  technischen  Eigenschalten  der  Hölzer. 


Tabelle  XIII. 

Abhängigkeit   der   Festigkeit  des   Eschenholzes   vom   spezitischen 
Gewichte    und   von    der    Feuchtigkeit. 


Biegeproben 


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kg/cm^ 


Härte- 
proben 


Härte  luft- 
trocken od. 
luftfeucht 


kg/cm' 


I.    Lufttrockener   Zustand. 


0.6 

11.5 

50.3 

67.0 

249 

636 

51.0 

47.4 

394 

639 

476 

1.2 

11.2 

58.5 

84.3 

822 

S46 

60.0 

55.8 

462 

787 

574 

2.0 

11.3 

63.4 

106.9 

385 

1010 

64.8 

60.8 

454 

975 

630 

8.8 

11.1 

65.5 

7'4.6 

362 

945 

66.8 

62.5 

500 

857 

716 

1.6 

11.4 

68.6 

117.0 

460 

1239 

69.9 

65.5 

588 

1036 

612 

1.8 

11.8 

70.0 

148.5 

588 

1029 

72.7 

68.6 

649 

1138 

628 

2.4 

11.5 

71.8 

139.7 

571 

1258 

74.2 

70.3 

609 

1158 

744 

1.9 

12.0 

77.5 

160.0 

579 

1882 

79.7 

75.8 

634 

1222 

828 

1.8 

11.6 

84.0 

167.4 

750 

1563 

86.7 

82.2 

759 

1352 

1012 

4.0 

11.8 

88.7 

131.8 

589 

1500 

91.0 

86.1 

770 

1312 

1066 

Mittel 

11.0 

70.9 

110.0 

465 

1133 

72.6 

68.3 

566 

1007 

746 

II.    Luftfeuchter    Zustand. 


0.6 

16.6 

30.3 

54.6 

248 

571 

50.8 

45.9 

275 

587 

340 

1.3 

17.4 

62.8 

74.4 

284 

698 

63.4 

57.0 

368 

822 

502 

1.2 

17.0 

70.6 

100.6 

287 

764 

71.9 

66.3 

362 

1000 

512 

2.9 

18.4 

77.1 

99.9 

532 

882 

78.4 

73.0 

439 

1169 

628 

1.9 

16.5 

87.0 

153.1 

509 

1250 

90.1 

84.7 

392 

1485 

872 

Mittel 

17.3 

69.7 

91.3 

337 

837 

71.2 

65.6  j 

398 

992 

573 

Man  ersieht  aus  dieser  Tabelle,  daß  auch  hier  die  Jahrringbreite  für  sich  allein 
nicht  maßgebend  ist  für  die  Qualität  des  Eschenholzes,  da  sowohl  sehr  engringiges 
als  auch  übermäßig  breitringiges  Holz  minderwertig  ist.  Ausschlaggebend  ist  auch  hier 
wieder  das  Verhältnis  des  Spätholzes  zum  Frühholze.  .Je  mehr  Spätholz  die  Ouer- 
schnittsfläche  aufweist,  und  je  schmäler  die  porenreichen  Frühholzzonen  sind,  desto 
schwerer  das  Eschenholz,  desto  besser  die  technische  Qualität  desselben.  Allerdings 
darf  die  Wuchsgeschwindigkeit  des  Holzes  eine  gewisse  Grenze  nicht  überschreiten, 
weil  bei  sehr  breiten  Jahrringen  ein  lockeres,  wenig  festes  Spätholz  entsteht. 

Maßgebend  für  die  Eignung  eines  Eschenholzes  zu  Skischienen  sind  neben  der 
Zähigkeit  des  Materials  noch  die  Festigkeit  gegen  Biegebruch,  die  Steifigkeit,  die 
sich  in  der  Größe  des  Elastizitätsmoduls  ausdrückt,  und  die  Härte, 
die  wiederum  mit  der  Abnützbarkeit  beim  Gleiten  über  den  Schnee  Hand 
in  Hand  geht;  alle  diese  Eigenschaften  gehen  mit  dem  spezifischen  Gewichte  parallel. 
In  diesem  Sinne  ist  also  dem  schweren,  daher  harten  und  festen  Eschenholze  vor 
dem  leichten  der  Vorzug  einzuräumen.  Ein  größerer  Feuchtigkeitsgehalt  vermindert 
sämtliche  Festigkeits-Eigenschaften  des  Holzes,  wie  Tabelle  XHI  dartut;  nur  die 
Zähigkeit  wird  durch  höheren  Wassergehalt  des  Holzes  erhöht. 

Die  Esche  produziert  ihr  bestes  Holz  nicht  im  gedrängten  Schlußstand  wie  die 
Nadelhölzer,  sondern  unter  möglichst  hohem  Lichtgenuß,  also  im  Freistand  oder 
an  Bestandesrändern  und  in  lichten  Auwaldungen,  offenbar  weil  die  Beanspruchung 
des  Baumschaftes  durch  den  Wind  den  Baum  veranlaßt,  ein  gegen  Biegung  und  Bruch 


Biegsamkeit  und  Zähigkeit.    §  4  0. 


427 


möglichst  widerstandsfähiges  Holz  zu  bilden.    Junges  Eschenholz  ist  zäher  als  altes, 
das  braune  Kernholz  spröder  als  das  weiße  Splintholz. 

§  39.  Die  Frage,  wie  sich  die  Druckfestigkeit  von  Hölzern, 
welche  im  Wasser  ausgelaugt  worden  waren,  gegenüber  der  Druckfestigkeit 
von  ungeschweminten  Hölzern  verhält,  hat  J  a  n  k  a  zum  Gegenstand  eingehender 
Untersuchungen  gemacht  ^)  und  dabei  gefunden,  daß  die  Auslaugung  im  Süß-  und 
Salzwasser  eine  Verminderung  der  Druckfestigkeit  des  lufttrockenen  (nach  der  Wasser- 
tränkung wieder  lufttrocken  gewordenen)  Holzes  zur  Folge  hat,  daß  also  unge- 
schwemmtes Holz  die  geschwemmten  Hölzer  in  der  Druckfestigkeit  des  lufttrockenen 
Zustandes  übertrifft,  während  andererseits  die  Druckfestigkeit  des  im  absoluttrok- 
kenen  Zustande  geprüften  Holzes  bei  dem  im  Salzwasser  ausgelaugten  Holzmaterial 
höher  ist  als  die  gleiche  Druckfestigkeit  der  unausgelaugten  und  der  im  Süßwasser 
geschwemmten  Hölzer,  wie  dies  die  nachstehende  Tabelle  XIV  zeigt. 


Tabelle  XIV. 

Druckfesliglceit    geschwemmten    und    ungescliwemmtcn 

Holzes. 


Ungeschwemmtes   Holz 

In  Süßwasser 
geschwemmtes  Holz 

In   Salzwasser 
ausgelaugtes  Holz 

Spezifisches 

Gewicht 
lufttrocken 

Druckte 

c 

1     o 

Stigkeit 

Spezifisches 

Gewicht 
lufttrocken 

Druckfestigkeit 

Spezifisches 

Gewicht 
'  lufttrocken 

Druckfestigkeit 

Holzart 

luft- 
trocken 

absolut- 
trocken 

luft- 
trocken 

absolut- 
trocken 

lOOfach 

kg/ 

cm^ 

lOOfach 

kg/cm'' 

lOOfach 

kg/cm^ 

Fichte 

43.2 

443 

722 

43.9 

435 

702 

43.7 

1 

412              809 

Tanne 

41.9 

409 

654 

43.1 

417      1         700 

44.3 

402      1         789 

Weißkiefer 

50.8 

477 

760 

49.5 

430      i        704 

54.2 

463      1        872 

Lärche 

59.4 

589 

1035 

62.3 

563 

1032 

60.5 

565      [      1175 

Rotbuche 

74.6 

650 

1144 

74.2 

621 

1118 

76.1 

604      1      1200 

Eiche 

73.9 

608 

986 

70.6 

530 

957 

75.9 

574      1      1069 

Ulme 

67.2 

571 

953 

66.3 

501 

953 

66.4 

500           1110 

Ahorn 

64.6 

579 

979 

65.2 

541 

917 

65.9 

571           1090 

iNuß 

61.5 

539 

938 

64.9 

467 

822 

01.0 

480 

858 

§  40.  2.  B  i  e  g  s  a  m  k  e  i  t  u  n  d  Zähigkeit.  Es  wurde  seh  on  weiter  oben 
auseinandergesetzt,  daß  Biegsamkeit  und  Zähigkeit,  als  A  r  b  e  i  t  s  e  i  g  e  n  s  c  h  a  f- 
t  e  n  aufgefaßt,  jene  Beschaffenheit  gewisser  Hölzer  bedeuten,  welche  eine  dauernde 
Formveränderung  ohne  Herbeiführung  eines  Bruches  zulassen.  Dabei  muß  die 
Elastizitätsgrenze  überschritten  werden,  ohne  daß  man  sich  deshalb  schon  gar  zu 
sehr  der  Bruchgrenze  nähert.  Die  Voraussetzung  für  die  Anwendung  von  Biegsamkeit 
und  Zähigkeit  ist  nämlich  die,  daß  selbst  bei  beträchtlichen  permanenten 
Ausdehnungen  oder  Zusammendrückungen  der  Substanz  eine  Ueberwindung  der 
Kohäsion  nicht  stattfindet.  Es  muß  also  der  Festigkeitsmodul  (Bruchmodul)  von 
dem  Tragmodul  ziemlich  entfernt  liegen,  mit  anderen  Worten,  der  Spielraum  zwischen 
Bruchgrenze  und  Elastizitätsgrenze  ein  beträchtlicher  sein.  Der  Gegensatz 
von  biegsam  oder  zähe  ist  brüchig  oder  spröde. 

Um  den  Begriff  der  Biegsamkeit  im  Sinne  einer  Arbeitseigenschaft, 
also  der  Gmndlage  für  eine  formum  staltende  produktive  Tätig- 

1)  Mitteilungen  aus  dem  forstl.  Versuchswesen  Oesterreichs.  Die  Einwirkung  von  Süß-  und 
Salzwässern  auf  die  gewerblichen  Eigenschaften  der  Hauptholzarten. 


428  IX  A.    Exner,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

k  e  i  t ,  von  jener  Biegsamkeit  bezw.  Zähigkeit  zu  unterscheiden,  welche  jedes  Ma- 
terial innerhalb  der  Elastizitätsgrenze  besitzt  und  als  Grundlage  der  bautechnischen 
Verwendung  S.404  dieser  Abhandlung  erörtert  wurde,  wäre  es  zweckmäßig,  das  Wort 
,, Biegsamkeit"  im  ersteren  Sinne  durch  die  Bezeichnung  ,,B  i  1  d  s  a  m  k  e  i  t"  zu 
ersetzen. 

Ein  erhöhter  Grad  der  Biegsamkeit  oder,  wie  wir  sie  zu  bezeichnen  vor- 
schlagen, der  B  i  1  d  s  a  m  k  e  i  t  ist  die  ,,Z  ä  h  i  g  k  e  i  t".  JMari  verbindet  mit  diesem 
Ausdrucke  die  Vorstellung,  daß  ein  Holz,  welches  schon  in  einzelnen  Teilen  bis  über 
die  Bruchgrenze  hinaus  in  Anspruch  genommen  wurde,  doch  noch  ein  großes  Maß 
von  Widerstandsfähigkeit  gegen  die  vollständige  Trennung  des  Körpers  in  zwei  oder 
mehrere  Teile  entgegensetzt.  Die  Bildsamkeit  sowohl  als  die  Zähigkeit  ist  bei  den 
Hölzern  im  grünen  Zustande  meist  größer  als  im  halb-  oder  völlig  trockenen  Zu- 
stande. Der  im  frischen  Holze  vorhandene  größere  ^'o^rat  an  W'asser  steigert  die 
Bildsamkeit  und  Zähigkeit  des  Materials.  Daher  kommt  es  auch,  daß  die  Be- 
handlung des  trockenen  Holzes  mit  ^^^asser  oder  Dampf  gewöhnlich  zu  einer 
Steigerung  von  Bildsamkeit  und  Zähigkeit  führt.  Wird  das  Holz  mit  warmem 
Wasser,  warmer  Leimlösung  oder  Dampf  behandelt,  so  wirkt  die  höhere  Temperatur 
gleichfalls  günstig  im  Sinne  einer  Steigerung  der  in  Rede  stehenden  Eigenschaften. 
Die  Bildsamkeit  und  Zähigkeit  werden  daher,  falls  sie  die  Grundlage  einer  indu- 
striellen Benützung  des  Holzes  darstellen,  zumeist  durch  Anwendung  von  Feuchtig- 
keits-  und  Wärmezufuhr  erhöht.  Interessant  ist  die  Tatsache,  daß,  wie  W.  Fr. 
Exner  nachgewiesen  hat,  das  gedämpfte  und  durch  den  Biegeprozeß  gestauchte 
Rotbuchenholz  eine  Erhöhung  seiner  rückwirkenden  Festigkeit  erfährt. 

Das  Biegen  von  stabförmigen  Holzkörpern  zum  Zwecke,  geraden  Stäben  eine 
gekrümmte  Gestalt,  oder  gekrümmten  Körpern  eine  geradlinige  Form  zu  geben,  ist 
ein  Verfahren,  welches  seit  langer  Zeit  bei  verschiedenen  Gewerben  in  Uebung  steht. 
Die  Zurichtung  von  Spazier-,  Regenschirm-,  Sonnenschirm-,  Fischangelstöcken 
usw.  usw.  wird  seit  Jahrhunderten  praktiziert.  Das  Biegen  von  Radfelgen  ist  gleich- 
falls ein  altes  Verfahren.  Schon  im  Jahre  1810  wird  berichtet,  daß  in  Vorarlberg 
Radfelgen  in  einem  Stücke  aus  gebogenem  Holze  angefertigt  wurden.  Melchior 
Fink  in  Bregenz  suchte  im  Jahre  1820  um  ein  Privilegium  für  aus  gebogenem  Holze 
angefertigte  Radfelgen  an.  Dem  im  Privilegiums-Archive  liegenden  Gesuche  Finks, 
das  im  Jahre  1821  erledigt  wurde,  ist  das  Gutachten  der  Professoren  Arzberger  und 
Prechtl  beigeschlossen,  welches  dahin  geht,  daß  Finks  Produkt,  als  neu  und  wichtig, 
privilegierbar  erscheine.  Fink  verwendete  für  diese  Radfelgen  Eschenholz  und  nach 
einer  beglaubigten  Mitteilung  waren  solche  von  Fink  gefertigte  Radfelgen  noch  in 
den  letzten  1860er  Jahren  in  Vorarlberg  im  Gebrauch,  was  auf  eine  außerordentliche 
Dauerhaftigkeit  dieser  Produkte  hinweist. 

Die  Idee,  das  Holz  durch  Biegen  in  zu  gewissen  Zwecken  verwendbare  Formen 
überzuführen,  hat  den  großartigsten  Erfolg  in  einem  modernen  Zweige  der  Möbel- 
industrie errungen.  Der  Rheinpreuße  IMichael  Thonet  hat  mit  bewunderungswürdiger 
Ausdauer  und  großem  technischen  Geschick  das  ^'erfahren  des  Holzbiegens  zum 
Zwecke  der  Herstellung  von  Möbeln  so  weit  ausgebildet,  daß  es  heute  das  Arbeits- 
prinzip einer  großen,  weit  verzweigten,  die  Verwertung  der  Rotbuchenholzbestände 
merkbar  beeinflussenden  Industrie  (sog.  Bugmöbel-  oder  Wiener  Möbel-Industrie) 
geworden  ist.  Das  Thonetsche  Verfahren  besteht  der  Hauptsache  nach  in  der  Be- 
handlung des  Fiotbuchenholzes  mit  Dampf,  in  dem  Biegen  des  gedämpften  Holzes 
in  Formen,  endlich  in  der  Sicherung  der  auf  der  konvexen  Seite  der  gekrümmten 
Holzteile  liegenden  Faserbündel-Gruppen  gegen    das  Abreißen  während    der  Bie- 


Biegsamkeit  und  Zähigkeit.    §  41.  409 

gung,  sodann  in  entsprechender  Behandlung  in  Trockenkammern  ^).  Tlionet  hat 
auch  die  Erzeugung  von  Radfelgen  aus  gebogenem  Holze  wieder  aufgenommen, 
und  selbst  Räder  für  Kanonen-Lafetten  und  sonstige  dem  Kriegsdienste  zugehörige 
Fuhrwerke  erhielten  Radfelgen  aus  gebogenem  Holze.  Bei  Luxus-Fuhrwerken  haben 
die  gebogenen  Radfelgen  aus  Hickory-Holz  (Carya  alba,  anierik.  Weißnußbaum)  eine 
große  Verbreitung  erlangt.  Das  gleiche  \'erfahren  findet  heute  auch  An^\endung 
bei  der  Fabrikation  von  Rodelschlitten,  Kummethölzern,  den  norwegischen 
Schneeschuhen  (Ski)  u.  dgl.,  wobei  in  erster  Linie  Eschenholz  \'erwendung 
findet. 

Holzplatten  nach  verschiedenen  \'erfahren  gebogen,  so  daß  sie  gewölbte  Flächen 
darstellen,  finden  beim  Bau  von  Schiffen,  Wagenkasten  usw.  mannigfaltige  \'er- 
■\vendung. 

Die  Bildsamkeit  und  Zähigkeit  spielen  eine  ganz  besonders  wichtige  Rolle  auch 
in  dem  Falle,  daß  dünne  Stäbe,  Späne  oder  Fäden,  aus  Holz  angefertigt,  zu  g  e- 
f  1  0  c  h  t  e  n  e  n  und  gewebten  Körpern  vereinigt  werden.  Die  ganze  Korbflech- 
terei und  Holzweberei  (Sparterie),  sowie  die  Herstellung  von  Gegenständen  aus 
Holzgeweben  haben  als  Voraussetzung  einen  hohen  Grad  von  Bildsamkeit  und  Zähig- 
keit des  Rohstoffes.  Die  ^^'eidenruten  im  ganzen  oder  in  der  Form  des  gespaltenen, 
bezw.  gehobelten  Spanes,  ferner  Fichten-  und  Föhrenwurzeln,  ganz  oder  gespalten, 
Späne  von  Fichten-Stammholz,  Spältlinge  von  Bambus,  das  spanische  Rohr,  der 
Bast  von  verschiedenen  Holzpflanzen  und  diverse  Gräser  bilden  die  Hauptgattungen 
von  F  1  e  c  h  t  m  a  t  e  r  i  a  1  e  ,  zu  denen  das  Stroh,  die  Piasava  und  andere  Pflanzen- 
teile in  Konkurrenz  treten. 

Dünne  und  schmale  Späne  von  Aspenholz  bilden  den  Rohstoff  der  H  o  1  z  - 
Weberei  (Sparterie). 

Die  Verwendung  des  Holzes  zu  Faßreifen,  ferner  die  sogenannten  Bandweiden 
und  endlich  die  in  der  Flößerei  verwendeten  ^^'ieden  sind  Beispiele  für  die  Anwendung 
biegsamer  und  zäher  Hölzer. 

§  4L  Eine  wissenschaftliche  Bestimmung  der  Bildsamkeit  und  der  Zähigkeit 
ist  bisher  in  befriedigender  Weise  für  das  Holz  nicht  vorgeschlagen  worden  ^). 
Die  einschlägigen  Versuche  von  Karmarsch  und  Nördlinger  befriedigen  nicht. 

Am  ehesten  gewährt  noch  die  von  Tetmajer  in  die  Materialprüfungstechnik 
eingeführte  Arbeits  kapazität  der  Biegungsfestigkeit,  deren  Be- 
griff und  Ermittelung  schon  Seite  404  auseinandergesetzt  wurde,  einen  Anhaltspunkt 
für  die  Zähigkeit  oder  Sprödigkeit  eines  Holzmaterials.  Je  langgestreck- 
ter das  Biegungsdiagramm  ausfällt,  je  größer  also  die  Durchbiegung  nach  Ueber- 
schreitung  der  Elastizitätsgrenze,  desto  zäher  das  Holz.  Holzproben,  die  bei  der 
Biegeprobe  bald  nach  Ueberschreitung  der  Elastizitätsgrenze  brechen,  sind  als  spröde 
anzusehen.  In  diesem  Sinne  zeigt  in  Fig.  2  das  Diagramm  des  Probestabes  18  a 
(oben  —  Stab  aus  norwegischem  Eschenholze)  ein  äußerst  zähes,  das  Diagramm  5  c 
(links  unten  —  von  einer  sehr  engringigen  Esche  aus  der  Bukowina  herrührend),  ein 


1)  Siehe  „Das  Biegen  des  Holze  s",  ein  für  Möbelfabrikanten,  Wagen-  und  Schiff- 
bauer wichtiges  Verfahren.  Mit  besonderer  Rücksichtnahme  auf  die  Thonetsche  Industrie  von 
Prof.  Dr.  W.  F.  E  x  n  e  r.  Dritte  neubearbeitete  und  erweiterte  Auflage  von  Prof.  Georg  Lau- 
b  o  e  c  k,  Weimar  1893. 

2)  Unter  den  wenigen  .\rbeiten  über  ,, Bildsamkeit"  bei  anderen  Rohstoffen  sind  bemerkens- 
wert jene  von  Kick  und  HugoFischer.  (Kick,  Das  Gesetz  der  proportionalen  Widerstände. 
Leipzig  1885;  Hugo  Fischer,  Beitrag  zur  mechanischen  Untersuchung  plastischer  Körper,  „Zivil- 
Ingenieur"  XXXI.  Band.  7.  Hefl.l 


430 


IX  A.    Exner,   Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 


sehr  sprödes  Holz  an.  Natürlich  kann  man  diese  Diagramme  nur  dann  untereinander 
vergleichen  und  einen  Schluß  auf  die  Zähigkeit  oder  Sprödigkeit  des  betreffenden 
Holzmaterials  ziehen,  wenn  sie  von  Stäben  gleicher  Länge  und  gleichen  Querschnitts 
gewonnen  wurden;  dies  ist  bei  den  Diagrammen  der  Fig.  2  der  Fall;  die  betreffenden 
Eschenholzstäbe  hatten  4  X  4  cm  Querschnitt  und  eine  freie  Auflage  bei  der  Biege- 
probe von  58  cm. 

Schwieriger  gestaltet  sich  die  Sache,  wenn  man  die  Eigenschaft  der  Zähigkeit 
Ziffer  mäßig  ausdrücken  soll.  Hiezu  würde  sich  auf  Grundlage  der  Biegeprobe 
und  immer  unter  der  Voraussetzung  gleich  dimensionierter  Probekörper  der  Quotient 
aus  der  Durchbiegimg  und  der  Belastung  in  dem   zwischen  Elastizitäts-  und  Bmch- 

D— d 

grenze  gelegenen  Teile  der  Biegungsarbeit  eignen,  also  der  Quotient 


P-p 


wenn 


unter  d  die  Durchbiegung)  ^^  ^^^  Elastizitätsgrenze, 

p  die  Belastung        i 
unter  D  die  Durchbiegung  |  ^^.^  ^^^^^^ 
P  die  Belastung         J 
zu  verstehen  ist. 


Figur  2. 


_       ^0 


-1  e-i 


-? 


,  I 1 ~i II        I        r 


J  A-U-C  Ivl"  I.C  AlAUtV 


_  S  C-c 


Nachdem  die  international  vereinbarten  Vorschriften  für  die  Holzprüfungen 
ganz  bestimmte  Dimensionen  für  die  Biegestäbe  vorschreiben  (10  X  10  cm  Quer- 
schnitt und  1,5  m  Stützweite),  beziehungsweise  die  Reduktion  der  Biegungsarbeit 
von  im  Querschnitt  anders  dimensionierten  Biegebalken  auf  den  Normalquerschnitt 
von  10  X  10  cm  fordern,  so  würde  die  hier  vorgeschlagene  Ermittlung  des  ziffer- 
mäßigen Ausdruckes  der  Zähigkeit  ohne  weiters  möglich  sein. 

Nach  den  Untersuchungen  Jankas  ergibt  sich  dieser  Zähigkeitskoeffizient  aus 
einer  großen  Zahl  von  Einzelproben 

für  Fichtenholz  lufttrocken         .     .     .     zu  1,73 

feucht zu  2,50 

naß zu  3,53 

für  Lärchenholz  lufttrocken         .     .     .     zu  1,26 
naß  zu  2,35 


Warnfähigkeit.  §  42. 


431 


Diese  Zahlen  zeigen  zunächst  die  Erhöhung  der  Zäliigkeit  mit  dem  Steigen  des 
Wassergehalts  im  Holze,  dann  aber  auch  die  bedeutend  größere  Zähigkeit  des  Fichten- 
holzes gegenüber  dem  Lärchenholze. 

Mit  den  nachfolgenden  Ausfüluungen  berühren  wir  bereits  das  Gebiet  jener 
technischen  Eigenschaften  der  Hölzer,  welche  mit  einer  Aufhebung  des  Zusammen- 
hanges der   Substanz  verbunden  sind. 

Die  größere  oder  geringere  Zähigkeit  ehies  Holzmaterials  läßt  sich  nach  den 
B  r  u  c  h.e  r  s  c  h  e  i  n  u  n  g  e  n  bei  der  Biegeprobe  beurteilen;  je  nachdem  die  ge- 
spannten Fasern  an  der  Zugseite  des  auf  Biegung  beanspruchten  Balkens  plötzlich 
in  einer  mehr  oder  weniger  geraden,  quer  zur  Faserrichtung  gestellten  Linie  —  oder 
allmählich  unter  teilweisem  Zerreißen  einzelner  Faserbündel  in  einzelnen  Splittern 
abreißen,  unterscheidet  man  einen  glatten  und  einen  splittrigen  Bruch, 
zwischen  welchen  Bruchformen  noch  ein  zackiger  Bruch  unterschieden  werden 
kann.  Ein  glatter  Bruch  deutet  auf  ein  sprödes,  ein  splittriger  Bruch  auf  ein  zähes 
Holz  hin.  Manche  Laubhölzer,  z.  B.  nasses  Eschenholz,  sind  bei  der  Biegeprobe  über- 
haupt nicht  zum  Bruche  zu  bringen;  hierauf  beruht  ja,  wenigstens  zum  Teile,  die 
Industrie,  Stabhölzer  zu  Möbelbestandteilen,  zu  Radfelgen,  Schlittenkufen  u.  dgl. 
im  gedämpften  Zustande  zu  biegen  (Thonetsche  Bugmöbel). 

Es  hat  sich  gezeigt,  daß  die  Biegungseigenschaften  beispielsweise  beim  Fichten- 
holz tatsächlich  mit  der  Form  des  Biegebruches  in  Zusammenhang  stehen,  und  zwar 
ist  ein  glatter  Bruch  mit  einem  niedrigen  Elastizität  s-,  Trag- 
und  Bruchmodul  und  kleiner  Deformationsarbeit  verbunden, 
während  ein  splittriger  Bruch  mit  einem  Maximum  aller  dieser 
Eigenschaften  einhergeht,  wie  die  nachfolgende  Tabelle  für  Fichtenholz  zeigt. 


Tabelle  X\\ 


Biegungseigenschaften 

Form  des 
Biegebruches 

Elastische 
Durch- 
biegung 

pro  0.1  t 

Elastizi- 
tätsmodul 

Grenz- 
(Trag-) 
modul 

Deforma- 
Biegungs-     tionsarbeit 
festigkeit         beim 
Bruche 

Quotient 

Deformationsarbeit 
Durchbiegung 
beim  Bruche 

cm                       Tonnen  pro  1  cm^                      t/cm 

glatt 

zackig 

spliltrig 

0.0890 
0.0843 
0.0769 

98.0 

102.2 
111.9 

0.323 
0.339 
0.376 

0.565 
0.593 
0.648 

4.95 
5.45 
6.90 

1.53 
1.64 
1.91 

Wenn  es  sich  um  die  Ver^vendung  eines  Holzmaterials  zu  Bauholz  und  speziell 
zu  Tragbalken  handelt,  die  auf  Biegung  beansprucht  werden,  würde  also  ein  Probe- 
holz mit  glattem  Bruch  eine  schlechte,  ein  solches  mit  splittrigem  Bruch  eine  gute 
Qualität  anzeigen.  Hier  sei  speziell  des  sog.  Rotholzes  der  Nadelhölzer  gedacht,  welches 
an  Stämmen  (und  zwar  an  der  dem  ^^■inde  abgewandten  Seite)  entsteht,  die  ständig 
unter  AVindanprall  zu  leiden  haben.  Solches  Holz  zeigt  sich  sehr  spröde,  es  bricht  bei 
Ueberlastung  glatt  ab;  dahingegen  zeigt  das  an  solchen  freistehenden  Stämmen  an 
der  Windseite  gebildete  engringige  Holz  einen  doppelt  so  großen  Biegungselasti- 
zitätsmodul wie  das  Holz  der  andern  breitringigen  Seite. 

§  42.  .3.  In  der  Regel  sollen  nun  zwar  Bau- und  Konstruktionshölzer  höchstens 
bis  zur  Elastizitäts-,  nicht  aber  bis  zur  Bruchgrenze  beansprucht  werden;  solche  Fälle 


432  IX  A.    E  X  n  e  r  ,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

der  Ueberlastung  kommen  aber  ausnahmsweise  doch  vor,  z.  B.  bei  den  Verzimme- 
rungen in  Bergbaubetrieben. 

Die  Bergbautechniker  sprechen  in  dieser  Hinsicht  von  einer  Eigenschaft  des 
Holzes,  die  mit  der  Zähigkeit  oder  Sprödigkeit  und  der  Art  des  Biegebruches  indirekt 
zusammenhängt;  es  ist  dies  die  sog.  W  a  r  n  f  ä  h  i  g  k  e  i  t  des  Holzes.  Unter  einem 
„warnfähigen"  Holz  ist  jenes  Holzmaterial  zu  verstehen,  welches  bei  einer  etwaigen 
Ueberlastung  vor  dem  Abbrechen  knistert,  nur  allmählich  zum  Bruche  kommt  und 
daher  die  Bergleute  ,, warnt",  auf  der  Hut  zu  sein,  demzufolge  derartig  überlastete 
Konstruktionshölzer  der  Bezimmerung  rechtzeitig  ausgewechselt  werden  können; 
dies  trifft  bei  jenem  Holzmaterial  zu,  welches  einen  splitterigen  Bruch  zeigt;  ein  mit 
plötzlichem,  also  in  der  Regel  glattem  Bruch  brechendes  Holz  kann  in  dieser  Hinsicht 
durch  Gefährdung  der  in  der  Grube  beschäftigten  Arbeiter  gefährlich  werden. 

§  43.  Die  Erfahrungen,  welche  die  Holzhauer  und  die  holzverarbeitenden  Ge- 
werbe bezüglich  der  Zähigkeit  des  Holzes  und  ihrer  Kennzeichen  schon  seit  altersher 
gemacht  haben,  hat  Nördlinger  in  folgende  Sätze  zusammengefaßt: 

„Nach  einem  alten  und  jedenfalls  für  Buchen,  Eichen  und  noch  andere  Holzarten  richti- 
gen Salz  erzeugt  nasser  Boden  sprödes  Holz,  nur  trockener  oder  mäßig  feuchter  zähes." 

,,Zähe  Hölzer  sind  in  der  Regel  an  der  großen  Faserigkeil  kenntlich,  die  sie  beim  .ab- 
reißen, und,  (wenigstens  Weichhölzer),  an  dem  faserigen,  wie  man  sagt  wolligen  Schnitt,  den  sie 
beim  Durchsägen  zeigen.  Erst  mit  der  Verwitterung  der  Fasern  tritt  auf  solchen  Schnitten 
das  eigentliche  Gefüge  an  den  Tag." 

,, Wurzel-  und  Stockholz  sind  zäher  als  Stammholz.  Der  Stock  soll  zäher  sein,  als  das 
Zopfende.  Das  .-V  s  t  h  o  1  z  bei  Eichen,  Linden,  Erlen,  Kiefern  gilt  für  spröder  als  das  Slam  m- 
h  o  1  z.  Bei  der  Birke  wird  das  Umgekehrte  angenommen,  wie  auch  bei  der  Fichte;  ob  bei 
letzterer  mit  Recht  in  gleichem  Grade,  mag  dahingestellt  bleiben.  Das  zäheste  Holz  liefern 
die  jungen  Triebe  der  Flechtweiden  (Salix  viminalis,  purpurea,  caspica,  amygdalina  etc.), 
Schlingstrauch,   Hasel,   Birke,   Ulme,  Waldrebe,   Hainbuche,  Maßholder,   Eibe,   Esche,    Aspe." 

,,Mit  dem  Alter  und  Krankheiten  verliert  das  Holz  der  Stämme  seine  Zähigkeit  mehr  und 
mehr,  ja  schon  an  angehend  haubaren  Stämmen  von  Nußbaum  und  Eiche  ist  der  Splint 
zäher  als  der  Kern.  Ebenso,  und  auf  der  Drehbank  wohl  fühlbar,  beim  Perückenstrauch. 
Bei  der  starken  Föhre  auf  passendem  Boden  erhöht  der  große  Harzgehalt  die  Zähigkeit,  wie 
auch  schon  am  einzelnen  Jahresring  der  äußere  harzreichere  Teil  der  zähere,  beim  .abreißen 
faserigere  ist.  Föhren,  die  auf  unpassendem  Boden  stehend,  kein  Kernholz  bilden,  verhalten 
sich  wie  Fichten  und  Tannen  und  haben  das  zähere  Holz  gegen  außen,  wo  die  Jahresringe 
schmäler  und  relativ  harzreicher  sind." 

„Das  Verhältnis  der  Zähigkeit  von  Splint  und  Kern  oder  Reifholz  sieht  man  häufig  schon 
sehr  deutlich  an  der  verschiedenen  Faserigkeit  auf  Hiebsflächen  an  Stöcken.  Man  muß  sich 
aber  bei  der  Beurteilung  immer  vergegenwärtigen,  daß  der  Splint  saftreicheres  und  dadurch 
schon  im  grünen  Zustande  zäheres  Holz  sein  muß." 

,, Abgewelktes  Holz  gilt  als  zäher  denn  saftreiohes  und  trockenes,  und  das  Einweichen 
in  Wasser  und  Bähen  am  Feuer  trägt  zur  Vermehrung  der  Biegsamkeit  und  Zähigkeit  wesent- 
lich bei." 

,,Holz,  das  den  Einwirkungen  der  Wilterung  ausgesetzt  ist,  und  selbst  im  Trockenen 
verbautes,  verliert  allmählich  an  Zähigkeii." 

Hervorragend  bildsame  und  zähe  Hölzer  sind  die  jungen  Stockloden  von  Weide, 
Birke,  Hainbuche,  Aspe,  Esche,  Eiche  und  Ulme.  Ebenso  das  Astholz  der  Birke,  der 
Fichte,  dann  die  jungen  Wurzelstränge  von  Kiefern  und  Fichten  im  nahrungsarmen 
Sandboden.  Zu  den  biegsamen  und  zähen  Holzarten  des  Baumstammes  rechnet  man 
die  Birke,  Esche,  Weide,  Vogelbeere,  Hickory-Holz,  die  Sorbus-Arten,  Pappel  und 
Rotbuche,  letzteres  jedoch  nur  im  gedämpften  Zustande,  Weißbuche,  Ulme,  Akazie 
und  Zürgelbaum,  dann  die  Gerten  und  Stangen  von  Eichen,  Hasel,  Kornelkirsche 
und  unterdrückten  Fichten. 

§  44.  4.  S  p  a  1 1  b  a  r  k  e  i  t.  Aus  der  Bauart  des  Holzes  ergibt  sich  eine  für 
diesen  Rohstoff  höchst  charakteristische  Eigenschaft,  welche  darin  besteht,  daß  sich 
dasselbe  durch  Eintreiben  eines  Keiles  parallel  zum  Faserverlaufe  leicht  in  Teile  zer- 
legen läßt.    Dabei  hat  man  zwei  Hauptspaltrichtungen  zu  unterscheiden :  Die  radial 


Spallbarkeit.    §  44.  433 

stehenden  Flächen,  welche  die  Markstrahlen  enthalten,  und  die  darauf  senkrecht 
stehenden  Seimenflächen  oder  Tangentialflächen.  Diese  Richtungen  schlägt  die 
Spaltkluft,  der  Schneide  des  Spaltkeiles  voraneilend,  ein.  Das  Spalten  setzt  die 
Ueberwindung  des  seitlichen  Zusammenhanges  der  Faserbündel,  bezw.  der  Kohärenz, 
mit  welcher  die  Markstrahlen  an  den  Holzfasern  haften,  voraus.  Der  Widerstand 
gegen  das  Spalten  müßte  Spaltfestigkeit  genannt  werden.  Je  höher  die 
Spaltfestigkeit,  desto  niedriger  die  Spaltbarkeit  oder  Spaltigkeit.  Wenn 
man  von  schwerspaltigen  oder  leichtspaltigen  (d.  i.  spaltbaren)  Hölzern  spricht,  so 
meint  man  damit  nicht  nur,  daß  das  Maß  der  Spaltfestigkeit  ein  hohes 
oder  niedriges  sei,  sondern  auch,  daß  die  entstehenden  Spaltflächen  minder  oder 
mehr  glatt  und  eben  ausfallen  und  mehr  oder  weniger  eine  weitere  Bearbeitung  er- 
heischen. 

Die  Spaltbarkeit  ist  eme  für  die  erste  Ausformung  der  Hölzer,  also  für  die 
Herstellung  von  Halbfabrikaten,  in  gewissen  Fällen  hochwichtige  Eigenschaft  und 
verdiente  daher,  daß  sie  nicht  nur  mit  Rücksicht  auf  die  sie  bedingenden  Umstände 
mehr  als  bisher  beobachtet  würde,  sondern  sie  hätte  auch  .\nspruch  darauf,  einer 
exakten  experimentellen  Untersuchung  unterzogen  zu  werden.  Der  einzige  bemerkens- 
werte Versuch,  die  Spaltbarkeit  einer  experimentellen  Messung  zu  untenverfen,  rührt 
von  Nördlinger  her,  welcher  jedoch  den  Fehler  beging,  als  Probestück  ein  ganz  will- 
kürlich geformtes,  gabel-  oder  kluppenartiges  Holzstück  zu  wählen  ^).  Abgesehen 
davon,  daß  die  Nördlingerschen  Probestücke,  die  Zweckmäßigkeit  der  Form  zuge- 
geben, in  Beziehung  auf  ihre  Abmessungen  durch  keinerlei  Erwägung  begründet 
werden  können,  muß  auf  den  entscheidenden  Unterschied  aufmerksam  gemacht 
werden,  welcher  zwischen  dem  Nördlingerschen  Experiment  und  der  Praxis  besteht. 
Bei  den  Nördlingerschen  Versuchen  wird  nämlich  die  Spaltfestigkeit  durch  eine  all- 
mählich anwachsende  Kraft,  Belastung  durch  eine  Wagschale,  in  welche  Schrot  zu- 
fließt, über\\-unden.  In  der  Praxis  der  Holzwaren-Gewerbe  sind  es  wohl  ausnahmslos 
Stoß-Momente,  die  den  Keil  in  das  Holz  eintreiben.  Der  Unterschied  zwischen  diesen 
beiden  Arten  der  Ueberwindung  der  Spaltfestigkeit  ist  aber  ein  fundamentaler.  Im- 
merhin kann  man,  bevor  nicht  eine  befriedigendere  Forschung  vorliegt,  die  von  Nörd- 
linger gewonnenen  Resultate  als  Anhaltspunkte  für  den  ^'ergleich  der  Spaltfestig- 
keiten verschiedener  Hölzer  untereinander  benützen. 

Prof.  M.  Rudeloff  führte  eine  Versuchsreihe  über  die  Spaltfestigkeit  des  Kiefern- 
holzes durch,  wobei  den  Versuchsstücken  die  klammerartige  Form  (Nördlinger) 
gegeben  \vurde.  (Siehe  Mitteilungen  aus  den  Kgl.  Techn.  Versuchsanstalten  zu  Berlin 
1899.    V.  Heft.) 

Gelegentlich  der  Untersuchungen  über  die  Härte  des  Holzes  hat  J  a  n  k  a  einige 
Studien  über  den  ^^'iderstand  angestellt,  welchen  die  Hölzer  dem  Eindrücken  einer 
A  X  t  s  c  h  n  e  i  d  e  von  60  mm  Länge  und  28  »  Schneidewinkel  in  die  Oberfläche 
der  Holzprobe  entgegensetzen  ^).  Wenn  auch  diese  Untersuchungen  in  erster  Linie 
der  Prüfung  des  Holzes  auf  seine  Härteeigenschaft  dienen  sollten  und  daher 
eine  Spaltwirkung  tunlichst  ausgeschaltet  werden  mußte,  so  war  es  doch  in  einzelnen 
Fällen  nicht  zu  vermeiden,  daß  die  Probehölzer,  vor  allem  Eiche,  Buche,  Ahorn  und 
Nuß,  dabei  aufspalteten.  Diese  Prüfung  entspricht  nun  aber,  abgesehen  davon,  daß 
hier  nicht  Stoßkräfte,  sondern  ruhig  wirkende,  von  der  Materialprüfungsmaschine 
ausgeübte  Druckkräfte  in  Anwendung  kamen,  der  Erprobung  des  Holzes 
auf    Spaltfestigkeit  viel  besser  als  die  Nördlingersche  Methode  der  Er- 


1)  Vergl.  Nördlinger,    „Die  technischen  Eigenschaften  der   Hölzer"  (S.243  und  ff.). 

2)  Die  Härte  des  Holzes.    Von   G.  J  a  n  k  a.    Wien  1906. 

Handb.  d.  Forslwiss.     3.  Aufl.     II.  '"-' 


434  IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

probung  der  Spaltfestigkeit.  Damit  ist  im  Sinne  der  Ausführungen  E  x  n  e  r  s  der 
Weg  gezeigt,  wie  ein  Verfahren  zur  Spaltfestigkeitsprüfung  der  Hölzer  ausgebildet 
werden  könnte;  aus  der  Größe  der  Kraft,  welche  erforderlich  ist,  eine  Keilschneide 
von  bestimmter  Form  bis  zum  Eintritte  der  Spaltung  ins  Holz  einzudrücken  und 
aus  der  Tiefe  der  Eindringung  dieser  Keilschneide  beim  Beginne  der  Spaltung  wäre 
die  Spaltfestigkeit  zu  bestimmen;  dabei  werden  allerdings  auch,  wie  beim  Nördlinger- 
schen  Versuch,    die  Dimensionen   der  Spaltprobe  einverständlich  festzusetzen  sein. 

Bei  der  Lage  der  Dinge  müssen  wir  uns  hier  darauf  beschränken,  jene  E  r- 
fahrungssätze  zusammenzufassen,  die  als  ziemlich  feststehend  betrachtet 
werden  können. 

Die  Spaltfestigkeit  ist  bei  manchen  Hölzern  so  gering,  daß  oft  unbedeutende, 
im  Stamme  selbst  auftretende  Spannungen  ohne  das  Hinzutreten  einer  Kraft  von 
außen  eine  Spaltung  herbeiführen.  Der  Wechsel  der  Temperatur  oder  das  Verdunsten 
des  im  grünen  Holze  enthaltenen  Wassers  rufen  bei  der  Ungleichartigkeit  des  Ma- 
teriales  Spannungen  hervor,  welche  die  Spaltfestigkeit  überwinden  und  die  Klüftung 
des  Holzes  herbeiführen  (Frostrisse,  Waldrisse).  Diese  Erscheinungen  stehen  mit  der 
Spaltbarkeit  im  Zusammenhange,  doch  dürfen  sie  nicht  mit  der  Spaltbarkeit  als 
technischer  Eigenschaft  verwechselt  werden,  welche  so  erklärt  werden  muß,  wie  sie 
weiter  oben  definiert  wurde.  Diese  Eigenschaft  setzt  nämlich  die  Anwendung  eines 
keilförmigen  Werkzeuges  voraus,  welches,  wie  erwähnt,  meistens  durch  Stoß-Aktionen 
in  das  Holz  eingetrieben  wird  und  zwar  entweder  von  der  Hirnseite  aus  oder  von  der 
Mantelfläche  der  Holzwalze  aus ;  im  ersten  Falle  entweder  in  der  Richtung  des  Radius 
oder  einer  Sehne,  im  letzteren  Falle  immer  in  der  Richtung  des  Radius. 

Mo  eller  sagt  ganz  richtig  („Die  Rohstoffe  des  Tischler-  und  Drechsler-Gewerbes" 
S.  97):  „Die  Art  der  Zellen  und  ihre  Verteilung  ist  ebenfalls  für  den  Grad  der  Spaltbarkeit 
maßgebend,  aber  mehr  noch  für  die  Beschaffenheit  der  Spaltfläche.  Sind  die  Fasern 
kurz,  dazu  stark  inkrustiert,  sogar  zu  einer  kompakten  Masse  verschmolzen,  so  leidet  die  Spalt' 
barkeit  sehr  erheblich,  die  Spaltfläche  wird  uneben,  höckerig,  fast  der  Bruchfläche  eines  Mi- 
nerals ähnlich  (z.  B.  Guajak).  Mitunter  sind  die  Faserbündel  von  den  Parenchym-  und  Gefäß- 
gruppen scharf  abgegrenzt,  ein  Umstand,  der  die  Spaltbarkeit  begünstigt,  aber  die  Spaltfläche 
gerieft  erscheinen  läßt  (z.  B.  Linde).  Ist  der  Unterschied  zwischen  Herbst-  und  Frühlingsholz 
bedeutend,  so  spalten  sie  auch  mit  ungleicher  Leichtigkeit,  die  Spaltfläche  ist  stufig  abgesetzt 
(z.  B.  die  ringporigen  Laubhölzer,  die  meisten  Nadelhölzer,  besonders  die  harzreichen).  Die 
faserige  oder  wellige,  spiegelglatte  oder  seidenglänzende,  rauhe  oder  schuppige  Spaltfläche 
erklärt  sich  aus  der  Länge,  Innigkeit  der  Verschmelzung,  Art  der  Krümmung  nebst  anderen 
Eigentündichkeiten  der  Fasern  und  der  Häufigkeit  der  Unterbrechung  durch  die  in  Bau  und 
Ausdehnung  ebenfalls  verschiedenen  Markstrahlen." 

Meistens  ist  das  Holz  in  der  Richtung  der  Sehne  schwerer  spaltig  als  in  der 
Ebene  der  Markstrahlen,  und  deshalb  wird  die  industrielle  Verwertung  der  Spalt- 
barkeit vorwiegend  zur  Ausformung  von  Stücken  benützt,  deren  Oberfläche  haupt- 
sächlich von  Radialflächen  gebildet  werden  soll.  Die  äußeren  Stammteile  pflegen 
leichter  zu  spalten  als  die  inneren,  teils  deshalb,  weil  die  ersten  Jahrringe  häufiger 
unregelmäßig  erwachsen,  teils  deshalb,  weil  in  den  äußeren  Holzschichten  zumeist 
eine  größere  Spannung  zwischen  den  einzelnen  Strahlen  herrscht. 

Die  Weichhölzer  gelten  als  leichter  spaltbar,  welche  Auffassung  nicht  Anspruch 
auf  allgemeine  Geltung  erheben  kann.  Uebrigens  hängt  die  Spaltbarkeit  von  ver- 
schiedenen anderen  Eigenschaften  des  Holzesund  allerlei  Umständen  ab.  So  steht  die 
Elastizität  im  engsten  Zusammenhange  mit  der  Spaltbarkeit.  Die  einmal 
durch  den  Keil  geöffnete  Kluft  erweitert  sich  um  so  leichter,  je  elastischer  das  Holz 
ist.  Alle  Umstände,  welche  die  Elastizität,  also  das  Bestreben,  die  frühere  Lage 
wieder  zu  gewinnen,  steigern,  sind  der  Spaltbarkeit  günstig,  d.  h.  steigern  dieselbe. 

Der  Feuchtigkeitsgehalt  übt  auf  die  Spaltbarkeit  einen  scheinbar 


Spaltbarkeit.     §  44.  435 

widerspruchsvollen  Einfluß  aus.  Da  die  Feuchtigkeit  die  Elastizität  mindert,  sollte 
sie  auch  die  Spaltbarkeit  benachteiligen;  in  vielen  Fällen  wirkt  sie  jedoch  in  ent- 
gegengesetztem Sinne.  Da  die  Feuchtigkeit  das  erste  Eindringen  des  Keiles  erleichtert 
und  die  seitliche  Kohärenz  der  Fasern  liäufig  abschwächt,  so  kann  der  fordernde 
Einfluß  der  Feuchtigkeit  dessen  hemmende  Tendenz  überwiegen.  Daher  erklärt  es 
sich,  daß  gewisse  Hölzer  im  frischen  Zustande  schwerer  spaltig  sind  als  im  trockenen, 
wie  Aspe,  Pappel,  Erle,  Salweide,  andere  hingegen  im  trockenen  Zustande  schwerer 
spalten  als  grün,  wie  fast  alle  Harthölzer. 

Der  Frost  vermindert  die  Spaltbarkeit,  hebt  dieselbe  wohl  manchmal  gänz- 
lich auf,  indem  er  die  Elastizität  erheblich  schwächt.  Auch  bietet  das  gefrorene  Holz 
den  Nachteil,  daß  das  Spaltwcrkzeug  wegen  zu  geringer  Reibung  an  den  Spaltflächen 
in  der  Spaltkluft  nicht  haftet,  sondern  zurückspringt. 

Hoher  Harzgehalt  vermindert  die  Spaltbarkeit,  vielleicht  indirekt  durch 
die  Schwächung  der  Elastizität;  so  sind  die  Wurzelstöcke  der  Föhre,  wenn  harzreich, 
schwerspaltig.  Gerad-  und  langfaseriges,  astarmes  Holz,  wie  es  auf  frischem  Boden 
im  geschlossenen  Stande  erwächst,  ist  leichtspaltig.  Hohen  Grad  der  Spaltbarkeit 
kann  man  bei  Stämmen  von  bedeutender  Schaftlänge,  gleichförmiger  Abnahme  der 
Stammdicke,  feiner  Rindenbildung,  geradelinigen  \'erlauf  der  Rindenritzen  etc.  ver- 
muten 1).  In  Beziehung  auf  die  Spaltbarkeit  kann  man  die  Hölzer  folgendermaßen 
klassifizieren : 

Leichtspaltig:  Fichte,  Tanne,  Weymouthskiefer,  Kiefer,  Lärche,  Erle,  Linde ; 

ziemlich  leichtspaltig:  Eiche,  Buche,  Esche,  Edelkastanie,  Schwarz- 
kiefer, Zirbelkiefer; 

sc  h  w  e  r  s  p  a  1 1  i  g:  Masholder,  Hainbuche,  Ulme,  Salweide,  Birke,  Ahoro, 
Eisbeere,  Pappel,  Legföhre. 

Alles  bisher  Gesagte  bezieht  sich  auf  die  Spaltbarkeit,  als  A  r  b  e  i  t  s  e  i  g  e  n- 
schaft  betrachtet,  sie  bildet  die  Vorbedingung  für  die  Erzeugung  von  ,, Spalt- 
waren" und  „Spaltholz-Sortimenten",  wie  Faßdauben,  Dachschindeln,  Dranitzen- 
Schachtelwänden  und  -Böden,  Siebzargen,  Weinpfählen,  Zaunstöcken,  Resonanz- 
Holz  -  M  u  s  e  1  n  und  Resonanz-Hölzern,  Korbflechtspänen,  Leuchtspänen  usw. 

Die  Spaltbarkeit  begünstigt  manche  Yerfahrungsweisen,  die  der  Form  des 
Werkzeuges  nach  als  Hobelarbeit  aufgefaßt  werden,  bei  denen  aber  das  Hobeleisen 
nur  die  Rolle  des  Spaltkeiles  spielt;  dies  bezieht  sich  namentlich  auf  die  verschiedenen 
Arten  der  Spanerzeugung  und  der  Fabrikation  von  Zündholzdraht,  Zündhölzern, 
gemesserten  Joumieren,  Jalousie-Holzdraht  usw.  Auch  wird  die  Spaltarbeit  an- 
gewendet als  Mittel  oder  Endglied  einer  Kette  von  Arbeitsprozessen,  die  auf  die 
Erzeugung  gewisser  Waren  abzielen.  Hier  sei  erwähnt  das  Spalten  der  Schuh- 
stifte aus  dünnen  Hirnholzschciben  des  Ahorns  und  der  Birke,  das  Spalten  jener 
auf  der  Drehbank  hergestellten  Ringe,  deren  Profil  der  Form  gewisser  Tierfiguren 
(in  der  Spielwaren-Industrie)  entpricht  usw. 

Als  G  e  w  e  r  b  s  -  E  i  g  e  n  s  c  h  a  f  t  tritt  die  Spaltbarkeit  in  einem  höchst 
ungünstigen  Sinne  auf,  und  die  Neigung  zum  Spalten,  also  große  Leichtspaltigkeit, 
ist  eine  für  das  fertige  Produkt  aus  Holz  höchst  unwillkommene  Eigenschaft.  Der 
Tischler  und  Drechsler  findet  sich  häufig  während  der  Arbeit,  beim  fertigen  Produkte 
aber  immer  mit  der  Spaltbarkeit  schwer  ab.  Das  Einreißen  des  Holzes  unter  dem 
Hobel,  d.  h.  eine  nach  der  Spaltflächenrichtung  eintretende,  die  beabsichtigte  Span- 
form vereitehide  Spanbildung  ist  eine  Folge  der  Spaltbarkeit,  die  sich  um  so  ungün- 


1)  Vergl.   G  a  y  e  r  s  Forslbenutzung.    X.  Auflage,  licrausgegeben  von   H.  .Mayr. 

28* 


jj3g  IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

stiger  äußert,  je  höher  ihr  Grad  ist  und  je  mehr  die  Richtung  der  Spaltfläche  von  der 
Richtung  der  Bewegung  des  Werkzeuges  abweicht. 

§  45.  4.  H  ä  r  t  e.  Die  HärtedesHolzes  übt  nicht  nur  auf  die  Gewin- 
nung, sondern  auch  auf  die  Bearbeitung  und  die  Verwendbarkeit  eines  Holzmaterials 
einen  großen  Einfluß  aus;  sie  nimmt  Einfluß  auf  den  Arbeitseffekt  bei  der  Schläge- 
rung,  beim  Verschnitt  im  Sägewerke  und  bei  der  Bearbeitung  mit  Hilfe  der  ver- 
schiedenen holzbearbeitenden  Werkzeuge  und  Maschinen;  sie  ist  maßgebend  für  die 
Verwendbarkeit  der  Hölzer  zu  bestimmten  Verwendungszwecken  und  für  ganze  Ge- 
werbebetriebe, z.  B.  in  der  Holzdrechslerei,  Bildschnitzerei,  in  der  Möbelfabrikation, 
und  bestimmt  endlich  auch  die  Brauchbarkeit  eines  Holzmaterials  zu  jenen  Ge- 
brauchsgegenständen, bei  denen  es  vor  allem  auf  eine  große  Widerstandsfähigkeit 
gegen  Abnützung  ankommt,  auf  eine  Eigenschaft,  die  mit  der  Härte  in  innigstem 
Zusammenhange  steht,  beispielsweise  bei  der  Verwendung  von  Holz  zu  Straßenpflas- 
ter, Kegeln  und  Kegelkugeln,  zu  Holzkammrädem  u.  dgl. 

Nach  dem  Sprachgebrauche  verbindet  das  technische  und  das  Laien-Publikum 
mit  dem  Ausdrucke  Härte  dem  Holze  gegenüber  dieselbe  Vorstellung  wie  bei 
allen  anderen  Substanzen.  Man  versteht  unter  Härte  den  Widerstand,  den  eine  Sub- 
stanz dem  Eindringen  eines  fremden  Körpers  in  dieselbe  von  außen  her  entgegen- 
setzt. Diesen  fremden  Körper  denkt  man  sich  dabei  zumeist  als  ein  Werkzeug  von 
einer  für  das  Eindringen  in  den  Rohstoff  günstigen  Gestalt. 

Für  die  Härte  der  Hölzer  hat  der  Holzarbeiter  schon  das  richtige  Gefühl;  er 
klassifiziert  sein  Holzmaterial  nach  dem  fühlbaren  Widerstände,  den  dasselbe  bei  der 
Bearbeitung  durch  die  verschiedenen  Werkzeuge  entgegensetzt.  Es  wirken  nun  aber 
die  Werkzeuge  in  ganz  verschiedener  Weise  auf  das  Holz;  man  müßte  also,  wenn  es 
gilt,  die  Härte  der  Hölzer  exakt  und  nicht  nur  nach  dem  Gefühle  festzustellen,  eine 
Härte  unterscheiden  gegen  das  Eindringen  schneidender  Werkzeuge,  wie  Messer, 
Stemmeisen,  Axt,  Beil,  Hobel,  Bohrer  —  gegen  das  Eindringen  von  die  Fasern  zer- 
reißender Geräte  und  Werkzeuge:  Säge,  Raspel,  Feile,  und  gegen  das  Eindringen 
spaltender  Werkzeuge  und  Hilfsmittel:  Spalteisen,  Keil,  Nagel,  Schraube.  Auch  ist 
es  nicht  gleichgültig,  ob  das  Arbeitswerkzeug  unter  ruhigem  Zug  oder  Druck  oder 
durch  plötzlichen  Stoß  und  Schlag  wirkt.  Das  Holz  ist  ferner  kein  homogener,  son- 
dern ein  organischer,  äußerst  kompliziert  zusammengesetzter  Körper,  dessen  Härte 
sich  je  nach  der  Richtung,  in  welcher  das  Werkzeug  die  Fasern  angreift,  verschieden 
äußern  wird,  so  daß  man  von  Hirnholzhärte  und  Längsholzhärte  sprechen  kann,  je 
nachdem  die  Angriffsrichtung  des  Werkzeuges  senkrecht  oder  parallel  zur  Faser- 
richtung geht. 

Ueberdies  setzt  sich  das  Holz  aus  verschieden  harten  Gewebselementen  zu- 
sammen ;  der  Spätholzteil  des  Jahrringes  kann  eine  Härte  besitzen,  welche  die  Härte 
des  Frühholzes  um  das  Vielfache  übertrifft;  je  nach  dem  Vorwiegen  des  harten  und 
schweren  Spätholzes  gegenüber  dem  weichen  und  leichten  Frühholze  werden  auch 
verschiedene  Holzstücke  einer  und  derselben  Holzart  gewisse  Abweichungen  in  bezug 
auf  ihre  Härteeigenschaft  zeigen  müssen.  Hiezu  kommt  schließlich  beim  Holze  noch 
ein  Faktor,  der,  wie  jede  Art  von  Festigkeit,  auch  die  Härte  desselben  sehr  stark 
beeinflußt;  es  ist  dies  der  Feuchtigkeitsgehalt  des  Holzes. 

Wie  man  sieht,  sind  die  Schwierigkeiten,  welche  sich  einer  exakten,  ziffermäßigen 
Feststellung  des  Härtegrades  eines  Holzes  entgegenstellen,  sehr  große ;  sie  wären  un- 
überwindlich, wenn  man  sich  nicht  auf  ein  bestimmtes,  zweckentsprechendes  Ver- 
fahren der  Härteprüfung  einigen  würde,  in  der  Art,  wie  man  sich  ja  auch  bezüglich 


Harte.   §  45.  437 

der  Vorschriften  für  einheitliche  Prüfungsverfahren  für  Holz  auf  bestimmte  Methoden 
der  Festigkeitsprüfung  international  geeinigt  hat. 

Prof.  Dr.  M.  B  ü  s  g  e  n  ^)  hat  eine  Reihe  von  Holzarten  in  der  Weise  auf  ihre 
Härte  geprüft,  daß  er  mit  Hilfe  eines  der  Bodensonde  nachgebildeten  Apparates 
eine  Stahlnadel  mittels  allmählich  aufgelegter  Gewichte  2  mm  tief  in  den  Holzkörper 
eintrieb  und  die  Größe  des  hiezu  notwendigen  Gewichtes,  in  Grammen  ausgedrückt, 
als  Härte  ansah.  Gegen  diese  Methode  läßt  sich  das  Bedenken  erheben,  daß  die  Stahl- 
nadel beim  Eindringen  zwischen  die  Holzfasern  den  harten  und  festen  Spätholzzonen 
ausweichen  und  in  der  Richtung  des  geringsten  Widerstandes  vordringen  wird,  wo- 
durch eine  zu  geringe  Härte  resultieren  würde,  daß  ferner  die  ins  Holz  eingedrückte 
Nadel  ebenso  wie  ein  eingeschlagener  Nagel  in  erster  Linie  spaltend  wirkt  und  von 
der  Elastizität  des  Holzmaterials  beeinflußt  wird,  und  daß  man  schließlich  wegen 
der  Kleinheit  des  Querschnittes  der  verwendeten  Nadel  zu  viele  Partien  einer  Holz- 
probe prüfen  müßte,  um  einen  richtigen  Durchschnittswert  der  Holzhärte  zu  erhalten. 

Dr.  J  a  n  k  a  hat  ein  Verfahren  der  Härteprüfung  des  Holzes  ausgebildet,  das 
geeignet  erscheint,  die  Härte  des  Holzes  ziffermäßig  exakt  zum  Ausdrucke  zu  bringen^). 
Dieses  ^'e^fahren  lehnt  sich  an  das  von  dem  schwedischen  Oberingenieur  Brinell  1890 
eingeführte  Härteprüfungsverfahren  an,  das  bekanntlich  darin  besteht,  daß  eine 
kleine  Stahlkugel  in  die  Oberfläche  des  zu  prüfenden  Materials  (Metalles)  unter  ruhigem 
Druck  eingedrückt  und  aus  dem  Kugelhalbmesser,  dem  angewendeten  Druck  und 
der  Tiefe  des  erzeugten  Eindruckes  die  Härtezahl  des  Materials  in  ziffermäßiger 
Größe  gefunden  wird. 

.J  a  n  k  a  verwendet  für  die  Härteprüfungen  des  Holzes  eine  aus  der  ebenen 
Fläche  eines  eisernen  Druckstückes  hervorragende  Halbkugel  von  1,00  cm* 
größtem  Kreise,  also  von  5,642  mm  Halbmesser,  und  drückt  diese  eiserne 
Halbkugel  zwischen  den  Preßplatten  einer  Materialprüfungsmaschine  unter  stetigem 
Druck  in  die  geglättete  Hirnfläche  des  zu  prüfenden  Holzes  bis  zum  größten  Kreise 
der  Halbkugel  ein.  Der  Widerstand,  ausgedrückt  in  Kilogrammen,  den  das 
Holz  hiebei  in  dem  Momente  leistet,  in  welchem  die  Halbkugel  bis  zu  ihrem  größten 
Kreise  ins  Holz  eingedrungen  ist,  stellt  ohne  weiteres  die  Härte  des 
Holzes  dar;  da  die  Größe  der  Eindrucksfläche  im  Holze  1 ,00  cm-  beträgt,  so 
erscheint  die  Holzhärte  analog  wie  bei  den  anderen  Festigkeitsangaben  auf  1  cm* 
bezogen.  Um  von  einer  Holzprobe  von  größeren  Dimensionen,  die  ja  auf  der  Quer- 
fläche in  den  verschiedenen  Partien  oft  verschiedene  Härte  aufweist,  einen  verläß- 
lichen Durchschnittswert  zu  erhalten,  ist  es  natürlich  notwendig,  mit  dieser  Härte- 
prüfung mehrere  Stellen  der  Himholzfläche  zu  treffen ;  zweckmäßig  wird  man  diese 
Einzelprüfungen  der  Häi-te  in  regelmäßiger  Anordnung  auf  die  ganze  Ouerfläche 
verteilen  (siehe  Fig.  3).  Es  ist  klar,  daß  diese  Härteprüfungsmethode  des  Holzes  zwar 
der  allgemeinen  Definition  der  Härte  entspricht,  aber  mit  keiner  Beanspruchungs- 
weise auf  Härte  durch  die  verschiedenen  schneidenden  Werkzeuge  vergleichbar  oder 
ähnlich  ist;  die  damit  erhaltene  Härte  stellt  also  gleichsam  eine  neutrale  Härte  dar. 

Die  Härte  des  Holzes  ist  abhängig  von  der  Holzart,  innerhalb  derselben  Holzart 
aber  vom  Feuchtigkeitsgehalte  und  vom  spezifischen  Gewichte,  in  der  Art,  daß  bei 
gleichem  Feuchtigkeitsgehalte  das  spezifisch  schwerere,  bei  gleichem  spezifischen 
(Trocken-)  Gewichte  das  trockenere  Holz  die  größere  Härte  besitzt.  Während  aber 
die  Abnahme  der  Härte  vom  lufttrockenen  zum  wassergetränkten  Zustande  des  Holzes 


1)  Zur  Bestimmung  der  Holztiärten.    Zeitschrift  für  Forst-  und  Jagdwesen  1904. 

2)  „Die  Härte  des  Holzes".    Zentralblatt  für  das  gesamte  Forstwesen  1906,  und  „Ueber 
Holzhärteprüfung"  ebendaselbst,  1908. 


438 


IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 


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Härte.     §  45.  439 

eine  bedeutende  ist,  ist  die  Zunahme  dieser  Eigenschaft  vorn  hifttrockenen  zum  ab- 
soluttrockenen Zustande  nur  eine  sehr  geringe.  Dieses  Gesetz  der  .\biiängigkeit  der 
Härte  vom  Feuchtigkeitsgehalte  des  Holzes  ist  für  einige  unserer  wichtigsten  Holz- 
arten aus  der  nachstehenden  Tabelle  zu  ersehen;  die  je  in  4  verschiedenen  Feuchtig- 
keitsstadien geprüften  Hölzer  stellen  natürlich  für  jede  einzelne  Holzart  vollkommen 
gleiches  Holzmaterial  dar. 

(Siehe  Tabelle  Seite  438.) 

Der  Quotient ts      ^-n:  (  —  1  ist  bei  den  Nadelhölzern  kleiner  als  der  Quotient 

^  spez.GewichtV  s  /  ^ 

i-, — 7^  '^  ■  ,  .  ( —  ),  während  sich  diese  beiden  Quotienten   bei  den  Laubhölzern 

spezif.  Gewicht  \s  ' 

umgekehrt  verhalten,  woraus  sich  die  Folgerung  ergibt,  daß  die  Nadelhölzer  geeig- 
neter sind  für  Bauzwecke,  bei  denen  es  auf  größtmögliche  Festigkeit  bei  möglichst 
geringem  spezifischen  Gewichte  ankommt,  während  die  Laubhölzer  wiederum  ge- 
eigneter sind  für  die  Verwendung  als  Zeug-  und  Möbelholz,  wozu  wegen  der  geringeren 
Abnützbarkeit  die  größere  Härte,  wenn  auch  mit  höherem  spez.  Gewichte  verbunden, 
mehr  geschätzt  wird  als  die  Festigkeit. 

Bei  Nadelholzbäumen,  welche  wegen  Freistandes  einem  ständigen  Anpralle  des 
Windes  ausgesetzt  sind,  bildet  sich  an  der  dem  ^^'inde  abgewandten  Seite  des  Stammes 
ein  Holz  aus,  das  bei  größerer  Ringbreite  breite  Rotholzzonen  entwickelt;  diese  breit- 
ringige  Seite  des  Stammes  heißt  bei  den  Holzarbeitern  ,,h  a  r  t  e"  Seite,  die  dem  Winde 
ausgesetzte,  schmalringige  Seite  ,,w  eich  e"  Seite;  es  wurde  von  .Janka  durch  exakte 
Härteprüfungen  nachgewiesen,  daß  diese  Bezeichnungen  der  Holzarbeiter  tatsächlich 
vollkommen  berechtigt  sind,  indem  die  harte  Seite  wirklich  die  größere  Härte  auf- 
weist als  die  weiche  Seite,  wenn  auch  die  Druckfestigkeit  des  Holzes  dieser  beiden 
Stammseiten  sich  umgekehrt  verhält,  die  harte  Seite  also  mit  einer  geringeren,  die 
weiche  Seite  mit  einer  größeren  Druckfestigkeit  verbunden  ist. 

Im  allgemeinen  steigt  innerhalb  einer  und  derselben  Holzart  bei  gleichem 
Feuchtigkeitsgehalt  die  Här^e  mit  dem  Wachsen  des  spezifischen  Gewichtes  an;  da 
aber  auch  die  übrigen  Festigkeitseigenschaften,  der  Elastizitäts-,  Trag-  und  Bruch- 
modul der  Druck-  und  Biegungsfestigkeit  mit  steigendem  spezifischen  Gewichte  an- 
steigen, so  ist  die  Härteprobe  geeignet,  über  die  technische  Qualität  eines  Holzmaterials 
einen  ziemlich  verläßlichen  Aufschluß  zu  geben,  wie  dies  die  nachstehende  Tabelle  XVH 
bezüglich  der  Qualität  des  Fichtenholzes  dartut.  Die  in  dieser  Tabelle  aufgeführten 
Fichtenhölzer    verschiedener    Qualität    sind    in   Fig.    3    auch     bildlich   dargestellt. 

(Siehe  Tabelle  Seite  440.) 

Was  die  Beziehungen  der  Härteeigenschaft  zum  Jahrringbaue  des  Holzes  an- 
belangt, so  gilt  diesbezüglich  das  schon  bei  der  Erörterung  der  Festigkeitseigenschaf- 
ten Gesagte:  Die  Härte  ist  von  der  Jahrringbreite  direkt  nicht  abhängig,  sie  wird 
vielmehr  durch  das  Verhältnis  beeinflußt,  in  welchem  bei  einer  gegebenen  Probe  das 
Spätholz  zum  Frühholze  steht. 

Die  Härte  der  Hölzer  überhaupt  variiert  nach  den  Ergebnissen  der  Härte- 
prüfungen mittels  der  Jankaschen  Kugeldruckmethode  zwischen  200  (Paulownie) 
und  etwa  2000  kg/cm-  (Grenadillholz);  unsere  härtesten  europäischen  Holzarten 
dürften  kaum  über  1000  kg/cm^  Härte  haben;  höhere  Härtegrade  weisen  viele  exo- 
tische Holzarten  von  hohem  spezif.  Gewichte  auf.  Wenn  nun  auch  die  Härteeigen- 
schaft verschiedener  Holzarten  nicht  immer  mit  dem  spezifischen  Gewichte  derselben 
in  genauem  Einklang  steht,  so  läßt  sich  doch  im  allgemeinen  behaupten,  daß  ein  Holz 


440 


IX  A.    Exner,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 


Abhängigkeit    der    Härte 


Tabelle  XVII. 
des    Fichtenholzes 
Gewichte. 


vom    spezifischen 


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Spezifisches 
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und  -Festigkeit 

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und  -Festigkeit 

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kg/cm* 

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331 

487 

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0.0192      94.5 

217 

282 

309 

523 

168 

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2.33 

33.6 

36.4 

9.01 

93.4 

332 

543 

6.03 

0.0138      95.5 

184 

317 

332 

579 

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8.17 

35.6 

39.4 

8.27 

102.2 

392 

570 

4.15 

0.0176 

112.2 

237 

356 

336 

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213 

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1.61 

37.7 

40.7 

6.78 

124.4 

423 

595 

3.25 

0.0199 

120.4 

228 

386 

403 

709 

206 

5 

3.41 

39.9 

42.5 

7.17 

117.5     402 

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7.51 

0.0140 

128.6 

333 

374 

406 

738 

237 

6 

1.54 

41.1 

44.2 

6.94 

121.9 

419 

742 

9.80 

0.0161 

140.8 

375 

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418 

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2.10 

44.6 

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138.4 

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6.64 

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148.7 

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47.7 

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141.8 

509 

835 

10.71 

0.0135 

167.3 

349 

481 

534 

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324 

9 

1.01 

51.2 

53.5 

5.63 

150.3 

520 

871 

12.16 

0.0168 

171.4 

259 

460 

573 

1053 

341 

(Erklärung  zur  untenstehenden  Fig.   3.) 


Fig.  3. 
Ansicht    der    Querschnittsflächen    von 

F  i  c  h  t  e  n  li  ö  1  z  c  r  n 


auf    Härte    geprüften 


Härte.    §  45.  44I 

um  so  härter  ist,  je  schwerer  es  ist  — ,  immer  unter  Voraussetzung  gleichen  Feuchtig- 
keitsgehaltes. 

Mit  Hilfe  der  oben  auseinandergesetzten  Prüfungsinethode  und  unter  Berück- 
sichtigung der  auf  die  Härteeigenschaft  Einfluß  nehmenden  physikalischen  Eigen- 
schaften des  Holzes  unterliegt  die  Aufstellung  einer  Härteskala,  die  nicht  auf  un- 
zuverlässigen Angaben  und  dem  Gefühle  der  Holzarbeiter  beruht,  sondern  auf  Grund 
von  exakten  Härteprüfungen  aufgebaut  ist,  keiner  weiteren  Schwierigkeit;  nur  sind 
diese  Untersuchungen  an  den  verschiedenen  Holzarten  noch  nicht  durchgeführt. 
Solange  wir  aber  eine  derartige  exakte  Härteskala  der  Hölzer  nicht  besitzen,  bleibt 
nichts  anderes  übrig,  als  dieselben  in  der  von  Nördlinger,  Gayer,  Möller  u.  a.  ange- 
gebenen Weise  bezüglich  ihres  Härtegrades  zu  gruppieren,  wie  dies  in  der  nachfolgen- 
den Reihe  geschehen  ist^). 

I.  Sehr  hart:  Pockholz,  Grenadill,  Quebracho,  Korallenholz,  Ebenholz, 
Veilchenholz,  Buchsbaum,  Partridgeholz,  Rainweide,  Steineiche,  (Quercus  Hex), 
Sauerdom,  Kornelkirsche,  Hartriegel,  Heckenkirsche,  Weißdom,  Schlehe,  Mandel- 
baum,  Gleditschie,   Syringe. 

n.  H  a  r  t:  Hickory,  Akazie  (Robinie),  Weißbuche,  Oelbaum,  Palisander,  Stech- 
palme, Maulbeerbaum,  Zürgelbaum,  Zwetschge,  Wildkirsche,  Mehlbeere,  Holunder, 
Rotbuche,  Eiche,  Zerreiche,  Esche,  Ahorn,  Goldregen,  Sperberbaum,  Kreuzdom, 
Mahagoni,  Schwarznuß,  Walnuß,  Apfelbaum,  Birnbaum,  Eibe. 

HI.  Mittelhart:  Teakholz,  Eisbeere,  Platane,  Ulme,  Edelkastanie,  Götter- 
baum, Tulpenbaum,  Pitchpine,  Legföhre,  Vogelbeere,  Traubenkirsche. 

IV.  Weich:  Lärche,  Douglastanne,  Birke,  Erle,  Roßkastanie,  Hasel,  Schwarz- 
föhre, Weißföhre,  Fichte,  Tanne,  Wacholder,  Zypresse,  Lebensbaum,  Faulbeerbaum, 
Salweide. 

V.  Sehr  weich:  Aspe.  Zirbelkiefer,  Weymouthskiefer,  Weiden,  Pappeln, 
Linde,  Paulownie. 

Nördlinger  hat  in  seinem  bekannten  Werke  eine  Reihe  von  Beobachtungen 
über  das  Verhalten  verschiedener  Hölzer  diversen  Werkzeugen  gegenüber  veröffent- 
licht. Dieser  Teil  der  Nördlingerschen  Arbeit  ist  aber  bis  heute  eine  fast  völlig  ver- 
einzelte Anregung  geblieben. 

Die  unter  der  Führung  Ernst  Hartigs  unternommenen  Studien  über  den 

Kraftverbrauch   und    die   Arbeitsleistung   gewisser   Werkzeugsmaschinen 

\\'ürden  eher  noch  als  die  Nördlingerschen  Versuche  einen  sicheren  Rückschluß  auf 

die  Schnittfestigkeit  der  Hölzer  gestatten.     Exner  hat  eine  Reihe  von  Arbeiten  in 

Verfolgung  des  von  Ernst  Hartig  gezeigten  Weges  bezüglich  der  Werkzeugsmaschinen 

für  Holzbearbeitung  durchgeführt;  er  hatte  dabei  aber  weniger  die  Arbeitseigenschaft 

der  Schnittfestigkeit  als  den  Wirkungsgrad  der  Holzbearbeitungsmaschinen  und  den 

Zusammenhang  derselben  mit  ihrer  Konstruktion  im  Auge;  immerhin  waren  aber 

diese  experimentellen  Forschungen  geeignet,  die  Ueberzeugung  zu  reifen,  daß  man 

nur  auf  diesem  Wege  zu  einer  genaueren  Kenntnis  der  durchschnittlichen  Härte 

eines  bestimmten  Bearbeitungsmateriales  gelangen  könne  ^]. 

»  * 

Ueberblicken  wir  den  ganzen  an  dieser  Stelle  abgehandelten  Stoff,  so  können 
wir  uns  dem  Gedanken  nicht  verschließen,  daß  dem  Leser  je  nach  seiner  speziellen 


1)  Härteskala  der  Hölzer  in  den  „Besonderen  Bedingungen  für  den  Handel  In  Holz  an  der 
Wiener  Börse". 

2)  Werkzeuge  und  Maschinen  zur  Holzbearbeitung  von  W.  F.  E  x- 
ner.  II.  Band,  Handsägen  und  Sägemaschinen,  dynamischer  Teil  1881.  111.  Band  von  Carl 
Pf  äff  1883.    Weimar,  B.  F.  Voigt. 


442  IX  A.    E  X  n  e  r,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer. 

Berufsrichtung  unsere  Darstellung  als  mehr  oder  weniger  lückenhaft  erscheinen  muß. 
Der  eine  wird  die  Erörterung  der  „Dauerhaftigkeit",  der  andere  die  Abhandlung  der 
„Qualität"  des  Holzes  im  allgemeinen,  ein  dritter  die  Besprechung  der  ,, Fehler  und 
Krankheiten"  vermissen ;  dem  einen  wird  zu  wenig  positives  Material,  dem 
andern  zu  wenig  Reflexion  oder  Konklusion  geboten  worden  sein ;  wir 
selbst  jedoch  betrachten  unsere  Abhandlung  nur  als  den  Versuch  einer  M  a  r  k  i  e- 
rungderinderforsttechnischen,  mechanisch -technischen 
undtechnologischenForschungundLiteratur  betretenen 
Wege  für  die  Erprobung  des  Holzes  als  Grundlage  der  gewerblichen  und  industriellen 
Produktion. 


443 


IX. 

Die  F  o  r  s  t  b  e  n  u  t  z  u  n  g. 

B.  Die  H  a u  p  1 11  u  t  z  LI  n  g'). 

(Ernte,  Verwertung  und  Aufbewahrung  von  Holz  und  Rinde. 

Von 

Hermann  Stoetzer. 

Für  die  3.  Auflage  bearbeitet  von  C  ti  r  i  s  t  o  p  h  Wagner. 


Literatur.  Gay  er:  Die  Forstbenutzung.  1.  Auflage  1863,  10.  Auflage  1909,  bear- 
beitet von  M  a  y  r.  —  König:  Die  Forstbenutzung.  Ein  Nachlaß,  bearbeitet  und  herausgegeben 
von  G  r  e  b  e.  3.  Auflage.  1882.  (1.  Auflage  1851).  —  Heß:  Die  Forstbenutzung.  Ein  Grundriß 
zu  Vorlesungen  mit  zahlreichen  Literaturnachweisen.  2.  Auflage.  1901  (1.  Auflage  1876).  — 
H  u  f  n  a  g  1:  Handbuch  der  kaufmännischen  Holzverwertung  1905,  3.  Auflage.  1910. 

Einleitung. 

Die  Nutzung  der  Erzeugnisse  des  Waldes  stellt  ohne  Zweifel  die  früheste  Form 
forstwirtschaftlicher  Tätigkeit  des  Menschen  im  Walde  dar.  Lange  bevor  man  für 
einen  regelmäßigen  Ersatz  der  dem  Walde  entnommenen  Stoffe  durch  waldbauliche 
Maßregeln  Sorge  zu  tragen  begann,  hatte  eine,  wenn  auch  von  Hause  aus  ziemlich 
planlose  Benutzung  der  Wälder  zur  Befriedigung  der  fühlbaren  Bedürfnisse  der 
Menschen  Platz  gegriffen.  Dies  ging  an,  so  lange  die  Walderzeugnisse  in  beliebiger, 
jedenfalls  aber  ausreichender  Menge  vorhanden  und  daher  mehr  oder  weniger  wert- 
los waren. 

Mit  der  Verschlechterung  des  Zustandes  der  Waldungen,  die  eine  solche  ungeord- 
nete Benutzungsweise  mit  sich  brachte,  sowie  mit  der  Vermehrung  der  Ansprüche, 


1)  Hauptnutzung,  im  Gegensatz  zur  Nebennutzung,  (nicht  zur  Zwischennutzung), 
deckt  sich  nicht  mit  Holznutzung,  sondern  umfaßt  alle  Nutzungen,  die  durch  Weg- 
nahme vonBäumen  erhoben  werden.  Damit  fällt  neben  der  Gewinnung  des  Holzes 
auch  diejenige  der  R  i  n  d  e  unter  die  Hauptnutzung.  Die  Rindennutzung  darf  nicht,  wie  meist 
geschieht,  unter  die  Nebennutzungen  gerechnet  werden,  denn  Rinde  fällt  immer  nut  an,  wo  Haupt- 
nutzung erhoben  wird,  und  bildet  dabei  nicht  selten  einen  wichtigen,  ja  beim  Eichenschälwald  den 
wichtigsten  Nutzungsgegenstand.  Dazu  bleibt  sie  meist  mit  dem  Holze  vereinigt,  wird  nut  ihm 
vermessen,  gebucht,  verwertet  und  z.  T.  verbraucht  (Brennholz). 


4^  IX  B.   Stoetzer,  Forstbenutzung. 

die  an  den  Wald  von  seilen  der  zunehmenden  Bevölkerung  gestellt  wurden,  mußte 
nach  und  nach  ein  Umschwung  in  der  Benutzung  eintreten.  An  Stelle  eines  Zustands 
sorgloser  Holzverschwendung  trat  die  Furcht  vor  Holznot.  Hieraus,  sowie  aus 
dem  mehr  und  mehr  in  den  Vordergrund  tretenden  Bestreben  der  Waldbesitzer, 
ihre  Forste  zu  einer  Einnahmequelle  von  hoher  Bedeutung  zu  machen  und  die  Ein- 
künfte aus  denselben  zu  heben,  entsprang  die  Notwendigkeit,  die  Benutzung  der 
Waldungen  eigenen  Forstverwaltungsorganen  zu  überweisen,  und  so  bildeten  sich 
nach  und  nach  die  Regeln  und  Grundsätze  für  Gewinnung  und  Verwertung  der  Forst- 
produkte zu  einer  eigenen  Disziplin,  zu  der  Lehre  von  der  Forstbenut- 
zung aus. 

An  Stelle  der  ursprünglich  reinen  Okkupation  von  Naturerzeugnissen  ohne 
weitere  Waldpflege  und  Nachhaltigkeit  trat  schließlich  eine  geordnete  Forstbenut- 
zung mit  folgenden  Rücksichten  und  Aufgaben: 

1.  der  Sichemng  nachhaltiger,  d.  h.  gleichmäßig  fortdauernder  Holzlieferung 
aus  dem  Walde  —  einer  walderhaltenden,  waldpfleglichen, 
ja  waldfördernden  Ernte, 

2.  der  Erzielung  technisch  wertvollster  Produkte,  daher  zweckmäßigster 
Aufbereitung  und  Behandlung  —  eines  Zerlegens  in  transportable  Formen 
und  Dimensionen,  in  Stücke  mit  möglichst  vielseitiger  Verwendbarkeit;  der 
Sorge  für  Erhaltung  bester  Qualität, 

3.  der  Erhöhung  der  Waldrente,  daher  billigster  Ernte  und  bester  Ver\vertung 
der  Produkte  —  einer  Anwendung  waldpfleglichster  und  dabei  billigster 
Erntemethodemand  der  Sorge  dafür,  die  Erzeugnisse  denjenigen  Verwendungs- 
arten zuzuführen,  für  die  sie  sich  am  meisten  eignen  und  für  die  sie  daher 
am  höchsten  geschätzt  werden. 

Nach  der  Einteilung  des  Handbuches  der  Forstwissenschaft  wurden  die  tech- 
nischen Eigenschaften  der  Hölzer  in  einem  besonderen  vorhergehenden  Abschnitt 
bereits  besprochen;  es  bleibt  uns  daher  in  der  Darstellung  der  Forstbenutzungslehre 
die  Aufgabe,  dem  Leser  die  Lehren  von  der  Hauptnutzung  und  von  den  Neben- 
nutzungen vorzuführen.  Der  vorliegende  Abschnitt  wird  sich  auf  die  Darstellung 
der  Hauptnutzung  beschränken.  Dabei  werden  wir  zunächst  eine  kurze  Uebersicht 
über  die  V  e  r  w  e  n  d  u  n  g  d  e  r  Hölzer  darzubieten  haben,  an  die  wir  alsdann 
die  Lehren  von  der  Ernte  und  von  der  Verwertung  anschließen  werden. 
Dem  Abschnitt  über  die  Hauptnutzung  wird  ein  solcher  über  die  Neben- 
nutzungen unmittelbar  folgen.  Eine  gemeinsame  Behandlung  von  Haupt-  und 
Nebennutzungen  erschien  nicht  erforderlich,  da  ja  beide,  sobald  die  Rindennutzung 
zur  Hauptnutzung  gezählt  wird,  in  keinem  unmittelbaren  Zusammenhange  zuein- 
ander stehen. 

Uebrigens  ist  das  Verhältnis  der  Hauptnutzung  zu  den  Ne- 
bennutzungen im  rationellen  Forstbetriebe  gekennzeichnet  durch  eine  grund- 
sätzliche Unterordnung  der  Nebennutzungen  unter  die  Hauptnutzung;  d.  h.  im 
intensiven  Forstbetriebe  darf  die  erstere  durch  die  letzteren  nicht  beeinträchtigt 
werden. 

I.  Verwendung  des  Holzes  und  der  Rinde. 

§L  Allgemeines.  Um  mit  Erfolg  die  sorgfältigste  Ausnutzung  der 
Forstprodukte  anordnen,  leiten  und  überwachen  zu  können,  muß  der  Forstmann  vor 
allem  über  die  Zwecke,  zu  denen  dieselben  in  den  verschiedenen  Gewerben  seines 
Absatzgebietes  Verwendung  finden,  genau  unterrichtet  sein.    Die  meiste  Rücksicht 


Verwendung  des  Holzes  und  der  Rinde.     S  2. 


445 


verdient  in  dieser  Hinsicht  das  Hauptprodukt  der  Wälder,  das  Holz.  Die  Ver- 
wendung desselben  ist  eine  überaus  mannigfaltige,  es  bildet  ein  für  viele  Zwecke 
geradezu  unentbehrliches  Hilfsmaterial  und  dient  zur  Befriedigung  der  ersten  und 
wichtigsten  Bedürfnisse  der  Menschen.  Wir  haben  dasselbe  nicht  nur  zur  Herstellung 
unserer  Wohnungen  und  zur  Heizung  und  Erwärmung  nötig,  sondern  in  noch  höherem 
Umfang  zu  technischen  Zwecken  in  den  verschiedensten  Gewerben  und  Industrien. 
Je  nach  diesen  Verwendungszwecken  unterscheiden  wir  vor  allem  zwischen  dem 
Nutzholz  und  dem  Brennholz. 

Die  höheren  Ansprüche,  die  an  Form  und  innere  Eigenschaften  des  Nutzholzes 
gestellt  werden  und  die  ausgedehntere  Verwendbarkeit,  die  sich  aus  letzteren  ergibt, 
bedingen  in  der  Regel  dem  Brennholz  gegenüber  einen  erheblich  höheren  Preis  des 
Nutzholzes  insofern  nicht  alles  Holz,  das  noch  recht  gut  zu  Brennholz  tauglich  ist,  die 
zu  Nutzholz  erforderlichen  Dimensionen  und  Eigenschaften  besitzt.  Um  so  mehr 
wird  der  Forstmann  daher  die  Rente  der  seiner  Leitung  anvertrauten  Waldungen 
zu  heben  imstande  sein,  je  eingehender  er  sich  bemüht,  die  Schlagergebnisse  in  mög- 
lichst ausgedehnter  Weise  als   Nutzholz  aufarbeiten  zu  lassen  und  zu  verwerten. 

In  den  meisten  Fällen  wird  die  Forstverwaltung  sich  darauf  beschränken,  das 
rohe  Holz  in  den  vom  Verkehr  am  meisten  begehrten  Formen  und  Sorten  den  Käu- 
fern darzubieten ;  nur  in  seltenen  Fällen  wird  derselben  die  Aufgabe  zufallen,  eine  ins 
feinere  gehende  Bearbeitung  desselben  im  Walde  selbst  vornehmen  zu  lassen. 

Die  gewöhnlichsten  Verwendungsarten  des  Nutzholzes  sind :  Die  Venvendung 
zum  Hochbau  (Häuserbau),  Schiffsbau,  Bergbau  (Grubenholz),  E  r  d-. 
Brücken-  und  Wasserbau,  in  den  Werkstätten  (Küfer  und  andere 
Spaltwarengewerbe,  Schreiner,  Glaser,  Wagner  usw.),  zum  Maschinenbau 
(Werkholz),  zur  Papierfabrikation  und  in  der  Landwirtschaft. 

Es  ist  unmöglich,  in  unserer  gedrängten  Darstellung  mehr  als  eine  kurze  Ueber- 
sicht  des  gewöhnlichen  Bedarfs  zu  geben,  zumal  örtlich  die  Anforderungen  sehr 
verschieden  sind.  Es  ist  deshalb  eine  wichtige  Aufgabe  des  Forstmanns,  die  ganz 
besonders  betont  werden  muß,  daß  er  allein  seinem  Bezirk  befind- 
lichen Gewerbe  und  Industrien,  die  Holz  verbrauchen, 
kennen  lernt,  allen  Nachfragen  tunlichst  auf  den  Grund 
geht  und  sich  so  viel  als  möglich  durch  eigene  Anschau- 
ung und  spezielle  Erkundigung  unterrichtet ;  denn  seinen  Abnehmern 
gegenüber  ist  er  Kaufmann. 

§  2.  Bauholz.  Die  zum  Bau  von  Häusern  erforderlichen  Konstruktions- 
hölzer werden  je  nach  dem  Umfang  der  Bauwerke  und  deren  einzelnen  Teile  in  ver- 
schiedenen Dimensionen  begehrt.  Da  diese  Hölzer  nicht  in  rundem,  sondern  in  be- 
schlagenem Zustande  verwendet  werden,  so  ist  es  von  Bedeutung,  daß  die  ver\vendeten 
Stämme  nicht  zu  viel  Abfall,  d.  h.  keine  allzu  große  Differenz  zwischen  oberem  und 
unterem  Durchmesser  aufweisen,  vielmehr  recht  vollholzig  sind,  weil  auf  diese  Weise 
bei  gleichem  Kubikinhalt  des  Rundholzes  stärkere  Balken  gewonnen  werden 
können. 

Man  unterscheidet  scharfkantiges  Bauholz,  das  einen  regelmäßigen 
vierseitigen  (quadratischen  oder  rechteckigen)  Querschnitt  haben  muß,  und  w  a  1  d-, 
w  ahn-,  r  u  n  d-  oder  schalkantiges  Bauholz,  bei  dem  statt  der  scharfen 
Kanten  des  vorigen  schmale  Rundholzbänder  als  Kreisabschnitte  in  den  Ecken  des 
Querschnittes  vorhanden  sind.  —  Die  letztere  Form  gestattet  eine  weit  vorteilhaf- 
tere Ausnutzung  der  Stämme  und  bedingt  einen  geringeren  Verlust  an  abfallenden 
Spänen  und  Schwarten.  Mit  noch  geringerem  Verlust  ist  das  Berappen  der  Hölzer 


446  IX  B.   Stoetzer,  Forslbenutzung. 

verbunden;  solche  berappte  Holzstücke  sind  an  vier  Seiten  leicht  behauen,  gewöhn- 
lich doppelt  so  breit  als  die  gebliebene  Rindenkante. 

Der  zweckmäßigste  Querschnitt  eines  wagrecht  verlegten,  also  auf  seine  Trag- 
kraft in  Anspruch  genommenen  Balkens  ist  nicht  der  quadratische,  sondern 
der  rechteckige,  insofern  bei  gleicher  Ouerschnittsfläche  die  Tragkraft  des  recht- 
eckig geschnittenen  Balkens  eine  erheblich  größere  ist  als  die  des  quadratischen. 
Die  tragkräftigste  Rechtecksform  im  Kreise,  oder  der  stärkste  scharfkantige  Balken, 
dessen  Breite  =  b,  dessen  Höhe  =  h,  wird  aus  einem  Stamme  erhalten,  wenn  die 
Breite  zur  Höhe  sich  verhält  wie  1  :  1/2,  annähernd  wie  5  :  7,  wobei  das  Produkt 
b.  h^  seinen  Höchstbetrag  erreicht. 

Die  Bauhölzer  erhalten  ihre  Bearbeitung  ent\\eder  durch  das  Beschlagen 
oder  Bezimmern  von  Hand  durch  den  Zimmennann,  wobei  der  Abfall  in  die  Späne 
geht,  oder  durch  das  Besagen  (Besäumen)  mit  Hilfe  von  Sägmaschinen  auf  der  Säg- 
mühle. 

Die  älteste  Konstruktionsform  der  Gebäude  ist  ohne  Zweifel  der  Block- 
h  a  u  s  b  a  u,  bei  dem  die  Wände  und  Dächer  ausschließlich  aus  Holz  hergestellt 
werden ;  man  findet  denselben  heute  noch  in  den  Alpen,  sowie  in  waldreichen  Gegen- 
den des  deutschen  Ostens  im  Gebrauch ;  er  ist  durch  größten  Holzbedarf 
gekennzeichnet,  denn  die  \^'ände  sind  bei  ihm  ausschließlich  durch  Balken  gebildet, 
die  aufeinander  gelegt  und  verzapft  werden. 

Die  nächst  höhere  Stufe  ist  der  F  a  c  h  w  e  r  k  s  b  a  u ;  er  bedeutet,  was  Holz- 
ersparnis anlangt,  schon  einen  Fortschritt.  Die  Wände  werden  hier  durch  Holzwerk 
in  Fache  eingeteilt,  die  mit  Backsteinen  oder  Bruchsteinen  ausgemauert,  oder  mit 
Lehm  ausgefüllt,  wohl  auch  mit  schwächerem  Holze  ausgesetzt  werden. 

]Mit  der  zunehmenden  Steigerung  der  Holzpreise  ist  man  vielen  Ortes,  insbe- 
sondere in  Städten,  zum  S  t  e  i  n-  o  d  e  r  M  a  s  s  i  v  b  a  u,  als  der  höchsten  Stufe  des 
Hochbaus,  übergegangen,  bei  der  dieser  sich  bezüglich  der  Verwendung  von 
Holz  auf  die  Konstruktion  der  Decken  und  des  Daches  und  die  innere  Ausrüstung 
der   Gebäude   (Treppen,  Täfelungen,    Fußböden,  Türen,   Fenster  usw.)   beschränkt. 

Man  unterscheidet  bei  dem  zum  Hausbau  erforderlichen  Bauholz  folgende 
Sorten:  Schwellen,  die  im  untersten  Stockwerke  auf  der  Grundmauer  als  Unter- 
lage des  Gebäudes  (Grundschwellen),  im  übrigen  als  Unterlagen  der  höheren  Stock- 
werke über  den  Wänden  des  Gebäudes  (Saum-  oder  Brustschwellen)  ihren  Platz  finden. 
Grundschwellen  werden  in  Dimensionen  von  20 — 25  cm  Kante  verwendet  und  müssen, 
da  sie,  auf  Stein  liegend,  den  Einwirkungen  der  Grundfeuchtigkeit  am  meisten  aus- 
gesetzt sind,  aus  besonders  dauerhaftem  Holze,  am  besten  aus  Eichenholz, 
hergestellt  werden.  Saum-  oder  Brustschwellen  nimmt  man  von  16 — 20  cm  Beschlag- 
stärke. Säulen  kommen  zunächst  an  die  vier  Ecken  eines  Gebäudes  (Ecksäulen), 
außerdem  an  alle  Türen,  sowie  in  angemessenen  Zwischenräumen  (etwa  P/4 — 1  ?2  m) 
innerhalb  der  Wände.  Sie  werden  in  die  Grundschwellen  eingezapft.  —  Auch  zu  den 
Ecksäulen  verwendet  man  vielfach  Eichenholz. 

Auf  die  Kopf  teile  der  Säulen  werden  die  Rahmen  aufgezapft;  man  unter- 
scheidet D  a  c  h  r  a  h  m  e  n  beim  obersten  Stockwerk  unterhalb  des  Daches,  Wand- 
rahmen bei  den  tieferen  Stockwerken.    Jede  Wand  erhält  einen  Rahmen. 

Zwischen  Säulen  von  weiter  Entfernung,  sowie  an  den  Ecken  der  Gebäude 
bringt  man  Winkelbänder  oder  S  t  r  e  b  e  n  an,  d.h.  Bauhölzer,  die  in 
schräger  Stellung  von  der  Schwelle  bis  zum  Rahmen  reichen. 

Außerdem  werden,  um  die  zwischen  den  Säulen  und  Streben  entstehenden 
Zwischenräume  in  kleinere  Fache  zu  teilen,  die  Säulen  unter  sich  durch  wagrecht 


Vcnvciuliiiig  des  Holzes  und  der  Hindo. 


447 


angebrachte  Riegel  liülzer  verbunden.  Bei  hohen  Stoclvwerken  hat  man 
zweimalige  Verriegelung. 

Zu  den  Streben  und  Riegeln  genügt  schwächeres  Holz;  man  verwendet  meist 
Nadelholz  mit  einer  Beschlagstärke  von  10 — 12  cm. 

Die  Balken  werden  quer  über  die  senkrechten  Wände  vvagrecht  auf  die 
Wandrahmen  aufgelegt;  ihre  Länge  entspricht  der  Tiefe  des  Gebäudes.  Da  sie 
die  auf  ihnen  liegenden  Decken  zu  tragen  haben,  so  müssen  sie  rechteckigen  Quer- 
schnitt besitzen  und  „auf  die  hohe  Kante  gelegt"  werden;  auch  ist  eine  ausreichende 
Stärke  erforderlich  (bei  langen  Balken  rechnet  man  25/30,  bei  kürzeren  20/25  Zenti- 
meter Beschlag). 

Ueber  jede  Säule  in  der  Längenwand  kommt  ein  solcher  Balken  zu 
liegen.  f 

Zur  Unterstützung  der  Balken  verwendet  man  bisweilen  noch  die  Träger 
oder  Durchzüge,  die  parallel  mit  der  Längsseite  des  Gebäudes  quer  unter  den 
Balken  aufliegen.  Sie  werden  von  ähnlicher  Beschaffenheit  und  von  gleichen  Dimen- 
sionen wie  diese  genommen. 

Die  oberste  Balkenlage  dient  nun  zum  Tragen  des  D  a  c  h  s  t  u  h  1  s  und  der 
Sparren;  ersterer  wird  beim  Massivbau  auf  sog.  ,, Mauerlatten"  aufgelegt.  „Spar- 
ren" sind  die  schräg  liegenden  Hölzer,  welche  die  Fläche  des  Daches  bilden.  Bei 
kleineren  Dächeni  stellt  man  die  Sparren  bloß  unten  auf  die  Balken  auf  und  stemmt 
je  zwei  sich  gegenüberstehende  oben  aneinander  an;  bei  größeren  Dächern  werden  die 
Sparren,  damit  sie  sich  nicht  biegen,  zwei-  bis  dreimal  je  nach  ihrer  Länge  auf  quer 
unter  denselben,  also  der  Länge  des  Daches  nach  liegende  Hölzer,  die  ,,R  ahme  n" 
oder  ,,D  a  c  h  r  u  t  e  n"  gelegt,  welch  letztere  wiederum  auf  Säulen  ruhen.  Diese 
Rahmen  und  Säulen  bilden  den  D  a  c  h  s  t  u  h  1.  Die  Säulen  und  Dachruten  werden 
unter  sich  noch  durch  sogenannte  Binder  verbunden.  Je  zwei  einander  gegenüber- 
stehende Säulen  verbindet  man  durch  ,,K  e  h  1  b  a  1  k  e  n",  auf  welche  Weise  der 
Dachraum  in  zwei  Stockwerke  zerlegt  wird. 

Dachsparren  erhalten  Stärken  von  13 — 17  cm;  Dachruten  werden  etwas  stärker 
genommen,  und  Dachsäulen  erhalten  eine  Stärke  von  etwa  20  cm. 

Auf  künstliche  Konstruktionen,  wie  sie  beim  Bau  größerer  Häuser,  insbesondere 
solcher,  welche  beträchtliche  Säle  enthalten,  nötig  werden,  z.  B.  Hänge-  und  Spreng- 
werke, gehen  wir  nicht  ein,  da  dieselben  ohne  Zeichnung  nicht  gut  verdeutlicht  werden 
können. 

Beim  Massivbau  kommt  von  den  vorstehend  beschriebenen  Sortimenten  nur 
derjenige  Teil  vor,  der  zum  Dachwerk  und  zur  Herstellung  der  Innenwände  und  Decken 
erforderlich  ist. 

Ein  gewisser  Holzverbrauch  beim  Häuserbau,  besonders  beim  Massivbau, 
findet  noch  statt  durch  Anbringung  der  sog.  Baugerüste,  die  aus  den  senkrecht  ge- 
stellten Gerüststämmen,  den  wagrecht  an  diese  angebundenen  Streck- 
hölzern und  den  wiederum  rechtwinkelig  zu  diesen  wagrecht  mit  dem  Bau  sich 
verbindenden  Schlußriegeln  bestehen.  Auf  letztere  wird  ein  Bretterbelag  auf- 
gebracht, der  den  Werkleuten  zum  Standort  dient.  Zu  diesen  Baugerüsten  ver- 
wendet man  da,  wo  sich  das  Baugewerbe  höher  entwickelt  hat,  nicht  mehr  wie  früher 
Rundholz,  sondern  kantig  geschnittene  Hölzer,  die  mit  Schrauben  untereinander 
verbunden  werden. 

In  Zeiten  lebhafter  Bautätigkeit  ist  der  ^'erbrauch  an  Bauhölzern  ein  so  bedeu- 
tender, daß  er  einen  sehr  erheblichen  Teil  des  gesamten  Nutzholzanfalls  unserer 
Nadelwälder  verschlingt.    Die  schwächeren  Klassen  unserer  Nadelholz-Langhölzer 


448  IX  B.  Stoetzer,  Forstbenutzung. 

verdanken  ihre  steigende  Wertschätzung  zum  großen  Teile  dieser  Verwendungsart 
(neben  der  Papierfabrikation). 

Die  Holzmenge,  die  zu  einem  Hausbau  Verwendung  findet,  wechselt  selbst- 
verständlich sehr  stark  je  nach  Dimensionen  und  Bauart.  Ein  größeres  bürgerliches 
Wohngebäude  mit  Fachwerkskonstruktion  beansprucht  immerhin  gegen  150  fm 
Rundholz.  Hierbei  wird  Gewicht  darauf  gelegt,  daß  etwa  40  %  stärkeres  (von  ca.  35  cm 
Mittendurchmesser),  gegen  30%  mittelstarkes  (von  30  cm  Durchmesser),  20%  schwa- 
ches Holz  (von  25  cm  Durchmesser)  vorhanden  sei,  und  nur  10%  der  schwächsten 
Sorte  (von  18 — 20  cm  Stärke).  Der  Fachwerkbau  ist  in  der  neueren  Zeit  mehr  und 
mehr  durch  den  Massivbau  ersetzt  worden  und  ist  eigentlich  nur  noch  auf  dem  Lande, 
sowie  in  kleineren  Städten  in  Anwendung,  Der  Bedarf  an  stärkerem  Bauholz,  das 
zudem  vielfach  durch  Eisen  (Träger)  ersetzt  wird,  ist  infolgedessen  gegenüber  der 
Verwendung  mittlerer  und  schwächerer  Hölzer  geringer  geworden. 

Man  verlangt  vom  Bauholz  vor  allem  einen  geraden,  schlanken,  möglichst 
vollholzigen  Wuchs,  nicht  zu  viele  Aeste,  weil  letztere  die  Tragkraft  beeinträchtigen 
und  die  Bearbeitung  erschweren.  Das  Holz  muß  femer  vollkommen  gesund  und  darf 
nicht  drehwüchsig  sein. 

Man  kann  annehmen,  daß  ausgewachsenes  Holz  zum  Bauen  am  besten  ist, 
da  das  junge  Holz  niemals  so  fest  und  dauerhaft  sein  wird,  als  dieses;  altes,  über- 
ständiges  Holz  besitzt  wiederum  nicht  den  erforderlichen    Grad  von   Elastizität. 

Holz,  das  zu  Balken  bestimmt  ist  und  einen  möglichst  hohen  Grad  von  Trag- 
fähigkeit haben  soll,  nimmt  man  lieber  vom  Stammende  als  von  Gipfelstücken. 

Engringiges,  langsam  im  Schluß  erzogenes  Nadelholz  gibt  nach  der  allgemeinen 
Annahme  ein  haltbareres  Bauholz  als  solches,  das  üppig  mit  breiten  Jahrringen 
erwachsen  ist. 

Das  Material  zu  den  Bauhölzern  liefern  vorwiegend  die  Nadelhölzer, 
insbesondere  Fichte,  Tanne,  Kiefer,  Lärche.  —  Zu  den  Grundschwellen  und  Eck- 
säulen, die  am  meisten  dem  Eindringen  der  Feuchtigkeit  ausgesetzt  sind,  verwendet 
man  in  der  Absicht,  größte  Festigkeit  und  Dauer  zu  erhalten,  gerne  Eichenholz, 
wo  solches  noch  zu  mäßigen  Preisen  zu  haben  ist.  In  Nadelholzgegenden  jedoch 
findet  meist  ausschließlich  nur  Nadelholz  Verwendung. 

Unter  diesem  wird  ausgewachsenes  kerniges  Kiefernholz  zu  Schwellen  und 
Säulen,  ähnlich  dem  Eichenholz,  vor  der  Fichte  den  Vorzug  verdienen.  Zu  Schwellen 
sowie  zu  allen  Verwendungen  in  dunstigen  Räumen  wird  auch  Tannenholz  verwendet, 
da  es  gegen  Feuchtigkeit  weniger  empfindlich  ist.  Zu  Balkenholz,  bei  dem  es  auf 
einen  möglichst  hohen  Grad  von  Tragkraft  ankommt,  wird  hingegen  die  Weißtanne, 
(wenigstens  örtlich,  so  z.  B.  in  manchen  Gegenden  Thüringens)  zurückgesetzt.  Auch 
nach  Bausc  hinger  (Mitteilungen  aus  dem  mechanisch-technischen  Laborato- 
rium der  Königl.  Technischen  Hochschule  in  München)  ist  die  Tragkraft  der  Weißtanne 
geringer  als  diejenige  von  Kiefer  und  Fichte.  Im  übrigen  wird  Kiefernholz  in  Kiefern- 
gegenden gegenüber  dem  Fichtenholz  meist  bevorzugt  ^).  Zugunsten  der  Fichte  macht 
sich  ihr  gerader  Wuchs  (Schnürigkeit),  sowie  die  große  Vollholzigkeit  der  im  Bestandes- 
schluß erwachsenen  Stämme  geltend. 

Ein  sehr  dauerhaftes  Bauholz  ist  das  L  ä  r  c  h  e  n  h  o  1  z;  man  findet  in  manchen 
Gegenden,  z.  B.  in  Schlesien,  der  Schweiz  und  Tirol,  uralte,  aus  Lärchenholz  errichtete 
Gebäude,  die  sich  ganz  vorzüglich  gehalten  haben.    Doch  finden  sich  auch  weniger 


1)  Interessante  Untersuchungen  über  die  Wert-,  bez.  Preisverhältnisse  verschiedener  Nadel- 
hölzer finden  sich  in  dem  Referat  von  N  e  y  ,  erstaltet  auf  der  XIII.  Versammlung  deutscher 
Forstmänner  zu  Frankfurt  a.  M.  1884  (cf.  Protokoll  S.  111  ff.). 


Verwendung  des  Holzes  und  der  Rinde.     §  2.  449 

günstige  Urteile,  z.  B.  liinsichtlich  der  Neigung  des  Lärclienholzes,  sinh  noch  längere 
Zeit  nach  der  Verbauung  zai  drehen,  was  wohl  bei  exzentrischem  Wüchse  vorkommen 
kann  (Bericht  über  die  28.  Versammlung  Thüringer  Forstwirte  in  Coburg  1901). 
Der  Weymouthskiefer  macht  man  den  \'orwiirf  einer  gewissen  Sprödigkeit 
und  mangelnder  Tragkraft;  dagegen  ist  ihre  Dauer  infolge  des  Harzgohaltes  eine  große. 

Die  Verwendung  ausländischer  Nadelhölzer,  z.  B.  des  sehr  dauerhaften  Pitch- 
pine-Holzes  (von  pinus  taeda  und  palustris  aus  Süd-Karolina  herrührend)  beschränkt 
sich  auf  die  innere  Ausrüstung  der  Gebäude  (Fußböden,  Getäfel). 

Zu  Riegelholz  und  schwachen  Sparren  verwendet  man  wohl  auch  Aspen- 
holz; die  edleren  Laubhölzer,  Ahorn,  Esche,  Ulme  stehen  vermöge  ihrer  Verwen- 
dungsfähigkeit zu  vielen  anderen  Zwecken  zu  hoch  im  Preis,  als  daß  sie  zu  Bauholz 
gebraucht  werden  könnten. 

Die  Buche  ist  anscheinend  im  eigentlichen  Buchengebiet  in  früheren  Zeiten,  als 
es  in  vielen  Gegenden  Deutschlands  an  Nadelholz  noch  fehlte  und  die  Einführung 
desselben  durch  den  Mangel  an  Verkehrsmitteln  sehr  erschwert  war,  mehr  im  Gebrauch 
gewesen,  als  dies  heute  der  Fall  ist.  In  alten  Gebäuden  findet  man  Buchenholz  nicht 
selten  in  einzelnen  Stücken;  auch  liegen  Nachrichten  vor,  nach  denen  dasselbe 
zum  Aufbau  einer  größeren  Anzahl  von  Häusern  im  Eichsfeld  (Provinz  Sachsen) 
verwandt  \\Tirde;  so  ist  festgestellt,  daß  dies  im  Dorfe  Lenterode  bei  Heiligenstadt 
nach  Beendigung  des  dreißigjährigen  Krieges  geschehen  ist;  das  betreffende  Holz 
war  beim  Laubausbruche  gefällt  worden  und  man  hatte  die  Stämme  im  Laube  liegen 
lassen,  bis  sie  durch  die  Belaubung  ausgetrocknet  waren  i). 

Vor  einiger  Zeit  hat  man  bezüglich  des  Pfarrhauses  zu  Lengfeld,  ebenfalls  im 
Eichsfeld  gelegen,  aus  dem  Jahr  1619  die  Erbauung  aus  Buchenholz,  mit  .Ausschluß 
der  Schwellen,  die  aus  Eichenholz  sind,  nachgewiesen  und  an  diese  Tatsache  man- 
cherlei Wünsche  und  Hoffnungen  für  die  Zukunft  der  Buche  hinsichtlich  ihrer  Ver- 
wendung zu  Bauzwecken  angeknüpft  (Zentralblatt  der  Bauverwaltung  für  1886). 
Der  bauliche  Zustand  dieses  Hauses  war  mit  Rücksicht  auf  sein  hohes  Alter  ganz  aus- 
gezeichnet zu  nennen,  das  Holz  hatte  insbesondere  wenig  vom  Wurmfraß  gelitten. 
Die  Jahreszeit  der  Fällung  des  verwendeten  Buchenholzes  ist  nicht  angegeben,  hinge- 
gen finden  sich  in  den  Rechnungen  Notizen  über  die  Ausgaben  für  Beschaffung  von 
Salz  zur  ,, Beizung"  von  Brettern,  die  an  einem  Kirchturm  verwandt  wurden;  an 
einer  andern  Stelle  findet  sich  wieder  eine  Notiz,  nach  welcher  die  Bretter  ,, gesotten" 
wurden;  es  scheint  also  eine  Art  von  Imprägnienmg  stattgefunden  zu  haben  ^). 

Ausgedehnte  Nachweisungen  über  die  Verwendung  der  Buche  zu  Bauzwecken  in 
der  Gegend  des  Eichsfeldes  hat  Oberförster  Lauprecht  in  Krit.  Bl.  1865  geliefert. 
Hier  wird  die  Anwendung  besonderer  Mittel  zur  Erhöhung  der  Dauer  des  Buchen- 
holzes entschieden  geleugnet,  ebenso  die  ausgedehntere  Anwendung  der  Sommer- 
fällung in  Abrede  gestellt.  Zur  Erhaltung  der  alten  Gebäude  hat  nach  Lauprecht 
wesentlich  beigetragen,  daß  das  Holz  nicht  wie  heute  im  Schlüsse  des  Hochwaldes, 
sondern  im  weiten  und  lichten  Stande  des  Mittel-  und  Plenterwaldes  erzogen  war, 
daß  man  viel  stärkeres  Holz  verbaute,  was  einen  durchgehenden  scharfkantigen 
Beschlag  gestattete,  daß  man  Schornsteine  nicht  kannte,  daß  man  die  Balken  nicht 
mit  Lehm  bewarf  und  so  dem  durch  das  Haus  sich  verbreitenden  Rauche  freien 
Zutritt  zum  Holze  schaffte  ^). 

1)  A.  F.-  u.  J.-Ztg.  1865,  S.  119. 

2)  Eine  Imprägnierung  von  Brettern  mittelst  Einlegen  derselben  in  eine  durch  Mischuug 
von  Salz  und  Kalklösung  herzustellende  Flüssigkeit  wird  noch  heute  in  Frankreich  zur  Konser- 
vierung derselben  vorgenommen. 

3)  Vergl.  den  .\ufsatz  von  Weis  e,  Oe.  F.-Zlg.  1886,  Nr.  12. 

Haudb.  d.  Forstwiss.    3.  Aufl.    II.  29 


450  IX  B.  Stoetzer,  Forstbenutzung. 

Im  Jahr  1864  hat  die  preußische  Regierung  die  Anstellung  von  vergleichenden 
Versuchen  darüber  angeordnet,  welche  Fällungs- Art  und  -Zeit  zur  Erhöhung  der  Dauer 
und  Gebrauchsfähigkeit  des  Buchenholzes  am  vorteilhaftesten  sei  ^). 

Aus  diesen  Untersuchungen,  die  bis  zum  Jahr  1876  ausgedehnt  worden  sind, 
hat  sich  ergeben,  daß  ein  erheblicher  Unterschied  in  der  Dauer  des  Winterholzes  im 
Vergleich  mit  dem  Saftholz  nicht  hei-vorgetreten  ist,  daß  hingegen  trockene  Aufbe- 
wahrung bei  gehörigem  Saftumlauf  die  Bewahrung  der  Güte  des  Holzes  als  Bau- 
und  Werkholz  zweifellos  herbeigeführt  hat^). 

Wir  bezweifeln,  daß  die  Verwendung  des  Buchenholzes  zu  Bauzwecken  jemals 
eine  ausgedehnte  werden  wird;  das  geringere  Gewiclit  des  Nadelholzes,  die  größere 
Leichtigkeit  seiner  Bearbeitung,  die  Möglichkeit,  aus  den  in  weit  längeren  Stamm- 
stücken zur  Verfügung  stehenden  Nadelhölzern  eine  viel  bessere  Auswahl  für  die  einzel- 
nen Bauholzsortimente  treffen  zu  können,  weiter  die  besondere  Sorgfalt,  die  dem 
Buchenholz  bei  der  Fällung  und  Aufbewahrung  stets  zuteil  werden  muß,  wenn  es 
nicht  stockig  und  rissig  werden  soll,  dazu  der  an  den  meisten  Orten  biüigere  Preis 
der  Nadelhölzer  werden  diesen  immer  das  Uebergewicht  in  der  Verwendung  zu  Bau- 
zwecken sichern,  wenn  auch  im  eigentlichen  Buchengebiet  eine  untergeordnete  Ver- 
wendung des  Buchenholzes  zu  gewissen  geringeren  Sortimenten,  z.  B.  Sparren,  Riegeln, 
Innenwänden  immerhin  möglich  und  ratsam  sein  wird. 

§3.  Schiffsbauholz.  Der  Bau  hölzerner  Schiffe  beschränkt  sich  in  der 
neueren  Zeit  mehr  und  mehr  auf  die  Küstenfahrzeuge  und  Segelschiffe,  die  jedoch 
vielfach  durch  Dampfschiffe  ersetzt  werden.  Bei  diesen,  insbesondere  den  Personen- 
dampfern, sowie  in  der  Kriegsmarine  ist  das  Holz  vollständig  durch  Eisen-  (Stahl-) 
Konstruktionen  verdrängt.  Doch  werden  wohl  auch  Eisenschiffe,  die  in  die  Tropen 
gehen,  außen  noch  mit  Holz  bekleidet,  da  sich  dieses  leichter  von  den  anhaftenden 
Seemuscheln  etc.  reinigen  läßt.  Auch  wird  eine  Innenbekleidung  von  Holz  wegen 
Milderung  der  Temperaturunterschiede  für  zweckmäßig  gehalten. 

Hinsichtlich  der  Benützung  deutscher  Hölzer  zum  Bau  des  Schiffskörpers 
kann  fast  nur  gutes  Eichenholz,  weniger  Buchenholz,  in  Betracht  kommen,  während 
für  Mastholz  Nadelhölzer  (Kiefer,  Fichte  und  Tanne)  Verwendung  finden. 

In  Indien  und  auf  den  indischen  Inseln  wächst  das  für  den  Schiffsbau  so  vor- 
zügliche Teakholz  (tectonia  grandis);  eine  weitere  Bezugsquelle  ausgezeichneten 
Holzes  hat  sich  seit  einiger  Zeit  in  Australien  in  den  daselbst  vorkommenden  Euca- 
lyptusarten  (Blue  gum)  gefunden. 

Die  meisten  Teile  des  Schiffsgerippes  bestehen  aus  Hölzern  von  verschiedener 
Krümmung;  falls  die  natürlichen  Holzgrößen  zu  gewissen  Teilen  nicht  zureichen, 
müssen  dieselben  gut  und  dauerhaft  aus  verschiedenen  Stücken  zusammengeschäftet 
werden.  Für  die  gekrümmten  Hölzer  verwendet  man  zwar  gerne  Stücke,  die  schon 
von  Natur  krumm  gewachsen  sind,  doch  lassen  sich  durch  heiße  Wasserdämpfe  auch 
Stämme  von  sehr  ansehnlicher  Stärke  erweichen  und  durch  Maschinen  in  die  gewünschte 
Krümmung  bringen. 

Die  Grundlage  eines  hölzernen  Schiffs,  gewissermaßen  dessen  Grundbalken, 
bildet  der  Kiel,  ein  vierkantiger,  rechteckiger  Balken  von  bedeutender  Stärke  und 
Länge  (der  Länge  des  Schiffs  entsprechend),  aus  bestem  Eichenholz  oder,  da  er  ganz 
unter  Wasser  liegt,  auch  Buchenholz  hergestellt,  meist  zusammengestückt,  da  Di- 
mensionen bis  zu  2  m  Seitenkante  bei  schweren  Schiffen  vorkommen.   Am  Vorder- 


1)  Die  betr.  Anleitung  findet  sieli  A.  F.-  u.  J.-Ztg.  1865,  S.  150  ff. 

2)  V.  Alten:  Versuclie  und  Erfahrungen  mit  Rotbuchen-jMutzholz  etc.  1895.   (Im  Auftrag 
des  Ministers  für  Landwirtschaft,  Domänen  und  Forste  bearbeitet.) 


Verwendung  des  Holzes  und  der  Binde.     §  3.  45I 

ende  ist  als  Fortsetzung  der  Vordersteven,  schräg  aufwärts  gekrümmt,  ange- 
fügt, am  hinteren  Ende  mehr  senkrecht  aufsteigend  der  Hintersteven. 

Die  Rippen  erheben  sich  vom  Kiel  bis  zur  Höhe  des  Schiffsrandes  und  sind 
meist  aus  drei  oder  mehr  Teilen  zusammengesetzt.  Zwei  gegenüberstehende  Rippen 
heißen  Spanten.  Zur  Befestigung  der  Spanten  auf  dem  Kiel  dient  das  K  i  e  1- 
s  c  h  w  e  i  n,  ein  auf  dem  Kiel  aufliegender  Balken  von  ähnlichen  Ausmaßen,  wie  der 
Kiel  selbst;  zwischen  ihm  und  dem  Kielschwein  sind  die  unteren  Enden  der  Rippen 
eingezwängt.  In  das  Kielschwein  werden  zugleich  die  unteren  Enden  der  Masten  ein- 
gelassen. 

Am  vorderen  Ende  des  Schiffes  steht  schräg  nach  außen  das  Bugspriet;  am 
hintern  Ende  senkrecht  abwärts,  in  Angeln  drehbar,  das  Steuerruder,  ein  starker 
Balken,  an  dessen  Ende  ein  breiterer  Ansatz  ist,  der  die  drückende  Wirkung  auf  das 
Wasser  ausübt.  Mancherlei  Nebenstücke  müssen  zur  Verbindung  eingefügt  und  ein- 
gezapft werden. 

Von  außen  und  innen  werden  die  Rippen  mit  den  Planken  benagelt;  die 
innere  Wandung  derselben  dient  gleichzeitig  als  Lager  für  die  querüberlaufenden 
Balken,  die  das  aus  Bohlen  bestehende  D  e  c  k  zu  tragen  haben.  Die  Deckbalken 
wölben  sich  schwach  nach  oben,  damit  das  Wasser  vom  Deck  rasch  nach  den  Seiten 
hin  ablaufen  kann.  Sie  werden  meist  aus  Eichenholz  hergestellt,  doch  verwendet  man 
auch  Nadelhölzer,  z.  B.  Pitch-pine-Holz.  Zur  Befestigung  der  Deckbalken  mit  den 
Planken  und  zur  Unterstützung  dienen  die  Kniehölzer,  die  jedoch  vielfach 
durch  Eisenkniee  ersetzt  werden.  Zur  Herstellung  der  Decke  werden  nun  noch 
Deckplanken,  zumeist  aus  starken  Nadelholzbohlen  bestehend,  aufgenagelt. 
Den  Rand  des  Schiffes  faßt  noch  eine  Holzwand,  welche  1  ^/i — 1%  Meter  hoch  das 
ganze  Schiff  umzieht,  ein.  Zu  diesem  Zwecke  sind  die  Rippen  schon  entsprechend 
über  das  Deck  emporgeführt  und  bilden  feste  Pfeiler  für  die  Holzwand,  welche  Bord 
genannt  wird. 

Alles  über  den  Schiffskörper  sich  erhebende  und  zum  Tragen  der  Takelage 
dienende  Holzwerk  heißt  Rundholz;  dasselbe  scheidet  sich  in  Masten, 
Stengen  und    R  a  a  e  n. 

Mast  ist  nur  der  unterste,  dickste  Teil  des  Ganzen;  die  zunehmend  schwächer 
werdenden  Aufsätze,  welche  diesem  Teile  erst  die  volle  Länge  geben,  heißen  Sten- 
gen; Raaen  sind  die  an  die  Masten  aufgehangenen  Ouerbäume,  welche  die  Segel 
tragen  und  ausspannen.  Die  Masten,  deren  die  Schiffe  je  nach  ihrer  Größe  drei, 
zwei  oder  nur  einen  tragen,  werden  aus  den  besten  Nadelholzstämmen  gezimmert, 
und  die  größeren  müssen  immer  gestückt  werden,  da  es  Masten  von  etwa  1  m  Durch- 
messer bei  40 — 50  m  Höhe  giebt.  Je  größer  daher  der  Mast,  um  so  mehr  besteht  er 
aus  künstlich  zusammengesetzten  Teilen.  Der  Zusammenhalt  wird  durch  eine  ent- 
sprechende Anzahl  sehr  starker,  eiserner  Ringe  vermittelt. 

Auch  die  größten  Raaen  sind  nicht  aus  einem  Stücke  hergestellt,  sondern  ähn- 
lich den  Masten  aus  Teilen  zusammengesetzt. 

Bei  den  eisernen  Schiffen  werden  auch  die  Masten,  wenigstens  in  ihren  unteren 
dicken  Partien,  aus  Eisen  konstruiert,  indem  man  dieselben  aus  Blech  röhrenförmig 
herstellt,  wobei  dieselben,  obgleich  leichter  als  Holzmasten,  doch  widerstandskräfti- 
ger als  diese  sind. 

Aus  der  Mannigfaltigkeit  der  zum  Schiffsbau  erforderlichen  Hölzer  folgt,  daß 
der  Forstmann  unmöglich  das  zu  dieser  Verwendung  taugliche  Holz  im  Walde  zu 
passenden  Sortimenten  ausformen  lassen  kann.  Eine  Hauptrücksicht  ist  die,  daß  man 
da,  wo  überhaupt  auf  den  Absatz  von  Schiffsbauholz  zu  rechnen  ist,  die  Stämme  in 

29* 


4^2  IX  B.  Stoetzer,  Forstbenutzung. 

ganzen  Längen  liegen  läßt,  selbst  wenn  dieselben  Krümmen  haben ;  letztere  können 
bisweilen  den  Wert  eines  Stückes  Holz  geradezu  erhöhen. 

Das  aus  Süddeutschland  in  großen  Mengen  nach  dem  Rhein  und  von  da  nach 
Holland  zu  Wasser  verschickte  sog.  Holländer  Holz,  starke  Eichen-  und  Nadelholz- 
stämme, wird  noch  vielfach  zum  Schiffsbau  verwendet. 

Es  wurden  früher  für  diese  Hölzer  sehr  beträchtliche  Preise  gezahlt,  die  jetzt 
zum  Teil  wesentlich  gesunken  sind  i). 

Für  die  F  1  u  ß  f  a  h  r  z  e  u  g  e,  die  statt  des  Kieles  einen  breiten  wagrechten 
Boden  haben,  an  den  die  von  den  Kniehölzern  getragenen  Schiffswände  im 
scharfen  Winkel  angefügt  sind,  bildet  die  Ausformung  dieser  Kniehölzer  ein  Haupt- 
augenmerk des  Forstmannes.  Zur  Herstellung  derselben  wird  ein  in  angemessenem 
Winkel  vom  Stamm  abzweigender  Ast  oder  am  Stammende  von  Fichten  ein  wagrecht 
abziehender  Wurzelstrang  benutzt. 

Während  für  den  Bau  des  eigentlichen  Schiffskörpers  neben  starkem  Buchen- 
holz fast  ausschließlich  Eichenholz  in  Anwendung  kommt,  wird  zu  den  Balken  und 
Decken  Nadelholz  in  großen  Mengen  verwendet.  Zu  den  Masten  und  Raaen  ge- 
braucht man  nur  Nadelholz.  Hierbei  findet  feinjähriges,  gleichmäßig  im  Schluß  ge- 
wachsenes Kiefernholz  die  meiste  Beachtung.  In  Mitteldeutschland  werden  jedoch 
zu  den  Masten  der  Flußfahrzeuge  auch  Fichten  gern  genommen.  Lärchenholz  ist 
in  jeder  Beziehung  gleichwertig. 

§  4.  Grubenholz.  Man  versteht  hierunter  alles  beim  Bergbau  verwen- 
dete Holz,  welches  zur  Auszimmerung  der  Schächte  und  Stollen,  sowie  zur  Anlage 
von  Förder-  und  Pumpwerken  gebraucht  wird. 

Da  das  zu  diesen  Zwecken  verwendete  Holz  den  Einflüssen  einer  feuchten, 
warmen  und  dumpfen  Luft  ausgesetzt  ist,  so  müßte  man  eigentlich  besonderes  Ge- 
wicht darauf  legen,  nur  sehr  haltbare  Holzarten,  insbesondere  Eichen,  zu  benutzen. 
Allein  die  große  Menge  des  Bedarfs,  sowie  der  bei  manchen  bergmännischen  Anlagen 
nur  vorübergehende  Gebrauch  derselben,  so  z.  B.  kurzer  Seitenstollen  beim  Kohlen- 
bergbau, die  man,  nachdem  die  Kohle  ausgebaut  ist,  wieder  verfallen  läßt,  führen 
dazu,  daß  man  auch  Nadelhölzer  in  großen  Mengen  benützt. 

Unter  diesen  steht  die  Lärche  im  besten  Ansehen ;  der  Hauptverbrauch 
findet  aber  neben  dem  Eichenholz  in  K  i  e  f  e  r  n  statt;  da  dieses  Holz  harzreicher  ist 
als  Fichtenholz,  so  widersteht  es  der  Fäulnis  mehr  als  das  letztere.  Dazu  kommt  sein 
meist  niedrigerer  Preis. 

Man  sieht  meist  auf  W  i  n  t  e  r  fällung. 

Buchen  verstocken  leicht  und  sollen  den  großen  Fehler  haben,  daß  sie 
in  gestocktem  Zustande  nicht,  wie  andere  Hölzer,  Warnfähigkeit  besitzen,  d.  li.  den 
Bruch  vorher  durch  Knistern  anzeigen ;  in  frischer  gesunder  Beschaffenheit  ist  Buchen- 
holz haltbar  und  wird  auch  in  manchen  Kohlengruben,  z.  B.  der  Saargegend,  in  größe- 
ren Mengen  auf  Seitenstrecken,  die  rasch  abgebaut  werden,  verbraucht. 

Im  ehemaligen  Kurhessen  soll  man  beobachtet  haben,  daß  Buchenholz,  das 
im  Frühling  bis  1  m  Höhe  vom  Boden  im  Stehen  geschält  und  sodann  nach  dem  Ab- 
trocknen im  Herbst  gefällt  wurde,  sich  sehr  gut  gehalten  hat. 

Als  sehr  brauchbar  hat  sich  insbesondere  A  k  a  z  i  e  n  h  o  1  z  erwiesen,  das  an 


1)  Besonders  berühmt  waren  die  Preise  für  das  Holländer  Kiefernholz,  das  im  Hauptsmoor 
bei  Bamberg  gewonnen  wurde.  Vergl.  A.  F.-  u.  J.-Ztg.  1851,  S.  151,  woselbst  Ergebnisse  einer 
Versteigerung  mitgeteilt  werden,  aus  denen  sich  ein  Preis  von  116  Mark  für  ein  Festmeter  solcher 
Kiefern  berechnet.  Noch  1879  sind  Preise  von  89  M.  |iro  fm  erzielt  worden.  (\'ergl.  Z.  f.  F.  u.  J. 
1884,   S.   267). 


%"cnvciuUing  des  Ilulzes  und  der  Rinde.     §  -4.  453 

Dauer  der  Eiche  gleichkommt.  Sein  Anbau  wird  darum  durch  die  Grubenverwal- 
tungen empfohlen. 

Der  Verbrauch  des  Grubenholzes  ist  am  stärksten  in  den  Kohlengruben; 
von  dem  Umfange  des  Bedarfs  an  Grubeniiolz  kann  man  sich  einen  Begriff  maciien, 
wenn  man  aus  D  0  n  n  e  r,  Forstliche  \'erhältnisse  Preußens  (3.  Aufl.  S.  64)  erfährt, 
daß  im  Oberberajamtsbezirk  Dortmund  im  Jahr  1892  nicht  weniger  als  1  075  ry>9  fm 
Bergbauholz  (darunter  309  633  fm  Eichen,  42  735  fm  Buchen  und  723  161  fm  Nadel- 
holz) gebraucht  worden  sind.  Es  fällt  hierbei  ins  Gewicht,  daß  die  meisten  Holz- 
zimmerungen alle  4—6  Jahre,  bei  Nadelholzverwendung  noch  öfter,  der  Erneuerung 
bedürfen.  Die  Haltbarkeit  des  Holzes  wechselt  sehr  je  nach  dem  Druck  des  Gebirges. 
In  Schlesien  wurde  ermittelt,  daß  auf  eine  Förderung  von  100  Ztr.  Kohlen  0,1240  cbm 
Holz  und  Schnittmaterial  verwandt  worden  sind.  In  den  Königl.  Steinkohlengruben 
zu  Saarbrücken  gebrauchte  man  in  den  5  Jahren  1878 — 82  für  je  100  Ztr.  Kohlen- 
förderung 0,1325  cbm  Holz  ').  Die  Förderung  von  Stein-  und  Braunkohlen  im  Deut- 
schen Reich  betrug  1898  128  Millionen  Tonnen  ä  20  Ztr.  Nach  obigen  Zahlen  würden 
daher  für  das  Jahr  1898  3,3  Millionen  Festmeter  Holzverbrauch  kommen,  bei  3  Fest- 
meter Durchschnittsertrag  an  Nutzholz  pro  ha  also  .nachhaltig  über  eine  Million 
Hektar  Wald  zur  Deckung  des  deutschen  Kohlengrubenholzbedarfs  nötig  sein. 
Die  Grubenhölzer  werden  teils  4seitig,  teils  nur  2seitig  beschlagen,  teils  auch 
ganz  rund  verwendet. 

Die  gebräuchlichsten  Sortimente  sind  Tür  stocke,  1 — 3  m  lang,  16 — 20  cm 
stark;  sie  werden  4seitig  beschlagen.  Auf  ihnen  ruhen  die  Kappenhölzer,  1  K — 3  m 
lang,  13 — 16  cm  stark  und  zweiseitig  beschlagen;  ferner  verwendet  man  S  t  e  m- 
p  e  1  in  den  verschiedensten  Dimensionen  von  0,6 — 4  Meter  Länge  und  8 — ^25  cm 
Durchmesser.  Außerdem  werden  gebraucht:  Schwellen,  2seitig  beschlagen, 
0,8 — t  m  lang,  10 — 18  cm  stark,  endlich  Spitzen  oder  Scheiden,  1 — 1  U  m 
Länge,  3  bis  10  cm  m.  D. 

Zum  Auszimmern  der-  Schächte  gebraucht  man  Schachthölzer,  die  1,25 
bis  5  Meter  Länge  und  einen  4kantigen  Beschlag  von  15 — 18  cm  haben  müssen. 

Außerdem  hat  man  Fahrtschenkel  oder  L  e  i  t  e  r  b  ä  u  m  e,  Schacht- 
oder  Spur  latten  oder  S  t  r  o  ß  bäume  als  besondere  Arten  von  Schachthölzern 
nötig,  wozu  stärkere  Hölzer  von  6  m  ab  bei  35 — 45  cm  mittlerem  Durchmesser  ver- 
wandt werden.  Zwischen  den  Geleisen  der  Förderbahnen  bedarf  man  großer  Massen 
von  Brettern,  Laufdielen  oder  Bohlen,  wozu  mit  Nutzen  Buchenholz  verwendet  wird, 
das  wenig  splittert.-  Zu  Verschalungen  verwendet  man  Schwarten  von  Sägewerken 
in  großen  Quantitäten. 

Die  Grubenhölzer  gewinnt  man  teils  in  Durchforstungen,  teils  durch  Abtrieb 
ganzer  Bestände.  Die  Forstverwaltung  wird  sich  wohl  nur  ausnahmsweise  darauf 
einlassen,  das  Holz  in  den  vom  A"erkehr  gewünschten  Sorten  ausformen  zu  lassen, 
falls  nicht  etwa  ein  Verkauf  vor  der  Fällung  abgeschlossen  ist.  In  der  Regel  wird 
man  die  Grubenholzstämme  und  -stangen  in  ganzen  Längen  aushalten  und  es  dem 
Käufer  überlassen,  die  Ausformung  in  die  seinen  Zwecken  dienlichen  Sortimente 
selbst  zu  bewirken. 

Alles  Grubenholz  muß  fest  und  gerade  sein,  nur  die  Türkappen  können  etwas 
Biegung  haben. 

Eichenholz  verwendet  man  fast  nur  noch  in  den  Hauptstrecken;  wo  besonders 
lange  Haltbarkeit  derselben  erreicht  werden  soll,  mauert  man  sie  wohl  auch  aus; 
statt  des  Holzes  verwendet  man  auch  Eisen. 

1)   Z.   f.   F.   u.   J.   1885,   S.   41-1. 


^^4  IXB    Stoetzer,  Forstbenutzung. 

§5.  Holz  verbrauch  zum  Erd-,  Brücken-  und  Wasser- 
bau. Bei  diesen  Venvendungsarten  wird  das  Holz  in  der  Erde  und  im  oder  am 
Wasser  verwendet. 

Es  schlagen  in  dieses  Gebiet  die  R  o  s  t  b  a  u  t  e  n,  die  W  e  g  e  b  a  u  t  e  n,  der 
Eisenbahnbau,  die  Straßenpflasterung,  der  Brücken-  und 
Wasserbau,   die  Verwendung  als   Masten  und     Leitungsstangen. 

In  weichem,  feuchtem  Baugrund  bedarf  man  der  Roste  zur  sicheren  Grund- 
legung der  Bauwerke.  Dauerhafte  Grundpfähle  aus  Eichen-,  Kiefern-  oder  Lärchen-, 
sowie  bei  konstanter  Nässe  auch  aus  Erlenholz  werden  eingerammt  und  auf  ihnen 
Schwellen  eingezapft,  die  man  aus  Eichen-  oder  altem  Kiefern-,  seltener  Weißtannen- 
holz herstellt.  Es  finden  hier  Hölzer  von  20 — 30  cm  Stärke  als  Rostpfähle  Verwendung. 

Zum  Wegbau  wird  Holz  neuerdings  nur  noch  in  sehr  untergeordnetem  Umfang, 
insbesondere  zum  Belegen  feuchter  Stellen,  in  steinarmen  Gegenden  verwendet: 
15  bis  20  Zentimeter  starke  gerade  Stangen  von  Fichten,  Tannen,  Kiefern  oder  Erlen 
werden  querüber  mit  etwas  schwächeren,  der  Breite  der  Wege  entsprechenden 
Knüppeln  (Prügeln)  belegt  (Knüppel-  oder  Prügelwege).  Auch  gebraucht  man  Stangen 
zu  Wasserableitern  und  Sickerungen,  sowie  als  Pfähle  zur  Befestigung  von  Bö- 
schungen und  Faschinen  in  ganz  sumpfigen  Partien.  Alle  diese  Bauten  sind  Not- 
behelfe bei  Mangel  an  Steinen  und  bei  der  Absicht  billigen  Baues. 

Beim  Eisenbahnbau  bedarf  man  der  Schwellenhölzer.  Die  Lieferung  der 
Eisenbahnschwellen  erfordert  beträchtliche  Mengen  von  Holz,  auch  wenn  neuer- 
dings eine  gewisse  Konkurrenz  durch  die  mehr  imd  mehr  in  Aufnahme  kommende 
Verwendung  eiserner  Bahnschwellen  eingetreten  ist. 

Für  das  Betriebsjahr  1897/98  wird  die  Eigentumslänge  aller  deutschen  Eisen- 
bahnen zu  51  904  km  angegeben,  die  Geleiselänge  auf  93  844  km.  Hiervon  entfallen 
auf  Vollbahnen  81  739  km,  von  denen  62  004  auf  hölzernen,  19  293  auf  eisernen 
Schwellen  und  443  km  auf  Steinwürfeln  liegen  (72,1  Millionen  Holz-,  gegen  22.6  Millionen 
Eisenschwellen).  Von  72  Mill.  Holzschwellen  entfallen  41  Mill.  auf  Nadelholz  (56  °o), 
28  Mill.  auf  Eichen  (39%),  3  Mill.  auf  Buchen  (5%).  88%  waren  imprägniert,  12% 
nicht.  Die  Verwendung  von  Eichenholz  nimmt  stetig  ab.  die  von  Buchen-  und 
Nadelholz  zu.  Im  ganzen  ist  aber  die  Zunahme  der  Eisenschwelle  größer  als  die  der 
Holzschwelle.  Von  1887  bis  1897  haben  die  Geleise  auf  Holzschwellen  sich  nur  um  20  %, 
hingegen  diejenigen  auf  eisernen  Schwellen  um  129%  vermehrt^).  Nimmt  man  die 
mittlere  Dauer  einer  Schwelle  zu  10 — 12  Jahren  an,  so  erfordert  die  Erhaltung  des 
Oberbaues  jährlich  ca.  5  Millionen  Schwellen,  wozu,  da  aus  1  Festmeter  Rundholz 
etwa  6  Schwellen  gearbeitet  werden  können,  über  1  100  000  Festmeter  Schwellenholz 
benötigt  werden.  Rechnet  man  einen  Durchschnittsertrag  von  2  fm  Nutzholz  je 
Hektar,  so  würden  nach  dieser  Annahme  550  000  ha  Wald  zur  Lieferung  des  jährlichen 
Bedarfs  an  Schwellen  erforderlich  sein. 

Da  die  Waldfläche  in  Deutschland  etwa  14  Millionen  Hektar  beträgt,  so  würde 
die  Erzeugung  des  nötigen  Schwellenholzes,  wenn  dasselbe  ausschließlich  in  Deutsch- 
land gewonnen  werden  sollte,  zwar  nur  V25  ^^^  gesamten  Waldfläche  in  Anspruch 
nehmen,  allein  immerhin  ist  örtlich  die  Abgabe  von  Hölzern  zur  Schwellenfabrikation, 
insbesondere  im  Gebiete  des  Eichenwaldes,  von  besonderer  Bedeutung. 

Man  unterscheidet  gewöhnliche  Bahn-  oder  Stoßschwellen  und  sog.  Weichen- 
schwellen; die  ersteren  haben  eine  Länge  von  2,5  m,  die  letzteren  sind  länger  und 
werden  von  verschiedenen  Maßen  (bis  5  m)  gebraucht;  man  rechnet  die  untere  Breite 


1)   Die  deutschen  Eisenbahnen  im  Betriebsjahr  1897  98  (Mitteilung  von  Dr.  L  a  s  p  e  y  r  e  s 
in  Ztschr.  f.  F.-  u.  J.-W.  1901,  S.  626). 


Verwendung  des  Holzes  und  der  Rinde.     §  5.  455 

der  Schwelle  zu  26  cm  (gerincrere  Klassen  bis  zu  24  cm),  die  Höhe  bclrüijt  16  cm,  die 
untere  Fläche,  sog.  Lagerfläclie,  muß  durchaus  vollkantig  sein,  an  der  oberen  Fläche 
^^■ird  beiderseits  5  cm  Waldkante  zugelassen. 

Man  verlangt  kerniges,  festes,  gesundes  Holz,  das  keine  Astlöcher  hat.  Eine 
kleine  einseitige  Krümnumg  ist  zulässig;  die  Lager-  und  die  oberen  Flächen  müssen 
jedoch  eben  sein. 

Nach  einem  vom  Minister  der  öffentlichen  Arbeiten  in  Preußen  unter  dem  6.  .Juli 
1885  erlassenen  Reskript  wird  vorausgesetzt,  daß  die  Fällung  des  Schwellenholzes 
innerhalb  der  Zeit  vom  1.  November  bis  1.  März  liegt. 

Was  nun  die  zu  Schwellenholz  geeigneten  Holzarten  anlangt,  so  kommt  in 
erster  Reihe  die  Eiche,  ferner  die  Kiefer,  untergeordnet  die  B  u  c  h  e  in  Betracht. 
In  Frankreich  werden  auch  Schwellen  aus  Kastanienholz  benützt;  sehr  dauerhafte 
Schwellen  hat  man  aus  Ouebrachoholz  hergestellt. 

Vergleichende  Versuche  der  französischen  Ostbahn  mit  imprägnierten  Schwellen 
verschiedener  Holzarten  haben  folgendes  ergeben.   Die  Haltbarkeit  betrug  für: 

Kiefer  15  Jahre  im  Hauptgeleise  und     5  Jahre  im  Nebengeleise 

Eiche    18  Jahre  ,,  ,,      7  Jahre  ,, 

Buche  20  Jahre  ,,  ,,    10  Jahre 

Die  Buche  hat  sich  somit  bei  guter  Imprägnierung  als  haltbarste  Holzart  er- 
wiesen. 

Auf  den  meisten  deutschen  Bahnen  verwendet  man  Eichen  schwellen,  auf  Ne- 
benbahnen jedoch  auch  Kiefern,  im  Lärchengebiet  wohl  auch  Lärchen.  Außerdem 
hat  sich  die  Buchenschwelle  an  manchen  Orten  eingebürgert;  mehr  als  in  Deutsch- 
land wird  dieselbe  in  Frankreich  verwendet  i);  auch  auf  den  niederländischen  Bahnen 
hat  man  in  ausgedehnter  Weise  Buchenschwellen,  die  mit  Kreosot  imprägniert  waren, 
in  Verwendung  gebracht.  Sehr  gute  Erfahrungen  mit  Rotbuchenschwellen,  die  mit 
karbolsäurehaltigem  Teeröl  getränkt  waren,  sind  in  Elsaß-Lothringen  gemacht 
worden;  hier  hat  sich  insbesondere  eine  längere  Haltbarkeit  als  bei  den  Eichenschwellen 
erwiesen  (Mitteilungen  des  Landforstmeisters  von  Berg),  was  darin  liegen  soll,  daß 
die  Buchenschwelle  tränkfähiger  ist  und  daher  mehr  Teeröl  aufnimmt,  als  die  Eichen- 
schwelle. Eine  Eichenschwelle  nimmt  11  kg  Imprägnierungsflüssigkeit  (Teeröl)  auf, 
eine  Buchenschwelle  dagegen  36  kg.  Daher  hat  auch  die  Imprägnierung  sehr  ver- 
schiedenen Einfluß  auf  die  Kosten  für  die  Schwelle: 

eine  Schwelle,  bearbeitet,  aber  roh  kostet:  Eiche  5,50  M.  Buche  3,30  M.  Kiefer  3,35  M. 
die  Imprägnierung:  1,00  M.  2,40  M.  0,80  M. 

Daher  die  imprägnierte  Schwelle:      6,50  M.  5,70  M.  4,15  M. 

Da  die  aus  Buchenholz  gearbeiteten  Schwellen  zur  Erhöhung  ihrer  Dauer 
imprägniert  werden  müssen,  so  gilt  es  als  ein  wesentliches  Erfordernis,  daß  das 
Rohholz  nicht  mit  dem,  in  Buchenbeständen  nicht  selten  auftretenden,  roten  Kern 
behaftet  ist,  weil  in  diesem  Fall  das  Holz  sich  nur  schwer  und  unvollkommen  impräg- 
nieren läßt'-). 

Für  die  größere  Rentabilität  des  deutschen  Buchenwaldes  ist  die  gesteigerte 
Einbürgerung  der  Buchenbahnschwellen  von  großer  Wichtigkeit.  Leider  sind  nicht 
allenthalben  die  Auffassungen  der  Eisenbahntechniker  einer  solchen  günstig.  Ins- 
besondere will  man  auch  Schwellen  mit  versteckten  Fehlem  gefunden  haben,  derart, 


1)  Vergl.  A.  F.-  u.  J.-Z.  1867,  S.  66;  ferner  Weis  e:  Die  Buchennutzliolzfrage.    Z.  f.  F.  u. 
J.  1881,  S.  545,  sowie  Z.  f.  F.  J.  1884,  S.  196. 

2)  Vergl.  Wilbrand:  Nutzholzwirtschaft  im  Basaltgebiet  des  \'ogelsberges.    A.  F.-  u. 
J.-Z.  1885,  S.  147. 


456  IX  B.  Stoetzer,  Forslbenutzung. 

daß  solche,  von  außen  gesund  aussehend,  doch  brachen  und  dadurch  den  Eisenbahn- 
betrieb gefährdeten. 

Was  den  oben  erwähnten  roten  Kern  anlangt,  so  beruht  derselbe  auf  einer,  von 
Verletzungen,  Astvvunden,  Wasserlöchern  in  Zwieseln  und  Astgabeln  ihren  Anfang 
nehmenden   Bildung,  die  von  manchen  (R.  H  a  r  t  i  g)  für  den  Beginn  einer  Zer- 
setzung, von  H  e  r  r  m  a  n  n  (Zeitschr.  f.  F.  u.  J. -Wesen  1902,  S.  596  ff.    ,,Ueber  die 
Kernbildung  bei  der  Rotbuche")  für  eine  durch  sog.  Wundgummi  veranlaßte  Schutz- 
bildung gegen  das  Eindringen  holzzerstörender  Pilze  gehalten  wird.    Nach  Herr- 
mann (a.  a.  0.  S.  617)  sollen  auch  Stammstücke  mit  rotem  Kern,  wenn  sie  nur 
astfrei  sind,  ohne  Bedenken  zu  Eisenbahnschwellen  benutzt  werden  können,  sofern 
sie  ordentlich  ausgetrocknet  sind  und  der  Splint  gehörig  mit  Teeröl  getränkt  wird. 
Die  Bahnschwellen  werden  am  vorteilhaftesten  aus  mittelstarkem  Holze  ge- 
fertigt; bei  ihm  fällt  am  wenigsten  Abfallholz  in  die  Späne,    yian  kann  annehmen, 
daß  ein  Rundholzstück  liefert  bei: 
28  cm  D.  an  Schwellen  —  1   Stück  (einschwelliger  Block,  unvorteilhaft) 
38     ,,    „       ,,         ,,  2        ,,     (zweischwelliger  Block,  vorteilhafteste  Stärke) 

.„     "     "       "         "  .         "f(mehrschwellige  Blöcke) 

Eine  Schwelle  hat  0,04  qm;  somit  finden  folgende  Ausnutzungsverhältnisse  statt: 

28  cm  D.   =  0,06  qm  enthält  0,04  qm  oder  66%%  nutzbares  Holz, 

38    „    „     =  0,11    „  „      0,08    „       „     73     % 

48    „    „     =  0,18    „  „      0,12    „       „     66-/3% 

56    „    „     =  0,25    „  ,,      0,16    „       „     64     % 

Es  fällt  hiei-nach  bei  der  Schwellenholzbearbeitung  27 — 36%  des  Rundholzes  in  die 
Späne  und  es  zeigt  sich,  daß  mittelstarkes  Holz  (38  cm  m.  D.)  am  vorteilhaftesten 
ist,  weil  es  den  geringsten  Abfall  hat  (siehe  oben). 

Ob  der  mit  den  hölzernen  Schwellen  mehr  und  mehr  in  Wettbewerb  tretende 
eiserne  Oberbau  die  Holzschwelle  in  erheblichem  Maße  verdrängen  wird, 
bleibt  abzuwarten.  Tatsache  ist,  daß  mit  den  Eisenschwellen  eine  größere  Abnutzung 
des  rollenden  Eisenbahnmaterials  verbunden  ist  als  mit  Holzschwellen,  da  jene 
weniger  Elastizität  haben  und  dem  auf  sie  wirkenden  Drucke  nicht  ausweichen. 
Nach  belgischen  Erfahrungen,  mitgeteilt  auf  dem  1885er  internationalen  Eisenbahn- 
kongreß in  Brüssel,  wird  den  eisernen  Schwellen  nicht  nur  der  Vorwurf  der  gerin- 
geren Solidität  und  Festigkeit  gemacht,  sondern  auch  angegeben,  daß  sie  teurer  und 
schwieriger  zu  unterhalten  seien  als  Holzschwellen.  Insbesondere  fällt  hier  das  Zer- 
schlagen des  Schotters  beim  Krampen  ins  Gewicht,  das  es  notwendig  macht,  die 
Strecken  von  Zeit  zu  Zeit  neu  zu  beschottern,  ein  Aufwand,  der  bei  der  Holzschwelle 
wegfällt.  Aehnliche  Erfahrungen  wie  mit  den  Eisenschwellen  hat  man  mit  Stein- 
quadern gemacht. 

Zur  Straßen  Pflasterung  venvendet  man  neuerdings  auch  in  Deutsch- 
land Holzwürfel,  nachdem  schon  längst  in  Amerika,  Frankreich  (Paris)  und  England 
in  ausgedehntem  Maße  von  diesem  Material  Gebrauch  gemacht  worden  ist.  Besonders 
sind  in  Berlin  seit  1873  verschiedene  Versuche  gemacht  worden.  Es  wurden  auf  einer 
isolierenden  Betonschichte  von  20  cm  Stärke,  welche  die  Ebenheit  des  Pflasters 
sichern  und  die  verderbliche  Wirkung  der  Feuchtigkeit  abschneiden  soll,  teils  Würfel 
der  amerikanischen  yellow  pine  (Pinus  Jeffreyi,  Jeffreys  Kiefer),  teils  solche  der 
deutschen  Kiefer,  18  cm  hoch  geschnitten,  imprägniert  mit  Teer  und  Kreosotöl,  als 
Hirnholz,  sodaß  die  Längsfasem  aufrecht  stehen,  gelegt,  hierauf  mit  Kies  über- 


^"el-\venüllng  des  Holzes  und  der  Rinde.     §  5.  457 

fahren  und  gewalzt.  1886  wurde  eine  I*fla.sterung  mit  imprägnierten  Buclienholz- 
würfeln  ausgeführt,  welclie  aus  den  Forsten  des  Fürsten  v.  Bismarck  stammten. 

Auch  in  Frankfurt  a/M.  sind  Versuche  mit  Buchenholzpflaster  gemacht  worden, 
die  18  Mark  Kosten  pro  qm  —  gegen  12  iMark  Kosten  pro  ((m  für  Basaltpflaster 
ergaben  (cf.  R  e  i  ß  in  A.  F.-  u.  J.-Z.  1887  S.  71). 

Das  Holzpflaster  vermittelt  ebenso  wie  Asphalt  einen  geräuschlosen  Verkehr, 
gestattet  jedoch  den  Pferden  einen  sichereren  Tritt,  indem  es  das  Eingreifen  der  Hufe 
erleichtert  und  so  das  Stürzen  der  Pferde  verhindert.  Seine  Einführung  würde,  falls 
deutsches  Buchen-  und  Kiefernholz  sich  bewährte,  der  besseren  Ausnutzung  mancher 
Wälder  guten  Vorschub  leisten.  Die  Kälte  verschiedener  Winter  in  den  1890er 
Jahren  hat  das  Holzpflaster  in  Berlin  und  andern  Städten  sehr  in  Mißkredit  gebracht, 
indem  dasselbe  vielfach  zerrissen  und  auseinandergetrieben  wurde.  Buchenpflaster 
nutzt  sich  zudem  leicht  und  ungleichmäßig  ab  und  wird  bald  holperig.  Auch  Schmutz 
und  Staub  werden  in  der  bald  filzig  werdenden  Oberfläche  in  besonderem  Maße  fest- 
gehalten, was  die  Reinigung  erschwert.  Von  ausgedehnter  Verwendung  des  Holz- 
pflasters ist  man  in  Berlin  zurückgekommen.  In  Paris  hingegen  scheint  sich  das 
Holzpflaster,  zu  dem  neben  fremdländischen  Nadelhölzern  namentlich  pinus  maritima 
verwendet  wird,  bewährt  zu  haben. 

Eine  besondere  Empfehlung  des  Buchenholzes  zu  Straßenpflaster 
veröffentlichte  Janka  im  ,, Zentralblatt  für  das  gesamte  Forstwesen"  1902  (Ok- 
tober- und  Novemberheft).  Durch  geeignete  Imprägnierung  soll  das  Schwinden, 
Quellen  und  Werfen  verhindert  und  das  Reißen  desselben  beseitigt  werden.  Die  Dauer 
wird  als  hoch  und  die  Abnutzung  als  gering  geschildert. 

Der  W  a  s  s  e  r  b  a  u  bedarf  ansehnlicher  Quantitäten  von  Holz  zur  Herstellung 
von  Uferbefestigungen,  zu  Schleusen  und  Wehrbauten.  Viele  Uferbefestigungen 
stellt  man  durch  Steinpackungen  her,  wobei  öfters  zunächst  ein  Holzrost  einzurammen 
ist.  Umfängliche  Uferbauten  von  Holz  kommen  in  Holland  vor,  wo  vielfach  sumpfiger 
und  mit  keinem  haltbaren  Untergrund  versehener  Boden  vorherrscht.  Zu  diesem 
Zwecke  gehen  aus  Mittel-  und  Süddeutschland  viele  Eichen-  und  Nadelhölzer  in  Form 
von  Pfahlholz  und  stärkerem  Rundholz  auf  dem  Rhein  dorthin. 

Ausgedehnter  \'erbrauch  von  Holz  zu  Wasserbauten  findet  ferner  in  Gebirgs- 
gegenden statt,  in  denen  Holzflößerei  betrieben  wird.  Insbesondere  sind  es  hier  die 
Uferbefestigungen,  die  namhafte  Mengen  Holz  in  Ansprach  nehmen;  außerdem 
wird  solches  zum  Bau  der  Rechen,  sowie  zu  leichteren  Stau-  und  Schleusewerken 
benutzt  ^). 

Zu  den  bei  der  Holzflößerei  vorkommenden  Bauten  verwendet  man  zumeist 
Fichten-  und  Tannenholz  und  gibt  letzterem  den  ^'orzug,  da  es  sich  im  abwechseln- 
den Zustand  der  Nässe  und  Trockenheit  besser  als  ersteres  hält. 

Bei  den  anderen  Wasser-  und  Brückenbauten  findet  Eichen-  oder  ausgewach- 
senes harzreiches  Kiefernholz  Verwendung.  Zu  Pfeilern  unter  Wasser  (Piloten) 
eignet  sich  auch  Buchenholz,  namentlich  wenn  es  im  Saft  gefällt  und  sofort 
verbaut  wird;  dasselbe  soll  steinhart  werden.  Ebenso  ist  Erlenholz  bei  ausschließ- 
licher Verwendung  unter  Wasser  (z.  B.  für  Roste)  zu  gebrauchen.  Der  Brücken- 
bau erfordert  bestes  Eichen-  und  Nadelholz;  zum  Belag  von  Brücken  werden  neuer- 
dings auch  Bohlen  aus  Buchenholz  gerühmt.  Die  an  der  Kölner  Rheinbrücke  ge- 
machten Erfahrungen  haben  ergeben,  daß  Buchenbohlen  sich  zwar  abreiben,  aber 


1)  Darstellung  der  Holzbringungsmittel  in  den  Kgl.  Bayerischen  Salinenwaldungen,  heraus- 
gegeben vom  bayerischen  Ministerialforstbureau  1860,  Teil  II,  sowie  Gay  ers  Forstbenutzung, 
9.  Aufl.,   S.  261  ff.  U.  S.  297—335. 


458  IX  B,   Stoetzer,  Forstbenulzung. 

nicht  in  dem  Maß  splittern  wie  Eichenbohlen.  Die  Dauer  der  letzteren  war  2  Hjährig, 
der  ersteren  Sjährig.  Da  der  Festmeter  Buchenbohlen  sich  auf  nur  41  Mark,  hingegen 
der  Festmeter  Eichenbohlen  auf  87  Mark  stellte,  so  ergab  sich  mit  Rücksicht  auf  die 
längere  Dauer  der  Buchenbohlen  bei  ihrer  Anwendung  eine  Ersparnis  von  59%. 

In  das  Gebiet  des  Wasserbauholzes  gehören  noch  die  F  a  s  c  h  i  n  e  n,  d.  h.  drei 
und  mehr  Meter  lange  Reisigbunde,  welche  aus  langen  schlanken  Ruten  ohne  Laub, 
die  sich  leicht  zusammenlegen  lassen,  zu  Wellen  gebunden  werden.  Am  gesuchtesten 
sind  Faschinen  aus  Weiden,  die  gerade  und  schlanke  Triebe  haben.  Auch  schwache 
Nadelhölzer,  Aeste  alter  Fichten,  sowie  Stockausschläge  der  Rhamnusarten,  der 
Erlen  und  Haseln  u.  dergl.  eignen  sich  sehr  gut  dazu,  am  wenigsten  hingegen  sperrige 
Astreiser. 

Zur  Befestigung  der  Faschinen  verwendet  man  Buhnenpfähle,  1  — 2  m 
lang  und  5 — 8  cm  stark,  aus  Kiefemdurchforstungshölzem,  Erlen  etc.  gefertigt.  Die- 
selben werden  durch  die  Faschinen  hindurch  in  den  festen   Grund  eingeschlagen. 

Zunehmende  Bedeutung  gewinnt  die  Verwendung  des  Holzes  zu  M  a  s  t  e  n  und 
Leitungsstangen  für  Telegraph,  Telephon,  elektrische  Starkstromleitungen 
usw.  \'erwendet  werden  Nadelholzstangen  und  -stamme  besonders  der  Fichte  und 
Tanne,  bis  zu  den  stärksten  Dimensionen.  Die  in  den  Boden  gelangenden  Enden 
werden  imprägniert;  neuerdings  finden  auch  in  Beton  und  Eisen  konstruierte  Halter 
Verwendung,  in  welche  die  Stangen  eingeschraubt  werden,  ohne  den  Boden  zu  be- 
rühren, so  daß  ein  Hauptgrund  ihrer  Verderbnis,  die  unmittelbare  Berührung 
mit  der  feuchten  Erde,  wegfällt  und  dadurch  die  Haltbarkeit  bedeutend  er- 
höht wird. 

§  6.  Spaltholz.  Zur  Herstellung  von  Gefäßen  für  Aufbewahrung  von 
Flüssigkeiten  (Fässer,  Bottiche  u.  dergl.)  verwendet  der  Böttcher  (Küfer,  Kubier) 
vorwiegend  spaltiges,  möglichst  astfreies  Eichenholz  in  kürzeren  oder  längeren 
Stücken.  Das  Ausspalten  der  Faßhölzer,  der  sog.  Dauben,  sowie  auch  der  Bodenstücke, 
erfolgt  nach  der  Richtung  der  Markstrahlen,  nicht  nach  der  Sehne  des  Holzes,  weil 
im  letzteren  Falle  die  Gefäße  durchlässig  gegen  Flüssigkeit  sein  würden. 

Langsam  erwachsenes,  ganz  feinjähriges  Eichenholz  ist  minder  dicht  als  weit- 
ringiges. 

Kleinere  Gefäße  für  den  Haushalt  (Butten,  Kübel,  Eimer,  Wannen)  werden 
von  Nadelholz  verfertigt,  wobei  der  Fichte  der  Vorzug  gegeben  wird. 

Buchenholz  wird  ebenfalls  zu  Böttcherware,  insbesondere  zur  Herstellung 
von  Packfässern  verwandt.  Der  Butterhandel  Schleswig-Holsteins  und  Mecklen- 
burgs bedarf  großer  Mengen  von  Buchenfässem.  Auch  Seefische  werden  vielfach 
darin  versandt.  Allgemein  geschätzt  vor  anderem  Holz  wird  das  Buchenholz  für 
Packgefäße  zur  Aufnahme  von  Lebensmitteln  verschiedener  Art  wegen  seiner  Geruch- 
losigkeit. 

Außerdem  verpackt  man  in  solche:  Zement,  Seife,  Salz,  Erze,  Eisenwaren  und 
dergl.  ^);  auch  kommt  Petroleum  vielfach  in  Buchenfässern  zum  Versand. 

In  Ungarn  soll  Buchenholz  zu  Faßdauben,  selbst  zu  Bierfässern  in  ausgedehn- 
ter Verwendung  stehen;  die  Faßdauben  werden  jedoch  vor  der  Bearbeitung  mit 
Wasserdämpfen  ausgelaugt"). 

Die  Dauben  zur  Anfertigung  von  Fässern,  die  zur  Aufnahme  trockener  Gegen- 
stände bestimmt  sind,  werden  nicht  gespalten,  sondern  durch  die  Kreissäge  in  den 
erforderlichen  Dimensionen  geschnitten,  da  es  hier  nichts  schadet,  wenn  der  Schnitt 

1)  Weise,  Buchennulzholzfrage  in  Z.  f.  F.  u.  J.  1881,  S.  543. 

2)  A.  F.-  u.  J.-Z.  1865,   S.  463. 


N'erwendung  des  Holzes  und  der  Rinde.     §  6.  459 

nicht  in  radialer  Richtung  geführt  ist;  auch  hat  man  zur  Herstellung  der  Faßdauben 
besondere  Maschinen. 

Bei  ungewöhnlich  großen  Gefäßen,  selbst  wenn  dieselben  zur  Aufnahme  von 
Flüssigkeiten  bestimmt  sind,  können  die  einzelnen  Bestandteile  nicht  durch  Aus- 
spalten gewonnen  werden,  sondern  man  fertigt  dieselben  aus  geschnittenen  Bohlen, 
d  '  ■  ■  Zum  Binden  der  Böttcherwaren  dienen  Reife;  bei  größeren  und  schwereren 
Fässern  und  Bottichen  verwendet  man  Eisenreife,  außerdem  solche  von  schlanken 
spaltigen  Stockausschlägen  der  Birken,  Haseln,  Weiden,  wohl  auch  Eichen. 

Spaltholz  wird  außer  zur  Herstellung  von  Böttcherwaren  benutzt  zur  Fertigung 
von  Siebrändern  und  Schachteln;  hierzu  wird  meist  Fichten-  und  Taiuienholz  ver- 
wandt. Mit  dem  Seltener-  und  Teurerwerden  der  schönen  astfreien  und  spaltigen 
stärkeren  Stämme  nimmt  die  Herstellung  größerer  Schachteln,  die  besonders  wert- 
volles Holz  beansprucht,  das  im  Groben  ausgespalten,  mit  dem  Schnitzmesser  glatt 
gearbeitet  und  alsdann  in  die  den  Schachteln  eigentümliche  runde  oder  ovale  Form 
gebogen  wird,  mehr  und  mehr  ab,  zumal  dieselben  durch  billigere  Kisten  oder  Papp- 
schachteln vielfach  leicht  ersetzt  werden;  kleinere  Schachteln,  insbesondere  Zünd- 
holzschachteln, beanspruchen  weniger  wertvolles  Holz.  Dieselben  werden  zwar 
auch  aus  glattem  Holz  hergestellt,  allein  man  gewinnt  die  Bänder  nicht  durch 
Spalten,  sondern  diese  werden  durch  besondere  Hobel  in  den  den  Schachteln  ent- 
sprechenden Größen  hergestellt  und  es  ist  daher  die  Spaltbarkeit  des  Holzes  kein  un- 
bedingtes Erfordernis  mehr.  In  ähnlicher  Weise,  nämlich  durch  Abschälen  mit 
Hilfe  von  Hobeln  werden  auch  die  Späne  zu  den  Schiebkästchen,  die  zur  Auf- 
nahme der  schwedischen  Zündhölzer  dienen,  hergestellt.  Man  verwendet  dazu  As- 
pen-, in  Deutschland  auch  Pappel-  und  Nadelholz,  besonders  Weymouthskiefer. 

Die  gleiche  Herstellung  haben  Späne  für  Etuis,  Degenscheiden,  Schuhsohlen, 
Spiegelbelege,  sowie  die  für  Bierbrauerei  und  Essigfabrikation  wichtigen  Klärspäne, 
aus  Hasel-  oder  Buchenholz,  die  an  manchen  Orten  einen  beachtenswerten  Verbrauch 
von  Buchennutzholz  hen'orrufen. 

In  liolzreichen  Gegenden  wird  durch  die  Schindelfabrikation  eine 
beträchtliche  Menge  von  Spaltholz  verarbeitet.  Die  Schindeln  dienen  zur  Dach-  und 
^^'andbekleidung,  man  läßt  sie  beim  Auflegen  derart  übereinandergreifen,  daß  die 
Fugen  stets  gedeckt  sind.  Sie  werden  aus  spaltigem,  astreinem  Fichten-  und  Tannen-, 
wohl  auch  Lärchen-,  seltener  Buchenholz  radial  ausgespalten  und  mit  dem  Schnitz- 
messer geglättet.  Auch  gibt  man  ihnen  durch  ein  besonderes  Schindelmesser  auf  der 
einen  Seite  eine  Nut,  auf  der  anderen  Seite  schneidet  man  eine  scharfe  Kante  (Feder), 
so  daß  gegenseitiges  Eingreifen  stattfindet.  Auf  Sägewerken  stellt  man  Schindeln 
durch  Bearbeitung  mit  der  Kreissäge  oder  besonderen  Maschinen  (Gangloffsche 
Schindelmaschine)  her.  Da  dieselben  jedoch  nicht  in  der  Richtung  der  Radien  gearbei- 
tet, sondern  öfters  schief  über  die  Jahrringe  geschnitten  sind,  so  werfen  sie  sich  und 
reißen  leichter,  haben  daher  nicht  den  Wert  und  die  Haltbarkeit  der  Handschindeln. 
Die  Maschinenschindeln  werden  jedoch  als  Unterlage  für  Schieferbedachung  begehrt. 

Zur  Instrumentenfabrikation  bedarf  man  des  Resonanz  holzes,  zu  dem 
sich  gleichmäßig  langsam  erwachsenes,  mit  nicht  zu  breiten  Jahrringen  versehenes 
astreines  und  spaltiges  Holz  von  Fichten  oder  Tannen  besonders  eignet.  Dasselbe 
wächst  namentlich  in  höheren  Gebirgslagen,  so  z.  B.  in  Böhmen,  ebenso  im  bayrischen 
Wald  1). 


1)  Im  Z.  f.  d.  ges.  F.  188i,  S.  155  wird  auf  die  H  a  s  e  If  i  c  li  t  e  ,  eine  Spielart  der  gewölinli- 
chen  Fichte,  aufmerksam  gemactit,  welclie  zu  Resonanzliolz  besonders  geeignet  sei,  indem  sie  die 
Reinlieit  des  Klanges  befördere;  dieselbe  soll  in  Kärnten  und  Bosnien  vorkommen  und  sich  äußer- 
lich durch  weißgelbe  Frühjahrssprossen,  oft  auch  trauerweidenartige  Beaslung  auszeichnen. 


460  IX  B.   Stoetzer,  Forstbenutzung. 

Holzdraht  nennt  man  die  aus  glattem  Holz  hergestellten  feinen  Stäbe, 
die  zu  Jalousien,  Rouleaux,  Tischdecken,  in  kurzem  Zustand  aber  in  großen  Massen 
zu  Streichhölzern  verwendet  werden.  Vielfach  eignen  sich  hierzu  noch  die  bei  der 
Resonanzholzfabrikation  vorkommenden  .\bfälle.  An  anderen  Orten  wird  Aspen- 
holz in  großen  Mengen  benutzt.  Die  Herstellung  erfolgt  durch  Hobel,  die  keine 
glatte  Schneide,  sondern  statt  derselben  nebeneinander  scharfe  Röhrchen  haben, 
deren  jedes  je  einen  runden  Holzdraht  von  dem  Rohholz  abstößt.  Für  die  schwedischen 
Streichhölzer  werden  auf  Drehbänken  bandartige  Streifen  von  Rundholz  (meist 
Aspe)  dünn  abgeschält  und  alsdann  entsprechend  zerkleinert.  Eine  Zukunft  in  der 
Zündholzfabrikation  (für  Herstellung  schwedischer  Zündhölzer)  spricht  M  a  y  r  der 
Weymouthskiefer  zu,  die  in  Zündholzfabriken  als  ,, Korkkiefer"  Eingang  gefunden 
hati). 

Zu  den  Spaltwaren  sind  endlich  noch  die  Holzstifte  zu  rechnen,  die  na- 
mentlich für  Schuhmacher  in  großen  Massen  aus  Birken-,  Ahorn-  und  Hainbuchen- 
holz gewonnen  werden. 

§7.  Verwendung  des  Holzes  zur  Schreinerei  und  den 
verwandten  Betrieben,  sowie  zum  Glaser-  und  Wagner- 
g  e  w  e  r  b  e. 

Der  Schreiner  liefert  vornehmlich  Arbeiten  zum  inneren  Ausbau  der  Häuser, 
sowie  den  größten  Teil  der  Hausgeräte  und  Möbel.  Er  verarbeitet  sog.  Schnittwaren, 
die  auf  den  Sägewerken  aus  Stammholz  hergestellt  werden.  Ueberwiegend  ist 
hierbei  der  Verb  rauch  von  Nadelholzschnittware,  doch  werden  auch  Eichen-,  Buchen-, 
zur  Möbelfabrikation  außerdem  noch  Ahorn-,  Ulmen-,  Lärchen-,  Nußbaum-,  sowie  wert- 
volle ausländische  Hölzer  (Mahagoni,  Rosenholz  etc.)  in  großer  Menge  verarbeitet. 

Getrennt  zu  behandeln  sind  Bau-  und    Möbelschreinerei. 

Der  Bau  seh  reiner  verwendet  zu  Fußböden  vorwiegend  Nadelholz,  sel- 
tener Eiche  und  Buche.  Fichte  und  Kiefer  haben  den  Vorzug  vor  der  mehr 
splitternden  und  weniger  glatten  Tanne.  Statt  der  gewöhnlichen  Dielen  kommen 
mehr  und  mehr  Parkett-  und  Riemenfußböden  in  Aufnahme,  wozu  die  Hölzer  (Eiche 
und  Buche)  in  schmalen,  kurzen  Brettchen  (Riemen)  geschnitten  werden,  die  teil- 
weise glatte   Seitenwände,   teils  solche  mit  Nut  und  Feder  haben. 

Die  Verwendung  der  Buche  zu  Dielungen  wird  im  Gebiete  ausgedehnter  Buchen- 
hochwaldungen mit  Eifer  zu  fördern  gesucht.  Ueber  die  Erfolge  wird  die  Zukunft 
entscheiden.  Es  wird  gegen  sie  geltend  gemacht,  daß  infolge  der  schwierigeren  Bear- 
beitung der  Buche,  sowie  der  für  wirklich  gutes  Buchenholz  schon  jetzt  nicht  gerade 
niedrigen  Preise,  Buchendielung  keineswegs  durch  erhebliche  Billigkeit  sich  auszeich- 
net. Zu  Treppenstufen  ist  die  Buche  neben  der  Eiche  ohne  Zweifel  sehr  geeignet, 
nicht  minder  zu  Treppenwangen.  Ebenso  bewährt  sie  sich  vollkommen  zu  Par- 
kettfußböden in  imprägniertem  Zustande.  Nur  muß  die  Eigentümlichkeit  des  Buchen- 
holzes, daß  es  auch  nach  guter  Austrocknung  noch  leicht  sein  Volumen  durch  Auf- 
nahme von  Wasserdampf  vergrößert,  beachtet  werden,  indem  längs  der  Wände  ein 
kleiner  Raum  frei  bleibt,  den  das  sich  ausdehnende  (arbeitende)  Buchenholz  ein- 
nehmen kann  ^). 

Zu  Vertäfelungen  in  modernen  vornehmen  Häusern  findet  Eichenholz,  wohl 
auch  Lärche,  Arve  Verwendung. 

Zur   Möbelschreinerei   verlangt   man   am   meisten    Nadelholz   bester 


1)  AUg.   F.-   u.    J.-Ztg.    1904,    S.   351. 

2)  Ueber   Erfahrungen   bezüglich   der  Verwendung   von    Buchenholz   für   Dielungen   s.   v. 
Alten,  Versuche  und  Erfahrungen  mit  Rotbuchen-Nutzholz  1895,  S.  35  ff. 


Verwendung  des  Holzes  und  der  Rinde.     §  7.  461 

Qualität,  insbesondere  zur  Herstellung  der  die  Hauptmasse  des  Verbrauchs  bildenden 
geringeren  Möbel. 

Auch  die  wertvolleren  Möbel  werden  selten  massiv  aus  teuerem  Hartholz 
(Eichen-,  Nußbaum-),  sondern  aus  Blindholz  (Nadelhölzer,  Pappel)  hergestellt,  auf 
welch  letzteren  die  Fourniere  wertvoller,  zum  Teil  ausländischer  Hölzer  aufgeleimt 
werden.  Auch  hier  wie  in  so  vielen  Gegenständen  der  modernen  Lebenseinrichtungen 
ist  die  ^lode  tonangebend,  ^^"ährend  früher  Mahagoni,  später  Nußbaum  (namentlich 
der  schön  gemusterte  amerikanische  Nußbaum)  eine  Hauptrolle  spielte,  wird  neuer- 
dings Eichenholz  zu  den  in  besonderer  Gunst  stehenden  Renaissangemöbeln  verwendet. 

Einer  Erwähnung  bedürfen  noch  die  aus  gebogenem  Buchenholz 
zuerst  durch  die  österreichische  Firma  Gebrüder  T  h  o  n  e  t  hergestellten  sog.  Wiener 
Möbel,  deren  Fabrikation  auch  in  Deutschland  (z.  B.  Sachsen)  mit  Erfolg  versucht 
worden  ist.  Die  zu  diesen  Möbeln  verwendeten  Buchenhölzer  werden  aus  glattem, 
langschäftigen  Buchenholz  in  Form  von  Latten  ausgeschnitten,  durch  Dampf  ausge- 
trocknet, mit  Hilfe  von  Maschinen  rund  gehobelt  und  in  erhitztem  Zustande  gebogen; 
die  Verbindung  der  einzelnen  Teile  untereinander  erfolgt  lediglich  durch  \'erzapfung 
und  Verschraubung. 

Diese  Industrie  scheint  nur  da  mit  Erfolg  einführbar  zu  sein,  wo  schönes  Buchen- 
holz stärkerer  Dimensionen  noch  billig  zu  haben  ist.  Auch  die  Thonetschen  Fabriken 
beziehen  das  Material  meist  aus  dem  holzreichen  Osten  der  österreichischen  Monarchie. 

Bedeutende  Mengen  von  Holz  bedarf  man  zur  Herstellung  von  Kisten 
und  Packfässern.  Die  Kistenbretter  werden  insbesondere  in  großen  Mengen  durch 
die  Sägewerke  aus  ihren  Abfällen  (Schwarten)  hergestellt,  doch  werden  auch  ganze 
Stämme  zu  Kistenbrettern  usw.  verarbeitet.  Wegen  ihrer  Leichtigkeit  haben  Nadel- 
hölzer, sowie  Pappeln  und  Aspen  den  Vorzug.  Mengen  von  schwachen  Kistenbrett- 
chen  werden  jedoch  auch  aus  Buchenholz  gewonnen,  so  z.  B.  für  die  in  südlichen 
Ländern,  insbesondere  in  den  Hafenplätzen  des  mittelländischen  Meeres  zur  Ver- 
packung und  zur  Ausfuhr  von  Früchten  dienenden  Kistchen,  die  vielfach  aus  Oester- 
reich  bezogen  werden  (sog.  Tavoletti). 

Kistchen  von  geringen  Dimensionen  zum  Verpacken  von  Parfüms,  Seifen  etc. 
sowie  Farbkasten,  ferner  Schatullen  werden  im  großen  in  Fabriken  verfertigt,  und  es 
kommen  hierbei  neben  Nadelhölzern  auch  Erlen,  Ahorn  und  sonstige  bessere  Laub- 
holzarten zur  \'erwendung.  Zu  Zigarrenkisten  werden  vielfach  Erlen,  für  die  besseren 
gewisse  Sorten  des  sog.  ..roten  Zedernholzes",  einer  dem  Mahagoni  verwandten  Laub- 
holzart, verwandt.  Zu  .Jalousiebrettern  nimmt  man  Nadelholz;  besonders  geeignet 
ist  hier  die  W'eymouthskiefer,  denn  sie  ist  leicht  und  wirft  sich  nicht. 

Der  Glaser  braucht  zu  Fensterrahmen  ein  gleichmäßig  envachsenes,  den  Ein- 
flüssen der  Witterung  widerstehendes,  dem  Reißen  und  Werfen  nicht  ausgesetztes 
Holz;  er  bevorzugt  Eiche  und  ganz  besonders  Kiefer,  auch  Lärche  ist  brauchbar; 
den  Hauptbedarf  liefert  das  engringige,  ausgewachsene,  kernige  Kiefernholz,  das 
auf  ärmerem  Boden  langsam  erwachsen  ist.    (Polnische  Kiefer.) 

Der  W  a  g  n  e  r  verwendet  vorwiegend  Laübhölzer,  unter  diesen  besonders 
Esche  und  Eiche,  aber  auch  Buche,  Ulme,  Hainbuche  und  Birke,  sowie  schwäche- 
res Nadelholz:  die  Hölzer  müssen  gesund,  fest  und  zähe  sein,  damit  sie,  ohne  zu  bre- 
chen, einer  größeren  Gewalt  widerstehen  können. 

Von  erheblichem  Umfang  ist  der  Bedarf  an  Wagnerholz  gerade  nicht ;  dagegen 
ist  dieses  vorwiegend  ländliche  Gewerbe,  das  nicht  allein  Wagen,  sondern  auch  länd- 
liche Geräte  aller  Art  fertigt,  für  die  Forstwirtschaft  ein  sehr  erwünschter,  ja  wert- 
voller Abnehmer  für  schwache  Nutzhölzer  aller  Art :  Eichen-,  Eschen-,  Birken-  und 


462  IX  B.  Stoetzer,  Forstbenutzung. 

Nadelholzstangen,  schwache  Eichenstämme  (sog.  „Wagnereichen"),  Eschen-  und 
Birkenstämme,  starke  kurze  Abschnitte,  Spalt-  und  Krummhölzer  usw.  der  verschie- 
densten Holzarten.  Manches,  was  früher  aus  Holz  verfertigt  wurde,  stellt  man  jetzt 
aus  Eisen  her;  so  z.  B.  die  Achsen,  die  gegen  hölzerne  nicht  nur  eine  weit  größere 
Dauer,  sondern,  da  sie  weniger  Reibung  verursachen,  auch  einen  leichteren  Gang 
gewähren. 

Der  gewöhnliche  Wagen  besteht  aus  den  Rädern,  dem  Gestell,  der 
Langwiede  und  der  Deichsel. 

Die  Räder  haben  in  der  Mitte  die  Nabe,  die  aus  einem  durchbohrten  und  metall- 
gefütterten Eichen-,  Ulmen-  oder  Eschen-Rundstück  besteht;  in  dieselbe  greifen 
die  Speichen  ein,  die  auf  der  äußeren  Seite  in  dem  aus  einzelnen  Teilen  (Felgen) 
zusammengesetzten  Kranz  befestigt  sind. 

Die  Speichen  fertigt  man  aus  zähem  ausgespaltenen  Jungeichen-  oder  Eschen- 
holz, bei  Luxuswagen  aus  Hickory  (Carya  alba),  das  Leichtigkeit  und  Festigkeit 
in  sich  vereinigt. 

Die  Felgen  werden  aus  gesunden  spaltigen  Buchenscheiten  im  Rohen  ab- 
gespalten, so  daß  der  Kern  abfällt;  die  Rindenseite  bildet  die  äußere  Krümme 
der  Felge.  Zin-  Herstellung  der  nötigen  Krümme  wird  beiderseits  entsprechend 
abgespalten. 

Die  Herstellung  der  Felgen  erfolgt  in  ausgedehnten  Buchenwaldungen  in  großen 
Mengen  zum  Zwecke  des  Handels. 

Neuerdings  kommt  es  (insbesondere  beim  Luxuswagenbau)  auch  vor,  daß  der 
Radkranz  nicht  mehr  aus  Felgen  zusammengesetzt,  sondern  aus  einem  Stück 
gedämpften  und  durch  starke  mechanische  Kraft  gebogenen  Holzes  geformt  wird  ^). 

Ueber  den  Achsen  liegen  nun  die  Vorder-  und  Hintergestelle  der  Wagen;  die- 
selben werden  durch  die  Langwiede  verbunden.  Die  Zugvorrichtung  besteht  aus  den 
Deichselarmen  und  der  Deichsel.  Zur  Ausrüstung  der  Last-Wagen  gehören  endlich 
noch  die  Leitern.  Zu  den  Bäumen  der  Leitern  verwendet  der  Wagner  Nadelholz- 
stangen, zu  den  Lang\vieden  Eichen-  oder  Eschenstangen,  die  Deichseln  stellt  er  aus 
Eichen-,  Birken-  oder  Eschenstangen  her.  Die  sonstigen  Erzeugnisse  des  Wagner- 
und  Stellmachergewerbes,  Pflüge,  Schlitten,  Eggen,  Schiebekarren,  Leitern,  Futter- 
barren, Futtertröge  usw.  bedürfen  keiner  näheren  Beschreibung;  Buchen-  und 
Eichenhölzer,  sowie  Nadelholzstangen  werden  auch  hierzu  besonders  verwendet. 
Gekrümmte,  wenn  nur  gesunde  und  astlose  Stücke  verwendet  der  Wagner  vielfach; 
ja  sie  sind  sogar  in  vielen  Fällen  von  besonderem  Wert. 

Der  Bau  der  Luxuswagen  hat  so  viel  Mannigfaltigkeiten,  daß  derselbe 
hier  übergangen  werden  muß.  Zum  Oberbau  derselben  werden  auch  leichte  Hölzer, 
Linde,  Pappel  etc.  als  Füllholz  benutzt. 

Zu  Lafetten  wurde  früher  in  ausgedehntem  Maße  Ulmenholz  verwandt, 
da  es  bei  besonders  hoher  Festigkeit  und  Härte  wenig  splittert ;  in  neuerer  Zeit  hat  es 
vollständig  dem  Eisen  weichen  müssen. 

Zu  dem  Wagenbau  gehört  endlich  noch  die  Herstellung  der  Eisenbahn- 
wagen, welche  in  ihrem  Balkengerippe  viel  Eichen-  und  Eschenholz,  in  ihrer 
Füllung  weiche  Hölzer,  besonders  Kiefern,  neuestens  auch  Fichten  und  Tannen 
in  großem  Umfange  beanspruchen.  Nach  G  a  y  e  r  bedarf  man  zu  einem  verschlosse- 
nen Eisenbahngüterwagen  ca.  1  cbm  Eichenholz;  neuerdings  wird  ferner  Kiefern- 
holz und  jetzt  selbst  Fichten-  und  Tannenholz  verwencTet. 


1)  Die  Herstellung  solcher  Radkränze  beschreibt  Forstassessor   Schmidt  in  Z.  f.   F. 
u.    J.    1886,    S.    194. 


Verwendung  des  Holzes  und  der  Rinde.     §  10.  463 

§  8.  H  o  1  z  V  c  r  b  r  a  11  c  h  in  der  Schnitzerei  und  Spiel- 
warenfabrikation. Die  eigentliche  Kunstschnitzerei  verbraucht  Linden-, 
Aspen-,  Ahom-  und  Nußbaumholz;  in  den  Gebirgsländern  der  Schweiz  und  Tirols 
bildet  auch  die  Zirbelkiefer  vielfach  den  Rohstoff  zu  den  überaus  mannigfachen 
Gegenständen,  die  in  alle  Welt  gehen  (z.  B.  Tierfiguren,  geschnitzte  Rahmen  aller 
Art,  Uhrgestelle,  Schmuckbehälter). 

Zu  groben  Schnitzwaren  als  IMulden,  Schüsseln,  Tellern,  Wurfschaufeln,  Koch- 
löffeln, Stiefelhölzern,  Kummethölzern  werden  Buchenhölzer  verwandt,  für  feine 
Schuhleisten  Hainbuchen,  für  gewöhnliche  Rotbuchen. 

H  0  1  z  s  c  h  u  h  e  verfertigt  man  aus  Buchen,  Erlen,  Birken,  auch  Pappeln  und 
Weiden.  Flintenschäfte  werden  aus  Nußbaum,  Ulme,  geringere  aus  Buchenholz 
hergestellt. 

Kinderspiel  w  a  r  e  n,  z.  B.  Tiere,  Kinderflinten,  Holzmusikinstrumente 
(Flöten,  Geigen)  werden  hauptsächlich  aus  Fichtenholz  gemacht.  Sie  sind 
Gegenstand  der  Herstellung  im  Erzgebirge  und  Thüringerwald;  ihre  Produktion 
verringert  sich  jedoch  mehr  und  mehr  wegen  des  verfeinerten  Geschmacks,  der  bessere 
Produkte  verlangt. 

§9.  Sonstiger  Holzverbrauch  in  Gewerben  und  Fabri- 
k  e  n.  Viele  Gewerbe  werden  mit  Wasserkraft  betrieben  und  bedürfen  der  Räder 
und  der  dazu  gehörigen  Wellen;  zu  letzteren  braucht  man  gerade,  gesunde,  starke 
Stämme  von  Eichen  oder  Tannen,  auch  Kiefern.  Zu  Wasserrädern  nimmt  man  Bu- 
chen- und  Eichen-,  zu  den  Schaufeln  auch  Nadelholz,  wofern  nicht  Konstruktionen 
aus  Eisenblech  gewählt  werden. 

Zu  den  Oel-,  ^^'alk-,  Pochmühlen  und  Hammerwerken  bedarf  man  starker 
Eichenstammhölzer,  weniger  Nadelhölzer.  Die  Pochstempel  sowohl,  als  auch  die 
Stoßtröge  werden  nur  vom  zähesten  harten  Holz  verfertigt.  In  Hammerwerken  be- 
stehen die  Hammerwellen  und  die  dazu  gehörigen  Gerüste  aus  Eichen,  der  den  Hammer 
tragende  Arm  oder  Helm  aus  Buchen,  Birken,  Eschenstammenden;  der  Ambos- 
stock,  auf  den  der  Ambos  eingelassen  ist,  wird  aus  einem  1  m  starken  und  2  m  langen 
Eichenstock  hergestellt,  der  in  Eisen  gebunden  ist.  Die  innere  Einrichtung  der 
Gewerke,  Mühlen  und  Fabriken  fällt  hinsichtlich  ihrer  Verwendung  in  das  Kapitel 
vom  Hochbau. 

§  10.  H  0  1  z  V  e  r  b  r  a  u  c  h  zur  P  a  p  i  e  r  f  a  b  r  i  k  a  t  i  o  n  i).  Wenn  auch 
der  geringere  Papierverbrauch  früherer  Zeiten  durch  das  gewöhnliche,  aus  Hadern 
hergestellte  Papier  vollständig  gedeckt  worden  ist,  so  wurde  doch  schon  um  die  Mitte 
des  vorigen  Jahrhunderts  versucht,  den  gesteigerten  Verbrauch  durch  andere  Pflanzen- 
stoffe zu  decken.  Den  Fortschritten  der  modernen  Technik  und  den  erweiterten 
chemischen  Kenntnissen  gelang  es,  aus  Holz  sehr  brauchbare  Produkte  herzustellen, 
die  zu  Papier  verarbeitet  werden.  Man  unterscheidet  zwischen  dem  lediglich  durch 
Zerschleifen  auf  mechanischem  Wege  hergestellten  Holzstoff  und  dem 
auf  chemischem  Weg  aus  dem  Holz  gewonnenen  Zellstoff,  der  Holzzellulose, 
deren  Gewinnung  jedoch  ebenfalls  eine  mechanische  Zerkleinerung  vorausgehen  muß. 

a)  Bei  dem  mechanischen  Zerschleifen  des  Holzes,  das  in  schwä- 
cheren Rundhölzern  von  10 — 20  cm  Durchmesser  verwendet  wird,  findet  zunächst 
Entrindung,  Spalten  der  stärkeren  Stücke,  Entfernung  der  Aeste  durch  Aushauen 
oder  Ausbohren  statt ;  hierauf  werden  mittelst  der  Kreissäge  Abschnitte  von  25 — 50  cm 
hergestellt  und  diese  an  rotierende  Steine  gepreßt,  wodurch  Holzteilchen  abgerissen 

1)  Weber,  Ueber  die  Bedeutung  einiger  Holz  verarbeitender    Industriezweige.  F.  Z.-Bl. 

1Qo3,   S.   73  u.  189. 


464  IX  B.  Stoetzer,  Forstbenutzung, 

werden.  Stetig  zuströmendes  \^'asser  vereinigt  sie  zu  einem  dünnen  Brei,  aus  dem 
die  Fasern  nach  Länge  und  Dicke  sortiert,  dann  gebleicht,  entwässert,  und  in 
Formen  gepreßt  werden. 

Derartige  Fabriken,  meist  mit  Wasserkraft  betrieben  und  in  waklreichen 
Gebirgsgebieten  belegen,  waren  nach  Günther-Staibs  Adreßbuch  für  die  Papier- 
Industrie  in  Deutschland  im  .Jahr  1899/1900  601  (in  Sachsen  allein  etwa  300)  vorhan- 
den und  es  wird  der  Jahresbedarf  derselben  an  Schleifholz  auf  nahe  an  1  Million  fm 
angegeben. 

b)  Bei  der  Zellulosefabrikation  werden  die  Hölzer  durch  eine  me- 
chanische Hackvorrichtung  in  flache  Späne  zerlegt,  diese  Späne  zwischen  geriffelten 
Quetschwalzen  weiter  zermahlen  und  demnächst  durch  Kochen  unter  hohem  Druck 
entweder  in  kaustischer  Natronlauge  (sog.  Natronverfahren)  oder  unter  Einwirkung 
von  doppeltschwefligsaurem  Kalk  (Mitscherlichs  Sulphit- Verfahren)  in  ihre  einzel- 
nen Zellen  aufgelöst. 

Die  auf  diese  Weise  hergestellte  rohe  Zellulose  wird  gewaschen,  mit  Chlor- 
kalk gebleicht  und  schließlich  durch  Walzen  gepreßt  und  getrocknet. 

Nach  dem  Adreßbuch  von  Günther-Staib  kann  man  für  die  in  Deutschland 
zur  Zeit  bestehenden  großkapitalistisch  betriebenen  71  Zellulosefabriken  einen 
Jahres-Holzkonsum  von  850  000  fm  annehmen. 

Zur  Verwendung  in  der  Papierfabrikation  gelangen  in  erster  Linie  Fichten-, 
dann  auch  Tannen-  und  Kiefernhölzer;  Aspen,  Pappeln  und  Linden  geben  einen 
ganz  besonders  weißen,  sehr  gesuchten  Stoff  und  ihre  ausgedehnteste  Verwendung 
wird  nur  durch  ihre  Seltenheit  und  verhältnismäßig  hohen  Preise  verhindert.  Große 
Schwierigkeiten  bereitet  dagegen  das  Buchenholz.  Für  das  mechanische  Verfahren 
ist  es  ganz  unbrauchbar,  weil  es  sich  vermöge  seiner  großen  Abscherfestigkeit  nicht 
zerfasern  läßt;  die  Fasern  zerreiben  sich  vollständig.  Hinderlich  ist  auch  seine  Farbe. 
Da  schon  ziemlich  schwache  Prügel  und  Stangen  verwendet  werden  können,  so  er- 
gibt sich  durch  diese  Fabrikation  ein  ausgedehntes  Feld  für  die  Zugutemachung  von 
Durchforstungshölzem;  freilich  spielt  die  Frage  der  Transportkosten  hierbei  eine 
große  Rolle,  um  so  mehr,  als  durch  den  bedeutenden  Wettbewerb,  namentlich  auch 
des  Auslandes  (Norwegen,  Schweden,  Oesterreich-Ungarn,  Finnland,  Kanada,  Ver- 
einigte Staaten  von  Nordamerika)  die  Preise  des  Erzeugnisses  gedrückt  sind  und  den 
Fabriken  hinsichtlich  der  beim  Einkaufe  des  Holzes  anzulegenden  Preise  gewisse 
Beschränkungen  auferlegen.  Die  großen  Zellulosefabriken  beziehen  deshalb  einen 
beträchtlichen  Teil  ihres  Holzbedarfs  aus  dem  Ausland  (Oesterreich-Ungarn).  In 
Indien  wird  eine  Zellulose  aus  Bambus  hergestellt,  die  sich  durch  beträchtliche  Zähig- 
keit, sowie  billigen  Preis  vor  der  europäischen  Holz-Zellulose  auszeichnen  soll. 

Außer  zur  Papierfabrikation  wird  die  Zellulose  roh  zur  Herstellung  von  Pappe, 
sowie  von  gepreßten  Ornamenten  für  Wobei,  zur  Imitation  von  Leder  verwendet  '■). 

§  11.  Darstellung  von  Holzwolle.  Unter  Holzwolle  versteht  man 
einen  Stoff,  der  durch  grobe  mechanische  Zerfaserung  von  Hölzern,  namentlich 
Nadelhölzern  gewonnen  und  in  großem  Maßstab  zur  ^'e^packung,  sowie  als  Polster- 
material, ferner  als  Streu  für  das  Vieh,  endlich  auch  zum  Filtrieren  von  Flüssigkeiten 
benutzt  wird.  Die  Holzwolle,  zuerst  in  Amerika  dargestellt,  wird  als  ein  Neben- 
erzeugnis in  größeren  Holzwarenfabriken,  aber  auch  in  eigenen  Werken  vorwiegend 


1)  Zu  solchen  Ornamenten  verwendet  eine  Thüringer  Firma  (B.  Harras  in  Bohlen)  gemahlene 
Sägespäne,  die  mit  einem  Klebstoff  durchtränkt  sind  und  auf  die  eine  ganz  feine,  äußerst  biegsam 
gemachte  Holzfournierplatte  aufgeprel3t  wird.  Diese  verbindet  sich  dann  untrennbar  mit  der 
Unterlage  und  ergibt  so  ein  ganz  scharf  gepreßtes  Holzornament,  das  mit  den  Produkten  der  Holz- 
bildhauerei welteifert.   Die  Firma  nennt  ihr  Produkt  „Kunstholz". 


Verwendung  des  Holzes  und  der  Rinde.     §  12.  465 

aus  Nadelhölzern  (jedoch  auch  Aspen,  zu  Polsterzwecken  auch  aus  spanischem  Rohr) 
gewonnen.  Die  Hölzer  werden  in  Stücken  von  50  cm  Länge  und  15  cm  Breite  vorge- 
arbeitet, zwischen  zwei  Walzen  gespannt  und  mittelst  eines  Apparates,  der  eine 
Anzahl  nebeneinander  stehender  Messer  enthält  und  durch  eine  Kurbelstange  hin  und 
her  bewegt  wird,  geritzt.  Seitwärts  von  diesem  Apparat  steht  je  ein  glattes  Hobel- 
messer, das  die  geritzten  Fasern  abschneidet,  die  nun  als  Holzwolle  unter  die  Maschine 
fallen.  Je  nachdem  die  Ritzmesser  enger  oder  weiter  gestellt  sind,  wird  die  Holzwolle 
feiner  oder  gröber  ausfallen. 

Auch  diese  Fabrikation  verwendet  vorwiegend  schwache  Hölzer,  die  im  Wege  der 
Durchforstungen  zu  gewinnen  sind,  so  daß  ihre  Einbürgerung  örtlich  eine  nicht  zu 
verachtende  Hebung  des  Holzabsatzes  bewirkt. 

§12.  Holzverbrauch  im  landwirtschaftlichenGe  werbe. 
Der  Hauptverbrauch  der  Landwirtschaft  an  Nutzhölzern  erstreckt  sich  auf  schwächere 
Stangenholzsortimente,  Bohnenstangen,  Hopfenstangen,  Baumpfähle,  Baumstützen, 
Weinpfähle,  sowie  Zaunpfähle  und  Zaungerten,  Stangen  und  Pfähle  zu  Notschuppen, 
Feimen  ^) ;  außerdem  kommt  mancherlei  Reisig  zu  Erbsenreis,  Zäunen,  Bindweiden, 
Besenreisig  in  Betracht,  ferner  Geschirrholz  zu  Deichseln,  Leiterbäumen,  Heu- 
bäumen und  sonstiges  Material  zur  Instandhaltung  der  ländlichen  Fuhrwerke. 

Daß  auch  geringeres  Reisholz  in  zerkleinertem  (gequetschten)  Zustand  und  mit 
einem  Gärungsstoff  (Sauerteig)  versetzt,  vorteilhaft  zur  Fütterung  von  Rind- 
vieh und  Pferden  verwendet  \\erden  kann,  wurde  durch  X'ersuche  festgestellt,  welche 
Gutsbesitzer  von  Jena-  Cöthen  und  Prof.  Dr.  R  a  m  a  n  n  angestellt  haben.  (Vergl. 
Dr.  R  a  m  a  n  n  und  von  Jena-Cöthen:  Holzfütterung  und  Reisigfütterung, 
Berlin  1894.)  Auch  hat  man  aus  Sägemehl,  Kleie  und  Roggenmehl  Brote  hergestellt, 
die  ein  brauchbares  Pferdefutter  darstellen. 

Die  meiste  Beachtung  des  Forstmannes  verdient  der  Bedarf  an  Hopfen- 
stangen und  W  e  i  n  p  f  ä  h  1  e  n,  die  in  großen  Mengen  begehrt  werden  und 
zu  Zeiten  einen  sehr  guten  Absatz  für  Durchforstungsergebnisse  selbst  entlegener 
Waldungen  darbieten. 

Die  Hopfenstangen,  deren  Absatz  allemal  dann  besonders  ausgedehnt 
zu  sein  pflegt,  wenn  einige  gute  Hopfenjahre  vorausgegangen  sind,  durch  welche 
der  Antrieb  zur  weiteren  Ausdehnung  der  Hopfenanlagen  gegeben  wird,  sind  Gegen- 
stand des  Großhandels.  Man  unterscheidet  im  Handel  verschiedene  Preisklassen  von 
Hopfenstangen  je  nach  Stärke  und  Länge  der  Stangen,  die  örtlich  verwendeten 
Längen  richten  sich  nach  dem  Längenwuchs  des  Hopfens  auf  den  einzelnen  Stand- 
orten. Verwendung  finden  mit  Vorliebe  Fichtenstangen,  seltener  Tannen  und  Kie- 
fern. Zur  Förderung  des  Austrocknens,  behufs  Ersparnis  an  Fracht,  werden  die  Stan- 
gen entrindet,  jedoch  nur  streifenweise,  so  daß  die  Hopfenranken  noch  Halt  finden. 
Neuerdings  werden  vielfach  Drahtanlagen  hergestellt,  wobei  nicht  mehr  die  schwachen 
Hopfenstangen,  sondern  stärkere  Stangen,  ja  selbst  schwache  Stämme  der  Nadel- 
hölzer zur  Herstellung  der  Gerüste  Verw'endung  finden. 

W  e  i  n  p  f  ä  h  1  e  gewinnt  man  aus  Eichen,  Fichten,  Tannen,  Kiefern,  sowie 
auch  Kastanien  und  Akazien.  ]\Ian  unterscheidet  die  wertvolleren  gespaltenen  und 
die  weniger  dauerhaften  gesägten  und  runden  Weinbergpfähle.  Die  Kastanien- 
pfähle, die  im  Elsaß  in  Verwendung  stehen,  stellt  man  durch  gespaltene  Stockaus- 
schläge der  Edelkastanie  her,  die  im  Niederwaldbetrieb  gewonnen  werden. 

1)  Ein  beaclitenswerter  Absatz  von  Eichenpfaliliiölzern  stärkerer  Dimensionen  findet  aus 
Mittel-  und  Süddeutschland  auf  dem  Rhein  nach  Holland  statt,  woselbst  zu  den  Gerüsten  der 
Feimen  in  Sechsecksform  diese  Eichenpfähle  (Ber^ruten  genannt)  tief  in  die  Erde  gerammt  werden. 
Auch  Weißtannenhölzer  werden  zu  diesen  Zwecken  verwendet. 

Handb.  d.  Forstwiss.    2.  .\ufl.     II.  30 


466  IX  B.   Stoetzer,  Forstbenutzung. 

lieber  die  senkrecht  eingeschlagenen  Weinpfähle  werden  da,  wo  man  den  Wein 
in  die  Länge  zieht,  auch  noch  Querlatten  gespannt. 

Die  Verwendung  der  Fichten-,  Tannen-  und  Kiefernweinpfähle  bildet  in 
manchen  Gegenden  einen  beachtenswerten  Beitrag  zur  Erhöhung  der  Nutzholz- 
ausbeute ^). 

§  13.  Brennholz.  Je  mehr  durch  Ausdehnung  des  Eisenbahnnetzes  die 
fossile  Kohle  als  Feuerungsmaterial  für  Wohnungen  und  Fabrikanlagen  an  Boden 
gewonnen  hat,  vmi  so  mehr  ist  der  Bedarf  an  Brennholz  zurückgegangen,  und  es  ist 
in  dieser  Beziehung  in  vielen  Forsthaushalten  ein  völliger  Umschwung  in  den  Absatz- 
und  Verwertungsverhältnissen  eingetreten.  Dank  der  ausgedehnten  Vervvendungs- 
fähigkeit  des  Holzes  als  Nutzholz  zu  den  vielen  Zwecken,  deren  hervorragendste  wir 
bereits  betrachtet  haben,  hat  sich  dieser  Umschwung  in  den  meisten  Gegenden  mit 
nur  vorübergehenden  Störungen  vollzogen;  dieselbe  Eisenbahn,  welche  die  Kohlen 
ins  Land  bringt,  ermöglicht  auch  öfters  die  Ausfuhr  von  Nutzhölzern  in  früher  nicht 
gekanntem  Umfange  und  begünstigt  die  Anlage  nutzholzverbrauchender  Fabriken. 
—  Immerhin  ist  die  Verwendung  des  Holzes  als  Brennholz,  wenn  man  die  i\Iasse 
desselben  im  prozentischen  Verhältnis  zum  Gesamtholzeinschlage  ausdrückt,  gegen- 
über der  des  Nutzholzes  in  Deutschland  immer  noch  überwiegend,  hauptsächlich 
im  Gebiet  der  ausgedehnten  Laubholz-,  namentlich  Buchenforste,  da  sich  der 
Uebergang  zur  grundsätzlichen  Nutzholzwirtschaft  nur  allmählich  vollzieht  und  noch 
viel  langsamer  wirksam  werden  kann. 

Die  Verwendung  des  Holzes  zu  Feuerungszwecken  ist  eine  verschiedene.  Das- 
selbe dient  vorwiegend  zur  Heizung  d  e  r  W  o  h  n  r  ä  u  m  e,  also  zur  Erzeugung 
stetiger  Wärme,  wozu  sich  die  Laubhölzer,  insbesondere  das  Buchenholz,  eignen; 
dann  aber  alsAnzündholz  für  die  Steinkohlenfeuerung,  hier 
ist  das  Nadelholz  vermöge  seiner  raschen  Entzündbarkeit  vorzuziehen;  und  endlich 
zum  Betrieb    gewerblicher   und    industrieller    Anlagen. 

In  geringerem  Umfange  dient  das  Brennholz  auch  der  Gewinnung  von  Holz- 
kohle im  Wege  unvollkommener  Verbrennung,  worauf  diese  dann  ihrerseits  wieder 
in  mannigfaltiger  Weise  seitens  der  Gewerbe  Verwendung  findet. 

Zur  Heizung  der  Wohnräume  sowie  zum  Verbrauch  in  der  Küche  sind  die  harten 
Holzarten,  und  unter  diesen  die  Rotbuche,  besonders  begehrt.  Ihr  nahestehend  ist 
die  Birke  sowie  das  geschälte  Jungeichenholz,  während  Alteiche  im  Wert  bedeutend 
zurücktritt;  altes  Eichenholz  wird  besonders  zum  Räuchern  von  Fleisch-  und  Wurst- 
waren geschätzt. 

Zur  Bäckerei,  zum  Betrieb  mancher  gewerblichen  Anlagen  und  Fabriken,  z.  B. 
Ziegelbrennereien,  Kalköfen,  Porzellanfabriken,  Glashütten,  kurz  zu  allen  Zwecken, 
bei  denen  es  auf  intensive  flammende  Hitze  ankommt,  wird  dem  Nadelholz  der  Vor- 
zug gegeben. 

Die  Kohle  endlich  verwenden  zahlreiche  Gewerbe,  die  Metalle  verarbeiten,  z.  B. 
Schlosser,  Schmiede,  Goldschmiede,  sowie,  wenn  auch  nicht  mehr  im  früheren  Um- 
fange, die  gesamte  Metallindustrie. 

Auch  gebraucht  man  Kohle  zur  Pulverfabrikation,  wobei  für  feineres 
Pulver  die  schwachen,  1  y^ — 3  cm  starken  Ruten  des  Faulbaumholzes  (Rhamnus 
frangula),  für  geringere  Sorten  die  Prügelhölzer  der  Weißerle  in  großen  Mengen  Ver- 
wendung finden. 

In  Glashütten,  in  denen  eine  anhaltende,  stark  brennende  Flamme  not- 
wendig ist,  findet  eine  Verbrennung  resp.  Verkohlung  des  Holzes  statt,  vermittelst 

1)  Schnittspahn,  Anfertigung  der  Wingertspfähle.  F.  Z.-Bl.  1883,  S.  22. 


Verwendung  des  Holzes  und  der  Rinde.     §  14.  467 

deren  ein  Holzgas  gewonnen  wird,  dessen  Flamme  die  Glasmasse?  in  geschmolzenen, 
glühendflüssigen  Zustand  bringt  mid  leichter  darin  erhält  als  bei  unmittelbarer  An- 
wendung von  Holz.  Zur  Herstellung  klarer  Gläser  ist  Brennholz  ganz  unentbehr- 
lich, da  das  Glas  durch  Venvcndung  von  Steinkohlen  getrübt  wird. 

Auch  in  der  P  o  r  z  e  1 1  a  n  f  a  b  r  i  k  a  t  i  o  n  kann  Holz  für  Herstellung  von 
Gegenständen,  die  eine  gewisse  empfindliche  blaue  Farbe  erhalten,  nicht  entbehrt 
werden,  da  bei  Anwendung  der  Kohle  die  sich  bildenden  Gase  durch  ihren  Gehalt  an 
schwefliger  Säure  auf  diese  Farbe  zerstörend  einwirken. 

Durch  Verkohlung  des  Holzes  in  Retorten  werden  neben  der  Kohle  noch 
gewisse  Nebenprodukte,  z.  B.  Holzessig  und  Holzteer,  gewonnen.  Diese 
Stoffe  haben  durch  die  Entwickelung  der  chemischen  Industrie  große  Bedeutung  er- 
langt, der  Holzteer  wird  überdies  in  beträchtlichen  Mengen  zum  Anstrich  von  Schiffen 
verwendet.  Die  gewinnbringende  Erzeugung  dieser  Stoffe  in  Deutschland  ist  jedoch 
durch  den  lebhaften  Wettbewerb  des  billiger  erzeugenden  Auslands  heute  noch  sehr 
erschwert.  Die  ^'erkohlungsindustrie  kann  mangels  eines  wirksamen  Zollschutzes 
nicht  in  Blüte  kommen;  ein  solcher  ist  aber  wohl,  da  es  sich  um  die  Rohstoffe  für 
blühende  Industrien  handelt,  auch  in  Zukunft  nicht  zu  erwarten.  Holzteer  wird  in 
Massen  aus  Schweden,  Finnland  und  Rußland  eingeführt. 

§  14.  H  o  1  z  V  e  r  w  e  n  d  u  n  g  nach  den  verschiedenen  Holz- 
arten und  Sortimenten.  Wir  fassen  hier  das  über  die  Verwendung  des 
Holzes,  insbesondere  des  Nutzholzes,  bisher  Mitgeteilte  zusammen,  und  zwar  getrennt 
nach  den  gebräuchlichsten  Holzarten  und  deren  einzelnen  Sortimenten: 

1.   Laubhölzer. 

Der  Eichenwald  liefert  in  starken  Stämmen  das  Material  zu  Mühl- 
wellen, zu  den  stärksten  Teilen  der  Poch-  und  Hammerwerke,  zu  Schiffsbauholz 
(Holländer),  zu  Brücken-  und  Schleusenbauten,  außerdem  Schneidehölzer  für  das 
Tischler-  und  Glasergewerbe,  zu  Bohlen  für  Brücken,  sowie  in  den  untersten  Stamm- 
teilen Ambosklötze^).  In  großen  Mengen  werden  ferner  die  wertvollsten  Eichenspalt- 
hölzer zu  Fässern  verarbeitet.  Das  mittelstarke  Eichenholz  wird  ausgenutzt  zu  ge- 
wöhnlichem Bauholz,  zu  geschnittenen  Hölzern  für  den  Grubenbetrieb,  in  der  Haupt- 
sache aber,  besonders  bei  mangelnder  Astreinheit,  zu  Bahnschwellenholz.  Auch  fallen 
hier  wiederum,  sowie  in  den  anbrüchigen  Abschnitten  der  stärksten  Klasse  zahlreiche 
Spalthölzer  für  Böttcher  an. 

Die  geringeren  Stämme  verwendet  man  vorzüglich  zu  Wagnerholz,  zu  Pfählen 
für  Erd-  und  Wasserbau,  zu  Pfosten  für  Zäune  und  Umfriedigungen  aller  Art,  ferner 
zu  Grubenholz. 

Die  Stangenhölzer  von  14  cm  abwärts  gewähren  die  Hauptmasse  des  Gruben- 
holzes, sowie  viel  Material  für  Wagner,  für  Umzäunungen,  ebenso  Weinbergpfähle. 
Die  Rinde  jüngerer  Hölzer  (Stockausschläge)  wird  als  Gerbrinde  benützt. 

Der  Buchenwald,  dessen  geringe  Rentabilität  an  vielen  Orten  noch  der 


1)  Ein  bedeutendes  Absatzgebiet  für  süd-  und  westdeutscties  Eiclienholz  bildet  Holland: 
Starke  Stammenden  von  60 — 100  cm  Durclimesser,  in  der  Mitte  durchschnitten  oder  durchspal- 
ten, um  die  Güte  und  Spaltbarkeil  beurteilen  zu  können,  nennt  man  Wagenschuß  (von 
Wainscot,  Wandgetäfel,  abgeleitet).  Man  verlangt  zartes,  astreines,  geradrissiges,  feinfaseriges 
Holz.  Dasselbe  wird  zu  feinen  Tischlerarbeilen,  Vertäfelungen,  Fournieren  etc.  verwandt.  Rund- 
klötze und  beschlagene  Eichen  von  stärkeren  Dimensionen  gehen  als  sog.  Holländer,  die- 
selben können  ästig  sein,  auch  schadet  eine  geeignete  Krümmung  nichts.  Sie  finden  Verwendung 
als  Kanthölzer  und  beim  Schiffsbau.  Bergruten  und  Pfähle  sind  eine  geringere  Art  der 
beschlagenen  Eichen;  erstere  werden  zu  Pfählen  für  Frucht-  und  Heuschober,  letztere  zu  Ramm- 
pfählen und  Bauholz  gebraucht.  In  Betreff  der  Sortimente  des  überseeischen  Handels  aus  den 
Ostseehäfen  vergl.  G  u  s  e  in  Z.  f.  F.  u.  J.  1887,  S.  175. 

30* 


^gg  IX  B.   Stoetzer,  Forslbenutzung. 

Gegenstand  stehender  Klagen  ist,  bietet  nur  in  beschränktem  Älaße  Material  zur  Ver- 
wendung als  Nutzholz.  Im  Hochbau  sind  bei  genügender  Stärke  Buchenschnitthölier 
zu  verwenden  zu  Treppen,  Fußböden,  Parketts. 

Im  Eisenbahnbau  wird  Buchenholz  imprägniert  zu  Schwellen,  für  Brücken  zu 
Belagbohlen  verwandt;  für  Straßenpflaster,  sowie  zur  Pflasterung  von  Pferdeställen 
wird  es  ebenfalls  imprägniert  gebraucht.  Für  Schiffskiele,  sowie  zu  Wasserbauten, 
sofern  das  Holz  ganz  unter  Wasser  kommt,  ist  Buche  stets  sehr  vorteilhaft  zu  ver- 
wenden. Buchenklötze  sind  zweckmäßige  Unterlagen  für  Maschinenbestandteile, 
auch  liefern  sie  sog.  Werkholz  für  Maschinen,  Handgriffe,  Werkzeugstiele  usw.,  und 
ebenso  das  Material  für  Spaltwaren  von  mancherlei  Art  (Siebläufe,  Faßdauben  für 
Butter-  und  andere  zur  Aufbewahrung  trockener  oder  doch  nur  allenfalls  feuchter 
oder  fettiger  Gegenstände  bestimmte  Fässer).  Der  Wagner  gebraucht  Buchen  in 
Massen  zu  Felgen  und  sonstigen  Bestandteilen  der  Oekonomiewagen,  als  Schlitten- 
kufen usw.;  im  Luxuswagenbau  \\ird  Buchenschnittware  verwandt,  ebenso  im 
Pianofortebau;  ausgedehnt  ist  die  Verwendung  zu  Buchenmöbeln.  Kisten  geringerer 
Dimensionen,  sowie  Schatullen,  eine  Menge  landwirtschaftlicher  Geräte,  Bürsten- 
hölzer, Zigarrenwickelformen,  Schuhabsätze,  Schuhleisten,  Klärspäne,  sowie  Haus- 
haltungshölzer der  verschiedensten  Art  verfertigt  man  ebenfalls  aus  Buchenholz,  ge- 
ringere Rundhölzer  geben  Grubenholz.  Die  unbestreitbar  erste  Stelle  nimmt  endlich 
das  Buchenholz  als  Brennholz  und  Kohlholz  ein,  sowohl  was  die  Eignung,  als  was  die 
tatsächlich  verbrauchten  Massen  betrifft. 

Hainbuchen  gebraucht  man  zu  Kämmen  für  Mühlwerke,  zu  Maschinen- 
holz (Werkholz),  zur  Zusammensetzung  von  Fleischwiegeklötzen,  zur  Herstellung  von 
Hammerstielen,   Dreschflegeln,  von  besseren   Schuhleisten,   zu   Schuhmacherstiften. 

Ahorn  verwendet  der  Tischler  zu  Möbeln  und  Fournieren,  man  fertigt  daraus 
Parketts;  in  Holzwarenfabriken  wird  er  in  ausgedehntem  Maße  zur  Herstellung  fei- 
ner Kästchen,  zu  Thermometer-  und  Barometerbrettchen  u.  dergl.  gesucht;  auch  der 
Holzschnitzer  und  Drechsler  verarbeitet  dieses  Holz. 

E  s  c  h  e  n  h  o  1  z  ist  als  Wagner-  und  Schreinerholz  (in  starken  Stücken  zur 
Herstellung  von  iMöbeln),  sowie  beim  Bau  von  Eisenbahnwagen,  ferner  zu  Werkzeu- 
gen, Turngeräten,  Lanzenschäften,  Schneeschuhen  überall  gut  absetzbar. 

Ulme  n  geben  Wagnerholz  sowie  gesuchtes  Tischlerholz;  zu  Hackklötzen  ver- 
wendet man  die  Stammenden. 

Linden  holz  wird  zu  feinen  Schnitzarbeiten,  als  Blindholz  zu  Fournier- 
möbeln,  außerdem  mit  Vorliebe  in  der  Etuisfabrikation  verwandt. 

Birkenholz  gibt  in  genügender  Stärke  gutes  Schnittmaterial  für  Tischler, 
außerdem  findet  es  vielfachen  Absatz  an  Wagner;  die  geringen  Stangen  geben  Reif- 
holz für  Böttcher. 

Rot-Erlen  werden  beim  Wasserbau  gebraucht,  vom  Schreiner  zu  Möbeln, 
insbesondere  Kleinmöbeln  verarbeitet,  außerdem  liefern  sie  Schnittmaterial  zu  Zi- 
garrenkisten; schwaches  Weiß-Erlenholz  gibt  Kohle  zur  Pulverfabrikation. 

Pappel-  und  Aspen  holz  findet  Verwendung  in  der  Kistenfabrikation, 
zu  Etuis,  zu  Blindholz  für  Möbel.  Aspen  werden  ferner  mit  Vorliebe  zur  Papier- 
fabrikation, zu  Zündhölzern  und  Zündholzschachteln  benutzt.  Auch  Mulden  und 
viele  andere  Schnitzfabrikate  stellt  man  aus  ihnen  her. 

E  1  s  b  e  e  r  e  ist  eines  unserer  wertvollsten  Nutzhölzer;  Drechsler  und  Tischler 
benützen  dasselbe ;  besonders  gesucht  und  sehr  gut  bezahlt  wird  es  zur  Verwendung 
für  Thermometer-  und  Barometerbrettchen. 


Verwendung  des  Holzes  und  der  Rinde.     §  15.  469 

2.   Nadelhölzer. 

Die  größte  Ausbeute  an  Nutzholz  gewähren  Fichten  und  Tannen.  Sie 
liefern  die  große  Masse  der  Hoch-,  ^\"asser-  und  Brückenbauhölzer,  Mastholz  beim 
Schiffsbau  sowie  das  Material  zu  Schnittwaren  der  verschiedensten  Art  (Bohlen, 
Bretter,  Latten)  zu  Bauzwecken  und  zur  Verwendung  von  Tischlern  und  Kistenma- 
chern. Spalthölzer  gebraucht  man  zur  Schindel-  und  Schachtelfabrikation  und  zu 
Packfässern. 

Geringere  Stärken  verwendet  man  zu  Gerüststangen,  Telegraphen-  und  anderen 
Leitungsstangen,  zu  Grubenholz,  zur  Herstellung  von  Holzwolle,  und  große  Massen 
von  schwächerem  Rundholz  zur  Papierfabrikation. 

Schlanke  Stangenhölzer  liefern  Bau-,  Hag-,  Hopfen-  und  Bohnenstangen, 
Baum-  und  Weinpfähle  usw. 

Tannenholz  ist  manchen  Ortes  weniger  gesucht  als  Fichte,  insbesondere  weil 
vielfach  alte  Tannen  des  früheren  Blenderwalds  zur  Abnutzung  gelangen,  die  astig 
und  kernschälig  sind  und  deshalb  versteckte  Fehler  haben;  auch  ist  Tannenholz 
schwerer  als  Fichtenholz,  was  höhere  Transportkosten  mit  sich  bringt.  Zu  Fußböden 
verwirft  man  Tanne  wegen  des  Splitterns.  Der  Zimmermann  nimmt  Tannenholz 
weniger  gern  zu  Balken,  weil  seine  Tragkraft  derjenigen  der  Fichte  nachstehen  soll, 
er  verwendet  es  aber  mit  Vorliebe  zu  Schwellen. 

Beim  Wasserbau  hat  es  den  Vorzug  vor  der  Fichte. 

Kiefern  geben  in  stärkeren  Dimensionen  und  bei  genügender  Feinjährigkeit 
ein  gesuchtes  Oualitätsholz  für  Glaser,  Tischler,  sowie  Mastholz.  Auch  findet  Kiefern- 
holz viel  Verwendung  zu  Bahnschwellen.  Als  Bauholz  wird  es  in  den  eigentlichen 
Kieferngegenden  dem  Fichtenholz  vorgezogen,  findet  auch  vielfach  Verwendung  zu 
Treppen,  Zimmerböden,  Täfelungen  usf.  Sehr  gesucht  ist  es  zu  Grubenholz  und 
wird  als  solches  in  ungeheuren  Massen  verbraucht.  Ebenso  wird  es  geschätzt  zu  an- 
dern Verwendungsarten  unter  der  Erde  (Pfähle  zu  Rostwerken);  auch  zu  Eisenbahn- 
wagen, Geschützbettungen  u.sw.  und  hier  der  Fichte  und  Tanne  vorgezogen. 

Lärche  steht  zu  Bauholz  sowie  Schreinerholz,  ebenso  zu  Grubenholz  im  be- 
sten Ansehen.  Oertlich  wird  sie  gesucht  zur  Auskleidung  der  Lohgruben  in  den  Ger- 
bereien, zu  Stallböden,  Düngerfässern  usw. 

Weymouthskiefer  gilt  wegen  ihrer  Stetigkeit  (geringen  Neigung  zum 
Werfen)  als  ein  gutes  Holz  für  Tischlerzwecke  (Blindholz)  sowie  als  Modellholz;  als 
Bauholz  ist  sie  wegen  mangelnder  Tragfähigkeit  für  manche  Zwecke  etwas  mit  Miß- 
trauen angesehen;  gegen  Fäulnis  ist  sie  entschieden  sehr  widerstandsfähig;  Stangen- 
hölzer sind  außerordentlich  zähe  und  haltbar.  Das  Holz  hat  eine  gute  Zukunft  in  be- 
zug  auf  Verwendung  in  der  Zündholzfabrikation,  zu  Kisten,  Jalousien,  Särgen  usw. 

Zürbelkiefer  (Arve)  ist  ein  wertvolles  Tischlerholz,  das  infolge  seiner 
schönen  gelbbraunen  Farbe  namentlich  zu  Täfelungen  gesucht  wird.  Auch  findet  es 
Verwendung  zu  Schnitzarbeiten. 

§  15.    Verwendung   der    Rinden.     Die  Rinden  verschiedener  unserer 

Holzarten,  insbesondere  der  Eiche  sowie  der  Fichte,  untergeordnet  der  Erle  und  Birke, 

finden  vermöge  ihres  Reichtums  an  Gerbsäure  Ver%vendung  beim  Gerben  des  Leders 

aus  tierischen  Häuten.    Als  bestes  gerbstofflieferndes  Material  wird  zweifellos  die 

Eichenrinde  anerkannt ;  ihr  gegenüber  erscheinen  die  Rinden  anderer  Hölzer  teils  als 

Ergänzungs-,  teils  als  Ersatzmittel  i). 

1)  Z.  f.  F.  u.  J.  1879,  S.  1.  Schütze,  Untersuchungen  über  den  Gerbstoffgehalt  der 
Eichenrinde;  das.  1882,  S.  103.  C  o  u  n  c  I  e  r,  Untersuchungen  über  den  Gerbstoffgehalt  der 
Eichenrinde;  das.  1884,  S.  1.  D  e  r  s.,  Gerbstoffgehalt  einiger  inländischer  Rinden;  das.  S.  543. 
D  e  r  s.,  Ueber  einige  inländische  Gerbmalerialien  und  deren  Gerbstoffgehalt. 


470  IX  B.  S  t  o  e  t  z  e  r  ,  Forstbenutzung. 

Eine  Zeitlang  hatte  in  den  1880er  Jahren  eine  Bestrebung  Platz  gegriffen,  um 
die  immerhin  langwierige,  große  Kapitalien  beanspruchende  Loh  gerberei  durch  das 
Verfahren  der  Metallgerbung  mit  Eisen  (nach  Knapp)  oder  Chrom  (nach  H  e  i  n- 
z  e  r  1  i  n  g)  zu  ersetzen.  —  Durchschlagende  Erfolge  im  großen  sind  damit  nicht  erzielt 
worden;  die  Haltbarkeit  und  Güte  lohgaren  Leders,  insbesondere  des  Sohlenleders, 
scheint  eine  längere  Einwirkung  des  Gerbstoffes  auf  die  rohen  Häute  zu  bedingen, 
als  dies  bei  der  Metallgerbung  vorausgesetzt  wird  ^). 

Hingegen  ist  der  inländischen  Lohrinde  ein  beträchtlicher  Wettbewerb  durch 
auswärtige  Rinden  (aus  Ungarn,  Frankreich),  ferner  durch  die  im  Verhältnis  zum 
Wert  billig  zu  verfrachtenden  Gerbsäureextrakte,  endlich  durch  gewisse  Ersatzstoffe 
erwachsen,  z.  B.  die  V  a  1  o  n  e  a,  d.  h.  den  Fruchtbecher  der  Quercus  aegilops  und 
Q.  graeca,  die  K  n  o  p  p  e  r  n,  d.  h.  Gallen  der  Gynips  calycis  auf  den  Fruchtbechern 
der  Eichen,  bes.  in  Ungarn,  30 — 45  °i  Gerbsäure  enthaltend ;  dazu  sind  noch  in 
neuerer  Zeit  gekommen:  D  i  v  i  d  i  v  i,  die  Schoten  eines  Strauches  Caesalpina  co- 
riaria,  M  y  r  o  b  a  1  a  n  e  n,  Früchte  von  Terminalia  Chebula  in  Ostindien,  ferner  die 
Funde  der  Mimosen  u.  a.  Der  bedeutendste  Wettbewerb  erwächst  jedoch  der  deut- 
schen Eichenrinde  in  neuerer  Zeit  durch  das  Quebrachoholz  (Schinopsis  balance), 
das  aus  Argentinien  bezogen  wird  und  in  geraspeltem  Zustand  oder  auch  als  Extrakt 
zur  Anwendung  gelangt,  wodurch  —  gegenüber  dem  älteren  Verfahren  der  Gerberei 
in  Lohgruben  —  eine  wesentliche  Abkürzung  des  Gerbungsprozesses  herbeigeführt 
und  somit  die  Lederfabrikation  verbilligt  wird.  Während  verschiedene  Ersatzstoffe 
nur  zur  Herstellung  leichter  Luxusledersorten  gebraucht  werden,  wird  mit  Hilfe  des 
Ouebracho  auch  Sohlenleder  gegerbt.  Es  ist  eine  Erzeugung  minderwertigen  Leders 
mit  Anwendung  dieses  Stoffes  an  sich  niclit  verbunden;  nur  insofern  soll  dessen 
Güte  beeinträchtigt  werden,  als  eine  Behandlung  der  Häute  mit  angreifenden  Säuren 
behufs  leichter  Schwellung  derselben  mit  der  Verwendung  des  Ouebrachoholzes 
Hand  in  Hand  zu  gehen  pflegt. 

Bei  der  großen  Entwickelung  der  deutschen  Gerbereibetriebe  steht  es  fest,  daß 
der  Bedarf  der  deutschen  Lederfabrikation  an  Gerbmaterial  durch  die  inländische 
Rindenerzeugung  bei  weitem  nicht  gedeckt  wird,  daß  also  ein  Ersatz  des  Mangels 
durch  Einfuhr  und  durch  Ersatzstoffe  unentbehrlich  ist'^). 

Der  Gerbstoff  findet  sich  in  der  Bastschicht  der  Stämme ;  die  Rinde  von  üppig 
erwachsenen  jüngeren  Eichenstämmen  und  Stockausschlägen  aus  den  Eichennieder- 
waldungen (Lohschlägen),  die  noch  eine  glatte  Borke  hat  und  deshalb  S  p  i  e"g  e  1- 
oder  Glanzrinde  genannt  wird,  ist  besonders  reich  an  Gerbsäure  und  daher  am 
wertvollsten.  Die  von  älteren  Eichenstämmen  gewonnene  Rinde  hat  einen  höheren 
Prozentsatz  von  abgestorbener,  harter  Borke,  die  einen  für  die  Gerberei  weniger 
geeigneten  Zusatz  zu  der  eigentlichen  Lohe  darstellt.  Daß  die  jungen  Zweige  der  Eiche, 
insbesondere  der  unverholzten  Spitzen,  einen  bedeutenden  Gehalt  an  Gerbstoff  be- 
sitzen, darauf  hat  schon  Th.  H  a  r  t  i  g  in  seiner  Schrift  (Ueber  den  Gerbstoff  der 
Eiche,  1869)  aufmerksam  gemacht,  neuerdings  wird  diese  Erfahrung  praktisch  zur 
Gewinnung  von  Eichenlohextrakt  verwertet.  Auch  aus  Eichenastknüppeln  gewinnt 
man  Tannin ;  diese  Fabrikation  findet  sich  u.  a.  in  Slavonien ;  1885  wurde  berichtet,  daß 
eine  einzige  dortige  Eichenholzextraktfabrik  jährlich  80000  rm  Abfallholz  verarbeite  '). 

1)  Z.  f.  F.  u.  J.  1883,  S.  30G.  v.  .\  1  t  e  n  ,  Die  Mineralgerbung,  ferner  über  denselben  Gegen- 
stand   A.  F.-  u.  J.-Z.  1881,  S.  213. 

2)  Mit  diesen  Fragen,  sowie  mit  der  öl<onomischen  Seite  des  Eichenschälwaldes  beschäftigen 
sich:  Schenk,  Die  Rentabilität  des  deutschen  Eichenschälwaldes,  Darmstadt  1899.  J  e  n  t  s  c  h, 
Der  deutsche  Eichenschälwald  und  seine  Zukunft,  Berlin  1899. 

3)  Oe.  F.  1885.  Nr.  44.  Ueber  die  neuere  Tanninfabrikation  in  .Slavonien  berichtet  Forstass. 
M  e  r  t  e  n  in  Ztschr.  für  F.  u.  J. -Wesen  1900,  Heft  5. 


\'erwendung  des  Holzes  und  der  Rinde.     §  15.  47I 

Von  den  in  Deutschland  heimischen  Eichenarten,  der  Stiel-  und  der  Trauben- 
eiche, gilt  die  letztere  als  diejenige,  welche  eine  fleischigere,  gerbstoffreichere  Rinde 
gewährt.  In  Süd-  und  Westdeutschland  überwiegt  sie,  im  Norden  und  Osten  ist  die 
Stieleiche  vorherrschend. 

Wichtiger  als  die  Gattung  der  Eiche  ist  für  die  Güte  der  Rinde  der  Standort, 
auf  dem  das  Holz  erwächst,  das  Zusammenwirken  von  Boden,  Lage  und  Klima. 

Warmes  Klima  in  Verbindung  mit  sonniger  Lage  und  einem  mineralisch  nicht 
unkräftigen  Boden  sind  die  wesentlichsten  Faktoren  für  Erzeugung  guter  Eichenlohe. 
Zu  den  bekanntesten  Eichensciiälwaldgebieten  Deutschlands  gehören  die  Rhein-, 
Mosel-  und  Nahelandschaften,  sowie  die  Saargegend  imd  der  Odenwald,  vielfach  mit 
einem  Untergrund  von  sich  stark  erwärmendem  lockeren  Schieferboden,  im  Odenwald 
jedoch  von  buntem  Sandstein.  Die  rheinischen  Rinden  sind  weltbekannt;  mit  ihnen 
treten  französische  und  ungarische  Rinden  in  Wettbewerb. 

Die  Betriebsform  des  Eichenniederwaldes  liefert  insofern  die  besten  Rinden,  als 
mit  zunehmendem  Alter  der  Bestände  die  Güte  der  Rinde  entschieden  abnimmt. 
Man  bezeichnet  deshalb  auch  die  niedrigen  Umtriebe  von  12 — 16  Jahren  als  die  zweck- 
mäßigsten für  den  Eichenschälwald. 

Infolge  des  Umstandes,  daß  für  die  gute  Entwickelung  der  Lohrinde  starke 
Einwirkung  des  Lichtes  von  besonderem  Wert  ist,  wird  das  Belassen  von  Oberholz 
im  Eichenschälwald  durchgehends  verworfen,  ja  es  werden  angemessene  Durchfor- 
stungen, sowie  insbesondere  der  Aushieb  der  Weichhölzer  (des  sog.  Raumholzes) 
einige  Jahre  vor  dem  beabsichtigten  Abtrieb  sehr  empfohlen ;  überhaupt  erscheint  es 
geraten,  Lohschläge  womöglich  in  ganz  reiner  Eichenbestockung  zu  haben.  Was  den 
Einfluß  der  Durchforstungen  anlangt,  so  gibt  Gayer  denselben  dahin  an,  daß  die 
Menge  an  Holz  um  27%,  an  Rinde  um  20 °i  erhöht  werde;  gleichzeitig  bewirkt  die 
freiere  Stellung  der  Stockausschläge  eine  Zunahme  der  Rindengüte.  Die  LTnterlas- 
sung  der  Grasnutzung  und  des  Weidebetriebs  in  Schälwaldungen  sollen  ebenfalls  zur 
Erhöhung  der  Rindengüte  nicht  unwesentlich  beitragen. 

Neben  der  Eichenrinde  dient  die  F  i  c  h  t  e  n  r  i  n  d  e  als  Gerbmaterial.  Sie 
wird  für  bestimmte  Zwecke  als  notwendig,  ja  unentbehrlich  bezeichnet.  Sie  wird  ins- 
besondere verwendet  zur  Zubereitung  des  Kalb-  und  schwachen  Rindleders ;  zur  Her- 
stellung starken  Sohlenleders  ist  sie  nur  im  Gemisch  mit  Eichenlohe  oder  Ersatz- 
stoffen verwendbar.  Besonders  im  Norden  und  Osten  Deutschlands,  sowie  in  den 
Ostseeprovinzen  und  in  Polen  findet  sie  Verwendung. 

Man  gewinnt  die  Fichtenrinde  besonders  in  solchen  Gebirgslagen,  in  denen 
Sommerfällung  üblich  ist;  junge  Stämme  mit  glatter  Rinde  liefern  das  beste  ^Material 
und  zwar  nicht  wegen  eines  geringeren  Gerbstoffgehaltes  der  starken  Borke,  sondern 
wegen  eines  in  letzterer  .vorhandenen  rötlichen  Farbstoffes,  der  das  Leder  etwas  dunk- 
ler machen  soll. 

Lärchenrinde  wird  in  Deutschland  wohl  kaum  zur  Gerberei  benützt, 
hingegen  in  Rußland,  Ungarn,  Oesterreich  mit  Vorliebe  verwendet.  In  den  Alpen  und 
Karpathen  soll  sie  sogar  der  Fichtenrinde  vorgezogen  werden.  Es  dürfte  die  Nicht- 
beachtung in  Deutschland  an  ihrem  verhältnismäßig  seltenen  Vorkommen  liegen; 
nach  Councler  ist  ihr  Gerbstoffgehalt  bedeutend  höher  als  derjenige  der  Fichte.  Nach 
diesem  Autor  ist  auch  die  Weißtannenrinde  nicht  so  arm  an  Gerbstoff  als 
gewöhnlich  angenommen  wird. 

In  Amerika  wird  die  Rinde  der  Hemlocktanne  (Tsuga  canadensis)  zur  Gerberei 
benützt.   Dieselbe  wird  auch  nach  Deutschland  ausgeführt. 

Weidenrinden  sollen  als  Gerbematerial  in  Rußland  namentlich  zum  Ger- 


472  IX  B.   Stoetzer,  Forstbenutzung. 

ben  des  Juchtenleders  geschätzt  werden ;  in  Deutschland,  wo  infolge  der  Verwendung 
geschälter  Weiden  zur  Korbwarenfabrikation  viel  Weidenrinden  zu  gewinnen  wären, 
ist  dies  nicht  der  Fall,  und  es  soll  nach  Councler  auch  kaum  Aussicht  vorhanden  sein, 
daß  Weidenrinden  bei  uns  zum  Gerben  benutzt  werden.  Während  das  Gerbstoff- 
prozent der  Eichenrinde  je  nach  Alter  und  Güte  zwischen  8 — 12%  beträgt,  Fichten- 
rinde etwa  10%  Gerbstoff  enthält,  hat  Weidenrinde  nach  Councler  nicht  mehr  als 
5-7%  1). 

Auch  Birkenrinde  gelangt  in  nordischen  Ländern  in  untergeordnetem 
Maße  bei  der  Gerberei  zur  Anwendung.  Bei  Darstellung  des  Juchtenleders  findet  eine 
Tränkung  desselben  mit  Birkenöl,  einem  Extrakt  aus  der  obersten  weißen  Schichte 
der  Birkenrinde,  statt. 

II.  Gewinnung  des  Holzes  und  der  Rinde. 

§  16.  F  ä  1 1  u  n  g  s  p  1  a  n.  In  jedem  größeren  Forsthaushalt  wird  die  Holz- 
nutzung in  bestimmten  Grenzen  der  Nachhaltigkeit  betrieben.  Die  Normen  für  die- 
selbe liefert  die  Ertrags-  und  Betriebsregelung,  welche  Bestimmung  darüber  trifft, 
wie  viel  alljährlich  zu  schlagen  ist  und  w  o  und  in  welcher  Weise 
die  Nutzungen  zu  erheben  sind.  Damit  ist  die  Art  des  Vorgehens  der  Ernte  am  ein- 
zelnen Orte  bestimmt").  Dem  wirtschaftenden  Beamten  liegt  die  Aufgabe  ob,  vor 
Beginn  eines  neuen  Wirtschaftsjahres  einen  ins  Einzelne  gehenden  Fällungsplan  auf- 
zustellen, der  die  Nutzungsmassen  bestimmt  imd  auf  die  einzelnen  Ernteorte  verteilt. 
Dieser  Plan  hat  alsdann  als  Richtschnur  für  die  Hiebsanordnungen  des  betreffenden 
Jahres  zu  dienen. 

Der  Fällungsplan  hat  innerhalb  der  Grenzen  der  Nachhaltigkeit  einen  möglichst 
hohen  Ertrag  des  Waldes  anzustreben.  Die  Hauungen  müssen  so  geleitet  werden, 
daß  der  herrschenden  Nachfrage  möglichst  entsprochen  wird,  sie  müssen  dafür  sorgen, 
daß  das  in  den  Jahresschlägen  imd  deren  Ergebnissen  bestehende  Verkaufslager  des 
Forstwirtes  nach  Möglichkeit  alle  marktfähigen  Sortimente  in  geeigneter  Menge  auf- 
weist; es  empfiehlt  sich  daher,  aus  jeder  der  innerhalb  eines  Revieres  vorkommenden 
Bestandesarten  in  jedem  Jahr  einen  angemessenen  Teil  des  Massennutzungssatzes  zu 
nutzen  und  nicht  etwa  in  einem  Jahr  vorwiegend  Hölzer  von  der  einen,  im  anderen 
Hölzer  von  einer  anderen  Sorte  zum  Einschlag  und  zur  Verwertung  zu  bringen;  sofern 
die  Marktlage  es  nicht  ausnahmsweise  wünschenswert  macht,  von  der  einen  Holzart 
etwas  mehr  Masse  auf  den  Markt  zu  bringen  als  dies  durchschnittlich  zulässig  ist,  wie 
z.  B.  bei  einer  durch  Bauten  in  der  Nähe  des  Reviers  bedingten  größeren  Nachfrage 
nach  Bauholz,  bei  einer  zufälligen  Möglichkeit  der  Verwertung  gewisser  seltener  Sor- 
ten, z.  B.  Schiffsbauhölzer  und  dergl. 

Auch  darauf  ist  zu  sehen,  daß  Endnutzungen  und  Durchforstungen  in  nachhalti- 
ger Weise  nebeneinander  betrieben  und  nicht  die  eine  Nutzungsart  zu  Ungunsten  der 
anderen  in  einem  Jahre  besonders  bevorzugt  werde.  Jedoch  sind  auch  hierbei  Aus- 
nahmen nicht  nur  zulässig,  sondern  unter  Umständen  geradezu  geboten.  So  z.  B.  wird 
man  die  Erfahrung  machen,  daß  Hopfenstangen  in  einzelnen  Jahren  ausgezeichnet  gut 
zum  Handel  zu  verwerten  sind,  in  einer  ganzen  Reihe  darauf  folgender  Jahre  hingegen 
wiederum  nicht.  Offenbar  ist  es  deshalb  geboten,  eine  solch  günstige  Marktlage  best- 
möglich auszunutzen  und  eintretendenfalls   dem  Betrieb   der   Durchforstungen   zur 


1)  Z.  f.  F.  u.  J.  V.  1884,  S.  551  und  das.  1886,  S.  296. 

2)  Näheres  über  diesen  Gegenstand,  und  zwar  sowohl  bezüglich  allgemeiner  Erwägungen, 
wie  auch  der  Betrachtung  der  einzelnen  Betriebsarten  vergl.  Wagner,  „Grundlagen  der  räumlichen 
Ordnung  im  Walde",  2.  Aufl.,  S.  252 — 270  (2.  Kapitel,  Die  Ernte  des  Holzes),  sowie  S.  280 — 292. 


Gewinnung  des  Holzes  und  der  Rinde.     §   17.  473 

Gewinnung  der  Hopfenstangen  selbst  unter  Zurückstellung  von  Endnutzungen  eine 
entsprechend  große  Ausdehnung  zu  geben. 

Einem  verfeinerten  Betriebe  (Kleinflächenwirtschaft)  wird  eine  gewisse  Verviel- 
fältigung der  Schlagorte  zur  Gewinnung  von  möglichst  reicher  Auswahl  in  den 
Schlagergebnissen  und  zur  Vermehrung  der  Sortenausbeute  in  der  Regel  sehr  zu 
statten  kommen. 

§  17.  F  ä  1 1  u  n  g  s  z  e  i  t.  Die  allgemeine,  von  alters  her  in  Geltung  befindliche 
Regel  geht  dahin,  daß  die  Holzfällungen  möglichst  außer  der  Wachstumszeit  zu  be- 
treiben sind,  und  diese  alte  praktische  Erfahrung  bestätigt  sich  auch  in  den  Ergeb- 
nissen der  wissenschaftlichen  Untersuchungen  der  neueren  Zeit  und  ergibt  sich  ebenso 
aus  dem  inneren  organischen  Bau  und  der  Zusammensetzung  des  Holzkörpers  aus 
verschiedenen  organischen  Stoffen  und  deren  verschiedenen  Beschaffenheit  in  und 
außerhalb  der  Vegetationszeit.  Jene  Periode,  vom  Laubabfall  bis  zum  Wiederaus- 
bruch des  Laubes  bemessen,  nennt  man  auch  die  Wadelzeit  oder  den  W  a  d  e  1. 
Innerhalb  derselben  sind  namentlich  die  Hauungen  im  Laubholz  zu  betreiben. 

Von  größter  Wichtigkeit  ist  dies  in  Buchenbeständen,  deren  Verwertung  als 
Nutzholz  beabsichtigt  ist.  Die  unangenehmste  Eigenschaft  des  Buchennutzholzes  ist 
die,  daß  es  so  leicht  reißt  und  stockig  wird ;  das  einzige  im  großen  praktisch  anzuwen- 
dende Mittel  hiergegen  ist,  das  Holz  sehr  früh  im  Winter  zu  fällen  und  dann  so  zeitig 
wie  möglich  im  rohen  zu  verarbeiten  i). 

Was  den  Einfluß  der  Fällungszeit  auf  die  anderen  Hölzer,  namentlich  Nadel- 
hölzer anlangt,  so  nimmt  man  vielfach  an,  daß  im  Sommer  gefälltes  Holz  der  Verbrei- 
tung des  Hausschwammes  günstiger  sei  als  das  im  Winter  gefällte  -). 

Eine  Scheidung  lediglich  von  Sommer-  und  W  i  n  t  e  r  f  ä  1 1  u  n  g,  wie  üb- 
lich, dürfte  nicht  einwandfrei  sein,  insofern  es  sowohl  innerhalb  wie  außerhalb  der 
Vegetationszeit  ^lonate  gibt,  die  der  Fällung  in  Hinblick  auf  die  Güte  des  Holzes 
günstig  und  ungünstig  sind.  Entscheidend  für  die  Beurteilung  der  Fällungszeit  ist 
die  Güte  des  Holzes,  das  aus  ihr  hervorgeht,  und  diese  hängt,  da  ja  die  Holzqualität 
auf  dem  Stocke  zu  allen  .Jahreszeiten  dieselbe  ist,  in  erster  Linie  von  der  Witterung 
ab,  die  unmittelbar  nach  der  Fällung,  also  in  denjenigen  Monaten 
herrscht,  während  deren  das  Holz  gefällt  und  aufbereitet  im  Walde  liegt,  um  wald- 
trocken zu  werden;  dann  wohl  auch  von  der  Menge  und  Form,  in  der  die  dem  Angriffe 
der  Pilze  am  meisten  ausgesetzten  Stoffe,  Eiweiß,  Zucker  usw.  zur  Zeit  der  Ernte  im 
Holze  vorhanden  sind.  Befinden  sich  letztere  in  Ruheform  und  zeigt  die  Witterung 
nach  der  Fällung  noch  längere  Zeit  eine  sehr  niedrige  Temperatur  oder  herrscht  große 
Trockenheit,  so  daß  dem  Holze  Zeit  bleibt,  gut  auszutrocknen,  ehe  die  Pilze  ein- 
dringen köiuien,  so  wird  die  Holzqualität  eine  gute  sein,  andernfalls  werden  die  Schlag- 
produkte durch  Lagerung  im  Walde  leiden. 

Gute  Fällungszeiten  wird  darum  vor  allem  der  Vorwinter  (Oktober  bis  Ja- 
nuar) aufweisen,  der  demgemäß  auch  für  alle  Holzarten  als  beste  Fällungszeit  gilt, 
denn  hier  bleibt  den  aufbereiteten  Hölzern  reichlich  Zeit,  auszutrocknen,  ehe  mit 
steigender  Temperatur  die  Pilzwucherung  beginnt ;  auch  enthält  das  Holz  Eiweiß  und 
Kohlenhydrate  in  Ruheform.  Bedingt  wird  auch  die  Zeit  des  ersten  Safts  (Mitte 
Mai   bis  Mitte  Juni)  in  Frage  kommen,   da  hier,  bei  günstiger  Witterung  wenig- 


1)  Am  besten  soll  Buchenholz  vor  dem  Reißen  zu  schützen  sein,  wenn  man  die  Stämme 
im  Winter  fällt,  aber  mit  dem  Reisig  bis  zum  .\usbruch  des  Laubes  liegen  läßt,  wobei  die  Schnitt- 
fläche des  Stammes  zu  bedecken,  längs  derselben  die  Rinde  streifenweise  zu  entfernen  ist  (B  i  a  1  1  a 
in  Oe.  F.  1885,  S.  2).    Das  Austrocknenlassen  durch  die  Belaubung  ist  übrigens  uralt. 

2)   G  ö  p  p  e  r  t ,   Prof.,   Der   Hausschwamm,  herausgegeben   und  vermehrt  von   Prof.   Dr. 
Poleck   1885.    Rob.   Hartig,   Der  Hausschwamm  1885. 


474  IX  B.   Stoetzer,  Forslbenutzung. 

stens,  rasches  Austrocknen  stattfindet,  das  durch  volle  Entrindung  noch  beschleu- 
nigt wird. 

Als  schlechte  Fällungszeiten  werden  dagegen  Nachwinter  und  Frühjahr  (Januar 
bis  Anfang  Mai)  und  die  Zeit  des  zweiten  Safts  (Zeit  von  Mitte  Juni  ab)  zu  gelten 
haben. 

Die  in  Hinsicht  auf  die  verschiedene  Dauer  der  zu  verschiedenen  Jahreszeiten 
gefällten  Hölzer  angestellten  Untersuchungen  haben  noch  keine  über  alle  Zweifel  er- 
habenen Resultate  zutage  gefördert;  nach  Professor  Bauschinger  in  München  haben 
Fichten  und  Kiefern,  die  im  Winter  gefällt  wurden,  2 — 3  Monate  nach  ihrer  Fällung 
geprüft,  unter  sonst  gleichen  Umständen  eine  um  ca.  25%  größere  Festigkeit  und 
Elastizität  ergeben,  als  solche,  die  im  Sommer  geschlagen  waren.  Ein  in  Tharandt 
gemachter  größerer  Versuch  zur  Feststellung  der  besten  Fällungszeit  für  Nadelhölzer 
erfolgte  so,  daß  man  in  jedem  Monat  Fichten  fällen  und  zerschneiden  ließ,  hierauf 
aber  die  Stöcke  von  jedem  Monat  gleichmäßig  auf  die  verschiedenste  Weise  behandelte 
(Aufbewahrung  auf  luftigem  Speicher,  in  feuchtem  Räume,  im  Freien,  unter  Dach  etc.). 
Hierbei  hat  sich  keinerlei  Gesetzmäßigkeit  hinsichtlich  des  günstigeren  Einflusses  der 
einen  oder  der  anderen  Fällungszeit  ergeben,  sondern  es  waren  die  äußeren  Umstände 
und  Einwirkungen,  denen  die  Hölzer  ausgesetzt  waren,  für  ihre  größere  oder  geringere 
Dauer  maßgebend  ^). 

Nach  anderen  vergleichenden  Beobachtungen  fand  man  die  im  Vorwinter  ge- 
fällten Hölzer  dauerhafter  als  die  vom  Januar  an  geschlagenen^). 

Trotzdem  sind  Ausnahmen  von  der  Regel  der  Winterfällung  unter  gewissen  Um- 
ständen unvermeidlich.  Im  rauhen  Gebirge,  in  dem  hoher  Schneefall  die  Holzhauerei 
innerhalb  der  eigentlichen  Wintermonate  geradezu  unmöglich  machen  \\'ürde,  kann 
diese  erst  mit  dem  beginnenden  Frühjahr  eingeleitet  werden  und  dauert  in  der  Regel 
bis  spät  in  den  Sommer  hinein."  Sie  hat  es  in  der  Hauptsache  mit  der  Fällung  der 
Nadelhölzer  zu  tun,  und  es  ist  Sommerfällung  hier  von  Vorteil,  insofern  durch  die- 
selbe die  Möglichkeit  des  Schälens  der  Nadelhölzer  gegeben  ist,  was  sowohl  mit  Rück- 
sicht auf  die  Verwertung  der  Rinden,  als  auch  wegen  des  Austrocknens  der  Hölzer 
behufs  des  erleichterten  Transportes  derselben,  insbesondere  bei  bestehender  Flößerei 
(Trift),  endlich  auch  wegen  Abwehr  des  Nutzholzbohrkäfers  (Bostrichus  lineatus)  und 
des  gewöhnlichen  Borkenkäfers  (Bostrichus  typographus)  hier  unerläßlich  ist. 

Der  Hieb  im  ersten  Safte  mit  vollständiger  Entrindung  hat  bei  Fichte  und 
Tanne  den  Vorteil,  daß  infolge  des  raschen  und  guten  Austrocknens  in  der  Mai- 
und  Junihitze  das  noch  wenige  Reservestoffe  enthaltende  Holz  schöne  weiße 
Farbe  zeigt,  also  zu  Schnittwaren  beliebt  ist,  da  Schimmelpilze  nicht  Zeit  hatten,  zu 
wuchern.  Doch  ist  der  Erfolg  sehr  von  der  Witterung  abhängig,  auch  wirkt  das  stär- 
kere Reißen  des  Holzes  nachteilig.  Sehr  ungünstige  Eigenschaften  zeigt  dagegen 
nach  den  Erfahrungen  des  Bearbeiters  das  Holz  aus  dem  sog.  zweiten  Safte  (um  Jo- 
hanni);  dasselbe  trocknet  schlecht  aus,  bleibt  daher  schwer  und  liefert  graugefärbte 
Schnittwaren. 

Im  Ausschlag\vald  ist  die  Periode  strengster  Winterkälte  zur  Ausführung  der 
Hauungen  unzweckmäßig,  weil  die  Stöcke  unter  der  Einwirkung  des  Frostes  leicht 
eingehen.  Es  empfiehlt  sich  also  der  Nachwinter  als  zweckmäßigste  Hiebszeit  behufs 
Erlangung  guten  Stockausschlages,  es  sei  denn,  daß  man  in  Brüchern  (Erle)  wegen 
der  Nässe  nur  im  Winter  mit  hartem  Frost  arbeiten  kann ;  in  E  i  c  h  e  n  s  c  h  ä  1- 
schlagen  findet  die  Frühlingsfällung  ausschließliche  Anwendung,  da  die  Gewin- 


1)  Tharandter  Jahrbuch  1879,   S.   53  ff. 

2)  Allg.  F.-  u.  J.-Ztg.  1883,  S.  432. 


Gewinnung  des  Holzes  und  der  Rinde.     §  18.  475 

nung  der  Eichenrinde  an  die  Periode  des  Knospen-  und  Laubausbruches  gebunden  ist. 
Nach  neueren  Erfahrungen  empfiehlt  es  sich  hier  jedoch  ganz  besonders,  mit  dem 
Hieb  der  Stockausschläge  und  mit  dem  Schälen  derselben  nicht  länger  als  unumgäng- 
lich nötig  zu  warten,  da  ein  Rückgang  des  Gewichtes  der  Rinde  mit  deua  Fortschreiten 
der  Jahreszeit  verbunden  zu  sein  scheint^).  Auch  für  Durchforstungen  in  Laubholz- 
beständen ist  der  Vorsommer  zweckmäßig,  weil  die  bei  diclitem  Stand  schlank  er- 
wachsenen Stangen,  wenn  dieselben  im  blattlosen  Zustand  freigestellt  werden,  dem 
Schneebruch  des  Winters  leichter  unterliegen,  als  wenn  sie,  während  der  Vegetations- 
periode durchforstet,  Zeit  gehabt  haben,  noch  etwas  fortzuwachsen  und  hierbei  zu 
erstarken. 

Lichtende  Aushiebe  in  natürlichen  Verjüngungen  wird  man  hingegen  tunlichst 
im  Winter  bei  Schnee  vornehmen,  um  deua  Nachwuchs  durch  den  Fällungsbetrieb 
und  das  Anrücken  möglichst  wenig  Schaden  zuzufügen. 

Die  Aufarbeitung  von  Bruch-  und  Dürrhölzern  pflegt  man  stets  so  zeitig  als 
möglich  vorzunehmen,  um  etwaigen  Insektenschäden  vorzubeugen. 

Von  besonderer  Bedeutung  ist  die  frühzeitige  Anlage  der  Hauungen  zur  Gewin- 
nung der  Nutzhölzer.  Die  Erfahrung  lehrt,  daß  in  der  Regel  bei  zeitigem  Verkauf 
die  besten  Ergebnisse  erzielt  werden.  Namentlich  gilt  dies  für  Laubnutzholz  und 
hier  besonders  für  Buchen-,  Eschen-,  Ahornstammholz  usw.,  für  Eisenbahnschwellen, 
sowie  für  Grubenholz,  desgleichen  für  Hopfenstangen.  Es  ist  eine  gewöhnliche  Er- 
scheinung, daß  die  Holzkäufer  Gewicht  darauf  legen,  frühzeitig  den  Jahresbedarf  zu 
decken,  so  daß,  um  in  dieser  Hinsicht  sicher  zu  gehen,  bei  den  ersten  Ankäufen,  die 
sie  abschließen,  nicht  selten  höhere  Preise  von  ihnen  angelegt  werden  als  später. 

Holzhändler,  welche  Schwellen  und  andere  Hölzer  zurichten  lassen,  haben  na- 
mentlich auch  mit  Rücksicht  auf  die  ihnen  während  der  Winternionate  leichter  zur 
Verfügung  stehenden  Arbeitermannschaften,  sowie  auf  deren  fortlaufende  Beschäf- 
tigung auf  zeitigen  Einkauf  besonders  Bedacht  zu  nehmen. 

In  vielen  Gegenden,  in  denen  die  Holzhauerei  nicht  das  ganze  Jahr  hindurch 
betrieben  wird,  bildet  sie  eine  gerne  benutzte  Arbeitsgelegenheit  für  Arbeiter,  die  wäh- 
rend des  Sommers  in  der  Landwirtschaft,  beim  Baugewerbe  oder  sonstwie  beschäftigt 
sind,  so  daß  die  Rücksicht  auf  rechtzeitige  Beschäftigung  solcher  Arbeiter  als  Holz- 
hauer dazu  auffordert,  zeitig  im  Herbst  mit  dem  Holzhauereibetrieb  zu  beginnen. 
Zu  erwähnen  ist  noch,  daß  beim  Winterfällungsbetrieb  dann,  wenn  das  Holz  fest  ge- 
froren ist,  die  Arbeit  eingestellt  werden  muß,  da  sonst  die  fallenden  Hölzer  leicht  zer- 
splittern, bei  vorhandenem  Nachwuchs  auch  dieser  mehr  beschädigt  wird  als  bei  ge- 
linderer Witterung,  und  auch  für  die  x\rbeiter  selbst  gesteigerte  Gefahr  besteht. 

§18.  Art  des  Holz  hau  ereibetriebs  und  Anweisung  der 
Holzhauer.  In  den  meisten  größeren  deutschen  Forsthaushalten  pflegt  man  es 
für  unzulässig  zu  erachten,  die  Holzernte  auf  dem  Stock  zu  verkaufen  und  dem  Emp- 
fänger die  Nutzung  zu  überlassen  (Verkauf  en  bloc),  sondern  man  huldigt  dem  Grund- 
satz, die  Fällung  und  Aufarbeitung  des  Holzes  und  der  Rinde  auf  Rechnung  des  Wald- 
eigentümers zu  betreiben,  mag  nun  der  Verkauf  auf  dem  Stock  oder  erst  in  aufberei- 
tetem Zustande  erfolgen.  In  der  Tat  ist  auch  im  allgemeinen  der  Verkauf  en  bloc 
—  ein  Verfahren,  das  in  Frankreich  noch  allgemein  herrschend  ist  und  früher  auch 
in  Elsaß-Lothringen  üblich  war,  aber  nach  der  Aufnahme  dieser  Länder  ins  Deutsche 
Reich  von  der  deutschen  Verwaltung  alsbald  abgeschafft]|wurde  —  für  eine  gute  Kon- 
trolle der  geschätzten  Holzmassen  ungeeignet;  auch  begibt  man  sich  dabei  der  Mög- 
lichkeit einer  Entscheidung  über  die  im  Wald  zu  beschäftigenden  Arbeiter,  so  daß  die 
1)  V.  Esch  Wege  in  Z.  f.  F.  u.  J.  1886,  S.  283. 


476  IXB.   Stoelzer,  Forstbenutzung. 

Möglichkeit  des  Begehens  von  Unterschleifen  seitens  derselben  keineswegs  ausgeschlos- 
sen ist;  ferner  geht  man  des  Vorteils  verlustig,  den  eine  gut  geschulte  Holzhauermann- 
schaft, die  durch  ihre  Verwendung  im  Dienste  des  Waldbesitzers  zu  Anhänglichkeit 
an  den  Wald  erzogen  wird,  dem  letzteren  in  vielen  Fällen  bietet. 

Zulässig  dürfte  das  Verfahren  der  Gewinnung  und  Aufarbeitung  durch  den 
Empfänger  oder  auf  dessen  Rechnung  bei  Stock-  und  Wurzelholz  und  bei  schwäche- 
rem Ausschlagholz  sein,  das  keinen  großen  Wert  hat,  und  bei  dessen  Fällung  nicht 
gerade  große  Mißgriffe  zu  befürchten  sind.  Bei  Reinigungs-  und  Durchforstungs- 
material  kann  man  dem  Käufer  wenigstens  die  Aufbereitung  überlassen. 

Wenn  man  an  manchen  Orten  durch  Ueberlassen  der  Selbstgewinnung  verkauf- 
ter Hölzer  an  den  Käufer,  z.  B.  auch  beim  Verkauf  von  Bauholz  im  Stehen,  bessere 
Geschäfte  zu  machen  glaubt,  als  bei  Aufarbeitung  desselben  auf  Rechnung  der  Forst- 
kasse, so  kann  dies  nur  dann  der  Fall  sein,  wenn  der  Holzkäufer  seine  eigene  Arbeit 
nur  sehr  gering  veranschlagt,  wie  dies  bei  ländlicher  Bevölkerung  während  der  ver- 
dienstlosen Zeit  des  Winters  bisweilen  der  Fall  sein  mag.  Im  übrigen  mögen  mancher- 
lei Täuschungen  unterlaufen  i).  Der  Grund,  daß  der  Holzkäufer,  insbesondere  wenn 
es  sich  um  wertvolle  Nutzholzstämme  handelt,  eine  vorteilhaftere  Ausnutzung  der- 
selben herbeiführen  werde  wie  die  Forstverwaltung  ^),  kann  nur  dann  zutreffen,  wenn 
die  Wirtschaft  nicht  auf  der  Höhe  der  Zeit  steht,  insbesondere  die  Sortimentsbildung 
eine  unzweckmäßige  ist,  so  daß  die  ausgehaltenen  Längen  nicht  den  Bedürfnissen  des 
Verbrauchs  und  Markts  entsprechen,  oder  wo  das  Personal  nicht  entsprechend  ge- 
schult und  zuverlässig  ist.  In  solchen  Fällen  würde  immer  noch  der  Ausweg  bleiben, 
daß  zwar  der  Verkauf  des  Holzes  auf  dem  Stock  vor  der  Fällung  erfolgte,  aber  nur  nach 
Einheitspreisen,  wohingegen  die  Fällung,  sowie  die  Ablängung  der  Nutzhölzer  auf 
Rechnung  des  Waldeigentümers  durch  dessen  Holzhauermannschaft,  aber  nach  den 
Angaben  des  Holzkäufers  stattfände  ^). 

Eher  könnte  die  Aufbereitung  der  Gerbrinde  durch  den  Käufer  in  Ausnahms- 
fällen gestattet  werden,  da  hier  eine  rasche  Abwicklung  des  Geschäftes  nötig  ist  und 
der  Käufer  öfters  die  dazu  erforderliche  größere  Mannschaft  leichter  zu  beschaffen 
vermag,  als  dies  der  Forstverwaltung  möglich  ist.  Hier  ist  auch  die  Gefahr  einer  Be- 
schädigung stehender  Hölzer  oder  die  Möglichkeit  der  Entwendung  nicht  verkauften 
Holzes  weniger  vorhanden,  doch  hat  sich  auch  hier  die  Aufbereitung  durch  die  Ver- 
waltung als  zweckmäßiger  erwiesen. 

Es  kommt  an  manchen  Orten  vor,  daß  gewisse  Waldnutzungsrechte  Abwei- 
chungen von  der  Regel  der  Aufarbeitung  der  Forstprodukte  auf  Rechnung  und  nach 
den  Verfügungen  des  Waldeigentümers  und  seiner  Forstverwaltungsorgane  bedingen, 
indem  es  dem  Berechtigten  bisweilen  zusteht,  daß  er  die  ihm  gebührende  Holzmasse 
selbst  fällen  und  aufarbeiten  darf.  Solche  Zustände  erheischen  dringend  Abhilfe  auf 
dem  Wege  der  Gesetzgebung,  damit  der  Waldbesitzer  in  seinem  Eigentum  auch 
wirklicher  Herr  mit  unbeschränkter  Verfügung  sei. 

Die  nächste  Sorge  für  geordnete  Ausführung  der  Holzhauerarbeiten  im  Wege 
der  Selbstgewinnung  bildet  das  Bestreben,  eine  ständige,  gut  geschulte 
Arbeitern!  annschaft  zu  erlangen  und  zu  erhalten.  Die  hierbei  den  Forst- 
verwaltungsorganen obliegende  Fürsorge  und  Tätigkeit  schlägt  in  das  Gebiet  der 
Forstverwaltungslehre  ein  und  wird  in  demjenigen  Teil  des  Handbuchs  besprochen 


1)  Vergl.  Borggrevein  Forstl.  Bl.  1884,  S.  321. 

2)  Hauptgrund,   den   die   französische   Forstverwaltung   für  itir   Verfaiiren   geltend 
macht,  vgl.  Martin,  Forstw.  Z.-Bl.  1909,  S.  215. 

3)  Vergl.  Renne,  Verwertung  der  Holzernte.    Z.  f.  F.  u.  J.  1883,  S.  549. 


Gewinnung  des  Holzes  und  der  Rinde.     §  19.  477 

werden,  der  dieser  Disziplin  gewidmet  ist,  weshalb  wir  liier  nicht  näher  auf  dieses 
Gebiet  eingehen   (vgl.  III.  Band,  XV). 

Der  örtlichen  Anweisung  der  Holzhauer  hat  die  \'erdingung  der  denselben  zu 
übertragenden  Arbeiten  vorauszugehen.  Es  verdient  in  den  meisten  Fällen  den  Vor- 
zug, die  Arbeiten  nicht  etwa  im  Taglohn  ausführen  zu  lassen,  sondern  in  Akkord  zu 
geben,  da  eine  genügende  Kontrolle  guter  und  vorschriftsmäßiger  Arbeit  mit  Sicher- 
heit und  Leichtigkeit  wahrgenonunen  werden  kann,  mithin  seitens  des  Arbeitgebers 
kein  Bedenken  obwaltet,  diejenige  Art  des  Arbeitsvertrages  zu  wählen,  bei  welcher 
der  Arbeiter  am  meisten  angespornt  wird,  seine  Kräfte  zu  entfalten,  um  in  Gestalt 
möglichst  hohen  Arbeitsverdienstes  eine  Belohnung  für  den  von  ihm  betätigten  Eifer 
zu  finden. 

Es  empfiehlt  sich  hierbei  in  der  Regel,  die  Holzhauerarbeiten  nicht  im  Wege 
des  öffentlichen  Aufgebotes  an  den  Mindestfordernden  zu  vergeben,  sondern  aus  freier 
Hand  an  ständige  Holzhauer,  die  man  für  eine  geordnete  Ausführung  der  ihnen  zu 
übertragenden  Arbeiten  an  allgemeine  Holzhauervorschriften  bindet. 

Es  ist  zweckmäßig,  über  diese  Akkorde  kurz  gefaßte  schriftliche  Verträge  ab- 
zuschließen, in  denen  man  namentlich  das  Zugeständnis  durch  Namensunterschrift 
der  Arbeiter  bekräftigen  läßt,  daß  sie  sich  verpflichten,  nach  Maßgabe  der  allgemeinen 
Vorschriften,  die  ihnen  vorzulesen  sind,  zu  arbeiten;  hierbei  haben  sich  dieselben  zur 
Duldung  von  Abzügen  an  dem  verdienten  Arbeitslohn  bei  Zuwiderhandlung  gegen 
die  Vorschriften  zu  verpflichten.  Ebenso  empfiehlt  es  sich,  für  die  Arbeiten  im  einzel- 
nen die  etwa  erforderlichen  Bestimmungen  zu  treffen,  soweit  dieselben  nicht  schon 
in  den  allgemeinen  Vorschriften  enthalten  sind. 

Ebenso  werden  in  diesem  Vertrag  die  für  das  Wirtschaftsjahr  gültigen  Löhne 
festgestellt  und  von  den  Holzhauern  durch  Namensunterschrift  anerkannt. 

Die  Arbeiten  der  Holzhauer  werden  denselben  nach  Abschluß  der  Akkorde  nun 
örtlich  angewiesen;  eine  zweckmäßige  ^'erteilung  der  Holzhauer  kommt  besonders 
da  in  Betracht,  wo  man  größere  Mannschaften  in  einer  Ortsabteilung  beschäftigt. 
Hier  handelt  es  sich  namentlich  darum,  die  ganze  Fläche,  innerhalb  deren  der  Hieb 
sich  bewegt,  in  gewisse  parallele  Streifen  einzuteilen  und  unter  die  einzelnen  Rotten 
zu  verlosen,  damit  keine  derselben  die  andere  in  der  Arbeit  hindert;  im  gebirgigen 
Gelände  läßt  man  die  Scheidelinien  möglichst  bergab  laufen;  auch  kann  die  Rück- 
sicht in  Betracht  kommen,  daß  alle  Lose  auf  Wege  oder  Schneißen  stoßen,  an  die 
das  gefällte  Holz  angerückt  wird. 

Die  Anweisung  der  zum  Fällen  bestimmten  Hölzer  erfolgt  bei  Kahlschlägen 
durch  Anplatten  der  Grenzlinien,  auch  wohl  Anschlagen  des  Waldhammers  an  eine 
Anzahl  der  an  der  Innenseite  der  Grenze  stehenden  und  nicht  zum  Hieb  bestimmten 
Stämme. 

Beim  Betrieb  natürlicher  ^'erjüngung  wird  die  Holzanweisung  in  der  Art  vor- 
genommen, daß  der  Waldhammer  an  die  zur  Fällung  bestimmten  Stämme  angeschla- 
gen wird,  damit  auch  nach  der  Fällung  noch  festgestellt  werden  kann,  ob  die  Stämme 
wirklich  angewiesen  waren.  Es  ist  deshalb  das  Anschlagen  des  Hammers  a  m  S  t  0  c  k  e 
erforderlich. 

Werden  nur  einzelne  Stämme  übergehalten,  so  kann  es  auch  vorteilhaft  sein, 
nur  diese  auf  eine  kenntliche  und  von  den  Holzhauern  nicht  leicht  nachzuahmende 
Weise  zu  bezeichnen. 

Die  beste  Zeit  zur  Vornahme  der  Hiebsauszeichnungen  ist  der  Herbst  und  Vor- 
winter; insbesondere  sollen  dieselben  in  Laubwaldungen  so  zeitig  vorgenommen  wei-- 
den,  daß  man  den  Zustand  der  Wüchse  beurteilen  und  genau  erkennen  kann,  in  wel- 


478  IX  B.   Stoetzer,  Forsibenutzung. 

chem  Grade  Kümmerungszustände  derselben  vorhanden  sind,  die  eine  größere  Licht- 
stellung erheischen ;  erfolgt  die  Auszeichnung  später,  insbesondere  nach  schon  einge- 
tretenem Schneefall,  so  entscheidet  die  Kronendichte  der  Altholzstämme,  indem  in 
der  Regel  zunächst  die  Wegnahme  der  breitkronigen,  dichtbeasteten  Stämme  ange- 
zeigt erscheint. 

Man  durchgeht  bei  diesem  Auszeichnen  der  zu  fällenden  Stämme  unter  Zuzie- 
hung des  Forstschutzbeamten  und  des  Oberholzhauers  die  ganze  zum  Schlag  bestimmte 
Abteilung  in  parallelen  Streifen,  an  Berghängen  von  unten  nach  oben,  so  daß  man 
stets  nach  derjenigen  Seite  des  Bestandes  das  Auge  gerichtet  hat,  in  der  die  Aus- 
zeichnung bereits  erfolgt  ist.  Jeder  angewiesene  Stamm  wird  auf  derjenigen  Seite, 
die  dem  das  Geschäft  ausführenden  Beamten  zugekehrt  ist,  mit  einer  Platte  ver- 
sehen, die  beim  Begehen  des  nächsten  parallelen  Streifens  ins  Auge  fällt,  so  daß  auch 
auf  weitere  Strecken  hin  erkannt  wird,  welche  Stämme  schon  zuvor  ausgezeichnet 
wurden.  Man  pflegt  wohl  auch  die  Stämme  zu  numerieren,  sogar  ihren  Durchmesser 
zu  notieren,  um  nach  Veranschlagimg  der  Stammkreisfläche  unter  Multiplikation 
derselben  mit  einer  einzuschätzenden  Formhöhe  einen  Anhalt  darüber  zu  gewinnen, 
wieviel  Holzmasse  angewiesen  ist. 

Besonders  wichtig  ist  die  Auszeichnung  des  zu  hauenden  Oberholzes  im  M  i  1 1  e  1- 
w  a  1  d.  Hier  hat  zunächst  die  Abgrenzung  der  Schlagfläche  und  hierauf  folgend  der 
Abtrieb  des  Unterholzes  zu  geschehen,  wobei  eine  besondere  Sorgfalt  auf  die  Erhal- 
tung genügender  Laßreidel  aus  dem  Unterholz  zu  verwenden  ist.  Es  empfiehlt  sich 
hierbei,  die  Weisung  zu  geben,  daß  alle  Kernloden,  sowie  von  jedem  Stock  derjenigen 
Holzarten,  die  im  Oberholz  begünstigt  werden  sollen,  die  beste  Ausschlaglode  stehen 
gelassen  wird  ^). 

Bei  dem  nach  beendigtem  Abtrieb  des  Unterholzes  erfolgenden  Auszeichnen  des 
Oberholzes,  das  der  Wirtschafter  nie  aus  der  Hand  geben  sollte,  wird  alsdann  gleich- 
zeitig Bestimmung  darüber  getroffen,  welche  von  den  etwa  zuviel  übergehaltenen 
Laßreideln  noch  nachträglich  entfernt  werden  sollen. 

Die  Anweisung  der  Durchforstungen  kann  dem  Schutzpersonal  überlassen  wer- 
den, wenn  unter  Anleitung  des  verwaltenden  Forstbeamten  zunächst  eine  hinlänglich 
große  Fläche  als  Probestück  ausgezeichnet  worden  ist;  bei  den  Plenterdurchforstun- 
gen  wird  jedoch  die  Auszeichnung  durch  den  Wirtschafter  eine  unerläßliche  Voraus- 
setzung für  sachgemäße  Ausführung  sein. 

In  der  zeitlichen  Aufeinanderfolge  der  Hauungen  muß  eine  zweckmäßige  Ord- 
nung obwalten,  indem  die  dringlichsten  Arbeiten  vorangestellt  werden  und  die  we- 
niger nötigen  zuletzt  folgen.  Hierüber  allgemeine  Regeln  zu  geben,  ist  kaum  möglich, 
da  die  örtlichen  Verhältnisse  und  Besonderheiten  wesentlich  von  Einfluß  auf  die 
zweckmäßigste  Reihenfolge  der  Arbeiten  sind.  Zu  den  dringendsten  Arbeiten  würden 
die  Aufarbeitungen  von  Wind-  und  Schneebruchhölzern,  von  dürren  Stämmen, 
ferner  die  Lichtungen  zur  Freistellung  besonders  bedürftigen  Aufschlages  bei  der 
natürlichen  Verjüngung  zu  rechnen  sein. 

§19.  Fällungsbetrieb.  Das  Fällen  der  Bäume  erfolgt  entweder  durch 
Rodung  des  stehenden  Holzes,  d.  h.  durch  Ausgraben  mit  Stock  und  Wurzeln,  oder 
aber  durch  Abtrennen  der  Stämme  mit  Axt  und  Säge  oder  mittelst  eines  dieser  Werk- 
zeuge allein. 

Die  Rodung  des  stehenden  Holzes,  auch  Baumrodung  (im 
Gegensatz  zur  Stockrodung)  genannt^),  ist  unter  allen  Fällungsarten  die  zweck- 

1)  s.  Borggreve,  Die  Schlagauszeichnung  in  F.-Bl.  1886,  S.  182. 

2)  K.  H  ey  er,  Die  Vorteile  und  das  Verfahren  beim  Baumroden.  1827.  D  e  r  s.,  Ueber 
denselben  Gegenstand,  A.  F.-  u.  J.-Z.  1856,  S.  122. 


Gewinnung  des  Holzes  und  der  Rinde.     §  19.  479 

mäßigste,  insofern  als  man  hierbei  den  beim  Abschneiden  der  Stämme  in  das  Stock- 
holz fallenden  unteren  Teil  des  Stanmies,  besonders  bei  stärkeren  Bäumen,  zu  er- 
heblich besserem  Preis  verwerten  wird.  Dieser  finanzielle  Vorteil  wurde  für  sächsische 
\'erhältnisse  von  N  e  u  m  e  i  s  t  e  r  auf  3  %  ermittelt.  Hierzu  konmit,  daß  durch 
das  Belassen  einer  Wurzel  dem  ausgerodeten  unteren  Stammstück  öfters  eine  Form 
gegeben  werden  kann,  die  für  die  Verwendbarkeit  desselben  z.  B.  als  Schiffsknie, 
Schlittenkufe  etc.  von  besonderem  Wert  ist.  Der  ausgerodete  Stock  eines  starken 
Stammes  eignet  sich  nach  dem  Abschneiden  des  Stammendes  besonders  zur  Ver- 
wendung als  Ambos  oder  Ilackblock.  Beim  Auszug  einzelner  Stämme  aus  schon  mit 
Aufwuchs  versehenen  Naturverjüngungssclilägen  ist  diese  Methode  jedoch  nicht  immer 
anwendbar,  weil  durch  das  Ausgraben  zu  viele  Pflanzen  beschädigt  werden  würden 
(vgl.  dagegen  W  a  gn  e  r  ,,Der  Blendersaumschlag  und  sein  System"  S.  50  und  56); 
auch  im  Mittelwald  findet  sie  nur  eine  beschränkte  Anwendung. 

Daß  bei  Baumrodung  die  sorgfältigste  Ausnutzung  des  Stock-  und  Wiu-zel- 
holzes  nicht  eintrete,  wird  aus  Sachsen  berichtet,  wo  man  die  Erfahrung  gemacht 
zu  haben  glaubt,  daß  die  Ausgi'abung  und  Benutzung  der  schwächeren  Wurzeln 
hierbei  nicht  mit  derjenigen  Genauigkeit  und  Sorgfalt  betrieben  wird,  als  dies  bei 
Rodung  der  Stöcke  nach  vorherigem  Abschneiden  der  Stämme  zu  geschehen  pflegt; 
bei  Baumrodung  ist  die  Gewinnung  des  Stockholzes  mehr  Mittel  zimi  Zweck  und 
die  Aufarbeitung  des  Stammholzes  die  Hauptsache;  eigentliche  Stockrodung  hin- 
gegen fällt  öfters  in  eine  Zeit,  in  der  es  an  anderer  Beschäftigung  fehlt  und  jeder 
mehr  erlangte  Raummeter  ein  Gewinn  für  den  Arbeiter  ist.  Dieser  mangelhafteren 
Rodung  schwacher  ^^'urzeln  in  Fichtenbeständen  wird  eine  größere  Gefahr  für  Rüssel- 
käfervermehrung beigemessen  und  in  dieser  Erwägung  zur  Vorbeugung  gegen  die 
Gefahr  des  Rüsselkäfers  von  der  Anwendung  der  Baumrodung  abgeraten  ^). 

Als  letzten  Vorteil  des  Baumrodens  läßt  sich  geltend  machen,  daß  die  Stämme 
nicht  so  rasch  niederstürzen,  daher  auch  nicht  so  hart  auffallen,  als  über  dem  Boden 
abgehauene  oder  abgesägte  und  zwar  deshalb,  weil  von  dem  gerodeten  Stamm  ein 
Teil  der  Herz-  und  Pfahlwurzeln  langsam  aus  dem  Boden  herausgezogen  wird.  Des- 
halb werden  auch  umgegrabene  Nutzholzstämme  nicht  so  leicht  zersplittern  und 
wird  der  Nachwuchs  in  Licht-  oder  Abtriebsschlägen  weniger  beschädigt  werden 
als  bei  anderen  Baumfällungsarten. 

Bei  Anwendung  der  Baumrodung  wird  der  zu  fällende  Stamm  zunächst  von 
allen  Seiten  angerodet,  indem  die  Tagwurzeln  bloßgelegt,  vom  Stamm,  und  zwar 
dicht  am  Stocke  abgehauen  oder  abgesägt  und  bis  zu  der  noch  nutzbaren  Stärke 
vom  Stamm  auswärts  ausgegraben  werden.  Hierauf  werden  die  Herz-  und  Pfahl- 
wurzeln, die  das  Fallen  des  Baumes  noch  hindern,  abgehauen,  was  den  Stamm  zum 
Fallen  bringt. 

Bei  flachwurzelnden  Hölzern  gelingt  dieses  durch  einfaches  Andrücken  der 
Holzhauer;  wirksamer  ist  die  Anwendung  besonderer  Baumrodewerkzeuge:  zu 
nennen  wäre  hier  als  einfachste  die  sog.  Zugstange,  eine  leichte  Stange  von 
zähem  Holz,  die  an  ihrem  oberen  Ende  einen  Haken  trägt,  mit  dem  sie  möglichst 
hoch  über  dem  Boden  an  einem  Ast  des  noch  stehenden  Stammes  eingehängt  und 
dieser  mittelst  der  Stange  nach  und  nach  umgezogen  wird.  Die  Holzhauer,  die  zu 
diesem  Behuf  an  der  Stange  hin  und  her  ziehen,  bringen  den  Stamm  in  eine  wippende, 
schaukelnde  Bewegimg;  hierbei  wird  durch  das  Hin-  und  Herschwanken  desselben 
der  Ort  weiterer  ^^'urzeln  festgestellt,  die  dann  bloßgelegt  und  abgehauen  werden; 
dadurch  wird  der  Stamm  wesentlich  leichter  zu  Fall  gebracht. 

1)  V.  Oppen  in  Z.  f.  F.  u.  J.  1885,  S.  148. 


480 


IX  B.    Stoelzer,  Forstbenutzung. 


Diese  Stange  ist  nur  bei  niedrig  beasteten,  insbesondere  auch  schwächeren 
Stämmen  zu  verwenden ;  bei  höheren  Bäumen  findet  der  sog.  S  e  i  1  h  a  k  e  n  An- 
wendung, d.  h.  ein  eiserner,  mit  einem  Oehr  und  einem  daran  befindlichen  Ring  ver- 
sehener Haken,  bei  dessen  Gebrauch  an  dem  Ring  ein  Seil  von  20—30  Meter  Länge 
befestigt  wird.  Der  Haken  wird  in  angemessener  Höhe  des  Baumes  entweder  mit 
Hilfe  einer  Stange  oder  nach  Besteigen  desselben  an  einen  stärkeren  Ast  eingehängt, 
hierauf  der  Stamm  selbst  von  den  Arbeitern  umgezogen. 

Das  Fallen  des  Baumes  wird  durch  Anwendung  eines  Hebebaums  erleichtert, 
den  man  mit  einem  Ende  möglichst  tief  unter  den  bereits  angerodeten  Stock  schiebt, 
während  das  hintere  Ende,  nachdem  in  möglichster  Nähe  des  vorderen  der  Hebel 
gehörig  unterstützt  worden  ist,  ruckweise  zu  Boden  gedrückt  wird.  Ebenso  kann 
der  Hebel  auch  untergesteckt  und  durch  eine  untergeschobene  Wagenwinde  ge- 
hoben werden. 


Fig.  1. 


Zur  Erleichterung  der  Arbeit  sind  weiter  noch  verschiedene  Maschinen  erfunden 
worden,  von  denen  wir  folgende  erwähnen: 

Die  Nassauische  (oder  W  o  h  m  a  n  n  sehe)  Baumrodemaschine  '■)  be- 
steht aus  einem  mit  Kerben  versehenen  1,75  m  langen,  0,30  m  breiten,  0,12  m  dicken 
Buchenbrett,  dem  sog.  Zwickbrett,  auf  dem  eine  oben  und  unten  mit  Eisen 
beschlagene  Fichtenstange  (5 — 6  m  lang,  12  cm  D.),  die  sog.  Drückstange, 
die  mit  einer  eisernen  Spitze  in  den  umzurodenden  Stamm  eingreift,  während  das 
andere  Ende  in  die  Kerben  des  Zwickbretts  gestellt  wird,  mittelst  Brecheisen  aus 
einer  Kerbe  in  die  andere  vorwärts  gehoben  wird,  um  den  vorher  umrodeten  und 
von  seinen  Wurzeln  befreiten  Stamm  umzudrücken.  Die  Brecheisen  werden  unter 
einem  runden  eisernen  Nagel,  der  im  unteren  Ende  der  Drückstange  durchgesteckt 
ist,  hindurch  geschoben  und  finden  an  diesem  Nagel  ihre  Unterstützungspunkte. 
Zur  Erläuterung  diene  vorstehende  Figur  1. 


1)  A.  F.-  u.  J.-Z.  1858,  S.  46  (W  o  h  m  a  n  n).  1864,  S.  369  und  1870,  S.  219  (D  r  a  u  d  t). 


Gewiniuiiii;  des  Holze?  und  der  Rinde.     S  19. 


481 


Die  Leistung  der  .Maschine  ist  am  größten,  wenn  die  Entfernung  vom  Stamm- 
ende bis  zu  der  Höhe  des  Stammes,  wo  das  eine  Ende  der  Drückstange  eingreift, 
so  groß  ist,  als  die  Entfernung  vom  Stammende  bis  zum  unleren  Ende  der  Drück- 
stange. Die  Nassauische  Hodemaschinc  wurde  in  neuerer  Zeit  durch  Büttner 
in  zweckmäßiger  Weise  abgeändert  und  verbessert  —  ,,B  ü  1 1  n  e  r  s  B  a  u  m  - 
w  i  n  d  e"  —  vergl.  F.  Zbl.  1<.M)  t,  S.  680  und  1905,  S.  144.  Zentralbl.  f.  d .  ges.  Forstw. 
1907,  S.  62.  Die  ,,Bauni\\iu(le"  wird  von  allen  Seiten  als  sehr  wirksam  be- 
zeichnet. 

Eine  in  der  Schweiz  erfundene  besonders  wirksame  Rodemaschine  ist  der 
\^'  a  1  d  t  e  u  f  e  1  ,  auch  Reutelzeug  genannt.  Er  besteht  aus  einem  starken  Hebel, 
der  seinen  Stütz-  und  Drehpunkt  an  dem  einen  Ende  einer  starken  Kette  hat,  die 
um  einen  hinreichend  starken  stehenden  Baum   oder  Stock  geschlungen  ist.     Zu 

Fig.  2. 


=^^ 


beiden  Seiten  des  Unterstützungspunkts  sind  zwei  kurze  Hebelketten  mit  Endhaken 
befestigt.  Eine  weitere  Kette  wird  mit  einem  längeren,  um  den  auszurodenden  Stamm 
geschlungenen  Schiffstau  oder  besser  noch  Drahtseil  (denn  alles  hängt  von  der  Festig- 
keit dieses  Taues  ab)  verbunden,  die  eine  Hebelkette  in  dieselbe  straff  eingehangen, 
der  Hebel  angezogen  und  dadurch  die  zweite  Hebelkette  so  weit  dem  umzurodenden 
Baum  genähert,  daß  ein  Kettenglied  weiter  eingehakt  werden  kann.  Durch  das 
Hin-  und  Herbewegen  des  Hebels  wird  bald  die  eine,  bald  die  andere  der  Hebelketten 
vorgeschoben  und  weitergehakt.  Durch  fortgesetzte  Wiederholung  wird  die  am 
Baum  befestigte  Kette  nebst  dem  Tau  immer  straffer  angezogen,  so  daß  der  Baum 
endlich  zu  Fall  kommt.  Der  Gang  der  .\rbeit  wird  durch  die  vorstehende  Zeichnung 
Figur  2  verdeutlicht. 

Unter  allen  Baumrodemaschinen  dürfte  der  Waldteufel  die  meiste  Beachtung 
verdienen. 

Auch  die  Nassauische  Rodemaschine  in  ihrer  leichteren,  von  Drau  d  t  emp- 
fohlenen Form    (oder  besser  noch  die  Büttner  sehe  Baumwinde),  wird  geschätzt. 


Handb.  d.  Forstwiss.     3.  Aufl.    II. 


31 


482  IX  B.   Stoetzer,  Forslbenutzung. 

Diese  Maschine,  ursprünglich  in  Nassau  angewandt,  hat  sich  auch  im  GroC- 
herzogtum  Hessen  vielfach  eingebürgert. 

Eine  weitere  verbesserte  Druckmaschine,  angegeben  von  dem  Großh.  Hessischen 
Forstwart  Stendal  wird  in  dem  Bericht  über  die  13.  Versammlung  des  Forst- 
vereins für  das  Großherzogtum  Hessen  (Darmstadt  1901)  beschrieben. 

Die  Hauptfällungsarten  sind  jedoch  diejenigen  mit  Axt  und 
Säge.  Die  Fällung  mit  der  Axt  allein,  das  sog.  ,,U  m  s  c  h  r  o  t  e  n"  der 
Bäume  durch  Hauen  tiefer  Fallkerben  auf  beiden  Seiten  des  Stamms  findet  in  ge- 
ordnetem Betriebe  nur  noch  bei  Stangenhölzern  Anwendung,  bei  denen  man  öfters 
keine  glatte  Abschnittfläche  wünscht,  vielmehr  Gewicht  darauf  legt,  daß  das  Stamm- 
ende schon  etwas  zugespitzt  sei  (z.  B.  bei  Hopfenstangen,  Bohnenstangen,  Zaun- 
pfählen) ;  bei  stärkerem  Holze  dagegen  ist  mit  dieser  Methode  ein  so  beträchtlicher 
A'erlust  an  Holzmasse  verbunden,  der  gerade  am  unteren,  wertvollsten  Teile  des 
Stammes  doppelt  ins  Gewicht  fällt,  daß  man  in  wohlgeordneten  Forsthaushalten  von 
derselben  keinen  Gebrauch  mehr  macht. 

Nur  wo  die  Anwendung  der  Säge  ausgeschlossen  ist,  sei  es,  daß  der  Standraum 
für  ihre  Führung  fehlt  (auf  Felsen,  an  Steilabstürzen  usw.)  oder  daß  mehrere  starke 
Bäume  dicht  beisammen  stehen,  kommt  das  Umschroten  für  stärkeres  Holz  noch 
in  Frage.  Hier  wird  zu  möglichster  Schonung  des  untersten  Stammteils  das  sog. 
,, Auskesseln"  oder  ,,Aus-der-Pfanne-Hauen"  angewendet,  d.  h.  die  Fallkerbe  wird 
ringsum,  daher  weniger  tief,  gehauen  und  der  Baum  dann  nach  einer  Seite  gedrückt. 

Die  rascheste  Arbeit  und  geringste  Holzverschwendung  ist  mit  Anwen- 
dung der  Säge  verbunden.  Auch  sie  wird  jedoch  für  sich  all  ein  nur  bei  schwächerem 
Holze  angewendet,  weil  mit  der  Stärke  der  Stämme  die  Schwierigkeit,  die  Bäume  zu  Fall 
zu  bringen,  und  die  Unsicherheit  der  Fallrichtung  bedeutend  steigt. 

Die  Regel  bildet  die  Fällung  m  i  t  A  x  t  u  n  d  S  ä  g  e  z  u  s  a  m  m  e  n.  Zunächst 
wird  auf  derjenigen  Seite  des  Baumes,  nach  welclier  derselbe  geworfen  werden  soll, 
möglichst  tief  am  Stamme  eine  Fallkerbe  (Schrot)  von  etwa  Vi  des  Durchmessers 
gehauen.  Alsdann  setzt  man  auf  der  entgegengesetzten  Seite  die  zweimännige  Wald- 
säge an  und  sägt  in  der  Richtung  gegen  die  Fallkerbe  wagrecht  durch.  Zur  Erleich- 
terung des  Sägens,  und  um  den  Stamm  in  die  Fallrichtung  zu  treiben,  werden  hinter 
der  Säge  in  den  Sägeschnitt  Keile  eingesetzt  und  nachgetrieben,  bis  der  Stamm  zu 
Fall  kommt. 

Die  Art  und  Konstruktion  der  Waldsägen  ist  bei  diesem 
Verfahren  von  wesentlichem  Einfluß.  Man  verfertigt  die  Sägeblätter  in  neuerer 
Zeit  vorzüglich  aus  Tiegelgußstahl.  Das  Sägeblatt  ist  eine  Stahlschiene,  die  auf  der 
einen  Seite  mit  Zähnen  besetzt  ist.  Die  Zahnlinie  bildet  zweckmäßig  einen  Kreis- 
bogen (Bogensägen).  Die  Zähne  haben  in  der  Regel  die  Form  eines  spitzen  gleich- 
schenkligen Dreiecks  (sog.  Wolfszähne);  daneben  kommt  die  Form  eines  großen 
lateinischen  M  vor  (sog.  M-Zähne),  die  in  Hartholz  gut  arbeiten  sollen.  Das  Sägeblatt 
verjüngt  sich  von  der  Zahnlinie  gegen  den  Rücken  zu,  damit  ein  Klemmen  der  Säge 
vermieden  wird. 

Wichtig  für  die  ^^'irksamkeit  der  Waldsägen  ist  das  IMaß  der  Krümmung  der 
Zahnlinie.  Die  theoretischen  Betrachtungen  über  das  richtige  Maß  dieser  Krümmung 
sind  bisher  noch  nicht  zu  einem  Abschluß  gekommen,  doch  sind  mehrfach  Versuche 
angestellt  worden,  welche  auch  zur  Konstruktion  einer  Normalsäge  mit  bestimmtem 
Krümmungsradius  der  Zahnlinie  und  bestimmter  Bezahnung  geführt  haben.  Die 
mehr  gekrümmten  sog.  Bauch-  oder  Bogensägen  (Harzer,  Thüringer,  Steyerische 
Säge)  scheinen  im  Nadelholz  vor  den  mehr  gestreckten  Sägen  den  ^'orzug  zu  ver- 


Gowiniuins;  des  Holzes   und   der   lüiide, 


483 


dienen,  wogegen  letztere  für  das  Zerscliiiciilfu  (l(>s  .stärkeren  Laiihliolzes  angemessen 
sein  mögen.  Jedocli  ist  eine  gewisse  Krüniinuiis,'  iler  Zahnlinie  aiicli  hier  gegenüber 
der  geraden  Linie  von  Vorteil.  Bei  letzterer  ist  die  Säge  schwerer  zu  handhaben 
und  fördert  weniger.  Der  Grund  dieser  Erscheinung  ist  das  Klennnen  des  Sägmehls, 
auch  hat  die  gerade  Zahnlinie  den  Nachteil,  daß  sie  durch  stärkere  Abnutzung  der 
Mitte  leicht  konkav  wird.  Bei  der  Bogensäge  ist  die  Arbeit  leichter,  da  immer  nur 
wenige  Zähne  aufliegen,  so  daf3  beiderseits  Raum  bleibt,  in  dem  sich  das  Sägmehl 
ansammelt  und  aus  dem  es  durch  die  wiegende  Bewegung  des  Sägens  leicht  ausge- 
worfen wird.  Allerdings  setzt  die  Benutzung  der  Bogensäge  gewandtere  Arbeiter 
voraus,  als  diejenigen  der  mclir  geraden  Sägen.  Aus  Amerika  gelangten  vor  einer 
Reihe  von  Jahren  Sägen  nach  Deutschland,  die  eine  sehr  geringe  Krümmung  zeigen 
und  sich  in  Hinsicht  auf  die  Form  der  Zähne  von  den  gebräuchlichen  deutschen  Kon- 
struktionen wesentlich  dadurch  unterscheiden,  daß  eine  Mehrzahl  von  Spitzen  (3 — 4) 
zu  einem  System  vereinigt  sind,  so  daß  anstatt  der  einzelnen  Wolfszähne  deren 
mehrere  zusammengefaßt  sind.   Auf  jede  solche  Zahngruppe  folgt  wieder  ein  einzelner 


Fis.  3. 


Fig.   4. 


Nonpareil  -Schrotsäge. 


Greal  .\mericansäge'mit  abnehmbarem  Hett. 


Fig  ö. 


Amerikanisclie  Trummsäge. 


spitzer,  kürzerer  Dreieckszahn  (Raumzahn),  wie  bei  der  sog.  ,,Nonpareil- 
Schrotsäge",  und  zu  beiden  Seiten  der  Raumzähne  sind  Vertiefungen,  die  das 
Sägmehl  aufnehmen  und  der  Säge  einen  freieren  Gang  ermöglichen,  oder  es  folgt 
auf  jede  Gruppe  von  \\"olfszähnen  statt  des  Raumzahnes  ein  Hohlraum  wie  bei  der 
„G  r  e  a  t  -  A  m  e  r  i  c  a  n  s  ä  g  e"  (vergl.  die  Figuren  3  und  4). 

Derartige  Sägen  sind  hinterlocht,  d.  h.  hinter  den  zwischen  den  Zähnen  befind- 
lichen Vertiefungen  sind  Löcher  angebracht,  die  ein  leichtes  Nachfeilen  bei  Abnutzung 
der  Zähne  ermöglichen.  Sie  sollen  sich  im  harten  Holz  vorzüglich  bewähren;  in 
weichem  Holz  scheint  ihnen  die  Bogensäge  überlegen  zu  sein.  Sehr  praktisch  ist  bei 
beiden  die  Befestigung  der  Patentgriffe  (s.  Fig.  4).  Es  werden  ähnliche  Sägen  von 
bester  Konstruktion  und  Beschaffenheit  auch  in  Deutschland  von  der  Firma  Domi- 
nicus  und  Söhne  in  Remscheid  geliefert.  Dieselbe  hat  auch  ein  besonderes,  sehr 
empfehlenswertes  „Illustriertes  Handbuch  über  Sägen  und  Werkzeuge  für  die  Holz- 
industrie" herausgegeben.  Als  besonders  leistungsfähig  wird  mehrfach  die  ,,Non 
plus  ultra"-Säge  dieser  Firma  bezeichnet. 

Bei  allen  Sägen  kommt  es  darauf  an,  daß  durch  eine  entsprechende  seitliche 
Ausbiegung  der  Zähne  dem  Schnitt  eine  solche  Weite  gegeben  wird,  daß  das  Säge- 
blatt, ohne  sich  zu  klennnen,  fortwährend  leicht  von  den  beiderseits  die  Säge  hand- 
habenden Arbeitern  hin  und  her  gezogen  werden  kann.  Dieses  Ausbiegen  der  Zähne, 
das  sog    Schränken,  wird  mit  einer  einfachen  Vorrichtung,  dem  Schränkeisen 

31* 


484  IX  B.   Stoetzer,  ForstbeniUzung. 

vorgenommen;  auch  kann  man  den  sog.  Barthschen  Schränkschlüssel  gebrauchen, 
und  neuerdings  wird  dazu  eine  von  der  Firma  Eugen  Blasberg  u.  Comp,  in  Remscheid 
erfundene  Schränkzange  empfohlen.  Dieselbe  ist  durch  eine  Schraube  verstellbar, 
vermittelst  deren  die  Zange  sowohl  zum  feineren  als  auch  zum  gröberen  Stellen  der 
Zähne  eingericlitet  werden  kann.  \'ermittelst  dieser  Schraube  erfolgt  das  Heben 
bei  allen  Zähnen  vollständig  gleichmäßig.  Das  Schränken  muß  bei  Nadelholz  stärker 
sein,  als  bei  Laubholz.  Statt  des  Schränkens  wendet  man  auch,  insbesondere 
in  Amerika,  das  sog.  Stauchen  der  Zähne  an,  darin  bestehend,  daß  durch  einen  Schlag 
die  Spitze  des  Sägezahnes  etwas  aufgetrieben  wird,  so  daß  die  Stärke  des  Blattes 
dadurch  geringer  ist,  als  die  Stärke  der  Sägezahnspitzen,  wodurch  ebenfalls  dem 
hin-  und  hergezogenen  Blatt  ein  größerer  Spielraum  gewährt  wird. 

Die  Prüfung  der  Sägen  auf  ihre  Leistungsfähigkeit  hat  sich  darauf  zu  erstrecken, 
daß  man  untersucht,  wieviel  Schnittfläche  in  einer  gewissen  Zeit  geliefert  wird,  oder 
wieviel  Zeitaufwand  man  zur  Leistung  gleicher  Schnittflächen  braucht.  Die  Wirkung 
der  Säge  ist  um  so  größer,  je  kürzer  die  Zeitdauer  des  Schnittes.  Selbstredend  muß 
bei  Vergleichung  der  Leistungen  zweier  Sägen  Gleichheit  der  Umstände  (gleiche  Holz- 
art, gleiche  Stärke  der  Hölzer,  gleiche  Leistungsfähigkeit  der  Holzhauer,  gleiche  \er- 
trautheit  derselben  mit  den  Sägen)  vorausgesetzt  werden.  Steile  Wolfszähne  in  un- 
unterbrochener Bezahnung  scheinen  die  besten  Schnittleistungen  zu  liefern  '). 

Die  Sägen  werden  nicht  nur  beim  Fällen  der  Stämme,  sondern  auch  beim  Zer- 
schneiden derselben  in  die  dem  beabsichtigten  Zwecke  entsprechenden  Längen  ge- 
braucht. Für  die  Zerkleinerung  schwächerei'  Hölzer  hat  man  sowohl  die  gewöhnlichen, 
in  Deutschland  allgemein  bekannten  Handsägen  im  Gebrauch,  als  auch  neuerdings 
eine  ebenfalls  aus  Amerika  eingeführte  Art,  die  amerikanische  Trum  m- 
säge,  die  sich  am  besten  als  ein  vergrößerter  Fuchsschwanz,  wie  ihn  die  Schreiner 
zu  führen  pflegen,  beschreiben  läßt,  und  in  Fig.  5  abgebildet  ist.  Die  Zahnstellung 
ist  jedoch  hier,  wie  diejenige  der  zweimännigen  Waldsägen,  eine  senkrecht  (nicht 
schräg,  wie  beim  Fuchsschwanz)  gerichtete.  Auch  diese  Konstruktion  bewährt  sich 
vorzüglich.  Die  Sägen  werden  nur  von  einem  Mann  geführt,  während  die  Bogen- 
sägen zu  ihrer  Handhabung  zwei  Arbeiter  erfordern. 

Die  im  Walde  gebrauchten  Aexte  sind  von  verschiedener  Form,  je  nach 
dem  Zwecke,  dem  sie  dienen  sollen.  Man  unterscheidet  insbesondere  die  F  ä  1 1  a  x  t 
mit  kleinem,  und  die  S  p  a  1 1  a  x  t  mit  größerem  Keilwinkel.  Erstere  dient 
besonders  zum  Schneiden  beim  Hieb  (Hauen  der  Fallkerbe),  letztere  insbesondere 
zum  Aufspalten  der  Trümmer  und  Treiben  der  Keile.  Vielfach  findet  man 
Aexte  von  mittlerem  Bau,  die  beiden  Zwecken  gleichzeitig  dienen. 

Fast  jede  Gegend  hat  in  Hinsicht  der  Axtkonstruktion  ihre  Besonderheiten. 
Allgemein  verlangt  man,  daß  die  Schneide  gut  gestählt,  der  Anlauf  der  Schneide- 
flächen keilförmig,  am  besten  etwas  ausgebaucht  (gewölbt),  die  Axt  selbst  nicht  zu 
schwer  und  mit  einem  handlichen  Holzstiel  (sog.  Helm)  versehen  sei.  Wichtig  ist 
eine  gute  Lage  des  Schwerpunkts.  Auch  in  bezug  auf  Aexte  scheinen  uns  die  Ameri- 
kaner den  ^VJrrang  abzulaufen;  wenigstens  sind  seit  einer  Reihe  von  Jahren  amerika- 
nische Aexte  in  Gebrauch  gekommen,  welche  sehr  handliche,  geschwungene  Helme, 
sowie  stark  gewölbte  Schneideflächen  (Blätter)  haben,  richtige  Lage  des  Schwer- 
■  punkts  zeigen,  und  sich  als  sehr  praktisch  zu  bewähren  scheinen'^).     In  Australien 


1)  Sehr  umfassende  und  beachtenswerte  Untersuchungen  über  die  Leistungsfäliigkcit  der 
Waldsägen  s.  u.  a.  im  Forstw.  Zenlralblatt  1896  Aug. — Okl.-Heft  von  Geheimrat  Dr.  G  a  y  e  r 
und  Dr.   Käst. 

2)  S  t  0  c  Ic  li  a  u  s  e  n  in  .A.  F.-  u.  J.-Z.  1S79,  S.  113. 


Gewinnung  des  Holzes  nuil  der  liinde.     §  19.  485 

sollen  sich  Aexte  mit  drei  breiten  Rinnen  oder  Nuten,  die  von  der  Selineide  zum  Rücken 
liarallel  laufen,  bewaint  haben,  da  sie  leichler  ins  Holz  eindrinfren  und  sieh  nicht  leicht 
klemmen  können.  Zum  glatten  Ausputzen  und  Beschlagen  der  Stämme  dienen  be- 
.sondere  Breitbeile,  nach  Art  der  Zimmermannsäxte  gebaut;  zur  Fällung  schwächeren 
Ausschlagholzes  im  Nieder-  und  Mittelwald  benutzt  man  die  sog.  H  e  [i  p  e  ,  ein  vorn 
gekrünuates  starkes  Faschinenmesser  mit  hölzernem  Griff. 

Beim  Fällen  des  Holzes  muß  zunächst  eine  sorgfältige  Wahl  der 
F  a  1  1  r  i  c  h  t  u  n  g  vorausgehen.  Es  ist  darauf  zu  sehen,  daß  durch  die  fallenden 
Hölzer  weder  der  umgebende  Bestand  noch  der  fallende  Stamm  selbst  beschädigt 
werde.  Man  wirft  daher  die  Stänune  in  Lücken  zwischen  stehende  Bäume,  damit 
diese  nicht  beschädigt  werden  und  die  fallenden  Stämme  nicht  hängen  bleiben.  Ebenso 
sucht  man  bei  Naturverjüngung  die  Stämme  in  Richtungen  zu  werfen,  in  denen  sich 
kein  höherer  Anflug  oder  Aufschlag  befindet.  Dabei  ergeben  sich  für  Schirm-  und 
Blenderschlagbetrieb  nicht  selten  große  Schwierigkeiten,  die  man  durch  Abasten 
der  Stänmie  vor  der  Fällung  zu  umgehen  sucht  i).  Der  Blendersaumschlag  sucht 
diesen  Mißstand  dadurch  zu  vermeiden,  daß  er  mit  seiner  Verjüngung  in  bestimmter 
Richtung  fortschreitet  und  die  Bäume  grundsätzlich  immer  vom  Jungwuchse  weg 
gegen  das  noch  unbesamte  Altholz  wirft,  durch  das  sie  dann  auch  weggeschafft 
werden. 

Um  die  fallenden  Stämme  vor  dem  Abbrechen  und  Zersplittern  zu  bewahren, 
vermeidet  man  ferner  das  Werfen  auf  Unebenheiten  des  Bodens,  alte  Stöcke,  Felsen 
usw.,  sowie  auf  liegendes  Holz. 

Bei  windigem  Wetter  muß  mit  der  Fällung  ausgesetzt  werden,  da  man  unter 
solchen  Umständen  hinsichtlich  der  Fallrichtung  gar  keine  Siclierheit  hat. 

An  Bergwänden  läßt  man  wohl  auch  schräg  bergauf  fällen,  da  auf  diese  Weise 
der  Stamm  bis  zum  Aufschlagen  auf  den  Boden  den  kürzesten  Weg  zurücklegt  und 
mit  der  geringsten  Wucht  aufschlägt,  mithin  der  Gefahr  des  Zerbrechens  am  wenigsten 
ausgesetzt  ist.  Soll  aber  der  mit  dieser  ^^'urfrichtung  verbundene  Nachteil,  daß 
der  Stamm  für  das  Anrücken  verkehrt  zu  liegen  kommt,  vermieden  werden,  soll 
vielmehr  darauf  gesehen  werden,  daß  der  Stamm  so  fällt,  wie  er  weggeschafft  werden 
soll,  so  muß  schräg  bergab  geworfen  werden,  damit  der  Stamm  mit  dem  dünnen 
.Ende  voran  nach  abwärts  weggeschafft  werden  kann. 

Durch  das  Eintreiben  von  Keilen  in  den  Sägeschnitt  wird  dieser  offen  gehalten, 
gleichzeitig  der  Stamm  etwas  gehoben  und  nach  der  gewünschten  Fallrichtung  hin 
getrieben.  Bei  Frost  springen  die  Keile  leicht  zurück,  man  bestreut  alsdann  die 
Seitenflächen  zweckmäßig  mit  Asche  oder  Sand.  Zur  Verstärkung  der  hebenden 
\^'irkung  hat  man  die  Keile  anstatt  mit  geraden  Seitenflächen  auch  mit  treppen- 
artig absetzendem  Profil  (S  c  hnü  ck  e  scher  Zahnkeil)  hergestellt.  Auch  wurden  Ver- 
suche mit  einem  einzuschraubenden  runden,  bezw.  kegelförmigen  Instrument  (Bles- 
singscher  Schraubenkeil)  vorgenommen,  jedoch  ohne  Verbesserung  der  Wirkung. 
Ferner  ist  ein  sog.  Universalkeil  von  Förster  Gizek  konstruiert  worden,  welcher  aus 
•2  Schenkeln  besteht,  die  durch  Drehung  einer  Spannschraube  mehr  oder  weniger 
gegeneinander  gespreizt  werden   können  (Deutsche  Forstzeitung  1901  S.  864). 

Besondere  Vorsicht  ist  beim  Zufallbringen  hängen  gebliebener  Bäume,  sowie 
bei  der  Aufarbeitung  von  Windbruchhulz  geboten,  da  hierbei  leicht  Unfälle  entstehen. 
\'om  Reichsversicherungsamt  sind  Normal-Unfallverhütungsvorschriften  für  land- 
und  forstwirtschaftliche  Betriebe  aufgestellt  worden,  die  sorgfältig  zu  beachten  sind. 


1 )  Ueber  die  Beurteilung  des  A  s  t  c  n  s  v  o  r  d  e  r  F  ä  1 1  u  n  g  siehe  Wagner,  Grund- 
lagen der  räuml.  Ordnung  -2.  Aufl.,  S.  257  ff. 


486  IX  B.   Stoetzer,  Forätbenutzung. 

Im  Interesse  der  Ordnung  ist  darauf  zu  halten,  daß  die  Holzhauer  in  der  Regel 
nicht  mehr  Stämme  auf  einmal  zur  Fällung  bringen,  als  im  Verlauf  der  darauf  fol- 
genden 2 — 3  Tage  aufgearbeitet  werden  können.  Bei  Durchforstungen  mag  diese 
Regel  bisweilen  eine  Ausnahme  erleiden,  indem  man  auf  einer  größeren  Fläche  die 
Fällung  beenden  und  dann  erst  das  Zusammenbringen  behufs  Aufarbeitung  vor- 
nehmen läßt. 

§20.  Ausformungund  Sortierung  der  Hölzer.  Bei  der  dem 
Fällungsbetriebe  folgenden  Aufbereitung  der  Hölzer  werden  zunächst  die  gefällten 
Stämme  entastet,  wobei  die  Aeste  mit  dem  Beil  glatt  am  Stamme  abgetrennt  und 
überdies  alle  dürren  Aststümpfe  und  Auswüchse  weggeputzt  werden.  Das  Kürzen 
des  Derbholzes  erfolgt  mit  der  Säge,  wobei  die  Schnitte  immer  senkrecht  auf  die 
Achse  des  Schaftes  geführt  werden  müssen.  Die  Ausscheidung  derjenigen  Stämme 
und  Stammteile,  die  einen  höheren  Wert  bei  der  ^'er\vendung  zu  Nutzholz  als  zu 
Brennholz  haben,  muß  als  ein  Gegenstand  bezeichnet  werden,  der  besondere  Auf- 
merksamkeit und   Umsicht  der  Wirtschaftsorgane  erheischt. 

Durch  eine  gute  Sortierung  wird  der  Geldertrag  wesentlich  gehoben ;  hierbei 
kommt  der  Wirtschaft  eine  ausgedehnte  Kenntnis  des  Verbrauchs  der  verschiedenen 
Holzsortimente  seitens  des  Forstmanns  wesentlich  zugute. 

Hinsichtlich  der  Sortimente,  die  im  deutschen  Reich  Geltung  haben  sollen, 
sind  unter  einer  Anzahl  von  Bundesregierungen  gewisse  feste  Bestimmungen  ver- 
einbart worden  ^).    (Vereinbarung  der  deutschen  Staatsforstverwaltungen  von  1875.) 

Darnach  rechnet  man  zum  Derbholz  die  oberirdische  Holzmasse  über 
7  cm  Durchmesser,  einschließlich  der  Rinde  gemessen.  Zum  N  i  c  h  t  d  e  r  b  h  o  1  z 
gehört  Reisig  (die  oberirdische  Holzmasse  von  7  cm  abwärts)  und  Stockholz  (die 
unterirdische  Holzmasse  und  die  bei  der  Fällung  daran  bleibenden  Schaftteile). 
Das  L  a  n  g  n  u  t  z  h  o  1  z  bilden  diejenigen  Nutzholzabschnitte,  die  nicht  in  Schicht- 
massen aufgearbeitet,  sondern  kubisch  vermessen  und  berechnet  werden.  Hiervon 
sind  Stämme  solche  Hölzer,  die  bei  1  m  oberhalb  des  unteren  Endes  über  14  cm, 
Stangen  hingegen  solche,  die  bis  mit  14  cm  Durchmesser  halten,  wobei  unter- 
schieden wird  zwischen  Derbstangen  (über  7  bis  mit  14  cm  bei  1  m  über  dem 
Abschnitt  gemessen)  und  Reisstangen  (bis  mit  7  cm,  ebenso  gemessen).  Schicht- 
nutzholz ist  das  in  Schichtmaße  oder  in  Gebunde  aufbereitete  Nutzholz. 

N  u  t  z  r  i  n  d  e  ist  die  vom  Stamm  getrennte  Rinde,  soweit  sie  zur  Gerberei 
oder  zu  sonstigen  technischen  Zwecken  benutzt  wird. 

Bei  Brennholz  hat  man  zu  unterscheiden :  Scheiter,  ausgespalten  aus  Rund- 
stücken von  über  14  cm  am  oberen  Ende,  ferner  Knüppel  oder  Prügel  über 
7  bis  mit  14  cm  am  obern  Ende,  Reisig  bis  mit  7  cm  Durchmesser  am  untern 
Ende,  und  zwar  Reisprügel  (in  Schichtmaße  aufgesetzt)  oder  Wellen  (Ge- 
bunde von  1  m  Länge  und  1  m  Umfang),  endlich  Brenn  rinde  und  Stöcke. 

Die  Messung  des  Langnutzholzes  soll  in  der  Regel  m  i  t  der  Rinde  erfolgen, 
nur  dann  ohne  Rinde,  wenn  das  Holz  vor  der  Messung  entrindet  wird  (vergl.  weiter 
unten).  Stämme  werden  auf  Grund  der  gemessenen  Längen  (in  Metern  und  geraden 
Dezimetern)  und  Durchmesser  kubisch  berechnet,  kürzere  Blöcke  bis  mit  5  m  Länge 
können  bei  Messung  des  oberen  Durchmessers  nach  lokalen  Sätzen  berechnet  werden. 
Bei  Stangenholz,  das  zunächst  nach  der  Stückzahl  aufgenommen  wird,  kann 
ebenfalls  Berechnung  nach  Durchschnitts-  und  Erfahrungssätzen  stattfinden. 

Die  Maß-  und  Reclmungseinheit  für  Holz  bei  der  Abschätzung  und  Abschät- 
zungskontrolle bildet  der  Kubikmeter  fester  Holzmasse  (Festmeter). 

1)   J.  d.  preuß.   F.   u.   J.   1876,   S.   341. 


Gewinnuncr  dos   Holzes  und  diT   liinde.      §   20.  4g7 

Dies  führt  uns  zur  Besprecliuug  der  A  u  s  f  o  r  m  u  n  g  dos  Holzes  bei 
der  Ernte.  Nach  der  Fällung  der  Bäume  handelt  es  sich  zunächst  darum,  die- 
selben in  für  die  Verwertung  möglichst  geeignete  Stücke  zu  zerlegen. 

Zunächst  können  als  allgemeine  Aufbereitungsgrundsätze  gel- 
ten :  die  gefällten  Bäume  in  Stücke  von  transportablen  Dimensionen 
und  Formen  zu  zerlegen;  eine  solche  Teilung  vorzunehmen,  daß  die  Teile  eine  m  ö  g- 
lichstvielseitige  Verwendbarkeit  zeigen  und  es  deshalb  in  der  Folge 
möglich  ist,  sie  derjenigen  Verwendungsart  zuzuführen,  für  die  sie  sich  jeweils  am 
besten  eignen  und  zu  der  sie  daher  am  meisten  geschätzt  werden;  und  endlich  solche 
Einheiten  zu  bilden,  die  gleichartige  Qualität  zeigen  und  daher  gleichen 
Wert  für  die  Maßeinheit  besitzen  und  zu  gleichem  Zweck  Verwendung  finden  können. 

Dabei  wird  man  übrigens  eben  im  Interesse  möglichst  vielseitiger  Verwend- 
barkeit des  einzelnen  Stücks  die  Schäfte  zunächst  möglichst  wenig  zerschneiden 
und  die  weitere  Teilung  dem  Käufer  überlassen. 

Wenn  z.  B.  im  Eichenholz  der  untere  Teil  eines  Stammes  wertvolles 
Schreiner-  oder  sonstiges  Starknutzholz  gibt,  der  Gipfel  hingegen  nur  zu  Schwellen- 
holz geeignet  erscheint,  so  wird  man  zwar  eine  Bezeichnung  der  Grenze  zwischen 
Starkholz  und  Schwellenholz  vornehmen  und  sodann  den  Gipfel  bis  zu  dem  Minimum 
der  Schwellenholzstärke  (in  einer  Länge,  die  ein  Vielfaches  der  Schwellenlänge  —  2,4 
bis  2,5  m  —  darstellt)  liegen  lassen,  allein  man  wird  den  Stamm  auf  der  Grenze  nicht 
zerschneiden  lassen,  weil  vom  Liebhaber  vielfach  eine  noch  vorteilhaftere  Verwen- 
dung ausfindig  gemacht  wird,  an  der  ihn  das  vorherige  Zerschneiden  hindern  würde. 

Auch  bei  anderen  Laubnutzhölzern  ist  eine  Zerstückelung  von 
Stämmen,  vielleicht  veranlaßt  durch  Krümmungen  oder  Aeste,  bisweilen  von  Nach- 
teil, weil  dem  Käufer  öfters  ein  Fehlbetrag  von  dem  Bruchteil  eines  Meters  den 
Stamm  zu  einer  beabsichtigten  Verwendung  untauglich  macht. 

Nadelholzstämme  läßt  man  bis  zu  einer  Stärke  aushalten,  die  noch 
eben  zu   Nutzholzzwecken  brauchbar  ist. 

In  Süddeutschland  hat  in  neuerer  Zeit  eine  Aufbereitung  der  Nadelholzstämme 
—  als  sog.  Langholz  —  allgemeine  Verbreitung  gefunden,  welche  die  Nutzholz- 
brauchbarkeit der  Schäfte  durch  Berücksichtigung  von  Länge  und  D  n  r  c  h- 
messer  am  dünnen  Ende  (Ablaß  oder  Zopf)  in  glücklichster  Weise  erfaßt. 
Die  Aufbereitung  erfolgt  nach  Klassen  verschiedener  Längen  und  Zopfdurchmesser. 
Diese  Klassenbildung  heißt  die  ,,H  e  i  I  b  r  o  n  n  e  r  Sortierung",  die,  durch 
Flößerei  und  Holzhandel  nach  dem  Rheine  entstanden  i),  seit  alter  Zeit  im  württem- 
bergischen Schwarzwalde  gilt  und  durch  den  Heilbronner  Holzhandel  weiter  ver- 
breitet worden  ist.  (Ueber  die  Geschichte  der  Heilbronner  Sortierung  vergl.  H  ä  h  n  1  e 
„Sortimentstafeln  für  Fichtenbestände  Württembergs  1905,  Einleitung).  Die  Heil- 
bronner Sortierung  bildete  früher  5  Langholzklassen,  jetzt  als  Süddeutscher  Tarif 
6  Klassen: 

I.  Klasse  bei  mindestens  18  m  Länge  wenigstens  30  cm  Ablaß 
IL  Klasse  bei  mindestens  18  m  Länge  wenigstens  22  cm  Ablaß 

III.  Klasse  bei  mindestens  16  m  Länge  wenigstens  17  cm  Ablaß 

IV.  Klasse  bei  mindestens  14  m  Länge  wenigstens  14  cm  Ablaß 
V.  Klasse  bei  mindestens  10  m  Länge  wenigstens  12  cm  Ablaß 

VI.  Klasse  alles  kürzere  und  schwächere  Langholz. 
Neben  diesen  Langholzklassen  geht  ein  weiteres  Sortiment,  Sägholz  oder  Ab- 
schnitte genannt,  einher,  bei  dem  die  Länge  keine  entscheidende  Rolle  spielt,  das 
1)  V.  Schauenburg,  Mündener  forstl.  Hefte  X\' — XVII. 


488  IX  B.  Sloetzer,  Forslbenutzung. 

aber,  weil  weniger  wertvoll,  nur  in  geringerem  Umfange  aufbereitet  wird.  Die  Heil- 
brunner Sortierung  hat  zuerst  in  Wüittemberg  (etwa  seit  1860)  allgemeine  Anwen- 
dung gefunden  und  ist  in  neuerer  Zeit  von  den  meisten  süddeutschen  Staaten  über- 
nommen worden.    (Baden-reichsländischer  Tarif.) 

Die  Einführung  derartiger  gemeinsamer  Grundsätze  für  verschiedene  Ver- 
waltungen ist  dem  Holzhandel  sehr  envünscht  ^).  Der  deutsche  Forstwirtschaftsrat 
hat  sich  1901  und  1904  mit  dieser  Frage  beschäftigt  und  es  als  wünschenswert  be- 
zeichnet, daß  die  Messung  und  Sortierung  der  Handelshölzer,  soweit  es  die  Verhält- 
nisse gestatten,  in  den  deutschen  Waldungen  laach   gleichen  Grundsätzen  erfolge'-). 

Es  ist  nicht  immer  richtig,  daß  bei  Nadelholzschäften  die  größere  Länge  auch 
dem  größeren  Kubikinhalt  entspricht.  Es  kommt,  insbesondere  bei  tief  herab  be- 
asteten und  infolgedessen  abfälligen  Stämmen  vor,  daß  durch  Abschneiden  von 
2 — ^3  Meter  am  Gipfel  der  Mittendurchmesser  des  Stammes  um  so  viel  sich  erhöht, 
daß  ein  höherer  Kubikinhalt  bei  der  Berechnung  resultiert,  als  wenn  man  dem  Stamm 
jenes  Gipfelstück  belassen  hätte. 

Allgemeine  Regeln  für  vorteilhafteste  Entwipfelung  der  Nadelholzschäfte 
sind  wohl  schon  aufgestellt  worden,  haben  jedoch  in  der  Praxis  kaum  Eingang  ge- 
funden. 

Grebe  schlägt  vor,  die  Ablängung  so  zu  bewirken,  daß  der  obere  Durch- 
messer 34  der  in  Brusthöhe  gemessenen  Stammstärke  betrage;  auf  diese  Weise  soll 
der  Stamm  ein  gutes  Ansehen  behalten  und  an  Gebrauchsfähigkeit  gewinnen  ^). 

Offenbar  spielen  hierbei  die  örtlichen  Verwendungsarten,  z.  T.  auch  Gewohn- 
heiten die  größte  Rolle;  vor  einem  zu  weit  getriebenen  Bestreben,  die  Nutzholz- 
schäfte bis  in  die  äußersten  Zopfenden  als  Nutzholz  ausformen  zu  lassen,  muß  aber 
entschieden  gewarnt  werden;  dem  höheren  Nutzholzprozent  steht  sonst  bisweilen 
ein  geringerer  Einheitspreis  pro  Festmeter  gegenüber,  indem  der  Käufer  die  für 
ihn  wertlose  Gipfelspitze  bei  seiner  Kalkulation  und  bei  Abgabe  seines  Gebotes  für 
nichts  rechnet. 

Sägeblöcke  des  Nadelholzes  (Abschnitte,  Klötzer  oder  Bloche) 
haben  gewöhnlich  die  durch  den  Handel  gegebenen  Normallängen  (3 — 1  lo  Meter). 
Bei  dem  Umstand,  daß  bisweilen  auch  Bretter  von  nicht  marktgängigen  Längen 
begehrt  werden,  empfiehlt  es  sich,  besonders  schöne  Schnitthölzer  in  ganzer,  zum 
Bretterschneiden  eben  noch  tauglicher  Länge  liegen  zu  lassen,  damit  der  Käufer 
Gelegenheit  hat,  ungewöhnliche  Blocklängen  ausschneiden   zu   lassen. 

Die  Frage,  bis  zu  welchem  oberen  Durchmesser  Nadelholzsägeblöcke  auszu- 
halten sind,  beantwortet  sich  nach  der  örtlichen  Nachfrage. 

Zur  eigentlichen  Brettergewinnung  für  den  Handel  sind  Stärken  von  30 — 36  cm 
am  vorteilhaftesten  (normale  Breite  der  Bretter  29  cm) ;  für  Anfertigung  von  Kisten, 
sowie  zur  Herstellung  von  Latten,  Stollen,  Leisten  etc.  kann  man  viel  weiter  (selbst 
bis  20  cm)  herabgehen. 

Man  teilt  die  Sägeblöcke  nach  Abstufungen  der  Mitten-,  oder  auch  wohl  (z.  B. 
in  Sachsen)  der  Oberstärke,  von  5  zu  5  oder  10  zu  10  cm  Durchmesser  in  Klassen  ein. 

Anbrüchige  Abschnitte  finden  immer  ihre  Verwendung,  z.  B.  zu  Kisten-,  Ver- 

1)  T  h  a  1  e  r  ,  „.\llgcm.  deutscher  Holzklassentarif  in  Sieht".  A.  F.-  u.  J.-Z.  1902,  S.  365  ff. 
Hoffmann,  ,,Die  Aiifstelhmg  gleicher  Holzlaxklassen  für  ganz  Deutschland."  A.  F.-  u.  J.-Z. 
1903,  S.  179  ff.  Eberhard,  „Aufstellung  gleicher  Holzlaxklassen  und  Draufholzfrage."  A.  F.- 
u.  J.-Z.  1906,  S.  130. 

2)  Kahl,  A.  F.-  u.  J.-Z.  1905,  S.  236  (berichtet  über  die  Beschlüsse  des  Forstwirt- 
schaftsrats). 

3)  Grebe,  Forstbenutzung,  3.  Auflage,   S.  134. 


Gcwinimiii,'  do;;  Holzes  und  der  Hiiule.     §  20.  439 

schalimgsbrelteni  u.  dort;'].,  mau  muß  dicscllii'u  nur  als  sohdie  Ijcsi iu(.lor,s  bozuichueu 
uuil  beim  Verkauf  von  der  fjuLcu  Ware  sondcin,  wie  es  denn  überhaupt  als  Grundsatz 
festzuhalten  ist,  daß  uum  die  schadhaften  Stellen  der  Hölzer  nicht  zu  verdecken 
suchen,  sondern  dem  Kiiufer  offen  legen  soll,  da  im  crsteren  Falle  das  Vertrauen  für 
künftige  Verkäufe  geraubt  wird. 

Nadelhölzer  werden  (bei  der  Fichte  schon  zur  Gewiniumg  der  Rinde  und  zur 
Vorbeugung  gegen  den  Bohrkafer  und  Borkenkäfer)  meist  entrindet;  sie  trocknen 
hierbei  leichter  aus  und  gewinnen  an  Transportfähigkeit.  Zur  N'erhinderung  de? 
Aufreißens  läßt  man  wohl  an  den  Enden,  sowie  auch  in  der  Mitte  Rindcniinge  stehen. 

Eine  Ausnalune  von  der  Regel  des  Schälens  machen  Hölzer,  die  zu  Brunnen- 
röhren bestimmt  sind  (Kiefern  oder  Fichten);  dieselben  sind  wegen  der  Gefahr  des 
Reißens  unentrindet  zu  lassen  und  baldmöglichst  aus  dem  Wald  und  ins  Wasser  zu 
schaffen. 

Bezüglich  der  Aussortierung  der  geringeren  Nutz-  und  Stangenhölzer  lassen  sich 
ins  einzelne  gehende  Vorschriften  nicht  wohl  erteilen.  Die  möglichste  Ausnützung 
der  Hiebsergebnisse  zur  Formung  solcher  Sortimente  ist  oberster  Grundsatz  der 
Forstbenutzung.  Selbst  wenn  die  zu  erlangenden  Erlöse  nur  wenig  über  dem  ge- 
wöhnlichen Brennholzpreis  stehen,  verdient  es  Beachtung,  daß  durch  reichliche  Aus- 
nützung der  Nutzholzsortimente  der  Brennholzanfall  vermindert  und  dadurch  die 
^löglichkeit  gegeben  wird,  selbst  geringere  Brennhölzer  besser  zu  verwerten. 

Bei  Ausformung  der  Stangenhölzer  (Hopfenstangen,  Wagnerhölzer)  ist 
tiefer  Aushieb  derselben  aus  dem  Boden  sowie  Beibehaltung  der  größtmöglichen 
Länge  anzustreben ;  das  Entgipfeln  ist  also  in  der  Regel  zu  unterlassen.  Man  legt  die 
Stangen  in  Haufen,  deren  Zahl  meist  auf  je  10  abgerundet  ist,  zusammen. 

Baum-  und  Weinpfähle,  Telegraphenstangen,  überhaupt  solche  Sortimente,  die 
in  bekannten  Längen  gebraucht  werden,  läßt  man  so  ablängen,  wie  es  der  Begehr 
fordert. 

Auch  bei  den  Nadelstangenhölzern  ist  das  Schälen  vielfach  üblich  und  nützlich, 
teils  wegen  Erleichterung  des  Austrocknens,  teils  als  Vorbeugung  gegen  Insekten- 
beschädigungen. 

S  c  h  i  c  h  t  n  u  t  z  h  o  1  z  wird  aus  dem  zu  Langnutzholz  nicht  tauglichen  Teile 
des  Einschlages,  der  sonst  nur  Brennliolz  liefert,  ausgesondert.  Es  handelt  sich  hier 
meist  um  astreines,  glattspaltiges  Holz  für  Schnitzer,  Böttcher,  Wagner,  Felgenhauer, 
Drechsler  etc.  Bei  Ausformung  desselben  ist  besonders  darauf  zu  sehen,  daß  nicht 
wertvolles  und  besser  bezahltes  Langnutzholz  in  Scheitholz  zerschnitten  wird,  daß 
vielmehr  nur  solche  Nutzholzabschnitte,  die  wegen  irgend  eines  Fehlers  in  größeren 
Längen  nicht  zu  benutzen  sind,  zur  Formung  des  Schichtnutzholzes  verwandt  werden, 
letzteres  im  übrigen  aus  dem  Brennholz  ausgeschieden  wird. 

Brennholz  zerfällt  in  Scheitholz  und  Prügelholz;  unter  letzterem  sind  die 
Rundstücke  von  über  7  bis  14  cm  Durchmesser  am  oberen  Ende  zu  verstehen;  stärkere 
Hölzer  werden  behufs  leichterer  Austrocknung  in  Scheiter  gespalten ;  bei  normal  ge- 
wachsenem Holze  bedient  sich  der  Holzhauer  hier  neben  der  schweren  keilförmigen 
Spaltaxt  des  Keils;  Verwendung  finden  hölzerne  und  eiserne  Keile; 
erstere  haben  den  Vorzug  vor  letzteren,  daß  sie  mit  dem  Rücken  der  Axt  eingetrieben 
werden  können,  dagegen  den  Nachteil  größerer  Reibung  und  daher  geringerer  \\'irk- 
samkeit.  Der  beste  und  meistverwendete  Keil,  der  die  Vorteile  des  Holzkeils  mit 
denen  des  Stahlkeils  verbindet,  ist  der  zusammengesetzte  Keil  mit  eisernem  Schuh 
und  hölzernem  Kopf,  welch  letzterer  aus  zähem  Hainbuchenholz  hergestellt  wird 
und  gegen  das  Breitschlagen  durch  einen  Eisenring  gesichert  ist. 


490  IX  B.   Stoelzer,  Forstbenutzung. 

Auch  beim  Brennholz  muß  auf  eine  sorgfaltige  Sortierung  Bedacht  geiKimmen 
werden;  zunächst  müssen  die  verschiedenen  Holzarten  je  nach  ihrem  Brennwert 
auseinandergehalten  und  dürfen  beispielsweise  nicht  Buchen  und  Eichen  unterein- 
ander gesetzt,  sondern  allenfalls  nur  solche  Holzarten  zusammen  in  einen  Stoß  gelegt 
werden,  die  in  ihrer  Brenngüte  gleichstehen.  Es  ist  ferner  darauf  zu  sehen,  daß  zu 
gesundem  Holz  kein  anbrüchiges,  zu  Scheitholz  keine  schwachen  Prügel  gelegt 
werden;  knorriges  Holz  ist  von  glattspaltigem  zu  trennen. 

Sortimente,  die  nur  spärlich  vorkommen,  so  daß  man  aus  ihnen  keinen  vollen 
Stoß  herstellen  kann,  lege  man  nicht  zu  der  nächst  besseren,  sondern  zu  einer  ge- 
ringeren Klasse;  im  ersteren  Falle  wird  das  Ansehen  des  guten  Holzes  geschmälert, 
im  letzteren  gewinnt  die  Verkaufsfähigkeit  des  schlechten  durch  Beimischung  von 
etwas  besserem  Holz. 

Alle  Stöße  müssen  gut  und  dicht  zwischen  fest  eingeschlagene  Stützen  gelegt 
werden,  sie  erhalten  die  richtige  Scheitlänge  und  normale  Weite,  in  der  Höhe  gibt 
man  oft  10  cm  Uebermaß  (Darrschicht)  zu,  wenn  das  Holz  bis  zur  Verwertung  vor- 
aussichtlich einige  Zeit  im  Walde  stehen  bleiben  muß. 

Zur  Erlangung  guten  Sortierens  und  Aufschichtens  der  Brennhölzer  hat  man 
die  Aufstellung  besonderer  Holzsetzer  vorgeschlagen,  derart,  daß  die  gewöhn- 
lichen Holzhauer  das  Fällen,  Ablängen  und  Aufspalten  besorgen,  während  das  Sor- 
tieren und  Setzen  besonders  bevorzugten  Holzhauern  übertragen  wird.  Man  geht 
davon  aus,  daß  das  Holzsetzen  besondere  Uebung  und  Geschicklichkeit  erfordere; 
auch  nimmt  man  an,  daß  der  Holzsetzer,  selbst  wenn  er  auch  im  Akkord  arbeitet, 
doch  durch  ein  lückiges  Setzen  nur  einen  geringeren  Mehrverdienst  habe,  als  der 
Holzhauer  selbst,  da  er  nur  an  den  geringen  Kosten  des  Setzens,  nicht  aber  an  den 
Hauptkosten  der  Aufarbeitung  teilhabe,  daher  kein  so  großes  Interesse  an  fehler- 
hafter Arbeit,  die  ein  Mehrergebnis  hervorruft,  haben  könne.  —  Diese  Erwägungen 
sind  ohne  Zweifel  nicht  unrichtig,  allein  ohne  eine  eingehende  Kontrolle  seitens  des 
Wirtschaftspersonals  wird  auch  der  Holzsetzer  nicht  ordentlich  arbeiten  und  eine 
Erschwerung  der  Betriebsarbeiten  wird  mit  dieser  Einrichtung  immerhin  verbunden 
sein;  dasselbe  scheint  daher  in  der  Praxis  wenig  Eingang  gefunden  zu  haben. 

Ast-  und  R  e  i  s  h  0  1  z  wird  entweder  mittelst  Holzwieden,  bezw.  dünnem 
Draht  in  Wellen  gebunden  oder  in  Raummeter  zusammengelegt.  Bei  Sortierung  des 
Reisholzes  in  Wellen,  wobei  die  Normalwelle  1  m  Länge  und  1  m  Umfang,  oder  1,5  m 
Länge  und  0,8  m  Umfang  haben  soll,  empfiehlt  sich  zur  Beförderung  des  Austrocknens 
die  Aufstellung  derselben  in  schief  gegeneinander  dachförmig  geneigten  Reihen,  nicht 
aber  wagrechte  Auflagerung;  oben  auf  die  Reihe  legt  man  für  je  10  Stück  eine  Welle 
wagrecht,  so  daß  sofort  ersehen  wird,  wieviel  Zehner  der  Stoß  enthält.  Die  stärkeren 
Knüppel  schneidet  man  bisweilen  zweckmäßig  als  sogenannte  Reisknüppel  aus 
und  läßt  dieselben  ins  Raummaß  setzen.  In  holzreichen  Gegenden  empfiehlt  es  sich 
dann  öfters,  auf  das  Ausbinden  des  geringen  Reisholzes,  gar  keine  weiteren  Kosten 
zu  verwenden,  sondern  dasselbe  auf  Haufen  zusammenbringen,  zwischen  einzu- 
schlagende Pfähle  aufschichten  zu  lassen  und  in  dieser  Form  nach  dem  Raummaß  zu 
verwerten.  —  Insbesondere  erweist  sich  dieses  Verfahren  bei  Verwertung  des 
Nadelreisigs,  das  in  manchen  Gegenden  als  Streumaterial  sehr  gesucht  ist,  nütz- 
lich; meist  wird  dasselbe  jedoch  einfach  auf  Haufen  gebracht  und  nach  Wellen 
geschätzt. 

S  t  o  c  k  h  o  1  z  gewinnt  man  entweder  mittelst  der  in  §  19  beschriebenen  Baum- 
rodung oder,  nachdem  die  Stämme  mit  Axt  und  Säge  gefällt  worden  sind,  durch 
besonderes  Ausgraben  der  im  Boden  verbliebenen  Stöcke.    Das  Verfahren  der  Stock- 


Gewinnung  des  Holzes  und  der  Rinde.     §  21.  491 

rodung  nach  vorauss;egangener  Fällunar  der  Stämme  mit  Axt  und  Säge  i.st  das  weitaus 
gebräuchlichste  \'erfahren. 

Auch  beim  Stockroden  werden  die  Hauptwurzein  vom  Stamm  getrennt  und 
aus  der  Erde  gegraben;  den  stehengebliebenen  Stock  zerkleinert  man  in  der  Regel 
mittelst  Zerspaltens  in  einzelne  Teile  und  Herausdrehens  derselben  mittelst  Ilebe- 
stangen;  ist  der  Stock  niedrig,  so  wird  er  wohl  auch  ganz  ausgegraben,  auf  die  Ab- 
schnittsfläche gesetzt  und  von  unten  aus  gespalten. 

An  steilen  Hängen  oder  inmitten  von  Verjüngungen  beläßt  man  wohl  auch  das 
Wurzelholz  im  Boden  und  spaltet  nur  den  eigentlichen  Stock  des  Baumes  ab,  indem 
man  möglichst  nahe  an  der  Erde  einzelne  Kerben  einhaut  und  von  oben  in  der  ent- 
sprechenden Breite  des  Stammes  Keile  eintreibt  (Abschmatzen,  Ausspitzen). 

Neben  der  bloßen  Handarbeit  unter  Benutzung  der  gewöhnlichen  Holzhauer- 
werkzeuge, sowie  von  besonderen  Stockrodemaschinen  (Krupp,  Boos  .  .  .),  auf  die 
hier  nicht  weiter  eingegangen  werden  soll,  wird  zur  Zerkleinerung  des  Stockholzes 
auch  die  Anwendung  verschiedener  Sprengstoffe  (Pulver  und  Dynamit,  Cahücitusw.) 
mehrfach  empfohlen.  Hierbei  wird  der  zu  sprengende  Stock  von  der  Seite,  von  oben 
oder  auch  unten  angebohrt,  das  Bohrloch  mit  Pulver  oder  Dynamit  besetzt  und  dieses 
unter  Anwendung  einer  Zündschnur  (bei  DjTiamit  derart,  daß  an  der  Zündschnur 
ein  Zündhütchen  aufgesetzt  und  in  das  Dynamit  eingeführt  ist)  und  nach  gehörigem 
Verschluß  des  Bohrloches  zur  Explosion  gebracht. 

Dynamit  wirkt  kräftiger  und  zerreißt  den  Stock  mehr  als  Pulver,  bei  dem 
öfters  nur  Risse  entstehen,  die  zum  weiteren  Angriff  mit  Axt  und  Keil  benutzt  werden. 

Man  hat,  insbesondere  zur  Pulversprengung,  besondere  Instrumente  konstruiert, 
die  zur  sicheren  Einführung  der  Sprengpatronen  in  das  Innere  des  Stockes  und  zu 
einem  guten  Verschluß  des  Bohrloches  dienen.  Es  sind  dies  die  sog.  Spreng- 
schrauben; gemeinsam  ist  ihnen  allen  eine  in  das  Bohrloch  einzuführende  hohle 
Schraube,  die  auf  die  Zündmasse  aufgeschraubt  wird,  bezw.  diese  nebst  der  Zün- 
dungsvorrichtung enthält.  Am  vollkommensten  ist  die  von  Forstmeister  U  r  i  c  h 
erfundene  Zündnadelsprengschraube  i),  bei  der  das  Pulver  durch  eine  mit  einer  Spiral- 
feder verbundene  Zündnadel,  die  in  einen  Zündspiegel  einschlägt,  zur  Entzündung 
gebracht  wird,  während  bei  anderen  Sprengschrauben,  z.  B.  denjenigen  von  F  r  i- 
b  o  1  i  n ,  sowie  von  Preuschen,  die  Zündung  durch  Abdrücken  einer  dem  Schlosse 
eines   Ge\\ehres  entsprechenden  Vorrichtung  zu  bewirken  ist. 

Statt  der  Sprengschrauben  hat  Oberförster  Lang  den  Sprengpfropf 
zum  Verschluß  des  Bohrloches  konstruiert  -),  ein  kegelförmiges  Eisenstück,  in  seiner 
Achse  zur  Aufnahme  der  Zündschnur  durchlocht  und  so  eingerichtet,  daß  es  mittelst 
eines  hölzernen  Schlegels  in  das  mit  Pulver  geladene  Bohrloch  eingetrieben  wird. 
Diese  Methode  scheint  wegen  der  Billigkeit  des  Apparates  (50  Pfennig  pro  Stück), 
die  es  ermöglicht,  daß  die  Holzhauer  sich  denselben  auf  eigene  Rechnung  beschaffen 
können,  beachtenswert. 

Im  allgemeinen  ist  die  Stockholzzerkleinerung  durch  Handarbeit  gegenüber  der 
Verwendung  von  Sprengstoffen  bis  jetzt  wenig  zurückgegangen.  Es  liegt  dies  vor- 
nehmlich daran,  daß  die  Anwendung  von  Pulver  oder  Dynamit  nur  bei  dem  Baum- 
rodungsverfahren von  überwiegendem  Vorteil  ist,  indein  die  Wirksamkeit  dieser 
Sprengstoffe  an  die  Bedingung  geknüpft  ist,  daß  der  gerodete  Stock  bereits  außerhalb 
des  Bodens  liegt,  wogegen,  wenn  sich  der  Stock  nach  Abtrennung  des  Baumschaftes 
noch  in  der  Erde  befindet,  mit  den  Sprengmitteln  ein  geringerer  Erfolg  erzielt  wird. 


1)  Z.  f.  F.  u.  Z.  1876,  S.  418.    Zündnadel-Sprengschraube  von  L'rich. 

2)  A.  G.-  u.  J.-Z.  1882,  S.  68.    Der  Sprengpfropf  von  Lang. 


492  IX  B.  S  l  0  e  l  z  e  r  ,  Forstbenutzung. 

Was  übrigens  die  Vorteile  der  Anwendung  von  Sprengmitteln  gegenüber  der 
Handarbeit,  ausgedrückt  in  der  Verminderung  der  Gewinnungskosten,  anlangt,  so 
dürfte  sich  dieselbe  gewiß  bei  harten,  zähen  und  vermaserten  Stöcken  als  nennenswert 
herausstellen  ');  bei  Fichten  hat  sich  die  Handarbeit  billiger  gezeigt,  als  die  Anwen- 
dung von  Sprengmitteln;  auch  bei  Kiefern  stellte  sich  die  Gewinnung  von  1  rm 
Stockliolz  billiger  durch  Handarbeit,  als  durch  Dynamit-). 

Diese  letzteren  Erfahrungen  beziehen  sich  jedoch  nicht  auf  Stöcke,  die  bei 
der  Baumrodung  gewonnen  waren. 

Es  ist  nicht  anzunehmen,  daß  die  Handarbeit  durch  die  Stocksprengung  mit 
Pulver,  Dynamit  und  anderen  Stoffen  im  großen  und  ganzen  verdrängt  werden  wird ; 
diese  Sprengstoffe  werden  jedoch  immerhin  als  Hilfsmittel  Beachtung  verdienen, 
wobei  Dynamit  wegen  der  größeren  Umständlichkeit  des  Bezugs  und  der  leichteren 
Veranlassung  zu  Unfällen,  sowie  der  Schwierigkeit  der  Anwendung  desselben  im 
Winter  (es  gefriert  schon  bei  +  8"  Celsius)  gegenüber  dem  Pulver  im  Nachteil  stehen 
dürfte.  Neuestens  wird  ein  neues  Sprengmittel,  C  a  h  ü  c  i  t ,  von  vielen  Seiten  an- 
gelegentlich empfohlen. 

Das  zerkleinerte  Stockholz  wird  in  Raummeter  aufgesetzt.  Da  dasselbe  nie 
glatt  und  gerade,  sondern  immer  sperrig  und  mehr  oder  weniger  gekrümmt  ausfällt, 
so  ist  beim  Aufsetzen  eine  besondere  Aufsicht  auf  gutes  Legen  zu  führen;  am  meisten 
empfiehlt  es  sich,  die  Stöße  nur  in  Tiefen  von  v,  Meter  aufschichten  zu  lassen,  da  auf 
diese  Weise  Undichtigkeiten  und  Lücken  am  leichtesten  entdeckt  werden. 

Auch  beim  Stockholz  ist  es  geboten,  die  verschiedenen  Holzarten  beim  Auf- 
setzen zu  sondern;  vom  Fichtenholz  gewinnt  man  öfters  viel  anbrüchige  Stöcke  und 
Wurzeln.  Diese  müssen  von  dem  gesunden  Material  bei  dem  Aufsetzen  streng  ge- 
schieden werden. 

§  2L  N  u  t  z  u  n  g  d  e  r  R  i  n  d  e.  Im  Laubholz  ist  in  der  Regel  nur  die  Ge- 
winnung der  Eichenrinde  von  jüngeren  Stämmen,  insbesondere  im  Nieder-  und 
;\Iittel\vald,  Gegenstand  der  forstlichen  Nutzung.  Im  Nadelwald  schält  oder  rappelt 
man  unter  Umständen  fast  alle  Stämme  zur  leichteren  Austrocknung  und  Abwehr 
von  Insektenschäden,  allein  eine  Nutzung  von  besonderer  Erheblichkeit  gewährt 
in  den  deutschen  Wäldern  hierbei  nur  die  Fichte,  deren  Rinde  zur  Lohgewin- 
nung dient. 

Die  Lösbarkeit  der  Rinde  vom  Holzkörper  ist  an  die  Zeit  des  Saftsteigens, 
die  mit  dem  Knospenausbruch  zusammenhängt,  gebunden.  Die  beste  natürliche 
Schälzeit  ist  vom  Mai  bis  Ende  Juni,  selbst  bis  Juli.  In  diese  Zeit  fällt  also  die  Rinden- 
nutzung, da  die  in  Frankreich  durch  Le  Maitre  erfundene  Methode  der  Dampfschä- 
lung,  bei  welcher  die  zu  schälenden  Hölzer  in  eine  mit  Dampf  gefüllte  Kiste  gelegt 
werden  und  das  Schälgeschäft  von  der  Jahreszeit  unabhängig  ist,  in  Deutschland 
keinen  Eingang  gefunden  hat  ^). 

Die  Schälzeit  der  Traubeneiche  beginnt  8 — 12  Tage  später  als  die  der  Stiel- 
eiche; die  Rinde  löst  sich  am  besten  bei  warmer  und  feuchter  Luft,  insbesondere  in 
den  Morgen-  und  Abendstunden. 

Nach  früheren  Versuchen  nahm  man  an,  daß  das  Gewicht  der  Volumeneinheit 
zu  Ende  der  Schälzeit  größer  sei  als  zu  Anfang  derselben;  so  z.  B.  hat  Oberförster 

1)  Nach  Heß  bezifferten  sich  die  Gewinnungskosten  für  Buchenstöcke  bei  Pulversprengung 
auf  1,02  M.,  bei  Handarbeit  auf  2,33  M.  pr.  rm.  Es  waren  dies  durch  Baumrodung  gewonnene 
Stöcke.    F.  Z.-Bl.  1883,   S.   147. 

2)  Z.  f.  F.  u.  J.  1878,  S.  337.  Schuberg,  Versuche  mit  Stocksprengungen.  F.  Z.-BI. 
1880,  S.  99  ff.    Ueber  Dynamit-Stocksprengversuche. 

3)  Z.  f.  F.  u.  J.  187"o,  S.  341.    Die  Dampfentrindung  von  A.  Bernhardt. 


Gewinnung  des  Holzes  und  der  Rinde.     §  21.  493 

Reu  ß  nacligew  lesen,  daß  gleich  große  Gebunde  Lohe  Im  Mal  geschält  II, I  Kilo,  Im 
Juni  geschält  hingegen   14,7  Kilo  wogen  ^). 

Später  hat  v.  Eschwege  eine  Erfahrung  veröffentlicht,  nach  der  sich  umgekehrt 
für  die  früher  geschälte  Lohe  ein  größeres  Gewicht  ergibt,  als  für  die  später  geschälte. 
Rinde,  in  der  Zelt  vom  1. — 14.  Mai  1878  geschält,  ergab  ein  Gewicht  von  6,9  Kilo 
pro  Gebund,  während  gleichgroße  Gebunde  desselben  Standortes,  vom  IT»,  bis  Ende 
Mal  geschält,  im  Durchschnitt  nur  5,9  Kilo  gewogen  haben  -). 

Mag  nun  aber  die  eine  oder  andere  Beobachtung  richtig  sein,  so  wird  di  ich  jeden- 
falls der  Eichenschälbetrieb  s  o  f  r  ü  h  z  e  i  t  i  g  a  1  s  m  ö  g  1  1  c  h  einzusetzen  haben, 
schon  im  Interesse  einer  rechtzeitigen  Bcendigiuag  der  Ernte,  dann  aber  auch  zur 
Erzielung  eines  besseren  Ausschlags  von  den  gehauenen  Stöcken,  dem  noch  Zelt  zu 
guter  Verholzung  bleiben  muß. 

Das  Verfahren  bei  der  Rindenernte  ist  folgendes:  Zunächst  wird  schon  vor  der 
eigentlichen  Schälzeit  das  sog,  Raumholz,  d.  h.  die  den  Eichenausschlägen  beige- 
mischten anderen  Holzarten,  sowie  die  nicht  schälbaren  Eichenloden,  gehauen  und 
aus  den  Schlägen  entfernt,  sofern  dies  nicht  schon  einige  .Jahre  früher  geschehen; 
gleichzeitig  werden  wohl  auch  die  Wasserreiser  von  dem  Eichenschälholz  abgehauen. 

Das  Schälen  selbst  erfolgt  nach  verschiedenen  Verfahren.  Vielfach  angewendet 
^\■ird  das  Schälenam  liegen  denHolz,  indem  zunächst  die  Stangen  vom 
Stock  getrennt  und  in  1  m  lange  Stücke  zerlegt  werden.  Das  Loslösen  der  Rinde  er- 
folgt hierauf  durch  Klopfen  mit  Holzschlegeln  auf  hölzerner  Unterlage,  Das  \er- 
fahren  hat  den  Nachteil,  daß  durch  das  Klopfen  sowohl  Saft  wie  Rindenteile  Verloren 
gehen,  daß  die  Rinde  gequetscht  wird,  daher  leichter  schimmelt,  und  daß  endlich 
besondere  Vorrichtungen  zum  Trocknen  der  Rindenrollen  notwendig  sind. 

Ein  weiteres  Verfahren  ist  das  Stehendschälen.  Hier  werden  nach  Ab- 
hieb der  Aeste  die  stehenden  Stangen  von  unten  her  geschält,  indem  man  die  Rinde 
zunächst  auf  einer  Seite  der  Länge  nach  aufreißt,  sie  am  Fuße  der  Stange  ringsum 
löst  und  nach  oben  abzieht.  Zur  Loslösung  der  Rinde  bedient  man  sich  besonderer 
\\erkzeuge,  der  Lohlöffel.  Die  Loslösung  erfolgt  bis  an  die  Zweige  unter  ^'erwendung 
von  Leitern. 

Da  die  Rinde  hierbei  am  Stamm  hängen  bleibt,  so  trocknet  sie  leicht  und  rasch. 
Nachteilig  ist,  daß  die  Rinde  von  den  Aesten  und  Zweigen  nicht  gewonnen  werden 
kann,  auch  ist  das  \'erfahren  ermüdend. 

Eine  dritte  Methode  ist  die  des  G  e  k  n  i  c  k  t  s  c  h  ä  1  e  n  s.  Die  Stange  wird  hierbei 
von  unten  im  Stehen  bis  zu  I  m  Höhe  geschält,  hierauf  nach  Einhauen  mit  der  Axt 
geknickt,  so  daß  die  Spitze  vom  Boden  aus  erreichbar  ist  und  nunmehr  die  liegende 
Stange  mit  Leichtigkeit  weiter  geschält.  Zur  Gewinnung  der  Rinde  von  den  Zweigen 
werden  diese  geklopft.    Die  Rinde  bleibt  auch  hier  zum  Trocknen  am  Stamme  hängen.' 

Dieses  Verfahren  ist  wohl  das  beste,  weil  es  bequem  zur  Ausführung  zu 
bringen  ist  und  eine  sorgfältige  Nutzung  der  Rinde  gestattet. 

Wesentlich  ist  nun  weiterhin  ein  r  a  s  c  h  e  s  A  u  s  t  r  o  c  k  n  e  n  d  e  r  R  i  n  d  e, 
wobei  es  darauf  ankonmit,  daß  dieselbe  nicht  beregnet  wird,  da  sie  sonst  durch  ^^'asse^ 
einen  Teil  ihres   Gerbstoffes  verliert. 

Damit  das  Trocknen  rasch  vonstatten  geht  und  die  Rinde  hierbei  nicht  auf 
dem  Boden  aufliegt,  weil  sie  dabei  leicht  schimmlig  wird,  fertigt  man  beim  Liegend- 
schälen besondere  Trockengerüste,  indem  man  2  Paare  von  Stangen  kreuzweise  im 


1)  M,  f,  F,  u.  J.  1866,   S.  450. 

2)  Z.  f.  F.  11.  J.  1886,  S.  283,    V.  Esc  li  w  e  g  e,  Einfluß  der  Schälzeil  auf  das  Gewicht  der 
Eichen-Lohrinde. 


494  IX  B.   Stoelzer,  Forstbenutzung. 

Boden  befestigt  und,  nachdem  dieselben  an  dem  obersten  Teil  zusammengebunden 
sind,  in  die  so  entstandene  Gabel  eine  weitere  Stange  legt,  auf  der  nach  dem  Boden 
in  der  Richtung  nach  der  Sonnenseite  weitere  Stangen  angelegt  werden. 

Auf  diese  Gerüste  werden  die  Rinden  dünn  ausgebreitet  und,  nachdem  eine 
Seite  abgetrocknet  ist,  umgewandt^). 

Bei  Eintritt  von  Regen  deckt  man  wohl  auch  die  Rinde  mit  Tüchern  zu.  Daß 
ein  solches  Verfahren,  das  in  Ungarn  allgemein  eingeführt  ist,  in  Deutschland  nur 
ausnahmsweise  angewandt  wird,  gehört  mit  zu  den  stehenden  Klagen  der  Rinden- 
käufer. 

Nach  der  Abtrocknung  erfolgt  das  Binden  der  Rinde  in  Gebunde.  Hierzu 
benutzt  man  besondere  Böcke,  (Rinden- oder  Bindböcke),  aus  kreuzweise  in  die  Erde 
geschlagenen  Prügeln  bestehend.  Die  Gebunde  werden  mit  Wieden  oder  Stricken 
gebunden.  Ihre  Länge  und  Stärke  richtet  sich  nach  den  ortsüblichen  Gewohnheiten 
und  variiert  zwischen  1 — 2  Meter  Länge  und  0,6 — 1,10  Meter  Umfang.  Beim  Auf- 
binden wird  gleichzeitig  sortiert. 

Man  sortiert  entweder  nach  .Jung-  und  Altrinde,  oder  schärfer  (Sor- 
tierung des  früheren  Heilbronner  Rindenmarkts)  nach: 

Glanzrinde  (Jung-  oder  Spiegelrinde)  von  Loden  bis  zu  10  cm  Stärke 
in  1  m  Höhe  über  dem  Boden.  Diese  Sorte  bildet  die  beste  Qualität,  ist  glatt  und 
silbergrau,  ohne  Borkebildung;  sie  stammt  aus  bis  zu  20jährigen  Schälschlägen. 

Reitel  rinde,  von  10 — 20  cm  starken  Stammstücken,  hat  geringere 
Qualität,  ist  rauh  (beginnende  Borkebildung)  und  stammt  aus  Durchforstungen  und 
älteren  Schälschlägen. 

Grob  rinde  (Rauh-  oder  Altrinde)  von  Stammstücken  und  Aesten  über 
20  cm  Durchmesser,  ist  starkborkige  Rinde  und  zeigt  geringste  Qualität. 

Da  die  Rinde  gewöhnlich  nach  dem  Gewicht  verkauft  wird,  so  erfolgt  in  diesem 
Fall  unmittelbar  nach  dem  Abtrocknen  das  Verwiegen  und  die  Uebergabe  an  den 
Käufer.  An  manchen  Orten  ist  der  minder  sichere  Verkauf  nach  Gebunden  im  Ge- 
brauch. 

Auch  von  älteren  Eichenstämmen  wird  in  manchen  Gegenden  die  Rinde  als 
Gerbmaterial  gewonnen. 

Man  schält  hier  meist  im  Liegen,  indem  die  Rinde  in  meterlange  Kränze  ein- 
gekerbt, mit  einem  Lohschlitzer  aufgerissen  und  sodann  abgelöst  wird.  Doch  ist  auch 
das  Verfahren  des.Stehendschälens  im  Gebrauch,  wobei  die  geschälten  Stämme  nicht 
alsbald  nach  dem  Schälen,  sondern  erst  im  folgenden  Winter  abgehauen  werden; 
dieselben  sollen  hierbei  an  Güte  und  Festigkeit  des  Holzes  gewinnen,  indem  sie  im 
Gipfel  grün  werden,  auf  welche  Wefse  der  Saft  herausgezogen  wird  ^). 

Der  Verkauf  der  Alteichenrinde  findet  in  der  Regel  nach  Raummetern 
statt. 

Das  Schälen  der  Fichten  erfolgt  derart,  daß  die  gefällten  Stämme  und 
Stangen  in  Entfernungen  von  1  — 2  Meter  ringsum  eingekerbt  und  die  Rindenringe 
meist  mittelst  hölzeiTier,  harter,  zugespitzter  Rindenschlitzer  abgelöst  werden.  Diese 
Rindenringe  rollen  sich  zusammen;  sie  werden  an  die  liegenden  Stämme  zum  Trocknen 
angelehnt,  nach  erfolgter  Austrocknung  in  Raummeter  gelegt  und  diese  verwertet. 
Auch  verkauft  man  wohl  die  Rinde  nach  der  Stückzahl  der  Rollen.  Bei  dem  ge- 
ringeren Wert  und  Preis  der  Fichtenrinde  ist  der  Verkauf  nach  dem  Gewicht  nicht 

1)  Etwas  abweichende  Trockengerüste  mit  Reisigdeclve  gegen  Regen  werden  beschrieben 
von  S  c  h  ü  t  z  in  Z.  f.  F.  u.  J.  1881,  S.  615. 

2)  Z.  f.  F.  u.  J.  1880,  S.  639.   Brauns,  Verfahren,  die  Eichen  stehend  zu  schälen. 


Gewinnung  des  Holzes  und  der  Rinde.     §  21.  495 

üblich;  hingegen  überläßt  man  wühl  auch  die  Rinden  zur  SelbsLgewinnung  an  den 
Käufer  derart,  daß  ein  Kaufpreis  je  Stamm  oder  je  Stange  gezahlt  wird. 

Es  ist  zu  bemerken,  daß  die  Rinde  nicht  nur  von  solchen  Stänunen  sich  schälen 
läßt,  die  zur  Saftzeit  gefällt  sind,  sondern  daß  mit  Eintritt  der  letzteren  die  Rinde 
auch  an  Stämmen  schälbar  wird,  die  schon  im  ^^'inter  geschlagen  sind.  Doch  ist  in 
diesem  Fall  die  Zeit,  während  deren  das  Schälen  noch  geht,  sehr  kurz. 

Auch  Fichtenrinde  verliert  infolge  von  Auslaugen  durch  Regen  bedeutend  an 
Güte,  man  verkauft  dieselbe  meist  schon  vor  der  Aufbereitung  und  übergibt  sie  dem 
Käufer  alsbald  nach  Beendigung  derselben. 

Alte  borkige  T  a  n  n  e  n  r  i  n  d  e  ,  die  ein  gutes  Brennmaterial  abgibt,  schält 
man  ebenso  wie  Fichte. 

Die  Rinde  vom  L  i  n  d  e  n  h  o  1  z  ist  zur  Darstellung  des  Bastes  zu  benutzen. 
Ihre  Gewinnung  ist  in  Rußland  von  Wichtigkeit,  in  Deutschland  ist  sie  wohl  nirgends 
Gegenstand  der  regelmäßigen  Forstbenutzung.  Die  geschälte  Rinde  wird,  ähnlich 
wie  Flachs,  im  Wasser  geröstet,  und  es  wird  alsdann  durch  Klopfen  die  Bastlage  von 
dem  eigentlichen  Rindenkörper  gelöst  ^). 

Was  die  Älaterialerträge  der  Gerbrindennutzung,  sowie  die  Volumen-Verhält- 
nisse des  Holzes  zur  Rinde  anlangt,  so  ist  darüber  folgendes  zu  sagen: 

Im  Eichenschälwald  hat  man  je  nach  dem  klimatischen  Charakter  der  verschie- 
denen Gebiete,  sowie  der  Beschaffenheit,  endlich  nach  der  wirtschaftlichen  Behand- 
lung der  Wälder  (Umtrieb,  Bestandespflege  etc.)  sehr  verschiedene  Erträge. 

Nach  Bernhardt''')  kann  man  bei  kürzeren  (12 — 17jährigen)  Umtrieben 
folgende  Zahlen  annehmen: 

I.  Kl.  (sehr  günstiges  Klima,  sehr  guter  Boden)  ein  .Jahres-Durchschniltszu- 
wachs  pro  Hektar  von  10  Zentner  Rinde  urtd  7  Festmeter  Holz. 

II.  Kl.  (günstiges  Klima,  guter  Boden)  8  Zentner  Rinde  und  6  Fest- 
meter  Holz. 

III.  Kl.  (westdeutsches  Bergklima,  mittelmäßiger  Boden)  5  Zentner  Rinde  und 
5  Festmeter  Holz. 

l\.  Kl.  (nordwest-  und  mitteldeutsches  Klima,  guter,  namentlich  frischer  und 
tiefgründiger  Lehmsandboden),  3  H  Zentner  Rinde  und  4  Festmeter  Holz. 

\'.  Kl.  (norddeutsches  Klima,  frischer  Sandboden)  3  Zentner  Rinde  und  4  Fest- 
meter Holz. 

Nach  Forstmeister  0  s  t  n  e  r ')  ergaben  sich  im  Odenwald  folgende  Ertragszahlen 
bei  löjährigem  Umtrieh  als  Durchschnitte  pro  Jahr  und  Hektar: 

I.  schlechte,  lückige  Schläge  2,7  Zentner  Rinde  und  1,6  Raummeter  Schälholz; 
II.  mittlere,  mäßig  geschlossene  Schläge  4  Zentner  Rinde  und  2,4  Raummeter 
Schälholz; 

III.  gute,  geschlossene  Schläge    5,3  Ztr.  und  3,2  Rm. 
IV.  sehr  gute  „         6,7  Ztr.  und  4,0  Rm. 

V.  vorzügliche  ,,  8  Ztr.  und  4,8  Rm. 

VI.  ungewöhnliche  ,,         9,3  Ztr.  und  5,8  Rm. 

Als  Höchstbetrag  werden  pro  Hektar  225  Zentner  Rinde  beim  Abtrieb,  ent- 
sprechend 15  Zentner  Durchschnittsertrag  pro  Hektar  angegeben. 

Nach  Baurs  ,, Untersuchungen  über  die  Festgehalte  und  das  Gewicht  des 


1)  A.  F.-  u.  J.-Z.  1873,  S.  290.    Verwendung  des  Lindenbastes  in  Rußland. 

2)  Eichenschälwaldkalcchismus  von  .\.  Bernhardt,  1877,  S.  66. 

3)  Statische  und  statistische  Mitteilungen  aus  dem  Eichenschälwald  von  W  a  1  l  h  e  r.    Z.  f. 
u.    J.    1886,    S.    339. 


496  IXB.   Stoetzer,  Forstbenutzung. 

Schichtholzes  und  der  Rinde"  (1879)  hat  man  folgende  Verliältniszahlen  zwischen 
Volumen  und  Gewicht  der  Eichenrinden  anzunehmen: 

E  i  c  h  e  n  -  A  1 1  r  i  n  d  e  geputzt,  waldtrocken    1  Zentner  =  0,065  fm 

ungeputzt  ,,        =  0,064  fm 

E  i  c  h  e  n  -  J  u  n  g  r  i  n  d  e 

Spiegelrinde        1   Zentner  =  0,0565  fm 
Reitelrinde  ,,       =  0,0595  fm 

Grobrinde  „       =  0,0620  fm 

Auf  den  Raummeter  geschälten  Holzes  kann  man  nach  B  a  u  r  i)  rechnen: 
bei  jüngerer  Stammrinde  1.00  Zentner  waldtrockene  Rinde, 
bei  älterer  Stammrinde      1,50         ,,  ,,  ,, 

bei  Astreitelrinde  1,30         ,,  „  „ 

bei  Astglanzrinde  0,76         ,,  ,,  ,, 

Die  Prozente  der  Rinde  im  Verhältnis  zum  ungeschälten  Holz  sind  je  nach  dem 
Alter,  bezw.  der  Stärke  des  Holzes  verschieden,  mit  abnehmender  Stärke  nehmen  sie 
naturgemäß  zu.    Man  kann  nach  Baur  im  Durchschnitt  rechnen: 
Astglanzrinde  35%  des  Holzgehaltes 

Astreitelrinde  30%     ,,  ,, 

Stammglanzrinde     27%     ,,  ,, 

Stammreitelrinde     18%     „  ,, 

Bei  F  i  c  h  t  e  n  r  i  n  d  e  in  Rollen  kann  man  nach  Baur  den  Raummeter  grün 
=  0,27  fm  und  waldtrocken  =  0,15  fm  ansetzen;  das  Gewicht  pro  Raummeter  be- 
trägt nach  Baur  waldtrocken  111  Kilo,  grün  hingegen  227  Kilo.  Ueber  die  Frage 
nach  dem  Prozentsatz  der  Rinde  im  Verhältnis  zum  Holz  liegen  bezüglich  dieser 
Holzart  in  der  Literatur  bis  jetzt  wenig  Angaben  vor. 

Ueber  die  in  der  Sachsen-Meiningischen  Staatsforstverwaltung  angestellten  \'er- 
suche  und  deren  Resultate  ist  anzuführen,  daß  die  Rindenprozente  mit  zunehmender 
Standortsgüte  und  Zunahme  der  Stärken  wesentlich  abnehmen.  Auf  geringen  Stand- 
orten ist  die  Rinde  verhältnismäßig  stärker,  ebenso  an  jüngeren,  bezw.  schwächeren 
Stammteilen.  Für  eine  mittlere  Ortsgüte  von  0,5  ergaben  sich  folgende  Rinden- 
prozente der  ganzen  Baumschäfte : 

bei       10  cm      Durchmesser  17,0%  bei  21 — 35  cm  Durchmesser  12,2% 

bei  11—15  cm  „  13,4%  bei  36-40    „  „  12,0% 

bei  16—20  cm  „  13,0%  bei  41-45    „  „  11,6%. 

III.  Verwertung  der  Fällungsergebnisse. 

§  22.  S  c  h  1  a  g  a  u  f  n  a  h  m  e.  Bei  Aufarbeitung  der  Schlagergebnisse  ist  auf 
ein  geordnetes  Anrücken  derselben  an  Wege,  Schneisen,  Schlagränder  behufs  er- 
leichterter Uebersicht,  sowie  zur  Schonung  der  Anwüchse  und  zur  Beförderung  des 
Absatzes  zu  sehen.  Es  erfolgt  dies  beim  Brennholz,  Reisig  und  den  geringeren  Nutz- 
hölzern mittelst  Tragens,  Fahrens,  auf  Schiebkarren  oder  Handschlitten,  sowie  bei 
stärkerem  Holz  durch  Schleifen,  nötigenfalls  unter  Anwendung  von  Zugkräften, 
wobei  das  Vordergestell  eines  Wagens  zur  Aufnahme  des  zu  schleifenden  Stammes 
mit  Vorteil  benützt  wird  -).     An  steileren  Hängen  im  Gebirge  ist  vielfach  das  ,,S  e  i- 


1)  Untersuchungen  über  Eichengorbrinde  von  Bau  r.    M.  f.  F.  ii.  J.  1875,  S.  241. 

2)  Eine  sehr  zweckmäßige  Transportvorrichtung  zum  .\usrüclceii  von  Langnutzholz  be- 
schreibt G  r  u  n  e  r  t  unter  dem  Titel  ,  der  Neuhauser  Rüctcwagen"  in  F.-Bl.  1886,  S.  159.  Es  ist 
dies  ein  Räderpaar  mit  Achse  und  einer  Lentcwiede,  an  der  die  Vorrichtung  zum  Anspannen  des 
Zugviehs  sich  befindet;   die  Benutzung  geht  derart  vor  sich,  daß  die  Räder  über  den  Stamm  ge- 


497 

1  e  n"  des  Stammholzes  üblich,  das  darin  besieht,  daß  am  dicken  Stammende  mit 
Hilfe  des  Lotnagels  ein  Seil  befestigt  wird.  Dieses  Seil  wird  mehrmals  um  einen 
stehenden  Baum  geschlungen  und  nun  der  in  der  Richtung  des  stärksten  Gefälls 
und  mit  dem  dünnen  Ende  nach  abwärts  liegende  Stamm  durch  Drehen  in  gleitende 
Bewegung  gesetzt.  Diese  Abwärtsbewegung  wird  durch  Anziehen  und  Nachlassen 
des  Seils  geregelt  und  so  der  Stamm  allmählich  zu  Tal  gebracht.  (Vergl.  M  ü  1  1  c  r, 
Schweizer  Zeitschr.  f.  Forstwesen  1905,  S.  6.) 

Nach  erfolgtem  Anrücken  und  Aufsetzen  haben  die  einzelnen  Holzhauerrotten 
die  von  ihnen  aufbereiteten  Forsterzeugnisse  mit  einem  Zeichen,  am  besten  einer 
Nummer  zu  versehen,  die  ein  für  allemal  angibt,  welche  Partie  dieselbe  aufgearbei- 
tet hat. 

Nach  Fertigstellung  der  Hauung  erfolgt  die  Schlagaufnahme.  Dieselbe  dient 
zur  förmlichen  Uebernahme  der  Hiebsergebnisse  seitens  der  Forstverwaltung  von 
den  Holzhauena,  sowie  zur  Verzeichnung  derselben  in  besondere  Aufnahmelisten 
(Nummernbücher)  behufs  der  Verwertung. 

Jeder  Posten  vom  Rund-,  Werk-  oder  Brennholz,  sowie  jeder  Haufen  Reisig 
erhält  eine  Nummer;  man  wählt  getrennte  Nummernfolgen  für  Stammholz,  Stangen, 
Schichtholz,  Reisig,  Stöcke  etc.  Das  Anschreiben  der  Nummern  erfolgt  beim  Schicht- 
holz auf  die  Stirnfläche  eines  zweckmäßig  etwas  herausgestoßenen  Scheites  oder 
Knüppels  (Nummernscheit),  beim  Langnutzholz  an  die  untere  Abschnittf lache,  beim 
Reisholz  auf  besonders  herausgezogene  Prügel.  Man  bedient  sich  dazu  der  gewöhn- 
lichen Rotstifte,  oder  besonders  präparierter  Kohlen  (Lindenkohle  mit  Oel  getränkt). 
Weim  die  Hölzer  längere  Zeit  bis  zur  Verwertung  bzw.  Abfuhr  im  Walde  lagern 
müssen,  so  ist  es  zweckmäßig,  die  Nununern  auf  besondere  Weise  dauerhaft  anzu- 
bringen. Hierzu  kann  man  Oelfarbe  wählen,  bei  deren  Anwendung  die  Zahlen  mit 
einem  Pinsel  angeschrieben  werden;  auch  hat  man  Schablonen  von  schwachem  Blech, 
mittelst  deren  ebenfalls  unter  Anwendung  von  Oelfarben  die  Zahlen  angebracht  wer- 
den können. 

Außerdem  gibt  es  noch  eine  Anzahl  besonderer  Apparate,  unter  denen  die 
meiste  Beachtung  der  G  ö  h  1  e  r  sehe  N  u  m  e  r  i  e  r  s  c  h  1  ä  g  e  1  verdient  ^).  Ver- 
mittelst desselben  werden  die  Nummern  mit  Farbe  in  das  Holz  eingeschlagen,  so  daß 
sie  fest  und  dauerhaft  sind.  Die  Anwendung  des  Apparates  hat  die  große  Annehm- 
lichkeit, daß  durch  einen  einfachen  Hebeldruck  nach  dem  Einschlagen  einer  Nummer 
die  zunächst  folgende  sich  von  selbst  stellt.  Die  Nummertypen  sind  erhaben  und 
werden  auf  einer  Filzplatte,  die  mit  Leinöl  und  Druckerschwärze  getränkt  ist,  oder 
mit  Hilfe  eines  Pinsels  geschwärzt.  Die  Arbeit  geht  mit  diesem  Apparat  rasch,  sicher 
und  sauber  von  statten,  die  Zahlen  haften  gut  und  sind  von  weitem  erkennbar.  Um 
das  Geschäft  des  Numerierens  jedoch  nicht  unnötig  für  den  Forstbeamten  aufzuhal- 
ten, empfiehlt  es  sich,  die  Nummern  zunächst  mit  Rotstift  leicht  anzuschreiben, 


schoben  und  derselbe  unter  der  .\chse  mit  Sclierenliaken,  am  vorderen  Teil  der  Lenkwiede  mittelst 
Kette  befestigt  wird.  Ein  großer  Vorteil  liegt  dabei  darin,  daß  die  Stämme  nicht  auf  dem  Wagen, 
sondern  unter  demselben  befestigt  werden,  so  daß  ein  Mann  Stämme  von  2  fm  allein  zu  heben 
und  zu  regieren  imstande  ist.  Von  ähnlicher  Einrichtung  ist  der  ,,.\  h  Ib  o  r  nsclie  Blochwagen", 
beschrieben  von  G  r  u  n  e  r  t  in  F.-Bl.  1887,  S.  39.  Ferner  wurde  von  Obf.  Brock  ein  Rückwagen 
angegeben,  der  als  ein  kleiner  Wagen  mit  ganz  niedrigen  Rädern  darzustellen  ist,  auf  den  die 
Stämme  und  Abschnitte  leicht  zu  heben  sind.  Um  beide  Enden  aufliegen  lassen  zu  können,  sind 
zwei  Wagen  nötig;  bei  Anwendung  eines  einzigen  wird  das  Stammende  geschleift.  Zu  erwähnen 
ist  auch  der  neuestcns  empfohlene  v.  .Miller  sehe  Baum  schlepp  er,  der  in  leichler  und 
schwerer  Ausführung  gebaut  wird.    (\gl.  A.  F.-  u.  J  -Z.  1910,  S   310). 

1)  Der  sächsische  .Numerierschlägel  etc.  von  Bernhardt,  Z.  f.  F.  u.  J.  1874,    S.  71.     Würdi- 
gung verschiedener  Xumeriermethoden  von  H  e  li.  —  .\.  F.-  u.  J.-Z.  1873,  S.  142. 
Handb.  d.  Forslniss.    3.  Aufl.    II.  32 


498  IX  B.    Stoetzer,  Forstbenutzung. 

was  erheblich  rascher  zu  bewirken  ist,  als  die  Arbeit  mit  dem  Hammer,  und  sodann 
durch  Holzhauer  oder  Forstaufseher  nachträglich  das  Einschlagen  der  Nummern 
bewirken  zu  lassen. 

Der  P  f  i  t  z  e  n  m  a  y  e  r  sehe  Apparat  besteht  aus  Holzstempeln  mit  Typen 
aus  Filz,  die  geschwärzt  und  mit  der  Hand  aufgedrückt  werden.  Der  Ihrig  sehe 
Apparat  hat  eiserne  Stempel,  deren  vorderes  Ende  mit  je  einer  Nummer  versehen 
ist  und  nach  erfolgter  Schwärzung  mittelst  eines  Hammers  in  das  Holz  eingeschla- 
gen wird. 

In  das  Nummembuch  wird  nunmehr  für  jede  Nummer  der  nötige  Eintrag  über 
das  betreffende  Sortiment  gemacht.  Mar^  hält  getrennte  Bücher  für  Stammholz, 
Stangen  und  Schichtholz,  Reisig  und  Stöcke. 

Beim  Stammholz  erfolgt  die  Bestimmung  des  Festgehalts  aus  Mitten- 
querfläche  mal  Länge  (H  u  b  e  r  sehe  Formel)  —  als  Paraboloid.  Es  wird  somit  die 
Länge  und  Wittenstärke  festgestellt  und  neben  der  Holzart  und  nötigenfalls  der 
Sortimentsklasse  hinter  der  betreffenden  Nummer  angegeben. 

Bei  den  Langnutzhölzern  wird  von  den  Holzhauern  bei  dem  Aushalten  der 
einzelnen  Stücke  die  Länge  gemessen,  hiemach  die  Mitte  örtlich  bestimmt  und  dort 
die  Länge  angeschrieben.  Die  Aufnahme  hat  dann  die  Längenmessung  zu  prüfen 
und  es  erfolgt  nunmehr  die  Abnahme  des  mittleren  Durchmessers  mit  der  Kluppe ; 
den  Durchmesser  läßt  man  zweckmäßig  ebenfalls  am  Stamm  selbst  anschreiben. 

Zur  Feststellung  des  Raumgehalts  der  Nadelholzstämme  w'erden  in  Württem- 
berg seit  längerer  Zeit  sog.  Ku  hie  rungsgabel  maße  aus  Eisen  oder  Alu- 
minium verwendet,  die  sich  sehr  bewähren  und  immer  mehr  verbreiten.  An  der 
Schiene  dieser  Gabelmaße  kann  nicht  nur  der  Durchmesser,  sondern  sofort  auch  der 
Raumgehalt  für  verschiedene  Längen  abgelesen  werden,  was  die  Schlagaufnahme 
ungemein  erleichtert. 

Die  Vermessung  erfolgt  bei  unregelmäßig  gewachsenen  Stämmen  und  deren 
Teilen  wohl  auch  in  mehreren  Sektionen,  namentlich  wenn  das  betreffende  Nutzstück 
infolge  seiner  Form  zweierlei  Qualität  hat,  z.  B.  an  einem  Eichenstamm  unten  ein 
glattes  Stammstück,  nach  oben  ein  ästigerer  Gipfelteil  sich  befindet. 

Die  Abnahme  des  Durchmessers  geschieht  bei  unregelmäßiger  Form  des  Mitten- 
querschnitts übers  Kreuz  unter  Mittelung  der  Ergebnisse.  Auf  gut  konstruierte, 
solide  Kluppen,  die  richtiges  ^laß  ergeben,  ist  streng  zu  sehen.  Fällt  die  Mitte  auf 
einen  Ast  oder  eine  unförmliche  Erhöhung,  so  ist  entsprechend  am  Durchmesser  nach- 
zulassen. 

Nach  der  Vereinbarung  der  deutschen  Staatsforstverwaltungen  von  1875  ist 
das  Stammholz  in  der  Regel  mit  Rinde,  wenn  es  aber  entrindet  wurde,  ohne 
R  i  n  d  e  zu  messen.  Diese  durchaus  unzweckmäßige  Vorschrift  ^)  ist  bei  den  Holz- 
käufern mit  vollem  Recht  vielfach  unbeliebt  und  daher  von  vielen  Verwaltungen, 
besonders  in  Süddeutschland,  dahin  abgeändert  worden,  daß  das  Stammholz  grund- 
sätzlich   stets  ohne  Rinde  gemessen  N\ird  ^).    In  diesem  Falle  wird 

1)  Auf  der  1885er  ^"er^amnlung  deutscher  Forstmänner  zu  Görlitz  hat  man  sich  sowohl 
von  holzhändlerischer,  als  auch  von  forstlicher  Seite  für  das  Nichlmcssen  der  Rinde  ausgesprochen. 

2)  Da  bei  Feststellung  des  Materialetats  nach  vorausgegangener  Aufnahme  der  Holzbestände 
die  Rinde  niilgemessen,  also  der  Holzvorrat  inklusive  Rinde  ermittelt  ist,  so  käme  es  nur  darauf 
an,  durch  ausgedehnte  Untersuchungen  die  Rindenprozente  der  verschiedenen  Holzgattungen, 
je  nach  deren  Stärke,  festzustellen,  um  alsdann  durch  geeigneten  Zuschlag  zu  dem  rindenfrei  ge- 
messenen Holz  die  der  ursprünglichen  Holzaufnahme  entsprechende  berindete  Holzmasse  für 
den  Fällungsnachweis  zu  finden.  In  Bayern  sind  dafür  bei  Eiche  15%,  bei  den  übrigen  Laubhölzern 
und  beim  iS'adelholz  hingegen  10°o  als  Zuschlag  festgesetzt,  in  Württemberg  für  Eiche  20%,  für 
alle  übrigen  Holzarten  (Laubhölzer  und  Nadelhölzer)  10%.  Für  Kiefernalthölzer  berechnen  sich 
nach  Obf.  Scheel  im  Odenwald  ebenfalls  15%  (A.  F.-  u.  J.-Z.  1901,  S.  375). 


Verwertung  der  Füllungsergebnisse.     §  22.  499 

dann,  wo  der  Stamm  nicht  entrindet  wurde,  die  Rinde  an  der  Meßstelle  entfernt. 
Jene  Vorschrift  hat  nicht  allein  den  Nachteil  der  Unsicherheit  infolge  verschiedener 
Behandlung  der  Stammhölzer,  je  nachdem  sie  entrindet  ^^•urden  oder  nicht,  sondern 
sie  ist  insbesondere  auch  darum  zu  verwerfen,  weil  der  Käufer  doch  wohl  Holz  und 
nicht  Rinde  kaufen  will  und  weil  somit  infolge  der  wechselnden  Stärke  und  Borkigkeit 
der  Rinde  ein  Moment  der  Unsicherheit  in  die  ganze  Messung  und  Bewertung  kommt. 
Diese  Unsicherheit  bedingt  ein  Risiko  für  den  Käufer,  das  der  Verkäufer  zu  büßen 
hat;  denn  um  ganz  sicher  zu  gehen,  wird  der  Käufer  beim  Ansatz  seines  Gebots  einen 
solch  hohen  Abzug  für  die  mitgemessene  Rinde  machen,  wie  er  tatsächlich  nicht  be- 
gründet ist. 

Ueber  den  Verlust  an  blasse  und  \\'ert  bei  der  Aufmessung  und  dem  Verkauf 
des  Fichtenholzes  in  entrindetem  Zustande  hat  B  o  r  g  m  a  n  n  interessante  Erhebun- 
gen gemacht  (vergl.  Zeitschr.  f.  F.  u.  .J.  1910,  S.  583). 

In  einzelnen  Forsthaushalten,  z.  B.bei  derK.  Sächsischen  Staatsforstvervvaltung, 
hat  man  für  die  Kubierung  der  Nadelholzblöcke,  die  in  gewissen  ortsüblichen,  dem 
Handel  entsprechenden  festen  Längen  ausgehalten  werden,  die  Messung  des  oberen 
Durchmessers  gewählt,  wobei  die  Bestimmung  des  Festgehalts  der  Blöcke  mit  Hilfe 
von  Tabellen  erfolgt,  die  auf  Grund  von  Erfahrungszahlen  aufgestellt  sind. 

Bei  Aufnahme  der  schwächeren  R  u  n  d  h  o  1  z  s  o  r  t  i  m  e  n  t  e  ,  z.  B. 
Wagnerhölzer,  Grubenhölzer,  verfährt  man  wohl  auch  so,  daß  nicht  für  jedes  einzelne 
Stück  Länge  und  Stärke  erhoben,  sondern  eine  größere  Zahl  gleicher  Länge  zu  einer 
Nummer  vereinigt  und  für  dieselben  e  i  n  gemeinschaftlicher  mittlerer  Durchmesser 
ermittelt  wird. 

Die  Stangensortimente  nimmt  man  nach  dem  in  1  Meter  über  dem 
Abhieb  gemessenen  Durchmesser  und  der  mittleren  Länge  auf.  Man  vereinigt  auch 
hier  unter  einer  Nummer  eine  schon  örtlich  bei  der  Holzhauerei  in  passende  Haufen 
zusammengelegte  Mehrzahl  von  Stangen,  deren  Stückzahl  in  der  Regel  durch  10 
teilbar  ist. 

\'ielfach  sind  bestimmte  Klassen  für  gewisse  häufig  vorkommende  Stangen- 
sortimente im  voraus  festgesetzt,  z.  B.  Bohnenstangen,  Hopfenstangen  I.,  II.  und 
III.  Kl.,  in  welchem  Fall  nur  die  Stückzahl  in  die  betreffende  Sortimentsspalte  ein- 
zutragen ist. 

Bei  jeder  Numerierung  und  Holzaufnahme  hat  der  das  Geschäft  besorgende 
Forstbeamte  genau  zu  prüfen,  ob  die  Hölzer  nach  Vorschrift  aufgearbeitet  sind. 
Beim  Langnutzholz  muß  darauf  gesehen  werden,  daß  die  Aeste  glatt  von  den  Stämmen 
und  Stangen  abgehauen  sind;  sollten  sich  anbrüchige  Stellen  finden,  so  ist  darüber 
eine  Bemerkung  im  Nummernbuch  zu  machen,  damit  die  Preisfestsetzung  der  ge- 
ringeren Güte  entsprechend  bewirkt  werde. 

Beim  Schichtholz  und  Reisig  wird  Güte,  Holzart  und  Sortiment 
hinter  der  einzelnen  Nummer  eingetragen.  Beim  Schichtholz  ist  die  Richtigkeit  der 
blasse  zu  prüfen,  sowie  festzustellen,  ob  die  Stöße  gehörig  dicht  und  lückenlos  gesetzt 
sind;  alle  in  dieser  Hinsicht  zu  stellenden  Erinnerungen  sind  den  bei  der  Schlagauf- 
nahme zugezogenen  Holzhauern  zur  sofortigen  Erledigung  der  Anstände  mitzuteilen. 

Die  Schlagaufnahme  wird  hinsichtlich  ihres  Ergebnisses  mit  den  Angaben  der 
Holzhauer  über  das  von  ihnen  Gefertigte  verglichen,  etwaige  Abweichungen  werden 
behoben  und  die  nötige  Uebereinstimmung  herbeigeführt. 

Der  Numerierung  folgt  die  Prüfung  des  Schlags  durch  einen  Vorgesetzten  des- 
jenigen Beamten,  der  die  erste  Aufnahme  besorgt  hat,  in  der  Regel  durch  den  Ver- 
waltungsbeamten, insofern  die  erste  Aufnahme  dem  Schutzpersonal  obzuliegen  pflegt. 

32* 


500  IX  B.    Stoetzer,  Forstbenutzung. 

Dieses  Geschäft  (Holzabnahme,  Kontrolle,  Abpostung  oder  Abzahlung  genannt), 
das  auch  wolil  für  einzelne  Schläge  dem  Inspektionsbeamten  übertragen  ist,  hat  den 
Zweck,  festzustellen,  ob  bei  der  erstmaligen  Aufnahme  keine  Fehler  unterlaufen  und 
ob  die  bei  jener  Gelegenheit  gerügten  Anstände  inzwischen  beseitigt  worden  sind. 
Mit  Hilfe  des  Nummernbuches  prüft  der  kontrollierende  Beamte  die  einzelnen  Hiebs- 
ergebnisse, indem  er  Nummer  für  Nummer  die  Angabe  des  Buchs  mit  dem  Befund  im 
Wald  vergleicht  und  sich  von  der  ordnungsmäßigen  Beschaffenheit  aller  Posten  über- 
zeugt. Manchen  Ortes  ist  hierbei  die  Einrichtung  getroffen,  daß  die  Rundhölzer  an 
der  Stirnseite  mit  einem  besonderen  Kontrollehammer  angeschlagen  werden. 

Nach  Maßgabe  der  durch  die  Schlagaufnahme  festgestellten  Holzmengen,  die 
von  den  einzelnen  Holzhauerrotten  aufbereitet  sind,  im  Zusammenhalt  mit  den  früher 
vereinbarten  Holzhauerlölmen,  kann  nun  die  Aufstellung  der  Lohnrechnung  für  die 
beendete  Hauung  erfolgen. 

§  23.  Verkaufsarten.  Die  Abgabe  der  großen  Mehrzahl  der  Hölzer  er- 
folgt heute  seitens  der  Forstwirtschaft  im  Wege  des  Verkaufs.  (Daneben  kommen 
in  beschränktem  Umfange  vor:  Abgabe  an  Berechtigte  und  Deckung  des  eigenen 
Bedarfs  der  Verwaltung  an  Hölzern  für  den  Forstbetrieb  selbst,  an  Besoldungshölzern, 
für  eigene  Nebenbetriebe  usw.). 

Der  Erfolg  des  Verkaufs  nun  hängt  im  Rahmen  der  jeweiligen  Marktlage  und 
der  Absatzverhältnisse  der  gegebenen  Oertlichkeit  wesentlich  ab  von  der  Verkaufsart. 
Zum  Verkauf  sind  verschiedene  Wege  möglich.  Wir  können  die  \' erkauf  s- 
arten    für   die   Walderzeugnisse   scheiden: 

I.  nach  dem  Zustande,  in  dem  sich  der  Verkaufsgegenstand 
zur  Zeit  des  Verkaufs  befindet. 

A.  Verkauf  vor  der  Fällung  (Verkauf  ,,auf  den  Stock"). 

1.  Gesamtverkauf  (Verkauf  ,,en  bloc"),  der  Schlag  wird  im  Ganzen  verkauft. 
2.  Verkauf  nach  der  Maßeinheit  (Verkauf   ,,auf  Nachmaß").   Verkauft 
\\ird  pro  Festmeter  des  sich  ergebenden  Holzanfalls,  gegebenenfalls 
getrennt  nach  Sortimenten, 

a.  mit  Gewinnung  durch  den  Käufer: 

b.  unter  Vorbehalt  der  Fällung  und  Aufbereitung  durch  den  Xei- 
käufer  auf  seine  Rechnung. 

B.  Verkauf  n  a  c  h  der  Fällung. 

1.  in  imaufbereitetem  Zustand  des  Holzes   —  gewöhnlich  in  Flächen- 

losen nach  vorausgegangener  Fällung  durch  die  \"erwaltung. 

2.  in   aufbereitetem   Zustand;   nach   Aufbereitung   des   ganzen    Schlags 

durch  die  \'erwaltung. 
n.  Nach  der  Art  und  Weise,  wie  der  \"ertragsabschluß  zustande  kommt. 

A.  freihändiger  Verkauf  (Verkauf  ,, unter  der  Hand");  der  Waldbesitzer  geht 
mit  einzelnen  Liebhabern  einen  Kaufvertrag  ein. 

1.  Ta.xpreisabgabe,  d.  h.  \"erkauf  zu  einer  vorher  allgemein  festgesetzten 

Taxe; 

2.  ^^erkauf  zu  besonders  vereinbarten  Preisen  (\'ertragspreise). 

B.  Verkauf  unter  freier  Konkurrenz  —  im  Wege  des  Meistgebots. 

1.  Oeffentlich  mündliches  Verfahren. 

a.  Auf  Streichsverkauf  (auch  \'ersteigerung.  Verstrich,  Auktion  und 
Lizitation  genannt; 

b.  Abgebot. 

2.  Geheimes  schriftliches  \'erfahz-en,  sog.   Submission. 


Verwertung  der  Fällungsergebnisse.     §  23.  501 

Jedes  im  Walde  angewandte  Verkaufsverfahren  bildet  nun  eine  Kombination 
je  eines  der  unter  I.  und  unter  II.  aufgezählten  Verfahren. 

In  einem  früheren  Paragraphen  ist  gezeigt  worden,  daß  der  Verkauf  des  auf- 
bereiteten Holzes  die  sicherste  und  zweckmäßigste  Methode  sei  und  daß  ihr 
gegenüber  der  Verkauf  des  Holzes  im  Stehen  in  den  meisten  Fällen  sich  weniger 
empfehle. 

Der  Verkauf  aus  freier  Hand,  einst  allgemein  im  Gebrauch,  hatte  seine 
Berechtigung,  solange  es  möglich  war,  jedem  Verbraucher  diejenige  Menge  an  Forst- 
erzeugnissen zu  übenveisen,  die  er  nötig  hatte.  In  waldreichen,  aber  dünn  bevölkerten 
Gegenden,  wo  das  Angebot  an  Holz  die  Nachfrage  nach  solchem  übersteigt,  ist  dieses 
Verfahren  noch  heute  vollständig  begründet.  Mit  zunehmender  Bevölkerung  und  ge- 
steigertem Anspruch  auf  Zuteilung  von  Hölzern,  mit  der  Ausbildung  von  Holzhandel 
und  Holzindustrie  ist  jedoch  dieses  gewissermaßen  patriarchalische  System  nach  und 
nach  in  den  meisten,  mehr  entwickelten  Gegenden  in  Wegfall  gekommen,  da  es  kaum 
möglich  war,  das  Ergebnis  der  Schläge  in  gerechter  Weise  unter  die  einzelnen  Emp- 
fänger zu  verteilen  und  hierbei  die  Begünstigung  der  einen  auf  Kosten  der  anderen 
zu  vermeiden.  Es  ist  eine  Hauptschattenseite  dieses  Verfahrens,  daß  es  sich  dabei 
kaum  vermeiden  läßt,  in  einer  bisweilen  unbilligen  Weise  dem  einen  Teil  der  Emp- 
fänger Holz  in  guter  Abfuhrgelegenheit  zuzuteilen,  während  ein  anderer  Teil  auf 
Schläge  verwiesen  werden  muß.  die  eine  beschwerlichere  und  kostspieligere  Beför- 
derung der  Forsterzeugnisse  veranlassen. 

Bestehende  Berechtigungen  gewisser  Personen  auf  den  Bezug  von  Hölzern 
nach  feststehenden  Preisen  nötigen  heute  noch  an  manchen  Orten  zur  Beibehaltung 
dieses  Verfahrens,  das  übrigens  in  der  Regel  so  gehandhabt  wird,  daß,  sofern  nicht 
durch  Berechtigung  die  abzugebende  Menge  ein  für  allemal  feststeht,  die  einzelnen 
Liebhaber  an  gewissen  Terminen  Gelegenheit  erhalten,  ihren  Bedarf  anzumelden, 
worauf  die  Verteilung  nach  Maßgabe  der  .\nforderungen,  gegebenenfalls  nach  ent- 
sprechender Herabsetzung  der  Bestellungen,  erfolgt  und  jedem  Holzempfänger  ein 
Nummernzettel  zugestellt  wird,  auf  dem  die  Holzposten,  die  er  erhalten  soll,  nach  Forst- 
abteilung. Sortiment,  Nummer  und  Preis  genau  bezeichnet  sind.  In  ähnlicher  Weise 
sind  Holzabgaben  um  gewisse  Tax-  oder  Tarifpreise  nicht  ausgeschlossen  bei  Befrie- 
digung des  Bedarfs  der  Forstbeamten,  denen  man  nicht  erlauben  darf,  in  den  öffent- 
lichen Verkäufen  mitzubieten,  ebenso  in  besonderen  Notfällen;  ferner  wird  sich  öfters 
empfehlen,  den  Holzhauern  auf  solche  Weise  ihren  Bedarf  an  Brennmaterial  aus 
freier  Hand  zu  gewähren,  um  ihr  Interesse  für  den  Wald  zu  heben  und  ihre  Anhäng- 
lichkeit an  denselben  zu  befördern. 

Eine  besondere  Schwierigkeit  bereitet  bei  dieser  Verkaufsart  die  Festsetzung 
der  Taxen,  nach  denen  der  Verkauf  bewirkt  wird,  insbesondere  dann,  wenn  der  ge- 
samte Verkauf  eines  Revieres  auf  diese  Weise  erfolgt  und  infolgedessen  keine  An- 
halte darüber  vorhanden  sind,  wie  sich  die  Preise  im  öffentlichen  Marktverkehr 
stellen. 

In  der  Tat  sind  auch  diese  Holztaxen  in  denjenigen  früheren  Perioden,  in  denen 
der  Verkauf  ausschließlich  nach  ihnen  bewirkt  wurde,  mehr  oder  weniger  willkürlich 
aufgestellt  worden. 

Der  öffentlich-mündliche  \'  e  r  k  a  u  f  nach  d  e  m  M  e  i  s  t  g  e  b  o  t  bietet  dem 
Waldbesitzer  in  der  Regel  die  meisten  \'orteile ;  bei  diesem  Verfahren  werden  infolge 
des  vorhandenen  Wettbewerbs  diejenigen  Verkaufspreise  erzielt,  die  den  einzelnen 
Verkaufslosen  nach  Maßgabe  der  vorhandenen  Absatzgelegenheiten  entsprechen.  Es 
ist  mit  diesem  Verfahren  die  größte  erreichbare  Unparteilichkeit  verbunden  und  der 


502  IX  B.    Sloetzer,  Forstbenutzung. 

den  Verkauf  leitende  Beamte  keinerlei  Vorwürfen  ausgesetzt,  weil  das  Verfahren  sich 
vor  unbeschränkter  Oeffentlichkeit  abspielt  und  jede  unzulässige  Bevorzugung  des 
einen  Käufers  vor  den  andern  ausgeschlossen  erscheint. 

Der  Käufer  selbst  ist  vollständig  in  der  Lage,  nach  der  Beschaffenheit  der 
Ware,  deren  Abfuhrgelegenheit  und  der  auf  ihre  Verwendungsfähigkeit  für  ihn  als 
Verbraucher  zu  nehmenden  Rücksicht  sein  Gebot  abgeben  zu  können. 

Wenn  nun  auch  bei  genügendem  Wettbewerb  die  Wirkung  von  Angebot  und 
Nachfrage  in  Hinsicht  auf  die  Gestaltung  des  Verkaufsergebnisses  beim  Aufstreichs- 
Verkauf  am  besten  zur  Geltung  gelangt,  so  sind  doch  bei  demselben  gewisse  Nachteile 
für  den  Waldbesitzer  nicht  ausgeschlossen,  wenn  das  Angebot  die  Nachfrage  über- 
steigt. In  diesem  Falle  steht  dem  Verkäufer  häufig  eine  nur  beschränkte  Anzahl  von 
Kaufliebhabern  gegenüber;  es  ist  daher  die  Möglichkeit  vorhanden,  daß  dieselben 
sich  verabreden,  um  durch  die  Abgabe  geringer  Gebote  und  die  Vereinbarung,  sich 
gegenseitig  nicht  hochzutreiben,  die  Verkaufspreise  niedrig  zu  halten,  und  nachher 
die  billig  erstandenen  Hölzer  unter  sich  zu  verteilen  i). 

Es  tritt  dieses  Verhältnis  insbesondere  in  waldreichen  Gegenden  ein,  in  denen 
Industrie  und  Holzabsatz  noch  nicht  recht  entwickelt  sind  oder  einzelne  übermächtige 
Firmen  den  Markt  in  der  Hand  haben.  Es  muß  in  solchen  Fällen  dem  Waldbesitzer 
darauf  ankommen,  den  Ringbildungen  entgegenzuarbeiten,  insbesondere  durch  Her- 
beiziehung auswärtiger  Liebhaber  und  geeignete  Wahl  der  Verkaufsart  ^). 

Zuvörderst  muß  darauf  gesehen  werden,  daß  die  zu  verkaufende  Ware  in  einem 
dem  Holzkäufer  zusagenden  Zustand  ausgeboten  wird,  daß  eine  richtige  Sortiments- 
bildung stattfindet  und  daß  vor  dem  Verkauf  die  Hölzer  auf  Rechnung  der  Forst- 
verwaltung an  Stellen  geschafft  worden  sind,  an  denen  sie  ohne  weiteres  aufgeladen 
und  von  dem  Käufer  nach  dem  Ort  ihrer  Bestimmung  gebracht  werden  können: 
dann  aber  wird  sich  bei  ausreichender  Bekanntmachung  der  Verkäufe-  ein  Wettbe- 
werb bald  von  selbst  ergeben.  Außerdem  empfiehlt  es  sich  im  Falle  von  Verabre- 
dungen einer  geringeren  Anzahl  von  Käufern  sehr  oft,  ein  Verfahren  einzuführen, 
nach  dem  die  Gebote  schriftlich  bei  der  Forstverwaltung  eingereicht  werden, 
so  daß  die  einzelnen  Käufer  gar  nichts  von  einander  wissen.  Hat  man  alsdann  wirk- 
lich wertvolle  Hölzer  zu  verkaufen,  auf  deren  Besitz  gewisse  Verbraucher  ernstlich 
rechnen,  so  ist  bestimmt  in  Aussicht  zu  nehmen,  daß  dieselben  in  der  Befürchtung, 
es  könne  ein  bisher  nicht  als  Käufer  bekannter,  vielleicht  fremder  Mitbewerber  auf- 
treten, ein  dem  Wert  des  Holzes  angemessenes  Gebot  einreichen. 

Dieses  Verfahren,  Submissionsverfahren  genannt,  findet  neuer- 
dings viele  Vertreter,  und  es  ist  nicht  in  Abrede  zu  stellen,  daß  es  als  ein  sehr  zweck- 
mäßiges Auskunftsmittel  angesehen  werden  darf. 

Freilich  läßt  dasselbe  bei  minderwertigen  Holzsortimenten  im  Stich,  indem  nur 
dann  ein  Käufer  Gebote  abgeben  wird,  wenn  ihm  wirklich  an  der  Ware  etwas  ge- 
legen ist. 

In  solchen  Fällen  mangelnden  Wettbewerbs,  insbesondere  beim  Verkauf  minder 
wertvoller  Sortimente,  ist  nun  als  eine  äußerst  zweckmäßige  Form  des  Verkaufs  der 
Frei  handver  kauf  zu  vereinbarten  Preisen  zu  bezeichnen. 

Es  handelt  sich  hierbei  meist  um  bedeutendere  Mengen,  und  es  ist  diese  Ver- 


1)  Derartige  Vereinbarungen  dürften  als  gegen  die  guten  Sitten  verstoßend,  nach  §§  134, 
138  des  Bürgerliclien  Gesetzbuches  der  Nichtigkeit  unterliegen  und  die  Beteiligten  nicht  binden. 
(Ausgesprochen  in  einem  Erkenntnis  vom  I.  Zivil-Senat  des  Oberlandesgerichts  in  Colmar,  s. 
Zeitschr.  Aus  dem  Walde.   1901,   Nr.  26.) 

2)  Verhandlungen  des  Deutschen  Forstvereins  auf  der  XI.  Hauptversammlung  zu  Ulm 
1910,   Bericht  S.  99  ff. 


Verwertung  der  Fällungsergebnisse.     §  24.  503 

kaufsart  besonders  am  Platze,  wenn  die  Absicht  vorliegt,  die  über  den  Bedarf  der 
kleinen  Abnehmer  hinausgehenden  Holzmassen  an  größere  Holz  verbrauchende 
Unternehmungen  zu  verkaufen. 

Es  wird  dieses  Verfahren  beispielsweise  den  Vorzug  verdienen,  wenn  größere 
Brennholzmassen  an  vereinzelt  in  einer  Gegend  bestehende  Hüttenwerke  oder  Fa- 
briken, ebenso  wenn  Durchforstungshölzer  als  Grubenholz,  als  Schloifholz  für  Holz- 
stoffabriken  bei  beschränkter  Nachfrage  verkauft  werden  sollen,  in  welchen  Fällen 
der  Verbraucher  besonderes  Gewicht  darauf  legen  wird,  die  Sicherheit  dafür  zu 
haben,  daß  sein  Holzbedarf  gedeckt  wird. 

Entsteht  im  Laufe  der  Zeit  ein  ausgedehnterer  Wettbewerb  auch  für  solche 
minder  begehrte  Sortimente,  so  ist  es  der  Vorsicht  angemessen,  durch  Anberaumung 
von  Versteigerungen  oder  von  öffentlichen  Submissionen  den  Mitbewerb  auch  anderer 
Liebhaber  zu  ermöglichen. 

Es  empfiehlt  sich  bei  solchen  Freihandverkäufen  öfters  der  Abschluß  schrift- 
licher Verträge  vor  dem  eigentlichen  Holzeinschlag,  da  auf  diese  Weise  dem  Käufer 
gezeigt  wird,  daß  der  Waldbesitzer  bei  Abgabe  ungenügender  Gebote  nicht  in  Ver- 
legenheit kommt,  weil  das  Holz  noch  im  Wald  steht  und  bis  zur  Erlangung  eines  an- 
gemessenen Preises  stehen  gelassen  werden  kann. 

Eine  Abart  des  öffentlich  mündlichen  Verfahrens  bildet  noch  das  in  Frankreich 
übliche  Verfahren  des  Abgebots  (Verkauf  au  rabais),  derart,  daß  auf  Grund 
vorhergehender  Schätzung  des  Verkaufsloses  eine  Taxe  festgestellt  und  im  Verkaufs- 
termin in  sehr  erhöhter  Siunme  ausgeboten  wird.  Während  nun  der  Ausrufer  immer 
weiter  abwärts  gehende  Ausgebote  ausruft,  muß  der  Liebhaber  den  Augenblick  be- 
nutzen, in  dem  die  Summe  niedrig  genug  erscheint,  um  dafür  das  ausgebotene  Los 
gebrauchen  zu  können.  Er  ruft  dann  einfach:  ,,je  prends" ;  nur  bei  gleiciizeitigem 
Ausruf  seitens  mehrerer  Personen  wird  das  Verkaufslos  unter  diesen  wieder  im  A  u  f- 
gebot  versteigert. 

Dieses  Verfahren  wird  in  Frankreich  bei  dem  Blockverkauf  ganzer  Schläge, 
deren  Aufarbeitung  Sache  des  Käufers  ist,  in  Anwendung  gebracht. 

Die  deutsche  Forstverwaltung  in  Elsaß-Lothringen  hat  als  Regel  den  Auf- 
streichsverkauf der  auf  Rechnung  der  Forstverwaltung  aufzuarbeitenden  Schlag- 
ergebnisse eingeführt.  Das  große  Publikum  soll  damit,  namentlich  was  den  Verkauf 
des  Brennholzes  anlangt,  zufrieden  sein,  weil  auf  die  jetzt  eingeführte  Art  die  Mög- 
lichkeit besteht,  daß  der  einzelne  seinen  Bedarf  kaufen  kann,  ohne  sich  an  den  Holz- 
händler wenden  zu  müssen.  Dies  war  früher  infolge  des  en  bloc- Verkaufs  allgemein 
üblich,  während  jetzt  jeder  unmittelbar  und  billiger  kauft,  da  der  Gewinn  des  Holz- 
händlers hinwegfällt.  Für  große  Nutzholzverkäufe  ist  jedoch  der  Verkauf  au  rabais 
noch  in  Anwendung;  die  Meinungen  über  seine  Zweckmäßigkeit  sind  geteilt  (vergl. 
,,die  Forstrente  in  Elsaß-Lothringen",  Straßburg  1886  S.  46).  Eine  warme  Empfeh- 
lung desselben  für  Nutzhölzer  unter  geeigneten  Voraussetzungen  gibt  Oberforst- 
mei.ster  N  e  y  in  Zeitschr.  ,,Aus  dem  Walde"  1901  Nr.  4  und  Forstwiss.  Gentralbl. 
1911  S.  421.    Er  empfiehlt  ihn  auch  besonders  gegen  Ringbildung. 

§24.  Bildung  von  Holztaxen.  Bei  allen  Holzverkäufen  ist  es  für 
den  Waldbesitzer  von  besonderer  Wichtigkeit,  gewisse  Grundsätze  für  Festsetzung 
der  Preise,  nach  denen  verkauft  werden  soll  (Holztaxen  oder  Tarife),  auf- 
zustellen. Am  schwierigsten  ist  die  zweckmäßige  Bildung  dieser  Taxen  in  solchen 
Wirtschaften,  in  denen  der  öffentliche  Verkauf  um  das  Meistgebot  gar  nicht  statt- 
findet. Hier  ist,  wie  bereits  bei  Würdigung  dieser  Verkaufsmethode  im  vorigen  Ab- 
schnitt angegeben  wurde,  der  Willkür  und  dem  persönlichen  Gutdünken  der  Forst- 


W)4  IX  B.    Stoetzer,  Forstbenulzung. 

Verwaltungen  ein  gewisser  Spielraum  gewährt;  am  zweckmäßigsten  wird  man  noch 
derart  verfahren,  daß  man  Anhalte  aus  den  \^ersteigerungsergebnissen  solcher  Oert- 
lichkeiten  zu  Hilfe  nimmt,  in  denen  der  Verkauf  ums  Meistgebot  schon  länger  besteht, 
wobei  man  wegen  etwaiger  Abgelegenheit  der  in  Frage  kommenden  Gebiete  und  der 
Schwierigkeit  der  Verbringung  des  Holzes  an  solche  Verkaufsplätze,  in  denen  sich 
Marktpreise  gebildet  haben,  angemessene  Abzüge,  die  etwa  nach  der  Höhe  der  Trans- 
portkosten zu  bemessen  sein  würden,  macht. 

Da  wo  Verkauf  im  freien  Wettbewerb  schon  die  Regel  bildet,  sind  die  Er- 
gebnisse desselben  zur  Bildung  der  Taxen  zu  benutzen.  Insofern  diese  Taxen  haupt- 
sächlich als  Anhalte  für  das  Angebot  der  zur  Versteigerung  zu  bringenden  Forst- 
erzeugnisse dienen  sollen,  empfiehlt  es  sich  nicht,  sie  genau  nach  dem  Durchschnitt 
der  wirklichen  Verkaufserlöse  festzusetzen,  sondern  es  ist  ein  gewisser  Abzug  von 
dem  wirklichen  Durchschnittspreis  zu  machen,  damit  im  Falle  eines  Rückgangs  der 
Preise  die  Taxe  nicht  allzuhoch  erscheint  und  den  Käufern  stets  noch  ein  gewisser 
Spielraum  zur  Steigerung  bleibt. 

Bei  Verkäufen  im  Wege  des  Aufgebots  wird  durch  die  Wirkung  des  Wettbe- 
werbs der  Käufer  ein  allenfalls  etwas  niedriges  Angebot  in  der  Regel  ohne  Nachteil 
für  die  Erlöse  sein ;  im  Gegenteil  kann  man  behaupten,  daß  ein  mäßiges  Angebot  die 
Lust  zum  Steigern  befördert. 

Hingegen  wird  man  Verkäufe  aus  freier  Hand  zu  vereinbarten  Preisen  nicht 
nach  derjenigen  Angebotstaxe  bewirken,  die  durch  einen  Abzug  von  den  mittleren 
Aufgebotspreisen  erlangt  ist,  sondern  man  wird  einen  der  Marktlage  entsprechenden 
Aufschlag  zugrunde  legen,  mittelst  dessen  der  Verkaufspreis  mindestens  die  Höhe 
der  letzten  Durchschnittspreise  wieder  erhält. 

Die  Taxen  für  die  Sortimente  des  örtlichen  Markts  (für  Kleinnutzholz,  Brenn- 
holz, Reisig  usw.)  werden  in  der  Regel  alljährlich  für  jedes  Revier  neu  aufgestellt. 
Für  die  Sortimente  des  Großhandels  dagegen  (Stammhölzer,  Handelsstangen)  emp- 
fiehlt es  sich,  die  Taxen  für  größere  Gebiete  und  für  eine  Reihe  von  Jahren  fest- 
zusetzen. An  derselben  Taxe  wird  in  der  Regel  so  lange  festzuhalten  sein,  bis  die- 
selbe in  ein  dauerndes  Mißverhältnis  zu  den  tatsächlichen  Erlösen  tritt.  Ein  solches 
längeres  Festhalten  und  eine  Gültigkeit  der  Taxen  über  größere  Landstriche  ist  für 
die  Handelshölzer  darum  zweckmäßig,  weil  die  Taxen  dadurch  zum  festen  Maßstab 
werden,  und  ^'erkäufer  und  Käufer  einen  Ueberblick  über  die  Preisentwicklung  wäh- 
rend eines  längeren  Zeitraums  gewinnen  und  ihnen  ein  Vergleich  verschiedener  Oert- 
lichkeiten  möglich  ist. 

Die  mittleren  Verkaufserlöse,  die  den  Taxen  zugrunde  liegen,  ergeben  sich  aus 
statistisch  enErmittlungen.  Für  diesen  Zweck  sind  alle  in  freiem  Wett- 
bewerb erzielten  Erlöse  von  Hölzern  gleicher  Güte  und  Absatzlage  übersichtlich  zu- 
sammenzustellen und  ist  aus  den  Ergebnissen  für  die  einzelnen  Sortimente  das 
Mittel  zu  ziehen. 

Eine  sichere  Erfassung  der  Werts-  und  Preisverhältnisse  setzt  nun  aber  eine 
bestimmte  Taxklassenbildung  voraus  und  dann  weiterhin  den  Ver- 
kauf der  Hölzer  getrennt  nach  diesen  Klassen. 

Was  zunächst  die  letztere  Forderung  betrifft,  so  ist  es  als  besonderer  Nachteil 
der  Großschlag\virtschaft,  besonders  von  großen  Nadelholzschlägen,  zu  bezeichnen, 
daß  ein  klassenweiser  Verkauf  des  Stammholzes,  wo  dieses  nicht  angerückt  wurde, 
vielfach  als  erschwert  oder  immöglich  bezeichnet  wird,  da  die  Hölzer  auf  den  Schlä- 
gen durcheinander  liegen  und  mit  \'orteil  nur  zusammen  weggeschafft  werden  können. 

Im  Hinblick  auf  Feststellung  der  Taxen  bieten  Schichtholz, 


Verwertung  der  Fällungsergebnisse.     §  21.  505 

Reisig  und  S  t  o  c  k  h  o  1  z  der  Aufstellung  einer  nach  den  früher  angegebenen 
Sorten  gegliederten  Holzpreisstatistik  keine  weiteren  Schwierigkeiten.  Für  Stamm- 
hölzer aller  Art  müssen  dagegen  erst  Taxklassen  gebildet  werden,  und  dies 
kann  in  verschiedener  \\'eise  geschehen,  entweder  nach  dem  Festgehalt  der 
Stämme  oder  viel  besser  nach  den  deren  Gebrauchswert  bestimmenden  Aus- 
maßen, dem  Mittendurchmesser  oder  der  Länge  und  dem  Durch- 
messer am   dünnen   Ende. 

Die  Bildung  der  Taxklassen  und  deren  Abstufungen  nach  dem  Festgehalt  der 
Abschnitte  ist  in  der  Preußischen  Staatsforstverwaltung  üblich.  Hier  werden  be- 
zeichnet als 

Hölzer     I.  Kl.  solche  von  über  2         fm  pro  Stück 

II  1  V,— '^ 

,,      111.        ,,  ,,  ,,  ,,  A        A    ,2      n        n  n 

Rr  1/ 1 

,,  *  •        ,,  ),  )j  n  ^^S    2*^     /2      j)        )T  n 

Diese  Einteilung  wird  von  verschiedenen  Seiten  für  unzweckmäßig  erklärt,  da 
die  den  Gebrauchswert  des  Nutzholzes  bestimmenden  Faktoren  der  Stärke,  Länge 
und  Form  im  Festgehalte  keinen  sicheren  Ausdruck  finden.  Es  ist  z.  B.  hierbei  mög- 
lich, daß  durch  Belassung  eines  Zopfstückes,  das  nur  Brennholzwert  hat,  die  Taxe 
für  die  Einheit  (fm)  eine  höhere  wird,  während  in  Wirklichkeit  der  spezifische  Wert 
sich  verringert;  ebenso  können  bei  Verteilung  der  Schlaganfälle  in  die  verschiedenen 
Taxklassen  Hölzer  von  verschiedenem  Gebrauchswerte  unrichtig  in  eine  Klasse  ver- 
einigt und  ebenso  Hölzer  von  gleicher  Verwendungsfähigkeit  unnötigerweise  in 
mehrere  Klassen  geschieden  werden. 

Die  den  Gebrauchswert  bestimmenden  Ausmaße  sind  die  M  i  1 1  e  n  s  t  ä  r  k  e 
und  für  gewisse  wichtige  Gebrauchszwecke  die  Länge  und  Form  der 
Stämme.  Zweckmäßige  Taxklassen  haben  sich  daher  nach  diesen  Ausmaßen 
abzustufen. 

Eine  Taxklassenbildung,  die  dieser  Forderung  genügt,  haben  wir  schon  weiter 
oben  bei  Besprechung  der  Aufbereitung  in  der  sog.  H  e  i  1  b  r  o  n  n  e  r  Sortie- 
rung für  die  Nadelholz-Langhölzer  kennen  gelernt,  die  insbesondere 
die  Verwendung  dieser  Hölzer  zu  Bauholz  und  Schnittwaren  im  Auge  hat,  und  bei 
der  somit  die  Länge  und  das  Maß  der  Vollholzigkeit,  die  im  sog.  Ablaß  (Zopfdurch- 
messer) zum  Ausdruck  kommt,  den  Maßstab  bilden.  Sie  gilt  in  ganz  Süddeutschland. 
Andere  Klassenbildungen  für  Langholz  nach  ähnlichen  Gesichtspunkten  finden  wir 
auch  noch  bei  mehreren  andern  \'erwaltungen. 

Für  Nadelholzabschnitte  (Sägholz,  Klötzer),  bei  denen  der  Markt 
bestimmte  Längen  vorschreibt  (3  m,  4  Yo  m  usw.),  bildet  der  Mittendurchmesser 
oder  auch  der  Enddurchmesser  den  Maßstab  für  die  Taxklassen.  Der  Gebrauchswert 
eines  Sägeblocks  ist  nämlich  bis  zu  einem  gewissen  Grade  Funktion  seiner  Mitten- 
stärke. Mit  Zunahme  derselben  steigt  die  Verwendungsfähigkeit.  Während  die  schma- 
len Bretter,  die  aus  schwachen  Blöcken  geschnitten  werden,  einen  verhältnismäßig 
niedrigen  Verkaufspreis  haben,  und  der  Abfall  bei  geringer  Stärke  des  Holzes  pro- 
zentisch groß  ist,  können  aus  stärkeren  Blöcken  bei  verhältnismäßig  geringerem  Ab- 
falle wertvollere  Bretter  usw.  geschnitten  werden,  weshalb  ein  Ansteigen  der  Fest- 
meterpreise mit  dem  Durchmesser  wenigstens  bis  zu  einer  gewissen  Stärke  eintritt. 

Das  Gleiche  gilt  für  sämtliches  L  a  u  b  s  t  a  m  m  h  o  1  z  ,  bei  dem  überdies  die 
Länge  der  Stücke  an  Bedeutung  stark  zurücktritt.  Hier  werden  die  Taxklassen  zweck- 
mäßigerweise nur  nach  der  Mittenstärke  gebildet ;  innerhalb  der  Stärke- 


I.  Klasse :  Stämme  von  60  cm  und  mehr  Mittenstärke 


506  IX  B.    Stoetzer,  Forstbenutzung. 

klassen  aber,  da  die  innere  Güte  beim  Laubholz  besonders  große  Abweichungen  zeigt, 
noch  weiterhin  Unterklassennach  der  Qualität  aufgestellt. 

Diesen  Weg  schlägt  die  aus  dem  Baden-reichsländischen  Tarif  hervorgegangene, 
süddeutsche  Sortierung  für  Laubstammholz  ein,  die  den  Ge- 
brauchswert in  bester  Weise  erfaßt  und  durch  die  Art  ihrer  Abstufung  gleichzeitig 
wertvolle  Grundlagen  für  unsere  Erkenntnis  über  den  Gang  des  Wertszuwachses 
schafft.     Dieselbe  bildet  folgende  Klassen: 

a.  ausgesucht  schöne,  glattg 
fehlerfreie  Stücke 

b.  gewöhnliche,  nicht  mit 
erheblichen  Fehlern  be- 
haftete Stücke. 

( a.  I 
IL  Klasse:  Stämme  von  50  bis  59  cm  Mittenstärke  ,  '     wie  oben. 

in.  Klasse:  Stämme  von  40  bis  49  cm  Mittenstärke  | ,    J  wie  oben. 

IV.  Klasse :  Stämme  von  30  bis  39  cm  Mittenstärke 
V.  Klasse :  Stämme  von  20  bis  29  cm  Mittenstärke 
VI.  Klasse :  Stämme  von  weniger  als  20  cm  Mittenstärke. 

Qualitätsunterklassen  werden  somit  nur  für  die  3  stärksten  Klassen  gebildet. 

Als  erhebliche  Fehler  im  Sinne  des  Tarifs  werden  tiefgehende  Fauläste,  Rot- 
und  Weißfäule,  Ringschäle,  starker  Drehwuchs,  Frostrisse  und  große  Abholzigkeit 
genannt.  Mit  erheblichen  Fehlern  behaftetes  Holz  wird  als  ,,A  u  s  s  c  h  u  ß"  bei  der 
seinem  Mittendurchmesser  entsprechenden  Klasse  abgesondert  sortiert  und  ver- 
anschlagt. 

Uebrigens  ist  im  Hinblick  auf  die  Tarife  noch  auf  eine  bemerkenswerte  Ver- 
schiedenheit zwischen  Nadel-  und  Laubstammholz  hinzuweisen.  Das  Laubstamm- 
holz muß,  trotz  der  Taxklassenbildung,  immerhin  —  jedenfalls  heute  noch  —  indivi- 
duell behandelt  werden,  d.  h.  der  Tarif  kann  nur  einen  Preisrahmen  geben,  innerhalb 
dessen  jeder  der  betr.  Stärkeklasse  zufallende  Stamm  seinen  Besonderheiten  gemäß 
für  sich  eingeschätzt  wird,  im  Gegensatz  zum  Nadelholz,  das  in  viel  höherem  Maße 
generelle  Behandlung  zuläßt.  Es  rührt  dies  daher,  daß  die  Nadelhölzer  schon  durch  den 
gleichartigen  Aufbau  ihres  Baumkörpers  und  infolge  des  Umstands,  daß  sie  zumeist 
im  geschlossenen  und  gleichwüchsigen  Hochwalde  erwachsen  sind,  viel  mehr  Gleich- 
artigkeit in  bezug  auf  äußere  Form  und  innere  Qualität  aufweisen,  als  dies  bei  den 
Laubhölzern  heute  der  Fall  ist,  die  wir  zumeist  aus  ehemaligen  Blender-  und  Mittel 
Wäldern  ernten  und  die  schon  ihrer  Wuchsform  entsprechend  große  Verschiedenheiten 
in  bezug  auf  Form  imd  Qualität  der  Schäfte  zeigen.  Sobald  die  Forstwirtschaft 
später  einmal  nur  mehr  die  Erzeugnisse  gleichaltriger  und  wohlgepflegter  Hochwald- 
bestände ernten  wird,  dürften  sich  die  Verhältnisse  denen  des  Nadelholzes  mehr  und 
mehr  nähern. 

Die  Taxen  aller  Sortimente  gelten  nur  für  normale,  kaufmannsgute  Ware  (feh- 
lerfreie oder  nur  mit  geringen,  die  Verwendbarkeit  nicht  beeinträchtigenden  Fehlern 
behaftete  Stücke).  Alles,  was  erhebliche  Fehler  aufweist,  erhält  als  ,,Ausschuß" 
seinen  besonderen  Preisanschlag  außerhalb  der  Taxe  (s.  oben).  Vielfach  ist  die  Be- 
zeichnung solcher  Objekte  durch  Kreuze  üblich. 

Die  rationelle  Behandlung  der  Holztaxenbildung  ist  ein  Punkt  von  großer 
Wichtigkeit  für  die  geschäftliche  Seite  der  Forstbenutzung  und  Forstverwaltung. 
Sie  hängt  mit  einer  sorgfältigen  Holzpreisstatistik  aufs  engste  zusammen.     Nach 


\'erwerhing  der  Fällungsergebnisse.     §  23.  597 

unserer  Ansicht  empfiehlt  es  sich,  am  Schlüsse  eines  jeden  Wirtschaftsjahres  eine 
statistische  Nachweisung  der  Holzdurchschnittspreise  zu  beschaffen  und  daraus  die 
in  Hinsicht  auf  Beibehaltung  oder  Aenderung  der  Holztaxen  sich  ergebenden  Schlüsse 
zu  ziehen. 

§  25.  Ausführung  der  Forst  p  r  o  d  u  k  t  e  n  v  e  r  k  a  u  f  e  i).  Bei 
allen  Verkäufen  von  Forstprodukten  (Holz,  Rinden)  ist  vom  wesentlichsten  Einfluß 
die  Verkaufs  zeit.  Vor  allem  hat  man  sich  bei  Wahl  derselben  nach  der  allgemeinen 
M  a  r  k  t  z  e  i  t  für  die  einzelnen  Walderzeugnisse  zu  richten.  Innerhalb  derselben  ist 
es  vielfach  von  Vorteil,  so  frühzeitig  als  möglich  den  Einschlag  dem  kaufenden  Publi- 
kum anzubieten.  Jeder  größere  Verbraucher  oder  Händler  wird  Gewicht  darauf 
legen,  seinen  Bedarf  frühzeitig  zu  decken;  die  Rücksicht  auf  eine  gewisse  Sicherheit 
dieser  Befriedigung  des  Bedarfs  wird  ihn  dazu  bestimmen,  bei  frühzeitig  erfolgenden 
Verkäufen  verhältnismäßig  höhere  Preise  zu  bewilligen  als  später. 

Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  dies  dann,  wenn  größere  Holzmassen  im  Stehen 
ausgeboten  und  vielleicht  vor  der  Fällung  verkauft  werden  sollen.  Die  Rücksicht  auf 
einen  frühzeitigen  ^'erkauf  ist  jedoch  nicht  minder  wichtig  bei  denjenigen  Verkäufen, 
durch  welche  örtliche  Bedürfnisse,  insbesondere  von  Brenn-  und  Kleinnutzholz 
befriedigt  werden  sollen.  Auch  hier  ist  Beschleunigung  der  Verkäufe  zweckmäßig, 
damit  der  Käufer  in  bezug  auf  Abfuhr  und  weitere  Behandlung  der  Forsterzeugnisse 
nicht  allzusehr  beschränkt  ist. 

Von  wesentlichem  Einfluß  auf  die  Ergebnisse  mancher  Verkäufe  ist  die  Größe 
einerseits  der  Verkäufe  und  andererseits  d  e  r  V  e  r  k  a  u  f  s  1  o  s  e  ,  d.  h.  die 
richtige  Bemessung  der  jeweils  in  einem  Termin  auszubietenden  Mengen  und  die 
Bildung  angemessener  Verkaufslose,  je  nach  den  Anforderungen  und  besonderen 
^^'ünschen  der  Holzkäufer. 

Hat  man  einen  ausgedehnten  und  völlig  genügenden  örtlichen  Absatz  für  seine 
Erzeugnisse,  so  empfiehlt  sich  die  Abhaltung  kleiner  Verkäufe  und  die  Bildung  klei- 
ner Verkaufslose,  sowohl  beim  Brennholz  als  auch  beim  Nutzholz;  anders  verhält 
es  sich,  wenn  dieser  örtliche  Absatz  fehlt  und  wenn  es  sich  darum  handelt,  auswärtige 
Verkäufer,  vielleicht  aus  weiterer  Ferne  herbeizuziehen.  Hier  müssen  große  Verkäufe 
und  innerhalb  derselben  große  Verkaufslose  gebildetwerden,  damitder  größere  Ab- 
nehmer, der  vielfach  behufs  .\bschluß  eines  Ankaufes  eine  weite  Reise  zu  machen  hat, 
es  auch  der  Mühe  wert  findet,  sich  am  Wettbewerb  der  Käufer  zu  beteiligen.  Er  tut 
dies  nicht  gerne,  wenn  er  genötigt  ist,  seinen  Bedarf  durch  Ankauf  einer  Menge  klei- 
nerer Verkaufslose  zu  decken,  die  er  öfters  nicht  einmal  in  einem  einzigen  Schlage 
erwerben  kann,  wodurch  naturgemäß  die  Aufsicht  und  der  Transport,  sowie  die 
weitere  Verwendung  überhaupt  wesentlich  erschwert  wird.  Bei  wertvollen,  für  weitere 
Ausfuhr  in  Betracht  kommenden  Hölzern  müßte  darauf  gesehen  werden,  daß  immer 
die  zu  einer  vollen  Eisenbahnwagenladung  nötige  Menge  in  einem  Lose  ausgeboten 
^\•ird,  weil  bei  kleineren  Posten  die  Fracht  allzusehr  verteuert  wird. 

Zu  diesem  Zweck  wären  wertvolle  Hölzer  (Ahorn,  Esche,  Eisbeere)  nötigenfalls 
schon  aus  den  Schlägen  "künftiger  .Jahre  im  voraus  zu  gewinnen,  um  die  erforderliche 
Menge  zu  erhalten,  wenn  solche  aus  dem  laufenden  Schlag  nicht  anfällt. 

Unter  Umständen  empfiehlt  es  sich  mehr,  dem  örtlichen  Bedarf  zunächst  durch 
kleinere  Verkaufslose  Rechnung  zu  tragen,  sodann  aber  die  Befriedigimg  größerer 
Käufer  durch  Darbietung  größerer  Verkaufsposten  ins  Auge  zu  fassen.    Man  wird 


1)  Vergl.  S  t  e  p  h  a  n  i:  Einige  Betrachtungen  über  den  Holzverkauf  aus  dem  Walde.  Forstw. 
Zentralbl.  1910,  517 — 535.  —  Ringbildung  und  Holzverwerlung  in  Bayern.  Forstw.  Zentialbl.  1910, 
S.  316  ff. 


508  IX  B.     Stoelzer,  Forstbeuulzung. 

vielleicht  für  den  ersteren  Zweck  Versteigerungen,  für  den  letzteren  Submissionen 
wählen. 

Auch  die  Zusammenfassung  der  Holzernte  verschiedener  Waldbesitzer  zum 
Behuf  gemeinsamer  Versteigerung  ist  neuerdings  in  Anregung  gebracht,  bezw.  an- 
gebahnt worden  und  verdient  entschieden  alle  Beachtung,  wenn  es  sich  um 
den  Verkauf  von  Forstprodukten  handelt,  die  wesentlich  für  den  Großhandel  be- 
stimmt sind  ^). 

Aus  allem  bisher  Mitgeteilten  wird  sich  ergeben,  daß  die  angemessenste  Ver- 
kaufsform  in  der  Regel  und  bei  Vorhandensein  genügender  Nachfrage,  insbesondere 
bei  hinlänglichem  örtlichem  Absatz,  die  Versteigerung  sein  wird. 

Man  hat  hierbei  darüber  gestritten,  ob  es  sich  empfiehlt,  die  Versteigerungen  im 
Freien  abzuhalten  und  dabei  jedem  Käufer  Gelegenheit  zu  geben,  das  Holz,  auf  das 
er  bietet,  unmittelbar  zu  besichtigen.  Sicherlich  werden  auf  diese  Weise  alle  etwaigen 
Beanstandungen  abgeschnitten.  Allein  diese  Methode  hat  doch  auch  eine  Reihe  von 
Uebelständen  im  Gefolge,  namentlich  eine  erhöhte  Unbequemlichkeit  für  den  Ver- 
käufer und  für  die  Käufer,  zumal  bei  Eintritt  schlechten  Wetters.  Bei  Verstei- 
gerung größerer,  im  Wald  zerstreut  stehender  Hölzer  ist  sie  geradezu  unaus- 
führbar, da  es  unmöglich,  oder  wenigstens  mit  unverhältnismäßigem  Zeitverlust 
verbunden  ist,  die  einzelnen  Posten  mit  den  Kaufliebhabern  durchzugehen. 

Wenn  man  aber  auch  bei  kleineren  Verkäufen,  namentlich  der  Brenn- 
hölzer, sich  von  der  Methode  der  Wald  Versteigerungen  nicht  trennen  zu 
können  glaubt,  so  ist  hier  gewiß  an  vielen  Orten  noch  ein  Vorurteil  vorhanden.  Ist 
es  einmal  als  fester  Grundsatz  eingebürgert,  daß  alle  Hölzer  im  richtigen  Maß  auf- 
gesetzt, gut  sortiert  und  nach  ihrem  wirklichen  Wert  in  die  Bücher  der  Forstver- 
waltung eingetragen  werden,  ist  ferner  für  gute  Wege  gesorgt  und  das  Prinzip  des 
Anrückens  der  Hölzer  an  die  Abfuhrwege  allenthalben  durchgeführt,  so  daß  in  bezug 
auf  die  Leichtigkeit  oder  die  Erschwerung  der  Abfuhr  keine  wesentlichen  Unter- 
schiede Platz  greifen,  ist  ferner  dem  Käufer  Gelegenheit  geboten,  das  zur  Versteige- 
rung gelangende  Holz  vor  Beginn  derselben  örtlich  besichtigen  zu  können,  so  wird 
sich  dieser  bald  daran  gewöhnen,  an  Verkäufen  teilzunehmen,  die  nicht  im  Walde, 
sondern  im  Zimmer  abgehalten  werden  und  wird  bei  näherer  Bekanntschaft  dem 
letzteren  Verfahren  den  Vorzug  geben. 

Von  Wichtigkeit  für  den  Erfolg  der  Verkäufe  ist  neben  anderem  auch  die  Wahl 
eines  passen  den  Versteigerungstages;  man  sieht  hierbei  darauf, 
daß  kein  Tag  gewählt  wird,  an  dem  etwa  in  der  Nachbarschaft  Markt  ist;  gewöhn- 
liche Gerichtstage  sind  auszuschließen,  auch  wähle  man  solche  Perioden,  in  denen 
die  Feldarbeiten  nicht  gerade  dringend  sind.  Verabredungen  mit  benachbarten  Re- 
viervei'waltungen  behufs  Vermeidung  etwaigen  Zusammentreffens  verschiedener  Ver- 
käufe auf  einen  Tag  sind  geboten. 

Alle  öffentlichen  Verkäufe  sind  in  hinreichend  ausführlicher  Weise  nach  Ort 
und  Zeit,  sowie  unter  Angabe  der  zu  verkaufenden  Sortimente  öffentlich  bekannt 
zu  machen,  teils  durch  Anzeigen  in  gelesenen  Blättern,  teils  durch  anderweite  ortsüb- 
liche Bekanntmachung  (Plakate,  Ausschellen  etc.).  Für  Forsterzeugnisse,  die  Gegen- 
stand des  Begehrs  für  den  eigentlichen  Holzhandel  sind,  wie  z.  B.  größere  Holzmassen, 
die  den  Lokalbedarf  übersteigen,  bei  denen  es  also  darauf  ankommt,  zur  Beförderung 
des  Absatzes  fremde  Holzhändler,  bezw.   Holzkäufer  herbeizuziehen,  ist  das  Aus- 


1)   S.  Vortrag  von  W  i  m  m  e  n  a  u  e  r  jn  dem  Bericht  über  die  XIV.  Versammlung  deutscher 
Forstmänner  in   Görlitz   1885,   S.   116. 


Verwertuntr  clor  Fällungsergebnisse.     §  26.  509 

schreiben  in  die  Holzverkaufszeitiingen,  deren  jetzt  in  Deutschland  eine  ganze  Anzahl 
besteht,  meist  von  großem  \'(irteil  ^). 

Von  wesentlichem  Einfluß  auf  die  Ergebnisse  der  Verkäufe  von  Walderzeug- 
nissen sind  die  Zahlungsbedingungen.  In  den  meisten  Staatsverwaltungen 
bildet  die  Barzahlung  die  Regel,  in  Bayern,  sowie  manchen  kleineren  Staaten 
ist  die  Kreditbewilligung  zulässig. 

Das  Gewähren  einer  gewissen  Zahlungsfrist  erscheint  mit  Rücksicht  auf  die 
dadurch  den  meisten  Käufern  bereitete  Annehmlichkeit  z\^eckmäßig  und  dient  zur 
Herbeiziehung  größeren  Wettbewerbs,  folgeweise  zur  Erhöhung  der  Preise. 

Hierbei  muß  ein  Unterschied  zwischen  großen  und  kleinen  Verkäufen  gemacht 
werden.  Bei  geringen  Hölzern  ist  es  gewiß  nützlich,  auf  Barzahlung  zu  sehen,  bei 
größeren  nur  dann,  wenn  der  Käufer  als  nicht  zahlungsfähig  bekannt  oder  nicht  im- 
stande ist,  durch  Bürgschaft,  Hypothek  oder  Deponierung  von  Wertpapieren  Sicher- 
heit zu  bieten. 

Letztere  Vorsichtsmaßregel,  den  Kredit  nur  gegen  Gewähr  einer  gewissen  Sicher- 
heit zu  erteilen,  empfiehlt  sich  übrigens  auch  bei  größeren  Verkäufen  ganz  allgemein; 
man  wird  vielleicht  außerdem  die  Entrichtung  einer  Anzahlung  (z.  B.  10  °i  des  Kauf- 
preises) fordern  und  sich  bis  zur  geleisteten  Zahlung  das  Eigentumsrecht  an  dem 
Verkaufsgegenstand  vorbehalten. 

Auf  diese  Weise  werden  bei  dem  Borgsystem  \'erluste  vermieden  und  es  kommen 
die  günstigen  Seiten  dieses  Verfahrens  zur  Geltung. 

Will  man  an  der  Barzahlung  auch  bei  dem  Großhandel  streng  festhalten,  so 
schafft  man  leicht  ein  ^Monopol  für  wenige,  besonders  reichlich  mit  Betriebsmitteln 
versehene  Käufer,  während  der  kleinere  Händler  von  dent  Wettbewerb  ausgeschlos- 
sen ist. 

Von  Bedeutung  für  die  Ergebnisse  der  Verkäufe  ist  noch  die  Gewähr  einer  nicht 
allzu  kurz  bemessenen  Abfuhrfrist,  damit  der  Käufer  nicht  gedrängt  ist  und  dadurch 
Gefahr  läuft,  ungewöhnlich  hohe  Fuhrlöhne  bezahlen  zu  müssen,  um  die  vorgeschrie- 
bene Abfuhrzeit  einhalten  zu  können. 

Auch  sollte  man  die  Bearbeitung  des  Holzes  in  den  Schlägen  nicht  so  allgemein 
verbieten,  wie  noch  vielfach  üblich  ist.  Bei  schwerem  Eichenholz  erscheint  es  fast 
unerläßlich,  daß  die  Stämme  behufs  Erleichterung  des  Transportes  im  Walde  zuge- 
richtet werden,  insbesondere  bei  Verwendung  zu  Eisenbahnschwellen. 

Bei  jeder  Holzversteigerung  sind  gewisse  Formen  einzuhalten.  Insbesondere 
werden  vor  Beginn  derselben  die  Bedingungen  bekannt  gemacht,  unter  denen  der 
Verkauf  erfolgt.  —  Man  schließt  zweckmäßig  mit  der  Zahlung  rückständige  Käufer 
aus,  bestimmt  die  Termine  für  die  Abfuhr,  gibt  die  Zahlungsbedingungen  bekannt 
und  setzt  die  Frist  fest,  bis  zu  der  für  das  A^orhandensein  des  Holzes  Gewähr  ge- 
leistet wird. 


1)  Die  wesentlichsten  dieser  Blätter,  welche  in  der  Regel  nicht  bloße  Annoncenblätter  sind, 
sondern  auch  Abhandlungen  und  Mitteilungen  aus  dem  Bereiche  des  Holzhandels  und  der  Holz- 
industrie, bisweilen  sogar  zum  Teil  aus  dem  ganzen  Gebiet  des  Forstwesens  bringen,  sind  folgende: 

Handelsblatt  für  Walderzeugnisse,  Red.  von  E.  Laris  in  Gießen ;  A  1 1- 
gemeinerHolz  verkaufsanzeiger,  Red.  v.  K.  Schüßler  in  Hannover;  AUg.  H  Ol  z- 
und  Forstanzeiger(Holzinduslrie-Zeitung)in  Leipzig;  Forstverkehrs- 
b  1  a  t  t  in  Berlin;  Der  Holzhändler  (erscheint  in  Dülmen),  Red.  v.  Oberf.  Renne;  Z  e  n- 
tralblattfürdendeutschen  Holzhandel  in  Stuttgart ;  Zentralblattfür 
Holzindustrie  in  Oranienburg;  .\llg.  Anzeiger  für  den  Forstprodukte  n- 
\'  e  r  k  e  h  r  (erscheint  in  .\ugsburg),  Red.  v.  Prof.  Dr.  Endrcs  in  München;  ,,H  o  1  z  m  a  r  k  t"  in 
B  u  n  z  1  a  u   usw. 

.\uch  erscheint  ein  Holzverkaufsanzeiger  in  Straßburg,  sowie  ein  solcher  für  Sachsen 
in  Dresden. 


510  IX  B.    Stoetzer,  Forstbenulzung. 

Die  Zuziehung  eines  Kassenbeamten  zu  den  öffentlichen  ^'erkäufen  erscheint 
zweckmäßig,  damit  die  geforderten  Barzahlungen  oder  Anzahlungen  alsbald  ent- 
richtet, auch  die  Frage  wegen  der  Zahlungsfähigkeit  der  Käufer  sofort  beantwortet 
werden  kann. 

Jeder  Käufer  erhält  einen  Holzüberweisungs-  oder  Holzabfuhrschein,  d.  h.  eine 
Nachweisung  über  das  von  ihm  erstandene  Holz,  die  dessen  Nummer,  die  Bezeich- 
nung des  Forstortes,  den  Kaufpreis  und  einen  Abdruck  der  Abfuhrbestimmungen 
enthält. 

Durch  die  Uebergabe,  resp.  Annahme  dieses  Scheines  wird  der  Verkauf  abge- 
schlossen und  das  Holz  steht  alsdann  auch  auf  Gefahr  des  Empfängers  im  Walde. 
Höchstens  gibt  man  "24  Stunden  Währzeit,  innerhalb  deren  Einwendungen  noch 
erhoben  werden  können,  läßt  aber  während  dieser  Frist  die  Abfuhr  noch  nicht  zu. 

Die  weiteren  Förmlichkeiten  der  Holzverkäufe  sind  örtlich  sehr  verschieden 
und  daher  hier  nicht  weiter  zu  erörtern.  Wesentlich  ist  in  allen  Fällen,  daß  der  den 
Verkauf  leitende  Beamte  sich  weniger  als  solcher  fühle,  sondern  als  gewandter  Ge- 
schäftsmann auftrete,  dessen  Bestreben  es  sein  muß,  dem  Käufer  hinsichtlich  billiger 
und  berechtigter  Wünsche  entgegenzukommen. 

§26.  BeförderungdesHolzabsatzes.  Der  von  Zeit  zu  Zeit  immer 
wieder  beobachtete  Niedergang  der  Holzpreise,  der  teilweise  auf  massenhafte  Einfuhr 
fremder  Nutzhölzer,  bezw.  Holzerzeugnisse,  z.  B.  aus  Schweden-Norwegen,  sowie 
aus  Oesterreich-Ungarn  und  Rußland,  teilweise  auf  die  mehr  und  mehr  sich  an  Stelle 
der  Holzfeuerung  einbürgernde  Heizung  mit  Mineralkohle,  sowie  die  Verwendung  des 
Eisens  statt  des  Holzes  für  manche  Bauzwecke,  in  den  meisten  Fällen  jedoch  auf 
geminderte  Baulust  und  Darniederliegen  mancher  Industriezweige  in  Zeiten  allge- 
meinen wirtschaftlichen  Niedergangs  zurückzuführen  ist,  regt  zu  Maßnahmen  an, 
die  eine  Besserung  der  Zustände  und  eine  möglichste  Hebung  des  Absatzes  bezwecken. 
Wenn  wir  von  den  im  Gebiet  der  Gesetzgebung  und  Verwaltung  liegenden  Maßnahmen 
(z.  B.  Holzzölle,  Eisenbahntarifgestaltung,  Förderung  des  Transportwesens  etc.) 
absehen  und  uns  darauf  beschränken,  diejenigen  Punkte  zu  erörtern,  die  in  den  eigent- 
lichen Kreis  der  Forstverwaltung  fallen,  so  finden  wir  in  erster  Linie  die  Notwendig- 
keit, durch  zweckmäßige  ^\'egeanlagen  und  sonstige  Transportmittel  die  Abfuhr  zu 
erleichtern.  Insbesondere  tritt  mehr  und  mehr  die  Notwendigkeit  heran,  durch  Aus- 
rücken der  Hölzer  an  größere  Lagerplätze  und  gutes  Sortieren  derselben  je  nach  ihrer 
Gebrauchsfähigkeit  dem  Abnehmer  den  Holzbezug  zu  erleichtern,  derart,  daß  der- 
selbe ein«  gute  Uebersicht  über  das,  was  zu  verkaufen  ist,  gewinnt  und  ferner  die 
erkauften  Hölzer  ohne  nochmaliges  Umladen  direkt  dem  Orte  ihrer  Bestimmung  zu- 
führen kann. 

In  den  großen  zusammenhängenden  Forsten  der  Ebene  und  des  Flachhügel- 
landes sind  ohne  Zweifel  die  Waldeisenbahnen,  diese  wichtige  Errungenschaft  der 
Neuzeit,  berufen,  hinsichtlich  der  Annäherung  der  Holzkäufer  an  die  Forstverwal- 
tungen eine  bedeutende  Rolle  zu  spielen,  da  durch  ihre  Benützung  jenen  Grund- 
sätzen des  Verkaufs  an  größeren  Lagerplätzen  am  leichtesten  Rechnung  getragen 
werden  kann.  Immerhin  ist  die  Anlage  von  solchen  nicht  allgemein  zweckmäßig, 
sondern  namentlich  an  das  Vorhandensein  großer  Ueberschüsse  von  Handelshölzern 
über  den  örtlichen  Bedarf  hinaus,  sowie  an  den  Absatz  nach  einer  bestimmten  Rich- 
tung hin,  am  besten  mit  Anschluß  an  große  Holzablagen,  Eisenbahnstationen  oder 
Wasserstraßen,  geknüpft. 

Beim  Sortieren  der  Hölzer  und  dem  Ausbieten  derselben  zum  Verkauf  ist  den 
vernünftigen  und  billigen  Wünschen  des  Holzhandels  möglichst  entgegenzukommen; 


Verwertung  der  Fällungsergebnisse.     §  26.  51 1 

der  Forstwirt  muß  sich  mehr  und  mehr  befleißigen,  die  technischen  Anforderungen, 
die  an  Hölzer  der  verschiedensten  Gattungen  gemacht  \\erdcn,  und  die  Verwendungen, 
denen  dieselben  dienen  sollen,  kennen  zu  lernen;  er  muß  sich  genaue  Warenkunde 
aneignen;  schon  dadurch  wird  er  viele  Wünsche  seiner  Abnehmer,  mit  denen  er  in- 
folge seiner  Bestrebungen  in  einen  regeren  Verkehr  tritt,  in  Erfahrung  bringen. 

Die  Holztaxen  sind  beweglich  zu  halteii  und  der  jeweiligen  Marktlage  tunlichst 
anzupassen;  sie  müssen  auf  Grund  genauer  Holzpreis-Statistik  aufgestellt  werden, 
so  daß  keinerlei  ^^'illkür  und  kein  einseitiges  Bestreben,  die  Holzpreise  unnatürlich 
in  die  Höhe  zu  schrauben,  dabei  im  Spiele  ist. 

Bei  Vermessung  der  Rundhölzer  walte  strenge  Unparteilichkeit  und  Gerechtig- 
keit ob;  niemals  verfahre  man  hierbei  zu  knapp,  weder  in  Hinsicht  auf  Längen-  noch 
auf  Stärkenbestimmung;  geringe  Qualitäten  bezeichne  man  als  solche  besonders  und 
suche  sie  nicht  als  gut  zu  verwerten.  —  Beim  Schichtholz  gebe  man  richtiges  Maß  und 
sehe  auf  gutes  dichtes  Legen,  passe  sich  auch  etwaigen  besonderen,  z.  B.  auf  Her- 
stellung ungewöhnlicher  Längen  gerichteten  Wünschen  der  Käufer  an. 

Die  Verkaufsart  sei  nicht  einseitig  gewählt,  sondern  werde  je  nach  den  herr- 
schenden Umständen  bestimmt,  entweder  als  Versteigerung,  oder  Submission,  oder 
Freihandverkauf.  Den  Verwaltungsorganen  sind  hinlänglich  weitgehende  Befugnisse 
einzuräumen,  damit  der  schleppende  Instanzenweg  möglichst  abgekürzt  wird;  in 
der  Krediterteilung  und  Feststellung  der  Zahlungsbedingungen,  sowie  in  der  Bestim- 
mung der  Abfuhrfristen  komme  man  den  Käufern  mögliclist  entgegen. 

Auf  diese  ^^"eise  wird  sich  ein  auf  Vertrauen  beruhendes  Verhältnis  zwischen 
den  Forstverwaltungen  und  den  Abnehmern  bald  herausstellen,  welches  beiden  Tei- 
len zur  Zufriedenheit  gereichen  wird  ^). 

Es  ist  den  Forstver\\altungen  manchen  Ortes  noch  die  Aufgabe  zugewiesen, 
technische  Nebengewerbe  zu  betreiben,  die  eine  ^^erarbeitung  oder  Verfeinerung  des 
Holzes  zum  Zweck  haben. 

In  der  Regel  erfordert  die  Leitung  solcher  Nebengewerbe,  wozu  namenthch 
Sägewerksbetrieb,  Schindelfabrikation,  Imprägnierung  von  Hölzern  ete.  gehört,  eine 
gewisse  Summe  rein  kaufmännischer  Fertigkeiten  und  Kenntnisse,  die  den  mehr 
bureaukratisch  angelegten  Forstverwaltungsbehörden  namentlich  im  Staatsbetriebe 
zumeist  abgehen.  Auch  bedingen  solche  Nebengeschäfte  stets  ein  gewisses  Maß  von 
Spekulation,  das  sich  selten  mit  der  im  Beamtentum,  insbesondere  der  Staatsver- 
waltungen, unumgänglich  nötigen  Kontrolle  befriedigend  vereinigen  läßt.  Auf  weiter 
vorgeschrittenen  Stufen  des  Wirtschaftslebens  empfiehlt  sich  daher  derBetrieb  tech- 
nischer Nebengewerbe  durch  die  Forstverwaltung  nicht. 

Eine  Hauptaufgabe  derselben  ist  es  hingegen,  in  den  Fällen  ungenügenden  Ab- 
satzes die  private  Tätigkeit  zu  wecken.  Man  kann  wohl  sagen,  daß  die  letztere  in 
denjenigen  Gebieten,  in  denen  überhaupt  mit  Vorteil  Geschäfte  zu  machen  sind, 
leicht  einzubürgern  ist. 

Verbesserung  der  Verkehrsmittel,  Agitation  für  Straßen-  und  Eisenbahnbau 
in  vom  Verkehr  abgeschlossenen  Gegenden  sind  wesentliche  Mittel,  um  die  Tätigkeit 
von  Privatunternehmern  zu  wecken. 

1)  Vergl.  D  a  n  c  k  e  1  m  a  n  n  in  Z.  f.  F,  u.  J.  1885,  S.  396  ff.  Wünsche  des  Holzhandels 
gegenüber  der  Forstverwallung. 

Bericht  über  die  XH'.  Versammlung  deutscher  Forstmänner  in  Görlitz,  Thema  II:  „Inwie- 
weit sind  die  Klagen  und  Wünsche  der  Holzhändler  bezüglich  ungenügender  Berücksichtigung 
ihrer  Interessen  begründet  und  in  welcher  Weise  kann  berechtigten  Einwendungen  abgeholfen 
werden?"  Mancherlei  beachtenswerte  Winke  in  bezug  auf  Hebung  des  Holzabsatzes  finden  sich 
auch  in  der  Schrift  „D  ie  Forstrente  in  Elsaß-Lothringen,  Rückgang  und  Mittel 
zur  Hebung  derselben".    Straßbure  1886. 


512  IX  B.    Stoetzer,   Forstbenutzung. 

Die  Forstvenvaltungen  müssen  weiter  durch  Darbietung  von  Grund  und  Boden 
zu  angemessenen  Preisen,  durch  Ueberlassung  von  Wasserkräften,  durch  Abschluß 
von  HolzHeferungsverträgen  auf  angemessene  Zeiträume  dem  Privatunternehmer 
entgegenkommen  und  ihm  den  nötigen  Mut  einflößen,  damit  er  sein  Kapital  in  Unter- 
nehmungen steckt,  deren  Ergebnisse  sowohl  ihm  selbst,  als  auch  der  beteiligten 
Forstverwaltung  zugute  kommen  werden  ^). 

IV.   Aufbewahrung  von  Hölzern. 

§  27.  Wenn  wir  auch  mehrfach  dem  Anrücken  der  Hölzer  zur  Erleichterung  des 
Verkaufes  derselben  das  Wort  geredet  haben,  so  ist  doch  im  allgemeinen  unsere  An- 
sicht, daß  hierbei  eine  möglichst  zeitige  Venvertung  derselben  in  das  Auge  gefaßt 
werden  muß,  damit  die  Forstverwaltung  der  Aufsicht  und  Verantwortlichkeit  über 
die  Hölzer  bald  überhoben  ist  und  dadurch  Verluste  vermieden  werden. 

Ausnahmsweise  kann  jedoch  auch  die  Aufbewahrung  von  Hölzern  auf  besonderen 
Holzlagerplätzen  zur  besseren  Verwertung  derselben  nötig  werden. 

Es  kann  dieser  Fall  eintreten: 

1.  wenn  ein  durch  außergewöhnliche  Umstände  herbeigeführter,  den  laufenden 
Verbrauch  weit  übersteigender  Holzanfall  vorhanden  sein  sollte  und  man  die  Preise 
nicht  herabsetzen  wollte,  was  namentlich  in  Jahren  ungewöhnlicher  Anfälle,  z.  B. 
nach    Windbruchbeschädigungen,    Insektenverheerungen    vorkommen  kann,   sowie 

2.  wenn  zur  Versorgung  weit  vom  Wald  abgelegener  \'erbrauchsplätze,  z.  B. 
größerer  Städte,  und  hier  insbesondere  zur  Deckung  des  Bedarfs  von  Behörden  und 
öffentlichen  Anstalten  Vorratsplätze  unterhalten  werden  müssen. 

Ausnahmsweise  mag  die  Bereithaltung  kleinerer  Mengen  Brennholz  für  Not- 
fälle (z.  B.  strenge  Winter)  in  Betracht  kommen,  auch  könnte  man  vielleicht  Nieder- 
lagen für  kleine  Nutz-  und  Geschirrhölzer  schaffen. 

Man  sollte  im  allgemeinen  die  Aufstapelung  auf  solche  Holzarten  und  Sorten 
beschränken,  die  sich  gut  halten  und  nicht  leicht  verstocken.  Vor  allem  sind  trockene, 
luftige,  freie  Plätze  zu  wählen,  womöglich  etwas  erhaben  und  geneigt.  Sie  sollen  der 
Zu-  und  Abfuhr  jederzeit  zugänglich  und  gegen  Entwendung  möglichst  geschützt, 
zum  mindesten  leicht  zu  beaufsichtigen  sein.  Sind  derartige  Aufstapelungsplätze 
ständig,  so  nennt  man  sie,  namentlich  soweit  es  sich  um  Brennhölzer  handelt,  wohl 
auch  Holzgärten. 

Eine  Aufbewahrung  von  Hölzern  im  Wasser  findet  auf  manchen  Sägewerken 
statt,  wo  sich  dieselbe  namentlich  für  Kiefernhölzer  empfiehlt,  da  diese  im  Wasser 
nicht  leicht  jene  blaue  Farbe  annehmen,  die  sich  bei  Aufbewahrung  zu  Lande  leicht 
einstellt  und  das  Aussehen  der  zu  gewinnenden  Schnittware  beeinträchtigt.  Für 
alle  Hölzer  hat  die  Aufbewahrung  unter  Wasser  den  Vorteil,  daß  dem  Schwinden 
und  Aufreißen  vorgebeugt  wird;  am  Rhein  kommt  es  vielfach  vor,  daß  ganze  Ge- 
bunde  geflößter  Stammhölzer  .Jahre  hindurch  ohne  jeden  Nachteil  für  ihre  spätere 
Verwendungsfähigkeit  im  Wasser  aufbewahrt  werden.  Auch  im  Walde  ist  mit  Erfolg 
der  Versuch  gemacht  worden,  solche  Nadelholzstämme,  die  nicht  augenblicklich 
nach  ihrem  Anfall  verkäuflich  waren,  im  Wasser  aufzubewahren  -). 

Bei  der  Aufbewahrung  zu  Lande  hat  man  darauf  zu  sehen,  daß  S  t  a  m  m  - 
h  ö  1  z  e  r  stets  auf  Unterlagen  zu  liegen  kommen.  Man  wird  zweckmäßig  schon 
mit  der  Aufstapelung  eine  gewisse  Sortierung  der  verschiedenen  Stärken  und  Ouali- 

1)  Vergl.  W  e  b  e  r  in  F.-Z.-Bl.  1883,  S.  1  ff.  Ueber  die  Bedeutung  einiger  Holz  verarbeitenden 
Industriezweige. 

2)  W  i  m  m  e  n  a  u  e  r  in  A.  F.-  u.  J.  Z.  1878,  S.  443. 


Aufbewahrung  von  Hölzern.     §  27.  513 

täten  verbinden;  einzelne  besonders  wertvolle  Stämme  legt  man  für  sich,  im  übrigen 
bildet  man  Haufen,  wie  sie  für  die  Verwertung  zweckmäßig  erscheinen.  Bei  Nadel- 
hölzern ist  zur  Gesunderhaltung  sowie  zum  Schutz  gegen  Insektenangriffe  vorgängige 
Entrindung  zu  empfehlen.  Kleinere  Nutzhölzer  bewahrt  man  am  besten  in  Schup- 
pen auf. 

Brennhölzer,  die  den  Hauptgegenstand  der  Aufbewahrung  zu  bilden 
pflegen,  gelangen  vielfach  durch  Wassertransport  (Trift  oder  Flößerei)  an  die  Auf- 
bewahrungsorte; hier  ist  besonders  auf  die  Gewinnung  von  solchen  Lagerplätzen  zu 
sehen,  die  hinlänglich  hoch  über  dem  Spiegel  des  Hochwassers  liegen.  Brennhölzer 
läßt  man,  sie  mögen  nun  zu  Wasser  oder  zu  Lande  an  die  Lagerplätze  befördert  wor- 
den sein,  stets  so  aufschichten,  daß  die  Stöße  in  langen  geraden  Fluchten  senkrecht 
zum  herrschenden  Luftzug  stehen,  so  daß  dieser  letztere  die  Zwischenräume  durch- 
streichen kann.  Man  gibt  den  Stößen  Unterlagen  von  Holzscheiten,  damit  das  Holz 
nicht  unmittelbar  auf  dem  Boden  liegt,  läßt  zwischen  den  Reihen  immer  1  Meter 
Zwischenraum  und  gibt  den  Stößen  eine  Höhe  von  2 — 3  Meter,  damit  die  Fläche  des 
Lagerplatzes  möglichst  ausgenutzt  wird. 

Prügelhölzer  werden,  damit  sie  leicht  austrocknen  und  nicht  verstocken,  mög- 
lichst aufgespalten. 

Auf  großen  Holzlagerplätzen  hat  man  noch  besondere  Aufstapelungsmethoden, 
vermittelst  deren  nicht  allein  eine  besondere,  das  Austrocknen  befördernde  Schich- 
tung der  unteren  Lagen  der  Scheite  durch  schräge  Anordnung  derselben,  sondern 
auch  eine  Art  Bedachung  mit  schief  gelegten  Scheiten  zur  Ableitung  des  Regenwassers 
durchgeführt  wird.  Diese  Methoden  lassen  sich  ohne  Zeichnung  schwer  beschreiben  i). 

Besondere  Vorsicht  ist  der  Aufbewahrung  ungewöhnlich  großer  Anfälle  von 
Nutz-  und  Brennhölzern  nach  vorgekouunenen  großen  Waldschäden,  insbesondere 
Windbrüchen,  Insektenverheerungen  (Borkenkäfer-  oder  Raupenfraß)  zu  widmen, 
da  derartige  Hölzer,  insbesondere  die  durch  Insektenverheenmgen  zum  Absterben 
gebrachten,  leicht  verstocken. 

Nutzhölzer  sind  hier  stets  sofort  zu  entrinden,  Brennhölzer  spaltet  man  alsbald 
auf,  befreit  sie  ebenfalls  von  der  Rinde  und  setzt  sie  nicht  eher  in  Stöße,  als  bis  sie 
durch  den  Einfluß  der  Luft  abgetrocknet  sind. 

Das  minderwertige  Reisig  bringt  bei  der  Aufbewahrung  selten  Gewinn;  die 
letztere  ist  vielmehr  meist  mit  Verlust  verbunden,  da  die  Güte  des  Materials  schnell 
zurückgeht,  in  der  Regel  nochmaliges  Festbinden  der  Wellen  nötig  wird  und  dadurch 
besondere  Unkosten  entstehen. 


1)  Zu  näherer  Information  vergleiche  man:  Die  Holzbringungsmittel  in  den  Kgl.  Bayerischen 
Salinenwaldungen,  herausgegeben  vom  Kgl.  Bayer.  Ministerial-Forstbureau  1860,  S.  126. 


Handb.  d.  Forstwiss.     3.  Aufl.    IL  33 


514 


IX. 


Die   Forstbenutzung. 


C.    Die  Nebennutziingen  im  Walde. 

Von 

Viktor  Dieterich. 


Literatur:  bei  den  einzelnen  Abschnitten  angegeben.  Den  ganzen  Gegenstand  beliandeln 
die  Lehrbücher  über  Forstbenutzung  (G  a  y  c  r  -  M  a  y  r,  10.  Aufl.  1909  bezw.  9.  AufL  1903, 
H  e  ß,  2.  Aufl.  1901). 

Einleitung. 

§  1.  Der  Begriff  „N  e  b  e  n  n  u  t  z  u  n  g  e  n"  ist  mit  Bezug  auf  die  neuzeitlichen 
Verhältnisse  in  den  Kulturländern  zu  verstehen,  wo  als  Hauptzweck  der  Forstwirt- 
schaft die  Holzzucht  und  die  Holznutzung  gilt. 

Ueberblicken  wir  zunächst,  um  Anhaltspunkte  für  die  Bedeutung  der  Neben- 
nutzungen zu  gewinnen,  die  forstliche  Statistik  i),  so  finden  wir,  daß  der  Anteil  der- 
selben am  Geldrohertrag  aus  Waldungen  bei  den  deutschen  Staatsforstverwaltungen 
zwischen  1,5  und  18,0%  schwank!,,  bei  den  größeren  nur  zwischen  1,5%  (Elsaß- 
Lothringen)  und  5,2%  (Preußen).  Aber  diese  Zahlen  bedürfen  insofern  der  Berichti- 
gung, als  sie  —  fälschlicherweise  —  auch  alle  die  Nutzungen  umfassen,  welche  die 
einzelnen  Forstverwaltungen  aus  dem  ihnen  unterstellten  nicht  forstlichen  Grund- 
besitz (Wiesen,  Aecker,  teilweise  auch  Torfriede  etc.)  beziehen.  Andererseits  ist  zu 
beachten,  daß  der  Geldwert  mancher  Nebennutzungen  gar  nicht  oder  nicht  in  seinem 
vollen  Betrag  in  den  Zahlen  der  Statistik  zum  Ausdruck  kommt;  denn  einzelne  Erzeug- 
nisse finden  unmittelbar  Verwendung  im  eigenen  Betrieb,  bei  andern  sind  die  Erlöse 
nicht  durch  die  Preisgesetze,  sondern  häufig  durch  altruistische  Motive  bestimmt. 
Der  Schwerpunkt  mancher  Nebennutzungen  liegt  überhaupt  nicht  auf  privatwirt- 
schaftlichem, sodern  auf  volkswirtschaftlichem  Gebiete.  Man  möchte  übrigens  auch 
geneigt  sein,  sie  gewissermaßen  als  Dispositionsfonds  in  der  Hand  des  Waldbesitzers 
zu  bezeichnen,  mit  deren  Flüssigmachung  er  als  guter  Geschäftsmann  zur  geeigneten 
Zeit  nicht  kargen  darf  rücksichtlich  der  mittelbaren  seinem  Entgegenkommen 
entspringenden  Vorteile. 

1)  Vergt  E  n  d  r  e  s,  Forstpolitik  S.  123  f.  ferner  Mill.  d.  D.  F.-V.  1911  Nr.  3. 


Die  Baumfi'üclitc  (Ockonomische  Gesichtspunkte).     §  2.  5J5 

Es  fehlt  noch  an  einer  einheitlichen  Systematik  der  Nebennutzungen;  so  wird 
z.  B.  die  Rindennutzung  von  manchen  unter  den  Nebenprodukten  anfgefülirt, 
ebenso  das  Besenreisig,  die  Christbäume  usf.  Richtiger  dürfte  es  wohl  sein,  unter 
die  Hauptnutzung  alle  diejenigen  Walder  Zeugnisse  ein- 
zugliedern, welche  bei  der  Abtrennung  der  einzelnen 
H  o  1  z  p  f  1  a  n  z  e  n  vom  W  a  1  d  b  o  d  e  n  a  n  f  a  1 1  e  n  ,  s  o  w  e  i  t  s  i  e  n  i  c  h  t 
—  wirtschaftliche  Ausbeute  vorausgesetzt  —  auch  auf 
andere  Weise  gewonnen  werden  können.  Die  Rindennutzung 
usf.  würde  darnach  zur  Hauptnutzung,  dagegen  z.  B.  die  Gewinnung  der  Holz- 
sämereien und  des  Futterlaubs  zu  den  Nebennutzungen  zu  rechnen  sein. 
Dabei  empfiehlt  sich  folgende  Einteilung: 
I.  Die  Nutzung  der  Nebenerzeugnisse  vom  stehenden  Holz,  seiner 
Früchte  und  dergl.  sowie  seiner  Abfälle. 

n.    Die  Nutzung  der  Nebenerzeugnisse  des  W  a  1  d  b  o  d  e  n  s 

a)  pflanzliche  Nebenerzeugnisse. 

b)  Mineralien  usf. 

HI.    Die   Jagd-  und  Fischereinutzung. 

Auf  die  letztgenannten  Nebennutzungen  ist  hier  nicht  weiter  einzugehen,  da 
sie  Gegenstand  besonderer  Abhandlungen  in  diesem  Handbuch  sind. 

Bei  allen  Nebennutzungen  ist  der  Gesamterfolg  der  Waldwirtschaft  und  der 
Grundsatz  der  Nachhaltigkcit  im  Auge  zu  behalten.  Deshalb  ist  jeweils  die  Rück- 
wirkung der  einzelnen  Nebennutzungen  auf  den  Hauptzweck  der  Waldwirtschaft  zu 
prüfen.  Das' strengste  Kriterium,  das  man  in  dieser  Hinsicht  anwenden  kann,  ist  der 
von  M  a  y  r  1)  aufgestellte  Grundsatz,  daß  ,,j  e  d  e  Nutzung  im  Walde  zu- 
gleich einen  waldbaulichen  Zweck"  verfolgen  müsse. 

I.  Die  Nutzung  der  Nebenerzeugnisse  vom  stehenden  Holz. 
1.  Die  Baumfrüchte  (Holzsämereien). 

Literatur:  Nobbe,  Handbuch  der  Samenkunde.  Die  waldbaulichen  Lehrbücher  von 
Jäger  (Das  Forstkulturwesen  1850).  —  Burckhardt  (Säen  und  Pflanzen).  —  H  e  y  e  r 
(Waldbau).  —  G  a  y  e  r  (Waldbau).  —  M  a  y  r  (Waldbau  auf  naturgesetzlicher  Grundlage).  — 
Fürst  (Pflanzenzucht  im  Walde).  —  Ferner  die  im  einzelnen  zitierten  Arbeiten. 

a)  Die  ökonomischen  Gesichtspunkte. 

§  2.  Die  Nutzung  der  Waldbaumfrüchte  erfolgt  vorwiegend  zum  Zweck  der 
Gewinnung  von  Holzsämereien  für  die  künstliche  Bestandesverjüngung  und  für  Neu- 
aufforstungen;  die  Schweinemast  hat  nur  noch  ganz  untergeordnete,  örtliche  Bedeu- 
tung. Gelegentlich  finden  einzelne  Sämereien  Verw^endung  zur  Wildfütterung  (Eicheln 
Buchein,  Roßkastanien,  Wildobst  u.  a.),  zur  Verarbeitung  in  der  Lebensmittel-  und 
in  der  chemischen  Industrie  (Eichelkaffee,  Zichorien,  Tinten  usf.).  Die  Früchte 
der  Edelkastanie  und  der  Walnuß  seien  als  Genußmittel  nur  nebenbei  erwähnt. 
Eine  gewisse  Rolle  spielt  endlich  noch  die  Verwendung  der  Bucheckern  zur  Speise- 
Oel-Bereitung,  besonders  geschätzt  von  der  ärmeren  Landbevölkerung. 

Was  nun  die  Nutzung  der  zur  W  a  1  d  z  u  c  h  t  erforderlichen  Sämereien  anbe- 
langt, so  bildet  sie  eine  beachtenswerte  Geldeinnahmcquelle  mehr  nur  beim  Klein- 
Waldbesitz:  ländliche  Privatwaldbesitzer,  auch  Gemeinden,  verpachten  das 
Samenerträgnis  teils  direkt  an  Samenhändler  und  Klenganstalten,  teils  an  die  mit 

1)  Vorwort  zur  10.   Aufl.   der  Forstbeniitzung   1909. 

33* 


516  IX  C.     D  i  e  t  e  r  i  c  h  ,  Die  Nebennutzungen  im  Walde. 

Sammeln  beschäftigten  Personen.  Der  Waldbevölkerung  bringt  diese  Nebennutzung  ') 
Arbeitsgelegenheit  und  Verdienst  in  den  Jahren  reicher  Samenernte,  namentlich 
wenn  bei  anderwärts  geringen  Ergebnissen  nur  einzelne  Gebiete  ein  gutes  Jahr  zu 
verzeichnen  haben;  die  Agenten  der  Händler  kommen  dann  von  weither  gereist  und 
suchen  durch  lebhatte  Steigerung  den  Bedarf  ihrer  Auftraggeber  zu  decken.  Bei  den 
größeren  Forstverwaltungen  hat  die  Nutzung  der  Waldsamen  im 
Lauf  der  Zeit  verschiedene  Wandlungen  durchgemacht.  Früher  stand  das  Einsam- 
meln für  den  eigenen  Bedarf  allgemein  in  Uebung;  daneben  hat  allerdings  der  Samen- 
austausch und  der  Bezug  von  Händlern,  besonders  in  Süddeutschland,  schon  früh 
Eingang  gefunden  -).  Mit  dem  Ueberhandnehmen  der  künstlichen  Verjüngungs- 
formen sind  die  Holzsämereien,  vor  allem  die  Nadelholzsamen,  mehr  und  mehr 
Handelsartikel  geworden;  mit  ihrer  Gewinnung  und  Verwertung  befaßt  sich  ein 
besonderer  Industrie-Zweig,  neben  vielen  kleinen  Betrieben  eine  Reihe  ansehnlicher 
Kiengans talten.  Viele  Waldbesitzer  haben  infolgedessen  das  Einsammeln  und  zumal 
das  Auskiengen  der  Samen  aufgegeben  oder  sich  damit  begnügt,  teils  gegen  mäßige 
Geldentschädigung  teils  gegen  Ablieferung  bestimmter  Mengen  Erlaubnisscheine 
zum  Sammeln  auszustellen;  diese  Benutzungsart  ist  besonders  für  Laubholz-  (vor 
allem  Eicheln  und  Buchein)  und  für  Weißtannensamen  eingeführt,  in  geringerem 
Umfang  für  die  andern  Nadelhölzer;  denn  die  Zapfenbrecher  galten  vielfach  als  un- 
willkommene Kunden,  die  man  sich  aus  Furcht  vor  Waldbeschädigung  und  vor 
Unfallhaftung  lieber  vom  Halse  hält. 

In  der  preußischen  Staatsforstverwaltung  ^)  ist  an  dem  Grundsatz  der  Selbst- 
gewinnung von  Kiefern-  und  Fichtensamen  festgehalten  worden;  nach  den 
neuesten  bezüglichen  Vorschriften  *)  soll  die  ausschließliche  Beschaffung  des  für 
Staatswaldungen  erforderlichen  Saatguts  durch  die  staatlichen  Darren  mit  allen 
Mitteln  angestrebt  werden.  Aber  auch  in  weiteren  forstlichen  Kreisen  hat  sich  neuer- 
dings ein  Umschwung  zugunsten  der  Selbstbeschaffung  des  Samens  und  im  Sinn 
tunlichster  Ausnutzung  der  Samenernten  geltend  gemacht.  Veranlassung  hiezu 
gaben  die  üblen  Erfahrungen,  die  man  mit  unreellen  Samenlieferungen  (Beimischung 
nicht  gewünschter  Arten,  z.  B.  Stiel-  und  Zerr-  statt  Traubeneicheln,  Bergkiefer  zur 
gewöhnlichen  Kiefer  u.  a.)  mit  unsachgemäß  behandelten  und  darum  gering  keim- 
fähigen Sämereien  und  nicht  zuletzt  mit  Saatgut  ungeeigneter  Herkunft  ^)  vielfach 

1)  Zu  vergl.  die  Schilderungen  Schotts  im  F.  Zentralbl.  1904  ff.  über  das  Sammeln  der 
Kiefernzapfen  in  Belgien,  Frankreich,  Ungarn  und  Rußland. 

2)  Vergl.  hierüber  die  forstgeschichtlichcn  Werke  von  Bernhardt  und  S  c  h  w  a  p  p  a  c  h, 
ferner  die  diesbezüglichen  Mitteilungen  von  Dr.  Schott  a.  a.  O.,  F  e  n  n  e  r  (Z.  f.  F.-  u.  J.-W. 
1904,   S.  39),  Haack  (M.  d.  D.  F.-V.  1909,  Nr.  6,  S.  138  f.). 

3)  Vergl.  Hagen -Donner,  Die  forstlichen  Verhältnisse  Preußens,  3.  .\utl.  1894,  1.  Bd., 
S.  183  ff.,  ferner  Schlieckmann,  Handbuch  der  Staatsforstverw.  in  Preußen,  1900,  S.  628  ff. 

4)  Vergl.  Aufsatz  von  Möller,  Z.  f.  F.-  u.  J.-W.  1910,  S.  694  ff.,  wo  die  betr.  \'erfügungen 
angegeben  sind. 

5)  Es  würde  zu  weit  füliren,  die  ganze  umfangreiche  Literatur  hier  anzugeben,  die  in  den 
letzten  Jahren  sich  über  diese  Frage  verbreitet  hat;  es  dürfte  vielmehr  genügen,  die  Namen  einiger 
um  die  Sache  besonders  verdienter  Forscher  zu  nennen,  wie  C  i  e  s  1  a  r,  K  i  e  n  i  t  z,  M  a  y  r, 
Engler,  v.  Sivers,  Schott,  Schotte,  und  einige  .Arbeiten  anzuführen,  w-elche  ihrer- 
seits eingehende  Literaturnachweise  enthalten,  so  H  a  a  c  k  a.  a.  O.,  K  i  e  n  i  t  z,  ,, Formen  und 
Abarten  der  gemeinen  Kiefer"  in  Z.  f.  F.-  u.  J.  1911,  S.  4  ff.,  Dr.  Schott  a.  a.  O.,  Sammel- 
referat von  F  a  b  r  i  c  i  u  s  in  Nat.  Z.  f.  L.-W.  u.  F.-W.  1908,  S.  416  ff.,  endlich  Wagner  in 
,,Die  Grundlagen  der  räumlichen  Ordnung  im  Wald  ',  2.  .Aufl.,  S.  21  ff.  Die  Provenienzfrage  war  auch 
Beratungsgegenstand  bei  einer  Reihe  von  wissenschaftlichen  Tagungen,  so  im  Internationalen 
Verband  forstlicher  ^'e^suchsanstalten  1901,  1906  und  1910,  beim  Internatiunalen  landwirtsch. 
Kongreß  zu  Wien  1907;  der  deutsche  Forslverein  hat  sich  1906,  der  Forstwirtschaftsrat  1910 
mit  diesem  Gegenstand  befaßt.  Besonders  aktuell  ist  die  Frage  bezüglich  Deutschlands  Haupt- 
holzart, der  Kiefer,  geworden,  deren  Samen  ohnehin  schon  lange  die  wichtigste  Rolle  im  Kleng- 
betrieb  und  Samenhandel  spielt. 


Die  Baumfrüclite  (Technik  der  Samenernte  etc.).     §  3.  517 

gemacht  hatte.  Gerade  dem  letzteren  Gesichtspunkt  mißt  man  ein  |iut  Teil  der 
Schuld  an  den  vielen  Kulturmißerfolgen  bei,  an  dem  langsamen  Wachstum,  dem 
Vorherrschen  schlechter  Wuchsformen  und  der  hochgradigen  Empfindlichkeit  vieler 
Jungwüchse  gegenüber  den  Jugendgefahren  und  Kinderkrankheiten,  denen  die 
Saaten  von  Anfang  besonders  stark  ausgesetzt  sind,  wenn  das  Saatgut  unter  fremde 
Klima-  und  Standortsverhältnisse  verbracht  worden  ist.  Zur  Erklärung  dieser  Be- 
ziehungen hat  die  Forstwissenschaft  die  Theorien  der  Erblichkeits-  und  Züchtungs- 
lehren i)  beigezogen;  durch  eingehende  Provenienzuntersuchungen '^),  die  ihrerseits 
wieder  befruchtend  auf  jenes  Gebiet  der  naturwissenschaftlichen  Forschung  einge- 
wirkt haben,  ist  die  Verdächtigkeit  fremden  Saatguts  gerechtfertigt  worden.  Hieraus 
ergibt  sich  als  Forderung  für  die  Praxis  —  abgesehen  von  der  natürlichen  \'erjüngung 
—  sorgfältige  Auslese  des  Kultursamens  und  Gewährleistung  für  geeignete  Herkunft, 
was  am  sichersten  bei  Selbstgewinnung  in  den  einzelnen  Revieren  oder  wenigstens 
innerhalb  der  klimatisch  abgegrenzten  Waldgebiete  sich  ermöglichen  läßt;  als  andere 
Benutzungsart  ist  allenfalls  noch  die  Oeffnung  geeigneter  Bestände  zum  Sammeln 
durch  Dritte  zu  empfehlen  unter  zuverlässiger  Garantie  für  spätere  Lieferung  des 
hieraus  gewonnenen  Saatguts.  Von  verschiedenen  Forstverwaltungen  ist  diesen 
Forderungen  praktische  Folge  ^)  gegeben  worden.  Mit  Recht  wird  der  Nutzbar- 
machung aller  Waldbaumfrüchte  im  Interesse  der  Waldkultur  wieder  mehr  Gewicht 
beigelegt,  auch  wenn  in  den  Hauptbüchern  kein  nennenswerter  Geldertrag  aus  diesem 
Nebennutzungsgegenstand  erscheint. 

b)  Die  Technik  der  Samen-Ernte,  -Gewinnung  und  -Aufbewahrung. 

§  3.  Die  Ernte  der  B  a  u  m  f  r  ü  c  h  t  e.  Nicht  jedes  Jahr  bringt  ergie- 
bige Ernten;  Vollmasten  kehren  ^  je  nach  Holzart  —  mit  größeren  oder  kleineren 
Unterbrechungen  wieder.  Im  allgemeinen  nimmt  man  an  *),  daß  die  schwerfrüchtigen 
Holzarten  seltener  als  die  leichtfrüchtigen  fruktifizieren,  ferner  daß  wärmeres  Klima 
der  Fruchtbildung  günstiger  sei;  besonders  warme  Sommer  bringen  häufig  reichliche 
Eichelmast  ^) ;   dagegen  scheinen  trockene  Sommer  auf  den  Samenertrag  der  Fichte 

1)  Vergl.  Wagner  (a.  a.  O.);  Oppermann  (Vraenge  Boegc,  C.  f.  d.  g.  F.  1909, 
S.  108);  Hauch,  Erblichkeit  bei  Buche  und  Eiclie,  C.  f.  "d.  g.  F.  1909,  S.  333;  H  e  s- 
s  e  1  m  a  n  n  (Rassen  schwed.  Waldbäume,  in  den  Mit.  a.  d.  Versuchsanstalt  Schwedens,  3.  Heft 
1907:  Zederbauer  (Variationsrichtungen  der  Nadelhölzer — Sitz.-Ber.  d.  K.  Ak.  f.  Wiss. 
in  Wien,   Dez.    1907). 

2)  Die  meisten  \'ersuchsanslalten  haben  solche  in  .\ngriff  genommen  und  z.  T.  auch  schon 
einige  Ergebnisse  bekannt  gegeben.  \'ergl.  die  Berichte  über  den  \'I.  Kongreß  des  Internat.  Ver- 
bands forstl.  Versuchsanstalten  in  Brüssel  1910.    (C.  X.  d.  g.  F.  1910,  S.  506  ff.) 

3)  Vergl.  M  ö  1  1  e  r  (a.  a.  O.)  betr.  Preußen.  Die  bayrische  Staatsforstverwaltung  hat  probe- 
weise vor  einigen  Jahren  der  Schott  scIien  Klenganstalt  ein  Kieferngebiet  in  der  Pfalz  zur 
Zapfenernte  geöffnet  unter  der  Bedingung  der  Lieferung  des  von  dort  stammenden  Samens  für 
den  Bedarf  der  Staatstorste.  (Bericht  über  die  VII.  Haupt-Vers.  d.  D.  F.-V.  1906,  S.  121  ff.; 
Fürst,  Pflanzenzucht  im  Walde,  S.  91.)  Die  Württ.  Staatsforstverwallung  läßt  Kiefern- 
zapfen in  ihren  Forstbezirken  sammeln  und  durch  eine  Privatanstalt  ausklengen.  Die  Hessische 
Staatsforstverwaltung  hat  i.  J.  1904,  um  einheimischen  Samen  für  die  Domanial  und  Kommunal- 
waldungen gewinnen  zu  können,  eine  im  Odenwald  gelegene  Klenganstalt  angekauft.  (A.  F. 
u.  J.-Z.  1905,  S.  318.)  Endlich  ist  auf  die  vom  Deutschen  Forstwirtschaftsrat  ins  Leben  gerufene 
Organisation  des  Samen-  und  Pflanzenliandels  hinzuweisen,  welche  Garantie  für  Lieferung  bezw. 
%'erwendung  nur  deutschen   Kiefernsamens  bietet. 

4)  Arbeiten  über  den  Samenertrag  der  Waldbäume  sind  ziemlich  spärlich;  am  eingehend- 
sten behandelt  M  a  y  r  die  bezüglichen  biologischen  \'erhältnisse  im  , .Waldbau  auf  naturgesetz- 
licher Grundlage"  und  in  der  10.  .\ufl.  der  Forstbenutzung  von  G  a  y  e  r  -  M  a  y  r.  S|)ezicll  für 
Fichten  liegen  Arbeiten  vor  von  O  g  i  e  w  s  k  i  (C.  f.  d.  g.  F.  1909,  S.  137).  Wertvolles  statistisches 
Material  bietet  die  Arbeit  von  S  c  h  w  a  p  p  a  c  h  über  die  Samenproduktion  usf.  (Z.  f.  F.  u. 
J.    1895). 

5)  Vergl.  auch  G  w  i  n  n  e  r  ,  M.  f.  d.  W.  F.  W.  1855,  S.  309  (eine  Parallele  mit  den  Wein- 
jahren ist  hiernach  nicht  nachweisbar). 


518  IX  C.     D  i  e  t  e  r  i  c  h  ,  Die  Nebennutzungen  im  Walde. 

nachteilig  zu  wirken;  höhere  Sommertemperatur  wirkt  also  bald  vorteilhaft,  bald 
nachteilig  auf  die  Entwicklung  der  Blüten  zur  Frucht,  begünstigt  aber  jedenfalls  die 
Bildung  von  Samenknospen,  somit  die  nächstj  ährige  Ernte,  was  besonders 
deutlich  bei  der  Buche  in  die  Erscheinung  tritt.  Die  Hoffnung  auf  ein  kommendes 
Samenjahr,  die  das  Auftreten  zahlreicher  Blütenknospen  erweckt,  wird  leider  häufig 
zerstört,  indem  ungünstige  Witterung  während  des  Frühjahrs  die  Blütenentfaltung, 
oder  ebensolche  im  Sommer  das  Austragen  der  angesetzten  Blüten  vereitelt.  Da 
Wärme  und  Lichtgenuß  das  Samenerträgnis  erhöht,  kann  auch  durch  Maßnahmen 
der  Bestandeserziehung  (Kronenfreihieb)  auf  die  Häufigkeit  und  Reichlichkeit  der 
Fruchtbildung  eingewirkt  werden  ^). 

Wenn  nun  freilich  ein  regelrechter  Erntebetrieb  nicht  jedes  Jahr  eingeleitet 
werden  kann,  so  finden  sich  doch  fast  immer  Früchte  an  Randbäumen;  deren  Nut- 
zung erscheint  in  Fehljahren  besonders  dringend.  In  den  Samenjahren  kann  mehr 
Auswahl  getroffen  werden;  im  allgemeinen  soll  man  von  mittelalten  Beständen, 
von  normal  und  kräftig  erwachsenen  gesunden  Bäumen  mit  gut  ausgebildeter  Krone 
sammeln  lassen;  dies  empfiehlt  sich  vor  allem  wegen  der  Ergiebigkeit  der  Arbeit, 
dürfte  aber  auch  am  ehesten  Gewähr  für  wuchskräftige  Pflanzen  -)  liefern.  Was 
ferner  die  Erntezeit  betrifft,  so  sind  hiefür  die  natürlichen  Vorgänge  der  Reife 
einerseits  und  des  Abfallens  der  Früchte  bezw.  Sämereien  andererseits  maßgebend. 
Die  Regel  ist,  daß  nur  reife  Früchte  geemtet  werden;  denn  die  weitere  Behandlung 
und  die  Aufbewahrung  nicht  ausgereifter  Früchte  bietet  Schwierigkeiten  und  wenig 
Gewähr  für  befriedigende  Saaterfolge.  Im  Mai/Juni  beginnen  Ulme  und  Pappel 
zu  reifen,  im  Juli  die  Weiden,  Juli/ August  die  Birken;  Spitzahorn,  Eiche  und  Tanne 
Ende  September,  während  für  die  übrigen  Waldbäume  der  Oktober  als  Reifezeit 
gelten  kann.  Der  Zeitpunkt  des  Samenabfalls  ist  insofern  entscheidend,  als  die  schwe- 
ren und  größeren  Früchte  meist  nachher,  die  leichten  und  zumal  die  kleinen  vorher 
eingesammelt  werden  müssen.  Die  frühreifen  Früchte  beginnen  schon  wenige  Tage 
nach  der  Reife  abzufliegen,  die  der  Ulme  von  Ende  Mai  an,  Pappel,  Weide  im  Juni  und 
Juli,  Birke  Ende  Juli;  die  Eiche  und  Buche  lassen  ihre  Früchte  schon  im  Oktober, 
bald  nach  der  Reife,  abfallen,  die  Weymouthskiefer  öffnet  ihre  Zapfen  Anfang  Oktober 
und  die  Tannenzapfen  beginnen  häufig  schon  Ende  September  abzublättern,  wobei 
die  Samen  mit  den  Schuppen  zu  Boden  fliegen.  Etwas  länger  (November  bis  Anfang 
Dezember)  bleiben  am  Baume  die  Früchte  des  Ahorn,  der  Linde  und  Hainbuche; 
Eschen-  und  Erlensamen  fallen  den  Winter  durch  ab  und  überwintern  zum  Teil  am 
Baume.  Die  spätesten  sind  Fichte,  Kiefer  und  Lärche;  Fichte  und  Kiefer  lassen  von 
Anfang  März  ab  (teilweise  und  je  nach  Witterung  auch  schon  früher)  die  Zapfen- 
schuppen sich  öffnen  und  den  Samen  entfliegen,  die  Lärchenzapfen  werden  erst  von 
der  vollen  Frühjahrswärme  im  April  und  Mai  ausgeklengt. 

Hienach  richtet  sich  die  Artdes  Einsam  m  eins.  Nur  bei  den  größeren 
ungeflügelten  Früchten  (der  Eiche,  Buche,  Kastanien,  Nußbäume  u.  a.)  lohnt  sich 
das  Auflesen  am  Boden.  Die  meisten  Früchte  müssen  am  stehenden  Holz  eingeerntet 
werden,  soweit  man  sie  nicht  von  gefällten  Stämmen  abnehmen  kann.  Nach  Besteigen 


1)  Besonders  interessant  sind  die  Forsctiungsergebnisse  von  A.  Soboleff  (Petersburg) 
über  die  Verteilung  des  Samenertrags  bei  der  Fichte  nach  den  Bäumen  der  Kraft  sehen  Stamm- 
klassen. (Die  Bäume  der  ersten  drei  Klassen  liefern  beinahe  die  ganze  Samenernte;  der  Samen- 
ertrag hängt  sonacli  in  erster  Linie  von  der  Höhe  des  Baums  und  der  Ausbildung  der  Krone  ab.) 
Vergl.  C.  f.  d.  g.  F.  1909,  S.  137. 

2)  Vergl.  die  Untersuchungen  G.  S  c  h  o  t  t  e's  in  Stockholm  (jüngere  und  mittelalte  Pflan- 
zen ergeben  die  kräftigsten  Pflanzen.    N.  Z.  f.  F.  u.  L.  1906,  S.  22  f.). 


Die  Baumfrüchte  (Technik  der  Samenernte  etc.).     §  3.  519 

der  Bäume  mittelst  Leitern,  Steigeisen  oder  Steigrahmen  ^)  werden  die  Früchte 
abgebrochen,  abgestreift  oder  auch  durch  Schlagen  auf  die  Aestc  (mit  Aexten  u.  a.) 
zum  Abfallen  gebracht,  um  dann  auf  untergelegten  Tüchern  aufgefangen  zu  werden. 
Die  leichten  Früchte,  wie  von  Erle,  Esche,  Hainbuche,  Birke  und  Ulme,  die  beim 
Abstreifen  ziemlich  weit  abfliegen  könnten,  werden  am  besten  mitsamt  den  Zweig- 
chen abgebrochen;  der  Sammler  muß  dann  mit  einem  umgehängten  Sack  versehen 
sein,  um  die  Samen  alsbald  unterbringen  zu  können.  Die  Zapfen  der  Nadelhölzer 
werden  meist  mit  Haken  abgestoßen  und  unter  den  Bäumen  aufgelesen  oder  an  den 
mittelst  Haken  herabgebogenen  Zweigen  abgestreift. 

Mit  dem  Einsammeln  der  Früchte  ist  die  Gewinnung  der  meisten  Laubholz- 
sämereien in  der  Hauptsache  erledigt;  es  sind  nur  noch  die  Beimengungen,  je  nach 
Umständen  mehr  oder  weniger  sorgfältig,  zu  entfernen,  Sproßteile  und  sonstige 
Anhängsel  loszutrennen,  namentlich  wenn  es  sich  darum  handelt,  die  Samen  zu  ver- 
senden oder  in  den  Handel  zu  bringen;  bei  Gewinnung  für  den  Eigenbedarf  ist  die 
Reinheit  des  Saatguts  weniger  von  Bedeutung.  Durch  Dreschen,  Sieben  und  Würfen 
werden  gröbere  und  feinere  Verunreinigungen  abgesondert,  durch  Aufhängen,  Trock- 
nen event.  auch  Klopfen  die  in  Fruchtständen  zusammengeschlossenen  Samen  (Birke, 
Erle,  Pappeln)  befreit;  vor  allem  aber  ist  für  oberflächliches  Abtrocknen  Sorge  zu 
tragen.  Wesentlich  mehr  Arbeit  erfordert  die  Gewinnung  des  Samens  der  meisten 
Nadelhölzer  aus  den  eingesammelten  Zapfen.  Die  besonderen  hiefür  zu  treffenden 
Anstalten  werden  eingehender  im  nächsten  §  besprochen  werden. 

Es  sind  hier  nur  noch  einige  Regeln  für  die  Gewinnung  der  wichtigsten  Laub- 
holzsamen  im  einzelnen  anzugeben: 

Die  Eicheln  läßt  man  nach  deren  .\btall  im  01<tober  auflesen;  da  die  schadhaften 
und  wurmstichigen  Samen  zuerst  abzufallen  pflegen,  so  wartet  man  mit  dem  Sammeln,  bis 
das  Abfallen  schon  etwas  allgemeiner  ist,  um  die  besten,  d.  h.  schönsten  und  vollkommensten 
Früchte  auswählen  zu  können.  Man  läßt,  damit  sich  dieselben  nicht  erhitzen  und  zu  keimen 
beginnen, nur  an  trockenen  Tagen  sammeln, wartet  auch  des  Morgens, bis  der  Tau  abgetrocknet  ist. 

Die  B  u  c  h  e  1  n  kann  man  in  ähnlicher  Weise  auflesen  lassen,  was  allerdings  langsam 
vonstatten  geht,  deshalb  läßt  man  wohl  auch  die  Bäume  besteigen  und  durch  Anklopfen  der 
Aeste  die  Bueheln  zum  Abfallen  bringen.  Endlich  kennt  man  bei  dieser  Holzart  noch  die  Me- 
thode des  Kehrens  nach  erfolgtem  Abfall,  wobei  jedoch  das  Laub  mitgekchrt  wird,  weshalb 
diese  Ernteweise  weniger  zu  empfehlen  ist.  Durch  Würfen  wie  beim  Getreide  werden  die  Buchein 
vor  der  .Aufbewahrung,  bezw.  Aussaat  von  dem  Laub,  sowie  den  tauben  Körnern  gesondert. 
Den  H  a  i  n  b  u  c  h  e  n  s  a  m  e  n  sammelt  man  entweder  durch  .Abpflücken  der  Samen- 
büschel oder  durch  .\bklopfen  des  Samens  bei  windstillem  Wetter,  am  besten  nach  dem  ersten 
Reif.    \on  den  Flügeln  wird  er  durch  Dreschen  und  Sieben  oder  Würfen  befreit. 

Den  Birkensamen  gewinnt  man,  wenn  er  bräunlich  geworden  ist,  am  besten  durch 
Abschneiden  der  Zweige,  welche  man  alsdann  in  Büscheln  aufhängt  und  trocknet,  worauf  die 
Samen  aus  den  Zäpfchen  durch  Abklopfen  der  Büschel  gewonnen  werden. 

Ahorn-  und  Eschensamen,  welcher  im  Oktober  und  November  abfliegt,  wird 
entweder  durch  .Abbrechen  von  Zweigen,  .Abschneiden  der  Samenbüschel  mit  der  Schere,  oder 
Abstreifen  des  Samens  von  den  .Aesten  nach  Besteigung  der  Bäume  gesammelt;  auch  kann 
man  ihn  klopfen  und  auf  Tüchern  auffallen  lassen. 

Der  Ulmensamen  soll  bald  nach  der  Reife  (also  etwa  Anfang  Juni)  durch  .Abstreifen 
von  den  Zweigen  gesammelt  werden;  bei  windstillem  Wetter  ist  auch  Abklopfen  ratsam. 

Die  Erlen  Zäpfchen  gewinnt  man  durch  Abpflücken  im  Spätherbst,  am  besten  nach 
den  ersten  Frösten  oder  durch  .Abklopfen  auf  Tücher;  in  mäßiger  Slubenwärme  fallen  die  Samen 
bald  aus;  auch  das  .Auffischen  des  Samens  im  Frühjahr  wird  für  am  Wasser  stehende  Erlen 
empfohlen;  doch  ist  zu  beachten,  daß  die  Keimfähigkeit  des  so  gewonnenen  Samens  bald  ver- 
loren geht. 

Das  Einsammeln  der  .Aspen  kätzchen  ^)  geschieht  unmittelbar  nach  der  Reife  (Ende 
Mai,  Anfang  Juni)  bei  trübem  Welter  oder  morgens,  weil  sich  die  Samenkapseln  unter  dem 


1)  Friedrich  hat  den  von  ihm  konstruierten  Steigapparat  auch  für  diesen  Zweck  empfoh- 
len.    C.  f.  d.  g.  F.  1906,  S.  4-19. 

•2)  Nach  den  Versuchen  und  .Ausführungen  von  K.  bayr.  Forstrat  H  o  f  m  a  n  n  -  Bosenheim. 
F.   Centr.-Bl.    1902,    S.   360. 


g20  IX  C.     D  i  e  t  e  r  i  c  h  ,  Die  Nebennulzungen  im  Walde, 

Einfluß  der  Sonnenwärme  öffnen;  in  geschlossenen,  gegen  Luftzug  gesicherten  Räumen  werden 
die  gesammelten  Kätzchen  dann  durch  die  Luftwärme  zum  Oeffnen  gebracht. 

§4.  Die  Gewinnung  der  Nadelholzsamen  (Darr-  oder  Kleng- 
betrieb).  Am  einfachsten  ist  das  Auskiengen  des  Samens  der  Weißtannen, 
deren  Zapfen  Anfang  Oktober  oder  schon  Ende  September  (je  nach  Gegend  und  Jahr- 
gang) vom  stehenden  Holz  durch  Abbrechen  oder  von  eigens  gefällten  Samenbäumen 
entnommen  werden.  Schon  bei  mäßigen  Wärmegraden  öffnen  sich  die  Schuppen. 
Man  breitet  die  Zapfen  auf  luftigen  Böden  aus,  stößt  sie  täglich  öfters  mit  Rechen  um, 
sodaß  sie  zerfallen  und  Schuppen  nebst  Samen  sich  von  den  Spindeln  lösen;  soll  das 
Zerfallen  beschleunigt  werden,  so  kann  man  die  Zapfen  einer  mäßigen  Erwärmung 
aussetzen.  Durch  Sieben  trennt  man  die  Samenkörner  von  den  Schuppen,  befreit 
hiernach  mittelst  Reiben  die  Körner  von  den  anhaftenden  Flügeln  und  reinigt  den 
Samen  durch  Würfen,  Wo  Tannensamen  zum  Selbstgebrauch  von  Forstverwaltungen 
gewonnen  wird,  ist  das  Abflügeln  unnötig. 

Auch  bei  Weymouthskiefern  zapfen  bedarf  es  keines  besonderen  künst- 
lichen Klengprozesses,  da  der  Same  bald  nach  der  Reife  von  selbst  ausfällt.  Die  Ent- 
leerung der  Zapfen  wird  durch  Umstoßen  derselben  mittelst  Rechen  befördert. 

Höherer  Wärmegrade  zur  Ausklengung  bedürfen  die  von  Natur  bis  ins  Frühjahr 
von  den  Zapfenschuppen  umschlossenen  Samenkörner  der  Fichte,  Kiefer  und  Lärche; 
es  sind  deshalb  besondere  Vorrichtungen  nötig,  um  die  Wärme  auf  dieselben  ent- 
sprechend einwirken  zu   lassen. 

Ehe  auf  die  Darr-  oder  Klengverfahren  eingegangen  wird,  muß  noch  bezüglich 
des  Zeitpunkts  der  Zapfenernte  bemerkt  werden,  daß  insbesondere  für  die  Kiefer 
frühe  Ernten  zu  widerraten  sind.  Nicht  als  ob  die  Zapfen  im  Oktober  und  November 
etwa  weniger  keimfähige  Körner  i)  enthielten  als  die  am  Baum  nachgereiften  im 
Januar  und  später  -) ;  vielmehr  sind  die  früh  geernteten  grünen  und  noch  stark  wasser- 
haltigen Zapfen  erfahrungsgemäß  weniger  gut  klengbar  als  die  spät  gepflückten. 
,, Einmal  verlangsamt  ihre  Verwendung  das  Darrgeschäft  und  erhöht  die  dem  Samen 
in  der  Darre  drohenden  Gefahren,  sodann  sind  sie  .  .  .  für  eine  längere  Lagerung 
nicht  geeignet";  es  treten  Schimmelbildungen  auf ,  wenn  man  Uebervorräte  von  reichen 
Emtejahren  fürs  nächste  Jahr  überhalten  will.  Das  Pflücken  der  Zapfen  sollte  des- 
halb womöglich  nicht  vor  Dezember  beginnen  ^)  und  bis  in  den  Februar  und  März 
hinein  fortgesetzt  werden;  die  zuerst  gepflückten  sind  auch  zuerst  aufzuarbeiten. 

Den  besten  Samen  gewinnt  man,  wenn  das  Auskiengen,  ebenso  wie  dies  in  der 
Natur  erfolgt,  durch  die  Sonnenwärme  besorgt  wird  (Sonnendarren).  B  u  r  c  k  h  a  r  d  t 
führt  in  ,,Säen  und  Pflanzen"  an,  daß  man  von  Sonnensamen  kaum  ^3  der  gewöhnlichen 
Einsaat  gebrauche.  Diese  Methode  ist  uralt  und  wird  schon  in  D  ö  b  e  Is  Jägerpraktika 
beschrieben,  wo  die  Bezeichnung  ,,Buberte"  für  Sonnendarre  vorkommt. 

Neuere  Untersuchungen  *)  haben  diese  Erfahrungen  der  alten  Praktiker  vollauf 
bestätigt.  Trotzdem  sind  die  Sonnendarren  allmählich  fast  ganz  in  Abgang  gekom- 
men, weil  das  Auskiengen  etwas  langsam  vonstatten  geht  und  zu  sehr  von  der  Witte- 
rung abhängig  ist;  es  dürfte  aber  zu  prüfen  sein,  ob  nicht  bei  Gewinnung  des  Revier- 


1)  Vergl.  die  Untersuchungen  von  H  a  a  c  k,  Z.  f.  F.  u.  J.  1905,  S.  296  ff. 

2)  Vergl.   H  a  a  c  k,  M.  d.  D.  F.-V.  1909,   S.   149. 

3)  Vergl.  Möller  (a.  a.  O.);  in  Preußen  sollen  später  geerntete  Zapfen  von  den  Darren 
höher  bezahlt  werden;  die  Pflücker  sind  hierdurch  zuN'ornahme  der  Ernte  erst  im  Januar — März 
zu  veranlassen;  ferner  S  c  h  1  i  e  c  k  m  a  n  n  (a.  a.  O.);  als  Erkennungsmerkmal  gibt  Keller- 
Darmstadt  an,  der  sclion  länger  gepflückte  Zapfen  trage  einen  welken,  braunen  und  abgestorbenen 
Stiel,  der  frisch  gepflückte  zeige  beim  Ritzen  frisch-grüne  Rinde 

4)  H  a  a  c  k  in  Z.  f.  F.  u.  J.  1905,  S.  296  ff.  (in  der  Sonne  gedarrter  hatte  99°;,  Keimfähigkeit). 


Die  Baumfrilchte  (Technik  der  Samenernte  etc.)     §  4.  521 

hcdarfs  da  und  dort,  wo  geeignete  N'orrichtungen  leicht  angebracht  werden  können, 
auf  jenes  bewährte  Wrfahren  zviriickgegriffen  werden  soll.  Es  sei  deshalb  die  Ein- 
riuhlung  einer  Soiinendarre  kurz  besciirieben: 

An  der  Südwand  eines  Gebäudes  errichtet  man  ein  Gerüst  mit  Wetterdach,  unter  welchem 
Horden,  mit  Zapfen  tjetüllt,  etagenweise  und  in  einem  solchen  Hölienabstand  üi)ereinander- 
gestellt  werden,  daß  die  Sonnenstralilen  auch  die  hintersten  Zapfen  einer  Horde  immer  nocli 
treffen  müssen.  Unter  die  untersten  Horden  bringt  man  einen  Schubkasten  mit  Leinwand- 
boden an,  damit  etwaiges  RegenwassiT  durclidringen  und  der  auf  der  Leinwand  liegende  Samen 
alsbald  wieder  abtrocknen  kann.  Auf  die  Horden  schüttet  man  Zapfen,  wendet  dieselben  bei 
Sonnenschein  öfters  um,  damit  die  Samenkörner  ausfallen.  Dieselben  gelangen  durch  die 
Gilterböden  der  Horden  von  der  obersten  bis  zur  untersten  hindurch  und  sammeln  sicli  schließ- 
lich in  dem  unten  angebrachten  Schubkasten.  Sind  die  Zapfen  auf  diese  Weise  so  weit  als 
möglich  entlcci-t,  so  werden  sie  noch  in  einen  hohlen,  faßartigen  Zylinder,  das  sog.  ,, Leierfaß", 
gebraclit  und  in  demselben  durch  Umdrehen  so  lange  erschüttert,  bis  der  Same  durch  diese 
Bewegung  vollständig  ausgefallen  ist. 

Statt  dieser  Horden  hat  man  wohl  auch  mit  Deckeln  versehene  Kasten,  welche  schräg 
gegen  die  Sonne  geneigt  aufgestellt  werden,  in  Anwendung  gebracht.  Diese  Deckel,  inwendig 
mit  weißer  Oelfarbe  gestrichen,  haben  den  Zweck,  bei  Regenwetter  die  I'Casten  zu  verschließen, 
hingegen  in  geöffnetem  Zustand  bei  entsprecliend  schräger  Stellung  die  Sonnenstrahlen  zu 
reflektieren  und  auf  die   Zapfen  zu  werfen. 

Das  Oeffnen  und  Schließen  des  Deckels  wird  erleichtert  durch  eine  an  demselben  ange- 
brachte Schnur,  welche  über  eme  hinter  dem  Kasten  an  einem  Pfosten  befindliche  Rolle  läuft 
und  am  herabhängenden  Ende  mit  einem  Gewicht  beschwert  ist,  durch  dessen  Bewegung  der 
Deckel  gesenkt  oder  gehoben  werden  kann. 

Alle  andern  Klengvcrfahrcn  bedienen  sich  künstlicher  Wärmequellen.  Man 
unterscheidet  zunächst  Feuerdarren  und  Dampfdarren. 

Die  einfachste  F  e  u  e  r  d  a  r  r  e  läßt  sich  in  geheizten  Räumen  dadurch  her- 
richten, daß  man  Gestelle  über  und  rin'gs  um  den  Ofen  anbringt;  auf  diese  werden  die 
Zapfenhorden  eingelegt;  die  Zapfen  können  auch,  in  Säcke  gefüllt,  im  Zimmer  aufge- 
hängt werden.  Solche  Stubendarren,  wie  sie  vielfach  von  Privatwaldbesitzern  und 
Kleinhändlern  eingerichtet  werden,  bestehen  schon  sehr  lange,  sind  aber  wegen 
Lieferung  gering  keimfähigen  Saatguts  (infolge  Ueberhitzung)  in  Mißkredit  geraten. 
Bei  Vermeidung  dieses  Hauptfehlers  und  bei  sonst  sachgemäßer  Behandlung  des 
Samens  unter  Leitung  und  Aufsicht  des  Forstpersonals  wird  man  aber  durch  zuver- 
lässige Waldarbeiter  oder  Angehörige  der  Forstschutzbeamten  die  Klengung  in  dieser 
einfachen  Weise  gut  vornehmen  lassen  können,  namentlich  wenn  geeignete,  der  Forst- 
verwaltung gehörige  Räume  zur  Verfügung  stehen  und  es  sich  nur  um  kleinere  Quanti- 
täten (für  den  Eigenbedarf)  handelt. 

Die  Groß-Klengbetriebe  lassen  die  Klengung  in  besonderen  massiven  Gebäuden 
vornehmen,  meist  unter  Anwendung  maschineller  Vorrichtungen. 

Grundsätzlich  verschieden  ist  die  Einrichtung  der  Feuerdarren,  je  nachdem  die  Trennung 
der  Samen  von  den  Zapfen  im  Darrraum  selbst  während  des  Darrens  oder  alsbald  nach  Oeffnung 
der  Zapfen  in  besonderen  Räumen  vorgenommen  wird  ^).  Auf  ersterem  System  beruht  die  in 
den  meisten  preußischen  Klenganstalten  bestehende  Einrichtung  der  E  y  t  e  1  w  e  i  n  sehen  ') 
Darre  (genannt  nach  dem  Erbauer  der  Eberswalder  Darre  vom  Jahre  1837,  Oberbaurat  E  y  t  e  1- 
wein):  die  Zapfen  werden  in  Horden  eingeschüttet,  welche  auf  hölzernen  Gestellen  oberhalb 
(zu  beiden  Seiten)  des  im  untersten  Stockwerk  befindlichen  Feuerungsraumes  übereinander 
geschichtet  sind.  Von  der  Heizung  aus  wird  heiße  Luft  durch  verschließbare  Oeffnungen  unter 
die  Horden  geleitet,  auf  deren  Zapfen  sie  nun,  ohne  entweichen  zu  können,  einwirken  muß. 
Die  Zapfen  werden  hier  fleißig  umgedreht  und  durchrüttelt,  so  daß  der  Samen  ausfällt;  der- 
selbe fällt  von  Horde  zu  Horde  und  kommt  zu  untersl  (also  rechts  und  links  des  Feuerungs- 
raums) in  Kühlkammern. 

Anstatt  der  Aufschüttung  der  Zapfen  auf  Horden  ist  auch  die  Einfüllung  derselben  in 
hölzerne,  gitterartige  Zylinder,  welche  mit  eisernen  Reifen  umgeben  sind,  oder  in  Drahttrommcln 


1)  Vergl.  die  Ausführungen  des  preuß.  Landesbauinspektors  v.  P  e  n  t  z  bei  der  1\'.  Haupt- 
Vers,  des  Deutsch.  Forstvereins  zu  Kiel  1903.    (Bericht  S.  35  ff.). 

2)  S  c  h  1  i  e  c  k  m  a  n  n  ,   S.   628  ff. 


522  IX  C.     Dieterich,   Die  Nebennutzungen  im  Walde. 

im  Gebrauch.  Diese  Trommeln  werden  durcti  Kurbeln  nach  Art  der  Kaffeebrenncr  von  Zeit 
zu  Zeit  gedreht,  der  Samen  entfällt  in  Sammelkanäle  und  wird  aus  diesen  ausgezogen.  Diese 
öftere  Drehung  der  Zylinder  scheint  das  Klenggeschäft  zu  fördern.  Die  Annaburger  Darre, 
die  größte  der  preußischen  Staatsklenganstalten,  ist  nach  diesem  System  erbaut,  die  Trommeln 
werden  motorisch  gedreht,  wie  überhaupt  der  ganze  Betrieb  maschinell  eingerichtet  ist. 

Auch  einige  Privatklengbetriebe  benützen  Trommeldarren.  Die  meisten  bedienen  sich 
aber  des  andern  Systems,  kleiner  verstellbarer  Horden,  die  nach  Oeffnung  der  Zapfen 
aus  der  Darrslube  herausgenommen  und  über  Gitterböden  entleert  werden;  mittelst  Rechen 
wird  hier  der  Ausfall  des  Samens  vollends  bewirkt;  statt  dessen  bringt  man  die  geöffneten 
Zapfen  auch  in  zylinderförmige  Leierfässer,  sog.  ,, Triller".  Diese  sind  aus  Eisendraht  herge- 
stellt und  mit  Siebwandungen  versehen,  durch  welche  nur  die  Samenkörner  hindurchgehen  kön- 
nen. Durch  Drehen  wird  das  Ausfallen  des  Samens  veranlaßt;  die  leeren  Zapfen  gleiten  aus 
dem  schräg  gestellten  Triller  in  einen  Seitenraum. 

Eine  besondere  Abart  dieses  Systems  bedeutet  die  Einrichtung  der  im  Jahre  1896  um- 
gebauten Eberswalder  Darre  ^).  Die  Horden  sind  nicht  übereinander  gestellt,  vielmehr 
ist  der  Darraum  durch  senkrechte  Wände  in  mehrere  .Abteilungen  gesondert,  welche  der  warme 
Luftstrom  nacheinander  durchstreicht;  nach  Durchströmen  aller  .Abteilungen  kann  die  Darrluft 
zum  Heizkörper  zurückgeleitet  werden,  so  daß  ein  Kreislauf  entsteht  (wie  ,,Zirkulationsluft- 
ung").  Durcii  Klappeneinstellung  wird  es  ermöglicht,  die  Luftströme  bald  in  der  einen,  bald 
in  der  andern  Richtung  zu  führen,  was  gleichmäßige  Erwärmung  des  Raumes  und  gleichmäßiges 
Oeffnen  der  Zapfen  befördert. 

Wir  gehen  weiter  zur  Beschreibung  der  Dampfdarren,  die  statt  Heißluft 
Dampflieizung  benutzen,  zuerst  in  der  Klenganstalt  von  H.  Keller  Sohn  ^)  in 
Darmstadt  angewendet,  inzwischen  auch  anderwärts  (so  bei  A  p  p  e  1)  eingeführt: 
der  in  einem  Dampfkessel  außerhalb  des  Klenggebäudes  erzeugte  Wasserdampf  wird 
unter  den  Horden  in  einem  Röhren-System  mehrfach  hin-  und  hergeleitet; 
zur  Abführung  des  kondensierten  Wassers  mündet  die  Leitung  wieder  in  den  Dampf- 
kessel aus. 

Geringere  Feuergefährlichkeit  einerseits,  raschere  Erzielung  der  erforderlichen 
Temperaturgrade  andererseits  werden  als  Vorzüge  der  Dampfdarren  gerühmt.  Es 
ist  hier  nicht  der  Ort,  die  Vorteile  und  Nachteile  der  verschiedenen  ^)  Verfahren  gegen- 
einander abzuwägen ;  Voraussetzung  für  befriedigende  K  leng- 
er gebnisse  ist  die  Vermeidung  schädlicher  Hitzegrade; 
die  Gefahr  der  Ueberhitzung  ist  größer,  wenn  früh  geerntete  stark  wasserhaltige 
Zapfen  verwendet  werden. 

Die  vielfach  verbreitete  Ansicht,  daß  kurze  Zeit  wirkende,  hohe  Hitzgrade  nicht 
nachteilig  wirken,  wenn  nur  der  ausfallende  Samen  sofort  in  kühle  Räume  verbracht 
wird,  ist  durch  die  Untersuchungen  H  a  a  c  k  s  (a.  a.  0.)  vollständig  widerlegt.  Mit 
Rücksicht  darauf,  daß  ,, zwischen  der  noch  zulässigen  und  einer  dem  Samen  schon 
verderblichen  Hitze  nur  wenige  Grade"  liegen,  empfiehlt  es  sich,  nie  die  höchst 
zulässigen  Hitzegrade  aufkommen  zu  lassen;  über  45 — 50"  C.  sollte  die  Temperatur 
keinenfalls  steigen;  man  wird  dabei  die  Horden  so  einsetzen,  daß  an  den  kühleren 
Stellen  zunächst  die  noch  feuchten  Zapfen  liegen,  während  an  die  wärmsten  nur  die 
unmittelbar  vor  dem  Platzen  stehenden  gebracht  werden  *).  W  i  e  b  e  c  k  e  (a.  a.  O.) 
empfiehlt  außerdem  eine  Vordarrung  in  geeigneten  Schuppen  bei  ca.  25°  C.  zur 
Herabsetzung  der  eigentlichen  Darrzeit  und  der  Darrtemperatur,  außerdem  eine 
vorgängige  Abtrocknung  der  Zapfen  in  besonderen,  der  Luft  und  Sonne  Zutritt  er- 

1)  v.  Pentz  a.  a.  O.;  ferner  Z.  f.  F.  u.''J.  1900,  S.  634. 

2)  Die  Einrichtungen  der  bekanntesten  Klcnganstalten  sind  in  G  a  y  e  r  -  M  a  y  r,  Forst- 
benutzung,  10.  Aufl.,  angegeben. 

3)  Noch  ein  anderes  Darrsystem  mit  verstellbaren  Horden  schlägt  W  i  e  b  e  c  k  e 
vor  (Z.  f.  F.  u.  J.  1910,  S.  3i2  f.),  nämlich  als  Darraum  8 — 9  m  lange,  ca.  1,5  m  breite 
und  2  m  hohe  Darrkanäle,  in  welche  etwa  10  aneinander  gekoppelte,  auf  Schienen  laufende 
Gestelle  mit  den   Horden  eingeschoben  werden  können. 

4)  Dies  der  Vorteil  bei  den  Darrkanälen  nach  W  i  e  b  e  c  k  e  ,    in  welche  von  der  Richtung 
der  Ausgangstür  her  die  warme  Luft  einströmt  (a.  a.  O). 


Die  BaumfrQchte  (Technik  der  Samenernte  etc.).     §  4  u.  5.  523 

laubenden  Trockenschuppen;  nach  Ansicht  von  Klenganstaltsbesitzern  dagegen  soll 
der  g  r  ü  n  auf  die  Horden  gehraclite  Zapfen  besser  aufspringen  als  vorgewärmter. 

Eine  für  die  Rentabilität  des  Klengbetriebs  bezw.  die  Höhe  der  Klengkosten 
wichtige  Frage  betrifft  die  Wahl  des  geeigneten  Heizmaterials  und  andererseits  die 
Verwertung  der  entleerten  Zapfen  ^).  Die  Zapfenheizung  gibt  wenig  anhaltende 
Wärme  und  erfordert  sehr  häufiges  Nachfüllen;  empfohlen  wird  deshalb  eine  Mischung 
von  Kohlen  und  Zapfen.  In  manchen  Gegenden  sind  die  Zapfen  als  Brennmaterial 
für  Ofenbrand  und  kleinere  gewerbliche  Anlagen,  ja  selbst  für  Feuerung  in  Klein- 
bahnen, begehrt;  Fichtenzapfen  werden  denen  der  Kiefer  bei  weitem  vorgezogen. 

Der  ausgeklengte  Nadelholzsamen  muß  nun  gereinigt  und  entflügelt  werden. 
In  den  größeren  Klenganstalten  wird  diesen  Arbeiten  peinliche  Sorgfalt  zugewendet; 
von  Wichtigkeit  ist  das  Entflügeln  eigentlich  nur  zur  Erleichterung  der  Verpackung 
und  Versendung ;  mit  Rücksicht  auf  bessere  Verteilung  der  Samenkörner  wird  dagegen 
gerade  die  Verwendung  beflügelten-)   Samens  empfohlen. 

Die  Entflügelung  des  Kiefern-  und  Fichtensamens  ist  übrigens  (im  Gegensatz  zur  Weiß- 
tanne) recht  einfach,  da  die  Flügel  mit  den  Körnern  nur  lose  zusammenhängen  —  bei  der  Fichte 
löffel-,  bei  der  Kiefer  zangenförmig.  .\m  besten  füllt  man  den  Samen  in  Säcke  und  läßt  diese 
unter  öfterem  Umwälzen  mit  ledernen  Dreschflegeln  bearbeiten.  Vielfach  werden  auch  be- 
sondere Maschinen  (Bürstenwalzen)  oder  einfach  Rüttelsiebe  verwendet.  Auch  auf  nassem 
Weg  läßt  sich  der  Fichten-  und  Kiefernsamen  entflügeln:  man  breitet  den  Samen  auf  geglätteten 
Böden  aus,  übergießt  ihn  leicht  und  bearbeitet  ihn,  nachdem  er  eine  Nacht  durch  gelegen  hat, 
mit  Dreschflegeln. 

Das  Reinigen  des  entflügelten  Saatguts  erfolgt  mit  Hilfe  von  Schüttelsieben,  Windfege- 
mühlen oder  ähnlichen  Geräten,  wobei  Flügel  und  Staub  fortgeweht  werden. 

Noch  ist  ein  besonderes  Wort  über  die  Gewinnung  der  Lärchensamen 
zu  reden;  sie  bedürfen  zur  Ausklengung  lange  andauernder  Wärme,  wobei  leicht  ein 
Verkleben  der  Zapfen  durch  austretendes  Terpentin,  zumal  an  ihrer  unteren  Partie, 
die  Entleerung  erschwert.  In  den  Klenganstalten  sind  deshalb  besondere  Vorrich- 
tungen zur  mechanischen  Zerreibung  der  Lärchenzapfen  eingeführt  (Tromeln  mit 
gezähnter  Mantelfläche  oder  mit  in  ihrem  Innern  sich  drehenden  Rechenarmen, 
durch  welche  die  Zapfen  stetig  durcheinander  geworfen  werden). 

Beim  Auskiengen  in  der  Sonnendarre  wird  empfohlen,  die  Zapfen,  sobald  die 
weitere  Entleerung  durch  Terpentin  verhindert  wird,  in  einen  Deckelkorb  zu  füllen 
und  24  Stunden  unter  Wasser  zu  stellen;  sind  sie  dann  wieder  geschlossen,  so  setzt 
man  sie  wieder  im  Klengkasten  der  Besonnung  usw.  aus.  Das  läßt  sich  natürlich 
nur  im  Kleinbetrieb  machen. 

§5.  Zahlenangaben  über  die  Klengergebnisse^).  Die 
Ausbeute  an  reinem  Samen  bei  voller  Ausklengung  läßt  sich  folgendermaßen  in 
Zahlen   angeben: 

I.Kiefer.  1  Hektoliter  Zapfen  wiegt,  nach  dem  Frost  gepflückt  50  kg,  vor 
dem  Frost  gesammelt  60  kg  und  gibt  0,75 — 0,90  kg  abgeflügelten  Samen,  bei  guten 
Darresultaten  wohl  auch  1  kg.  1  Kilo  Samen  (ca.  150  000  Körner)*)  füllt  etwa 
2  Liter;  auf  10  kg  Flügelsamen  kommen  7  kg  abgeflügelter  Samen. 


1)  Nach  Borgmann  können  die  gesamten  Betriebskosten  durch  den  Verkauf  der  leeren 
Zapfen  gedeckt  werden  (s.  Bericht  über  die  1\'.  Hauptvers,  der  Deutsch.  Forstvereins  zu  Kiel 
1903,   S.   148. 

2)  So  von  W  a  g  n  e  r  in  ,,Die  Grundlagen  der  räumlichen  Ordnung"  (2.  .\ufl.  S.  42). 

3)  Ueber  die  Ernteergebnisse  fehlen  jenaue,  auf  die  Flächeneinheit  bezogene  .An- 
gaben. S  0  b  o  1  e  f  f  (s.  C.  f.  d.  g.  F.  1909,  S.  137)  hat  Untersuchungen  über  den  Samenertrag 
der  Fichte  angestellt  und  dabei  Samenerlräge  von  25 — 90  kg  (Samenkörner)  pr.  ha  erhalten. 

4)  Das  Gewicht  der  Samenkörner  ist  übrigei  s  nach  Klima  und  Bestandesalter  sehr  ver- 
schieden, wärmeres  Klima  und  jüngere  Bestände  ergeben  schwerere  Samen;  vgl.  die  Untersuchun- 
gen S  c  h  o  t  t  e  s  (N.  Z.  f.  F.  u.  L.  1906,  S.  22). 


rj24  IX  C.     DJeterich,  Die  Nebennutzungen  im  Walde. 

2.  F  i  c  h  t  e.  1  Hektoliter  Zapfen  wiegt  etwa  25 — 30  kg  und  gibt  1,2 — 1,9  kg 
reinen  Samen.  Auf  10  kg  Flügelsamen  kommen  6  kg  Kornsamen.  1  kg  Samen  (ca. 
120  000  Körner)  umfaßt  2,15  Liter. 

3.  W  e  i  ß  t  a  n  n  e.  1  Hektoliter  Zapfen  wiegt  grün  25 — 30  kg  und  liefert 
2 — 3  kg  reinen  Samen.  1  kg  Samen  enthält  ca.  24  000  Körner,  also  bei  weitem  we- 
niger als  Kiefer  und  Fichte  und  umfaßt  ca.  3,5  Liter. 

4.  L  ä  r  c  h  e.  1  Hektoliter  Zapfen  wiegt  grün  ca.  35  kg  und  gibt  2 — 3  kg  ab- 
geflügelten Samen.  1  kg  Samen  enthält  ca.  120  000  Körner  (soviel  als  Fichtensamen) 
und  umfaßt  ca.  2  Liter.    1  kg  Flügelsamen  gibt  0,8  kg  Kornsamen. 

Die  Kosten  des  Kiengens  sind  schwer  anzugeben;  je  nach  der  Art  und  Größe 
des  Betriebs  sind  dieselben  verschieden.  In  den  preußischen  fiskalischen  Darren  be- 
steht die  Einrichtung,  daß  für  das  in  einer  Darrkampagne  über  500  kg  gewonnene 
Samenquantum  ein  um  5 — 10  Pf.  geringerer  Lohn  als  für  die  ersten  500  kg  gegeben 
wird,  und  daß  bei  einem  Quantum  von  über  1000  kg  eine  weitere  Ermäßigung  des 
Darrlohns  eintreten  kann.    Dieser  Modus  der  Bezahlung  wird  übrigens  von  Fm. 

5  c  h  1  i  e  c  k  m  a  n  n  a.  a.  0.  insofern  gestadelt,  als  dabei  der  Darrmeister  nur  ein 
Interesse  an  der  Gewinnung  hoher  Gewichtsmengen,  ohne  Rücksicht  auf  sorgfältige 
Ausbeutung  der  Zapfen  und  auf  hohes  Keimfähigkeitsprozent  habe. 

Ueber  die  Kosten  der  Selbstgewinnung  sind  mit  Bezug  auf  Kiefernsamen  dem 
Bericht  über  die  IV. Versammlung  des  D.  F.  V.  (Kiel  1903)  ff.  Zahlen  zu  entnehmen :  Die 
Hordendarren  produzieren  gewöhnlich  das  kg  mit  26 — 28  Pf.  (1  hl  Zapfen  gibt  etwa 
0,85  kg  Körner) ;  der  gesamte  Selbstkostenpreis  der  großen  älteren  preußischen  Darren 
berechnet  sich  für  1903  auf  4.50  Mk.  bis  6.30  Mk.,  für  die  neue  erst  kurz  zuvor  eröffnete 
Annaburger  Trommeldarre  zu  7.39  Mk.  Wenn  man  demgegenüber  bedenkt,  daß  im 
selben  Frühjahr  1903  der  Samenpreis  für  1  kg  Kiefern  bei  den  Händlern  sich  auf 

6  Mk.  bis  7.30  Mk.  belief,  so  rechtfertigt  sich  die  Selbstgewinnung  auch  vom  finan- 
ziellen Standpunkt.  Die  Rechnung  fällt  aber  noch  wesentlich  günstiger  aus,  wenn 
es  auf  diese  Weise  gelingt  statt  nur  70%igen  80 — 90  %iges  Saatgut  zu  bekommen  ^). 

§6.  Die  Aufbewahrung  der  Holzsamen.  Es  handelt  sich  ent- 
weder nur  darum,  den  im  Herbst  gesammelten  bezw.  im  Lauf  des  Winters  gewonnenen 
Samen  bis  zur  Aussaat  im  Frühjahr  zu  lagern,  oder  aber  kommt  länger  dauernde 
Aufbewahrung  über  1 — 2  .Jahre  und  womöglich  noch  länger  in  Frage,  was  bei  stark 
und  ständig  begehrten  Sämereien  angesichts  der  wechselnden  Ergiebigkeit  der  Ernten 
an  sich  wünschenswert  wäre. 

Zunächst  sind  die  Bedingungen  genau  zu  beachten,  unter  denen  die  verschie- 
denen Samen  naturgemäß  überwintern  ^).  Die  oben  angeführte  Zeit  des  Samen- 
ausfalls gibt  hiefür  einige  Anhaltspunkte.  Soll  die  künstliche  Aufbewahrung  ohne 
Schaden  für  die  Keimfähigkeit  von  statten  gehen,  so  müssen  die  naturgemäßen 
Lebensbedingungen  dem  Samen  eingeräumt  bleiben;  lebensgefährdende  Störungen, 
extreme  Zustände  bezüglich  Temperatur  und  Feuchtigkeit  und  vor  allem  plötzliche 
Uebergänge  sind  zu  vermeiden;  andererseits  ist  die  Keimung  des  Samens  im  Interesse 
des  Saaterfolges  tunlichst  zurückzuhalten.  Im  einzelnen  lassen  sich  ungefähr  ff. 
Regeln  aufstellen: 

D  i  e  E  i  c  h  e  1  n.  Wie  alle  großen  Sämereien  vermögen  sie  ihre  Keimfähigkeit 
nicht  länger  als  über  Winter  zu  erhalten ;  die  naturgemäße  Herbstsaat  wäre   deshalb 


1)  Nach  den  H  a  a  c  k  sehen  Untersuchungen  (a.  a.  O.)  ergibt  1  lig  85°oigen  Kiefernsamens 
denselben  Saaterfolg  wie  1,7  kg  70%,  1,4  kg  75%,  1,2  kg  80°o  und  0,8  kg  90%igen  Samens. 

2)  Vergl.  Zederbauer,    Versuche  über  Autbewahrung  von  Nadelliolzsämereien  (C.  f. 
d.  g.   F.   1910,    S.   116). 


Die  Bauiiifrüclile  (Tocliiük  der  Samenernte  etc.).     §  G.  525 

an  sich  das  Richtige.  Mit  Rücksicht  auf  allerhand  Beschädigungen  (Mäuse,  Wild 
usf.)  empfiehlt  sich  aber  häufig  Frühjahrssaat.  Trockene  und  warme  Luft  bringt 
die  Eicheln  zum  Abdorren;  gegen  Frost  sind  sie  dagegen  nicht  besonders  empfindlich; 
nach  Zeder  baue  r  hat  sich  bei  Aufbewahrung  unter  niederer  Tem-peratur  und 
hoher  Feuchtigkeit  die  beste  Keimfähigkeit  ergeben.  Die  Aufbewahrung  erfolgt  viel- 
fach über  der  Erde  in  kegelförmigen  mit  Stroh  oder  Moos  bedeckten  Haufen,  die 
man  wohl  auch  mit  Laub  und  Stroh  untermengt.  Die  Eicheln  müssen  zuvor  abge- 
trocknet werden,  um  vor  Schimmclbildung  und  Erwärmung  geschützt  zu  sein.  Da- 
neben wird  auch  das  Einmieten  in  Gruben  empfohlen,  am  besten  nach  v.  A  1  e  m  a  n  n  s 
Verfahren;  da  und  dort  werden  die  Eicheln,  in  Körbe  oder  Säcke  gefüllt,  unter  Wasser 
(in  Bächen  oder  Brunnen)  aufbewahrt ').  Wegen  der  früh  eintretenden  Keimung 
empfiehlt  sich  zeitige  Aussaat. 

Buchein:  sie  sind  infolge  ihres  Oelgehalts  gegen  Frost  kaum  empfindlich, 
müssen  aber  sorgfältig  gegen  stockende  Feuchtigkeit  und  Erhitzung  ebenso  wie 
gegen  Austrocknung  geschützt  werden.  Ausbreiten  und  Durchlüften  hilft  am  besten 
gegen  Erhitzung,  gelegentliches  Bebrausen  mit  kalt  Wasser  gegen  Austrocknung, 
wenn  man  in  Schuppen  und  dergl.  die  Ueberwinterung  vornimmt;  bei  Aufbewahrung 
im  Freien  empfiehlt  sich  neben  Schutzmaßregeln  gegen  Mäusefraß  die  Durchmengung 
mit  Zwischenschichten  frisch  eingebrachten  Sands  sowie  Bedeckung  mit  Stroh,  Laub, 
Moos  und  eventl.  noch  Erde. 

Hainbuchen-  und  E  s  c  h  e  n  s  a  m  e  n  ,  welche  beide  vor  dem  Aufgehen 
ein  Jahr  überzuliegen  pflegen,  bewahrt  man  in  grabenförmigen.  30  cm  tiefen  Furchen, 
flach  mit  Erde  bedeckt,  bis  zum  Frühling  des  2.  Jahres  auf. 

B  i  r  k  e  n  s  a  m  e  n  ist  schwer  aufzubewahren;  in  Haufen  erhitzt  er  sich  leicht, 
weshalb  man  zunächst  für  gutes  Ablüften  sorgt,  worauf  man  ihn  auf  dem  Speicher 
flach  aufschüttet. 

A  h  0  r  n  s  a  m  e  n  läßt  sich  leicht  in  Haufen  oder  noch  besser  alsbald  in  Säcken, 
die  der  Mäuse  halber  wohl  auch  frei  aufgehängt  werden,  aufbewahren. 

E  r  1  e  n  s  a  m  e  n  ist  ähnlich  dem  Birkensamen  zu  behandeln. 

Ulmensamen  wird  am  besten  alsbald  nach  der  Reife  gesät,  da  er  bei  der 
Aufbewahrung  fast  stets  verdirbt;  eventuell  müßte  er  auf  luftigem  Speicher,  aber  ja 
nicht  in  Säcken  zusammengepreßt,  aufbewahrt  werden. 

Tannensamen  verliert  beim  Aufbewahren  seine  Keimkraft  leicht;  man 
hebt  ihn  daher  mindestens  mit  den  Schuppen  oder  noch  besser  in  ganzen  Zapfen  den 
Winter  über  auf,  falls  man  nicht  die  Saat  schon  im  Herbst  bewirken  kann;  letzteres 
empfiehlt  sich  am  meisten.  Nach  den  Untersuchungen  Zeder  bauers  ist  der 
Tannensamen  besonders  empfindlich  gegen  Feuchtigkeitsentzug  bei  gleichzeitiger 
Temperatur  über  0''. 

Kiefern-  und  Fichten-,  sowie  Lärchensamen  bewahren  ihre 
Keimkraft  ebenfalls  am  längsten  bei  Aufbewahrung  in  den  Zapfen.  Andernfalls  ist 
das  Belassen  der  Flügel  an  dem  geklengten  Samen  zweckmäßig.  Von  reinem  Korn- 
samen hebt  sich  trocken  entflügelter  besser  auf  als  naß  entflügelter.  Im  Gegensatz 
zur  Tanne  können  die  Fichten-,  Kiefer-  und  Lärchensamen  Bodenfeuchtigkeit  nicht 
ertragen;  niedere  Temperatur  wirkt  günstig  aber  nicht  in  Verbindung  mit  Boden- 
feuchtigkeit  (Zederbauer  a.   a.   0.). 

Neue,  wesentlich  bessere  Methoden  zur  Aufbewahrung  der  Nadelholzsämereien 


1)  Die  Maßnahmen  zur  Aufbewalirung  der  Sämereien  sind  je  für  die  einzelnen  Holzarten 
gesondert  sehr  eingehend  von  Fürst  in  ,, Pflanzenzucht  im  Walde",  vierte  Auflage,  S.  269  ff. 
behandelt. 


526  IX  C.     D  i  e  t  e  r  i  c  h  ,  Die  Nebennutzungen  im  Walde. 

haben  G  i  e  s  1  a  r  i)  und  H  a  a  c  k  -)  gewiesen.  C  i  e  s  1  a  r  empfahl  Aufbewahrung 
in  fest  verschlossenen  gegen  Luttzutritt  verdichteten  Gefäßen.  Die  H  a  a  c  k'schen 
Untersuchungen  bestätigten  vollauf  diese  Vorschläge.  Um  die  Lebensbetätigung 
der  Samen  noch  mehr  einzuschläfern,  empfiehlt  er  außerdem  Lagerung  der  Samen- 
behälter an  kühlen  Orten,  womöglich  in  Eiskellern.  Auf  diese  Weise  gelingt  es,  den 
Fichten-  und  Kiefer  samen  —  wie  von  H  a  a  c  k  zuverlässig  nachgewiesen 
wurde  —  mindestens  3  Jahre  lang  ohne  erhebliche  Einbuße  an  Keimkraft  aufzube- 
wahren 3);  nach  den  angestellten  Versuchen  war  das  Keimprozent  des  3  Jahre  lang 
unter  Luftabschluß  auf  Eis  aufbewahrten  Samens  noch  ebenso  hoch  als  bei  dem  nur 
1  Jahr  lang  luftig  aufbewahrten.  Bei  vorübergehender  Aufbewahrung  genügt 
natürlich  auch  die  gewöhnliche  freie  Lagerung  auf  Speichern  in  Schuppen  und  dergl., 
wo  die  Samen  von  Zeit  zu  Zeit  umgestochen  werden  sollten.  Auch  wird  Aufbewah- 
rung in  durchlöcherten  Kisten  empfohlen.  Zum  Versand  füllt  man  den  Samen  in 
Säcke  oder  Kisten. 

Wertvolle  andere  Sämereien  —  meist  kleinere  Mengen  —  hebt  man  in  Säcken 
auf,  welche  zum  Schutz  gegen  Mäuse  am  besten  aufgehängt  w^erden. 

2.  Die  Nutzung  sonstiger  Bestandteile  des  stehenden  Holzes. 

§  7.  Die  Gewinnung  von  grünen  Blättern  und  Zweigen. 
Abgesehen  von  der  Bereitung  sog.  ,, Waldwolle",  eines  Ersatzstoffs  für  Seegras  und 
Baumwolle,  aus  den  Kiefer  nadeln  und  der  Herstellung  ätherischer  Oele  aus  den 
Fichten-  und  Tannen  nadeln  handelt  es  sich  hier  um  die  Verwendung  der 
jüngsten  Sprosse  und  Sproßteile  zur  Viehfütterung  und  zur  Einstreu  im  Stall.  Dienen 
dem  ersteren  Zweck  vorwiegend  Laubholztriebe,  so  beschränkt  sich  die  ,,Ast-  oder 
Schneitelstreu"-Nutzung  fast  ganz  auf  die  Nadelhölzer. 

Zur  Futterlaubgewinnung  nimmt  die  landwirtschaftliche  Bevölke- 
rung in  Notjahren  (z.  B.  1893)  ihre  Zuflucht,  mancherorts  steht  sie  ständig  in  Uebung; 
auch  zur  Wildfütterung  wird  gedörrtes  Laub  empfohlen.  Der  Futterzweck  wird  am 
besten  erreicht  mit  solchen  Pflanzenteilen,  die  den  höchsten  Gehalt  an  physiologisch 
wertvollen  Stoffen,  an  Eiweißsubstanzen,  gewähren.  Dem  Grad  der  Tierbeschädigung 
nach  zu  schließen,  dürften  die  einzelnen  Holzarten  etwa  in  folgende  Reihenfolge  vom 
höchsten  zum  geringsten  Futterwert  zu  bringen  sein:  Pappel  (besonders  kanadische), 
Esche,  Weide,  Linde,  Eiche,  Ahorn,  Ulme,  Buche,  Weißtanne,  Fichte,  Forche,  Lärche; 
die  letztgenannten  werden  höchstens  noch  vom  Wild  und  von  der  Ziege  angenommen. 
Was  den  Zeitpunkt  der  Nutzung  anlangt,  so  ergibt  sich  nach  den  neuesten  Unter- 
suchungen *),  daß  der  Monat  Juli  zur  Futterlaubernte  am  geeignetsten  ist;  zu  dieser 
Zeit  haben  die  Blätter  den  höchsten  Gehalt  an  Proteinstoffen  aufzuweisen,  wäh- 
rend das  Herbstlaub  fast  keinen  Nährwert  besitzt.  Die  Zweige*)  dagegen  enthalten 
im  Winter  unmittelbar  vor  dem  Austreiben  der  Knospen  verhältnismäßig  am  meisten 

1)  Versuche  über  Aufbewahrung  von  Nadelholzsamcn  unter  luftdichtem  Verschluß.  C.  f. 
d.  g.   F.   1897,   S.   162. 

2)  Z.  f.  F.  u.  J.  1909,  S.  353;  M.  d.  D.  F.-V.  1909,  Nr.  6. 

3)  Die  preußische  Staatsforstverwaltung  hat  diesen  Gedanken  bereits  mit  entsprechenden 
Anweisungen  Folge  gegeben  (s.  M  ö  1  1  e  r  ,  Z.  f.  F.  u.  J.  1910,  S.  694).  Im  Tharandter  botanischen 
Institute  sind  Versuche  mit  der  Haackschen  Methode  gemacht  worden;  dabei  haben  sich  nach 
Ijähriger  Aufbewahrung  im  Eiskeller  für  Tanne,  Eiche,  Buche  und  Ahorn  überaus 
günstige  Erfolge  ergeben.    (N.  Z.  f.  L.  u.  F.  1911,  S.  402.) 

4)  Vergl.  die  Untersuchungen  von  B.  Schulze  und  J.  Seh  ü  t  z  über  die  Stoffwandlung 
in  den  Laubblättern  (Landw.  Versuchsstationen,  71.  Bd.,  S.  299);  ferner  eine  Arbeil  aus  der 
bayr.  Versuchsanstalt  von  Dr.  B  a  u  e  r  (N.  Z.  f.  F.  u.  L.  1911,  S   409). 

5)  Vergl.  Ramann,    Holzfütterung  und  Reisigfütterung,  1890,  S.  1.5  ff. 


Fulterlaub   und  Aslslreu.     §§  7  u.  8.  507 

Rohprolein.  Je  schwächer  die  Triebe  sind,  umso  reicher  an  Stickstoff;  unter  1  cm 
starke  Zweigspitzen  sind  am  besten.  Die  Futterreisiggewinnung  erfolgt  denniach 
am  zweckmäl3igsten  durch  entsprechende  Verwendung  der  bei  der  Holznutzung 
(Reinigung,  1.  Durchforstung)  anfallenden  schwächsten  Reis-Sortimente,  während 
als  eigentliche  Nebennutzung  das  Abstreifen  oder  Abschneiden  von  Blättern  und 
blattreichen  Zweigen  zur  Sommerszeit  in  Frage  kommt.  Der  Nährwert  geeigneten 
Futterlaubs  kommt  dem  des  Wiesenheus  nahezu  gleich,  übertrifft  jedenfalls  den- 
jenigen des  Strohs. 

Daß  die  Futterlaubnutzung  infolge  Entzugs  der  Assimilationsträger  auf  das 
Holzwachstum  nachteilig  einwirkt,  kann  als  selbstverständlich  gelten,  außerdem  ist 
die  Gefahr  der  Waldbeschädigung  damit  verbunden.  Einzelne  Betriebsarten,  wie 
Kopfholz-  und  Sclmeitelbetrieb,  teilweise  auch  der  Niederwaldbetrieb,  sind  gerade 
auf  diese  Nebennutzung  zugeschnitten.  Im  Wirtschaftswald  kann  sie  nur  ausnahms- 
weise und  zwar  an  solchen  Bestandesteilen  zugelassen  werden,  die  ohnehin  zur  frühe- 
ren oder  späteren  Ausscheidung  (Schutzholz,  Vorwüchse  und  dergl.)  bestimmt  sind. 
Durch  rechtzeitige  Ausführung  von  Reinigungen  und  Durchforstungen  kann  dem 
Bedürfnis  nach  der  besprochenen  Nebennutzung  vollständig  Genüge  geleistet  werden. 

Dasselbe  gilt  auch  für  die  ,,Ast-  oder  Schneitelstreu"-Gewinnung.  Als 
eigentliche  Nebennutzung  hat  sie  keinen  Platz  im  Wirtschaftswald.  In  waldarmen 
Gegenden  wird  die  Schneitelstreugewinnung  allerdings  nicht  so  bald  verschwinden; 
in  Bauemwaldungen  sieht  man  die  Nadelholzbäume  oft  bis  nahe  unter  den  Gipfel 
der  Aeste  beraubt;  wenn  diese  Verstümmelungen  auch  nicht  zum  Absterben  führen, 
so  schädigen  sie  doch  das  Zuwachsvermögen  und  die  technischen  Eigenschaften  des 
Holzes.  Das  Jahr  1893  hat  in  vielen  Waldungen  deutliche  Spuren  der  durch  das 
Aufasten  und  das  Besteigen  der  Bäume  verursachten  Holz-  und  Rindenverletzungen 
hinterlassen.  So  sehr  sich  demnach  die  Forstwirtschaft  der  eigentlichen  Schneitel- 
streugewinnung gegenüber  ablehnend  verhalten  muß,  so  wird  sie  doch  der  Aststreu- 
nutzung als  einer  A'erwertimgsmöglichkeit  für  das  bei  der  Holzhaucrei  anfallende 
Reisig  volle  Beachtung  zu  schenken  haben.  Der  alljährliche  Anfall  an  S  t  r  e  u  r  e  i  s  i  g 
ist  in  größeren  Nachhaltsbetrieben  zumal  bei  intensiver  Bestandespflege  reichlich 
genug,  um  weitgehende  Bedürfnisse  der  umwohnenden  Bevölkerung  befriedigen  zu 
können.  Man  hat  von  forstwirtschaftlicher  Seite  schon  seit  lange  den  Versuch  ge- 
macht, die  Bodenstreu  durch  Aststreu  mehr  und  mehr  zu  verdrängen;  leider  nicht 
überall  mit  dem  gewünschten  Erfolg;  die  landwirtschaftliche  Bevölkerung  zeigt  viel- 
fach Abneigung  gegen  die  Reisstreu.  Die  Zubereitung  ist  etwas  zeitraubend,  da  jeweils 
die  jüngsten  allein  verwendbaren  Triebe  (etwa  bis  kleinfingerstark)  abgehackt  werden 
müssen.  In  Gegenden,  wo  die  Nadelholzreisstreu  eingeführt  ist,  hört  man  ihre  guten 
Eigenschaften  rühmen :  sie  bereite  ein  warmes  Lager  und  besitze  hohe  Aufsaugungs- 
fähigkeit; wenn  nur  das  schwächste  Reisig  verwendet  wird,  zersetzt  sich  der  Reis- 
streudünger verhältnismäßig  rasch  und  können  Beschädigungen  der  Ackergeräte 
nicht  vorkommen.  Der  hohe  Mineral-  und  Stickstoffgehalt  des  schwachen  Reisigs  ist 
wissenschaftlich  nachgewiesen  *). 

§8.  Sonstige  Nebenerzeugnisse  der  Waldbäume.  Im 
tropischen  und  subtropischen  Wald  erlangt  die  Gewinnung  von  Nebenprodukten  des 
Holzes  wie  Gummi,  Kautschuk,  Wachs,  Lack,  Färb-  und  Gerbstoffe  (von  Rinde 
abgesehen),  Fette,  Chinin  u.  a.  geradezu  die  Bedeutung  der  Hauptnutzung;  die  ko- 
loniale Forstwirtschaft  wird  sich  hiemit  zu  befassen  haben. 


1)  B  a  m  a  n  n  a.  a.  O. 


528  IX  C.     Dietcrich,   Die  Nebennutzungen  im  Walde. 

In  den  Ländern  der  gemäßigten  Zone  spielt  eine  beachtenswerte  Rolle  lediglich 
die  Harznutzung.  Da  dieser  Gegenstand  in  der  Technologie  behandelt  wird,  genügt 
es  hier,  darauf  hingewiesen  zu  haben ;  es  wird  sich  ohnehin  für  den  Bereich  des  Wirt- 
schaftswalds in  Zukunft  mehr  um  die  Harzgewinnung  aus  gefälltem  Holz  bezw.  aus 
den  im  Boden  verbleibenden  Stöcken  handeln  können,  als  um  die  früher  übliche 
Anzapfung  des  stehenden  Holzes.  Zu  erwähnen  ist  noch  die  Möglichkeit  der  Zucker- 
gewinnung  aus  manchen  Ahornarten  ^). 

3.  Die  Nutzung  der  Abfallstoffe  des  stehenden  Holzes. 

§  9.  Raff-  und  Leseholz.  Die  dürr  gewordenen  vom  Schaft  sich 
ablösenden  Aeste  und  Zweige  werden  meist  der  ärmeren  Bevölkerung  unentgeltlich 
überlassen,  teilweise,  so  besonders  auch  die  abgefallenen  leeren  Nadelholzzapfen,  gegen 
Entgelt  in  der  Form  der  Ausstellung  von  Erlaubnisscheinen  (sog.  ,, Einmiete");  da 
und  dort  ist  die  Leseholznutzung  ein  Gegenstand  der  Berechtigung.  In  gut  bevölkerten 
Gegenden,  z.  B.  in  der  Umgebung  von  Industrieorten  spielt  diese  Nebennutzung  eine 
sozialpolitisch  wichtige  Rolle ;  es  sind  in  der  Tat  recht  erhebliche  Geschenke,  —  man 
schätzt  die  Leseholzmengen  auf  12 — 15%  der  gesamten  Holzmasse  —  die  der  Wald 
in  dieser  Form  den  minder  bemittelten  Volksschichten  darbietet.  Außer  dem  am 
Boden  liegenden  Abfallreisig  werden  dem  Leseholz  in  einzelnen  Gebieten  auch  die 
dürren  in  unschädlicher  Weise  vom  Baum  entfembaren  Aeste  beigezählt,  zum  Teil 
überläßt  man  auch  die  dürren  Stangen  noch  den  Leseholzsammlern.  So  wünschens- 
wert die  Entfernung  des  dürren  Holzes  mit  Rücksicht  auf  Insekten-  und  Feuergefahr 
ist,  so  darf  doch  auch  nicht  außer  acht  gelassen  werden,  daß  das  auf  dem  Boden  zer- 
streut liegende  Reisig  einen  —  je  nach  Standort  —  wertvollen  Bodenüberzug  bildet 
und  in  dieser  Beziehung  bis  zu  einem  gewissen  Grad  die  gleichen  Vorteile  wie  die 
Laub-  und  Nadeldecke  dem  Waldboden  bietet.  Andererseits  mag  die  unentgeltliche 
Ueberlassung  des  Leseholzes  als  natürliche  und  gerechte  Besitzsteuer  erscheinen 
und  zugleich  als  Maßregel  zur  Vorbeugung  von  Holzentwendungen.  Trotzdem  er- 
fordert gerade  auch  eine  ausgedehnte  Leseholznutzung  aufmerksame  Ueberwachung 
durch  das  Forstschutzpersonal,  da  sie  leicht  allerhand  Waldbeschädigungen  und 
Uebergriffe  im  Gefolge  hat.  In  den  größeren  Forstverwaltungen  ist  deshalb  die 
Leseholznutzung  auf  bestimmte  Wochentage  und  Tageszeiten  beschränkt;  auch  sind, 
um  mißbräuchliche  Nutzungsüberschreitungen  zu  vermeiden,  besondere  Vorschriften 
bezüglich  der  zugelassenen  Geräte  (keine  schneidenden  Werkzeuge)  und  der  Fort- 
schaffungsmittel (nur  Trachten  und  Handwagen)  erlassen. 

§  10.    Die    Laub-    und    N  a  d  e  1  s  t  r  e  u  n  u  t  z  u  n  g  -). 

a)  Bedeutung  und  Wert  der  Laub-  uud  Nadelsireu  als  Nutzungsgegenstand. 

Indem  man  den  Blattabfall  der  Waldbäume,  untermischt  mit  Sproß-  und 
Rindenresten,  als  Laub-  und  Nadelstreu  bezeichnet,  ist  der  weitaus  wichtigste  Ver- 


1)  Walther,    A.   F.  u.   J.-Z.   1907,    S.   315. 

2)  Literatur:  Walz,  Waldstreu  1850  und  1870;  F  r  a  a  s  ,  desgl.  1856;  Fischbacli, 
Beseitigung  der  Waldslreunutzung  1864;  Heiß,  Waldstreufrage  186G;  \'onliausen, 
Raubwirtschaft  in  den  Waldungen  1867;  Ney,  Die  natürliche  Bestimmung  des  Waldes  und 
die  Slreunutzung  1869;  E  b  e  r  m  a  y  e  r  ,  Die  gesamte  Lehre  der  Waldstreu  1876;  R  a  m  a  n  n  , 
Die  Waldstrcu  und  ihre  Bedeutung  für  Boden  und  Wald  1890;  Wolff  ,  Praktische  Dünger- 
lehre 1872;  derselbe,  .\schenanalysen  etc.,  11.  Teil,  1880;  Ramann,  Bodenkunde,  2.  Aufl. 
1905;  M  i  t  s  c  h  e  r  1  i  c  h  ,  Bodenkunde  1905;  Funke,  Zur  landw.  Taxation  bei  der  Ablösung' 
der  auf  Wäldern  lastenden  Weide-  und  Streurechte  in  der  Zeitschr.  f.  d.  ges.  Staatswiss.,  31.  Bd.; 
Danckelmann,  Die  Ablösung  und  Regelung  der  Waldgrundgerechtigkeiten  1888,  III.  Teil, 


Laub-  u.  Nadeljlreunulzung.     §  10.  529 

wendungszweck  dieser  Nebenprodukte  schon  angedeutet.  Außer  zur  Einstreu  in 
Stallungen  dient  das  eingesammelte  Laub  wohl  auch  zur  Füllung  von  Betlsäckcn, 
zur  Herstellung  von  Isolierschichten,  zur  Kompostbereitung  u.  a.  Unter  dem  weiteren 
Begriff  „Waldstreu"  ist  der  lebende  Bodenüherzug,  soweit  er  zum  gleichen 
Zweck  verwendet  wird,  mit  inbegriffen;  in  den  Nadelholzbeständen  wird  der  Nadel- 
abfall zugleich  mit  der  Moosdecke  gewonnen.  Trotzdem  empfiehlt  es  sich  aus  syste- 
matischen wie  sachlichen  Gründen,  die  Nutzung  des  Laub-  und  Nadelabfalls  ge- 
sondert von  der  erst  im  nächsten  Abschnitt  zu  besprechenden  Moos-  und  Unkraut- 
streu zu  behandeln.  Die  gemeinsamen  Gesichtspunkte  werden  gleich  hier  erörtert. 

Die  Streunutzung  ist  eine  neuere  Erscheinung  der  Bodenwirtschaft,  veranlaßt 
dur(^i  die  rasche  Bevölkerungszunahme  und  die  intensivere  Gestaltung  der  landwirt- 
schaftlichen Betriebe,  insbesondere  durch  den  Uebergang  von  der  Weide  zur  Stall- 
fütterung imd  den  immer  ausgedehnteren  Anbau  von  Futter-  und  Handelsgewächsen. 
Der  Höhepunkt  dieser  Forstnebennutzung  dürfte  im  großen  ganzen  überschritten 
sein;  geht  doch  die  moderne  bodenwirtschaftliche  Tendenz  dahin,  eine  möglichst 
reinliche  Abscheidung  der  verschiedenen  Wirtschaftszweige  herbeizuführen,  und 
auch  von  landwirtschaftlicher  Seite  wird  betont,  daß  mit  zunehmender  Betriebs- 
intensität die  Bedeutung  der  Streunutzung  mehr  und  mehr  abnehmen  müsse  i). 

In  wirtschaftsgeographischer  Hinsicht  ist  festzustellen,  daß  die 
Waldstreunutzung  besonders  in  den  Gegenden  üblich  ist,  wo  die  Ungunst  des  Bodens, 
des  Klimas  oder  der  topographischen  Verhältnisse  den  für  landwirtschaftliche  Benüt- 
zung sich  eignenden  Grund  und  Boden  sehr  Imapp  bemessen  hat  und  parzellierter 
Kleinbesitz  vorherrscht,  namentlich  wenn  dabei  die  Bevölkerung  eine  verhältnis- 
mäßig dichte  ist,  wie  dies  z.  B.  für  Teile  des  rheinisch-westfälischen  Zech-  und  Hütteu- 
gebiets und  für  manche  industriereiche  Täler  der  deutschen  Waldgebirge  (Schwarz- 
wald, Vogesen  u.  a.)  zutrifft.  Andererseits  hat  die  Streunutzung  z.  T.  gerade  auch  in 
minder  bewaldeten  Gebieten  größere  Bedeutung  erlangt,  nämlich  da,  wo  der  Anbau  von 
Handelsgewächsen  und  der  Weinbau  in  größerem  Umfang  betrieben  wird  oder  wo 
die  höhere  Einträglichkeit  der  Viehzucht  und  Milchwirtschaft  die  Haltung  eines 
im  Mißverhältnis  zur  Stroherzeugung  stehenden  ^'iehstands  veranlaßt  hat,  so  daß 
ein  großer  Teil  des  Strohertrags  verfüttert  werden  muß.  Die  Verbesserung  der  Ver- 
kehrsverhältnisse hat  allerdings  einigermaßen  Abhilfe  geschaffen,  indem  sie  die 
Beschaffung  anderer  Streuersatzmittel  (vor  allem  der  Torfstreu)  erleichterte;  dazu 
kommt,  daß  auch  der  Bezug  künstlicher  Düngemittel  erheblich  billiger  geworden 
ist,  ein  Umstand,  der  seinerseits  wieder  den  Stroh-  wie  Futterertrag  zu  steigern 
vermochte  ^). 

Will  man  den  Wert  der  W  a  1  d  s  t  r  e  u  n  u  t  z  u  n  g  als  solcher  ermessen, 


Tafel  XXI — XLIII;  \erlianclUingeii  der  Fachvereine  in  Karlsruhe  1838,  Baden  1841,  Darm- 
stadt 1845,  Mainz  1849,  Passau  1851,  Kempten  1856,  Würzburg  1862  ;Arbeiten  des  forst- 
lichen Versuchswesens:  aus  Preußen:  Aufsätze  von  S  c  h  w  a  p  p  a  c  h  in  der  Z.  f. 
F.  u.  J.,  vor  allem  Jahrg.  1888,  1892,  1896,  1898  und  1900,  Laspeyres  1898;  aus  Sachsen: 
Arbeiten  von  Krutzsch,  Stock  hardt  Schröder,  Kunze  im  Tharandter  Jahr- 
buch, Jahrg.  1850,  1852,  1863,  1869,  1876,  1881;  aus  Oesterreich:  Arbeiten  von  Riegler. 
v.  Höhnet,  Kramer,  Böhmerlein  den  Milteil.  der  forstl.  Versuchsanstalten  Maria- 
brunn 1879,  1882,  und  im  C.  f.  d.  g.  F.  1906,  1909  und  1910;  aus  Württemberg:  Bühl  er  in 
M.  f.  d.  F.  u.  J.  1876;  zahlreiche  Aufsätze  von  Ramann  in  der  Z.  f.  F.  u.  J.  (im  einzelnen 
zitiert). 

1)  V.  S  e  e  1  h  o  r  s  t  in  Z.  f.  F.  u.  J.  1911,  S.  315  ff.;  B  u  h  1  e  r  t  ,  Untersuchungen  über  den 
Wert  von  Wald-  und  Heidestreu  im  Landw. -Betrieb  (Bericlüe  aus  dem  physiol.  Laborat.  und 
der  Versuchsanstalt  des  landw.   Instituts  der  Universität   Halle,   X\'.   H.,  Dresden   1901). 

2)  In  Frankreich,  ferner  in  der  Nord  und  Ostschweiz  ist  die  Streunutzung  nur  selten  üb- 
lich (B  oppe  etJolyet,  Lcs  forSts  1901;  Krämer,  Die  Landwirtschaft  im  schweizerischen 
Flachland  1897). 

Handb.  d.  Forstwiss.     3.  Aufl.     II.  34 


530  IX  C.     Dieterich,  Die  Nebennutzungen  im  Walde. 

SO  sind  3  Gesichtspunkte  ins  Auge  zu  fassen :  1 .  die  Eignung  der  Streu  als  Lager  für 
die  Tiere,  2.  ihre  Fähigkeit  zur  Aufsaugung  und  Festhaltung  der  tierischen  Dungstoffe, 
und  endlich  3.  die  Düngerwirkung  des  betreffenden  Streumaterials.  Nach  allen  diesen 
drei  Richtungen  steht  der  Laub-  und  Nadelabfall  hinter  anderen  Stoffen  ^),  vor  allem 
dem  Stroh,  entschieden  zurück.  Was  zunächst  den  l.  Punkt  anlangt,  so  wären  nach 
Funke,  ,,um  die  einem  Gewichtsteil  Stroh  gleichkommende  Streu  Wirkung 
zu  erzeugen",  etwa  erforderlich  3,5  Gewichtsteile  Laubstreu.  Sehr  wichtig  im  Sinn 
einer  rationellen  Stallwirtschaft  ist  ferner  der  2.  Gesichtspunkt,  die  möglichst  voll- 
ständige Aufnahme  der  dungkräftigen  flüssigenExkremente; 
hierfür  kann  als  Anhaltspunkt  die  Wasserkapazität  der  Streustoffe  dienen.  Die  Unter- 
suchungen ^)  von  Ebermayer  und  W  o  1 1  n  y  ergeben,  daß  Buchenlaub  weniger 
Flüssigkeit  als  Stroh,  Moos  und  Farnkraut  aufzunehmen  vermag,  der  Fichten-  und 
Kiefernnadelabfall  aber  noch  weniger  als  das  Buchenlaub.  Bei  Benutzung  von  Laub- 
und Nadelstreu  erleidet  der  Landwirt  somit  Düngerverluste  insbesondere  an  Stick- 
stoff und  Alkalien.  Zur  Vermeidung  dieses  Uebelstandes  ist  empfohlen  worden  ^), 
der  Laubstreu  humose  Erde  beizumischen;  bekanntlich  sind  die  Nutzungsberechtigten 
nur  allzuleicht  geneigt,  außer  der  jüngsten  Laubschicht  auch  noch  humose  Teile  zu- 
sammenzukratzen. Die  Dünger  Wirkung  der  Streu  endlich  bemißt  sich,  abge- 
sehen von  dem  eben  besprochenen  Gesichtspunkt,  nach  ihrem  eigenen  Gehalt  an 
wichtigen  Pflanzennährstoffen,  nach  dem  Grad  ihrer  Zersetzbarkeit  und  nach  der 
Konsistenz  des  hieraus  gewonnenen  Mists.  Der  Gehalt  an  Pflanzennährstoffen  ist 
verschieden  je  nach  der  Zeit  der  Nutzung;  denn  die  beginnende  Verwesung  führt 
einerseits  zur  Auflösung  der  organischen  Substanz,  andererseits  zur  Auslaugung  der 
Mineralstoffe.  Nach  den  Untersuchungen  von  Ebermayer,  Wolff  u.  a.  ist 
die  Laub-  und  Nadelstreu  dem  Stroh  an  Stickstoffgehalt  überlegen  (Nadelstreu  noch 
mehr  als  Laubstreu),  beide  stehen  aber  hinsichtlich  Kaliwert  zurück,  dagegen  ist 
der  Phosphorsäuregehalt  des  Buchenlaubs  wieder  höher  als  beim  Stroh.  Ungünstig 
verhält  sich  die  Laub-  und  Nadelstreu  infolge  ihrer  trägen  Zersetzbarkeit; 
die  Laubstreu  bildet  außerdem  einen  klumpigen,  schwer  zu  verladenden  und  auszu- 
breitenden Mist,  der  auf  strengen  Böden  ungünstige  Humusbildungen  veranlaßt. 
Unter  Berücksichtigung  all  der  angegebenen  Momente  hat  Funke  eine  Skala  für  die 
verschiedenen  Streusorten  aufgestellt:  Einem  Gewichtsteil  lufttrockenen  Winter- 
roggenstrohs sind  etwa  gleich  zu  achten:  3  Gewichtsteile  Laubstreu,  1,84  Heidekraut, 
1,7  Heidelbeere,  1,4  Moos.  (Die  reine  Nadelstreu  ist  gleich  minderwertig  wie  die 
Laubstreu,  in  Untermischung  mit  Moos  gilt  sie  aber  als  besseres  Streumaterial). 

Hiernach  ließe  sich  der  Gebrauchswert  der  Laub  und  Nadelstreu  natürlich  auch 
in  Geld  ausdrücken,  wenn  man  von  einem  bestimmten  Strohpreis  ausgeht  und  die 
höheren  Wertungs-  und  Beifuhrkosten  der  Waldstreu  in  Abzug  bringt.  Bei  freier 
Preisbildung  richten  sich  die  tatsächlichen  Tauschwerte  für  Waldstreu  ganz  nach 
den  Strohpreisen;  es  wird  aber  von  den  größeren  Forstverwaltungen  unter  Aus- 
schaltung der  natürlichen  Preisgesetze  in  Notjahren  ein  ermäßigter  Preis  angesetzt. 
Um  so  wertvoller  gestalten  sich  jene  im  Wald  zur  Verfügung  stehenden  Strohersatz- 
stoffe für  den  kleineren  Waldbesitzer,  der  hier  den  Eigenbedarf  ausgiebig  zu  decken 
nur  allzu  leicht  versucht  ist.  So  kommt  es,  daß  diese  Nebennutzung,  wie  es  in  H  a  g  e  n- 


1)  Vergl.  B  u  h  1  e  r  t  a.  a.  O.,  ferner  Carganico  im  Jahrbuch  des  Schles.  Forstvereins 
1902,  S.  52.  Das  aus  Laub-  und  Nadelabfall  bereitete  Lager  soll  weniger  trocken  und  weniger 
warm,  in  einzelnen  Fällen  auch  für  die  Gesundheit  der  Tiere  weniger  zuträglich  sein  (s.  a.  Dr. 
Giersberg  in  F.  Cbl.  1906,   S.   530). 

2)  R  a  m  a  n  n  1905,  S.  346. 

3)  Wolff,    Düngeriehre,  S.  81. 


Laub-  und  Nadelstreunulzung.     §  10.  53I 

Donner*)   heißt,   „in  einigen  Landesteilen  eigentlich  als  Hauptertrag  bezeichnet 
werden  muß". 

Zur  Kennzeichnung  des  Werts  der  Nutzung  sowohl  für  den  Waldbesitzer  als  für 
die  streubcdttrftige  Bevölkerung  sind  noch  Angaben  über  die  Jlassenerträge 
mitzuteilen :  Die  Blattmenge  der  einzelnen  Holzarten  ist  sehr  verschieden.  Man  hat 
eine  Stufenleiter  festgestellt,  in  welcher  Buche,  Ahorn,  Linde  obenan  stehen,  Esche, 
Birke  und  Aspe  den  untersten  Platz  unmittelbar  nach  den  Nadelhölzern  einnehmen. 
Aber  auch  der  Streuertrag  der  einzelnen  Holzart  schwankt  in  ziemlich  weiten  Grenzen : 
Bestandesverfassung,  Alter,  Schlußgrad,  Erziehung.sweise,  bedingen  Verschieden- 
heiten ;  vor  allem  aber  ist  die  Standortsgüte  maßgebend.  Zu  unterscheiden  ist 
zwischen  dem  jährlichen  Streuanfall  und  dem  jeweils  verfügbaren  Streuvorrat;  auf 
ersteren  ist  die  Jahreswitterung  von  größtem  Einfluß,  indem  z.  B.  trockene  Jahrgänge 
wesentlich  geringeres  Blatterzeugnis  (bis  zu  60  °i  weniger  als  nasse)  aufzuweisen  haben ; 
der  Streuvorrat  andererseits  richtet  sich  außerdem  nach  dem  Tempo  der  natürlichen 
Laubzersetzung  und  nach  dem  Streunutzungsbetrieb.  So  beträgt  z.  B.  nach  Eber- 
mayer ,,in  vollständig  geschonten  oder  längere  Zeit  nicht  berechten  Buchen- 
beständen"  der  Gesamtvorrat  durchschnittlich  die  2  14  fache  Menge  des  jährlichen 
Blattabfalls,  in  F  i  c  h  t  e  n  beständen  „fast  4  mal  mehr  als  der  jährliche  Nadelabfall, 
in  Kiefer  beständen  im  großen  und  ganzen  fast  die  5  fache  Menge".  Es  ist  aber 
anzunehmen,  daß  diese  Zahlen  je  nach  Bodenart,  Bodenzustand,  Klima  usf.  recht 
erheblichen  Schwankungen  unterliegen.  Endlich  ist  noch  zu  erwähnen,  daß  bei  fort- 
gesetzter Streuentnahme  auch  die  jährliche  Blatterzeugung  mehr  und  mehr  abnimmt. 

Aus  den  zahlreichen  Angaben  der  einschlägigen  Literatur  über  Streuerträge  mögen  einige 
Durchschnittszahlen  mitgeteilt  sein: 

a)  aus  Buchen  beständen:  Nach  den  in  Bayern  ^)  angestellten  Erbebungen  ergab  sich 

ein  durchschnittlicher  jährlicher  Streuanfall  pro  ha  in  lufttrockenem  Zustand  (d.  h.  mit  ca. 

10—15%  Wasser) 

für  30 — eoiähr.  Mittelhölzer  ca.  4182  kg  1         ,        .  ,       j            •         ,t  , 

...     „„     „„  „        I  -1  .^^.  1      I  zu  beachten  der  germge  Unter- 

fur  60 — 90      „  Baumholzer  ca.  4094  kg                  u-  j   j       .Ü       ?  , 

...     „„     ,„_  «,.i-,  ,„.,  ,       1           schied  der  Altersstufen 

für  90 — 130    „  Altholzer        ca.  4044  kg   | 

Krulzsch  stellte  für  einen  50 — Söjähr.  Buchenbestand  als  Sjähriges  Mittel  der  jähr- 
lich angefallenen  Laubstreu  4188  kg  fest. 

Weiterhin  ergab  sich  nach  den  bayrischen  Untersuchungen  in  normalen  und  gut  ge- 
schlossenen Buchenbeständen 

a)  ein  jälirl.   Streuanfall  pro  ha  von  4  10?  kg 

b)  ein  3jähr.    Streuertrag,,      „       ,,    81G0  kg 

c)  ein  ejähr.   Streuertrag  ,,      ,,       „    8  469  kg 

d)  ein  Vorrat  in  geschonten  Beständen  von  10417  kg  (n.   Krutzsch  10488). 
Schwappach  ermittelte  folgende  Zahlen  auf  verschiedenartigen  Standorten: 

bei  jährlicher  Nutzung  3  200  kg  bis  6  500  kg  (geringer   bezw.   guter    Standort), 

bei  Nutzung  alle  2  Jahre        4  800  kg  bis  8  700  kg 
bei  Nutzung  alle  4  Jahre        5  500  kg  bis  9  200  kg 
bei  iNutzung  alle  6  Jahre        5  700  kg  bis  10  700  kg 
Als   einjährigen  Ertrag  württembergischer    seit  langem   berechter  Buchenbestände  fand 
Bühl  er,  ausgeschieden  nach  Landesbonitäten: 

bei  Bonität:  l.  II.  111.  IV.  V. 

kg  lufttrocken:  3047  2213  1462  1149  617 

b)  Aus  Fichten  beständen:  nach  den  bayrischen  Erbebungen  wurde  als  durchschnitt- 
licher jährlicher  Nadelstreuanfall  festgestellt 

in  Junghölzern  unter    30  Jahren  5  258  kg 

in  Mittclhölzern  30 — 60jähr.   3  964  kg 

in   Baumhölzern  60 — 90jähr.   3  376  kg 

m  .'\ltholzern  über  90  Jahre  3  273  kg 

Krutzsch  ermittelte  in  einem  45jähr.  Pflanzbestand  als  4jähr.  Durchschnitt  5743  kg, 
in  einem  ebenso  alten  Saatbestand  4152  kg.  Nach  Schwappachs  Aufnahmen  betrug  der 
jährl.  Durchschnittsertrag  pro  ha  im  Alter  von  61 — 73  Jahren  5844  kg,  von  73 — 82  Jahren  4880  kg. 


1)  Die  forstl.  Verhältnisse  Preußens,  S.  59. 

2)  Ebermayer,    a.  a.  O.  S.  44  ff. 

34' 


532  IX  C.     D  i  0  t  e  r  i  c  h  ,   Die  Nebennutzungen  im  Walde. 

Als  Streuvorrat  in  geschonten  Beständen  fanden  sich  bei  den  bayrischen  Erbebungen  durch- 
schnittlich 13  857  kg,  nach  S  c  h  w  a  p  p  a  c  h  bei  4jährigem  Turnus  als  Optimum  12  584  kg 
(in  41 — 53jähr.  Bestand). 

c)  aus  Kiefern  beständen:  nacli  den  bayr.  Erhebungen 

in  25 —  50j.  Best.   3397  kg  durchschn.  jährl.  Nadelabfalll  nach  Krutzsch  3913,5 
in  50 — ■  75j.  Best.   3491  kg  durchschn.  jährl.   Nadelabfall  '  in    einer  45j.  Kiefernsaat, 
in  75 — lOOj.   Best.  4229  kg  durchschn.  jährl.   Nadelabfall)  3646,2  in  1  Pflanzbestand, 
im  Gesamtdurchschnitt  als  6jähriger  Streuvorrat  13  729  kg 
als  3jähriger  Streuvorrat     8  987  kg 

Die  sämtlichen  Zahlen  beziehen  sich  auf  den  lufttrockenen  Zustand ; 
zu  wissenschaftlichen  Untersuchungen  und  Wertsschätzungen  muß  dieser  Maßstab 
angelegt  werden,  weil  das  Waldgewich  tje  nach  Witterung  sich  außerordentlich 
verschieden  gestaltet;  fand  doch  Bühler,  daß  100  kg  Laubstreu  je  nach  dem 
Trockenheitsgrad  zwischen  86,1  und  21,2  kg  in  lufttrockenem  Zustand  ergaben. 

Als  praktische  Streumaße  sind  cbm  oder  Rm  bezw.  Fuhren  (Fuder)  üblich. 

Für  die  oben  angegebenen  Streuerträge  können  im  großen  und  ganzen  etwa  folgende 
Umrechnungsziffern')  angegeben  werden:  1  cbm  lufttrockenes  Buche  nlaub  wiegt  rund  60  kg, 
bei  einem  Wassergehalt  von  18%  rund  80  kg,  eine  zweispännige  Fuhre  lufttrocken  rund  750  kg. 
1  cbm  Fichtennadeln  bei  15%  Wassergehalt  rund  170  kg,  1  desgl.  Kiefern  nadeln 
117  kg,  in  Untermischung  mit  Moos  und  Heide  ca.  160  kg.  Der  durchschnittliclic  jährliche 
Streuanfall  wird  für  Buche  etwa  zu  50  cbm,  für  Fichtennadelstreu  zu  20,  für  Kiefer  zu  30  cbm 
angenommen,  der  durchschnittliche  Streuertrag  bei  Einhaltung  einer  Umlaufszeit  von  6  Jahren 
in  Buchenbeständen  zu  rund  100,  in  Fichten  zu  55,  in  Kiefern  zu  80  cbm. 

b)  Statik  der  Laub-  und  Nadelstreunuizung. 

Geht  man  von  den  zuletzt  angegebenen  Sti'euerträgen  aus  und  unterstellt  die 
Beschränkung  des  Betriebs  auf  die  40 — 80  jähr.  Bestände  sowie  Einhaltung  eines 
6  jähr.  Turnus,  so  berechnet  sich  bei  einem  erntekostenfreien  Erlös  von  1  Mk.  je  cbm 
ein  Reinertrag  für  Buchenstreunutzung  von  100  Mk.  je  1  ha  Nutzungsfläche  und 
von  beiläufig  7  Mk.  bezogen  auf  die  Flächeneinheit  einer  normalen  Buchenbetriebs- 
klasse (u  =  100);  diese  nieder  angesetzten  Zahlen  dürften  angesichts  der  Tatsache, 
daß  sich  in  vielen  Laubholzrevieren  der  Reinertrag  der  Holznutzung  nicht  über 
30  Mk.  per  ha  erhebt,  die  Streunutzung  als  nicht  zu  unterschätzende  Einnahmequelle 
erscheinen  lassen.  Aufgabe  der  statischen  Untersuchung  ist  es  nun,  diese  scheinbar 
hohen  Nebennutzungserträge  in  die  Gesamtbilanz  der  Waldwirtschaft  einzugliedern. 

Vom  privatwirtschaftlichen  Gesichtspunkt  ^)  aus  werden  übermäßige  Streu- 
nutzungen gelegentlich  mit  dem  Vorvvand  gerechtfertigt,  daß  der  W'irtschaftszweck 
vieler  Waldbesitzer  in  erster  Linie  auf  Streugewinnung,  nicht  auf  Holzerträge,  ge- 
richtet sei.  Demgegenüber  ist  zunächst  zu  untersuchen,  ob  nicht  die  Nachhaltigkeit 
der  Streunutzung  selbst  gefährdet  ist.  Genaue  und  einwandfreie  Untersuchungen 
hierüber  liegen  nicht  vor.  Immerhin  lassen  die  oben  mitgeteilten  Zahlen  aus  würt- 
tembergischen, seit  lang  gerechten  Buchenbeständen  beim  Vergleich  mit  den  Ergeb- 
nissen aus  anderen  früher  geschonten  Versuchsflächen  vermuten,  daß  langjährige 
Streunutzung  den  Streuertrag  selbst  nachteilig  beeinflußt.  Wenn  man  in  Berichten 
über  Streudevastation  von  Wipfeldürren  absterbenden  Buchen  mit  geringer  Belau- 
bung hört,  welche  den  Boden  kaum  zur  Hälfte  mehr  decken  und  so  ä.,  so  wird  man 
sich  der  Annahme  nicht  verschließen  können,  daß  der  streulüsterne  Waldbesitzer 
durch  übertriebene  Streunutzung  sich  ins  eigene  Fleisch  schneidet.  Neben  dem 
Rückgang  des  Streumassenertrags  macht  sich  als  Folge  länger  dauernder  Entnahme 
des  Blattabfalls  mit  der  Zeit  auch  eine  Herabsetzung  des  Mineralstoffgehalts  und 

1)  Nach  E  b  e  r  m  a  y  e  r ,  a.  a.  O.   S.   54  ff. 

2)  Vergl.  z.  B.  ^'erhandlungen  des  Sachs.  Forstvereins  über  Kleinwaldbcsitz  i.  J.  1903. 
(Bericht  über  die  47.  \'ers.  S.  104  ff.). 


Laub-  und  Nadelstrcunutzung.     §  10.  533 

damit  des  Düngenverts  der  Laubstreu  geltend.  Wenigstens  hat  R  a  ni  a  n  n  in  Buchen- 
streu-\'ersuchsfläclicn  nacligewiesen,  daß  die  Bäume  der  berechten  Fläche  Mangel 
an   Kalk  und    Kali   leiden  ^). 

Mag  der  Rückgang  der  Streunutzung  an  sich  von  geringerer  und  weniger  allge- 
meiner Bedeutung  sein,  so  weist  er  doch  darauf  hin,  daß  durch  regelmäßige  Ent- 
naluno  des  Blaltabfalls  das  W  a  1  d  k  a  p  i  t  a  1   angetastet  wird. 

Will  man  dieser  Frage  auf  den  Grund  gehen,  so  ist  zunächst  festzustellen,  welche 
Stoffe  eigentlich  mit  der  Laub-  und  Nadelstreu  aus  dem  Wald  entführt  werden. 
Hierüber  sind  schon  seit  langem  eingehende  Untersuchungen  angestellt  worden.  Man 
unterscheidet  in  dieser  Hinsicht  den  Gehalt  der  Streu  an  Wasser,  an 
organischen    und    an  mineralischen    Bestandteilen. 

Der  Wasserentzug  kann  im  allgemeinen  als  ziemlich  belanglos  bezeichnet  werden, 
zumal  wenn  die  Nutzung  erst  nach  lAngerem  Liegen  erfolgt.  Ebermayer  scliätzt  den 
Wassergehalt  der  frisch  abgefallenen  Blätter  und  Nadeln  auf  etwa  30 — öO°„,  im  lufttrockenen 
Zustand  auf  12 — 14''o-  In  extremen  Fällen  allerdings  hat  sich  ergeben  -),  daß  bei  der  Ueberfüh- 
rung  von  Laubstreu  in  den  lufttrockenen  Zustand  bis  zu  78,8%  Wasser  verdunstet  sind.  Im 
großen  Durchschnitt  dürfte  die  mit  der  Streu  dem  Waldboden  entzogene  Feuchtigkeit  einer 
Niederschlagsmenge  von  höchstens  1 — 2  mm  entsprechen. 

Was  weiterhin  die  organischen  Bestandteile  der  Laub-  und  Nadelstreu  an- 
langt, so  macht  deren  Anteil  etwa  78 — 83°o  des  Lutttrockengewichts  aus;  durch  ihre  Entfer- 
nung werden  dem  Waldboden  die  Humus  bildenden  Substanzen  entzogen;  auf  die  Bedeutung 
dieser  Tatsache  wird  unten  noch  weiter  einzugehen  sein.  Für  die  Pflanzenernährung  sind  von 
besonderer  Bedeutung  die  stickstoffhaltigen  organischen  Bestandteile  der  Streu  (vor  allem 
die  Proteinstoffe).  Nach  R  a  m  a  n  n  ^)  beträgt  der  Gesamt-Stickstoffgehalt  der  Laub-  und 
Nadelstreu  nur  0,8 — l,4°o  (0,8  in  der  Kiefernstreu,  rund  1,0  bei  Fichte,  1,4  bei  Buche);  denn 
im  Herbst  unmittelbar  vor  dem  Blattabfall  hat  der  Stickstoffgehalt  der  Blätter  den  Tiefstand 
(s.  oben  S.  526)  erreicht.  Nach  dem  Blattabfall  ist  derselbe  bald  höher,  bald  niedriger,  je  nach 
dem  Grad  der  Auslaugung  einerseits,  der  \erwesung  andrerseits;  dazu  kommt,  daß  während 
des  N'erwesungsprozesses  atmosphärischer  Stickstoff  von  der  Streu  gebunden  wird;  durch 
eingehende  L'ntersuchungen  mehrerer  Forscher  ist  dieser  unter  der  Einwirkung  von  Mikro- 
organismen Erfolgende  \'organg  nachgewiesen  ■*).  Es  ist  aber  zu  betonen,  daß  die  Stickstoff 
sammelnden  Bakterien  (so  die  Gruppe  Azotobakter)  reichlich  Nährstoffe  und  vor  allem  kalk- 
reiche Böden  beanspruchen  '). 

Von  den  wichtigsten  Aschenbestandteilen  der  Streu  war  schon  oben  bei  Er- 
örterung des  Düngerwerts  derselben  die  Rede.  Nachstehende  Uebersicht,  aus  Ebermayers 
„Waldstreu"  entnommen  (S.  116f.),  zeigt  die  Mineralstoffmengen,  welche  durch  die  jährliche 
Streuproduktion  im  Vergleich  zur  Holzproduktion  und  zu  den  Ernteergebnissen  einiger  land- 
wirtschaftlicher Gewächse  dem  Boden  entzogen  werden. 

In  einem  Jahresertrag  s.  durehschn.  enth.  kg  je  ha 
Gesamt-         j^^  ^^^  ^  g.^^ 

Remasche  _  a  - 

1.  B  u  c  h  e  n  h  0  c  h  w  a  1  d 

(u  =  120   J.) 

Streuproduktion 18,554  9,87  81,92  12,22  10,45  60,36 

Holzproduktion         29, GO  4.63  14,42  3,85  2,8?  2,41 

zus.      215,14  14,32  96,34  16,07  13,32  62,77 

2.  F  i  c  h  t  e  n  h  0  c  h  w  a  1  d 

(u  =  120  J.) 
Streuproduktion 135,92  4,82  60,94  6,95  6,41  49,60 

Holzproduktion        22,36  4,06  9,15  2,03  1,43  — 

zus.      138,48  8,88  70,09  8,98  7,86  49,60 


1)  Z.  f.  F.  u.  J.  1898,  S.  293. 

2)  B  ü  hier  a.  a.  O. 

3)  Bodenkunde   1905,    S.   337. 

4)  cfr.  Henry,  Stickstoff  und  Streu,  in  Revue  des  eaux  et  forgts  1908,  S.  274  und  die 
dort  zitierten  Forscher  Süchting,  Monte  martini,  Wiesner,  ferner  B  u  r  r  i 
(Schw.  Z.  f.  F.  1904,  S.  89),  Hornberger,  Z.  f.  F.  u.  J.  1906,  S.  775. 

5)  Ramann,    Bodenkunde  1911,   S    421. 


534  IX  C.     Dieterich,  Die  Nebennutzungen  im  Walde. 

In  einem  Jahresertrag  s.  durchschn.  enth,  l<g  je  ha 

ReinaTche       ^^^  ^aO  MgO  PO5  SiOs 

3.  Kartoffeln 

Kraut  101  21,89  32,87  16,62  7,93  4,34 

Knollen .         164  98,50 4^^ 7,66  28,33  3,47 

zus.       265  120,39  37,06  24,28  36,26  7,81 

4.  Weizen 

Stroh  143  19,48  8  21  3,53  6,85  96,21 

Körner ■  31 9/71 1^04 3,72  14,58 0^ 

zus.       174  29,19  9,25  7,25  21,43  96,86 

Man  kann  aus  dieser  Uebersicht  jedenfalls  so  viel  entnehmen,  daß  bei  Nutzung  der  frisch 
gefallenen  Streu  eine  bedeutende,  die  Holznutzung  weit  übersteigende  Menge  von  Mine- 
ralstoften,  zumal  Kalk,  dem  Boden  entzogen  wird.  Bleibt  die  Streu  noch  längere  Zeit  am  Boden 
liegen,  so  läßt  sie  infolge  Auslaugung  den  obersten  Bodenschichten  erhebliche  Mengen  leicht 
löslicher   Salze  (besonders  von   Kali)  wieder  zugute  kommen  i). 

Die  angeführten  Zahlen  vermögen  jedoch  nur  unter  der  Voraussetzung  als  .\nhaltspunkte 
für  Aufstellung  einer  Bodonbilanzzu  dienen,  daß  durch  Analysen  der  Gehalt  eines  Bodens 
an  für  die  Pflanzen  zugänglichen  Mineralstoffen  zuverlässig  nachgewiesen  werden  kann;  das 
ist  auch  nach  dem  neuesten  Stand  der  Wissenschaft  nur  in  beschränktem  Umfang  möglich  2). 
Außerdem  ist  zu  beachten,  daß  das  Nährstoffbedürfnis  der  Pflanzen  durch  die 
Zahlen  der  Aschenanalyse  nicht  richtig  widergespiegelt  wird,  indem  die  einzelnen  Nährstoffe 
bezüglich  des  ,,A  n  e  i  g  n  u  n  g  s  v  e  r  m  ö  g  e  n  s"  ^j  der  Pflanze  sich  ganz  anders  zueinander 
verhalten.  Immerhin  wird  für  solche  Verhältnisse,  unter  denen  die  obersten  Bodenschichten 
ausgesprochenermaßen  Mangel  an  einem  bestimmten  Nährstoff  (z.  B.  Kalk)  leiden,  das  Ergeb- 
nis der  mitgeteilten  Aschenanalysen  von  Bedeutung  sein. 

Weiteren  Einblick  in  das  Verhältnis  von  Streunutzung  und 
Waldkapital  gewährt  die  Untersuchung  der  Vorgänge,  die  sich  im  Waldboden 
bei  der  Streuzersetzung  abspielen,  bezw.  die  Beobachtung  der  Veränderungen,  welche 
ihre  Entnahme  zur  Folge  hat.  Endlich  wird  zu  prüfen  sein,  ob  gegebenenfalls  außer 
dem  Boden  kapital  auch  das  Bestandes  kapital  (der  dermalige  Holzvor- 
rat) beeinträchtigt  wird. 

Es  kann  sich  hier  nicht  darum  handeln,  näher  auf  das  erstere  Problem  einzu- 
gehen; handelt  es  sich  doch  um  nichts  anderes  als  um  die  Frage  der  Humusbildung 
im  Boden  und  um  die  Bedeutung  der  Humusstoffe  für  den  Boden.  In  den  neueren 
bodenkundlichen  Schriften  sind  diese  Fragen  unter  anderen  Gesichtspunkten  als  frü- 
her behandelt.  Die  biologische  Forschung  und  die  Fortschritte  der  chemischen  und 
physikalischen  Wissenszweige  (vor  allem  der  Kolloidchemie)  haben  auch  auf  die 
Humuslehre  umgestaltend  und  klärend  eingewirkt. 

Zum  Verständnis  der  weiteren  Ausführungen  sind  einige  Bemerkungen  über  Humus- 
bildung voranzuschicken:  Je  nach  Pflanzenart,  klimatischen  und  Bodenverhältnissen  ver- 
läuft die  Umbildung  des  Blattabfalles  verschieden  schnell.  R  a  m  a  n  n  bezeichnet  als  ent- 
scheidende Faktoren  der  Zersetzung  ein  bestimmtes  Maß  von  Wärme,  Anwesenheit  von  genügend 
Wasser  und  Nährsalzen,  Zutritt  von  Sauerstoff  und  Abwesenheit  pflanzenschädlicher  Stoffe 
(Säuren,  Chloride  usf.);  das  sind  zugleich  die  Lebensbedingungen  der  an  der  Bodenumgestal- 
tung mitwirkenden  pflanzlichen  (Bakterien  usf.)  und  tierischen  Lebewesen  (Regenwürmer, 
Tausendfüßler).  Unter  günstigen  Zersetzungsverhältnissen  entsteht  sog.  ,, milder  oder  neutra- 
ler" Humus  (,,absorptiv  gesättigter"),  d.  h.  Mull  und  Moder  gleichmäßig  gemischt  mit  Mineral- 
boden unter  einer  losen  Decke  der  jüngsten  Streuschicht.  Je  mehr  einzelne  der  genannten  Fak- 
toren vom  Optimum  abweichen,  sich  einem  Minimum  oder  Maximum  nähern,  um  so  ungünstiger 
verläuft  der  Zersetzungsprozeß;  ist  die  Zersetzung  verlangsamt,  so  entsteht  eine  Ansammlung 
von  Humusschichten,  saurer  oder  „absorptiv  ungesättigter"  Humus. 

1)  Ramann  1905,   S.  359. 

2)  S.  Ramann  1911,   S.  274  ff. 

3)  Vergl.  hierüber  den  Aufsatz  von  Bauer  über  Stoffbildung  und  Stotfaufnahme  etc., 
Nat.  Z.  f.  F.  u.  L.  1910,  S.  457  ff.;  ferner  die  .-Xrbeiten  von  Vater  über  das  Zulangen  der  Nähr- 
stoffe im  Boden.    (Thar.  Jahrb.  1909  und  1910;  Nat.  Z.  f.  F.  u.  L.  1910,  S.  570.) 


Laub-  und  Nadelstrcunutzung.     §  10.  535 

Die  Vorteile  des  aus  der  Streu  liervorgehenden  milden  Hu  in  u  s  bestehen 
darin,  daß  er  durch  Begünstigung  der  Krümelstruktur  und  durch  Erhöhung  der 
Wasserkapazität  förderlichen  Einfluß  auf  die  physikalische  Bodcnbeschaffenheit 
ausübt  und  die  obersten  Schichten  mit  löslichen  Mineralstoffen  bereichert.  Dagegen 
erschweren  dichte,  verfilzte  Humusschichten  (Rohhumus  bezw. 
Trockentorf)  die  Durchlüftung  und  Erwärmung  des  Bodens;  trotz  scheinbaren  Ueber- 
flusses  an  Feuchtigkeit  und  Nährstoffen  treten  Trockenheits-  und  Hungererschei- 
nungen auf,  was  sich  am  besten  durch  das  Ankommen  einer  xerophyllen  und  nähr- 
stoffscheuen Flora  (Heide,  Weißmoos,  Flechten  u.  a.)  verrät;  außerdem  vereiteln 
solche  Humusanhäufungen  das  Keimen  des  natürlichen  Samenabfalles  und  das  An- 
wachsen der  jungen  Pflänzchen.  Da  aber  auch  der  saure  Humus  einen,  wenn  auch 
z.  Zt.  unzugänglichen  Vorrat  von  Mineralstoffen  (vor  allem  Stickstoff)  birgt,  kann 
aus  jenen  Krankheitserscheinungen  zunächst  lediglich  der  Schluß  gezogen  werden, 
daß  der  Forstwirt  durch  geeignete  Maßnahmen  auf  die  normale  Zersetzung  der 
Streu  hinarbeiten  sollte.  Zur  Vermeidung  ungünstiger  Humusformen  kann  aller- 
dings die  Entfernung  der  Streudecke  als  einmalige  oder  vorübergehende  Maßregel 
in  Frage  kommen;  es  wird  aber  mit  Recht  verlangt  i),  daß  in  solchen  Fällen  die  Ein- 
nahme aus  der  Streunutzung  zuvörderst  für  Gesundung  der  Humusverhältnisse 
(Bodenbearbeitung,  Düngung)  zu  verwenden  wäre. 

Aber  abgesehen  von  den  nachteiligen  Einwirkungen  des  sauren  Humus  auf  den 
Bodenzustand  hat  die  Lehre  von  der  Bedeutung  der  Bodenstreu  auch  in  andern 
Stücken  Wandelungen  erlebt: 

Während  ältere  Forscher  allgemein  nur  nachteilige  Folgen  der  Streuentnahmen 
bei  ihren  vergleichenden  Bodenuntersuchungen  feststellen  konnten,  ist  neuerdings 
(insbesondere  von  R  a  m  a  n  n)  durch  zahlreiche  Analysen  und  durch  Untersuchungen 
über  das  Porenvolumen  in  gerechten  und  nicht  gerechten  Vergleichsflächen  der 
Nachweis  erbracht  worden,  daß  unter  gewissen  Verhältnissen  selbst  eine  längere  Zeit 
ausgeübte  Streunutzung  bemerkbare  Veränderungen  im  Boden  nicht  hervorge- 
bracht hat,  daß  jedenfalls  in  absehbarer  Zeit  eine  Erschöpfung  der  reicheren  Böden 
durch  Streunutzung  nicht  zu  befürchten  sei.  Das  abschließende  Urteil  R  a  m  a  n  n  s 
über  die  Wirkung  der  Streunutzung  auf  den  Boden  (s.  Bodenkunde  1905,  S.  365) 
lautet: 

,,Jede  fortgesetzte  und  jährlich  wiederkehrende  Streu- 
nutzung muß  früher  oder  später  zu  einer  Erschöpfung  des  Bo- 
dens an  mineralischen  Nährstoffen  und  zu  einer  ungünstigen 
physikalischen  Veränderung  des  Bodens  führen.  Auf  armen  Böden, 
zumal  in  Sandböden  tritt  dies  am  schnellsten  ein,  da  hier  die  Bedingungen  der  ungünstigen 
Beeinflussung  in  gesteigertem  Maße  vorhanden  sind.  Auf  reicheren  Bodenarten  kann  Slreu- 
entnahme  längere  Zeit  ohne  bemerkbare  Veränderung  des  Bodens  stattfinden  und  bei  selten 
wiederkehrender  Streunutzung  überliaupt  unbemerkbar  bleiben." 

Die  Erschöpfung  berechter  ärmerer  Böden  erfolgt  weit  weniger  durch  den 
unmittelbaren  Substanzentzug,  wie  früher  angenommen  wurde,  als  vielmehr  durch 
die  auswaschende  Wirkung  der  Atmosphärilien-).  Die  ungünstige  p  hysikalische 
Veränderung  aber  hängt  zusammen  mit  der  Zerstörung  der  Ivrümelstruktur  durch 
den  Mangel  löslicher  Salze  im  Boden  und  unmittelbar  durch  die  schlagende  und  ver- 
schlämmende Wirkung  des  Regens.  Den  Niederschlägen  gegenüber  hat  die  Laub- 
und Nadelstreudecke  noch  eine  weitere  Bedeutung.  An  Hängen  wird  das  Abfließen 
des  Regen-  wie  auch  des  Schneeschmelzwassers  durch  ihre  aufsaugende  Wirkung 

1)  Vcrgl.  diesbezügliche  .\eußerungen  bei  den  Verhandlungen  des  Deutschen  Forstvereins 
über  die  Humusfrage  (Eisenach  1905). 

2)  Vergl.  R  a  m  a  n  n  ,    Waldstreu  S.  G3,  Bodenkunde  1905,  S.  3G2. 


j^3g  IX  C.     D  i  e  t  e  r  i  c  h  ,  Die  Nebenmitzungen  im  Walde. 

verlangsamt,  die  SickeiAvassermenge  erhöht,  die  Bodenabschwemmung  verhindert 
und  der  Ueberschwemmungsgefahr  vorgebeugt.  Während  dieser  Vorzug  der  Streu- 
decke an  Hanglagen  nach  wie  vor  feststeht,  haben  bezüglich  des  Wassergehalts 
ebener  Waldflächen  neuere  Forscher  die  überkommenen  Vorstellungen  teilweise 
berichtigt,  so  namentlich  durch  den  Nachweis  der  Bodenaustrocknung  unter  stärkeren 
Humusschichten.  Ein  Optimum  an  Bodenfeuchtigkeit  ergibt  die  dünne  und  locker 
gelagerte  Blattabfallschicht,  die  einerseits  dem  Obergrund  nur  wenig  Niederschlags- 
wasser vorenthält,  andererseits  doch  genügend  Schutz  gegen  die  Verdunstung  des 
kapillar  aufsteigenden  Bodenwassers  gewährt.  Außer  dem  Verdunstungsverlust  durch 
Streuentzug  wird  als  empfindlichster  Nachteil  der  Streunutzung  der  Feuchtig- 
keitswechsel empfunden,  der  allerdings  je  nach  Bodenart  (am  meisten  auf 
Tonboden),  Jahreswitterung  wie  auch  nach  dem  Zeitpunkt  der  Nutzung  verschieden 
stark  sich  geltend  macht;  nicht  zum  wenigsten  leiden  hierunter  die  oben  erwähnten 
nützlichen  Humusbewohner  (Bakterien,  Regenwürmer  usf.)  ^). 

Es  wird  die  Aufgabe  der  chemischen,  physikalischen  und  bakteriologischen 
Forschung  sein,  die  Waldhumus-  und  Streu-Frage  weiter  aufzuklären  und  die  Nach- 
teile des  Streuentzugs  festzustellen.  In  manchen  Fällen  genügt  hierzu  schon  die  Beob- 
achtung des  Bodenzustands  und  des  Bodenüberzugs;  so  schildert  S  c  h  w  a  p  p  a  c  h  ^), 
daß  die  Bodenverhärtung  schon  beim  Gehen  über  die  gerechten  Buchenstreu- Ver- 
suchsflächen bemerkbar  sei:  die  jährlich  und  alle  2  Jahre  berechten  Flächen  im 
preuß.  Revier  Tronecken  waren  mit  Haftmoosen  bedeckt,  während  auf  den  geschon- 
ten oder  nur  alle  6  Jahre  berechten  volle  Laubdecke  vorhanden  war  —  also  unzwei- 
deutige Anzeichen  der  Bodenverhagerung.  Bei  der  Schwierigkeit  der  Vornahme 
vergleichender  Bodenanalysen  sollte  in  der  Praxis  gerade  auf  solche  biologische 
Veränderungen  im  Waldboden  geachtet  werden.  Wenn  der  Bestand  selbst  schon 
nachteilige  Folgen  der  Streunutzung  äußerlich  erkennbar  werden  läßt,  ist  das  Unheil 
zu  weit  vorangeschritten.  Bei  den  meisten  Versuchen  hat  sich  gezeigt,  daß  nach- 
teilige Bodeneinwirkungen  viel  früher  und  viel  deutlicher  wahrnehmbar  waren,  als 
etwaige  Folgen  für  die  Gesundheit  und  das  Wachstum  der  Be- 
stände. Und  doch  kennt  man  überall  die  traurigen  Bilder  durch  Streunutzung 
,,devastierter"  Bestände:  stockendes  Wachstum,  Verlichtung,  kümmerliche,  gelblich- 
grüne Belaubung,  Moos-  und  Flechtenüberzug  an  Stamm  und  Aesten,  Wipfeldürre 
Kronen,  absterbende  Stämme.  Solche  Verhältnisse  trifft  man  besonders  in  Laub- 
holz beständen  auf  an  sich  armen  und  flachgründigen  Böden  bei  alljährlicher 
Nutzung,  zum  Teil  auch  bei  2-  und  mehrjährigem  Nutzungs-Turnus.  Erhebliche 
Zuwachsverluste  sind  in  Vergleichsflächen  nachgewiesen  worden : 

S  c  li  w  a  p  p  a  c  li  ^)  stellte  in  den  oben  genannten  Buchenbeständen  bei  jährlicher 
Nutzung  bis  zu  55%  Zuwachsminderung  während  der  letzten  Bcobachtungsperiode  fest,  25% 
im  Durchschnitt  der  Versuchsdauer,  bei  zweijährigem  Turnus  etwa  die  Hälfte,  ähnlich  bei 
vierjährigem,  während  bei  sechsjährigem  Turnus  erst  nacli  längerer  Zeit  ein  Zuwachsverlust 
eintrat.  Auch  die  Aufnahmen  in  württembergischen  und  bayrischen  Laubholzbeständen  lassen 
ganz  erheblichen  Zuwachsrückgang  erkennen.  Weniger  auffällig  waren  derartige  Wachstums- 
störungen auf  günstigen  Böden,  so  in  der  sächsischen  Buchen-^"e^suchsfläche  ,,Hohe  Buchen", 
wo  sich  überhaupt  kein  Zuwachsverlust  nachweisen  ließ,  in  Buchenbeständen  I.  Bonität  des 
Spessarts  (nacli  37jähr.  Nutzung  nur  8°ö)  und  in  den  Mühlenbecker  Flächen,  von  welch  letz- 
teren Seh  w  a  p  p  a  c  li  bemerkt,  daß  bei  den  kräftigen  Diluvialböden  die  nachteiligen  Folgen 
des  Streuentzugs  sich  schwächer  und  langsamer  fühlbar  machen;  bei  längerer  Dauer  komme 
aber  auch  hier  eine  energische  Steigerung  der  ungünstigen  Folgen  zur  Gellung. 


1)  Vergl.  Z.  f.  F.  u.  J.  1899,  S.  573  (.\nzahl  und  Bedeutung  der  niederen  Organismen  im 
Wald  etc.). 

2)  Z.  f.   F.   u.    J.    1892.    S.   524. 

3)  Z.  f.  F.  u.  J.  1900,  S.  317. 


Laub-  und   Nailclstreunutzung.     §  10.  537 

AVenificr  eiiipfindlicli  als  ilio  Biiclio  lial  sich  ilio  Fichte  erwiesen ;  K  u  n  z  e  slellte  Zmvachs- 
verlusle  von  0,75 — l,03°o  hei  (imaligcr  Slreuniilzun«;  innerhalb  10  Jahren  fest;  S  c  h  w  a  p- 
p  a  c  h  faßt  seine  auf  diese  Holzart  bezüglichen  Untersuchungen  dahin  zusammen,  daß  in  Fich- 
tenbeständen besten  Standorts  sich  im  mittleren  Lebensalter  eine  Einwirkung  des  jährlichen 
Streuentzugs  auf  das  Wachstum  auch  bei  längerer  Dauer  nicht  nachweisen  lasse,  auf  ärmerem, 
flachgründigem  Boden  dagegen  und  in  jüngerem  Lebensalter  wirke  die  jährliche  Streunutzung 
sehr  schnell  und  höchst  beträchtlich.  Noch  weniger  scheint  nach  S  c  h  \v  a  p  p  a  c  h  s  und 
L  a  s  p  e  y  r  e  s'  Untersuchungen  die  Kiefer  zu  leiden;  nur  für  jugendliche  Bestände  stellt 
ersterer  empfindlich  schädigende  Wirkungen  fest;  diese  Altersunterschiede  dürften  z.  T.  wohl 
auch  daher  rühren,  daß  es  sich  in  jüngeren  Kiefernbeständen  vorwiegend  um  die  Entnahme 
der  Nadelstreu  handelt,  während  in  älteren  Moos,  Gras,  Heide  mehr  beteiligt  sind.  Traurige 
Streudenkmale  finden  sieh  übrigens  auch  in  Kiefernwaldungen;  ein  klassischer  Zeuge  ist  der 
Nürnberger  Reichswald. 

Es  dürfte  als  müßiges  Unternehmen  zu  bezeichnen  sein,  wollte  man  auf  Grund 
solcher  Zuwachsverlustzahlen,  deren  Entstehung  nicht  durchweg  als  einwandfrei 
bezeichnet  werden  kann,  den  Wertsschaden  berechnen,  den  man  dem  Streunutzungs- 
ertrag gegenüberzustellen  hätte.  Sicher  genügt  doch  vom  Standpunkt  der  Nach- 
haltigkeit aus  die  Tatsache,  daß  im  W  a  1  d  b  o  d  e  n  nachteilige  A'eriinderungen  vor 
sich  gehen,  schon  vollständig,  um  über  den  unmäßig  betriebenen  Streuentzug  das 
L'rteil  zu  sprechen.  Wenn  auch  bei  regelmäßiger  oder  häufiger  Streuentnahme  im 
alten  Bestand  keine  Zuwachsverluste  nachweisbar  sein  sollten,  so  können  sich  doch 
später  Wachstums-  und  Verjüngungsstörungen  bemerklich  machen. 

Von  Interesse  sind  auch  die  chemischen  Analysen,  welche  Schröder')  mit  Buchen- 
holz von  der  berechten  \ergleichsfläehe  vorgenommen  hat;  er  fand,  daß  die  Reinasche  des- 
selben im  Mittel  nur  lO",,  im  Vergleich  zu  dem  auf  der  nicht  berechten  Fläche  stockenden 
Holz  betrug,  ohne  daß  Zuwachsverluste  nachweisbar  waren;  auf  Grund  der  chemischen  Unter- 
suchung lasse  sich  voraussehen,  daß  bei  längerer  Fortsetzung  des  Rechens  über  kurz  oder  lang 
ein  schädlicher  Einfluß  auf  das  Wachstum  sich  geltend  machen  werde: 

c)  Mag  und  Art  der  zulässigen  Nutzung. 

Auf  Grund  der  statischen  Erwägungen  lassen  sich  Bedingungen  für  die  Zulässig- 
keit  der  Nutzung  und  Regeln  für  die  Art  und  Weise  der  Verwertung  aufstellen: 

1.  Die  Laub-  u.  Nadeis treunutzung  sollte  unterbleiben  bei  ungünstigen  Stand- 
ortsverhältnissen, die  dem  Pflanzenwachstum  ohnehin  Schwierigkeiten  bereiten  oder 
eine  tote  Bodendecke  besonders  erwünscht  erscheinen  lassen,  z.  B.  an  steilen  und 
trockenen  Hängen,  auf  flachgründigen  und  steinrauhen,  auf  allzu  losen  und  auf 
streng  bindigen  Böden.  Arme  Sandböden  sind  empfindlicher  als  Lehmböden,  schwere 
Tonböden  bedürfen  in  besonderem  Maß  einer  lockernden  Humusschicht  und  einer 
die  Feuchtigkeit  regulierenden  Streudecke,  tätige  Kalkböden  endlich  sind  ohnehin 
humusarm  und  der  Verhagerung  ausgesetzt.  Umgekehrt  wäre  bei  Streuanhäufung, 
bei  beginnender  oder  schon  vorhandener  Trockentorfbildung  eine  einmalige  Streuent- 
nahme in  Erwägung  zu  ziehen,  sofern  nicht  durch  waldbauliche  Mittel  (Wühlgrubber) 
die  Nachteile  des  Rohhumus  behoben  werden  können. 

2.  Die  Nutzung  des  Laub-  und  Nadelabfalls  sollte  im  allgemeinen  womöglich 
auf  Notjahre  beschränkt  bleiben  und  jedenfalls  nicht  alljährlich,  am  besten  mit  Ein- 
haltung eines  nicht  unter  6  jährigen  Turnus  vorgenommen  werden,  unter  un- 
günstigen ^'erhältnissen  jedenfalls  möglichst  selten  erfolgen.  Am  ehesten  können 
mittelalte  Bestände  mit  lehmigem  Boden  in  ebener  Lage  geöffnet  werden. 

3.  Als  Zeitpunkt  für  das  Einsammeln  der  Laubstreu  ist  vom  forstwirtschaftli- 
chen Standpunkt  aus  der  Spätsommer  oder  Herbst  am  meisten  zu  empfehlen,  d.  h. 
die  Zeit  unmittelbar  vor  Beginn  oder  im  ersten  Stadium  des  Laubabfalls;  keinenfalls 
sollte  die  Nutzung  nach  Beendigung  des  Laubabfalls  vorgenommen  werden,  weil 


1)  Thar.  Jahrbuch,  Bd.  26,  S.  310. 


538  IX  C.     D  i  e  t  e  r  i  c  h  ,  Die  Nebennutzungen  im  Walde. 

sonst  der  Boden  zu  lange  unbedeckt  bleibt  und  die  Zuführung  der  leicht  lösbaren 
Nährstoffe  aus  der  Streu  dem  Boden  vorenthalten  wird.  Besonders  gilt  diese  Regel 
für  die  tätigen  Kalkböden ;  je  humusreicher  der  Boden  ist,  um  so  eher  kann  von  der 
Regel  abgewichen  werden. 

4.  Beim  Streurechen  darf  nur  der  unverweste  Laub-  und  Nadelabfall  entfernt 
werden,  nicht  auch  die  eigentlichen  humosen  Schichten;  es  sollen  deshalb  nur  solche 
Geräte  zugelassen  werden,  welche  für  Einhaltung  dieser  Bedingimg  Gewähr  leisten, 
d.  s.  hölzerne  Rechen  (keine  eisernen). 

5.  Während  jede  unmäßige  Streunutzung  als  für  die  Waldwirtschaft  bei  richtiger 
Bilanzaufstellung  verlustbringend  verurteilt  werden  muß,  soll  diese  Nebennutzung 
überall  da  erhoben  werden,  wo  sie  der  Pflanzenvegetation  keinen  Vorteil  bringt, 
also  —  abgesehen  von  dem  nur  bedingt  eingeräumten  Fall  der  Rohhumusbildung 
innerhalb  Bestands  —  auf  Wegen,  Linien,  in  Gräben  usf.  Um  dem  Streubedarf 
der  Bevölkerung  entgegenzukommen,  wie  auch  aus  Rentabilitätsrücksichten  wird 
der  Forstwirt  gut  daran  tun,  die  nicht  bestockten  und  nur  mit  unverhältnismäßig 
hohen  Kosten  kultivierbaren  Flächen  innerhalb  Walds  zur  Streuproduktion  (Streu- 
wiesen) heranzuziehen  und  geeignetenfalls  für  sonstige  Streuersatzstoffe,  z.  B.  durch 
Reisstreuabgabe  oder  ev.  durch  Torfstreugewinnung  auf  den  Riedflächen,  Sorge  zu 
tragen. 

Betreffend  die  Verwertungsart  ist  noch  zu  bemerken,  daß  entweder 
freihändige  Abgabe  (z.  B.  an  Waldarbeiter,  Revierinsassen)  oder  Aufstreichsverkauf 
(in  Notjahren  ev.  unter  beschränkter  Konkurrenz),  nicht  aber  die  Ausstellung  von 
Erlaubnisscheinen  (sog.  Einmiete)  zu  empfehlen  ist. 

Mit  Rücksicht  auf  Einhaltung  der  oben  angegebenen  Regeln  wäre  es  an  sich 
ratsam,  die  Streu  nur  in  Haufen,  nach  vorheriger  Aufbereitung  durch  die  Waldarbeiter, 
zu  verkaufen.  Bei  Arbeitermangel  sowie  im  Interesse  der  Käufer  wird  aber  die  Auf- 
bereitung durch  den  Empfänger  häufig  nicht  zu  umgehen  sein;  die  bäuerliche  Bevölke- 
rung rechnet  ja  bei  solchen  Abgaben  die  eigene  Arbeitsleistung  gar  nicht  oder  nur  sehr 
nieder  ein.  Durch  strenge  Ueberwachung  und  entsprechende  Verkaufsbedingungen 
muß  mißbräuchlicher  Nutzungsüberschreitung  vorgebeugt  werden. 

IL  Die  Nutzung  der  Nebenerzeugnisse  des  Waldbodens. 

1.  Die  pflanzliehen  Nebenerzeug-nisse. 

§  11.  Allgemeines. 

Es  handelt  sich  um  diejenigen  Gewächse,  welche  der  Waldboden  neben  seiner 
bestimmungsgemäßen  Vegetation  hervorbringt.  Dabei  ist  zunächst  zu  unterscheiden 
zwischen  der  von  Natur  sich  einstellenden  (durch  menschliche  Eingriffe  allerdings 
möglicherweise  heraufbeschworenen)  Begleitflora  und  andererseits  den  vom  Forstwirt 
selbst  angebauten  Gewächsen  (Waldfeldbau). 

Innerhalb  der  ersteren  Gruppe  ergibt  sich  eine  weitere  Gliederung  nach  dem 
Nutzungszweck,  indem  jene  Nebengewächse  teils  zur  Einstreu,  teils  als  F  u  1 1  e  r- 
Stoffe,  teils  in  sonstiger  Weise  Verwendung  finden.  Vorwiegend  sind  es 
also  Nutzungen  zugunsten  der  Landwirtschaft,  von  größerem  Wert  im  allgemeinen 
nur  für  diejenigen  Waldbesitzer,  welche  die  Bedürfnisse  der  eigenen  Landwirtschaft 
damit  befriedigen  können;  im  übrigen  liegt  ihre  Bedeutung  mehr  auf  volkswirtschaft- 
lichem Gebiet  als  auf  privatwirtschaftlichem,  und  soweit  letzteres  zutrifft,  mehr  auf 
dem  Gebiet  des  Waldbaus  als  auf  dem  der  Forstbenutzung.  Faßt  man  den  Gesamt- 
erfolg der  Waldwirtschaft  ins  Auge,  so  sind  diese  Nutzungen,  wie  die  im  vorigen 


Pflanzliche  Nebenerzeugnisse  (Moosstreu).     §  12.  539 

Abschnitt  besprochenen,  vor  allem  hinsichtlich  ihrer  Rückwirkung  auf  das  Wald- 
boden- und  das  Waldbestandeskapital  zu  prüfen.  Dies  ist  umso  wichtiger,  als  es  sich 
bei  den  meisten  nicht  um  einzelständige,  im  allgemeinen  ziemlich  indif- 
ferente Arten  handelt,  sondern  um  bestandesbildende;  soweit  solche  eine 
geschlossene  Decke  bilden,  sind  sie,  nach  Ramann  (Bodenkunde  1911,  S.  462) 
„geradezu  entscheidend  für  die  Eigenschaft  der  Böden".  Es  sind  entweder  nützliche 
Begleitpflanzen,  deren  Entfernung  nicht  ungestraft  erfolgen  kann,  oder  schädliche, 
mit  deren  Beseitigung  aber  das  Uebel  meist  nicht  an  der  Wurzel  gefaßt  ist;  denn 
häufig  sind  sie  lediglich  die  Folgen  eingetretener  Bodenveränderung.  Ob  einzelne 
Gewächse  schädlich  oder  nützlich  bezw.  unter  welchen  Verhältnissen  sie  schädlich 
oder  nützlich  sind,  ist  freilich  ein  noch  nicht  befriedigend  gelöstes  biologisches  Problem. 

Die  lebende  niedrigwüchsige  Bodendecke  trägt  mit  ihren  absterbenden  Teilen 
(Wurzeln,  Kriechorganen,  Blättern  usf.)  wie  die  Bäume  selbst  zur  Hunmsbildung, 
leider  häufig  auch  zur  Trockentorfbildung  bei;  insofern  übt  sie  ähnliche  Wirkungen 
wie  die  Laub-  und  Nadeldecke  aus.  Daneben  entzieht  sie  aber  dem  Boden  Feuchtigkeit 
und  Nährstoffe,  den  jungen  Pflanzen  durch  ihr  Wachstum  Licht  und  Wärme,  kurz, 
sie  tritt  in  Nahrungs-Konkurrenz  mit  den  Holzpflanzen.  Je  verschiedener  die 
Existenzbedingungen  sind,  um  so  unschädlicher  ist  i.  allg.  diese  Konkurrenz; 
andererseits  besteht  zwischen  manchen  Pflanzengesellschaften  ein  gegenseitiges  Hilfe- 
und  Schutzverhältnis;  in  diesem  Sinne  spricht  man  von  nützlichen  Begleitpflanzen. 

Entsprechend  der  oben  angegebenen  Gliederung  ist  zunächst  die  Moos-  und  die 
L'nkräuterstreu  zu  besprechen,  hernach  die  Nutzung  der  Futterstoffe;  hierbei  ist  wieder 
zu  unterscheiden  die  Nutzung  der  Futterstoffe  durch  Menschenhand  (Grasnutzung) 
und  diejenige  durch  die  Tiere  selbst  (Waldweide).  Hieran  reiht  sich  die  Behandlung 
der  sonstigen  pflanzlichen  Nebennutzungen  (Seegras,  Beeren,  Pilze  u.  a.)  und  zuletzt 
der  Waldfeldbaubetrieb. 

§  12.    Die  Moosstreunutzung. 

Literatur:  Die  meisten  der  oben  bei  §  10  angegebenen  Arbeiten  (vor  allem  Ramann, 
Schwappach,  Böhmerle);  ferner:  Zederbauer:  Moose  und  Flechten  in  den  \'er- 
suchsbeständen  im  großen  Föhrenwald  (Mitt.  d.  k.  k.  forstl.  Versuchsanstalt  Mariabrunn)  C.  f. 
d.  g.  F.  1906,  S.  165;  Ha  m  m  ,  Die  Moose  und  die  Erhaltung  der  Waldbodenkräfte,  F.  Cbl. 
1906,   S.   611. 

Rein  naturgeschichtlich:  Roth,  Die  europäischen  Laubmoose;  D  e  r  s.,  Die  Torfmoose 
(Engelmann,  Leipzig  1906). 

Vorauszuschicken  ist,  daß  außer  zur  Einstreu  im  Stall  einzelne  Moose  auch  als 
Deck-  und  Ziermittel  für  gärtnerische  Zwecke  usf.  abgegeben  werden;  Polytrichum 
commune  findet  Verwendung  zur  Bürstenfabrikation. 

Die  Moose  finden  sich  in  größerer  Menge  meist  nur  in  Nadelholzbeständen,  vor 
allem  unter  Fichte  und  Tanne,  im  Laubwald  läßt  unter  normalen  Verhältnissen  der 
Laubabfall  das  Moos  nicht  aufkommen.  Es  würde  zu  weit  führen,  alle  wichtigeren 
Moosarten  liier  aufzuzählen;  am  bekanntesten  sind  von  den  Laubmoosen  i.  e.  S.  Hylo 
comium  splendens,  triquetrum,  squarrosum,  Hypnum  Schreberi,  purum,  cuspidatum 
u.  a.,  mehrere  Polytrichum- Arten.  Dicranum  scoparium;  ferner  sind  zu  nennen  die 
Sphagnaceen  oder  Torfmoose. 

Was  nun  zunächst  den  Streuwert  der  Moose  anbelangt,  so  ist  derselbe  ein  ziem- 
licher hoher,  um  so  höher,  je  trockener  die  Moose  in  Verwendung  gebracht  werden 
können;  die  triefenden  Sumpfmoospolster  dürften  darum  weniger  beliebt  sein;  wegen 
größerer  Ergiebigkeit  sind  aber  die  dichteren  Moosdecken  vorzuziehen.  Hinsichtlich 
Aufsaugungsfähigkeit  wie  hinsichtlich  Stickstoffgehalt  ist  die  Moosstreu  im  allge- 
meinen dem  Stroh  überlegen,  an  Kali-  und  Phosphorgehalt  steht  sie  nur  wenig  zurück, 
auch  ihre  Zersetzbarkeit  —  zwar  verschieden  bei  den  einzelnen  Arten  —  ist  im  großen 


540  IX  C.     D  i  e  t  c  r  i  c  h  ,  Die  >iebennutzungcn  im  Walde. 

und  ganzen  günstig.  Funke  taxiert  den  Streuwert  der  Moose,  verglichen  mit  Stroh 
zu  Vi'42-  Der  Moosstreuertrag  ist  am  höchsten  im  Schatten  leicht  durchbrochener 
Fichten-  und  Tannenalthölzer,  bei  stärkerer  Schlußunterbrechung,  geht  die  Moos- 
vegetation zurück;  ein  höheres  Maß  von  Luft-  und  Bodenfeuchtigkeit  befördert  die 
Moosbildung.  Genauere  Angaben  über  die  reinen  Moosstreuerträge  liegen  nicht  vor, 
die  Moose  werden  eigentlich  nur  in  Untermengung  mit  Nadelabfall  gewonnen.  Bei 
intensivem  Streunutzungsbetrieb  ist  der  Ertrag  natürlich  wesentlich  geringer.  B  ö  h- 
m  e  r  1  e  z.  B.  stellt  fest,  daß  in  den  alle  5  Jahre  berechten  Flächen  die  Moosbildung 
gering  sei,  kaum  über  die  Streudecke  heraussehe.  In  den  Nadelholzbeständen  des 
Württemberg.  Schwarzwalds  fanden  sich  bei  Probeerhebungen  ca.  4  500 — 6  140  kg 
lufttrockene  Moosstreu  ^)  (einschl.  Nadelabfall)  pro  ha.  Wesentlich  größere  Mengen 
ergaben  ca.  20  cm  starke  Hypnumlager  in  der  Lüneburger  Heide,  über  die  Albert 
i.  d.  Z.  f.  F.  u.  J.  1912  S.  2  berichtet:  bei  radikaler  Entfernung  der  ganzen  Moos- 
decke 85  500  kg  Trockensubstanz  pro  ha.  Als  Gewicht  der  lufttrockenen  Moosstreu 
gibt  Ebermayer  77 — 100  kg  pro  cbm  an,  bei  20 °ö  ca.  104  kg. 

Die  Frage,  ob  die  Moosdecke  im  einzelnen  Fall  als  schädlicher  oder  nützlicher 
Bodenüberzug  zu  betrachten  ist,  dürfte  zunächst  weniger  nach  Moosarten  als  nach 
den  Standortsverhältnissen  und  nach  der  Dichte  der  Moospolster  zu  beurteilen  sein, 
sowie  nach  dem  Umstand,  ob  die  Moose  von  Trockentorfschichten  unterlagert  sind 
oder  nicht;  dieselben  Moosarten  können  an  einer  Stelle  als  günstige,  an  andern  als 
ungünstige  Bodendecke  erscheinen;  die  meisten  Hypnumarten  —  gemeiniglich  als 
Astmoose  bezeichnet  —  zeigen  für  gewöhnlich  lockere  Struktur,  einzelne,  wie 
Hypnum  Schreberi,  kommen  aber  auch  in  dichten  Polstern  und  mit  Trockentorf  bil- 
dung vor;  die  sog.  Haftmoose  (Polytrichum,  Dicranum),  vermöge  ihrer  starken 
Wurzelhaare  an  verhärtete  Böden  mit  wechselndem  Wassergehalt  angepaßt,  können 
auch  nicht  unbedingt  als  nützliche  oder  schädliche  Bodenpflanzen  bezeichnet  werden; 
dagegen  weisen  die  Torfmoose  meist  auf  beginnende  Vertorfung  und  auf  Nähr- 
stoffmangel hin;  durch  ihre  schwammartigen,  oft  beinahe  undurchdringlich  dichten 
Polster  tragen  sie  noch  weiter  zur  Bodenentartung,  Vermoorung  oder  Trockentorf- 
bildung bei;  solche  Böden  zeigen  in  extremem  Maß  die  üblen  Folgen  der  im  vorigen 
Abschnitt  besprochenen  ungünstigen  Humusformen.  Was  die  dichten  Moospolster 
gegenüber  den  Laub-  und  Nadelstreuanhäufungen  besonders  unangenehm  macht, 
ist  ihr  eigener  Wasserbedarf  und  ihre  außerordentlich  hohe  Wasserkapazität,  ver- 
möge deren  sie  dem  unterliegenden  Boden  und  den  Pflanzenwurzeln  erheblich  mehr 
Feuchtigkeit  vorenthalten;  sie  verdunsten  auch  viel  stärker  als  die  Laubstreu,  da  sie 
mehr  der  Luftbewegung  ausgesetzt  sind.  Dazu  kommt  als  weitere  Folge  der  Wärme- 
entzug, der  in  Waldgebieten  mit  an  sich  rauhem  Klima  und  hoher  Niederschlags- 
menge für  Bodenzustand  und  Bestandesverjüngung  entschieden  nachteilig  wirken 
muß.  Für  die  höheren  Lagen  des  Schwarzwalds  wird  diesem  Umstand  die  Haupt- 
schuld an  dem  Versagen  der  Tannenverjüngung  beigemessen  -);  A  1  b  e  r  t  stellt  Wärme- 
mangel zwar  auch  für  die  dichten  Moosdecken  der  Lüneburger  Heide  fest,  fügt  aber 
bei,  die  biologischen  Vorgänge  im  Boden  hätten  darunter  nicht  gelitten.  Von  vielen 
Schriftstellern  ')  wird  die  ungünstige  Einwirkung  der  dichten  Moosdecke 
auf  Boden,  Bestandeszuwachs  omd  Bestandesverjüngung  als  Grund  zur   E  n  t  f  e  r- 

1)  Nach  Mitt.  v.  B  ü  h  1  e  r  1.  d.  2.  Aufl.  d.  Handbuchs. 

2)  Vergl.  S  t  o  1 1  ,    i.  N.  Z.  f.  F.  u.  L.  1909,  S.  279  tf. 

3)  So  von  B  ö  h  m  e  r  1  e  ,  Z.  f.  d.  g.  F.  1906,  S.  115,  H  a  m  m  (a.  a.  O.),  v.  B  e  n  l  h  e  i  m  , 
.\nregungen  zur  Weiterbildung  der  Forstwirtschaft  und  Forstwissenscliaft  (1901),  E  b  e  r  li  a  r  d  , 
A.  F.  u.  J.  Z.  1908,  S.  113,  Ramm,  Die  Zukunft  des  würlt.  Schwarzwalds  (1911,  S.  57),  end- 
lich Wagner,  Der  Blendersaunischlag  und  sein  System  1912,  S.  109  ff. 


Pflanzliclu;   Ncljenorzougnissc  (Unkräuterstreu).     §  13.  541 

n  11  n  g  d  e  r  M  o  o  s  d  e  c  k  e  geltend  gemacht,  und  in  solchen  Fällen  die  Abgabe 
des  Mooses  als  Streumittel  an  die  landwirtschaftliche  Bevölkerung  empfohlen,  sei  es 
gegen  Geldleistung  oder  gegen  unentgeltliche  Uebernahme  der  Bodenbearbeitung 
durch  die  Abnehmer.  Anders  verhält  es  sich  mit  den  locker  auflagernden  Moos- 
schichten; R  a  m  a  n  n  sagt  hierüber  (1905  S.  349) :  „Locker  auflagernde  Moosschich- 
ten bieten  dem  Boden  Schutz  gegen  die  mechanische  Gewalt  des  fallenden  Regens, 
schwächen  Temperaturextreme  ab,  sind  leicht  durchlässig  für  Niederschläge  und 
mäßigen  die  Wasserverdunstung".  Die  Wirkung  solcher  Moosdecken  ist  also  dieselbe, 
wie  die  günstiger  Laub-  und  Nadeldecken.  A  1  b  e  r  1 1)  konnte  auch  mit  Hilfe  von 
Porenvolumen-Bestimmungen  feststellen,  ,,daß  durch  die  radikale  Entfernung  der 
iMoosdecke  ein  entschieden  ungünstiger  Einfluß  auf  den  physikalischen  Bodenzu- 
stand ausgeübt  wurde",  wie  dies  auch  schon  früher  auf  Streuversuchsflächen  beob- 
achtet worden  sei.  Er  erklärt  deshalb  die  radikale  Entfernung  selbst  der  starken 
Moosdecken  für  bedenklich.  Endlich  ist  auch  zu  beachten,  daß  mit  dem  Moos  dem 
Boden  Wasser  und  Nährstoffe,  namentlich  Stickstoff  entzogen  wird.  Neuerdings 
wird  von  mehreren  Forschern,  besonders  Möller  ^),  die  hohe  Bedeutung  der  Roh- 
humusschichten für  die  Stickstoffernährung  der  Holzpflanzen  besonders  betont. 

Bei  Vorkommen  dichter  und  von  Trockentorf  unterlagerter  Moospolster  sollte 
man  nicht  zögern,  die  oberste  lebende  Decke  zur  Nutzung  freizugeben,  aber  nicht  ohne 
noch  humose  Schichten  dem  Boden  zu  belassen  und  durch  gleichzeitige  Bodenbe- 
arbeitung für  Gesundung  der  Bodenverhältnisse  Sorge  zu  tragen.  In  solchen  Fällen 
dürfen  auch  eiserne  Rechen  zugelassen  werden,  denn  mit  hölzernen  kann  in  dichten 
Haft-  und  Torfmoosschichten  nicht  viel  ausgerichtet  werden. 

Zu  erwälinen  ist  noch,  dat3  aucli  mit  Rücl<siclit  auf  die  Unschädlichmachung  mancher 
im  Moos  überwinternder  Forstschädlinge  '),  vor  allem  der  Kiefernspanner  und  Eulen,  Moos- 
streunutzung gefordert  wurde;  es  ist  aber  mit  Recht  darauf  hingewiesen  worden,  daß  durch 
solche  Eingriffe  nur  dann  Erfolge  erzielt  werden  können,  wenn  die  humose  Schicht,  in  der  die 
Puppen  größtenteils  überwintern,  mit  entfernt  wird;  auch  fand  man,  daß  nur  bei  Belassung 
der  Streu  die  nützlichen  Schmarotzerinsekten  in  der  wünschenswerten  Menge  vorhanden 
waren. 

Die  Entfernung  lockerer  Moosdecken  sollte  jedenfalls  auf  Notfälle  beschränkt 
werden.  Im  großen  und  ganzen  wird  man  hierfür  dieselben  Regeln  wie  bezüglich  der 
Laubstreunutzung  aufstellen  können.  Die  Nutzungszeit  ist  so  festzusetzen,  daß  der 
Boden  in  der  trockenen  Jahreszeit  eines  schützenden  Bodenüberzugs  nicht  entbehren 
muß. 

§  13.    Die    Unkräuter  Streunutzung. 

Im  Gegensatz  zur  ,, Rechstreu"  (Moos-,  Laub-,  Nadeldecke)  auch  als  ,, Mähstreu" 
bezeichnet,  umfaßt  diese  Gruppe  eine  Anzahl  systematisch  verschiedenartiger  Ge- 
wächse, vor  allem  die  Farne,  die  Beerkräuter,  die  Heide  und  den  Besenginster.  Farne 
(namentlich  Aspidium),  Heidel-  und  Preißelbeere  treten  schon  im  Schatten  leicht 
durchbrochener  Bestände  auf,  während  Heide  und  Besenginster  ein  üppiges  Wachs- 
tum erst  bei  höherem  Lichtgenuß,  am  meisten  im  Freistand,  entfalten. 

Hinsichtlich  ihres  S  t  r  e  u  w  e  r  t  s  verhalten  sich  diese  Pflanzen  sehr  verschie- 
den: obenan  stehen  die  Farnkräuter;  sie  können  an  Streuwirkung,  besonders  an 
Aufsaugungsvermögen,  wie  auch  an  Menge  und  Zersetzbarkeit  der  organischen  Sub- 
stanz dem  Stroh  gleichgestellt  werden  (F  u  n  k  e  a.  a.  0.  S.  31);  ihr  Gehalt  an  wichti- 
gen Pflanzennährstoffen  ist  höher  als  bei  den  andern  Strcumitteln;  F  u  n  k  e  schlägt 


1)  a.  a.  O. 

2)  Z.  f.  F.  u.  J.  1903,  S.  258  f.;  diese  Fragen  wurden  auch  bei  derV.  und  \'I.  Hauptversamm- 
lung des  Deutschen  Forstvereins  lebhaft  besprochen,  s.  die  Berichte  1904,   S.  33  ff.,  1905  S.  164  ff. 

3)  \'ergl.  Bericht  über  die  Eisenacher  Forstversammlung  S.  33  ff. 


542  IX  C.     Dieterich,  Die  Nebennutzungen  im  Walde. 

deshalb  den  landwirtschaftlichen  Gebrauchswert  der  Farnkräuter  im  Vergleich  zum 
Stroh  zu  4/3  an;  dabei  ist  natürlich  Verwendung  in  getrocknetem  Zustand  vorausge- 
setzt. Geringwertiger  als  Stroh  sind  Heide  und  Beerkräuter,  am  wenigsten  beliebt, 
aber  im  Notfall  doch  auch  noch  begehrt,  ist  die  grobe  Ginsterstreu.  Funke  be- 
rechnet den  Streuwert  der  Heide  zu  Vi  84'  ^^^^  '^^^  Heidelbeeren  zu  Vi,7o  '^^^  Stroh- 
werts. Uebrigens  bestehen  große  Unterschiede  je  nach  der  Stärke  der  verwendeten 
Pflanzenteile;  denn  je  größer  der  Anteil  grober  verholzter  Sprosse,  umso  geringer  ist 
das  Aufsaugungsvermögen  und  die  Zersetzbarkeit  der  Streu.  Ebenso  verschieden 
ist  die  Einwirkung  der  hier  zu  besprechenden  Waldflora  auf  den  Boden;  ent- 
scheidend ist  auch  hiebei  das  Maß  der  Trockentorfbildung.  R  a  m  a  n  n  befaßt 
sich  (Bodenkunde  1905,  S.351  ff.  und  1911,  S.469)  eingehend  mit  dieser  Frage.  Hier- 
nach können  die  Farne  (vor  allem  Pteris  acjuilina,  weniger  die  Aspidium-Arten) 
im  allgemeinen  als  Bodenschutzpflanzen  gelten,  immerhin  ist  Neigung  zu  Trocken- 
torfbildung vorhanden.  Besenginster  äußert  dem  Boden  gegenüber  keine  nachteiligen 
Eigenschaften,  bildet  vielmehr  einen  willkommenen  Bodenschutz.  Ausgesprochene 
Rohhumusbildner  dagegen  sind  Heidelbeere,  Preißelbeere  und  Heide.  Die  absterbenden 
Kriechtriebe  der  Heidelbeere  gehen  unter  einem  dichten  Pflanzen- 
überzug in  Trockentorf  über;  noch  ungünstiger,  weil  dichter  gelagert,  ist  der  Roh- 
humus der  Preißelbeere;  am  nachteiligsten  ist  der  Heidehumus,  der  von  einem  in 
speckigen  Torf  übergehenden  Wurzelfilz  gebildet  wird,  unter  dem  die  bekannten 
Bodenerkrankungen,  Ortstein  usf.  auftreten.  Wenn  meist  auch  nur  Folgeerschei- 
nung vorhandener  Mißstände,  trägt  der  Heidetrockentorf  doch  zur  Bodenverschlechte- 
rung noch  weiter  bei. 

Vermöge  ihres  Längenwachstums  wirken  diese  Bodenpflanzen,  vor  allem  Farne 
und  Ginster,  weniger  die  niedrig  bleibende  Preißelbeere,  verdämmend  auf  die  jungen 
Pflanzen  der  Schläge  und  Unterbauungen  ein;  ihre  Schutzwirkung  gegen  Frost  und 
Hitze  fällt  meist  weniger  ins  Gewicht  als  die  Wurzelkonkurrenz  und  die  Vorweg- 
nahme von  Licht  und  Niederschlagsfeuchtigkeit  ^). 

Die  Entfernung  dieser  Bodenkräuter  ist  sonach  in  vielen  Fällen  durchaus  er- 
wünscht und  wird  zum  Teil  mit  hohen  Kosten  bewerkstelligt.  Wo  dies  zutrifft,  ist 
es  natürlich  Aufgabe  des  Forstwirts,  für  bestmögliche  Verwertung  dieser  Unkräuter 
Sorge  zu  tragen.  Im  übrigen  aber  gilt  auch  hier  der  Grundsatz,  daß  den  ohnehin 
armen  zur  Rohhumusbildung  neigenden  Waldböden  nicht  auch  die  letzte  Nährstoff- 
quelle, der  Humus,  entzogen  werden  darf,  daß  vielmehr  in  erster  Linie  für  dessen 
Ueberführung  in  physikalisch  günstigere  Formen  Sorge  getragen  werden  muß.  Eine 
fortgesetzte  Heide-  und  Beerkrautstreu-Nutzung  führt  allmählich  zur  gänzlichen 
Verödung  des  Bodens.  Streng  verpönt  ist  mit  Recht  auch  die  Gewinnung  von  Heide- 
plaggen, bei  welcher  die  ganze  Humusschicht  als  Streu  mit  genutzt  wird. 

§14.    Die    Grasnutzung    (Futtergras). 

Zur  Erhöhung  der  Nebeneinnahmen  sowohl  als  mit  Rücksicht  auf  den  Bedarf 
der  ärmeren  viehhaltenden  Bevölkerung  sollte  jeder  Graswuchs  auf  Wegen,  Abtei- 
lungslinien, Böschungen  und  sonstigen  holzlos  bleibenden  Waldflächen  genutzt  wer- 
den ^).  Bedenken  können  aber  geltend  gemacht  werden  bezüglich  der  Nutzung 
des  innerhalb  der  Bestände  sich  einstellenden  Graswuchses.  Unter  Lichthölzern  be- 


1)  Besonders  der  Besenginstcr  maclit  sicti  in  manchen  Gegenden  als  äußerst  lästiges  Kul- 
turunkraut bemerklich  (R  u  n  n  e  b  a  u  m  ,  Z.  f.  F.  u.  J.  1899). 

2)  Die  Grasnutzung  auf  ständigen  Waldwiesen  ist  als  eine  selbständige  landwirtschaftliche 
Nutzung  hier  nicht  zu  behandeln.  Vergl.  hierüber  Strecker,  Die  Kultur  der  Wiesen,  2.  Aufl. 
1906  bei  P  a  r  e  y  ;  ferner  König,  Die  Pflege  der  Wiesen  und  Weiden  1906  bei  Parey ;  D  ü  n- 
k  0  1  b  e  r  g  ,    Der  Wiesenbau  (Braunschweig  1907). 


Pflanzliche  Nebenerzeugnisse  (Futterstoffe).     §§  11,  15.  543 

sonders  auf  tonigen  und  frischen  Böden,  sehen  wir  schon  im  Stangenholzalter  aller- 
hand Gräser  sich  ansiedeln,  auf  trockenen  Lagen  die  sog.  Angergräser;  derselbe 
Vorgang  vollzieht  sich  bei  Durchlöcherung  des  Bestandesschlusses  auch  in  Schatten- 
holzbeständen; in  den  Schlägen  und  Kulturen  zeigt  sich  häufig  ein  sehr  üppiger 
Graswuchs.  Zur  Verwendung  als  Futterstoffe  eignen  sich  am  besten  die  bei  vollem 
Licht  erwachsenen  breitblätterigen  Süß-Gräser  frischer,  nährstoffreicher  Böden ;  die 
eigentlichen  Angergräser  (Agrostis  und  Festuca-Arten)  ebenso  wie  die  Sumpf-  und 
Schilfgräser  können  als  Streumaterial  genutzt  werden,  die  letztgenannten  bei  Vor- 
kommen in  größeren  Mengen  zum  \'erkauf  an  Weißputzer.  Ueber  den  Futterwert 
der  Waldgräser  fehlen  genauere  Angaben;  derselbe  ist  nach  Standort,  Bestand, 
Jahreswitterung  usf.  verschieden;  nur  soviel  steht  fest,  daß  in  vielen  Gegenden  die 
Grasnutzung  von  der  Bevölkerung  sehr  begehrt  ist.  Nach  Gayer- Mayr  (Forst- 
benutzung) kann  günstigenfalls  eine  Waldgrasproduktion  von  ca.  700 — 900  kg  Heu- 
wert pro  ha  gerechnet  werden.  Noch  weitere  mittelbare  Vorteile  bietet  diese  Nebeii- 
nutzung  durch  die  rechtzeitige  Entfernung  des  in  vielen  Beständen  lästigen  Unkrauts; 
denn  während  der  Vegetationszeit  entzieht  ein  üppiger  Graswuchs  den  jungen 
Forstpflanzen  Licht,  Tau-  und  Regenfeuchtigkeit  und  erhölit  durch  seine  lebhafte 
Verdunstung  die  Spätfrostgefahr;  im  Winter  bieten  die  verdorrenden  Grasfilze  den 
Mäusen  willkommenen  Unterschlupf  und  setzen  die  kleinen  Forstpflanzen  dem  Er- 
stickungstod aus ;  im  Spätwinter  erhöhen  sie  die  Feuersgefahr. 

Diesen  vorteilhaften  Wirkungen  der  Grasentnahme  stehen  allerdings  auch  manche 
Nachteile  entgegen.  In  einzelnen  Lagen  schätzt  itian  den  Grasüberzug  als  Schutz 
gegen  die  sommerliche  Hitze  ^).  Außerdem  befürchtet  man  nicht  mit  Unrecht  Be- 
schädigung der  Pflanzen  bei  Ausübung  der  Nutzung  sowie  Erschöpfung  und  physi- 
kalische Verschlechterung  des  Bodens.  Das  einfachste  Mittel  zur  Behebung  aller 
dieser  Bedenken  ist  die  Verhinderung  oder  wenigstens  Beschränkung  des  Graswuchses 
durch  entsprechende  waldbauliche  Maßnahmen. 

Die  Verwertung  des  Waldgrases  erfolgt  entweder  in  der  Form  der  Ausstellung 
von  Erlaubnisscheinen  (sog.  Einmiete)  oder  durch  Verkauf  der  Jahresnutzung  vor 
der  Ernte  (Aufstreichsverkauf  oder  freihändige  Abgabe).  Die  erstere  Verwertungsart 
wird  meist  für  das  Gras  in  Kulturen,  die  letztere  für  den  Grasanfall  auf  Wegen  usf. 
gewählt.  Abgabe  des  schon  ausgeschnittenen  Grases  kommt  wohl  nur  ganz  ausnahms- 
weise vor.  Auf  Wegen,  Schneisen  usf.  erfolgt  die  Grasgewinnung  durch  Abmähen 
mit  der  Sense  oder  Sichel;  innerhalb  der  Ivulturen  ist  der  Gebrauch  der  Sense  zu 
verbieten,  höchstens  die  Sichel  zuzulassen,  häufig  wird  auch  das  Ausrupfen  mit  der 
Hand  zur  Bedingung  gemacht.  Durch  entsprechende  Vorschriften  ist  der  Pflanzen- 
beschädigung (Abschneiden,  Zusammentreten  usf.)  vorzubeugen. 

§15.    Die  Wald  weidenutzung. 

Literatur:  Hundeshagen,  Waldweide  und  Waldstreu  1830;  F  u  n  k  e  (s.  v.  bei  §  10) ; 
I  u  g  o  w  i  z  ,  Wald  und  Weide  in  den  Alpen,  Wien  1908;  ferner  forstgeschichtliche  Werke  und 
die  im  einzelnen  zitierten  Aufsätze. 

In  weiten  Gegenden  hat  diese  Art  der  Futterstoffnutzung  heutzutage  nur  noch 
historische  Bedeutung,  nachdem  sie  sich  infolge  der  intensiveren  Ausgestaltung  des 
landwirtschaftlichen  Betriebs  überlebt  hat.  Früher  war  die  Waldweide  allgemein 
üblich,  ja  meist  wichtiger  als  die  Holzproduktion.  Bei  der  Siedelung  wurde  der  Wald 
zur  Gewinnung  von  Weideflächen  durch  Feuer  zerstört  —  wie  es  heute  noch  in  Amerika 


1)  Daß  die  Unkräuter  in  dieser  Hinsicht  sicli  je  nach  Standort  und  Bestandesboscliaffenhcit 
den  Kulturpflanzen  gegenüber  sehr  verschieden  verhalten,  zeigten  die  \'crliandlungen  des  Deut- 
schen Forstvereins  i.  J.  1905  über  das  Thema  ,,Die  Folgen  der  vorjährigen  Dürre"  (Bericht 
S.   79  ff). 


544  IX  C.     Dietericli,  Die  Nebennutzungen  im  Walde 

und  sonsten  vorkommt  — ;  allmählich  hatten  sich  mit  Rücksicht  auf  die  Weide- 
nutzung besondere  Waldformen  und  Betriebsarten  herausgebildet,  der  Plenterwald, 
der  Mittehvald,  die  Hutewaldungen,  die  Myteweiden  i),  der  Kopfholzbetrieb  usf.; 
auch  im  Hackwaldbetrieb  spielt  die  Weide  eine  Rolle.  In  Gebirgsländem  hat  sich 
die  Weidenutzung  noch  erhalten,  sie  ist  aber  auch  dort  durch  den  freien  Entschluß 
verständiger  Grundbesitzer  und  durch  Polizeivorschriften  in  maßvolle  Schranken 
zurückgedrängt  worden  ^).  Ueberall  besteht  das  Bestreben,  die  Waldwirtschaft  mit 
der  Weidenutzung  auszusöhnen  teils  durch  lokale  Gebietsabscheidung,  teils  durch 
Bannlegung  bestimmter  Waldteile  während  des  meistgefährdeten  Alters.  In  solchen 
Gegenden,  die  ausschließlich  auf  Viehzucht  ohne  Getreidebau  angewiesen  sind,  hat 
der  Forstwirt  als  ,, Alpenkultivator"  geradezu  die  Aufgabe,  für  geregelten  und  un- 
gestörten Weidebetrieb  mit  Sorge  zu  tragen  (Lawinenverbauung,  Schutzwaldwirt- 
schaft usf.).  Anderwärts  wird  vom  Vieheintrieb  in  die  Waldungen  nur  noch  als  Not- 
behelf Gebrauch  gemacht,  z.  B.  in  Dürrjahren,  zugunsten  angesiedelter  Waldarbeiter, 
ärmerer  Revierinsassen  u.  dgl.  ^);  auch  als  Berechtigung  hat  sich  der  Weidegang 
noch  da  und  dort  erhalten;  für  Gemeinde-  und  namentlich  Bauernwaldungen  spielt 
diese  Nebennutzung  unter  ärmeren  Bodenverhältnissen  und  parzelliertem  Kleinbesitz 
noch  immer  eine  wichtige  Rolle. 

Genaue  Angaben  über  den  Weideertrag  der  Waldungen  stehen  nicht  zu  Gebot. 
Die  Menge  und  Nährkraft  des  Graswuchses  ist  verschieden  nach  Standort,  Lichtgrad, 
Jahreszeit  und  Jahreswitterung.  Vergl.  (§  14).  Im  rauheren  Klima  drängt  sich  die 
Weideausübung  auf  kurze  Zeit  zusammen;  der  Juni  gilt  im  großen  ganzen  als  die 
beste  Weidezeit.  Während  das  Gras  im  Genuß  vollen  Sonnenlichts  üppiges  Wachs- 
tum und  höchsten  Nährgehalt  aufzuweisen  hat,  sind  die  Triebe  im  gedämpften  Licht 
(Mytwälder,  Lärchen-Bestände)  zarter  und  dem  Weidevieh  bekömmlicher;  auch 
bietet  sich  im  Bestand  Schutz  gegen  rauhe  Winde. 

Den  Wert  der  Waldweide  drückt  F  u  n  k  e  (a.  a.  0.  S.  5)  aus  durch  den  ,, Sät- 
tigungseffekt", den  ,, relativen"  und  den  ,, absoluten  Nähreffekt".  Unter  ersterem 
Begriff  versteht  er  die  zur  vollen  Sättigung  eines  bestimmten  Lebendgewichts  in 
1  Tag  erforderliche  Menge  Trockensubstanz,  bezogen  auf  mittleres  Wiesenheu*); 
Der  zweite  Begriff  bezeichnet  die  Nahrhaftigkeit  eines  bestimmten  Quantums  Weide- 
futter, verglichen  mit  derselben  Menge  Wiesenheu.  Funke  schätzt  sie  auf  -/s — Vi 
des  Wiesenheus,  je  nach  Lichtgrad  usf.  Der  ,, absolute  Nähreffekt"  bildet  das  Produkt 
der  beiden  Vergleichsgrößen.  Für  die  Höhe  des  Pachtgeldertrags,  der  meist  pro  Stück 
der  verschiedenen  Viehgattungen  und 'Altersstufen  ausgedrückt  wird,  ist  außerdem 
noch  die  Entfernung  der  Weide  vom  Wirtschaftshot  maßgebend. 

Um  die  Bedeutung  des  Weidegangs  für  die  Waldwirtschaft  darzutun, 
sind  die  schädigenden  Folgen  derselben  zu  besprechen;  Schaden  richten  das 
Maul  und  der  Tritt  des  Weideviehs  an :  während  Schafe  und  erwachsenes  Hornvieh 
im  allgemeinen  nur  bei  Nahrungsmangel  die  Pflanzen  angehen,  richtet  das  Jungvieh 
und  noch  weit  mehr  die  Ziege  durch  \'erbeißen  erheblichen  Schaden  an;  in  den  Mittel- 
meerländern ist  dem  planlosen  Weidegang  die  Entwaldung  ganzer  Landstriche  zu 
verdanken;  vor  der  Ziege  ist  keine  Holzart,  kein  noch  so  steiler  oder  hoch  gelegener 


1)  Vergl.  hierüber  Schw.   Z.   1907,   S.   359. 

2)  S.  Geschichte  der  Oesterreichischen  Forstwirtschaft  in  der  Jubiläumsfestschrift  1898 
bis  1902;  ferner  C  i  e  s  1  a  r  s  Bericht  über  schweizerische  Alpenländer  i.  Z.  f.  d.  g.  F.  1910,  S.  120; 
Schencks  Bericht  aus  Amerika  i.  d.  Suppl.  H.  d.  A.  F.  u.  J.  Z.  1910,  S.  131;  ebenda  S.  119 
V  i  1 1  0  r  i  0  s   Bericht  aus   Italien. 

3)  Vergl.  H  a  g  e  n  -  D  o  n  n  e  r  (a.  a.  O.)   S.   70. 

■t)  1,5 — 2  kg  Heu  auf  100  kg  Lebendgewicht  pro  Tag. 


Pflanzliclip   Nobpncrzcugnisse  (Waldweide,  Seegras),     §§  15,  16.  545 

Waldteil  sicher.  Am  meisten  gefährdet  sind  von  den  Laubholzarten  Esche,  Ahorn, 
Linde,  Hainbuche,  weniger  Eiche,  Erle,  Birke,  von  den  Nadelhölzern  am  meisten 
die  Tanne  und  Lärche.  Rindvieh  und  Pferde  schaden  ferner  flurch  Umtreten  der 
jungen  Pflanzen,  durch  Wurzelverletzung,  was  besonders  der  Fichte  verhängnisvoll 
wird,  durch  Benagen  der  Rinde  und  nicht  zuletzt  durch  Schädigung  des  Bodens, 
nämlich  durch  Abtreten  der  humoseu  Schicht  am  Hang  und  durch  Zerstörung  der 
Krümelstruktur. 

Dagegen  gewährt  der  Weidegang  dem  Wald  in  manchen  Fällen  auch  gewisse 
Vorteile,  so  vor  allem  durch  Beseitigung  schädlichen  Unkrauts  und  als  Maßregel 
gegen  Mäuseschaden;  der  Schafeintrieb  soll  speziell  auch  gegen  den  Rüsselkäfer 
helfen.  Der  Vollständigkeit  halber  ist  noch  zu  erwähnen,  daß  der  Schweineeintrieb, 
(der  streng  genommen  nicht  hierher,  sondern  in  den  Abschnitt  über  Samennutzung 
gehört),  neuerdings  wieder  ganz  besonders  als  Mittel  zur  Rohhumuslockerung  und 
zur  Unterstützung  der  natürlichen  Verjüngung  empfohlen  wird,  auch  zur  Vernich- 
tung der  im  Boden  überwinternden  Eulen-,  Spanner-  und  Blattwesp-Raupen.  Nur 
schade,  daß  die  erforderlichen  Schweineherden  nicht  überall  zu  haben  sind!  Als 
Maßnahme  gegen  jene  Insekten  wäre  in  diesem  Zusammenhang  auch  noch  der 
Eintrieb  von  Hühnern  i)  in  Nadelholzbestände  zu  erwähnen. 

Wo  die  Waldweide  aus  volkswirtschaftlichen  Gründen  oder  mit  Rücksicht  auf  die 
besonderen  Interessen  des  Waldbesitzers  oder  der  Waldbevölkerung  nicht  zu  umgehen 
ist,  sollte  sie  nur  unter  solchen  Bedingungen  zugelassen  werden,  welche  die  oben  ge- 
nannten Schädigungen  möglichst  ausschließen.  Die  meistgefährdeten  Bestände  sind 
zu  verbieten  und  jedenfalls  nur  solche  Kulturen  für  erwachsenes  Hornvieh  zu  öffnen, 
die  reichlich  Gras  bieten,  und  zwar  am  ehesten  noch  im  Juli,  zu  welcher  Zeit  das  Gras 
am  nährstoffreichsten  ist,  die  jungen  Holztriebe  aber  nicht  mehr  besonders  begehrens- 
wert sind.  An  Hängen  und  bei  nassem  Wetter  (jedenfalls  auf  strengen  Böden)  ist 
der  Weidegang  zu  untersagen.  Endlich  muß  die  Höchstzahl  des  einzutreibenden 
Weideviehs  festgelegt  und  die  Aufstellung  zuverlässiger  Hirten,  womöglich  eines  be- 
sonderen für  jede  Viehgattung  zur  Bedingung  gemacht  werden.  Wo  der  Weidegang 
im  großen  üblich  ist,  empfiehlt  es  sich,  einen  besonderen  Weidenutzungsplan  auf- 
zustellen. 

§  16.    Die  Nutzungsonstige  rwildwachsenderPflanzen. 

a)  Die  Seegrasnutzung  ^).  Sie  verdient  gesonderte  Besprechung,  da 
sie  in  einzelnen  Gegenden,  so  namentlich  im  badischen  und  württembergischen  Ober- 
land, im  bayrischen  Schwaben  und  in  Oberösterreich  eine  sehr  ergiebige  Nebenein- 
nahme darstellt  und  der  ansässigen  Bevölkerung  reichlich  Arbeit  und  Verdienst  bietet. 

Das  Seegras  (carex  brizoides)  kommt  im  allgemeinen  nur  auf  feucliten  Böden  und  in 
niederschlagsreichen  Gebieten  vor;  in  IMitlehvaldbeständen  und  durchlOelierten  Fichten-Alt- 
hölzern stellt  es  sich  mit  Vorliebe  ein,  um  dann  jahrelang  in  den  Schlägen  auszuhalten,  bis  es 
allmählich  von  der  jungen  Waldgeneration  wieder  verdrängt  wird.  Kahlflächenseegras  ist  an 
sich  ertragsreicher  und  wertvoller,  aber  mehr  der  Vernichtung  durch  Spätfröste  ausgesetzt 
als  das  im  Scluitz  des  AUholzes  stockende.  1  Hektar  Altholz-  bezw.  Kulturfläche  vermag  je 
nach  Boden-  und  Bestandesverhältnissen  alljährlich  10 — 75  Ztr.  lufttrockenes  Seegras  hervor- 
zubringen. Bei  guter  Ernte  werden  mit  Seegrasrupfen,  -Trocknen,  -Spinnen  usf.  zahlreiche 
Arbeitskräfte,  meist  Kinder  und  Frauen,  beschäftigt.  Die  Erträge  sind  zum  Teil  so  hoch,  daß 
die  Kulturkosten  für  Fichtenpflanzungen  annähernd  gedeckt  werden  können.  Für  1  Ztr.  Trocken- 
gewicht kann  der  Käufer  etwa  1  Mk.  50  Pfg.  bieten.  Das  Jahreserzeugnis  wird  meist  im  Juni 
auf  dem  Stock  verkauft,  wenn  sich  die  Erträge  annähernd  beurteilen  lassen;  nasse  Sommer 


1)  Vergl.  Z.  f.  F.  u.  J.  1908,  S.  246;  ferner  Frhr.  Spiegel  v.  u.  z.  P  e  c  k  e  1  s  h  e  i  m  , 
Rationelle  Geflügelzucht  etc.  (Neudamm  1909);  d'ers.  i.  Z.  f.  F.  u.  J.  1903,  S.  146. 

2)  Eingehend  besprochen  von  Dr.  R  e  b  e  1   und    Dr.  G  o  s  s  n  e  r   in  der    Nat.  Z.  f.  L.  u. 
F.   1907,   S.   249. 

Handb.  d.  Forstwiss.    3.  Aufl.  II.  35 


546  IX  C.     Dieterich,  Die  Nebennutzungen  im  Walde. 

können  aber  den  Ertrag  nocli  bedeutend  sclimälern.    ^"c^arbeitet  wird  das  Seegras  zu  Geflech- 
ten aller  Art,  zu  Läufern,  ^'o^lagen,   Seilen  usf. 

Wegen  seiner  verdämmenden  und  in  besonders  hohem  Maß  froststeigernden  Wirkung 
empfiehlt  sich  die  Entfernung  aus  den  jungen  Saat-  und  Pflanzbeständen;  die  Nutzung  steht 
insofern  mit  den  waldbaulichen  Rücksichten  in  Einklang.  Bei  fortgesetzter  Seegrasnutzung 
—  und  eine  solche  läßt  sich  je  nach  .\rt  der  Wirtschaft  bis  zu  20  ja  30  Jahren  in  demselben  Be- 
stand alljährlich  erheben  —  wird  aber  doch  eine  recht  erhebliche  Menge  von  Nährstoffen, 
besonders  Kali,  dem  Boden  entzogen;  langdauernde  Nutzung  hat  auch  Bodenverdichtung 
und  -Verhärtung  zur  Folge.  Es  fragt  sich,  ob  hierdurch  nicht  ein  Nachlassen  des  Holzzuwachses 
und  weitergehende  Schädigungen  (Rotfäule)  veranlaßt  werden.  Gossner  vergleicht  die 
Seegrasnutzung  mit  der  Streuentnahme  und  berechnet,  daß  sie  bezüglich  Nährstoffentzugs 
einer  intensiven  Streunutzung  gleich  zu  achten  sei.  Dabei  wird  allerdings  betont,  daß  dieses 
Gewächs  überhaupt  nur  auf  guten  Böden  vorkommt. 

Es  wird  also  auch  hier  der  Ausweg  zu  empfehlen  sein,  daß  man  sich  die  Ein- 
nahme aus  dieser  Nebennutzung  zwar  nicht  entgehen  läßt,  aber  zugleich  durch  wald- 
bauliche Maßnahmen  (natürliche  Verjüngung,  Kleinflächenwirtschaft  mit  kurzer 
Verjüngungsdauer)  den  Seegraswuchs  auf  möglichst  kurze  Zeit  einzuschränken  ver- 
sucht. 

b)  Beere  n-i)  und  Pilznutzung. 
Die  Waldbeeren  stellen  ein  sehr  geschätztes,  alljährlich  in  beträchtliclien  Mengen 
zu  Markt  gebrachtes  Nahrungs-  und  Genußmittel  dar.  Die  wiclitigeren  und  in  größeren  Mengen 
nutzbaren  Beeren  sind  die  Erdbeere  (Fragaria  vesca),  die  Brombeere  (Rubus  frulicosus),  die 
Himbeere  (Rubus  idaeus),  die  Heidel-  (Vaccinium  myrtillus)  und  die  Preißelheere  (\accinium 
vitis  Idaea).  Ueber  den  Wert  der  Beeren-Ernten  sind  schon  wiederholt  Schätzungen  ange- 
stellt worden,  so  berechnet  der  preußische  Oberförster  Hütterot-)  den  Wert  des  in  preußi- 
schen Staalsforsten  alljährlich  genutzten  Beerenanfalls  zu  15 — 33  Millionen  Mark;  von  anderer 
Seite  wird  er  zu  20  Millionen  veranschlagt. 

Es  sind  also  recht  hohe  Werte,  die,  ohne  dem  Waldbesitzer  einen  nennenswerten  Gewinn 
abzuwerfen,  alljährlich  aus  dem  Wald  bezogen  werden.  Dabei  darf  man  nicht  übersehen,  daß 
diese  Erzeugnisse  erst  durcli  die  Ernte  überhaupt  einen  Tauschwert  erlangen.  Während  aber 
die  unentgeltliche  oder  doch  nur  mit  ganz  niedriger  Zettelgebühr  belegte  Ueberlassung  der 
Beerenernte  an  die  Bevölkerung  als  Entgegenkommen  gegen  die  ,,scliwachen  Schultern"  vom 
Waldbesitzer  gedacht  ist,  kommt  sie  mehr  den  kapitalistischen  Unternehmern  zugute  (den 
Aufkäufern  und  Händlern  scheint  ein  recht  erkleckliclier  Gewinn  zu  verbleiben).  Es  wurde 
auch  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  durch  die  Beerenernte  der  Landwirtschaft  wertvolle 
Arbeitskräfte  zu  einer  Zeit  entzogen  werden,  wo  sie  am  dringendsten  erforderlich  sind  und 
für  das  Allgemeinwohl  viel  ersprießlichere  Dienste  leisten  könnten.  Unter  diesen  Gesichts- 
punkten wurden  schon  verschiedentlich  Vorschläge  ')  zur  Regelung  der  Beerennutzung  ge- 
macht, die  einerseits  dem  Waldbesitzer  einen  billigen  Anteil  an  dem  Ertrag  der  Nutzung  zu- 
sichern, andererseits  die  Beschäftigung  voll  arbeitsfähiger  Männer  mit  Beerensammeln  hintan- 
zuhalten suchten;  es  sollen  gegen  tarifmäßige  Gebühren  Erlaubnisscheine  zum  Sammeln 
im  großen  und  für  den  Verkauf  von  den  Forstbehörden  ausgestellt  werden  mit  der  Bedingung, 
daß  nur  Kinder,  Frauen  und  Invaliden  hiervon  Gebrauch  machen  dürfen.  Die  Bescliränkung 
der  Beerennutzung  ist  freilich  —  zumal  für  den  Staat  als  Waldbesitzer  —  eine  heikle  Sache, 
da  im  Volksbewußtsein  diese  frei  von  der  Natur  gebotenen  Früchte  als  Gemeingut  angesehen 
werden  und  vielfach  langjährige  .Ausübung  als  Rechtsgrund  geltend  gemacht  wird.  Aber  tat- 
sächlich sind  in  manchen  Verwaltungen  ziemlich  holie  Gebühren  (bis  zu  7  Mk.  pro  Zettel)  ein- 
geführt; die  .A.nsetzung  von  Gebühren  dürfte  auch  schon  deshalb  gerechtfertigt  sein,  weil  dem 
Waldbesitzer  bei  großem  Beerenanfall  während  der  Erntezeit  durcli  erhöhte  Inanspruchnalime 
des  Schutzpersonals  und  durch  allerhand  Forstbeschädigungen  Kosten  und  Nachteile  erwach- 
sen. Verhinderung  oder  Beschränkung  des  Aufkommens  der  Beeren  durch  waldbauliche  Maß- 
regeln wäre  natürlich  wiederum  das  radikalste  Abhilfemittel. 

Auch  die  Nutzung  der  im  Wald  vorkommenden  eßbaren  Pilze  hat  weniger  Be- 
deutung für  den  Waldbesitzer  selbst  als  für  die  umwolmende  Bevölkerung.  Populäre  Schrif- 
ten *)  suchen  das  Verständnis  für  diese  unentgeltlichen  und,  wenn  gut  zubereitet,  delikaten 

1)  Unsere  Beerengewächse,  von  Dr.  P  1  ü  ß  ,   2.  Aufl.  (Basel-Freiburg  1908). 

2)  Bericht  über  die  36.  Vers.  d.  Preuß.  F.-V.  in  Stargard  1908,  S.  35  ff. 

3)  Z.  f.  F.  u.  J.  1909,  S.  49;  1906,  S.  109;  D.  F.-Z.  1909  S.  31,  1906,  S.  336,  1905,  S.  488; 
ferner  Bayr.  F.  u.  J.  Z.  1909,  Nr.  11  (Erhöhung  der  Gebühren);  Verhandlungen  des  Pommerschen 
Forstvereins  1901. 

4)  Dr  J.  R  ö  1 1  ,  Unsere  eßbaren  Pilze  in  natürlicher  Größe  mit  Angaben  ihrer  Zuberei- 
tung, 7.  Aufl.  1908  (bei  L  a  u  p  p  in  Tübingen);  Taschenbuch  der  wichtigeren  eßbaren  und  gif- 
tigen Pilze  Deutschlands,  Oesterreichs  und  der  Schweiz  von  P.  Sydow  (Heidelberg  bei  W  i  n  t  e  r) ; 
Cleff,    Taschenbuch  der  Pilze  (Eßlingen  bei   Schreiber). 


Pnanzliche  Nebenerzeugnisse  (Der  Waldfeldbau).     §  17.  547 

Nahrungsmittel  in  weiteren  Kreisen  zu  verbreiten.  Die  bekanntesten  und  begehrtesten  eß- 
baren Schwämme  sind  Champignon  (.\garicus  deliciosus)  und  Steinpilz  (Boletus  edulis);  in 
der  forstlichen  Literatur^)  finden  sich  weiterhin  Berichte  über  die  künstliche  .\ufzucht  noch 
anderer  guter  Speisepilze,  so  der  Nußkraterelle  (Craterellus  nucleatus)  und  des  Ruslenschwani- 
nies  (Pleurotus  cornucopioidcs) ;  Mayr  versuchte  die  Einbürgerung  eines  in  Japan  sehr  be- 
liebten Pilzes,  des  Schitake;  auch  die  Speisemorcheln  sind  noch  zu  nennen.  Gegenstand  ge- 
werbsmäßiger Züchtung  und  kaufmännischer  \erwertung  seitens  des  Waldbesitzers  sind  end- 
lich in  einzelnen  Laubholzgebieten  (Pfalz,  Baden,  Braunschweig,  Elsaß-Lothringen,  vor  allem 
aber  in  Frankreich),  die  Trüffeln,  deren  wertvollste  Art,  der  Perigord-Trüffel  (Tuber 
melanosporum)  aus  Frankreich  stammt.  Die  Trüffelzucht  erfolgt  durch  künstliche  Wurzel- 
infektion; beim  Aufsuchen  bedient  man  sich  abgerichteter  Hunde  und  Schweine.  Bei  dem 
holien  Preis  dieser  Delikatesse  lohnt  es  sich,  im  milden  Klima  \'ersuche  damit  anzustellen  -). 

Die  übrigen  Pilze  werden  meist  der  freien  Aneignung  überlassen;  gegenüber  gewerbs- 
mäßigen Sammlern  könnten  ähnliche  Maßnahmen  wie  bei  der  Beerennutzung  in  Frage  kommen. 

Endlich  ist  der  \ollständigkeit  halber  noch  zu  erwähnen  das  Sammeln  offizineller  Kräuter 
und  die  Abgabe  seltener  Pflanzen  (z.  B.  Orchideen,  Stechpalmen  etc.)  an  Gärtner  und  Pflanzen- 
züchter gegen  Entrichtung  einer  angemessenen   Gebühr. 

§  17.    Der  Waldfeldbau. 

Literatur:  C  o  1 1  a  ,  Die  Verbindung  des  Feldbaus  mit  dem  Waldbau;  Hundeshagen, 
Prüfung  der  Co  ttaschen  Baumfeldwirtschaft;  v.  Klipstein,  Der  Waldfeldbau  1850;  Bern- 
hardt, Haubergswirtschaft  im  Kreise  Siegen  1867;  Strohecker,  Die  Hackwaldwirt- 
schaft 1867;  \'  o  g  e  1  m  a  n  n  ,  Die  Reutberge  des  Schwarzwalds  1871;  Müller,  Vergangen- 
heit, Gegenwart  imd  Zukunft  der  Hauberge  im  Dillkreise  (Z.  f   F.  u.  J.  1905,  S.  96). 

Wessely,  Die  österreichisciien  Alpenländer  und  ihre  Forste;  mehrere  Aufsätze  von 
M  u  h  1  (A.  F.  u.  J.  Z.  1869,  S.  121,  1875  S.  369;  Referat  bei  der  Forstversammlung  zu  Darm- 
stadt 1886,  .\.  F.  u.  J.  Z.  1886,  S.  365).  Besonders  ausführlich  in  H  e  y  e  r  s  Waldbau,  4.  und  5.  Aufl. 
Forstversammlungen  in  Biberach  1884,  Wolfach  1898,  Herborn  1901,  früher  in  Potsdam  1839, 
Brunn   1840,   Darmstadt   1845,   Freiburg   1846,   Mainz   1849,   Stuttgart  1855,   Heidelberg   1860. 

Zur  Orientierung  über  rein  landwirtschaftstechnische  Fragen  kann  verwiesen  werden  auf 
Schlipf,  Populäres  Handbuch  der  Landwirtschaft,  15.  Aufl.  (1905);  Probst,  Handbuch 
der  gesamten  Landwirtschaft;   Steinbrück,  Handbuch  der  gesamten  Landwirtscliafl. 

Unter  ,, Waldfeldbau"  versteht  man  die  planmäßige  Erzeugung  und  Nutzung 
landwirtschaftlicher  Gewächse,  vor  allem  Kartoffeln  und  Halmfrüchte,  auf  der  Holz- 
bodenfläche entweder  zwischen  den  Forstpflanzen  (Anbau  zugleich  mit  diesen)  oder 
auf  der  kahlen  Waldfläche  bei  kurzer  Unterbrechung  der  Waldkultur  unmittelbar 
nach  Abtrieb  des  Bestandes.  Ein  wesentliches  Merkmal  des  Waldfeldbaus  war  von 
Haus  aus  das  sog.  Hainen,  d.  i.  die  Verbrennung  des  zurückbleibenden  Reisigs  und 
Unkrauts  und  Vermischung  der  Asche  mit  dem  Boden ;  erst  der  sog.  ,, neuere  Waldfeld- 
baubetrieb" (n.  Heyers  Bezeichnung),  der  von  Hessen  ausging,  hat  von  dieser 
^laßnahme  Abstand  genommen. 

Die  Geschichte  dieser  Nebennutzung  wird  meist  an  die  ursprüngliche  Brand- 
kultur angeknüpft,  an  die  sog.  ,, wilde  Brand-  und  Feldwaldwirtschaft",  die  sich  als 
Uebergangsstufe  vom  Hirten-  und  Nomadenleben  zum  geregelten  Ackerbau  in  der 
Siedelungsgeschichte  fast  aller  Länder  und  Erdteile  darstellt.  Zur  Begründung  dieses 
Zusammenhangs  weist  man  mit  Recht  auf  ^^'o^te  wie  ,, Motten",  ,,Reutfeld"  u.  ä. 
hin,  die  sowohl  im  Sprachgebrauch  des  Waldfeldbaues  wie  in  Geländenamen  für 
alte  Rodungen  vorkommen.  Mag  sein,  daß  der  geregelte  Waldfeldbetrieb,  so  wie  er 
heutzutage  in  einzelnen  Gegenden  (Siegener  Land,  Odenwald,  Schwarzwald  u.  a.  a.  0.) 
in  Uebung  steht,  unmittelbar  bis  auf  jene  niederste  Stufe  der  Agrarwirtschaft  zurück- 
reicht. A  c  h  e  n  b  a  c  h  ^)  wenigstens  glaubt  in  der  Haubergswirtschaft  des  Siegener 
Lands  das  unmittelbar  durch  ständigen  Gebrauch  überkommene  Erbe  germanischer 
Vorzeit  zu  sehen.  \'ielfach  aber  wird  es  als  ein  bewußter  oder  unbewußter  Rückfall 
in  alte  Gebräuche  unter  dem  Druck  ungünstiger  Wirtschaftsverhältnisse  anzusehen 
sein.    Während  der  Haubergsbetrieb  schon  Ende  des  15.  Jahrhunderts  durchaus  ge- 


1)  Vergl.  J  a  n  k  a  ,    C.  f.  d.  g.  F.  1909,  S.  415. 

2)  Vergl.  Bericht  d.  Thür.  F.-V.  1905,  ferner  Aufs.  v.  Villi.  Nat.Z.  f.  F.  u.  L.  1912,  S.  321  ff. 

3)  Die   Haubergs-Genossenschaften  des   Sieger-Lands,   1863. 

35* 


548  IX  C.     D  i  e  t  c  r  i  c  li  ,   Die  Nebennutziingeii  im  Walde. 

regelt  in  genossenschaftlicher  Verfassung  betrieben  wurde,  mußten  manche  Forst- 
ordnungen des  16.,  17.,  ja  18.  Jahrhunderts  noch  gegen  den  Unfug  wilden  Raubbaus 
auf  gerodeter  Fläche  sich  wenden,  da  es  vorkam,  ,,daß  einige  das  Land,  wenn  sie 
es  einige  Jahre  gebaut  und  die  Geilung  herausgezogen  haben,  wieder  liegen  lassen"  ^). 
Daß  eine  planmäßige,  durch  gesetzliche  Vorschriften  oder  forsttechnische  Anwei- 
sungen geregelte  vorübergehende  landwirtschaftliche  Benutzung  des  Waldbodens  im 
18.  Jahrhundert  vielfach  geübt  wurde,  geht  aus  zahlreichen  geschichtlichen  Ueber- 
lieferungen  ■-)  hervor;  als  Entgelt  war  ein  Geldzins  oder  ein  Zehnten  zu  entrichten, 
vielfach  war  auch  die  Wiederaufforstung  von  dem  Pächter  zu  besorgen.  Dabei  trat 
auch  schon  der  Gesichtspunkt  hervor,  daß  die  landwirtschaftliche  Vornutzung  eine 
Förderung  der  Waldkultur,  eine  leichte,  sichere  und  wohlfeile  Art  der  Wiederbestok- 
kung  zu  bedeuten  habe.  Im  Vordergrund  des  Interesses  stand  aber  die  Deckung  des 
Bedarfs  an  Nahrungsmitteln,  wofür  die  beschränkte  Feldmarkung  in  manchen  Wald- 
gebirgsgegenden häufig  nicht  ausreichte.  Im  19.  Jahrhundert  kam  der  Waldfeldbau 
in  größerem  Umfang  zur  Einführung,  und  zwar  speziell  als  Waldkulturmittel,  be- 
sonders auch  in  solchen  Gegenden,  wo  eine  zahlreiche  Bevölkerung  mit  nur  geringem 
Grundbesitz  vorhanden  war.  Es  dürfte  übrigens  keine  zufällige  Erscheinung  sein, 
daß  der  Waldfeldbau  etwa  zugleich  mit  dem  Umsichgreifen  des 
Kahlschlagbetriebs  in  weiteren  Kreisen  Eingang  gefunden  hat.  \'erstän- 
dige  Forstwirte  wollten  mit  dem  landwirtschaftlichen  Vor-  und  Zwischenbau  wohl 
in  erster  Linie  den  besonderen  Nachteilen  jener  Betriebsart  begegnen,  vor  allem  der 
für  die  verhältnismäßig  armen  Waldböden  so  schädlichen  Brache.  Die  Bedeutung, 
welche  dem  Waldfeldbau  im  19.  Jahrhundert  zukam,  geht  aus  den  folgenden  Zahlen 
hervor : 

M  u  li  1  scliätzte  im  Jalire  1886  allein  die  durch  ^^'aldfeldbetl■ieb  in  Bestockung  gebrachten 
Hochwaldflächen  zu  30  000  ha  ').  Daneben  stand  diese  Wirtschaftsform  in  \'erbin- 
dung  mit  dem  Niederwaldbetrieb  auf  einer  Waldfläche  von  ca.  50  000  ha  ■■)  im  Sie- 
gencr-Land  als  Haubergswirtschaft,  auf  58  000  ^)  ha  sog.  Reutbergen  in  Baden,  und  auf  ca. 
25  000  ha*)  Hackwald  im  Odenwald  in  Uebung.  Die  Reichsstatistik')  von  1883,  1893  und 
1900  gibt  als  Waldtelder-Fläche  an:  18  981  bezw.  21  468  bezw.  9861  ha;  diese  Zahlen  sind  aber 
wegen  ungleicher  Aufnahmegrundsätze  nicht  vergleichbar. 

Aus  dem  bisher  Gesagten  geht  schon  hervor,  daß  der  Waldfeldbau  allmählich 
verschiedenartige  Ausprägungen  erhalten  hatte,  je  nachdem  er  im  Niederwald  oder 
Hochwald  (Röderlandbetrieb),  als  Vor-  oder  Zwischennutzung,  mit  oder  ohne  Hainen 
betrieben  wurde;  daneben  kamen  Zwischenformen  vor,  z.  B.  Vor-  und  Zwischenbau; 
eine  weitere  Verschiedenheit  ergab  sich  durch  die  Art  der  angebauten  Gewächse, 
die  Reihenfolge  und  Dauer  des  Anbaus.  Vom  mehrjährigen  Anbau  kam  man  mehr 
und  mehr  wieder  ab  und  ging  zum  2-,  ja  zuletzt  Ijährigen  Betrieb  über.  Neben  dieser 
zeitlichen  Einschränkung  hat  der  Waldfeldbaubetrieb  neuerdings  vielfach  gänzliche 
Einstellung  erfahren;  der  Mangel  an  Arbeitskräften  auf  dem  Land,  der  schon  die 
Bebauung  der  Felder  erschwert,  hat  ihm  bedeutenden  Abbruch  getan,  und  in  den 
forstwirtschaftlichen  Kreisen  ist  die  einst  vorhandene  Begeisterung  für  diese  Be- 
triebsform allmählich  verraucht. 


1)  Moser,  Forstökonomie,  2.  Teil,  Beilagen  S.  108. 

2)  Eidgenössische   Abschiede    7,1,    7,2;    Stahls   Forstmagazin   i,    119;    Burgsdorf, 
Forsthandbuch  1788,  S.  543;  Speidel,  A.  F.  u.  J.  Z.  1888,  S.  277. 

3)  A.    F.    u.    J.    Z.    1886,    S.    310. 

4)  Hagen-Donner,     Die  forstl.   X'erhältnisse   Preul3cns,   S.   27. 

5)  Das   Großherzogtum  Baden,   S.   416. 

6)  Mitt.  a.  d.  Forst-  u.  Kam.-Verw    d.  Großherzogtums  Hessen  1886,  S.  310. 

7)  Monatshefte  d.  Stat.  d.  D.  R.  1884    Heft  VHI,  Vierteljahrshefte  1894,  4.  Heft,  Viertel- 
jahrshefte  Ergänzungshett  zu   1903,    H. 


Pflanzliclio  Nebcnorzeiifrnissc  (Der  Waldfcldhau).     §  17.  549 

Auch  der  Hackwald-  und  Haubcrgsbetrieb  hat,  zunächst  infolge  des  Fiaskos 
der  Eichenschähvaldwirtschaft,  teilweise  auch  infolge  Verniagerung  der  Waldböden 
an  Gelände  verloren.  Endlich  dürfte  die  rückläufige  Bewegung,  in  der  sich  heutzutage 
die  Kahlschlagwirtschaft  befindet,  fliesen  Wandel  der  Dinge  bis  zu  einem  gewissen 
Grad  mit  veranlaßt  haben  ^).  Dafür  ist  die  landwirtschaftliche  Zwischennutzung 
als  sozialpolitische  Maßnahme  in  das  Programm  der  Waldarbeiterfrage 
aufgenonnnen  worden;  zur  Erhaltung  und  Aiasiedelung  ständiger  Waldarbeiter  in 
großen,  zusammenhängenden  Waldgebieten  soll  Gelegenheit  zum  Anbau  von  Kar- 
toffeln und  Getreide  gegeben  werden;  dieser  sehr  beachtenswerte  Vorschlag  dürfte 
aber  im  allgemeinen  zweckmäßiger  durch  Aiisstockung  geeigneter  Waldfläehen  zu 
betätigen  sein.  Dagegen  öffnet  sich  dem  landwirtschaftlichen  \'or-  und  Zwischenbau 
ein  weites  Feld  im  Gebiet  der  Heide-,  Ried-  und  Oedlandauf forstung,  wo  er  —  voraus- 
gesetzt, daß  .\rbeitskräfte  zur  Verfügung  stehen  und  die  Emteerzeugnissc  nicht  mit 
zu  hohen  Beifulirkosten  belastet  werden  —  in  Verbindung  mit  Boden- 
bearbeitung und  Düngung  als  wertvolle  Bestockungshilfe  und  als  Ge- 
legenheit fur  Erleichterung  des  Kulturaufwands  schätzbare  Dienste  zu  leisten  ver- 
spricht. Mustergültig  sind  in  dieser  Hinsicht  die  Aufforstungsversuche  in  der  belgi- 
schen Kampine  -). 

Aus  den  bisherigen  Ausführungen  erhellt,  daß  der  Waldfeldbau  nicht  eigentlich 
mehr  als  forstliche  Nebennutzung,  vielmehr  fast  ausschließlich  als  Kulturmaßregel, 
empfohlen  werden  kann,  abgesehen  von  örtlichen  Gebräuchen,  welche  auf  einer 
engen  Verbindung  von  Feld-  und  Waldwirtschaft  beruhen,  wie  z.  B.  bei  der  Siegener 
Haubergswirtschaft.  Die  Erträge  des  Wald  fei  dbaus  sind  ohnehin  viel- 
fach ganz  oder  zum  überwiegenden  Teil  als  H  o  I  z  e  r  t  r  ä  g  e  anzusehen,  wenigstens 
dort,  wo  mit  dem  Waldfeldpacht  die  Stockholznutzung  verbunden  ist  ^) ;  im  württem- 
bergischen Oberschwaben  geht  der  Pachtertrag  in  manchen  Waldteilen  überhaupt 
nicht,  im  großen  Durchschnitt  nur  sehr  wenig  über  den  Wert  des  Stockholzes  hinaus; 
in  geringeren  und  weiter  abgelegenen  Waldteilen  zeigen  sich  kaum  Liebhaber  zur 
Uebemahme  der  Waldfeldlose  *).  Der  Bodenpacht  bezw.  die  Entschädigung  für  den 
Entgang  an  Jahreszuwachs  ist  somit  sehr  knapp  bemessen,  es  müssen  also  wohl 
waldbauliche  Rücksichten  zur  Beibehaltung  maßgebend  sein.  Speziell  die  Kartoffel- 
erträge sollen  zwar  wieder  an  Menge  noch  an  Güte  den  auf  Ackerland  gebauten  nach- 
stehen, auch  die  Halmfruchternte  wird  bei  nur  1 — ■2jähr.  Nutzung  den  Felderträgen 
annähernd  gleich  geschätzt.  Neuere  Geld-Ertragsangaben  ^)  stehen  nur  in  beschränk- 
tem Umfang  zu  Gebot  und  die  älteren  sind  für  heutige  Lohn-  und  Preisverhältnisse 
nicht  mehr  zutreffend. 

Es  erübrigt  noch,  die  Einwirkung  des  Waldfeldbaus  auf  den  Bodenzustand  und 
das  Bestandeswachstum  kurz  zu  erörtern.  Daß  dem  Waldboden  durch  die  Ernten 
erhebliche  Nährstoffmengen  entzogen  werden,  läßt  sich  durch  die  Aschenanalysen 
nachweisen.  Diese  Tatsache  ist  aber  an  sich  noch  ziemlich  belanglos,  wenn  man  be- 
denkt, daß  die  jungen  Waldpflanzen  dieselben  bezw.  (an  Kalk)  noch  mehr  Nährstoff- 
mengen dem  Boden  entziehen.  Der  möglichen  Beraubung  des  Bodens  steht  entgegen 
die  physikalische  Bessenmg  des  Obergrunds  durch  das  Hacken  oder  die  sonstige 


1)  Selbst  in  Hessen,  dem  eliemaligen  Dorado  des  Waldfeldbaus,  ist  man  in  letzter  Zeit  mehr 
und  mehr  davon  abgekommen  (vergl.  H  e  y  e  r  ,  Waldbau,  5.  Aufl.  v.  H  e  ß). 

2)  Vergl.  die  .\usführungen  Martins  im  F.  Cbl.  1906,  S.  287  ff.;  ferner  J  e  n  t  s  c  h  (F. 
Cbl.  1901,  S.  225);  L  e  n  t  (D.  F.   Z.  1902,  Bd.   17). 

3)  Vergl.  Köhler,  A.  F.  u.  J.  Z.  1898,  S.  117. 

4)  Nach  diesbezüglichen  privaten  .Mitteilungen  und  eigener  Erfahrung, 
ö)  Vergl.   H  e  y  e  r  a.  a.  O. 


550  IX  C.     D  i  e  t  e  r  i  c  h  ,  Die  Nebennutzungen  im  Walde. 

Bodenbearbeitung  vor  dem  landwirtschaftlichen  Anbau.  Hierdurch  wird  eine  Ver- 
mischung der  Humusstoffe  mit  dem  mineralischen  Boden,  eine  Steigerung  der  Wasser- 
kapazität infolge  verringerter  Kapillarverdunstung  und  als  weitere  Folge  bessere 
Aufschließung  vorher  unlöslicher  Verbindungen  im  Boden  (mit  Ausnahme  der  Phos- 
phorsäure) veranlaßt.  Außerdem  ist  zu  bedenken,  daß  an  Stelle  der  landwirtschaft- 
lichen Gewächse  inzwischen  auch  die  Unkräuter  dem  Boden  Nährstoffe  entzogen 
und  Niederschlagsfeuchtigkeit  vorenthalten  hätten.  R  a  m  a  n  n  ^)  kommt  auf  Grund 
spezieller  Untersuchungen  zu  dem  Schluß,  daß  bei  besseren  Bodenarten  eine  Erschöp- 
fung nicht  anzunehmen  sei,  d.  h.  auf  solchen,  die  unter  natürlichen  Verhältnissen 
reichlich  saftige  Gräser  tragen.  Wenn  im  Niederwaldbetrieb  bei  zu  häufig  wieder- 
kehrender landwirtschaftlicher  Benutzung  einzelne  Flächen  in  ihrem  Ertrag  geschä- 
digt worden  seien,  so  schließe  das  den  Wert  des  landwirtschaftlichen  Zwischenbaus 
für  viele  forstliche  Kulturzwecke  nicht  aus.  Die  Beschränkung  des  Waldfeldbaus 
aufbessere  Böden  wird  im  allgemeinen  als  Grundsatz  von  den  Forstverwal- 
tungen aufgestellt-).  Aus  Furcht  vor  Bodenerschöpfung  haben  sich  schon  viele 
Forstwirte  —  allerdings  ohne  genaue  Bodenuntersuchungen  angestellt  zu  haben  — 
der  landwirtschaftlichen  Zwischennutzung  gegenüber  überhaupt  ablehnend  verhalten; 
Köhler  macht  vor  allem  auch  auf  physikalische  Schädigungen  aufmerksam,  die 
nach  seinen  Erfahrungen  sonst  gute  Waldböden  bei  2maliger  Benutzung  erlitten 
haben,  auf  die  Zerstörung  der  Krümelstruktur  infolge  der  meist  ungenügenden 
Bodenbearbeitung  zumal  beim  Anbau  von  Körnerfrüchten.  In  der  neuesten  Auflage 
des  Heye  r  sehen  Waldbaus  ferner  wird  auf  vergleichende  Düngungsversuche  Bezug 
genommen,  welche  1893 — 1900  in  hessischen  Waldfeldern  vorgenommen  worden 
seien;  daraus  habe  man  die  Ueberzeugung  gewonnen,  daß  der  Holzboden  durch  den 
Anbau  von  Feldfrüchten,  insbesondere  durch  mehrjährigen,  in  vielen  Fällen  zu  sehr 
erschöpft  werde.  Gleichzeitig  wird  aber  aus  der  Oberförsterei  Eberstadt  berichtet, 
daß  selbst  auf  den  dortigen  geringen  Sandböden  das  Wachstum  der  Holzpflanzen 
bei  einmaligem  Kartoffelbau  nicht  beeinträchtigt  wurde.  Alle  Bedenken  hinsichtlich 
Bodenerschöpfung  werden  natürlich  zerstreut,  wenn  beim  Waldfeldbaubetrieb  ein 
zweckmäßiger  Dünger  zur  Anwendung  gelangt  (Lupine  und  Mineraldünger)  ^).  Es 
wird  sich  aber  fragen,  ob  der  Betrieb  dann  noch  lohnend  ist.  Von  den  Gegnern  des 
Waldfeldbaus  wird  auch  das  Eintreffen  der  sonst  geltend  gemachten  Vorteile,  vor 
allem  des  Schutzes  der  Kultur  gegen  Unkraut,  in  Abrede  gezogen,  vielmehr  sogar 
die  Zunahme  mancher  Forstschädigungen  festgestellt,  so  des  Barfrosts,  der  Engerlings- 
plage, der  Rotfäule  usf.  Eine  Schutzwirkung  für  die  jungen  Pflanzen  kann  über- 
haupt nur  dem  Zwischenbau  zugut  geschrieben  werden*)  (z.  B.  die  Haferschutz- 
saaten). In  t  r  o  c  k  e  n  e  n  Sommern  wird  der  Schutz  gegen  Hitze  durch  den  Wasser- 
entzug der  Halmfrucht  mehr  als  ausgeglichen. 

Ueber  den  Einfluß  des  Waldfeldbaubetriebs  auf  das  B  e  s  t  a  n  d  e  s  w  a  c  h  s- 
tum  liegen  keine  wissenschaftlich  einwandfreien  Messungen  vor;  man  konnte  gün- 
stige Zuwachsverhältnisse  auf  ehemaligen  Waldfeldern  feststellen,  aber  vollgültige 
Beweise  für  Wuchsförderung  sind  nicht  erbracht  worden,    ebenso\\enig  für  gegen- 

1)  Z.  f.  F.  u.  J.  1890,  S.  655  (Chemisch-pliysikalisclie  Untersuchungen  über  Waldfeldbau). 

2)  Vergl.  die  Ausführungen  in  Hagen-Donner  .S.  70  ff.;  auch  für  die  österreiclüschen  Staats- 
waldungen gilt  dieser  Grundsatz  (s.  Geschichte  der  Österreich.  Forstwirtschaft,  Festschrift  1898 
bis  1902). 

3)  Vergl.  M  a  r  t  i  n  a.  a.  O.  und  L  e  n  t  a.  a.  O. 

4)  Vergl.  Naumann,  Ueber  den  .^nbau  des  Waldlvorns  ( Johannisstaudenroggen),  das 
zugleich  als  Schutzsaat  und  als  Aesungsgelegcnheit  fürs  Wild  gedacht  ist  (Thar.  f.  J.  1905,  S.  130); 
ferner  S  c  h  ü  p  f  e  r  im  F.  Cbl.  1908,  S.  259  über  ,,dic  Haferscliutzsaaten  als  Pflanzenaufzucht- 
stätten". 


Mineralische  Nebennulzungen.     §  18.  551 

teilige    Eimvirkungcn,    wenngleich    solche    in    manchen    Fällen    vermutet    werden 
können. 

Vom  waldbaulichen  Standpunkt  ist  gegen  den  Waldfeldbau  mit  Recht  auch 
geltend  gemacht  worden,  daß  er  der  ganzen  Wirtschaft  eine  gewisse  Unfreiheit  auf- 
erlege, sie  an  einzelne  Holzarten  (Fichte,  Eiche,  Kiefer)  binde  und  der  Ei-ziehung 
von  Mischbeständen  entgegenstehe.  Wer  das  Ivleinflächenprinzip  vertritt  und  die 
Bestandesverjüngung  unter  dem  Schutz  des  Altholzes  grundsätzlich  durchgcfiihrt 
wissen  will,  muß  den  Waldfeldbau  als  lästige  Nebennutzung  über  Bord  werfen,  bezw. 
er  braucht  sich  dieses  Notbehelfs  gar  nicht  zu  bedienen.  In  einzelnen  Fällen,  so  na- 
mentlich zur  Durchführung  der  oben  angedeuteten  Kulturaufgaben,  wird  diese  Be- 
triebsform immerhin  noch  mit  ^'orteil  zur  Anwendung  gelangen  können. 

2.  Mineralische  Nebennutzungen. 

§  18.  Wo  der  \\'aldboden  technisch  wertvolle  Steine  und  Erden  birgt,  die  durch 
Tagbau  gewonnen  %\"erden  können,  ist  der  forstwirtschaftliche  Betrieb  nicht  mehr 
die  rentabelste  Art  der  Bodenbenutzung,  zumal  auf  solchen  Böden  meist  nur  geringe 
Bestände  stocken.  Nur  die  Rücksicht  auf  die  landschaftliche  und  allgemein  volks- 
wirtschaftliche Bedeutung  der  Wälder  wird  in  einzelnen  Fällen  gegen  den  Abbau 
geltend  gemacht  werden  können.  Die  Gewinnung  von  Steinen  und  Erden  im  großen 
—  z.  B.  Bausteine,  Pflastersteine,  Schiefer,  Kies,  Zementmergel,  Sand,  Lehm  u.  a.  — 
kann  aber  nicht  mehr  als  forstliche  Nebennutzung  bezeichnet  werden.  Das  sind 
selbständige  gewerbliche  Betriebe,  auch  wenn  der  betreffende  Grund  und  Boden 
einer  Forstverwaltung  gehört.  Immerhin  werden  derartige  Nutzungsgegenstände 
auch  im  kleinen,  innerhalb  des  forstlichen  Betriebs  und  ohne  flächenweise  Ausschei- 
dung eines  Steinbruchs,  einer  Kiesgrube  u.  dergl.  gewonnen.  Zu  erwähnen  ist  der 
Verkauf  von  Granitblöcken,  von  Sandsteinquadern,  von  großen  Findlingen,  wie  sie 
sich  da  und  dort  in  der  diluvialen  Formation  vorfinden;  ferner  kommen  Kalksteine 
von  Schutt-  und  Geröllhalden,  Silbersand,  Formsand,  Töpferlehm,  Grobkies  für 
Wegbeschotterung  u.  ä.  zur  Verwertung.  Soweit  solche  Nutzungen  ohne  Beeinträch- 
tigung des  forstlichen  Betriebs  und  ohne  Schädigung  der  Waldkultur  sich  erheben 
lassen,  wird  nichts  dagegen  einzuwenden  sein.  Die  Abgabe  erfolgt  entweder  gegen 
Entrichtung  bestimmter,  nach  Maßen  festgesetzter  Preise  (cbm.  Fuhren  usf.)  oder  im 
Weg  der  Verpachtung  auf  bestimmte  Zeit,  wobei  dann  natürlich  genaue  Bestimmungen 
über  den  Umfang  der  Nutzungen  in  den  Pachtvertrag  aufzunehmen  sind. 

Der  Torfnutzung  ist  eine  besondere  Abhandlung  in  diesem  Handbuch 
gewidmet:  als  forstliche  Nebennutzung  im  eigentlichen  Sinn  kommt  sie  ja  kaum  in 
Betracht,  vielmehr  ist  sie  auch  Gegenstand  eines  selbständigen  Betriebs,  oder  steht  mit 
der  Waldwirtschaft  höchstens  insoweit  direkt  in  \'erbindung,  als  sie  der  Riedauf- 
forstung vorangeht. 


552 


IX. 

Die  P"  o  r  s  t  b  e  n  u  t  z  u  n  g. 

D.   Forstlich-Chemische  Technologie. 
Franz  Schwackhöfer. 

Für  die  3.  Auflage  bearbeitet  von  J.   Schmidt. 


I.  Die  chemische  Zus.immensetzung  des  Holzes,  der  Rinde  und  des  Korkes, 

sowie  der  Gallen. 

a)  Holz. 

§  1.    C  h  e  ni  i  s  c  h  e  r  B  e  s  t  a  n  d.     Das  frische,  sogenannte  ,, grüne"   Holz, 
besteht  aus  der  Holzfaser  (Holzskelett)  und  aus  dem  Safte. 

Die  Holzfaser,  welche  die  Wandungen  der  Zellen  und  Gefäße  bildet,  wird  aus 
Zellulose  aufgebaut,  welche  kurz  nach  erfolgter  Bildung  eine  Veränderung  erfährt, 
die  man  als  Verholzung  bezeichnet.    Die  reine  Zellulose  besteht  aus: 
44,44  %  Kohlenstoff 

6,17%  Wasserstoff  und 
49,39%  Sauerstoff,  woraus  sich  die  empirische  Formel  CgHjQOg  ergibt.    Das 
verholzte  Gewebe  ist  dagegen  kohlenstoffreicher  und  sauerstoffärmer  als  die  Zellu- 
lose und  enthält  überdies  noch  Stickstoff  und  Mineralbestandteile. 

Die   Elementar-Zusammensetzung   der   Holz-Trockensubstanz   schwankt   zwi- 
schen : 

49,5  und  51,5%  Kohlenstoff 
6,0  und     6,8%  Wasserstoff 
42,0  und  44,0%  Sauerstoff 
0,1  bis       0,3%  Stickstoff  und 
0,1  bis       1,0  °o  Asche. 
Man  hat  sich  bisher  vorgestellt,  daß  die  Zellulose  als  solche  unverändert  erhalten 
bleibt  und  nur  von  einer  kohlenstoffreicheren  Substanz  eingehüllt  und  durchdrungen 
wird,  welch  letztere  daher  auch  inkrustierende   Substanz  oder  Lignin  genannt 
wurde.    Neuere  Untersuchungen  haben  jedoch  ergeben,  daß  in  der  verholzten  Zell- 


Die  chemische  Zusammensetzung  des  Holzes,  der  Rinde  und  des  Korkes  etc.     §  1.       553 

wand  mehrere  Kohlenhydrate  vom  Charakter  der  ZelUilose  vorhanden  smd,  welche 
sich  durch  ihr  Verhalten  gegen  verdünnte  Mincralsäuren,  Aetzalkalien  imd  oxydierende 
Agenzien  voneinander  unterscheiden.  Die  widerstandsfähigste  ist  die  Dextroso- 
Zellulose  (oder  eigentliche  Zellulose);  die  am  wenigsten  widerstandsfähigen  sind  die 
Hemizellulosen.  Dazwischen  steht  eine  Reihe  anderer,  die  man  als  Mannoso-Galak- 
toso usw.  -Zellulose  bezeichnet,  je  nachdem  sie  bei  der  Hydrolisierung  durch  ver- 
dünnte Mincralsäuren  Dextrose,  Mannose  oder  Galaktose  usw.  liefern.  Ob  diesen 
verschiedenen  Zellulosen  ein  höherer  Kohlenstoffgehalt  zukommt  als  der  eigentlichen 
Zellulose,  ist  allerdings  nicht  erwiesen. 

Neben  den  Zellulosen  findet  sich  in  den  verholzten  Geweben  noch  ein  anderer 
Teil,  den  man  auch  heute  noch  als  L  i  g  n  i  n  bezeichnet.  Man  nimmt  an,  daß  die 
Ligninstoffe  mit  den  Zellulosen  zu  ätherartigen  Verbindungen  vereinigt  sind  und 
nennt  diese  Ligno-Zellulosen. 

Lignin  dürfte  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ein  variables  Gemenge  von  ver- 
schiedenen, bisher  nicht  näher  gekannten  Körpern  sein.  Es  gibt  eine  Reihe  charak- 
teristischer Reaktionen,  welche  dazu  benutzt  werden,  um  verholzte  Gewebe  zu  er- 
kennen. Die  gebräuchlichste  ist  die  Wiesnersche  Phloroglucin-Reaktion.  Eine 
salzsaure  Lösung  von  Phloroglucin  färbt  verholzte  Gewebe  violettrot.  Femer  färbt 
bei  Gegenwart  von  Salzsäure:  Phenol  blaugrün,  Naphtol  grün,  Pyrrhol  rot  usw. 

Nach  der  Zellulose-Bestimmungsmethode  von  Fr.  Schulze  besteht  die  Holz- 
trockensubstanz der  Waldbäume  aus:  47  bis  62 "o  Zellulose  und  38  bis  52%  Lignin. 

Diese  Zahlen  sind  aber  nur  als  Näherungswerte  anzusehen,  weil  nach  den  Untersuchungen 
Renkers  ^)  die  Schulze-Hennebergsche  Methode  sowohl  wie  auch  alle  übrigen  zu  diesem  Zwecke 
vorgeschlagenen  Methoden  und  Reagenzien  entweder  die  eigentliche  Zellulose-Substanz  mehr 
oder  minder  stark  angreifen  oder  überhaupt  nicht  imstande  sind,  reine,  ligninfreie  Zellulose 
aus   den   stärker   verholzten   Pflanzenfasern  zu   liefern. 

Bezüglich  der  Methoden  der  Zellulose-Bestimmung  sei  hier  nur  kurz  erwähnt,  daß  sie 
sich  prinzipiell  in  zwei  Gruppen  teilen  lassen,  und  zwar  in  solche,  welche  mittelst  hydrolytisch 
oder  oxydierend  wirkender  Agenzien  die  Begleitsubstanzen  der  Zellulose  in  lösliche  Formen 
überführen  und  solche,  welche  von  der  Löslichkeit  der  Zellulose  in  gewissen  Reagenzien  Ge- 
brauch machen. 

Die  Zellulose  findet  sich  rein  in  der  Natur  überhaupt  nicht.  Relativ  am  reinsten 
erscheint  sie  im  Flughaar  der  Baumwollfrüchte,  im  IMark  gewisser  Pflanzen,  sowie 
in  den  jüngeren  Zellen  der  höheren  Pflanzen  überhaupt.  Bei  fortschreitendem  Wachs- 
tum tritt  bei  diesen  letzteren  allmählich  jener  Prozeß  ein,  den  man  —  wie  schon  er- 
wähnt —  als  Verholzung  oder  Verkorkung  oder  Kutikularisierung  bezeichnet.  Der 
Verholzungsprozeß  ist  regelmäßig  schon  vor  Eintritt  des  Winters  durch  den  ganzen 
neuen  Jahresring  abgeschlossen.  Bei  einzelnen  Holzarten,  bezüglich  deren  dies  nicht 
der  Fall  ist,  bleibt  die  Zellwand  auch  im  späteren  Alter  nur  unvollständig  verholzt. 

Die  Zellulose  ist  in  reinem  Zustande  weiß,  seidenartig  glänzend,  durchscheinend, 
geruch-  und  geschmacklos,  hygroskopisch  und  hat  eine  Dichte  von  1,52.  Sie  besitzt 
noch  die  Form  des  Pflanzenteiles,  aus  welchem  sie  isoliert  wurde.  Die  Zellulose  ist 
in  keinem  bisher  bekannten  Agens  ohne  Zersetzung  löslich ;  in  Kupferoxyd- Ammoniak 
quillt  sie  so  stark  auf,  daß  eine  scheinbare  Lösung  entsteht.  Aus  dieser  wird  sie  durch 
Zusatz  von  Säuren,  Salzen  und  selbst  schon  durch  starke  Verdünnung  mit  Wasser 
als  strukturlose,  flockige  oder  fadenähnliche  Masse  gefällt.  Die  Lösung  erfolgt  leichter 
und  rascher,  wenn  man  die  Zellulose  vorher  mit  konzentrierter  kalter  Natronlauge 
behandelt.  Aehnlich  wie  Kupferoxyd-Ammoniak  verhält  sich  auch  Chlorzink,  nur 
ist  dessen  Lösungsvermögen  ein  geringeres. 

Jod  färbt  die  Zellulose  gelb  bis  braun.    Wird  dieselbe  mit  Jodlösung  getränkt 


1)  Renker,  Ueber  Bestimmungsmethoden  der  Zellulose,  Berlin  1910. 


554  IX  D.     S  c  h  wa  c  k  h  ö  f  e  r  ,  Forstlich-Chemische  Technologie. 

und  sodann  konzentrierte  Schwefelsäure  zugegeben,  so  tritt  Blaufärbung  ein;  des- 
gleichen wenn  man  Zellulose  mit  Chlorzinkjod-Lösung  betupft.  Diese  Reaktionen 
werden  zum  Nachweis  der  Zellulose  benützt. 

Als  Hydrat-Zellulosen  bezeichnet  man  Abkömmlinge  der  Zellulose,  welche 
sich  von  dieser  nur  durch  ihre  größere  Hygroskopizität  unterscheiden.  Schwalbe  ^)  teilt  sie  nach 
der  Bildungs-  oder  Darstellungsweise  in  folgende  Gruppen: 

1.  Bildung  durch  mechanische  Zerkleinerung  bei  Gegenwart  von  Wasser  oder  durch 
Trocknung  gebleichter  Zellulose;  im  Vegetationsprozeß. 

2.  Bildung  durch  Einwirkung  von  Salzlösungen,  Alkalien  oder  Säuren. 

3.  Bildung  durch  Ausscheidung  aus  Lösungsmitteln  oder  Estern. 

In  allen  iliren  Eigenschaften  sind  diese  HydratzcUulosen  noch  nicht  vollkommen  erforscht 
und  cliarakterisiert. 

Hydrozellulosen  bilden  sich  durch  die  Einwirkung  von  Säuren  verschiedenster 
Konzentration,  von  Säuredämpfen,  von  sauren  und  neutralen  Salzen  und  beim  Erhitzen  der 
Zellulose.  Diese  wird  dabei  hydrolisiert  zu  einem  Produkt,  das  die  Zusammensetzung  Cjj  H.,2 
Ojj,  also  die  .Aufnahme  eines  Moleküls  Wasser,  zeigt.  Je  nach  den  Darstellungsbedingungen 
gibt  die  Zellulose  verschiedene  Hydrolisierungsslufen.  In  reinem  Zustande  bildet  die  Hydro- 
zellulose  ein  weißes,  leicht  zerreibliches  Pulver  von  geringer  Hygroskopizität.  Gegen  kalte 
verdünnte  Säuren  und  Alkalien  ist  Hydrozellulose  sehr  beständig;  kalte  konzentrierte  Säuren 
aber  lösen  sie,  während  konzentrierte  Alkalilaugen,  auch  beim  Kochen,  nur  von  schwacher 
Wirkung  sind.  Hydrozellulose  mit  Essigsäureanhydrid  und  wenig  konzentrierter  Schwefel- 
säure versetzt  löst  sich  momentan  unter  heftiger  Reaktion;  beim  Verdünnen  mit  Wasser  fällt 
das  gebildete  Acetat  in  Form  von  Flocken  aus.  Mit  Jodjodkalilösung  sowie  Chlorzinkjod- 
lösung gibt  Hydrozellulose  Blaufärbung  und  reduziert  Fehlingsche  Lösung;  in  Kupferoxyd- 
Ammoniak  und  Chlorzink  ist  sie  leichter  löslich  als  die  Zellulose.  Reine  Hydrozellulose  verträgt 
Temperaturen  über  100"  Cels.  ohne  Veränderung.  Hydrozellulose  kann  leichter  in  Glukose 
übergeführt  werden  als  Zellulose. 

Durch  die  Einwirkung  von  Oxydationsmitteln  wird  die  Zellulose  in  Oxyzellulose 
übergeführt,  welche  reduzierende  Eigenschaften  zeigt,  sich  ganz  oder  teilweise  in  verdünnten 
Alkalien  löst  und  ein  stärkeres  Aufnahmevermögen  für  basische  Farbstoffe  hat  als  die  Zellulose. 
Durch  Behandlung  der  Zellulose  mit  Wasserstoffsuperoxyd  haben  Bumcke  und  Wolffen- 
stein  ein  Produkt  erhalten,  das  den  Oxyzellulosen  sehr  ähnlich  ist  und  von  ihnen  H  y  d  r  a  1- 
Zellulose    genannt  wurde. 

Unter  den  Estern  der  Zellulose  mit  organischen  Säuren  haben  namentlich  die  Zellulose- 
A  c  e  t  a  t  e  ein  technisches  Interesse,  weil  sie  löslich  sind,  sich  zu  strukturlosen,  durchsichtigen 
Platten  und  Fäden  von  großer  Festigkeit  und  Elastizität  formen  lassen  und  nicht  explosiv  sind. 
Kocht  man  Holz  oder  Zellulose  mit  nicht  oxydierenden  Mineralsäuren  —  mit  oder  ohne 
Anwendung  von  Druck  —  so  entsteht,  neben  anderen  Produkten  der  Hydrolyse,  wie  schon 
erwähnt,   Zucker,  welcher  gärungsfähig  ist 

Man  hat  dieses  Verhalten  technisch  zu  verwerten  gesucht,  um  aus  Holz  Aethylalkohol 
(Spiritus)  zu  gewinnen.  Erst  in  der  neuesten  Zeit  aber  soll  es,  nach  vielfachen  mißglückten  \'er- 
suchen,  gelungen  sein,  das  Verfahren  praktikabel  und  rentabel  zu  gestalten. 

Nach  R.  F.  Ruttans  Bericht  ")  soll  in  Amerika  eine,  nach  einem  von  Tomlinson  und  Ewen 
abgeänderten  Classenschen  Verfahren  arbeitende,  Fabrik  zufriedenstellende  Ausbeuten 
ergeben. 

Nach  diesem  Verfahren  wird  Sägemelil  in,  mit  Chamotte  ausgelegten,  rotierenden  Stahl- 
zylindern vorerst  mit  1%  von  seinem  Trockengewicht  gasförmiger,  schwefliger  Säure  behandelt 
und  sodann  einem  Dampfdruck  von  7  Atm.  ausgesetzt.  Nach  40  bis  45  Min.  ist  die  Aufschließung 
beendet,  worauf  der,  die  Terpene,  schweflige  Säure  und  Essigsäure  enthaltende.  Dampf  in 
Absorptionsgefässe  abgeblasen  und  die  aufgeschlossene  dunkelgefärbte  Holzmassc  in  eine 
Batterie  entleert  wird,  um  hier  systematisch  mit  heißem  Wa_sser  ausgelaugt  zu  werden.  Der 
saure  Extrakt  wird  mit  Kalk  neutralisiert,  filtriert,  mit  Hefe  versetzt,  vergären  gelassen  und 
schließlich  der  Alkohol  abdestilliert. 

1  t  (1000  kg)  Sägemehl  soll  20,5  Gallonen  (1  Gallone  =  3,785  Liter),  somit  77,6  Liter 
Spiritus  ergeben,  welcher  nach  der  Rektifikation  zu  94°'cigem  Alkohol,  sehr  rein,  färb-  und  ge- 
ruchlos ist  und  nur  Spuren  von  Aldehyd  und  Furfurol  aufweist. 

Auch  in  Frankreich  soll  nach  G.  U.  Borde  ^)  ein  im  Großbetriebe  ausgeführtes,  modifi- 
ziertes Classensches  .\ufschließverfahren,  bei  dem  neben  .\lkohol  auch  noch  Essigsäure  ge- 
wonnen wird,  in  seinen  Erträgen  befriedigen.  In  allen  jenen  Ländern,  in  denen  die  Spiritusge- 
winnung aus  Stärkemehlhaitigen  Rohmaterialion  —  im  Interesse  der  Landwirtschaft  —  durch 
die  Steuergesetzgebung  geschützt  ist,  dürfte  diese  Art  der  Nutzbarmachung  von  Holzabfällen 
nicht  rentieren. 


1)  Schwalbe,  Die  Chemie  der  Zellulose,  Berlin  1910. 

2)  Journ.  Soc.  Chem.  Ind.  1909. 

3)  Chem.   News.   1910. 


Die  chemische  Ziisammensetziino-  dos  Holzes,  der  Rinde  und  des  Korl<es  etc.    §  1.         555 

Wird  geraspeltes  Holz  von  Laubbäumen  vorerst  mit  Ammoniak  gereinigt  und  sodann 
mit  Alkalilaiige  digeriert,  so  entsteht  das  sogenannte  H  o  1  z  g  u  m  m  i  oder  X  y  1  a  n  C^Hj^Os, 
welclies  beim  Erhitzen  mit  verdünnter  Schwefelsäure  in  X  y  1  o  s  e,  C5  Hio  O5,  eine  nichtgä- 
rungsfähice  Zuckerart  (Holzzucker)  übergeht.  Das  Holz  der  Coniferen  liefert  im  Verhältnis 
zu  dem  der  Laubhölzer  nur  wenig  Xylan. 

Wird  Zellulose  mit  konzcnirierlen,  kalten  Alkalien  behandelt,  so  schwellen  und  schrumpfen 
die  Fasern,  zeigen  aber  nach  dem  Auswaschen  der  Lauge  ein  besseres  Färbungsvermögen,  eine 
höhere  Festigkeit  un<i  Hygroskopizität,  sowie  —  nach  Schwalbe  —  eine  gesteigerte  Reaktions- 
fähigkeit und  leichtere  Hydrolyse.  \%rden  diese  geschrumpften  Fasern  nach  der  Behandlung 
gestreckt,  so  erhalten  sie  einen  hohen  Glanz.  Von  diesem  Verhalten  der  Zellulose  (Bildung 
von  Hydratzellulose)  wird  in  der  Textilindustrie,  beim  sog.  ,,M  ercerisiere  n"  der  Garne 
ausgiebig  Gebrauch  gemacht. 

Zellulose  mit  starker  Natronlauge  behandelt  und  sodann  Schwefelkohlenstoff-Dämpfen 
ausgesetzt,  liefert  eine  \'erbindung,  welche  als  das  Natriumsalz  der  Alkalizellulose-Xanthogen- 
säure  zu  bezeichnen  ist.  Diese  N'erbindung  ist  im  Wasser  löslich;  je  nach  der  Konzentration 
der  Lösungen  sind  dieselben  mehr  oder  minder  zähflüssig  (viskos),  woraus  sich  die  Bezeichnung 
dieser  N'erbindung,  Viskos  c,  ableitet. 

Die  wässerigen,  meist  10°o  Zellulose  enthaltenden  Lösungen  der  Viskose  sind  gelblich 
bis  bräunlich  gefärbt  und  enthalten  neben  der  eigentlichen  Zelluloseverbindung  noch,  von 
Nebenreaktionen  herrührende,  Zersetzungsprodukte  des  Schwefelkohlenstoffes.  Durch  schwache 
Säuren  (Essig-,  Jlilch-,  Kohlensäure  u.  dergl.),  ebenso  durch  Alkalisalze,  Ammoniumchlorid  oder 
starken  Alkohol  kann  die  Zelluloseverbindung  infolge  Fällung  von  diesen  Bcgleitsubstanzen 
getrennt,  d.  h.  gereinigt  werden.  Metallsalze  verursachen  eine  Wechselzersetzung  mit  der 
^'iskose. 

Viskoselösungen  können  zur  Herstellung  von  Fäden,  Häutchen  oder  plastischen  Formen, 
dann  zum  Leimen  von  Papier,  Wasserdichlmachen  von  Geweben  etc.  verwendet  werden. 
Durch  Stehenlassen  an  der  Luft,  schneller  aber  durch  Erwärmen,  zersetzen  sich  die  Viskose- 
lösungen und  es  erübrigt  schließlich  Zellulosehydrat  in  Form  einer  festen,  elastischen  Masse, 
die  als  V  i  s  k  o  i  d  jegliche  Bearbeitung  durch  Sägen,  Bohren,  Drehen  usw.  zu  verschiedenen 
Gebrauchs-  und  Luxusgegenständen  ermöglicht. 

Technisch  wichtig  ist  ferner  das  N'erhalten  der  Zellulose  gegen  konzentrierte  Säuren. 
Taucht  man  ungeleimtes  Papier  kurze  Zeit  (5 — 20  Sekunden)  in  starke  Sclnvefelsäure  und  wäscht 
diese  sodann  mit  Wasser  vollständig  aus,  so  geht  die  Zellulose  in  kolloidale  Modifikationen, 
,,A  m  y  1  0  i  d  und  Hyrozelhdose"  über,  welche  sich  auf  und  zwischen  den  Papierfasern  nieder- 
schlagen und  dieselben  verkitten.  Derartig  präpariertes  Papier  ist  dem  animalischen  Perga- 
mente ähnlich  und  wird  daher  auch  als  vegetabilisches  Pergament  oder  Pergamentpapier 
bezeichnet.  Es  ist  durchscheinend,  steif,  schwer  zerreißbar  und  wird  im  Wasser  geschmeidig, 
ohne  dabei  wie  gewöhnliches  Papier  zu  zerfasern.  Pergamentpapier  wird  hauptsächlich  zum 
Verschließen  der  Gläser  von  Obstkonserven,  als  Wursthüllen  u.  dergl.,  dann  aber  auch  als 
Membrane  bei  der  Osmose  der  Melassen  in  der  Rübenzucker-Fabrikation  verwendet. 

Zur  Erzeugung  der  sog.  Vulkanfiber  pergamentiert  man  ungeleimtes  Papier  statt 
mit  Schwefelsäure,  welche  schwer  auszuwaschen  ist,  mit  Chlorzink,  setzt  mehrere  Lagen  solchen 
Pergaments,  eventuell  unter  Farbzusatz,  zwischen  geheizten  Zylindern  einem  mäßigen  Druck 
aus,  trocknet  an  der  Luft,  wäscht  das  Chlorzink  aus  und  trocknet  schließlich  vollends.  Die 
einzelnen  Lagen  verschweißen  bei  dieser  Behandlung  zu  Platten  oder  Blöcken,  in  denen  keiner- 
lei Schichtung  mehr  wahrzunehmen  ist  und  die  sich  nach  dem  vollständigen  Trocknen  wie  Metall 
bearbeiten  lassen.  Harte  \ulkanfiber  dient  vornehmlich  als  Isoliermaterial  für  den  elektrischen 
Strom  und  dann  überhaupt  zur  Erzeugung  von  Gegenständen,  welche,  bei  einer  entsprechenden 
Elastizität,  besonders  auf  Härte  und  Zähigkeit  beansprucht  werden,  z.  B.  Zahnräder  für  stoß- 
und  fast  geräuschlosen  Gang,  Bremsen,  Stoßringe,  Transportgefäße  etc.  Biegsame  Vulkan- 
fiber, durch  Tränken  der  harten  mit  Glyzerin  erhalten,  wird  als  Ersatz  für  Gummi  und  Leder 
zu    Dichtungen,    Ventilsitzen-    und    klappen    etc.    verwendet. 

Durch  konzentrierte  Salpetersäure  oder  besser  noch  durch  ein  Gemisch  von  dieser  mit 
konzentrierter  Schwefelsäure  (welche  als  wasserentziehendes  Mittel  wirkt)  wird  die  Zellulose 
(gereinigte  Baumwolle  oder  Holzzellulose)  in  ein  Nitroprodukt  oder  nach  neuerer  Auffassung 
in  Salpetersäure-Ester  verwandelt.  Je  nach  dem  Mengenverhältnis  zwischen  Sal- 
petersäure, Schwefelsäure  und  Wasser,  sowie  nach  der  Temperatur  und  Einwirkungsdauer 
der  Säure  entstehen  verschiedene  Verbindungen.  Wird  das  Molekül  der  Zellulose  mit  12  Atomen 
C  angenommen,  so  ertribt  sich  folgende  Reihe: 

Zellulose  -Dinitrat C,„  Hj,  O^     {'S0,)o 6,76%   N 

-Trinitrat Cj,   H,-  O,     (NO,),    9,15,,  N 

-Tetranitrat Cj,  Ilje  O^     (NO,)! 11,11,,  N 

-Pentanitrat    ...    Cj,   Hj^  O5     (NOjj^    12,75,,   N 

-Hexanitrat C,j  H,,  O,     (NOa)^ 14,14,,  N 

Hexanitrat  entspriclit  etwa  der  „S  c  h  i  e  ß  b  a  u  m  w  o  1 1  e",  Penta-  bis  Trinitrat  den 
„Collodionpyroxiline  n". 

Diese  letzteren  sind  in  Alkohol-Aether  löslich  und  führen  allgemein  den  Namen  ,,K  o  1 1  0- 


556  IX  D.     Schwack  höfer,  Forstlich-Chemische  Technologie. 

d  i  u  m  w  0  I  I  c  oder  lösliches  Pyroxiliii."  .N'ach  dem  \'erdünsten  des  Lösungsmittels  aus  einer 
solchen  Pyroxilinlösung  verbleibt  das  Kollodium  in  Form  einer  Haut,  welche  in  der  Chirurgie 
und  bei  der  Herstellung  photographischer  Platten  und  Papiere  \'erwendung  findet. 

In  neuerer  Zeit  ist  die  Kollodiumwolle  u.  a.  mit  das  Hauptrohmaterial  für  die  Erzeugung 
der  Kunstseide.  1885  nahm  Graf  Hilaire  de  Chardonnet  sein  erstes  Patent  auf  die  Her- 
stellung künstlicher  Seide  aus  Pyroxilin,  wonach  dieses  in  .\lkohol-.\ether  unter  Erwärmen  ge- 
löst und  die  Lösung  zur  Beseitigung  etwaiger  mechanischer  Verunreinigungen  und  behufs 
gründlicher  iMischung  unter  Druck  filtriert  wird.  Dieses  heiße  Filtrat  wird  mit  hohem  Druck 
durch  ein,  in  einer  kalten  Flüssigkeit,  z.  B.  Wasser,  ^igeordnetes,  enges  .Mundstück  (Spinnor- 
gan) gepreßt,  wobei  das  Lösungsmittel  vom  Wasser  rasch  aufgenommen  wird  und  der  austretende 
sehr  dünne  Kollodiumstrahl  an  seiner  Oberfläche  sofort  erstarrt,  im  Innern  aber  noch  flüssig 
bleibt.  In  diesem  Zustand  kann  man  diese  Fäden  an  der  Luft  zu  sehr  feinen  Kokons  ausziehen, 
in  welcher  Form  sie  dann  leicht  vollständig  trocknen  und  erhärten  und  einen  holien  Glanz 
aufweisen.  Zehn  bis  zwölf  solcher  Kokons  zusammengezwirnt  liefern  einen  verwebbaren  Faden, 
welcher  ohne  Schwierigkeit  und  beliebig  gefärbt  werden  kann.  Die  aus  Nitrozellulose  her- 
gestellte Kunstseide  besitzt  aber  eine  hohe  Entzündlichkeit;  um  ihr  dieselbe  zu  nehmen,  wird 
sie  mit  verschiedenen  Mitteln  (.\Ikali-  oder  Erdalkalisultiden-  und  sulfhydraten,  Metallsalzen 
u.  a.)  denitriert,  d.  h.  in  nahezu  reine  Zellulose  rückverwandelt. 

Um  dieser  letzteren  Prozedur  bei  der  Kunstseiden-Fabrikation  aus  dem  Wege  zu  gehen, 
hat  man,  u.  zw.  mit  Erfolg,  Versuche  unternomen,  dieses  Produkt  aus  nicht  feuergefährlichen 
Rohmaterialien  herzustellen,  als  welche  zu  nennen  sind:  Lösungen  von  Zellulose  in  Kupfer- 
oxyd-.\mmoniak  oder  Chlorzink,  Sulfozellulose,  Viskose  und  in  neuester  Zeit  die  Zellulose-Ester 
organischer  Säuren,  vornehndich  die  Zelluloseacetate. 

Die  Festigkeit  der  Kunstseide  ist  gering,  etwa  40  bis  60°o  von  der  echten  Seide,  ihr 
Glanz  aber  bei  manchen  Fabrikaten  höher  als  der  der  natürlichen.  Sie  wird,  bei  Stoffer- 
zeugung nur  zum  ,, Schuß",  sonst  aber  hauptsächlich  zur  Herstellung  von  Dekorationsgegen- 
ständen, Litzen,   Borden  etc.  verwendet. 

Ein  anderes  Fabrikat,  welches  aus  Nitrozellulose  hergestellt  wird,  ist  das  Zelluloid, 
eine  innige  .Mischung  von  Kollodiumwolle  und  Kampfer.  Diese  Mischung  kann  erreiclit  werden 
dadurcli,  daß  man  entweder  die  durch  Abpressen  entwässerte  und  gemahlene  Nitrozellulose 
in  scliraelzenden  Kampfer  oder  in  eine  alkoholische  Kampferlösung  einrührt  und  diese  Masse 
in  hydraulischen  Pressen  einem  hohen  Druck  vmd  einer  Temperatur  von  130°  Geis,  aussetzt, 
oder  auf  kaltem  Wege,  durch  Lösen  der  Kollodiumw-olle  in  einer  Lösung  von  Kampfer  in  Aether, 
Holzgeist,  ,-\ceton,  Eisessig  u.  dgl.  Durch  Farbenzusätze  zu  den  Rohmaterialien  läßt  sich 
das  Zelluloid  beliebig  färben;  in  warmem  Zustande  kann  es  in  verschiedene  Formen  gepresst 
oder  gewalzt  werden  und  behält  diese  nach  dem  Erkalten  bei.  Es  ist  zäh  und  elastisch  und  be- 
sitzt bei  90"  Gels,  seine  höchste  Elastizität.  Bei  liO"  Geis,  beginnt  es  sich  zu  zersetzen,  was 
bei  195°  plötzlich  eintritt.  Durch  Zusätze  von  bor-  und  wolframsauren  Salzen,  .-\sbest, 
Alaun,  Glimmer  und  verschiedenen  anderen  Mitteln  wird  die  leichte  Entzündlichkeit  des 
Zelluloids  vermindert.  Kurz  erwähnt  sei  hier  nur  noch,  daß  als  Ersatz  für  den  teueren  und 
gefährlichen  Kampfer  eine  stattliche  Zahl  von  Mitteln  versucht  wurde,  von  denen  sich  auch 
einige  praktisch  bewährt  haben  (z.  B.  Borneol,   Isoborneol,  Naphtalin,  Formanilid  etc.). 

Zelluloid  wird  zu  den  verschiedenartigsten  Gebrauchs-  und  Luxusgegenständen  geformt 
und  dient  namentlich  zu  diversen  Imitationen  von  Elfenbein,  Schildpatt,  Hörn,  Bernstein, 
Leder  (,,Pegamoid"  Kunstleder,  d.  s.  mit  Zelluloidlösung  imprägnierte,  somit  wasserdichte 
Leinen-  und  Baumwollgewebe)  u.  dgl. 

Stärker  nitrierte  Baumwolle,  welche  meist  ein  Gemenge  der  höchsten  Nitrierungsstufen 
darstellt,  heißt  —  wie  schon  erwähnt  Schießbaumwolle.  Sie  explodiert  heftig  und 
wirkt  in  geschlossenen  Röhren  (Gewehr-  und  Geschützläufen)  sehr  brisant.  Durch  Befeuchten 
der  Schießbaumwolle  mit  ,\ceton  und  Essigester  entsteht  eine  gelatinöse  Masse,  welche  in  Platten 
gewalzt,  sodann  in  kleine  Teile  zerschnitten  und  mit  Graphit  bestäubt  das  rauchlose,  bezw. 
rauchschwache  Pulver  für  Gewehre  liefert.  Dieses  brennt  langsamer  ab  als  die  Schießbaumwolle. 
Für  .\rtilleriezwecke  wird  Kollodiumwolle  mit  dem  gleichen  Gewichte  Nitroglycerin  gemengt. 
Gekörntes,  rauchloses  Pulver  besteht  aus  Nitrozellulose  und  Barytsalpeter. 

Beim  Zusammenschmelzen  von  zerkleinertem  Holze  mit  .\lkalihydrat  entsteht  Oxal- 
säure. Diese  Art  der  Darstellung  wird  fabriksmäßig  betrieben,  indem  man  Sägemehl  mit 
dem  gleichen  Gewichte  Aetzalkalien  (iO°^  Kali-  und  60°ö  Natronhydrat)  in  flachen  eisernen 
Schalen  unter  fortwährendem  Umrühren  bei  240°  C.  zusammenschmilzt.  Die  Schmelze  wird 
in  Wasser  gelöst,  mit  Kalkmilch  gekocht,  das  dabei  entstandene  Calciumoxalat  mit  Schwefel- 
säure zerlegt  und  das  Filtrat  soweit  eingedampft,  daß  die  Oxalsäure  auskristallisiert.  Aus 
100  kg  Sägemehl  erhält  man  ca.  80  kg  rohe  Oxalsäure,  welclie  als  solche  oder  in  Form  von 
Salzen  (Oxalate)  in  der  Färberei  und  im  Zeugdruck  etc.    -Anwendung  findet.    | 

.     §2.    DerHolzsaft.    Der  Holzsaft  besteht  aus  Wasser,  in  welchem  orga- 
nische und  mineralische  Bestandteile  teils  gelöst  und  teils  suspendiert  sind. 

Der  Wassergehalt  des  frischen  Holzes  ist  sehr  verschieden  und  abhängig: 


Die  chemische  Zusamraenselzung  des  Holzes,  des  Korkes  und  der  Rinde  etc.  §  2.         557 

1.  von  der  Holzart; 

2.  von  dem  Alter  des  Holzes; 

3.  von  der  Jahres-  und  Tageszeit; 

4.  von  dem  Standorte  des  Baumes  und 

5.  von  der  Witterung. 

Im  allgemeinen  bewegen  sich  die  Schwankungen  bei  frisch  gefälltem  Holze 
zwischen  25  und  50  "i;  ausnahmsweise  auch  unter  20  bis  über  60  "i. 

Ein  durchgreifender  Unterschied  im  Wassergehalte  zwischen  hartem  und 
weichem  Holze  ist  nicht  zu  konstatieren.  Im  frisch  gefällten  Holze  beträgt  der  Wasser- 
gehalt durchschnittlich : 

bei  Hainbuche  20% 

„    Ahorn,  Esche  und  Birke  25—30% 

,,    Steineiche,  Buche,  Weißtanne  und  Kiefer  ....     35 — 40% 

„    Erle  und  Fichte  40—45% 

,,    Linde,  Lärche  und  Schwarzpappel         45 — 50% 

Geflößtes  Holz  enthält  durchschnittlich  an  60%  Wasser. 
Jüngeres  Holz   ist  stets  wasserreicher  als   das  ältere.    Diesbezügliche   Unter- 
suchungen von  R.  H  a  r  t  i  g  ergaben : 

Gewichtsprozente  Wasser 
Splint  Mitte  Kern 

Fichte  75jährig  65,2  39,0  23,7 

Kiefer  Vojährig  53,9  37,1  24,7 

Rotbuche       85jährig  46,9  42,1  36,1 

Eiche  öOjährig  44,9  42,8  41,4 

NB.  Die  Bäume  wurden  im  Mai  (1881)  gefällt  und  die  zur  Untersuchung  verwendeten 
Probescheiben  aus  einer  Hölie  von  6 — 8  m  über  dem  Boden  entnommen. 

Der  Wassergehalt  des  Holzes  ist  im  Frühjahr,  zur  Zeit  der  Hauptsaftbewegung 
am  größten  und  im  Winter  am  geringsten.  Jedoch  nehmen  auch  Nebenumstände 
darauf  Einfluß,  so  daß  diese  Regel  keine  allgemeine  Gültigkeit  besitzt.  Der  Wasser- 
gehalt wechselt  sogar  in  den  verschiedenen  Tagesstunden  imd  ist  in  hohem  Grade  von 
der  Insolation  abhängig.  An  sonnenhellen  Tagen  fällt  er  von  früh  bis  gegen  2  Uhr 
mittags  und  steigt  sodann  bis  zum  nächsten  Morgen. 

Von  dem  im  Holze  enthaltenen  Wasser  ist  nur  ein  Teil  (etwa  V3  bis  -/s  des  Ge- 
samt-Gehaltes)  im  flüssigen  Zustande  vorhanden;  der  Rest  ist  von  den  Zellvvänden 
aufgesaugt  (Imbibitionswasser).  Das  Verhältnis  zwischen  flüssigem  und  imbibiertem 
Wasser  ist  nach  der  Holzart,  Jahres-  und  Tageszeit  sehr  bedeutenden  Schwankungen 
unterworfen. 

Bleibt  frisch  gefälltes  Holz  in  zugerichtetem  oder  wenigstens  entrindetem  Zu- 
stande an  der  Luft  liegen,  so  verliert  dasselbe  fortwährend  Wasser,  bis  ein  gewisser 
Gleichgewichtszustand  zwischen  dem  Wassergehalte  der  Atmosphäre  und  der  Hygro- 
skopizität des  Holzes  eingetreten  ist.  In  diesem  Zustande  nennt  man  das  Holz  luft- 
trocken. Dasselbe  enthält  aber'immer  noch  10 — 18%  hygroskopisches  Wasser,  wel- 
ches nur  durch  Trocknung  bei  höherer  Temperatur  (100 — 110"  C.)  vollständig  aus- 
getrieben werden  kann. 

Die  im  Holzsaflc  gelösten  oder  suspendierten  Bestandteile  (welche  teilweise  wohl  auch 
der  Zellwand  selbst  angehören  oder  Umwandlungsprodukte  derselben  darstellen)  sind  folgende: 

1.   Stickstoffsubstanz  (Protein). 

Der  Gehalt  an  Stickstoff  ist  gering  und  beträgt  im  entrindeten  Holze  etwa  0.1 — 0.2  Proz. 
(entsprechend  0..58 — 1.16  Proz.  Protein).  Im  jüngeren  Holze  ist  der  Stickstoffgehalt  ein  höherer 
als  im  älteren.  Im  Winter  und  Frühjahr  ist  er  am  geringsten,  im  Sommer  am  höchsten.  Der 
-.weitaus  größte  Teil  der  Stickstoffsubstanz  ist  im  unlöslichen  Zustande  zugegen.    Technisch 


558  IX  D.    S  c  h  w  a  c  k  h  ö  t  e  r,  Forstlich-Chemische  Technologie. 

erscheint  dieselbe  nur  insoferne  von  Bedeutung,  als  sie  neben  dem  Wassergehalte  die  haupt- 
sächlichste Ursache  der  Zersetzung  des  Holzes  ist. 

2.  Kohlehydrate  und  Nächstverwandte:  Stärke,  Zucker,  Gummi  und 
andere. 

.■\us  dem  Marke  der  Sagopalme  wird  ein  Stärkeprodukt,  ,,der  echte  ostindische  Sago", 
gewonnen,  welcher  als  Nahrungsmittel  in  den  Handel  kommt. 

Zucker  (Saccharose)  findet  sich  im  Safte  des  Stammes  einiger  .\hornarten  und  Palmen 
in  größerer  Menge,  so  daß  er  für  lokalen  Bedarf  technisch  gewonnen  werden  kann. 

Als  Manna  bezeichnet  man  den  eingetrockneten,  süßlich  schmeckenden  Saft  der  Manna- 
Esche,  welcher  teils  freiwillig,  teils  durch  Einschnitte  ausfließt  und  in  den  südeuropäischen 
Ländern  (Sicilien  und  Calabrien)  gewonnen  wird. 

Gummi  gehört  zu  den  am  meisten  verbreiteten  Pflanzenstoffen  und  steht  den  Kohle- 
hydraten sehr  nahe.  Der  Hauptbestandteil,  ,,das  Arabin  (C-iaHjjOji)"  besitzt  den  Charakter 
einer  schwachen  Säure.  Gummi  entsteht  durch  chemische  Aletamorphose  der  Zellwände. 
Gummibildung  kann  sowohl  im  Holze  als  auch  in  der  Rinde  erfolgen.  Das  bekannteste  Pro- 
dukt dieser  Art  ist  das  .-^kaziengummi:  arabisches  Gummi,  Senegalgummi  usw.  Es  stammt 
von  mehreren  Bäumen  und  Sträuchern  (hauptsächlich  von  Acacia  Verek),  die  in  Afrika,  Ober- 
ägypten in  den  nubischen  und  arabischen  Wüsten,  Australien  und  Ostindien  einheimisch 
sind.  Das  Gummi  fließt  freiwillig  aus  den  Rinden  und  erhärtet  an  der  Luft.  Es  kommt  in 
rundlichen,  erbsen-  bis  haselnußgroßen,  oft  auch  länglich  gestreckten  und  verschiedenartig 
gewundenen,  glasartigen,  farblos  oder  gelb  bis  braun  gefärbten  Stücken  in  den  Handel.  Gummi 
ist  in  Wasser  leicht  löslich,  wenn  es  vornehmlich  aus  -arabin  besteht,  teilweise  löslich,  wenn  es 
Cerasin  und  Bassorin  enthält;  in  Alkohol,  .4ether  u.  dgl.  ist  es  unlöslich.  Es  dient,  wie  be- 
kannt, hauptsächlich  als  Klebemittel;  ferner  auch  zum  Verdicken  der  Farben,  Beizen,  Tinten, 
Glänzen  des  Papiers  usw.  Das  natürliche  Gummi  wird  gegenwärtig  durch  das  viel  billigere 
Dextrin,  welches  aus  Kartoffelstärke  erzeugt  ist,  ersetzt.  Unter  den  einheimischen  Holzarten 
zeigen  namentlich  die  Steinobstbäume  starke  Gummiausscheidungen.  Eine  dem  arabischen 
Gummi  nahestehende  Substanz,  „derTraganth",  ist  der  eingetrocknete  Saft  mehrerer  Astraga- 
lus -Arten. 

3.  Glykoside.  Darunter  sind  alle  Körper  verstanden,  welche  durch  Einwirkung 
von  Enzymen  oder  chemischen  Agenzien  in  Zucker  und  irgend  eine  andere  zu  den  aromatischen 
oder  Fettkörpern  gehörige  Verbindung  zerlegt  werden.  Die  Glykoside  sind  hauptsächlich  in 
den  Rinden  vertreten,  einige  davon  finden  sich  aber  auch  im  Holzsafte.  Hierher  gehört  das  Coni- 
ferin  Cj^HjaOä,  welches  im  Cambialsafte  aller  Coniferen  vorkommt;  das  Fustin  CjjHojOij 
und  Fisetin  CuHigOg,  welche  beide  im  Fisetholze  (Rhus  cotinus)  vorkommen,  und  einige 
andere. 

4.  Pflanzensäuren:  Gerbsäure,  Oxalsäure,  Weinsäure,  Zitronensäure,  .Aeptel- 
säure,  Arabinsäure. 

Gerbsäure  findet  sich  ebenfalls  hauptsächlich  in  den  Rinden.  Es  gibt  jedoch  auch  einige 
Holzarten,  welche  beträchtliche  Mengen  von  Gerbsäure  aufweisen,  so  das  Ouebrachoholz 
(mit  20 — 25%  Gerbstoff),  das  Catechuholz  und  das  Holz  der  Edelkastanie,  welche  als  Gerb- 
material verwendet  werden. 

Auch  das  Eichenholz  enthält  größere  Mengen  von  Gerbstoff.  Die  übrigen  Säuren  sind 
technisch  bedeutungslos. 

5.  Bitterstoffe.  Diesbezüglich  ist  namentlich  das  Ouassiaholz,  sowie  auch  dessen 
Rinde  ausgezeichnet  und  findet  als  Arzneimittel,  zur  Herstellung  bitterer  Liköre  u.  dgl.  Ver- 
wendung. 

6.  Farbstoffe.  Die  meisten  Holzarten,  speziell  die  Splint-  und  Reifholzbäume, 
besitzen  eine  helle,  weiße  bis  blaßgrau-gelbe  Farbe.  Das  Kernholz  mehrerer  einheimischer, 
vornehmlich  aber  der  tropischen  Holzarten,  zeigt  eine  lebhafte  Färbung. 

Bei  längerem  Liegen  des  Holzes  dunkelt  die  Farbe  immer  nach.  Auffallend  dunkler 
wird  das  Holz  durch  das  Dämpfen. 

Manche  Holzarten  sind  sehr  reich  an  Farbstoffen  (bezw.  Chromogenen)  und  finden  in  der 
Färberei  Verwendung. 

Solche  Farbhölzer  sind: 

a)  Das  Blauholz  (Campecheholz),  d.  i.  das  Kernholz  eines  auf  den  Antillen  und  an  der 
Küste  von  Südamerika,  besonders  in  der  Campechebai,  wfld  wachsenden  Baumes.  Der  Splint 
ist  unbrauchbar,  wird  abgeschält  und  das  Kernholz  in  etwa  1  m  lange  und  mehrere  Zentimeter 
dicke  Scheite  zerschnitten.  Vor  dem  Gebrauche  werden  dieselben  geraspelt  und  zermahlen 
und  bleiben  im  angefeuchtetem  Zustande  mehrere  Wochen  liegen,  damit  sich  der  Farbstoff 
durch  Oxydation  kräftiger  entwickelt.  Das  frische  Holz  ist  an  der  Oberfläche  dunkelrot,  im 
Innern  heller.  Es  ist  hart,  sehr  dicht  (0,9 — 1,0),  läßt  sich  gut  polieren  und  besitzt  einen  veil- 
chenartigen Geruch. 

Das  Chromogen,  ,,Hämatoxylin  (CioHi4084-3aq)",  ist  in  reinem  Zustande  farblos  und 
kristallisiert;  die  Färbung  kommt  erst  durch  Einwirkung  von  Luft,  von  Feuchtigkeit  und 
durcli  Beizmittel  zustande.  Das  Hämatoxylin  ist  in  einer  Menge  von  9 — 12%  im  Holze  vorhan- 
den.   Das  erste  Oxydationsprodukt  desselben   ,,das  Häraatein  C15H12O5",  ist  ein  rötliches  Pulver 


Die  chemische  Zusammensetzung  des  Holzes,  der  Rinde  und  des  Korkes  etc.    §  2.      559 

mit  grünlichem  Metallschimmer.  Bei  weiter  fortschreitender  Oxydation  entstehen  braun- 
schwarze amorphe  N'erbindungen. 

Je  nach  der  Art  der  Beizen  wird  das  Blauholz  zum  Blau-,  Violett-,  Rot-,  Grau-  und  Schwarz- 
färben verwendet. 

b)  Das  Rotholz  (Fernambuk-  oder  Brasilienholz)  stammt  von  verschiedenen  Caesal- 
|)inien  (namentlich  Caesalpinia  echieata  Lam.),  welche  in  Südamerika  einheimisch  sind.  Die 
Zubereitung  des  Kernholzes  ist  ähnlich  wie  beim  Blauholze.  Es  kommt  in  20 — 50  cm  dicken 
Klötzen  in  den  Handel,  hat  eine  dunkel  gelbrote  Farbe  und  ist  sehr  dicht,  schwerer  als  Wasser. 
Das  beste  Rotholz  kommt  aus  Brasilien. 

Alle  enthalten  das  gleiche  Chromogen  ,,das  Brasilin  C,eH,i05+aq",  welches  in  farb- 
losen Nadeln  kristallisiert;  an  der  Luft  oxydiert  es  zu  Brasileln  Cj^HijOä-j-aq.  Mit  .Vlkalien 
wird  die  Lösung  rot. 

c)  Das  Sandelholz,  von  Pterocarpus  santalinus  L.,  eines  auf  Ceylon  und  in  Ostindien 
einheimischen  Baumes,  enthält  etwa  l'°o  eines  roten  Farbstoffes  ,,das  Santalin  CiäH^Os", 
welches  in  Wasser  unlöslich,  in  Alkohol  und  Aether  hingegen  löslich  ist.  Auch  in  Alkalien 
löst  es  sich,  wobei  die  t'arbe  in  violett  übergeht. 

Dem  Sandelholz  nahestehend  sind:  das  ostindische  Caliatur-Holz,  das  Madagascar- 
Holz,  das  afrikanische  Barwood  und  das  Camwood. 

d)  Das  Gelbholz.  Das  ungarische  Gelbholz  stammt  vom  Perückenbaum  (Rhus  cotinus 
L.),  das  westindische  vom  Färbermaulbeerbaum  (Maclura  aurantiaca  Muth). 

Ersteres  enthält  ein  Glykosid  ,,das  Fustin",  welches  anscheinend  an  Gerbsäure  gebunden 
ist  und  beim  Erwärmen  mit  verdünnter  Schwefelsäure  in  den  Gelbfarbstoff  ,,Fisetin"  und  in 
Zucker  zerlegt  wird: 

CaeHo^sOn-f  4H.O=  2£i_5H^„_Os+C6H,_£6 
Fustin  Fisetin     Rhamnose. 

Das  westindische  Gelbholz  enthält  neben  dem  nicht  färbenden  Maklurin  CjjHjoOj  den  gelben 
Farbstoff  Morin  Ci5HioO,+2aq. 

Um  den  Transport  zu  erleichtern,  werden  aus  den  Farbhölzern  Extrakte  hergestellt. 
Von  einzelnen  kommt  überhaupt  nur  das  eingedickte  Extrakt  in  den  Handel,  wie  z.  B.  Catechu, 
eine  spröde,  tief  dunkelbraun  gefärbte  Masse,  welche  aus  dem  Kernholze  von  Acacia  Catechu 
gewonnen  wird  und  neben  Gerbsäure  einen  roten  und  einen  braunen  Farbstoff  enthält. 

Die  Farbhölzer  haben  seit  Einführung  der  Teerfarbstoffe  an  Bedeutung  viel  verloren. 

7.  A  et  herische   Oele,  Harze,    Balsame  und   andere   Riechstoffe. 
Jedes  frische  Holz  besitzt  einen  eigentümlichen,  meist  schwachen  Geruch.    Bei  manchen 

Hölzern  tritt  aber  auch  im  trockenen  Zustande  der  Geruch  noch  .sehr  deutlich  hervor;  so  z.  B. 
bei  allen  Nadelhölzern,  bei  den  Farbhölzern,  beim  Weichselholz,  Cedernholz,  Veilchenholz, 
Aloeholz,   Kampferholz  usw. 

8.  Kautschuk,  Guttapercha,  Kampfer,  Bitterstoffe,  Alka- 
1  0  i  d  e  etc.  Diese  Substanzen  sind  für  gewisse,  meist  in  den  Tropen  einheimische  Holzarten 
(Stammholz,  Wurzeln  oder  Rinden)  charakteristisch.  In  technischer  Hinsicht  ist  namentlich 
der  Kautschuk  von  Bedeutung,  der  sich  in  dem  Milchsaft  (Latex)  mehrerer  tropischer  und 
subtropischer  Pflanzen  findet.  Den  meisten  und  besten  Kautschuk  liefern  die  Euphorbiaceen: 
Hevea  brasiliensis  und  guyanensis.  Er  kommt  unter  der  Bezeichnung  ,,Paragummi",  nach  dem 
brasilianischen  Hafen  Para  so  benannt,  in  den  Handel.  Außer  diesen  gibt  es  in  Brasilien,  Zentral- 
amerika, Ostindien  und  Ostafrika  noch  eine  Reihe  anderer  Kautschukbäume,  aus  der  Familie 
der  .\rtocarpeen,  Apocyneen  u.  a. 

Um  den  Milchsaft  zu  gewinnen,  werden  entweder  die  Bäume  durch  Einschnitte  oder 
Stiche  angezapft,  oder  die  Blätter  und  Stengel  der  Kautschukpflanzen  ausgepreßt,  oder  endlich 
die  kautschukführenden  Pflanzenteile  getrocknet  und  dann  mit  Oucllungsmitteln  der  Kautschuk 
direkt  extrahiert. 

Der  Milchsaft,  der  eine  weißliche,  dickflüssige,  im  frischen  Zustande  meist  geruchlose, 
süßschmeckendc  Flüssigkeit  bildet,  w-ird  entweder  als  solcher  in  Gefäßen  gesammelt  und  aus 
ihm  der  Rohkautschuk  auf  verschiedene  Art  (Verdunstenlassen,  Schlagen,  Zentritugieren,  Räu- 
chern, Kochen,  starkes  \'erdünnen  mit  Wasser,  Zusatz  von  organischen  und  mineralischen 
Säuren)  zur  Koagulation  gebracht,  oder  das  Gerinnen  am  Baume  selbst  veranlaßt  und  der  Kaut- 
schuk aus  dem  Clerinnsel  auf  geeigneten  Unterlagen  gleichsam  abgewickelt. 

Das  auf  die  eine  oder  andere  .\rt  ausgeschiedene  Koagulum  ist  der  Rohkautschuk,  welcher 
den  überseeischen  Handelsartikel  bildet.  Ein  Baum  liefert  pro  Jahr  etwa  6  Liter  Milch,  woraus 
2,5  kg  Rohkautschuk  gewonnen  werden. 

Dieser  enthält  neben  dem  eigentlichen  oder  Reinkautschuk  (rund  60%)  beträchtliche 
Mengen  von  Harzen,  ferner  Eiweißkörper,  Zucker,  Farbstoffe,  erdige  Bestandteile,  Reste 
des  Koagulationsmittels,  Wasser  und  noch  andere  \'erunreinigungen. 

\'or  seiner  Weiterverarbeitung  wird  der  Rohkautschuk  einem  Waschprozeß  mit  heißem 
und  kaltem  Wasser  und  darauf  folgendem  gründlichen  Austrocknen  unterworfen. 

Mischt  man  so  gereinigten  Kautschuk  auf  einem  Mischwalzwerk  mit  Schwefel,  nebst 
anderen  Zusätzen,  und  setzt  diese  Mischung  in  einem  Dampfkessel  oder  in  einer  heizbaren 
Presse  einem  Druck  bis  zu  6  Atm.  aus,  so  erhält  man,  je  nach  der  angewendeten  Schwefel- 


560  J-^  D.    S  c  li  w  a  c  k  h  ö  f  e  r,   Forstlich-Chemische  Technologie. 

menpre,  Höhe  und  Dauer  des  Drucices,  entweder  ein  weiches  elastisches  {Weichgummi)  oder  ein 
hartes,  elastisches  Produkt  (Hartgummi  oder  Ebonit),  welches  gegen  Säuren  und  Alkalien, 
sowie  Quellungsmittel  beständig  ist  und  den  allgemeinen  Namen  ,, vulkanisierter  Kautschuk" 
führt.  Weichgummi  behält  seine  Elastizität  zwischen  — 20  und  +120°  C.  und  ist  an  der  Luft 
beständiger  als  der  Rohkautschuk.  Seine  Verwendung  zu  den  verschiedenen,  fälschlich  „Gummi- 
waren" genannten  ,\rtikeln  ist  bekannt. 

Ebonit  repräsentiert  eine  hörn-  oder  fischbeinartige  Masse,  welche  sich  zu  den  verschieden- 
sten Gebrauchs-  und  Luxusgegenständen  in  jeglicher  Art  bearbeiten  läßt. 

Durch  Eintauchen  von,  geformten  Kautschukwaren  in  ein  Bad  von  geschmolzenem 
Schwefel  oder  in  eine  Lösung  von  Schwefelchlorür  bezw,  durch  Behandeln  der  Gegenstände 
mit  Schwefelchlorürdämpfen  erfolgt  ebenfalls,  wenn  auch  keine  so  intensive,  Vulkanisierung 
des  Kautschuks  (sog.  kalte  \'ulkanisierung),  Ueber  die  chemische  Konstitution  des  Kaut- 
schuks, dem  die  Formel  (Cj|,Hj„)n  zukommt,  sowie  über  die  .Art  der  Bindung  des  Schwefels  beim 
Vulkanisierungsprozeß  sind  die  .Ansichten  der  Forscher  noch  geteil. 

Der  zum  Teil  von  Erfolg  gekrönten  Versuche,  Kautschuk  synthetisch  herzustellen,  sei 
hier  nur  Erwähnung  getan. 

Eine  dem  Kautschuk  ähnliche  Substanz,  ,,die  Guttapercha",  wird  aus  dem  .Milchsafte 
einiger  Palaquien-.\rten  auf  Sumatra  und  Borneo  gewonnen.  Zu  diesem  Zwecke  wurden  früher 
die  Bäume  gefällt,  jetzt  wird  aber  die  Gewinnung  auch  am  lebenden  Baume  vorgenommen, 
indem  man  Einschnitte  in  die  Rinde  macht.  In  diesen  tritt  der  Milchsaft  aus  und  gerinnt 
von  selbst  sehr  rasch,  so  daß  er  mit  dem  Messer  ausgeschnitten  werden  kann.  Diese  Rohgutta- 
percha wird  in  ähnlicher  Weise  gereinigt  luid  auch  vulkanisiert  wie  der  Kautschuk. 

Einen  natürlichen  Ersatz  für  die  Guttapercha  bildet  die  „Balata",  der  eingetrocknete 
Milchsaft  von  Mimusops  Balata,  einer  in  Amerika,  .Afrika  und  Australien  heimischen  Pflanze 
aus  der  Familie  der  Sapotaceen. 

Kampfer  CuHj^O  ist  das  Stearopten  aus  dem  ätherischen  Gel  des  Kampferbaumes 
(Cinnamomum  Camphora,  zur  Familie  der  Lauraceen  gehörig),  welcher  in  China  und  Japan 
zu  Hause  ist  und  auf  der  Insel  Formosa  ganze  Wälder  bildet.  Kampfer  ist  in  allen  Teilen  des 
Baumes  enthalten;  zur  Gewinnung  werden  das  Stammholz,  die  Aeste,  die  Wurzeln  und  teil- 
weise auch  die  Blätter  verwendet.  Das  Holz  wird  zerkleinert  und  der  Kampfer  in  primitiven 
Vorrichtungen  mit  Hilfe  von  Wasserdampf  überdestilliert.  Aus  100  kg  Holzspänen  resultieren 
etwa  5  kg  Rohprodukt,  aus  Kampfer  und  Kampferöl  bestehend.  Der  feste  Kampfer  wird  von 
dem  Gel  durch  Absickern  getrennt,  als  Rohkampfer  in  den  Handel  gebracht  und  fabriksmäßg 
durch  Sublimation  raffiniert, 

Kampfer  wird  heute  bereits  im  Großen  künstlich  hergestellt  aus  Harz  als  Rohmaterial. 
Nach  E.  J.  Pond  ^)  wird  die  Synthese  selbst  folgendermaßen  ausgeführt: 
Pinen  (aus  Terpentinöl)  +  HCl  ....  Pinenhydrochlorid  +  KOH  ....  Camphen  -j-  GH, 
GOGH  ....  Isoborneolacetat  +  HjO  ....  Isoborneol  +  O  .  .  .  .  Kampfer. 

9.  M  i  n  e  r  a  1  s  t  0  f  f  e.  Dieselben  sind  teils  im  Satte  und  teils  in  der  festen  Holzsub- 
stanz abgelagert.  Die  Menge  der  Mineralstoffe  macht  durchschnittlich  0,2 — 0,6%  vom  Ge- 
wichte des  entrindeten,  lufttrockenen  Stammholzes  aus.  Junges  Holz  ist  reicher  als  älteres. 
Die  Zusammensetzung  der  ilineralbestandteile  wechselt  nach  der  Beschaffenheit  des 
Bodens,  auf  dem  das  Holz  gewachsen  ist.  Die  Hauptbeslandteile  sind:  Kali,  Kalk,  Magnesia 
und  Phosphorsäure  .Alle  anderen  Bestandteile  treten  mehr  oder  weniger  zurück.  Der  Ge- 
halt an  Mineralsäuren  ist  gering.  Die  Metalloxyde  sind  zum  größten  Teil  als  organisch  saure 
Salze  zugegen,  welche  beim  Verbrennen  des  Holzes  Carbonate  liefern.  In  der  Holzasche  herrscht 
daher  die  Kohlensäure  vor,  die  aber  dem  Holze  als  solchem  nicht  angehört.  Der  Umstand,  daß 
die  Holzasche  zumeist  aus  Karbonaten  besteht,  macht  sie  zur  Gewinnung  xon  Pottasche  geeignet. 
100  Gewichtsteile  Rohasche  enthalten: 

Kali  .         .  10— ari 

Natron  .  .  .  1 —  5 

Kalk  .  .  .  20—45 

Magnesia  .         .         .  5 — 15 

Manganoxydul  .         .         .  1 —  8 

Eisenoxyd  .         .         .  1 —  i 

Tonerde  .         .  1 —  8 

Kieselsäure        .         .         .  1 —  3 

Schwefelsäure  .         .         .  1 —  5 

Phosphorsäure  .         .         .  2 — 10 

Kohlensäure       .  .  .  15 — 20 

Der  jüngste  Teil  des  Holzes,  „der sogenannte  Splint",  ist  hellfarbig,  wasserreich, 
enthält  mehr  gelöste  Stoffe,  namentlich  mehr  Stickstoffsubstanz,  und  ist  daher  auch 
rascher  der  Zersetzung  unterworfen.  Mit  zunehmendem  .\lter  zeigt  der  Splint  bei 
den  verschiedenen  Holzarten  ein  ungleiches  Verhalten.     Bäume,  bei  welchem  der 

1)  Chemiker  Ztne.  1907. 


Die  cliemisclie  ZusammeiiseUuug  Ues  Holzes,  Jer  Hiiide  und  des  Korkes  etc.     §  3.      yßj 

Splint  auch  in  späterem  Alter  sich  nur  wenig  ändert,  werden  Splintbäume  genannt, 
wie:  Ahorn,  Birke,  Weißbuche  etc.  Entwickelt  sich  aus  dem  Splint  allmählich  ein 
wasserärmeres,  dichteres  und  merklich  dunkler  gefärbtes  Holz,  so  bezeichnet  man  die 
Bäume  als  Reifholzbäume,  wie  Tanne,  Fichte,  Linde,  Weißdorn,  Birnbaum  etc.  Eine 
weiter  fortschreitende  Veränderung  des  Splintes  findet  sich  in  den  Reifholzkern- 
bäumen, wie  Rotbuche,  Esche,  Ulme,  Salweide  etc.,  und  am  weitesten  geht  die  Um- 
wandlung in  den  Kernholzbäumen,  wie:  Lärche,  Föhre,  Zirbelkiefer,  Eibe,  Wach- 
holder, Eiche,  Kirsche,  Nußbaum.  Hartriegel,  Ebenholz,  Mahagoni,  Stockholz  und 
allen  Färb  hölzern. 

b)  Rinde»). 

§  3.  Im  jugendlichen  Zustande  besteht  die  Rinde  aus  der  Epidermis,  dem  pri- 
mären Rindenparenchym  und  dem  grünen  primären  Baste.  Bei  weiterem  Wachstum 
nimmt  die  Rinde  an  Dicke  beträchtlich  zu  und  die  in  der  tiefer  liegenden  Zone  ent- 
stehende Korkschichte  stößt  das  äußere,  allmählich  absterbende  Gewebe,  ,,die  sog. 
Borke",  schuppenförmigab.  Der  lebende  Teil  der  Rinde,  ,, das  Fleisch",  ist  der  sekun- 
däre Bast  und  die  innerste  Korkschichte.  Vom  sekundären  Baste  entsteht  jedes  Jahr 
eine  neue  Schichte,  die  sich  deutlich  von  den  früheren  abhebt. 

Die  chemische  Zusammensetzung  der  Rinden  ist  eine  sehr  komplizierte  und  nur 
zum  Teile  erforscht.  Der  wichtigste  Bestandteil,  welcher  die  technische  Verwendbar- 
keit gewisser  Rinden  bedingt,  ist  der  Gerbstoff. 

Als  Gerbstoffe  bezeichnet  man  eine  Reihe  schwacher  Säuren,  welche  im  Pflan- 
zenreiche sehr  verbreitet  sind,  vorzugsweise  in  den  Rinden  und  in  gewissen  patho- 
logischen Gebilden  (Galläpfeln  und  Knoppern)  vorkommen,  ferner  auch  in  den  Blät- 
tern, Samen  und  anderen  Pflanzenteilen.  Die  Gerbstoffe  sind  in  Wasser  leicht,  in 
Alkohol  schwer  löslich  und  in  Aether  unlöslich.  Sie  besitzen  einen  herben,  zusammen- 
ziehenden Geschmack,  geben  mit  Eisensalzen  blauschwarze  oder  grüne  Niederschläge, 
fällen  Eiweiß  und  Leimlösungen.  Mit  der  tierischen  Haut  vereinigen  sie  sich  zu  einer 
geschmeidigen,  fäulniswiderstehenden  Substanz  ,, Leder".  Die  Gerbstoffe  werden  nach 
den  Pflanzen,  von  welchen  sie  abstammen,  benannt.  Als  Typus  der  Gerbstoffe  ist 
das  Tannin  oder  die  Eichenrindengerbsäure  C14HJ0O9  zu  betrachten.  Es  ist  ein  gelb- 
lich grauweißes,  amorphes  Pulver,  von  der  vorhin  angegebenen  Löslichkeit.  Es  bildet 
mit  zwei  Aequivalenten  der  Metalle  Salze  und  fällt  viele  Alkaloide  aus  ihren  Lösungen. 

Einige  Gerbstoffe  sind  Glykoside.  Die  hauptsächlichste  Verwendung  finden 
die  gerbstoffhaltigen  Materialien  zur  Ledererzeugung. 

Dem  Tannin  am  nächsten  steht  die  G  a  1 1  u  s  s  ä  u  r  e  C^HgOg ;  sie  ist  gewissermaßen 
das  Hydrat  des  ersteren:  C14H10O9  -l-  H20=  2C7H6O5.  Tannin  kann  durch  Wasser- 
addition in  Gallussäure  und  diese  wieder  durch  wasserentziehende  Mittel  in  Tannin 
rückverwandelt  werden.  Die  Gallussäure  krystallisiert  in  feinen  Nadeln,  ist  in  heißem 
Wasser  leicht  löslich  und  gibt  mit  Eisenvitriol  eine  braune  Färbung.  An  der  Luft 
oxydiert  sich  die  Ferroverbindung  sehr  rasch,  wodurch  die  Flüssigkeit  eine  tief- 
schwarze Farbe  annimmt.  Gallussäure  ist  in  reichlicher  Menge  in  den  Galläpfeln  vor- 
handen, femer  findet  sie  sich  in  vielen  Rinden  und  in  anderen  Pflanzenteilen.  Ihre 
Hauptverwendung  findet  dieselbe  zur  Erzeugung  der  Schreibtinte. 

Der  Gerbstoffgehalt  der  Rinden  verschiedener  Abstammung  variiert  in  weiten 
Grenzen.     In  den  einheimischen  Rinden,  die  als  Gerbmaterial  Verwendung  finden, 


1)  .^ustührliclies  hierüber  Prof.  Dr.  v.  H  ö  li  n  e  1  in  Wiesners  Rohstoffe  des  Pflanzenreiches, 
I.  Bd.    Leipzig  1900. 

Handb.  d.  Forstwiss.    3.  Aufl.    II.  36 


562  IX  D.    S  c  h  w  a  c  k  li  ö  t  e  r,   Forstlich-Chemische  Technologie. 

sind  im  lufttrockenen  Zustande  durchschnittlich  5 — 15%  Gerbstoff  enthalten.  Unter 
den  außereuropäischen  Rinden  gibt  es  hingegen  mehrere,  welche  einen  Gerbstoff- 
gehalt von  20  bis  über  35%  aufweisen. 

Für  Europa  ist  die  Eichenrinde  das  wichtigste  Gerbmaterial.  In  Mittel- 
europa wird  dieselbe  vorzugsweise  von  der  Stiel-  oder  Sommereiche  Quercus  pedun- 
culata  und  von  der  Trauben-  oder  Wintereiche  Qu.  sessiliflora  gewonnen.  Ferner 
liefern  gute  Gerbrinde:  die  Zerreiche  Qu.  Cerris  (Ungarn,  Kroatien,  Slavonien),  die 
Kermeseiche  Qu.  coccifera;  die  Grüneiche  Qu.  Hex  (Südfrankreich  und  Algier), 
die  Korkeiche  Qu.  Suber  (Italien  und  Spanien).  In  Nordamerika  ist  die  Ghestnutoak- 
rinde  von  der  Kastanieneiche  Qu.  Castanea  das  wichtigste  Gerbmaterial. 

Die  Rinde  wird  entweder  von  alten  Stämmen  gewissermaßen  nur  als  Neben- 
produkt gewonnen,  während  das  Holz  die  Hauptnutzung  bildet,  oder  aber  es  wird  die 
Rinde  nur  von  jungen,  14 — 20jährigen  Stämmen  (Stangen)  abgeschält  und  ist  das 
Hauptprodukt  (Schälwaldbetrieb).  Die  Altholzrinde  ist  borkig,  dicker,  ärmer  an 
Gerbstoff  und  daher  minderwertig.  Die  Jungholzrinde  ist  dagegen  dünn,  glatt, 
borkenfrei  und  bildet  das  wertvollere  Material.  Man  unterscheidet  4  Sortimente  von 
Eichenrinden : 

1.  Die  Spiegel-  oder  Glanzrinde,  d.  i.  Jungholzrinde  von  Stangen  unter  10  cm 
Dicke. 

2.  Die  Reitelrinde,  von  10 — 12  cm  dicken  Stangen,  ein  Mittelding  zwischen 
Jung-  und  Altholzrinde,  bei  20-  bis  35jähriger  Umtriebszeit  gewonnen.  Sie  ist  schwach- 
borkig und  längsrissig. 

3.  Die  geputzte  Altholz-  oder  Grobrinde,  bei  welcher  die  Borkenschichte  ent- 
fernt wurde. 

4.  Die  ungeputzte  Grobrinde  oder  rauhe  Stammborke,  d.  i.  Altholzrinde,  an 
welcher  die  Borke  noch  vorhanden  ist. 

Der  Gerbstoffgehalt  der  Rinde  nimmt  von  der  Wurzel  gegen  den  Gipfel  hin 
um  3 — 5%  ab.  Man  unterscheidet  daher,  speziell  bei  der  Glanz-  und  Reitelrinde: 
Erd-,  Mittel-  und  Gipfelgut.  Das  Fleisch  der  Altholzrinde  ist  nicht  wesentlich  ärmer 
an  Gerbstoff  als  jenes  von  der  Jungholzrinde;  der  Unterschied  liegt  hauptsächlich 
nur  in  der  Borkenbildung.  Während  das  Fleisch  einen  Gerbstoffgehalt  von  etwa 
12 — 16  °o  aufweist,  besitzt  die  Borke  weniger  als  die  Hälfte  davon.  Durchschnitt- 
lich enthalten  die  besten  Spiegelrinden  16 — 20,  die  Reitelrinden  10 — 14,  die  geputzten 
Altholzrinden  8 — 10  und  die  ungeputzten  5 — 8%  Gerbsäure,  im  lufttrockenen  Zu- 
stande. 

Neben  der  Eichenrinde  ist  für  Deutschland,  Oesterreich-Ungarn  und  die  nörd- 
lichen Länder  Europas  überhaupt  die  F  i  c  h  t  e  n  r  i  n  d  e  ein  wichtiges  Gerbmaterial. 
Bäume  von  50 — 80  Jahren  liefern  die  beste  Rinde.  Die  Rinde  jüngerer  Stämme  ist 
gerbstoffärmer.  Bei  Stämmen  über  80  Jahren  geht  der  Gerbstoffgehalt  zwar  nicht 
wesentlich  zurück,  es  entsteht  aber  eine  größere  Menge  von  Farbstoff,  welcher  die 
Qualität  der  Rinde  als  Gerbmaterial  beeinträchtigt.  Außer  dem  Alter  kommt  auch 
die  Höhenlage  der  Bäume  in  Betracht.  Die  aus  alpinen  Gegenden  stammenden  Rinden 
sind  im  allgemeinen  die  wertvolleren.  Durchschnittlich  enthalten  die  besseren  Sorten 
der  Fichtenrinde  7  bis  9  %  Gerbstoff. 

Die  Schälung  der  Rinde  wird  immer  erst  an  den  gefällten  Stämmen  vorgenom- 
men. Fichtenrinde  wird  hauptsächlich  zum  Gerben  für  schweres  Unterleder  ver- 
wendet. 

Die  T  a  n  n  e  n  r  i  n  d  e  ist  gerbstoffarm  (etwa  5  %)  und  wird  nur  im  Gemenge 
mit  anderen,  gerbstoffreicheren  Rinden  zuweilen  als  Gerbmaterial  verwendet. 


Die  clicmisclie  Zusainmciisetzung  dos  Holzes,  der  Rinde  uiul  des  Korkes  etc.    §  3.      563 

Die  L  ä  r  c  h  e  n  r  i  n  d  e  enthält  10%  Gerbstoff  und  noch  darüber,  wird  aber 
wegen  des  relativ  seltenen  Vorkommens  dieser  Holzart  nur  für  lokalen  Bedarf,  vor- 
zugsweise in  England  und    Irland,  zum   Gerben  von  Schaffellen  benützt. 

Die  B  i  r  k  e  n  r  i  n  d  e  ist  sehr  arm  an  Gerbstoff  (etwa  3  °o),  wird  aber,  haupt- 
sächlich ihrer  hellen  Farbe  wegen,  zum  X'orgerben  und  teilweise  wohl  auch  zum 
Ausgerben  verwendet. 

Die  Erlenrinde  besitzt  einen  sehr  hohen  Gerbstoffgehalt,  16  bis  20%,  zu- 
gleich aber  auch  sehr  viel  Farbstoff  und  kann  daher  in  den  Gerbereien  nur  eine  be- 
schränkte Anwendung  finden. 

Die  Weidenrinden  sind  für  den  Norden  Europas  ein  wichtiges  Gerb- 
material. Das  russische  .Juchtenleder,  sowie  das  dänische  und  schottische  Hand- 
schuhleder wird  hauptsächlich  mit  Weidenrinden  gegerbt.  Die  besten  Rinden  liefern 
die  stärkeren  Ruten,  welche  einen  Gerbstoffgehalt  von  8  bis  über  13  %  aufweisen. 

Selten  werden  verwendet: 

Walnuß-,    Buchen-,    ital.  Pappel-,  Ulmen-  und  Roßkastanien-Rinde. 

\"on  den  außereuropäischen  Gerbrinden  sind  namentlich  jene  von  gewissen 
Akazienarten  durch  ihren  Gerbstoffreichtum  ausgezeichnet  und  werden  unter  der 
Bezeichnung  W  a  1 1 1  e-  oder  M  i  m  o  s  a  -  Rinden  von  Australien,  Südafrika  und 
Südamerika  nach  Europa  importiert.  Die  besten  Sorten  enthalten  über  35,  die  min- 
deren einige  20  "„  Gerbstoff.  Ueberdies  werden  auch  die  Fernambukrinde,  die  Hem- 
lock-Tannenrinde,  die  Termialia-  und  die  Curtidarinde,  sowie  mehrere  andere  als 
Gerbrinde  in  den  Handel  gebracht. 

Sowohl  aus  den  Rinden,  als  auch  aus  den  gerbstoffreichen  Hölzern  werden 
durch  Ausziehen  mit  Wasser  und  Konzentrieren  der  Lösung  im  Vakuumapparate 
Gerbstoffextrakte  hergestellt,  welche  entweder  als  Flüssigkeit  (30  "  B)  oder  als  feste 
Substanz  in  den  Handel  kommen.  Dieser  Fabrikationszweig  ist  namentlich  dort  von 
Bedeutung,  wo  die  mangelhaften  Verkehrsverhältnisse  den  Absatz  des  Rohmateriales 
sehr  erschweren. 

Neben  Gerbstoff  finden  sich  in  den  Binden  noch  eine  Reihe  anderer,  zum  Teile  tech- 
nisch verwertbarer  Stoffe,  und  zwar: 

Gallussäure,  besonders  in  der  Eichenrinde,  in  der  Rinde  der  Edelkastanie,  Roß- 
kastanie etc.;  andere  organische  Säuren,  namentlich  Oxalsäure  und  Pectinsäure.  In  vielen 
Rinden  sind  Oxalatkristalle  (meist  Calciumoxalat)  ausgeschieden. 

Glykoside,  wie:  das  Quercitrin  C2,H220i2  in  der  Rinde  von  Quercus  tinctoria, 
welche  als  Farbmaterial  eine  hervorragende  Rolle  spielt  und  die  anderen  pflanzlichen  Gelb- 
stoffe fast  gänzlich  verdrängt  hat;  ferner  das  SalicinCjsHjsO,  in  den  Weiden  und  Pappelrinden; 
das  Aesculin  CjäHjjOg  in  der  Rinde  der  Roßkastanie,  das  Saponin  CjjHjnOio  in  der  Ouillaja- 
Rinde,  deren  Abkochungen  gleich  jenen  der  Seifenwurzel  zum  Waschen  von  Schafwolle  und 
diversen  Geweben  benützt  wird;  das  Populin  C2„H220g-l-2  aq  in  der  Pappelrinde;  das  Phloridzin 
C2iH2iO,o-j-2  aq  in  der  Rinde  der  Obstbäume  und  noch  einige  andere. 

Stärke,  Zucker,  Gummi.  Ein  gewisser  Stärkegehalt  ist  in  den  Gerbrinden 
erwünscht. 

A  e  t  h  e  r  i  s  c  li  e  O  e  1  e,  Harze,  Balsame.  Die  Zimtrinde,  von  mehreren  Cinna- 
momumarten  stammend,  dient  als  Gewürz,  für  medizinische  Zwecke  und  zur  Erzeugung  von 
Zimtöl. 

Die  Cascarilla-Rinde  wird  ihres  ätherischen  Oeles  wegen  in  der  Parfümerie,  in  der  Medizin, 
zur  Herstellung  von  Weihrauch,  Tabakbeizen  etc.  verwendet.  Ueber  Harze  und  ätherische 
Oele  siehe  später). 

Bitterstoffe  und  .\  1  k  a  1  o  i  d  e.  Den  hervorragendsten  Platz  nehmen  in  dieser 
Hinsicht  die  Chinarinden  ein,  welche  von  Bäumen  der  inSüdamerika  einheimischen  Cinchona  ab- 
stammen, gegenwärtig  aber  auch  in  melireren  anderen  Ländern  kultiviert  werden.  Die  größten 
Produktionen  weisen  Ceylon  und  Java  auf.  Der  Wert  dieser  Rinden  liegt  in  ihrem  Gehalt  an 
.\lkaloiden,  deren  heute  10  verschiedene,  gut  charakterisierte  bekannt  sind.  Die  wichtigsten 
kristallisierbaren  China-.Mkaloide  sind:  das  Chinin  und  Chinidin  (C2oH2,X202),  sowie  das  Cin- 
chonin  und  Chinchonidin  (C,9H22N20).  Der  .Mkaloidgehalt  der  Rinden  ist  außerordentlich 
variabel,  von  1  bis  12  Proz.  und  auch  noch  darüber.    Die  Wurzelrinden  sind  im  allgemeinen 

36* 


5ß4  IX  D.    S  c  h  w  a  c  k  h  ö  r  e  r,    Forstlich-Chemische  Technologie. 

reichhaltiger  als  die  Stammrinden;  auch  geben  die  Rinden  von  den  kultiv'ierten  Bäumen  mehr  als 
von  den  wildwachsenden.  Die  Alkaloide  werden  fabriksmäßig  aus  den  Rinden  gewonnen  und 
bilden  eines  der  wichtigsten  Arzneimittel. 

Endlich  sind  als  Rindenbestandteile  noch  anzuführen:  Zellulose,  Lignin,  Suberin,  Farb- 
stoffe, Extraktivstoffe,  Stickstoffsubstanz,  Mineralbestandteile  und  Wasser.  Der  Stickstoff- 
gehalt der  Rinden  ist  höher  als  im  Holze  und  beträgt  in  den  älteren  Stammrinden  0.4 — 0.6 
und  in  der  Reisigrinde  0.6 — 0.8  Proz.  Der  Gehalt  an  Mineralstoffen  schwankt  von  1.5  bis 
über  7  Prozent  und  der  Wassergehalt  durchschnittlich  zwischen  50  und  60,  steigt  aber  auch 
bis  über  70  Proz.  Ein  höherer  Wassergehalt  ist  speziell  bei  den  Gerbrinden  sehr  nachteilig. 
Auf  feuchten  Rinden  siedeln  sich  sehr  leicht  Schimmelpilze  (namentlich  Pennieillium  glaucum) 
an,  welche  den  Gerbstoff  rasch  oxydieren.  Das  möglichst  schleunige  Lufttrockenwerden  der 
Rinden  ist  daher  ein   Hauptertordernis  bei  der  Rindengewinnung. 

e)  Kork. 

§  4.  Die  Korkschichte  ist,  wie  schon  früher  erwähnt,  ein  Bestandteil  der  Rinde. 
Bei  den  meisten  Holzgewächsen  ist  aber  diese  Schichte  sehr  schwach.  Nur  bei  einigen 
Eichenarten  entwickelt  sich  der  Kork  so  mächtig,  daß  er  gewonnen  und  technisch 
verwertet  werden  kann.  In  hervorragender  Weise  ist  dies  der  Fall  bei  der  Korkeiche 
„Quercus  suber",  welche  in  Algier  und  Marokko,  sowie  in  Spanien  und  Portugal  zu 
Hause  ist;  femer  auch  bei  einer  mit  der  ersteren  nahe  verwandten  Eichenart,  ,, Quer- 
cus occidentalis",  die  im  südlichen  Frankreich  größere  Bestände  bildet.  Auch  in 
Italien,  Dalmatien  und  in  der  Türkei  kommt  Korkeiche  vor,  welche  jedoch  nur  mindere 
Korkqualitäten  liefert.  Bis  zum  3.  Jahre  bleibt  die  Epidermis  erhalten,  dann  erst 
bildet  sich  Kork.  Wenn  die  Stämme  etwa  10  cm  dick  geworden  sind,  wird  diese  Kork- 
schichte (der  sog.  männl.  Kork)  abgenommen.  Er  ist  hart,  spröde  und  zu  Stöpseln 
oder  dergl.  unverwendbar.  In  den  folgenden  Jahren  entsteht  der  weiche,  elastische 
(sogen,  weibliche  Kork).  Nach  Verlauf  von  etwa  8—10  Jahren  ist  die  Korkschichte 
so  dick  geworden,  daß  sie  abgeschält  werden  kann.  Die  Schälung  wird  dann  alle 
8 — 10  Jahre  wiederholt,  bis  der  Baum  etwa  150  Jahre  alt  geworden  ist.  Die  abge- 
lösten Korkplatten  sind  0.3 — 0.8  m^  groß  und  von  5  bis  zu  20  cm  dick.  Sie  werden  an 
der  Außenseite  von  den  anhaftenden  Moosen  etc.  gereinigt,  kurze  Zeit  in  siedend 
heißes  Wasser  getaucht,  behufs  Ouellung  und  Erweichung,  sodann  flach  ausgebreitet, 
gepreßt,  getrocknet  und  in  Ballen  verpackt.  Geschieht  das  Trocknen  über  freiem 
Feuer,  so  wird  die  Außenseite  dabei  etwas  gesenkt;  die  Ware  heißt  dann  schwarzer 
Kork,  zum  Unterschied  von  dem  an  der  Sonne  getrockneten  weißen  Kork. 

Die  AuI3enseite  der  Korkplatten  ist  rauh  und  besitzt  Längsrisse,  während  die  Innenseile 
glatt  erscheint  und  mit  radialen  Poren  (Lenticellen)  versehen  ist.  Je  weniger  Poren  vorhanden 
sind,  desto  wertvoller  ist  der  Kork.  Am  Querschnitt  tritt  die  Begrenzung  der  Jahresringe  dftrch 
dunklere  wellige  Linien  hervor.    Die  Farbe  des  Korkes  ist  grau,  gelbrot  bis  rötlich. 

Die  Korkzellen  sind  5 — 6seitige,  mit  Luft  gefüllte  Prismen.  Die  Zellwand  besteht  nach 
Höhnet  aus  5  Lamellen,  von  welchen  die  mittlere  aus  stark  verholzter  Zellulose,  die  beiden  un- 
mittelbar anschließenden  aus  Suberin  mit  wenig  Zellulose  und  die  beiden  äußeren  aus  schwächer 
verholzter  Zellulose  gebildet  sind. 

Der  charakteristische  Bestandteil  des  Korkes  ist  das  ,, Suberin",  welches  in  einer  Menge 
von  7  0  bis  80%  vorhanden  ist.  Es  besteht  der  Hauptsache  nach  aus  einem  Gemenge  von  talg- 
und  wachsartigen  Stoffen,  mit  einer  nichtfettigen  Substanz.  Ferner  sind  im  Kork  vorhanden: 
Gerbsäure,  Phlobaphen,  Phloroglucin,  1 — 3°o  Stickstoff  und  0.5%  Asche.  Lufttrockener  Kork 
enthält  circa  4 — 5%  Wasser. 

Die  wichtigsten  Eigenschaften  des  Korkes  sind:  seine  Elastizität,  Undurch- 
iässigkeit  für  Flüssigkeiten  und  Gase,  Widerstandsfähigkeit  gegen  äußere  Einflüsse, 
außerordentliche  Leichtigkeit  und  sehr  geringes  Wärmeleitungsvermögen.  Die  haupt- 
sächlichste Verwendung  findet  der  Kork  bekanntlich  für  Stöpsel. 

Feine  Korke  für  Laboratoriumszwecke,  Champagnerflaschen  usw.  müssen  so  geschnitten 
sein,  daß  die  Porenkanäle  senkrecht  zur  Stöpsclachse  stehen,  um  einen  vollkommen  dichten 
Abschluß  zu  erzielen.  Alle  anderen  Verwendungen  (für  Schuhsohlen,  Schwimmgürtel,  Fischerei- 
artikel, elastische  Unterlagen  u.  dgl.)  sind  von  geringerem  Belang.    Dagegen  finden  die  Kork- 


Die  chcraisclie  Zii~aiuiiieiiM.'t7.ung  des  Holzes,  der  1  linde  und  des  Kuikes  elc.    §  j.      yßj 

abfülle,  welche  sich  beim  Ziisclineiden  der  Stöpsel  ergeben,  aussredehnte  Anwendnn?  zur  Er- 
zeugung von  Korksteinen  und  Linoleum.  Die  Abfälle  werden  zerkleinert  mit  einem  Uindeinittel 
vermengt  und  in  Formen  gepreßt.  Korksteine  werden  als  Wiirmeschutz-UniliüUungen  für 
Kalt-  und  Warmwasscr-Leitungen  und  Reservoire,  für  Dampfleitungen,  Trockenlegung  und 
Isolierungen  für  .Mauerwände  und  dgl.  verwendet. 

Linoleum  wird  hergestellt,  indem  man  Leinöl  durch  Kochen  mit  Salpetersäure  oxydiert, 
Korkpulver  und  Farbmaterialien  einrührt,  die  so  erhaltene  Masse  in  dünner  Schichte  auf  ein 
Gewebe  aufträgt  und  in  hei(3er  Luft  weiter  oxydiert,  wobei  sie  fest  wird.  Linoleum  dient  als 
Fußboden-  und  Sliegenstufenbclag,  ist  sehr  dauerhaft  und  läßt  sich  leicht  reinigen.  Kamp- 
tulikon  (Kortizin),  ebenfalls  ein  Fußbodenbelag,  wird  hergestellt  aus  einem  Gemenge  von  Kork- 
abfällcn  mit  Kautschuk,  Guttapercha  oder  eingedicktem  Leinöl,  in  Form  von  Platten.  ,, Spa- 
nisch Schwarz",  eine  scliwarzc  Farbe,  ist  Korkkohle. 

d)  Gallen  1). 

§  5.  Die  Gallen  oder  Galläpfel  sind  krankhafte  Gebilde  von  mehr  oder  minder 
kugeliger  Gestalt  und  Erbsen-  bis  Walnußgröße,  die  auf  Blättern  und  jungen  Zweigen 
einiger  Pflanzengattungen,  besonders  aber  auf  Eichen  vorkommen.  Sie  entstehen 
durch  den  Stich  der  Galhvespe,  von  welchen  es  mehrere  Arten  gibt.  Dieselbe  durch- 
bohrt mit  ihrem  Legestachel  die  Haut  der  Blätter  oder  jungen  Pflanzenteile  und 
deponiert  in  die  Stichwunde  ein  befruchtetes  Ei.  An  dieser  Stelle  bildet  sich  durch 
Saftausfluß  und  Zellenerweiterung  eine  Anschwellung,  welche  die  entstehende  Larve 
umschließt  und  derselben  Nahrung  bietet,  bis  das  ausgewachsene  Insekt  die  Hülle 
durchbohrt  und  verläßt.  Solange  das  Insekt  seine  Behausung  noch  bewohnt,  also 
noch  nicht  durchbohrt  hat,  sind  die  Galläpfel  schwärzlich  oder  blaugrau,  höckerig, 
hart,  schwer,  sehr  gerbstoffreich  und  besitzen  im  Innern  eine  Höhlung  mit  der  mehr 
oder  minder  entwickelten  Galhvespe.  Die  bereits  durchbohrten  Galläpfel  sind  blaß- 
gelblichgrau,  glatt,  schwammig,  leicht  und  enthalten  weniger  Gerbstoff.  Demnach 
werden  im  Handel  schwarze  und  weiße  Galläpfel  unterschieden. 

Der  wertvolle  Bestandteil  der  Gallen  ist  die  eisenbläuende  Gallusgerbsäure 
(Tannin),  welche  beim  Kochen  mit  verdünnter  Schwefelsäure  und  Kalilauge  Gallus- 
säure liefert: 

Ci,H^  +  H,0  =  2C£_e05 

Tannin  Gallussäure 

Gute  Galläpfel  enthalten  im  lufttrockenen  Zustand  gegen  60%  Tannin.  Am 
reichsten  sind  die  chinesischen  Gallen,  deren  Gerbstoffgehalt  je  nach  dem  Alter 
zwischen  59  und  77  "o  schwankt. 

Der  Stickstoffgehalt  der  Gallen  ist  gering.  Als  weitere  Bestandteile  sind  zu 
nennen:  Dextrose,  Stärke,  Gummi,  fettes  Oel,  Chlorophyll,  Mineralstoffe  und  Wasser. 

Der  Aschengehalt  beträgt  1  Vi — 2%.  Der  Wassergehalt  ist  in  der  frischen 
Galle  über  80,  in  der  lufttrockenen  etwa  12%. 

Nach  ihrer  Herkunft  werden  unterschieden: 

1.  Die  kleinasiatischen  Galläpfel,  von  einer  strauchartigen  Eiche  (Quercus 
lusitanica)  abstammend,  welche  kaum  2  m  hoch  wird.  Der  Stich  rührt  von  der  Wespe  „Cy- 
nips  gallae  tinctoriae"  her.  Diese  Galläpfel  sind  kugelig  bis  eiförmig, mit  mehr  oder  weniger 
spitzen  Höckern. 

Die  beste  Sorte  sind  die  aleppischen,  von  2^',  cm  Durchmesser,  dunkelgrün  bis  schwärz- 
lich; Gerbstoffgehalt  bis  zu  60  Proz.  Mindere  Sorten  sind  die  mossulischen  von  etwas  hellerer 
Farbe,  die  smyrnaer  mit  3 — 5  cm  Durchmesser,  gelblich  gefärbt  und  durchbohrt,  Tanningehalt 
nur  20 — 30  Proz.,  und  die  Bassora-Gallen  (oder  Sodomaäpfel),  von  ungefähr  4  cm  Durchmesser, 
braun  gefärbt,  sehr  leicht  und  durchbohrt,  Tannin-Gehalt  im  Mittel  etwa  27  Proz. 

2.  Die  europäischen  Galläpfel  sind  kleiner  als  die  vorgenannten  und  stammen 
von  anderen  Eichenarten.  Hierher  gehören:  die  Moreagallen  von  Qu.  Cerris,  mit  circa  30  Proz. 
Gerbstoff;  die  Istrianer-Gallen  von  Qu.  Hex,  bis  zu  40  Proz.  Gerbstoff;  die  kleinen  ungarischen 
Gallen  von  Qu.  sessiliflora  und  Qu.  pedunculata,  nur  1  cm  groß;  die  großen  ungarischen  Gallen 

1)  Ausführlich  behandelt  von  Dr.  W.  Figdor  in  Wiesners  „Rohstoffe  des  Pflanzenreiches". 


566  IX  D.    Sc  h  w  a  c  k  h  ö  f  e  r,   Forstlich-Chemische  Technologie. 

von  ly,  bis  31/2  cm  Durchmesser;  die  mitteleuropäischen  Gallen  von  verschiedenen  Eichenarten, 
1 — 21/2 "cm  groß,  mit  etwa  15°o  Gerbstoff. 

Eine  besondere  Art  von  Gallen  sind  die  K  n  o  p  p  e  r  n.  Die  echten  ungarischen  Knoppern 
sind  Auswüchse,  welche  durch  den  Stich  der  Gallwespe  ,,Cynips  calicis",  und  zwar  an  den 
jungen  Früchten  von  Ouercus  pedunculata  und  Qu.  sessiliflora  entstehen.  Während  die 
Eichel  in  ihrer  Entwicklung  zurückbleibt,  bilden  sich  an  ihrer  Außenseite  Auswüchse,  welche 
bisweilen  so  groß  werden,  daß  sie  selbst  den  Grund  der  Eichel  umschließen.  Diese  Gebilde  sind 
gelbbraun  gefärbt,  unförmig,  eckig  und  werden  bis  zu  -t  cm  groß.  Sie  werden  in  den  Eichen- 
waldungen Ungarns,  Slavoniens  und  der  Bukowina  vom  .\ugust  bis  Oktober  gesammelt  und 
bilden  ein  vortreffliches   Gerbmaterial,  welches  nach   Eitner  24 — 30" „   Gerbstoff  enthält. 

Die  levantinischen  Knoppern  oder  Valonen  sind  die  becherartig  verwachsenen  Deckblätter 
der  Früchte  einiger  im  südlichen  Europa,  Kleinasien  und  Syrien  einheimischen  Eichenarten. 
Ihr    Gerbstoffgehalt  soll  bis  zu  45%  beiragen. 

3.  Die  chinesischen  Galläpfel  stammen  nicht  von  Eichen,  sondern  von  einigen 
Rhus-Arten  und  sollen  durch  den  Stich  von  Blattläusen  hervorgerufen  werden.  Es  sind  feste, 
ziemlich  lichte,  blasenartige  Gebilde  von  der  Größe  einer  Hasel-  bis  Walnuß,  sehr  unregel- 
mäßig geformt  und  mit  Höckern  versehen.  Sie  kommen  auf  den  Blattstielen,  Fiederblättchon 
oder  Zweigspitzen  vor  und  weisen  einen  sehr  hohen  Gerbstotfgehalt,  bis  zu  7  7%  anf. 

Auch  auf  einigen  Pistacia-  und  Tamaria-.\rten  finden  sich  erbsen-  bis  nußgroße  Gallen, 
die  von  Marokko,  Algier,  Persien,  Arabien  und  Indien  aus  in  den  Handel  gebracht  werden. 

II.  Konservierung  des  Holzes. 

§  6.  Allgemeines.  Das  Holz  ist  verschiedenen  nachteiligen  Veränderungen 
ausgesetzt.  Durch  Wasser- Abgabe  und  -Aufnahme  erfährt  es  Gestaltsveränderungen, 
welche  als  Schwinden,  Werfen  und  Reißen  bezeichnet  werden  und  namentlich  im 
zugerichteten  und  fertig  bearbeiteten  Holze  gefürchtet  sind.  Verschiedene  Insekten 
zerfressen  das  Holz,  bohren  Gänge  in  dasselbe,  wobei  das  sogenannte  Wurmmehl 
entsteht;  einige  derselben  treiben  dieses  Zerstörungswerk  nicht  nur  im  lebenden 
Baume,  sondern  setzen  es  auch  noch  in  den  bearbeiteten  Hoizgegenständen  fort. 

Mikroorganismen  pflanzlicher  Natur  zersetzen  das  Holz  und  veranlassen  Fäul- 
nis, Verwesung  und  Vermoderung  desselben,  wodurch  allmählich  eine  Lockerung  des 
Gefüges,  schließlich  aber  der  gänzliche  Zerfall  der  Holzsubstanz  herbeigeführt  wird. 
Endlich  wird  das  Holz  auch  von  höher  organisierten  Pilzen  befallen  und  zerstört, 
unter  denen  vor  allen  der  echte  ,, Hausschwamm"  (Merulius  lacrymans)  der  gefürch- 
tetste  ist. 

An  allen  diesen  Schädigungen  nimmt  der  Holzsaft,  u.  zw.  sow^ohl  das  Wasser 
wie  auch  die  in  demselben  gelösten  Bestandteile,  als  Nahrungsstoffe  für  die  tierischen 
und  pflanzlichen  Schädlinge,  einen  hervorragenden  Anteil.  Aber  auch  die  Bestand- 
teile des  Holzskelettes  sind  als  Nährsubstrate  für  diese  Kleinlebewesen  nicht  zu 
übersehen,  wie  ja  dies  die  Vorgänge  bei  der  Zerstörung  organischer  Substanz  in  der 
Natur  alltäglich  lehren. 

W.  Omelianski  i)  ist  es  gelungen,  die  anaeroben  (luftscheuen)  Erreger  der  Wasserstoff- 
und  Methan-Gärung  der  Zellulose  in  Reinkultur  zu  züchten,  zwei  Stäbchen-Bakterien,  welclie 
sich  in  ihrem  Jugendzustande  nur  durch  ihre  Größe  und  Form  der  einzelnen  Stäbchen  unter- 
scheiden, später  aber  —  zur  Zeit  der  Sporenbildung  —  dieselbe  Gestalt  (eines  Trommelschlägels) 
annehmen.  Der  Methan-Bacillus  ist  in  allen  seinen  .\bmessungen  zarter  als  der  Wasserstotf- 
Bacillus. 

Physiologisch  charakterisieren  sie  sicli  dadurch,  daß  die  Methan-Bazillen  die  Zellulose 
in  Methan,  Kohlensäure  und  flüchtige  organische  Säuren  (der  Hauptmenge  nach  Essigsäure 
und  Buttersäure)  zerlegen,  während  die  Wasserstoff-Bazillen,  an  Stelle  des  Methans,  Wasser- 
stoff abspalten. 

Auch  aerobe  Bakterien  vermögen  die  Zellulose  zu  spalten  ebenso  wie  dcnitrifizicrende, 
welche  in  Gegenwart  von  Zellulose  Nitrate  zu  Nilriten  reduzieren,  die  Zellulose  selbst  aber  in 
gleicher  Weise  zersetzen,  wie  die  anaeroben.   Das  Gleiche  gilt  auch  von  gewissen  Schimmelpilzen. 

Welcher  Art  die  Einwirkung  der  Mikroorganismen  auf  die  Zellulose  ist,  konnte  bis  nun 
mit  Sicherheil  noch  nicht  festgelegt  werden;   doch   dürften  auch  hier,   wie  z.  B.  bei  der  Kei- 


1)  Lafar,  Ilandb.  der  techn.  Mykologie,  III.  Bd.    Jena  1904—1 


906. 


Koiisüi-vieruiig  des  Holzes.     §   7.  5ß7 

mung  der  Samen  liölicrer  Pflanzen,  Zelkiloso  lösende  Enzyme  (Cytasen  oder  Zellnlascn)  die 
Vüllsländiffe  Zerlegung  der  Zellulose  vorljereilen.  Auch  das  Mycel  des  Ilausschwamnies  scheint 
mittelst  einer  Cytase  die  Zellulose  zu  losen,  um  sie  dann  vielleicht  auch  als  Nährstoff  zu  be- 
nützen, jedenfalls  aber  um  sich  so  den  Eingang  durch  die  Zellwandungen  in  das  llolzinnere 
zu  bahnen. 

Uie  bekannten  Erscheinungen  der  Trockenfäule,  Rotstreifigkeit,  des  Blau-,  Grau-  oder 
Braunwerdens  des  Rohholzes,  der  staubigen  Verwesung  desselben  etc.  haben  alle  ihren  Grund 
in  Pilzwucherungen  oder  der  .\rbeit  von  Mikroorganismen  überhaupt,  deren  Erreger  zum  Teil 
schon  bekannt  sind,  zum  Teil  aber  noch  der  Bestimmung  harren. 

Um  nun  das  Holz  vor  allen  den  genannten  Schädigungen  zu  bewahren,  wird 
es  für  viele  Zwecke  schon  genügen,  den  in  ihm  enthaltenen  Ueberschuß  an  Wasser 
soweit  abdunsten  zu  lassen,  daß  das  Holz  als  gut  lufttrocken  gelten  kann.  Solch 
trockenes  Holz,  eventuell  noch  mit  einem  dichten  Ueberzug  versehen,  wird  sich  in 
trockener  Luft,  z.  B.  unter  Dach,  viele  Dezennien  hindurch  konservieren.  Befindet 
sich  dagegen  das  Holz  im  Freien,  so  ist  es  von  geringer  Dauer,  und  am  schnellsten 
unterliegt  es  der  Zersetzung  im  Boden,  wo  es  oftmals  durchnäßt  wird,  ohne  inzwi- 
schen gehörig  austrocknen  zu  können.  Anaerobe  Bakterien  finden  hier  ein  geeig- 
netes Feld  und  es  ist  dann  in  diesem  Falle  die  Entfernung  des  Wassers  resp.  Zell- 
saftes allein  nicht  ausreichend,  sondern  bakterizide  Mittel,  Antiseptika,  müssen  in 
Anwendung  gebracht  werden,  wenn  man  auf  eine  selbst  nur  mäßige  Dauer  des  Holzes 
reflektiert. 

Dementsprechend  sind  denn  auch  die  Methoden  und  Mittel,  welche  man  zur 
Holzkonservierung  anwendet,  dem  speziellen  Zweck  entsprechend  verschieden. 

Die  Methoden,  welche  zur  Konservierung  des  Holzes  in  Anwendung  kommen, 
sind  folgende:  1.  Das  Trocknen; 

2.  Das  Auslaugen; 

3.  Das  Dämpfen; 

4.  Die  Umhüllung; 

5.  Die  Imprägnierung. 

§  7.  1.  Das  Trocknen.  Es  ist  dies  die  einfachste  und  ganz  allgemein 
angewandte  Methode  der  Holzkonservierung. 

Bleibt  Holz  im  zugerichteten  oder  wenigstens  entrindeten  Zustande  an  der 
Luft  liegen,  so  verliert  es  fortwährend  an  Wasser,  bis  ein  gewisser  Gleichgewichts- 
zustand zwischen  dem  Wassergehalte  der  Atmosphäre  und  der  Hygroskopizität  des 
Holzes  eingetreten  ist.  In  diesem  Zustande  nennt  man  das  Holz  lufttrocken.  Das- 
selbe enthält  dann  noch  10 — 18%  Wasser.  Die  Zeit,  welche  das  Holz  braucht,  um 
lufttrocken  zu  werden,  ist  in  erster  Linie  von  der  Zurichtung  abhängig.  Die  gewöhn- 
lichste .^rt  der  Zurichtung  des  Werkholzes  ist  die  Bretterform,  und  diese  ist  für  die 
Trocknung  sehr  gut  geeignet,  wenn  die  Aufschichtung  so  geschieht,  daß  sich  die 
einzelnen  Bretter  tunlichst  wenig  berühren  und  Luft  überall  frei  durchstreichen  kann. 
Sind  die  Bretterstöße  im  Freien  aufgestellt,  was  in  der  Regel  der  Fall  ist,  so  sollen 
sie  durch  ein  übergreifendes  Bretterdach  gegen  direkte  Benässung  und  gegen  Sonnen- 
brand geschützt  sein.  Auch  unter  günstigen  Bedingungen  dauert  es  aber  einige 
Monate,  bis  die  Bretter  lufttrocken  geworden  sind.  Faßholz  wird,  zu  Rohdauben 
zugeschnitten,  in  gleicher  Weise  in  Stößen  aufgeschichtet,  an  der  Luft  getrocknet. 
Bei  Holz  von  stärkeren  Dimensionen,  „Pfosten  oder  Rundholz",  geht  die  Austrock- 
nung naturgemäß  langsamer  vonstatten.  Das  größte  Hindernis  der  Austrocknung 
des  Holzes  in  ganzen  Stämmen  ist  die  Rinde,  welche  einen  fast  dichten  Abschluß 
bildet.  Berindete  Stämme  werden  selbst  nach  jahrelanger  Aufbewahrung  nicht  luft- 
trocken und  unterliegen  schon  nach  kurzer  Zeit  der  Zersetzung.  Ganz  besonders  ist 
dies  bei  sehr  wasserreichen  Holzarten,  wie  z.  B.  Birke  der  Fall. 


568  IX  D.    Sc  li  w  a  c  k  h  ö  I  e  r,     Forstlich-Chemische  Technologie. 

Um  die  Trocknung  zu  beschleunigen,  wird  zuweilen  auch  künstliche  Erwär- 
mung angewendet. 

Die  Trocknung  geschieht  in  eigenen  Trocken-Kammern  oder  -Kanälen,  in  wel- 
chen das  zu  trocknende  Holz  liegend  und  quer  auf  die  Zugrichtung  so  eingeschichtet 
wird,  daß  die  Luft  zwischen  den  einzelnen  Stücken  ungehindert  zirkulieren  kann. 
Kammern  mit  direkter  Heizung,  wobei  das  zu  trocknende  Holz  mit  den  Heizgasen 
in  Berührung  kommt,  sind  veraltet  und  nur  für  Hölzer,  welche  keine  feinere  Zurich- 
tung erfahren,  anwendbar.  In  allen  anderen  Fällen  muß  in  Kammern  mit  Dampf- 
oder Heißluftheizung  getrocknet  werden. 

Die  Größe  des  Trockenraumes  ist  der  Länge  des  Holzes  und  der  geforderten  Leistung  an- 
gepaßt. Sehr  große  Räume  sind  nicht  zweckmäßig,  weil  die  Erwärmung  und  Austrocknung 
keine  gleichmäßige  ist.  Für  sehr  große  Leistungen  ist  es  besser,  mehrere  Kammern  oder  Kanäle 
anzuwenden.  Gewöhnlich  geht  man  nicht  über  300  bis  400  m'  hinaus,  wovon  Ya  auf  die  Holz- 
füllung und  -/^  auf  den  Luftraum  entfallen.  Häufig  ist  aber  der  Gesamtraum  viel  kleiner.  Die 
Grundfläche  ist  länglich  viereckig.  Die  Kammern  sind  aus  Mauerwerk  oder  aus  Holz  herge- 
stellt. Im  letzteren  Falle  muß  für  gute  Isolierung  durch  Doppelwände  mit  schlecht  leitendem 
Füllmaterial  gesorgt  sein. 

Bei  Dampfheizung  wird  unter  dem  Lattenfußboden  der  Kammer  ein  Rippenheizrohr- 
system  gelegt,  an  welchem  die  vorüberstreichende  Außenluft  sich  erwärmt  und  zwischen  den 
Latten  in  den  Trockenraum  aufsteigt.  Zur  Heizung  dient  in  der  Regel  Auspuffdampf  von  der 
Betriebsmaschine  und  ist  durch  Einschaltung  einer  Sicherungsvorrichtung  dafür  gesorgt,  daß 
ein  schädlicher  Rückstoß  auf  die  Dampfmaschine  nicht  erfolgt.  Das  Heizrohrsystem  hat  ein 
schwaches  Gefälle,  damit  das  Kondenswasser  ablauten  kann.  Dampfheizung  ist  nur  bei  Fabrik- 
anlagen zweckmäßig,  in  denen  man  die  Wärme  des  .\uspuffdampfes  ausnützen  will.  Häufig 
reicht  aber  derselbe  für  sich  allein  nicht,  so  daß  aucli  noch  direkter  Kesseldampf  zu  Hilfe  ge- 
nommen werden  muß,  was  diese  .«Vrt  der  Heizung  unökonomisch  macht. 

Die  Heißluftheizung  ist  in  den  meisten  Fällen  vorzuziehen.  Davon  gibt  es  zwei  Varianten: 
die  Ofenheizung  und  die  Kanal-  oder  Rohrheizung. 

Bei  ersterer  wird  der  Heizapparat  (Ofen  oder  Kaloriffero)  entweder  unterhalb  oder  seitlich 
neben  der  Trockenkammer  aufgestellt.  Die  Heizvorrichtung  besteht  aus  dem  gemauerten 
Feuerherd,  an  welchen  sich  ein  gußeiserner  Rippenheizkörper  anschließt.  Die  .\ußenluft  streicht 
an  dem  Heizkörper  vorbei  und  gelangt  durch  Zugöffnungen  in  den  Trockenraura. 

Bei  der  Kanalheizung  ziehen  die  Heizgase  durch  einen  dünnwandigen  Chamottekanal 
mit  daranschließendem  Blechrohrsystem.  Der  Feuerherd  liegt  außerhalb  der  Kammer  in  dem 
Boden  verlieft,  während  der  Feuerzug  unter  dem  Lattenboden  des  Trockenraumes  verläuft 
und  in  den  Kamin  einmündet. 

Die  Ventilation  des  Trockenraumes  muß  durch  Schieber,  Klappen  oder  Jalousien  regu- 
lierbar sein  und  erfolgt  entweder  durch  den  natürlichen  Zug  oder  auf  mechanischem  Wege. 
Im  ersteren  Falle  ist  ein  entsprechend  hoher  und  weiter  Dunstschlot  erforderlich.  Um  den 
Effekt  desselben  zu  erhöhen,  führt  man  das  Rauchrohr,  durch  welches  die  Essengase  vom 
Heizapparat  entweichen,  ein.  Auch  ist  es  zweckmäßig,  eine  drehbare  Haube  mit  seitlicher 
Ausströmung  und  Windfahne  auf  dem  Schlot  anzubringen.  Diese  Haube  verhindert  einen  Rück- 
stau bei  windigem  Wetter  und  wirkt  immer  saugend,  gleichgültig  von  welcher  Richtung  der 
Wind  auch  kommen  mag. 

Trotz  dieser  Vorkehrungen  ist  aber  die  Ventilation  durch  den  Dunstschlot  doch  immer 
von  der  Temperaturdifferenz  zwischen  Trockenraum  und  Außenluft  abhängig.  Es  ist  daher 
dort,  wo  man  eine  bewegende  Kraft  zur  Verfügung  hat,  die  Lüftung  auf  mechanischem  Wege, 
durch  Einblasen  oder  Absaugen  der  Luft,  vorzuziehen,  weil  man  damit  in  der  Lage  ist,  die  Ge- 
schwindigkeit der  Luftströmung  nach  Bedarf  zu  regulieren. 

Es  gibt  Trockenanlagen  für  periodischen  und  solche  für  kontinuierlichen  Be- 
trieb. Bei  ersteren,  den  Trockenkammern,  wird  das  zu  trocknende  Holz  eingeschichtet 
und  nach  vollendeter  Trocknung  der  Raum  abkühlen  gelassen  und  entleert.  Bei 
kontinuierlicher  Arbeit,  der  Kanaltrocknung,  wird  das  Holz  auf  Rollwagen  regel- 
recht verladen,  an  der  rückwärtigen  Stirnseite  des  Kanals  eingefahren,  je  nach  dem 
Grade  der  Trocknung  allmählich  gegen  die  Richtung  des  Luftzuges  nach  der  wär- 
meren Zone  vorgeschoben  und  am  anderen  Ende  des  Kanals  ausgefahren.  Für  jeden 
herausgerollten  Wagen  wird  an  der  anderen  Stirnseite  ein  mit  frischem  Holze  be- 
ladener  eingeschoben,  so  daß  der  Kanal  immer  voll  beschickt  ist. 

Bei  der  künstlichen  Holztrocknung  sind  folgende  Momente  zu  beachten : 


Konsei-vivruiii;  des  Holzes.    §  9.  5ß9 

1.  Das  Holz  darf  nur  bei  mäßiger  Temperatur  getrocknet  werden.  Je  feuciiter 
das  Holz  ist,  desto  langsamer  muß  die  Trocknung  erfolgen.  Zu  rasches  Erwärmen 
hat  ein  Werfen  und  Reißen  des  Holzes  zur  Folge.  Als  Maximaltemperatur  gilt  50 — 60" 
C. ;    in  der  Regel  wird  aber  bei  35 — 40°  C.  fertig  getrocknet. 

2.  Die  Ventilation  darf  keine  zu  starke  sein ;  es  genügt,  wenn  in  etwa  5  Minuten 
die  Luft  einmal  erneuert  wird.  Uebrigens  hängt  dies  hauptsächlich  vom  Feuchtig- 
keitsgehalt der  Luft  ab.  In  sehr  trockener  Luft  geht  die  Verdunstung  des  Wassers 
zu  rasch  von  statten  und  ist  ein  Rissigwerden  des  Holzes  zu  befürchten. 

3.  Das  Holz  muß  nach  der  Trocknung  noch  etwa  10 — 12%  Wasser  enthalten. 
Vollständig  ausgetrocknetes  Holz  ist  spröde,  läßt  sich  schlecht  bearbeiten,  zieht  be- 
gierig Feuchtigkeit  an  und  ist  dadurch  dem  Schwinden  ausgesetzt. 

4.  Die  Zeitdauer  der  Trocknung  ist  verschieden,  je  nach  der  Form  und  Größe 
der  Holzstücke,  dem  Feuchtigkeitsgehalte  und  nach  der  Holzart.  Für  Bretter  und 
Hölzer  von  geringem  Querschnitt  überhaupt  können  3 — o  Tage,  für  stärkere  Dimen- 
sionen 8 — 10  Tage  gelten. 

Nach  einem  amerikanischen  Patente  wird  die  aus  dem  Trockenraum  kommende,  mit 
Feuchtigkeit  beladene  Luft  in  einen  Kondensator  geleitet,  um  das  Wasser  durch  Abkühlung 
niederzuschlagen.  Die  teilweise  entwässerte  Luft  kehrt  durch  den  Heizapparat  wieder  in  den 
Trockenraum  zurück,  so  daß  mit  ein  und  derselben  Luftmenge  die  Trocknung  zu  Ende  geführt 
wird.  Anfänglich  wird  die  Luft  nur  wenig  entwässert,  so  daß  sie  noch  mit  einem  bestimmten 
Feuchtigkeitsgehalt  in  die  Kamiuor  eintritt.  Je  weiter  die  Trocknung  des  Holzes  fortschreitet, 
desto  mehr  wird  auch  die  Luft  entwässert.  Es  soll  dadurch  einer  zu  raschen  Trocknung  und  dem 
damit  verbundenen  Schwinden  und  Reißen  des  Holzes  vorgebeugt  werden. 

Dieses  Verfahren  ist  nur  dort  anwendbar,  wo  große  Wassermengen  für  die  Kondensation 
zur  Verfügung  stehen,  und  hat  überdies  noch  den  Nachteil,  daß  die  Luft  stark  abgekühlt  und 
dann  wieder  erwärmt  werden  muß.  Der  gleiche  Zweck  läßt  sich  einfacher  und  billiger  erreichen, 
wenn  die  aus  der  Kammer  abgesaugte,  feuchte  Luft  mit  einem  gewissen  sukzessive  steigenden 
Anteil  von  frischer  Außenluft  gemischt  wird. 

§  8.  2.  D  a  s  Auslaugen.  Es  hat  den  Zweck,  den  Zellsaft  zu  entfernen. 
Auch  wird  dadurch  die  hygroskopische  Eigenschaft  des  Holzes  abgeschwächt;  es 
wird  eher  lufttrocken,  schwindet  weniger  und  gleichmäßiger.  Die  einfachste  Methode 
des  Auslaugens  besteht  darin,  daß  man  zugeschnittenes,  oder  wenigstens  von  der 
Rinde  befreites  Holz  längere  Zeit,  mindestens  einige  Monate,  in  fließendem  Wasser 
liegen  läßt.  Die  Auslaugung  kann  nur  durch  Diffusion  erfolgen  und  geht  daher 
außerordentlich  langsam  vor  sich.  Stärkere  Stämme  müssen  sogar  mehrere  Sommer 
hindurch  unter  Wasser  liegen  bleiben.  Zum  Auslaugen  soll  nur  frisch  gefälltes  Holz 
verwendet  werden.  Bleibt  dasselbe  längere  Zeit  an  der  Luft  liegen,  so  werden  gewisse 
Saftbestandteile  unlöslich.  Der  Effekt  des  Auslaugens  mit  kaltem  Wasser  ist  aber, 
selbst  auch  bei  frisch  gefälltem  Holze,  kein  sehr  erheblicher.  An  eine  vollständige 
Entfernung  aller  löslichen  Bestandteile  des  Holzes  ist  nicht  einmal  bei  schwächeren 
Stücken  zu  denken. 

Besser  gelingt  die  Auslaugung  mit  kochendem  Wasser,  welche  jedoch  nur  bei 
kleineren  Holzstücken  (Schindeln,  Drechsler-  und  Wagnerholz)  anwendbar  ist.  Als 
Schutzmittel  gegen  die  Zersetzung  des  Holzes  ist  das  Auslaugen  nur  von  untergeord- 
neter Bedeutung;  dagegen  leistet  es  aber  zur  Verhinderung  des  Schwindens  und 
Reißens  gute  Dienste. 

§  9.   3.  D  a  s   Dämpfen.    In  jeder  Beziehung  effektvoller  als  das  Auslaugen 

ist  das  Dämpfen  des  Holzes. 

Man  benützt  hierzu  meist  einen  starkwandigen  Holzkasten  von  3 — 4  m  Länge,  V-/., — 2  m 
Breite  und  Höhe,  welcher  mit  Eisenspangen  und  Zugankern  zum  Nachziehen  zusammengehalten 
wird.  Zur  Dichtung  der  Stoßfugen  benützt  man  Hanf-  oder  Zellulosepackung.  Die  beiden 
Stirnwände  sind  behufs  Beschickung  und  Entleerung  des  Kastens  zum  Abnehmen  eingerichtet 
und  werden  durch  Eisenschienen  mit  umlegbaren  Schraubenbolzen  festgehalten.    Die  Dichtung 


570  IX  D.     S  c  h  w  a  c  k  h  ö  f  e  r,    Forstlich-Cliemische  Technologie. 

geschieht  in  gleicher  Weise  wie  bei  den  Stoßfugen.  Der  Kasten  ist  auf  Polslerhölzer,  etwas  ge- 
neigt gestellt  und  an  der  tiefsten  Stelle  mit  einem  Ablaufhahn  für  das  Kondenswasser  versehen. 
.\m  entgegengesetzten  Ende  des  Kastens  mündet  das  Dampfzuleitungsrohr  ein.  Um  an  Dampf 
zu  sparen,  muß  möglichst  viel  Holz  in  den  Kasten  eingebracht  werden,  wobei  jedoch  zu  beachten 
ist,  daß  sich  die  Flächen  der  einzelnen  Holzstücke  tunlichst  wenig  berühren.  Bretter  werden 
hochkantig  eingestellt. 

Nachdem  der  Kasten  beschickt  und  verschlossen  ist,  wird  mit  der  Dämpfung  begonnen. 
In  den  ersten  Stadien  ist  das  ablaufende  Kondenswasser  ziemlich  klar  und  nur  wenig  gefärbt; 
später  wird  es  trübe,  dunkelgefärbt  und  besitzt  einen  eigentümlichen  Holzgeruch  von 'den  aus- 
gelaugten Extraktivstoffen.  .Man  setzt  das  Dämpfen  so  lange  fort,  bis  das  Kondenswasser  klar 
und  farblos  abläuft,  zum  Beweis,  daß  die  Auslaugung,  soweit  sie  überhaupt  hier  gelingt,  be- 
endet ist.  Die  Dämpfung  nimmt  je  nach  den  Dimensionen  der  Holzstücke  40 — 80  Stunden  in 
Anspruch.  Ein  üeberdruck  kann  natürlich  in  einem  Holzkasten  nicht  angewendet  werden, 
und  wäre  auch  nicht  zweckmäßig,  weil  das  Holz  dadurch  an  Festigkeit  verliert.  Nach  dem 
Dämpfen  wird  das  Holz  an  der  Luft  oder  in  einem  Trockenapparat  ausgetrocknet.  Statt  der 
Holzkästen  verwendet  man  auch  gemauerte  oder  eiserne  Dämpfapparate. 

Durch  die  Einwirkung  des  Dampfes  verändert  das  Holz  seine  Farbe  und  wird 
im  allgemeinen  dunkler.  Buchenholz  wird  braun,  Eichenholz  schwarzbraun,  Ahorn 
rötlich,  Kirschbaum  gelb  bis  rot  usw.  Gedämpftes  Holz  ist  dem  Werfen  und  Reißen 
weniger  ausgesetzt,  trocknet  rascher  und  besitzt  ein  geringeres  spez.  Gewicht  als 
nicht  gedämpftes  von  gleichem  Trockenheitsgrade.  Im  noch  warmen,  durchfeuch- 
teten Zustande,  wie  es  aus  dem  Dampfkasten  kommt,  ist  es  biegsam  und  behält 
die  gegebene  Form  auch  nach  dem  Erkalten  und  Trocknen  bei.  Von  diesem  Verhallen 
wird  bei  der  mechanischen  Bearbeitung  des  Holzes  für  die  Möbelfabrikation,  VVagen- 
bau,  Schiffbau,  Faßfabrikation  etc.    die    ausgedehnteste  Anwendung  gemacht. 

Eine  andere  Art  der  Dämpfung,  welche  zugleich  eine  Trocknung  des  Holzes  bewirkt, 
wurde  zuerst  in  Amerika  eingeführt  und  beruht  auf  der  Anwendung  überhitzten  Wasserdampfes. 
Das  Holz  wird  in  einen  starkwandigen,  mit  einer  Wärmesch\ilzhülle  umgebenen  Eisenkessel 
gebracht  und  gespannter  Dampf  eingeleitet.  Der  Dampf  passiert  vor  dem  Eintritt  in  den  Kessel 
ein  Röhrensystem,  in  welchem  er  nicht  nur  getrocknet,  (d.  h.  von  dem  mitgerissenen  Wasser 
befreit),  sondern  auch  überhitzt  wird.  Im  .4nfang  wird  der  Zellsaft  durch  den  Dampf  verdrängt 
und  mit  dem  Kondensationswasser  abgelassen.  Bei  längerer  Einwirkung  des  überhitzten  Damp- 
fes kann  das  Holz  auf  einen  Feuchtigkeitsgehalt  von  10°o  gebracht  werden.  Dieses  Verfahren 
hat  den  Vorteil,  daß  die  dem  Holze  schon  vom  Walde  her  anhaftenden  parasitischen  und  sa- 
prophytischen  Pilze  unschädlich  gemacht  werden,  daß  ferner  ein  Rissigwerden  des  Holzes  nicht 
eintritt.  Dagegen  aber  sind  als  Nachteile  zu  bezeichnen:  1.  Die  großen  .4nlagekosten,  2.  der 
unverhältnismäßig  große  Wärmebedarf,  und  3.  der  Umstand,  daß  das  Holz  bei  diesem  Ver- 
fahren sehr  bedeutend  an  Festigkeit  verliert. 

§10.  4.  Die  Umhüllung  des  Holzes:  a.  Durch  Polieren  mit  Schellack 

oder  Wachs;    b.  durch  Anstrich  mit  Firniß,  Lack,  Teer  und  Teerpräparaten,  sowie 

das  Ueberziehen  mit  Wasserglas;    c.  durch  Ankohlen. 

a.  Das  Polieren  dient  mehr  zur  Verschönerung  und  nur  nebenbei  zur 
Konservierung  des  Holzes.  Die  gewöhnliche  Holzpolitur  ist  eine  weingeistige  Lösung 
von  Schellack,  welche  mit  einem  zusammengeballten  Lappen  auf  das  vorerst  glatt- 
geschliffene Holz,  unter  Zugabe  von  ganz  wenig  Oel  eingerieben  wird.  Zum  Polieren 
der  getäfelten  Fußböden  (Parketten)  dient  Wachs,  dem  etwas  Terpentinöl  zugesetzt 
ist.  Das  Einreiben  geschieht  mit  steifen  Bürsten.  Auch  Möbel  werden  auf  diese  Art 
poliert.  Die  Wachspolitur  besitzt  weniger  Glanz,  läßt  sich  aber  leichter  auftragen 
und  mit  weniger  Mühe  auffrischen  als  die  Schellackpolitur. 

b.  Der  Anstrich  hat  den  Zweck,  das  Holz  gegen  Feuchtigkeitsaufnahme 
(und  damit  auch  gegen  das  Schwinden  und  Reißen)  zu  schützen,  ferner  das  Eindringen 
der  Pilze  zu  verhindern.  Häufig  beabsichtigt  man  damit  auch  noch,  den  Holzgegen- 
ständen ein  gefälligeres  Ansehen  zu  erteilen.  Jeder  wie  immer  geartete  Anstrich 
wirkt  nur  dann  konservierend,  wenn  das  Holz  zuvor  gut  lufttrocken  geworden  ist. 
Auf  feuchtem  Holze  ist  er  geradezu  verderblich,  weil  die  Austrocknung  dadurch  ver- 
hindert wird  und  das  Holz  um  so  schneller  der  Verderbnis  unterliegt.    Die  gebrauch- 


Konser\  icning  des  Holzes.     §  10.  57  J 

liebsten  Anstrichmittel   sind   die   Oelfarbenfirnisse,  welche  durch   Zusammenreiben 
der  Farben  mit  Leinölfirnis  hergestellt  werden. 

Das  Leinöl  gehört  zu  den  trocknenden  Oelen;  es  besitzt  die  Eigenschaft,  Sauerstott  aus 
der  Luft  aufzuneliinen,  sich  <ial)oi  zu  vcirdicUen  und  in  dünnen  Schichten  ganz  fest  zu  werden. 
Die  Verdickung  erfolgt  viel  rasclior,  wenn  man  das  Leinöl  durch  Erwärmen  auf  250°  C.  künst- 
lich oxydiert  und  mit  Metallverbindnngen  verreibt,  welche  sich  darin  lösen.  Es  dienen  hiezu 
hauptsächlich  Blei-  oder  Manganverbindungen.  .\m  besten  eignen  sicli  die  Harzseifen  dieser 
beiden  .Metalle,  die  sich  schon  bei  wenigi^r  hoher  Temperatur  (130 — 150"  C.)  in  Leinöl  leicht 
und  vollständig  lösen.  Diesen  Zusatz  nennt  man  Sikkativ;  er  ist  ein  geringer,  auf  .Metall  be- 
rechnet 0,1%  Mangan  oder  0,5%  Blei.  Ein  derartig  präpariertes  Leinöl  lieißt  Firnis.  .Vnstatt 
Leinöl  werden  zuweilen  auch  andere  trocknende  Oele,  namentlich  Nuß-  und  Mohnöl  verwendet. 
Die  beigemengten  Farben  geben  dem  Firnis  eine  größere  Konsistenz  und  Deckfähigkeit.  Um 
das  Anstreichen  zu  erleichtern,  setzt  man  dem  Firnis  etwas  Terpentinöl  zu.  Er  wird  dadurch 
dünnflüssiger,  läßt  sich  leichter  auftragen,  trocknet  aber  langsamer. 

Das  Anstreichen  mit  Teer  ist  nur  für  roh  bearbeitete  Holzgegenstände  an- 
wendbar und  nur  dort  empfehlenswert,  wo  dieselben  gegen  die  Einwirkung  der  direkten  Sonnen- 
strahlen geschützt  sind,  also  hauptsächlich  für  Hölzer,  welche  in  den  Boden  oder  unter  Wasser 
kommen.  Bei  direkter  Bescheinung  durch  die  Sonne  wird  durch  die  schwarze  Farbe  des  Teers 
viel  Wärme  absorbiert  und  das  Holz  infolgedessen  leicht  rissig.  Steinkohlenteer  eignet  sich  als 
Anstrichmittel  besser  als   Braunkohlen-,   Torf-  oder   Holzteer. 

Um  einen  haltbaren,  gut  deckenden  und  bald  erstarrenden  Anstrich  zu  bekommen,  muß 
der  Teer  in  einem  Kessel  soweit  eingedickt  werden,  daß  er  in  der  Wärme  noch  genügend  flüssig 
ist,  beim  Erkalten  jedoch  sehr  zähe  wird  und  bald  erstarrt.  Ein  geringer  Zusatz  von  gebranntem 
und  zu  trockenem  Pulver  abgelöschten  Kalk  erhöht  die  Konsistenz  des  Teeres.  Auch  ein  Zu- 
satz von  Zement  soll  sich  gut  bewähren. 

Der  Teeranstrich  ist  dauerhaft  und  gewährt  einen  guten  Schutz  gegen  das  Eindringen 
von  Feuchtigkeit;  eine  wesentlich  antiseptische  Wirkung  ist  ihm  aber  nicht  zuzuschreiben. 
Auch  dringt  der  Teer  vermöge  seiner  schmierigen  Beschaffenheit  nicht  in  das   Holz  ein. 

Von  Teerpräparaten,  welche  als  Anstreichmittel  Verwendung  finden,  sind  vor 
allem  das  Karbolineum  und  das  Antinonnin  zu  nennen. 

Karbolineum  ist  ein  Teeröl,  welches  etwa  10 — 15%  Kresole(pag.  573)  enthält;  das  Uebrige 
sind  indifferente  Kohlenwasserstoffe.  Es  ist  licht-  bis  tiefdunkelbraun  gefärbt,  riecht  stark 
nach  Teer,  hat  ein  spezifisches  Gewicht  von  1,13 — 1,19  und  einen  Siedepunkt  von  250  bis  über 
360  »  C.  Es  eignet  sich  als  Anstrichnxittel  für  Pfähle,  Zäune,  Schleusen,  Brückenhölzer  u.  dgl. 
sehr  gut.  Der  Gehalt  an  Kresolen  soll  15%  nicht  übersteigen,  da  sonst  die  Holzfaser  ange- 
griffen wird. 

Antinonnin  besteht  dem  Wesen  nach  aus  Dinitrokresolkalium  C^Hj  (NOjla  .  CH3  .  OK 
welcliem  Glyzerin,  Seife  oder  andere  Stoffe  zugesetzt  sind,  um  die  Explodierbarkeit,  welche 
den  Nitroprodukten  eigen  ist,  zu  benehmen.  Es  kommt  als  orangfarbige  Pasta  in  den  Handel, 
welche  in  einer  Menge  bis  zu  5%  in  warmem  Wasser  löslich  ist.  In  der  Regel  wird  eine  2pro- 
zentige  Lösung  angewendet  und  wenn  der  erste  Anstrich  trocken  geworden  ist,  ein  zweites 
und  eventuell  auch  ein  drittes  Mal  gestrichen.  Antinonnin  dringt  in  das  Holz  ein  und  wirkt 
ausgezeichnet  antiseptisch.  Es  wurde  mit  großem  Erfolge  als  Schulzmittel  gegen  die  Nonnen- 
raupe angewendet,  daher  der  Name.  Gegenwärtig  findet  es  vielfache  Anwendung  gegen  Haus- 
schwamm, Schimmelpilze  und  Bakterien.  Es  werden  sowohl  Holzwerk  als  auch  Mauerwände 
damit  gestrichen.  Letztere  übertüncht  man  noch  mit  Weißkalk  oder  mischt  die  Antinonnin- 
lösung  gleich  der  Kalkmilch  in  einer  Menge  von  2%  zu. 

Der  .Antinonninanstrich  ist  vorzugsweise  für  solche  Gegenstände  zu  empfehlen,  welche 
sich  unter  Dach  befinden,  während  Karbolineum  für  Holzwerk  im  Freien  sich  besser  eignet. 
Ersteres  ist  nahezu  geruchlos,  wird  aber  leicht  ausgewaschen,  letzteres  hingegen  ist  wider- 
standsfähig gegen  die  Einwirkung  von  Wasser,  hat  aber  den  Nacliteil,  daß  es  einen  starken 
Geruch  besitzt,  der  in  geschlossenen  Räumen  unangenehm  zur  Geltung  kommt. 

Es  gibt  noch  eine  ganze  Reihe  anderer  Präparate,  bezw.  Mischungen,  welche 
als  Anstrichmittel  empfohlen  werden.  Ein  häufig  gebrauchtes  Mittel  dieser  Art  ist 
das  Mikrosol,  eine  blaugrüne  pastenartige  Masse,  welche  aus  einer  Mischung  von 
phenolsulfosaurern,  kieselfluorsaurem  und  schwefelsaurem  Kupfer,  nebst  indifferenten 
Beimengungen  besteht.  Es  wird  so  wie  das  Antinonnin  als  2prozentige  Lösung  an- 
gewendet. Auch  Fluors'erbindungen,  so  z.  B.  das  Antipolypin,  bestehend  aus  ß-Naph- 
tol,  >satriumhydroxyd  und  Fluornatriuni,  das  Montanin  (Kieselfluoraluminium)  u.  a. 
werden  für  diesen  Zweck  benützt  und  in  neuester  Zeit  Casein  mit  Formaldehyd 
(CH2O),  welches  sich  für  gewisse  Holzgegenstände  vorzüglich. bewährt. 


572  IX  D.     S  c  li  w  a  c  k  h  ö  f  e  r,   Forstlich-Chemische  Technologie. 

Für  manche  Verwendungen  wird  das  Holz  mit  Wasserglas  angestrichen.  Das  Wasserglas 
ist  ein  Alkalisilikat,  welches  sich  in  kochendem  Wasser  löst  und  als  33-  oder  66%ige  Lösung 
in  den  Handel  kommt.  In  dünnen  Schichten  trocknet  diese  Lösung  an  der  Luft  rasch  und  gibt 
einen  glasartigen  Ueberzug.  Das  Anstreichen  muß  5-  bis  6nial,  und  zwar  mit  immer  stärkerer 
Lösung  wiederholt  werden.  Der  erste  Anstrich  wird  mit  etwa  15-  und  der  letzte  mit  unverdünn- 
ter 66%iger  Lösung  ausgeführt.  Ein  neuerlicher  Anstrich  darf  erst  dann  erfolgen,  wenn  der 
nächst  vorhergegangene  vollkommen  trocken  geworden  ist.  Der  Wasserglasanstrich  ist  nur 
ein  Flammenschutzmittel,  aber  kein  Präservativ  gegen  Fäulnis  und  andere  Arten  von  Zer- 
setzungen des  Holzes.  Das  mit  Wasserglas  überzogene  Holz  brennt  nicht  mit  Flamme,  sondern 
verkohlt  nur,  und  auch  die  Verkohlung  geht  nur  langsam  vor  sich.  Als  anderweitiges  Konser- 
vierungsmittel ist  das  Wasserglas  ganz  untauglich,  weil  es  durch  die  stark  alkalische  Reaktion 
die  Holzfaser  angreift  und  überdies  den  Nachteil  hat,  daß  es  unter  dem  Einflüsse  der  Atmosphä- 
rilien leicht  verwittert.  Das  Alkalisilikat  wird  durch  die  Kohlensäure  der  Luft  zerlegt,  wobei 
Alkalikarbonat  entsteht  und  Kieselsäurehydrat  ausgeschieden  wird.  Der  anfänglich  ganz  glatte, 
glasartige  Ueberzug  wird  rauh,  das  Alkalikarbonat,  welches  in  Wasser  leicht  löslich  ist,  wittert 
aus,  wird  durch  das  Meteorwasser  abgewaschen  und  in  verhältnismäßig  kurzer  Zeit  ist  der 
ganze  Ueberzug  verschwunden.  Bei  Gegenständen,  die  sich  unter  Dach  befinden,  hält  der 
Ueberzug  etwas  länger,  fällt  aber  mit  der  Zeit  auch  ab. 

Neben  Wasserglas  gibt  es  noch  diverse  andere  Präparate,  um  Holz  unverbrennlich  zu 
machen.  Die  meisten  derselben  haben  aber  den  Uebelstand,  daß  sie  hygroskopisch  sind  und 
aus  dem  Holze  ausschwitzen.  Auch  genügt  ein  bloßer  Anstrich  mit  dem  Flammenschutzmittel 
in  den  seltensten  Fällen,  sondern  es  muß  eine  entsprechende  Durchtränkung  des  Holzes  auf 
dem  Wege  der  Imprägnierung  platzgreifen,  wenn  man  mit  einer  einigermaßen  sicheren  Wirkung 
rechnen  will. 

c.  Das  Ankohlen  wurde  früher,  namentlich  für  Schiffsteile,  Brückenhölzer,  Tele- 
graphenstangen und  Pfähle  überhaupt  häufig  benutzt.  Gegenwärtig  ist  man,  verschiedener 
Mißerfolge  wegen,  mehr  davon  abgekommen,  auf  den  französischen  Schiffswerften  und  in  an- 
deren technischen  Etablissements  wird  aber  das  Ankohlen  (nach  L  e  d  e  b  u  r)  noch  in  größerem 
Maßstabe  betrieben.  Der  Erfolg  ist  wesentlich  von  der  Ausführung  des  Verkohlens  abhängig. 
Am  besten  gelingt  das  Ankohlen  mit  einer  heißen,  spitzen  Gebläseflamme,  welche  stets  nur 
eine  kleine  Fläche  des  Holzes  auf  einmal  erhitzt  und  in  alle  Spalten  und  Risse  eindringt.  Die 
verkohlte  Schichte  soll  nur  ganz  schwach,  etwa  2 — 3  mm  dick  sein.  Wird  tiefer  gekohlt  oder 
eine  größere  Fläche  auf  einmal  erhitzt,  so  entstehen  zahlreiche  Risse  im  Holze,  welche  das 
Eindringen  der  Feuchtigkeit  und  der  Zersetzungsorganismen  nur  noch  mehr  begünstigen. 
Auch  würde  bei  tieferem  Kohlen  das  Holz  zu  sehr  geschwächt.  Ein  entschiedener  Nachteil 
ist  die  wasserhaltende  Kraft  der  Kohlenschichte,  wodurch  die  darunter  befindliche  Holzpartie 
immer  feucht  gehallen  wird  und  der  Zersetzung  zugängiger  ist.  Dieser  Umstand  wirkt  nament- 
lich bei  Pfählen  und  anderen  Hölzern,  welche  im  Erdreiche  angebracht  sind,  nachteilig. 

5.    Die    Imprägnierung. 
a)  Imprägnierungsmittel. 

§  11.  Trotz  der  großen  Zahl  von  Substanzen,  welche  für  diesen  Zweck  empfoh- 
len und  auch  versuchsweise  verwendet  wurden  und  werden,  haben  sich  doch  nur 
wenige  dauernd  pralctisch  bewährt. 

Von  einem  Imprägnierungsmittel  verlangt  man,  daß  es: 

1.  sehr  gut  konservierend  wirkt;  2.  tief  in  das  Holz  eindringt;  3.  der  Aus- 
laugung widersteht  und  4.  billig  ist.  Allen  diesen  Anforderungen  genügt  kein  einziges 
der  bisher  bekannten  Mittel  vollkommen.    Relativ  am  besten  haben  sich  bewährt: 

1.  das   Quecksilberchlorid, 

2.  das  Kupfersulfat  (Kupfervitriol), 

3.  das  Zinkchlorid  und  andere  Zinkpräparate, 

4.  das  schwere  Teeröl,  und  in  neuerer  Zeit 

5.  die  Salze  der  Fluorwasserstoffsäure. 

Das  Quecksilberchlorid,  HgClg,  besitzt  unter  allen  Metallverbin- 
dungen die  größte  antiseptische  Wirkung.  Zum  Imprägnieren  des  Holzes  wurde  dieses 
Präparat  zuerst  von  dem  Engländer  Kyan  (1832)  in  Anwendung  gebracht.  Es 
wirkt  schon  in  minimalen  Mengen  ausgezeichnet  konservierend,  kann  aber:  1.  des 
hohen  Preises  und    2.  der  außerordentlichen  Giftigkeit  wegen  nur  beschränkte  An- 


Konservierung  des  Holzes.     §  11.  573 

Wendung  finden.  Man  benützt  das  Quecksilberchlorid  heute  nur  noch  auf  einigen 
kleineren  Bahnen  zum  Imprägnieren  der  Schwellen.  Für  Hölzer  zum  Bau  von  Wohn- 
häusern und  Stallungen  ist  es  seiner  Giftigkeit  und  für  Hölzer  zu  Wasserbauten 
der  leichten  Auslaugung  wegen  nicht  geeignet. 

Der  Kupfervitriol,  CUSO4+5  aq,  wirkt  viel  weniger  antiseptisch  als 
das  Quecksilberchlorid.  Er  ist  zwar  billiger,  aber  für  alle  allgemeinere  Anwendung 
noch  immer  zu  teuer,  zumal  er  möglichst  rein  sein  soll.  Der  Kupfervitriol  wurde 
von  dem  Franzosen  Bouchcrie  (1857)  zur  Holzimprägnierung  empfohlen  und 
wird  hauptsächlich  zur  Imprägnierung  von  Telegraphenstangen  angewendet.  Für 
Bauhölzer,  Schwellen  u.  dgl.  ist  man  davon  schon  längst  abgekommen.  Mit  Kupfer- 
vitriol imprägniertes  Holz  ist  spröde  und  der  Schimmelbildung  unterworfen.  Kommt 
derartig  präpariertes  Holz  im  feuchten  Zustande  mit  Eisen  in  Berührung  (z.  B. 
durchgehende  Bolzen  oder  Schrauben),  so  erfährt  das  Kupfersalz  eine  Zerlegung, 
es  bildet  sich  Eisenvitriol  und  Kupfer  wird  ausgeschieden. 

CuS04+Fe=FeS04+Cu. 

Das  Z  i  n  k  c  h  1  o  r  i  d,  ZnCl  +2  aq,  steht  bezüglich  seiner  antiseptischen  Eigen- 
schaften noch  hinter  dem  Kupfervitriol,  hat  aber  diesem  gegenüber  den  Vorzug  der 
Billigkeit.  Es  wird  in  den  Imprägnierungsanstalteu  durch  Auflösen  von  Zinkabfällen 
oder  Zinkasche  in  Salzsäure  dargestellt.  Die  Lösung  darf  keine  überschüssige  Säure 
und  nur  Spuren  von  Eisensalzen  enthalten,  muß  klar  sein  und  soll  eine  Konzentration 
von  3"  B.  (bei  17,5"  C.)  besitzen.  Die  mit  Zinkchlorid  imprägnierten  Holzgegenstände 
vertragen  Oelanstrich  ganz  anstandslos,  was  bei  den  mit  Quecksilberchlorid  oder 
Kupfersalz  imprägnierten  Hölzern  nicht  der  Fall  ist.  Auch  findet  eine  Zerlegung 
des  Zinkchlorides  durch  Eisen  unter  gewöhnlichen  Umständen  nicht  statt.  Ein  Uebel- 
stand  ist  die  leichte  Löslichkeit  des  Zinkchlorides.  Es  wird  daher  so  wie  das  Queck- 
silberchlorid aus  dem  Holze  leicht  ausgelaugt. 

Nach  einem  Patente  von  C.  B.Wiese  in  Hamburg  wird  anstatt  Zinkchlorid 
eine  heiße  Lösung  von  ß-naphtalinsulfonsaurem  Zink  angewendet.  Diese  Verbindung 
ist  in  der  Wärme  leicht,  in  der  Kälte  hingegen  schwer  löslich  und  wird  daher  bei 
gewöhnlicher  Temperatur  weniger  leicht  ausgelaugt  als  das  Zinkchlorid. 

Das  schwere  T  e  e  r  ö  1  übertrifft  bezüglich  seiner  antiseptischen  Wirkung 
die  beiden  letztgenannten  Metallverbindungen  weitaus  und  kommt  dem  Quecksilber- 
chlorid nahe. 

Unterwirft  man  Steinliotilenteer  einer  fraktionierten  Destillation,  so  werden  der  Haupt- 
sache nach   5  verschiedene   Produkte  erhalten: 

1.  das  Leichtöl  (Benzol  und  seine   Homologen); 

2.  das  Mittelöl  (Karbolsäure  und   Naphtalin); 

3.  das  Schweröl  (Kresol,  Chinolin,   Naphtalin  und   Homologe); 
5.   Pech,  als  Destillationsrückstand. 

Während  man  früher  den  Gehalt  eines  Teeröles  an  saueren  Bestandteilen  (Karbolsäure 
und  deren  Homologen)  für  die  Holzkonservierung  als  allein  wertvoll  ansah,  hat  Seidenschnur  ^) 
nun  durch  eingehende  \'ersuche  den  Beweis  erbracht,  daß  auch  ein  von  diesen,  in  Natronlauge 
löslichen,  Körpern  befreites  Steinkohlenteeröl  eine  hohe  desinfizierende  und  konservierende 
Wirkung  besitzt.  Seidenschnur  gewann  aus  Schwellen,  welche  mit  stark  kreosothaltigem  Teeröl 
imprägniert  worden  waren  und  nach  Ißjähriger  Verwendung  im  Geleise  noch  keine  Spur  von 
Fäulnis  zeigten,  durch  Extraktion  ein  Oel,  welches  fast  nur  aus  hochsiedenden  Anteilen  bestand 
und  keinerlei  leichtflüchtige  Körper  oder  sauere  und  basische  Bestandteile  enthielt.  Da  nun 
diese  Schwellen,  trotz  des  Fehlens  der  als  eigentlich  wirksam  angenommenen  Bestandteile  des 
Teeröles,  der  Fäulnis  widerstanden  und  noch  eine  Reihe  von  Jahren  zu  widerstehen  vermocht 
hätten,  so  ergibt  sich  daraus,  daß  auch  die  neutralen,  hochsiedenden  Bestandteile  des  ursprüng- 
lich verwendeten  Imprägnierungsöles  eine  vorzüglicfie  antiseptische  Wirkung  geäußert  haben, 
und  im  allgemeinen,  daß  die  Wirkung  eines  gewöhnlichen  Teeröles  nicht  aufhört,  wenn  die 
saueren  Bestandteile  desselben  durch  Auswaschen  oder  dgl.  entfernt  sind. 


1)  F.  Seidenschnur,  Zur  Frage  der  Holzkonservierung,  Chem.  Ztg.  1909. 


574  IX  D.     S  c  h  w  a  c  k  h  ö  f  e  r,    Forstlich-Chemische  Technologie. 

Seidenschnur  hat  nun,  veranlaßt  durch  die  antänglichen  Mißerfolge,  welche  sich  beim 
Ersatz  des  Teeröles  durch  rohes  Erdöl  ergaben,  seine  Untersuchungen  auch  auf  die  schweren 
Kohlenwasserstoffe  dieses  letzteren  ausgedehnt  und  ist  dabei  zu  folgenden  Resultaten  ge- 
gekommen: 

1.  Die  neutralen  Bestandteile  des  Erdöles  haben  keine  Holz  konservierende  Eigen- 
schaften ; 

2.  durch  Behandlung  (Destillation)  mit  Schwefel  erhalten  sie  eine  hohe  antiseptische 
Kraft; 

3.  das  fast  nur  aus  neutralen  und  hochsiedenden  Körpern  bestehende  Anthrazenöl  ist 
dem  an  saueren  Bestandteilen  reichen  Imprägnieröl  überlegen,  und 

4.  die  antiseptische  Kraft  des  mit  Schwefelzusatz  destillierten  Oeles  steht  der  des  ge- 
wöhnlichen Teeröles  und  des  Anthrazenöles  um  15 — 20°ö  nach. 

Daraus  folgt,  daß  in  Ländern,  welche  über  ausgiebige  Erdölquellen  verfügen  und  die 
das  Tceröl  relativ  teuer  bezahlen  oder  einführen  müssen,  dieses  ,,Schwefelör'  mit  Erfolg  zur 
Konservierung  des  Holzes  verwendet  werden  kann. 

Die  öligen  ImprägnierungsmiÄel  dringen  nur  im  warmen  Zustande  gut  in  das 
Holz  ein,  widerstehen  aber  der  Auslaugung  durch  die  Atmosphärilien  vortrefflich. 
Trotz  ihres  hohen  Preises  sind  sie  heute  für  die  Imprägnierung  von  im  Freien  ver- 
wendeten Holz,  namentlich  Schwellen,  Leitungsmasten  etc.  fast  ausschließlich  in 
Verwendung. 

Da  die  Zusammensetzung  der  von  den  Destillerien  auf  den  Markt  gebrachten 
Steinkohlen-Teeröle  eine  ziemlich  schwankende  ist,  so  erlassen  die  Großkonsumenten 
von  mit  Teeröl  imprägniertem  Holz,  also  in  erster  Linie  die  Balmverwaltungen, 
jeweilig  eigene  Vorschriften  über  die  Beschaffenheit  des  für  ihre  Zwecke  zu  ver- 
wendenden Imprägnierungäöles. 

Die  bei  den  deutschen  und  österreichischen  Bahnverwaltungen  derzeit  gültigen  Vor- 
schriften lauten: 

Das  Teeröl  darf  nur  aus  Steinkohlenteer  erzeugt  sein.  Der  Gehalt  an  saueren  Bestand- 
teilen, welche  in  Natronlauge  vom  spez.  Gew.  1,15  löslich  sind,  muß  mindestens  6%  betragen. 
Bei  der  Destillation  dürfen,  nach  deutscher  Vorschrift,  bis  150°  C.  höchstens  3°o,  bis  200°  C. 
höchstens  10%,  bis  235  "  C.  höchstens  2ö°ö  überdestillieren;  nach  österreichischer  Vorschrift 
dürfen  höchstens  3%  unter  150  °  C,  die  Hauptmenge  aber  soll  zwischen  180  und  350  °  C.  über- 
destillieren. Die  österreichische  Vorschrift  fordert,  daß  das  Imprägnierungsöl  bei  der  Impräg- 
nicrungstemperatur  dünnflüssig  und  frei  von  ungelösten  Stoffen  sowie  schmierigen  Bestand- 
teilen ist,  so  daß  es,  auf  lufttrockenes  Stirnholz  gegossen,  in  dasselbe  eindringt,  ohne  andere 
als  ölige  Bestandteile  zu  hinterlassen. 

Das  spezifische  Gewicht  bei  15  °  C.  soll  zwischen  1,01  und  1,1  liegen,  nacli  der  deutschen 
Verordnung  zwischen  1,04  und  1,15.  Nach  der  letzteren  muß  das  Oel  bei  40  "  C.  klar  sein  und 
beim  Vermischen  mit  gleichen  Raumteilen  Benzol  (kristallisierbares)  klar  bleiben,  ohne  mehr 
als  Spuren  ungelöster  Körper  auszuscheiden.  Zwei  Tropfen  dieser  Miscliung  sowohl  als  auch 
des  unvermischten  Oeles  müssen,  auf  mehrfach  zusammengefaltetes  FiUrierpapier  gegossen, 
von  diesem  vollständig  aufgesogen  werden,  ohne  mehr  als  Spuren,  d.  h.  ohne  einen  deutlichen 
Flecken  ungelöster  Stoffe  zu  hinterlassen. 

In  beiden  Staaten  gültig:  Die  Kontrolle  über  die  Beschaffenheit  des  Imprägnierungsöles 
sowohl  wie  auch  über  die  Durchführung  der  Imprägnierung  selbst,  muß  den  hiefür  amtlich 
bestimmten   Organen  jederzeit  gestattet  sein. 

Da  —  wie  schon  erwähnt  —  das  Teeröl  mitunter  ein  kostspieliges  Imprägnierungsmittel 
ist,  so  hat  man  vielfach  Versuche  unternommen,  dasselbe  entweder  teilweise  durch  andere 
billigere  Mittel  zu  ersetzen  oder  es  in  fein  verteilter  Form  als  sog.  Emulsion  anzuwenden. 
Die  Emulgierung  von  Teeröl  gelingt  leicht,  bei  Einhaltung  ganz  bestimmter  Bedingungen,  mit 
.Mkaliseifen  oder  nach  einem  Patente  von  G.  Rütgers  mit  .\mmoniak  resp.  geeigneten  .-^mmon- 
salzen. 

Praktisch  haben  sich  diese  Mittel  aber  nicht  bewährt,  und  vor  allem  aus  dem  Grund, 
weil  durch  das  Sparen  an  Konservierungsmittel  auch  die  Dauer  und  Wirkung  der  Konser- 
vierung beeinträchtigt  wird. 

Die  Fluorwasserstoff-Säure  und  ihre  Salze  sind  als 
Bakteriengifte  schon  lange  bekannt  und  als  solche  zur  Immunisierung  der  verschie- 
densten Stoffe  verwendet  worden. 

Die  Flußsäure  (HF)  wird  durch  Erhitzen  von  Flußspat  oder  Kryolith  mit  konzentrierter 
Schwefelsäure,   in   Platin-   oder   Bleiretorten   erhalten. 

CaFj  +  HoSO,  =  CaSOj  -f  2  HF 


Die  Konservierung  des  Holzes.     §  11.  575 

Sie  bildet  ein  rauchendes,  giftiges,  ätzendes  Gas,  welches  beim  .\bkühlen  zu  einer  farblosen 
Flüssigkeit  verdichtbar  ist,  die  bei  19»  C.  siedet,  bei  — 102,5°  C.  erstarrt  und  sehr  li^ichl  in 
Wasser  löslich  ist.  FluOsäure  löst  alle  .Metalle,  mit  .\usnahnie  von  Gold,  Platin  und  Blei,  unter 
Wasserstoffentwicklung  zu  ihren  Salzen,  den  Fluoride  n.  Glas  greift  sie  an  inid  bildet  mit 
dem  Hauptbestandteil  desselben,  dem  Silicium,  das  Siliciumfluorid,  weshalb  sie  nur  in  Platin-, 
Blei-  oder   Hartgummiflasclicn  aufbewahrt  werden  kann. 

Die  Fluoride  sind,  mit  .\usnalime  derer  der  Calciumgruppe,  alle  in  W'asser  löslich. 
Sie  wirken  weniger  antiseptiseli  als  die  Flußsäure,  welche  aber  als  solche  praktisch  keine  Ver- 
wendung finden  kann.    .-\iif  die  Holzsubstanz  wirken  weder  diese  nocli  jene  scliädlieli. 

.\uf  die  Bedeutung  der  Fluoride  als  Holzkonservierungsmittel  wurde  zuerst  von  Malen- 
kovic  ')  hingewiesen  und  von  J.  .Netzsch  -)  wurden  dieselben  einer  eingehenden  Untersuchung 
unterzogen. 

Derzeit  stehen  hauptsächlich  die  Fkioride  der  Alkalien  und  des  Zinks  in  prak- 
tischer Erprobung  und  aus  den  bisher  gewonnenen  Resultaten  ergibt  sich,  daß  die 
Fluoride  sowohl  betreffs  Wirksamkeit,  wie  auch  in  punkto  Kosten  den  übrigen 
Konservierungsmitteln  nicht  nachstehen.  Als  wasserlösliche  Substanzen  teilen  sie 
natürlich  das  Schicksal  aller  ihnen  gleichen  Mittel. 

Von  den  vielen  anderen,  für  spezielle  Zwecke  mit  wechselndem  Erfolg  angewendeten, 
Mitteln  seien  hier  nur  einige  wenige  genannt:  p  naphtalinsulfosaures  Magnesium,  Kochsalz- 
lösungen (Salzsole),  das  Fluorpräparat  ,,Hylinit",  Kieselfluornatrium,  Lösungen  von  Schwer- 
metallsalzen und  Alkalifluoriden,  Lösungen  von  Harz  und  Harzseifen,  Wachs,  Paraffin,  Stearin- 
säure, von  Holzteeren  mit  Pectinsäure  und  Teeröl  im  Gemisch,  von  Kresolcalcium,  Rohpctro- 
leum  etc. 

Außer  diesen,  hauptsächlich  der  Konservierung  des  Holzes  dienenden  Mitteln  werden 
noch  eine  Reihe  von  Imprägnierungsflüssigkeiten  verwendet,  welche  entweder  ein  sog.  Här- 
ten oder  ^■ulkanisie^en  resp.  ein  sog.  .\  I  t  m  a  c  h  e  n  (Senilisieren)  des  Holzes  oder 
ein   Feuersichermachen  des   Holzes  bewirken  sollen. 

Nach  einem  Verfahren  von  Powell  ')  wird  frisches  oder  auch  trockenes  Holz  mit  Zucker- 
lösung einige  Zeit  hindurch  gekocht  und  dann  auf  35  °  C.  abkühlen  gelassen,  wobei  die  Zucker- 
lösung vom  Holze  begierig  aufgesaugt  wird.  Nach  Ablassen  der  überschüssigen  Zuckerlösung 
wird  heiße  Luft  eingeblasen  und  dadurch  ein  Erstarren  und  teilweises  Karamelisieren  des 
Zuckers  sowie  Verdampfen  des  im  Holze  enthaltenen  Wassers  bewirkt.  Für  billiges  Holz  wird 
Melasse,  für  feine  Holzsorten,  welche  auch  eine  gute  Politur  vertragen  sollen,  wird  Zucker 
besserer  Qualität  verwendet.  Derart  imprägniertes  Holz  hat  eine  größere  Härte,  Zähigkeit 
und  Elastizität;  es  reißt  und  schwindet  nicht,  wirft  sich  nicht  und  ist  auch  gegen  große  Tempe- 
raturunterschiede nicht  empfindlich. 

In  London  hat  sich  diese  .\rl  der  Imprägnierung  für  Holzpflaster  sehr  gut  bewährt,  wel- 
ches dem  mit  Teeröl  imprägnierten  gegenüber  noch  den  \orzug  besitzt,  daß  es  geruchlos  ist. 

Die  .\nwendung  anderer  Härtungsniittel  beruht  meist  auf  der  Wechselwirkung  zweier 
oder  mehrerer  Stoffe,  aus  denen  dabei  unlösliche  ^'erbindungen  ausgeschieden  werden,  welche 
sich  auf  und  zwischen  den  Holzfasern  niederschlagen  und  diesen  so  eine  größere  Festigkeit  und 
Widerstandsfähigkeit  verleihen. 

Als  Flammenschutzmittel  dienen  vornehmlich  die  Lösungen  anorganischer  Salze,  wie 
z.  B.:  Wasserglas,  .\laun,  IS'atrium-Wolframat-Phospliat  oder  -Aluminat,  -\mmonium-Sulfat- 
Phosphat-Wolframat  ohne  und  mit  Borsäure  oder  wasserlöslichen  Zinksalzen  im  Gemisch,  Ge- 
mische der  Mineralsäuresalze  mit  .\cetaten  oder  Formiaten  u.  a.  m. 

Endlich  sei  noch  der  verschiedenen  Mittel  zur  Imprägnierung  des  Holzes  behufs  Fär- 
bung desselben  gedacht. 

Man  bezweckt  damit  fast  ausschließlich  eine  ^'erbesserung  minderer  Holzsorten  für  das 
Auge  des  Beschauers,  also  eine  \'erschönerung,  wodurch  geringerwertige  Holzware  für  spezielle 
Verwendungsarten  namentlich  in  der  Bau-  und  .Möbeltischlerei  besser  verwertbar  wird.  Diesem 
Zwecke  dienen  Imprägnierungsmittel  zweierlei  .\rt.  Entweder  man  verwendet  Lösungen  von 
Stoffen,  welche  erst  in  Verbindung  mit  der  Holzfaser  und  durch  die  Einwirkung  des  Sauer- 
stoffes der  Luft  die  gewünschten  .Xuancierungen  liervorrufen  (hieher  gehörig  die  Clironi-und 
Eisenbeizen),  oder  man  färbt  direkt,  durch  Tränken  des  Holzes  mit  natürlichen  oder  künst- 
lichen Farbstofflösungen   (Farbholzextrakten   oder  Teerfarbstoffen). 


1)  Malenkovic,  Die  Holzkonservierung  im  Hochbau,  Wien-Leipzig  1907. 

2)  Netzsch,  Die  Bedeutung  der  Fluorverbindungen  für  die  Holzkonservierung.     Inaugural- 
dissertation,  München  1909. 

3)  Z.  f.  angew.  Chemie  1906. 


576  IX  D.        S  c  li  w  a  c  k  h  ö  f  e  r,    Forstlich-Chemische  Technologie. 

b)  Imprägnierungsmethoden. 

Dem  Wesen  nach  stehen  6  verschiedene  Methoden  in  Anwendung:   • 

1.  das  sogenannte  Einsumpfverfahren, 

2.  das  hydrostatische  Druckverfahren, 

3.  das  Einpressen  mit  einer  Druckpumpe, 

4.  das  pneumatische  Druckverfahren, 

5.  das  Behandehi  des  Holzes  mit  Teeröldampf, 

6.  die  Imprägnierung  auf  elektrischem  Wege. 

§  12.  Das  Einsumpfverfahren  (oder  Kyanisieren).  Es  ist  das  ein- 
fachste Verfahren,  weil  es  keine  besonderen  Einrichtungen  und  kein  geschultes 
Arbeitspersonal  voraussetzt.  Es  kann  aber  nur  für  energisch  wirkende,  wasser- 
lösliche, also  leicht  in  das  Holz  eindringende  Mittel,  wie  z.  B.  das  Quecksilberchlorid 
und  die  Fluoride,  Anwendung  finden.  Die  Lösungen  des  Imprägniermittels  dürfen 
nur  in  geringer  Konzentration  verwendet  werden  und  auch  dann  ist  die  vollständige 
Durchtränkung  des  Holzes  nicht  zu  erreichen.  Das  Holz  muß  gut  lufttrocken  sein, 
weil  in  feuchtes  Holz  die  Lösung  überhaupt  nicht  eindringt,  und  wird  in  fertig  fasso- 
niertem Zustande  der  Tränkung  übergeben.  Eine  nachträgliche  Zurichtung  ist  bei 
Verwendung  sehr  stark  giftig  wirkender  Mittel  von  vornherein  ausgeschlossen, 
und  außerdem  würden  dadurch  die  gerade  am  besten  imprägnierten  Partien  entfernt 
werden. 

Zum  Einsumpfen  des  Holzes  in  das  Imprägniermittel  verwendete  man  früher 
vollkommen  dichte  Kästen  aus  Eichen-  oder  Lärchenholz,  welche  nun  fast  ausschließ- 
lich durch  Zisternen  aus  Zementbeton  oder  für  gewisse  Mittel  auch  aus  Eisen  er- 
setzt sind. 

Weiches  Holz  von  den  Dimensionen  der  Bahnschwellen  soll  8 — 10,  hartes  Holz 
12 — 14  Tage  in  der  Lösung  verweilen.  Nach  der  Imprägnierung  muß  das  Holz  noch 
einige  Monate  an  der  Luft  liegen  bleiben,  damit  sich  das  Imprägnierungsmittel 
tiefer  in  das  Holz  einsaugt. 

§  13.  Das  hydrostatische  Druckverfahren  wurde  zuerst 
von  Boucherie  in  Anwendung  gebracht  und  besteht  dem  Wesen  nach  in  folgendem : 

Auf  dem  unteren  Hirnende  des  noch  mit  voller  unverletzter  Rinde  versehenen 
Stammes  wird  eine  hölzerne  Schlußplatte  derart  angelegt,  daß  eine  schmale  (etwa 
1  cm  tiefe)  dicht  schließende  Kammer  entsteht.  Den  dichten  peripherischen  Ab- 
schluß bildet  ein  gefettetes  Hanfseil  oder  besser  ein  Kautschuckring,  gegen  welchen 
die  Schlußplatte  mittelst  einer  quer  über  dieselbe  liegenden  Holzspange  und  zwei 
Schrauben  fest  angepreßt  wird.  Diese  Kammer  steht  durch  einen  Guttapercha- 
schlauch mit  dem  Fallrohr  eines  10  m  hoch  stehenden  Reservoirs,  welches  die  Im- 
prägnierflüssigkeit enthält,  in  Verbindung,  so  daß  ein  Flüssigkeitsdruck  von  un- 
gefähr 1  Atmosphäre  auf  die  Stirnfläche  des  Stammes  einwirken  kann.  Infolge  dieses 
Druckes  wird  der  Zellsaft  aus  dem  Stamme  verdrängt  und  durch  die  Imprägnierungs- 
flüssigkeit ersetzt. 

Das  für  die  Imprägnierung  bestimmte  Holz  soll  frisch  gefällt  sein.  Bleibt  es  längere  Zeil 
an  der  Luft  liegen,  so  nimmt  der  Saft  (namentlich  zur  Sommerszeit)  eine  schleimige  Beschaffen- 
heit an  und  läßt  sich  dann  nur  schwierig  aus  dem  Holze  verdrängen.  Holz,  welches  nicht  sofort 
imprägniert  werden  kann,  wird  am  besten  in  fließendem  Wasser  aufbewahrt.  Das  im  Winter 
gefällte  Holz  imprägniert  sich  leichter  als  das  Sommerholz;  am  schwierigsten  ist  das  in  der 
Hauplsafttriebperiode  (April  und  Mai)  gefällte  Holz  zu  imprägnieren.  Die  Tränkungsfähigkeit 
der  verschiedenen  Holzarten  ist  eine  sehr  ungleiche.  Die  sogenannten  Splintbäume,  Reifholz- 
bäume und  Reifholzkernbäume  lassen  sich  am  leichtesten  imprägnieren.  \'iel  schwieriger  gelingt 
dies  bei  den  sogenannten  Kernholzbäumen,  bei  welchen  nur  der  Splint  durchdrungen  wird,  das 
Kernholz  aber  fast   unberührt  bleibt.     Vorzugsweise   werden    die    Buche,    Fichte   und   Tanne 


Konservierung  des  Holzes.     §  14.  577 

nach  dieser  Methode  imprägniert.  Die  Buclic  eignet  sich  für  diesen  Zweck  ganz  vorzüglich, 
zeigt  aber  nicht  selten  in  der  Mitte  des  Stammes  eine  Partie  von  blaßroter  bis  brauner  Farbe, 
welche  der  Durchtränkung  widersteht.  Bei  den  Nadelhölzern  ist  ein  großer  Harzreichtum 
für  die  Imprägnierung  nachteilig.  Bouchcrio  verwendete  als  Imprägnierflüssigkeit  eine  l%ige 
Lösung  von  Kupfervitriol,  und  zwar  zur  Imprägnierung  von  Masten  für  Telegraph-  und  Tele- 
phonlcitungen,  welches  aber  heute  fast  gänzlich  aufgelassen  und  durch  die  wirksameren 
Fluoride  resp.  durch  das  Teeröl  verdrängt  worden  ist.  (Die  Imprägnierung  mittelst  des 
letzteren  erfolgt  natürlich  auf  pneumalischem  Wege). 

Der  Verlauf  der  Imprägnierung  nach  dem  Boucherie-Vertahren  gestaltet  sich  im  allge- 
meinen  nun   folgendermaßen: 

Bereits  wenige  Minuten  nach  Beginn  des  Flüssigkeitsdruckes  auf  das,  durch  die  Kammer 
eingeschlossene,  Stirnende  des  Holzes  tritt  an  dem  freien  Stammende  Holzsatt  aus.  Nach  und 
nach  kommt  eine  Mischung  des  Holzsaftes  mit  dem  Imprägniermittel,  welche  immer  reicher 
an  letzterem  wird,  bis  endlich  ein  gewisser  Gehalt  an  diesem  in  der  ablaufenden  Flüssigkeit 
erreicht  ist,  worauf  der  Zulauf  abgesperrt  wird.  Bei  der  Imprägnierung  mit  Kupfersulfal  wird 
der  Zulauf  der  l°„igen  Lösung  abgestellt,  sobald  die  austretende  Kupferlösung  3/4  "  B.  zeigt 
und  hierauf  mit  einer  i,'„%igen  Lösung  nachgewaschen.  Diese  zweite  verdünnte  Lösung  hat 
nur  den  Zweck,  die  bei  der  ersten  Imprägnierung  durch  Ausscheidung  von  Kupferhydroxyd 
frei  gewordene  Schwefelsäure  aus  dem  Stamme  zu  verdrängen.  Mit  der  verdünnten  Lösung 
wird  so  lange  nachgewaschen,  bis  die  austretende  Flüssigkeit  nicht  mehr  sauer  reagiert. 

Bei  der  Imprägnierung  mit  Fluoriden  wendet  man  Laugen  in  einer  Stärke  von  3 — 5  °  B. 
an  und  stellt  den  Zulauf  des  Imprägniermittels  ab,  wenn  der  .\blauf  0,5 — 2  "  B.  zeigt.  Ist  die 
Imprägnierung  beendet,  so  wird  die  Verschlußkammer  abgenommen,  der  Stamm  entrindet  und 
an   der   Luft  getrocknet. 

Die  Dauer  der  Imprägnierung  ist  je  nach  der  Holzart,  Fällungszeit,  Länge  und  Stärke 
des  Stammes  verschieden  und  beträgt  48  bis  100  Stunden  und  darüber. 

Der  bei  Beginn  der  Imprägnierung  aus  den  Stämmen  ablaufende  Holzsaft  ist  wertlos  und 
wird  nicht  aufgesammelt. 

Die  später  nachkommende,  Imprägniermiltel-haltige  Flüssigkeit  aber  gibt  man  nicht 
verloren,  sondern  sammelt  sie,  um  sie,  nach  entsprechender  Reinigung  und  Ergänzung  auf  den 
ursprünglichen  Gehalt,  wieder  zu  %-erwenden.  .-Vrbeitet  man  mit  Kupfervitriol,  so  gewinnt  man 
aus  den  sehr  verdünnten  Lösungen  das  Kupfer  durch  Fällung  mit  Eisen,  während  man  die 
I2  °-B.  zeigenden  Lösungen  über  Sand  filtriert  und  durch  Zugabe  von  Kupfervitriol  auf  l°o 
ergänzt. 

Das  hydrostatische  Druckverfahren  ist  in  der  letzten  Zeit  fast  vollständig 
außer  Kurs  geraten,  da  es  Anforderungen  an  das  zu  imprägnierende  Holz  stellt, 
welche  nicht  leicht  erfüllt  werden  können.  Die  Nachteile  dieses  Verfahrens  sind 
folgende:  1.  muß  frisch  gefälltes  Holz  mit  möglichst  unverletzter  Rinde  in  An- 
wendung kommen.  Alle  Bringungsarten,  bei  welchen  eine  erhebliche  Verletzung 
der  Rinde  stattfindet,  sowie  jeder  weitere  Transport  des  Holzes  überhaupt,  sind 
unzulässig;  2.  können  nur  solche  Hölzer,  welche  eine  weitere  Bearbeitung  nicht 
erfordern  (also  Leitungsmaste  und  runde  Bauhölzer),  mit  Vorteil  imprägniert  werden, 
da  bei  einer  eventuellen  Zurichtung  die  am  meisten  durchtränkten  Partien  des  Holzes 
in  Abfall  kommen;  3.  geht  immer  ein  Teil  des  Imprägnierungsmittels  verloren, 
wodurch  das  \'erfahren  wesentlich  verteuert  wird;  4.  nimmt  die  Imprägnierung 
unverhältnismäßig  lange  Zeit  in  Anspruch,  und  da  immer  nur  wenige  Stämme  gleich- 
zeitig in  Arbeit  genommen  werden  können,  so  ist  dieses  Verfahren  für  Massenproduk- 
tion, oder  für  einen  Großbetrieb  überhaupt,  nicht  geeignet. 

§  14.  Das  Einpressen  der  Imprägnierungsflüssigkeit 
mittelst  einer  Druckpumpe  nach  dem  Patente  .J.  Pfister.  Im  Prinzip 
stimmt  dieses  Verfahren  mit  dem  vorgenannten  völlig  überein.  Der  Hauptunter- 
schied der  beiden  Methoden  liegt  nur  darin,  daß  Pfister  an  Stelle  des  hydrostatischen 
Drucks  den  Druck  einer  Pumpe  setzt  und  diesen  somit  ohne  besondere  Schwie- 
rigkeiten ad  libitum  steigern  kann.  In  Rücksicht  auf  dieses  letztere  Moment 
müssen  beim  Pfisterschen  Verfahren  entsprechend  stark  konstruierte  Verschluß- 
kanunem  verwendet  werden,  welche  aus  Metall  (Eisen  oder  dgl.)  gefertigt  sind  und 
durch  passende    Vorrichtungen  gegen  den  Stamm  abgedichtet  werden. 

Handb.  d.  Forstwiss.     3.  Aufl.    II.  37 


578  IX  D.   S  c  h  \v  a  c  k  li  ö  f  e  r  ,  Forstlich-Chemische  Technologie. 

Die  ursprüngliche  Pfistersche  Verschlußkamraer  bestand  aus  einer  Eisenplatle  mit 
scharfer  Stahlschneide,  welche  in  die  glatt  abgesägte,  untere  Hirnfläche  des  Stammes  einge- 
trieben wird.  Das  Festhalten  des  Verschlußstückes  erfolgte  mittelst  eines  Spannkreuzes,  das 
von  Klammern  gehalten  wird,  welche  außen  in  den  Stamm  eingeschlagen  und  mit  Stellschrau- 
ben festgezogen  werden.  Pfister  hat  dann  seinen  Verschluß  derart  abgeändert,  daß  an  die  Stelle 
der  Stahlschneide  ein  Dichtungsring  aus  Kautschuk  oder  einem  ähnlichen,  weichen  Dichtungs- 
material tritt,  der  einen  rechtwinkeligen  Querschnitt  besitzt  und  leicht  jedem  Stammumfang 
angepaßt  werden  kann.  Die  zum  Einpressen  der  Imprägnierflüssigkeit  dienende  Druckpumpe 
ist  auf  einem  trag-  oder  fahrbaren  Gestell  montiert  und  wird  durcli  Kautschukschläuche  mit 
den  zu  imprägnierenden  Stämmen  bezw.  Verschlußklammern  in  \"erbindung  gesetzt.  Der 
ausgeübte  Druck  kann  —  wie  schon  erwähnt  —  nach  Bedarf  bis  zu  10  Atmosphären  gesteigert 
werden.  Die  Zeitdauer  der  Imprägnierung  ist,  infolge  des  viel  höheren  Druckes,  eine  sehr  kurze 
und  beträgt  je  nach  der  Holzart  und  Länge  der  Stämme  nur  wenige  Minuten  bis  2  Stunden. 
Dieses  Verfahren  erfordert  nur  ein  geringes  Anlagekapital,  die  Hölzer  können  unmittelbar 
nach  erfolgter  Fällung  gleich  an  Ort  und  Stelle  imprägniert  werden,  wodurch  eine  Beschädigung 
der  Rinde  durch  den  Transport  ausgeschlossen  und  ebenso  ein  Schleiraigwerden  des  Saftes  in- 
folge längeren  Liegens  des  Holzes  vor  der  Imprägnierung  vermieden  wird.  Die  Fällung  kann 
zu  jeder  Jahreszeit  vorgenommen  werden,  ohne  das  Imprägnierungsresultat  zu  beeinträch- 
tigen. 

In  entsprechend  modifizierter  Form,  d.  h.  mit  eigens  für  den  Zweck  konstruierten  Ver- 
schlußkammern, wird  dieses  Verfahren  auch  zum  Färben  des  Holzes  angewendet  i). 

Um  eine  Imprägnierung  des  Holzes,  durch  Einpressen  der  Imprägnierflüssigkeit 
mittelst  mechanischen  Drucks,  auch  am  entrindeten  Stamme  vornehmen  zu  können, 
hat  Ing.  E.  Köpfer  eine  Art  Verschlußkammer  konstruiert,  welche  den  ganzen  Stamm 
umschließt  und  so  die  natürliche  Decke  des  Baumes  (die  Rinde)  durch  eine  künst- 
liche ersetzt.  Die  Einrichtung  besteht  der  Hauptsache  nach  aus  einem  druckfesten 
Rohr,  welches,  entsprechend  der  Länge  des  Holzes,  aus  mehreren  Stücken  mit  Hilfe 
von  Flanschen,  Dichtungsringen  und  Schrauben  zusammengesetzt  wird.  Das  eine 
Ende  des  Rohres  wird  mit  einem  Deckel,  das  andere  mit  einem,  den  Stamm  über- 
greifenden Ring  seitlich  gegen  den  Stamm  abgedichtet.  In  dem  Deckel  und  an 
dem  Rohr  befinden  sich  Einlaßöffnungen  für  Druckluft  und  Imprägnierflüssigkeit; 
an  dem  Rohr  auch  ein  entsprechender  Auslaßstutzen.  Ist  der  Apparat  fertig  mon- 
tiert, so  wird  vorerst  mit  Druckluft  der  Holzsaft  ausgetrieben  und  sodann  die  Im- 
prägnierflüssigkeit in  das  Holz  (durch  den  Deckel)  und  in  das  Rohr  gleichzeitig 
so  lange  eingepreßt,  bis  sie  am  freien  Stammende  austritt. 

Durch  die  Einschaltung  entsprechender  Dichtungsringe  zwischen  die  Teile  des 
Rohres  kann  man  auch  die  Möglichkeit  schaffen,  nur  einzelne  Partien  des  Stammes 
zu  imprägnieren. 

§  15.  Das  pneumatische  Druckverfahren  wurde  von 
Breant  und  Payen  erfunden,  von  Burnett,  Bethell,  Blythe,  Rütgers  und  anderen 
verbessert.  Dasselbe  besteht  im  wesentlichen  darin,  daß  man  das  fertig  zugerichtete 
Holz  (Schwellen,  Pfosten,  Stangen,  Bretter,  Schindeln  etc.)  zuerst  dämpft  oder 
trocknet,  sodann  einer  Luftverdünnung  aussetzt  und  schließlich  unter  Hochdruck 
mit  der  Imprägnierungsflüssigkeit  sättigt. 

Die  hiezu  notwendige  Apparatur  besteht  vor  allem  aus  einem  horizontalen 
Imprägnierungszylinder  aus  Kesselblech  von  etwa  9 — 12  m  Länge  und  2  m  Durch- 
messer. Die  vordere  Stirnseite  desselben  ist  mit  einem  abnehmbaren,  luftdicht- 
schließenden Deckel  versehen,  welcher  mittelst  Laufrollen  auf  einer  Hängebahn 
verschiebbar  und  um  einen  Bolzen  auf  dem  Laufwagen  drehbar  ist.  Den  dichten 
Schluß  bildet  ein  in  die  Flansche  eingegossener  Bleiring  von  schwalbenschwanz- 
förmigem  Querschnitt.  Zur  Zuhaltung  dienen  ent\\eder  scharnierartig  umlegbare 
Schraubenbolzen  oder  Hackenbolzen.    An  der  rückwärtigen  Stirnwand  des  Kessels 


1)  Näheres  siehe:  J.  Pfister  jr.,  Das  Färben  des  Holzes  durch  Imprägnierung.    Wien-Leip- 
zig 1908. 


Konservierung  des  Holzes.     §  15.  579 

sind  die  nütigen  ArinaLuiieile:  Probcbälme,  Lufthalin,  Standzeiger,  Thermometer, 
Manometer  und  Vakuometer  angebracht.  Der  domartige  Aufsatz  des  Kessels  steht 
mit  der  Dampfleitung  und  mit  einer  Luftpumpe  in  Verbindung.  An  der  Unterseite 
des  Kessels  sind  die  \'entile  zum  Ablassen  des  Kondenswassers,  sowie  für  den  Eintritt 
und  Auslauf  der  Imprägnierungsflüssigkeit  vorhanden. 

Eine  Saug-  und  Druckpumpe  stellt  die  Verbindung  der  Bassins,  in  welchen  sich 
das   Imprägniermittel  befindet,  mit  dem  Kessel  her. 

Weiter  sind  erforderlich:  ein  Dampfkessel,  eine  Betriebsmaschine,  diverse 
Bottiche  mit  Mischvorrichtung  zur  Herstellung  der  Imprägnierungsflüssigkeit,  Dexel- 
und  Hobelmaschinen  für  die  Bearbeitung  des  Holzes,  sowie  eine  Brückenwage.  Soll 
feuchtes  Holz  mit  einem  öligen  Mittel  allein  imprägniert  werden,  so  muß  auch  eine 
Trockenvorrichtung  vorhanden  sein. 

Um  die  Beschickung  und  Entleerung  des  Imprägnierkessels  in  einfacher  Weise 
zu  bewerkstelligen,  wird  das  zu  imprägnierende  Holz  auf  Bügelwagen  verladen  und 
in  den  Kessel  eingefahren;  diese  Wagen  mit  ihrer  Ladung  sind  dem  Innenraume 
des  Kessels  angepaßt.  Das  Holz  wird  derart  verladen,  daß  sich  die  einzelnen  Stücke 
tunlichst  wenig  berühren,  andererseits  aber  auch  nicht  zu  große  Zwischenräume  frei- 
lassen. Die  Bügel,  welche  die  Holzladung  zusammenhalten,  sind  in  Scharnieren 
zum  Umlegen  eingerichtet. 

Ein  Kessel  von  9  )■<  m  Länge  faßt  4  und  bei  12  m  Länge  5  solche  mit  Schwellen 
beladene  Wagen.    Langhölzer  werden  auf  2  Wagen  verladen. 

Die  Imprägnierungsanstalten  für  Bahnschwellen  sind  entweder  stabil  oder 
ambulant.  Erstere  sind  in  eigenen  Gebäuden  untergebracht  und  naturgemäß  auch 
vollkommener  eingerichtet  als  letztere.  Die  ambulanten  Anstalten  sind  auf  Eisen- 
bahnwaggons aufmontiert,  um  sie  abwechselnd  auf  bestimmte  Stationen  des  Bahn- 
netzes bringen  zu  können.  In  der  Regel  werden  von  den  Bahnverwaltungen  die  statio- 
nären Anlagen  den  mobilen  vorgezogen  und  diese  letzteren  daher  auch  nur  bedin- 
gungsweise zugelassen. 

Bei  der  Imprägnierung  mit  Zinkchlorid,  das  hier  als  Repräsentant  der 
wasserlöslichen  Mittel  gelten  soll,  wird  in  folgender  Weise  vorgegangen: 

Das  Holz  wird  nach  entsprechender  Anarbeitung  auf  die  Bügelwagen  verladen  und  in 
die  Präparierkessel  eingefahren.  Nachdem  der  Verschlußdeckel  vorge'Schoben  und  luftdicht 
verschraubt  ist,  wird  mit  der  Dämpfung  begonnen.  Ist  alle  Luft  durch  den  Dampf  verdrängt, 
wird  mindestens  eine  .Stunde  hindurch  bei  112°  C.  (=  0,5  Atm.  Ueberdruck)  gedämpft  und 
das  Kondenswasser  von  Zeil  zu  Zeit  abgelassen.  (In  manchen  Anstalten  wird  ein  höherer  Druck 
von  li>2 — 2  Atm.  angewendet.)  Das  Dämpfen  hat  den  Zweck,  die  Auslaugeprcdukle  aus  dem 
Holze  zu  verdrängen  und  die  Zellen  mit  Dampf  zu  erfüllen,  \ollkommen  wird  dieser  Zweck 
aber  niemals  erreicht.  Wollte  man  so  lange  dämpfen,  bis  der  Dampf  auch  in  das  Innere  des 
Holzes  eingedrungen  ist,  so  würde  dasselbe  sehr  bedeutend  an  Festigkeit  verlieren.  Es  findet 
daher  die  Auslaugung  hauptsächlich  nur  in  der  äußeren  Schichte  statt.  Auch  soll  der  Dampf- 
druck 114  .\tm  nicht  übersteigen.  Xach  der  Dämpfung  wird  der  Ueberdruck  abgelassen,  die 
Luftpumpe  in  Aktion  gesetzt  und  ein  \'akuum  von  mindestens  600  mm  erzeugt.  Diese  Druck- 
verminderung muß  in  30  Minuten  erreicht  sein  und  sodann  durch  weitere  40  Minuten  erhalten 
bleiben.  Das  Evakuieren  hat  den  Zweck,  die  in  den  Zellräumen  noch  vorhandene  Luft  und  den 
Dampf  so  weit  zu  verdünnen,  daß  die  Imprägnierungsflüssigkeit  eindringen  kann. 

Als  dritte  Prozedur  folgt  die  eigentliche  Imprägnierung.  Zu  diesem  Behufe  wird,  unter 
fortwährender  Tätigkeit  der  Luftpumpe,  die  Zinkchloridlösung  in  den  Kessel  eingesaugt.  Ist 
der  Kessel  entsprechend  gefüllt,  so  wird  die  Luftpumpe  abgestellt,  dafür  aber  die  Druckpumpe 
in  Aktion  gesetzt  und  so  lange  Imprägnierungsflüssigkeil  nachgepumpt,  bis  ein  Ueberdruck 
von  7H  Atm.  erreicht  ist,  was  ca.  40  Minuten  in  .\nspruch  nimmt.  In  dem  Maße,  als  die  Flüs- 
sigkeit in  das  Holz  eindringt,  sinkt  der  Druck  und  muß  durch  Naclipumpen  immer  auf  7  %  Atm. 
ergänzt  werden.  Die  Imprägnierung  ist  erst  dann  als  beendet  zu  l>etrachten,  wenn  das  Mano- 
meter durch  mindestens  20  Minuten  ohne  weiteres  Nachpumpen,  auf  713  --Mm  stationär  bleibt, 
als  Beweis,  daß  ein  weiteres  Eindringen  der  Flüssigkeit  in  das  Holz  nicht  mehr  stattfindet. 
Ist  dies  erreicht,  so  wird  die  Flüssigkeit  aus  dem  Kessel  in  das  Reservoir  abgelassen,  der  Ver- 
schlußdeckel abgenommen  und  das  Holz  ausgefahren.  Nach  jeder  Charge  wird  der  Kessel 
gereinigt. 

37* 


580  IX  D.   S  c  h  w  a  c  k  h  ö  f  e  r  ,   Forstlich-Chemische  Technologie. 

Die  imprägnierten  Hölzer  werden  an  der  Luft  getroclcnet.  Die  Zinkchloridlösung  wird 
meist  mit  einer  Konzentration  von  3  "  B.  genommen,  um  an  Kosten  zu  sparen,  werden  schwä- 
chere Lösungen  von  1V> — 2  °  B.  verwendet,  welche  zwar  leichter  in  das  Holz  eindringen,  aber 
schwächer  konservierend  wirken. 

Bei  der  Imprägnierung  mit  Teeröl  allein  wird  etwas  anders  verfahren, 
weil  hier  das  Wasser  hinderlich  ist.  An  Stelle  dos  Dämpfens  tritt  eine  Trocknung,  falls  nicht 
vollkommen  lufttrockenes  Holz  zur  Imprägnierung  vorliegt.  .Muß  künstlich  getrocknet  werden, 
so  fährt  man  das  Holz  aus  der  Trockenkammer,  in  der  man  eine  Temperatur  von  100  "  C.  durch 
mehrere  Stunden  hindurch  eingehalten  hatte,  in  noch  warmem  Zustande  in  den  Kessel  ein  und 
erzeugt  nun  in  demselben  ein  Vakuum  von  mindestens  600  mm,  das  H  Stunde  hindurch  ein- 
gehalten wird.  Unter  Einhaltung  des  Vakuums  wird  das  auf  mindestens  50  "  C.  vorgewärmte 
Teeröl  eingesaugt  und  dann  mittelst  der  Druckpumpe  nachgedrückt,  bis  der  Kessel  voll  ist. 
Man  steigert  nun  den  Druck  auf  10  Atm.  und  darüber  und  hält  ihn  l^i — 2  Stunden  ein. 

Die  Imprägnierung  mit  einem  Gemisch  von  Zinkchlorid  und 
Teeröl,  welches  man  früher,  um  an  teuerem  Teeröl  zu  sparen,  häufig  angewendet  hat,  ge- 
staltet sich  ähnlich  wie  die  Imprägnierung  mit  Zinkchlorid  allein.  Auch  hier  kann  die  Dämpfung 
entfallen,  wenn  das  Holz  gut  lufttrocken  ist;  das  Imprägniermittel-Gemisch  muß  aber  ebenso, 
wie  bei  der  Imprägnierung  mit  Teeröl,  vorgewärmt  werden. 

In  neuerer  Zeit  nun  bringt  man,  um  die  Imprägnierung  mit  Teeröl  allein  bewerkstelligen 
und  doch  an  diesem  kostspieligen  Mittel  sparen  zu  können,  eigene  Imprägnierungsmethoden, 
sog.   Spar  verfahren  in  .\nwendung. 

Nach  einem  derselben,  dem  Rüpingschen  Sparverfahren  läßt  die  preußisch-hessische 
Eisenbahnverwaltung  ihre   Schwellen,   Masten   etc.   imprägnieren. 

Zur  Durchführung  dieses  Verfahrens  muß  der  Kessel  mit  dem  Oelwärmer  durch  eine 
Druckluftleitung  in  Verbindung  stehen.  Ist  das  Holz  eingefahren  und  der  Kessel  dicht  verschlos- 
sen, so  setzt  man  auf  diesen  und  den  Oelwärmer,  je  nach  der  .\rt  und  Trockenheit  des  Holzes, 
einen  Luftdruck  von  1 '  i — i  .\tm.,  welchen  man  5 — 15  Minuten  hindurch  aufrecht  erhält.  Unter 
Beibehaltung  des  Luftdruckes  preßt  man  nun  das  auf  70 — 100°  C.  vorgewärmte  Oel  aus  dem 
Vorwärmer  so  lange  in  den  Kessel,  bis  ein  Ueberdruck  —  wiederum  je  nach  der  Beschaffenheit 
des  Holzes  —  von  SV,  bis8  Atm.  erreicht  ist  und  hält  diesen  .30  Minuten  bis  3  Stunden  lang  ein. 
Während  dieses  Oeldruckes  wird  der  Kessel  mittelst  in  ihm  befindlicher  Dampfschlangen  ge- 
heizt. Nach  Abblasen  des  Ueberdrucks  und  Entleeren  des  Oeles  erzeugt  man  im  Kessel  ein  \a.- 
kuura  von  mindestens  600  mm,  welches  man  während  10 — 30  Minuten  einwirken  läßt.  Nach 
Aufhebung  des  Vakuums  ist  die  Imprägnierung  beendet. 

Bei  der  Imprägnierung  von  Buchenschwellen  wird  eine  zweimalige  .\ufeinanderfolge  des 
geschilderten  Tränkungsvorganges,  mit  entsprechend  bemessenen  Zeit-,  Druck-  und  N'akuum- 
Verhältnissen  eingehalten  (sog.   Doppelverfahren). 

Von  der  Firma  Guido  Rütgers-Wien  wird  ebenfalls  ein  ihr  patentiertes  Sparverfahren 
ausgeführt,  welches  denselben  Zweck  verfolgt,  wie  das  eben  geschilderte,  diesen  aber  durch 
andere  Mittel  erreicht.  Nach  diesem  Verfahren  wird  das  Holz  durcli  Eintauchen  oder,  vorteil- 
hafter, in  der  bereits  bekannten  Weise  (durch  Druck  und  Vakuum)  mit  der  für  jede  Holzart, 
erfahrungsgemäß  oder  versuchsweise  ermittelten,  für  die  Konservierung  gerade  ausreich-nden 
Teerölmenge  getränkt,  und  sodann  in  heizbaren  Kesseln  einem  Druck  von  mehreren  .At- 
mosphären, also  heißer  Druckluft,  ausgesetzt,  wodurch  eine  gleichmäßige  Verteilung  des 
Oeles  in  der  ganzen  Holzsubstanz  erzielt  wird. 

Neben  diesen  beiden  genannten  Sparverfahren  sind  noch  verschiedene  andere  Varianten 
derselben  durch  Patente  geschützt  und  auch  in  Ausübung. 

Der  Zweck  aller  dieser  Sparverfahren  ist,  wie  schon  der  Name  besagt,  an  Imprägniermittel  zu 
sparen,  weil  die  Erfahrung  gelehrt  hat,  daß  es  zum  Sclmlze  des  Holzes  genügt,  wenn  bloß  seine  fes- 
tenjBestandteile  (die  Holzfaser)  durchtränkt  und  konserviert  sind,  die  Zellräume  aber  leer  bleiben. 

Das  pneumatische  Druckverfahren  ist  gegenwärtig  das  gebräuchlichste  und  für 
den  fabriksmäßigen  Betrieb  auch  das  zweckmäßigste,  weil  mit  ihm  große  Holz- 
mengen in  relativ  kurzer  Zeit  bewältigt  werden  können.  Die  mit  diesem  Verfahren 
erzielte  Durchtränkung  und  Konservierung  des  Holzes  kann  von  keinem  der  bisher 
genannten  auch  nur  annähernd  erreicht  werden.  Die  Wahl  des  Imprägnierungs- 
mittels bietet  keine  Schwierigkeiten,  insolange  es  sich  nicht  um  Mittel  handelt, 
welche  stark  korrodierend  auf  die  Apparatur  wirken. 

Daraus  erklärt  sich  auch,  daß  diese  Verfahren  nicht  bloß  für  die  Zwecke  der 
Konservierung,  sondern  auch  zum  ,, Härten",  Färben  etc.  des  Holzes  in  vielen,  den 
speziellen  Zwecken  angepaßten  Variationen  Anwendung  findet. 

§16.  Die  Imprägnierung  mit  Teeröldämpfen.  Daß  Dämpfe 
viel  leichter  und  tiefer  in  das  Holz  eindringen  als  Flüssigkeiten,  steht  wohl  außer  Zweifel;  nichts- 
destoweniger hat  dieses  Verfahren  den  Erwartungen  doch  nicht  entsprochen.    Bei  der  österrei- 


Konservierung  des  Holzes.     §  1".  581 

chischen  Südbahn,  wo  seinerzeit  ein  solches  Verfahren  eingeführt  war,  wurde  dassellie  wieder 
aufgegeben,  weil  es  sehr  lioinplizierl  und  kostspielig  war. 

In  neuerer  Zeil  wurde  die  Imprägnierung  mit  Dämpfen  wieder  aufgenommen  und  der 
Berlin-Anhaltischen  Maschinenbau-Aktiengesellschaft  ein  Verfahren  durch  D.  R.-P.  Nr.  189  232 
geschützt,  wonach  das  zu  imprägnierende  Holz  in  geschlossenen  Kesseln  der  Einwirkung  teer- 
ölhaltiger Dämpfe  ausgesetzt  wird,  welche  l)ei  der  Destillation  von  Holz,  Torf  oder  Kohle  re- 
sultieren und  nötigenfalls  durch  verdampftes  Teeröl  angereichert  werden  können. 

Nach  einem  weiteren  Patente,  Nr.  195  878  ex  1906,  derseltien  Gesellschaft  werden  keine 
Gase  angewendet,  sondern  das  Imprägnierniitti^l  wird  im  Kessel  zu  einem  feinen  Nebel  verstäubt 
und  dieser  dann  in  das  Holz  gedrückt  oder  gesaugt.  Zur  Zerstäubung  werden  entweder 
Druckluft  oder  die  komprimierten  .Abgase  \on  Kokereien  verwendet.  Das  Gemisch  von  Zer- 
stäubungs-  und  Imprägniermittel  sowohl,  wie  auch  die  aus  ihm  sicli  niederschlagende  Flüssigkeit 
werden  in  getrennten  Kreisläufen  über  den  Kompressor  oder  die  Flüssigkeitspumpe,  eventuell 
unter  gleichzeitiger  .\nwärmung,  in  den  Imprägnierkessel  zurückgeleitet. 

In  welchem  Umfange  und  mit  welchem  Resultat  diese  Patente  praktisch  ausgenützt 
werden,  darüber  fehlen  entsprechende  Angaben. 

An  dieser  Stelle  sei  auch  auf  ein  Verfahren  hingewiesen,  welches  F.  Denz,  B.-H.  Forst- 
beamter, in  einer  kleinen  Broschüre  ,, Buchenholzverwertung",  ,,D  ä  m  p  f  e  n  u  n  d  Impräg- 
nieren von  Hölzern  mit  Holzverkohlungsdämpfen  und  Gewin- 
nung des  Holzessigs  bei  der  M  e  i  I  e  n  v  e  r  k  o  fi  1  u  n  g",  Sarajevo  1911,  be- 
schreibt und  das  auch  in  Oesterreich  bereits  patentiert  ist. 

Der  Rahmen  dieses  Werkes  gestattet  leider  eine  vollinhaltliche  Aufnahme  der  in  der 
Broschüre  niedergelegten,  namentlich  für  den  Forstwirt  äußerst  interessanten  Ausführungen 
des,  in  der  Meilenverkohlung  bekannten  und  an  einem  späteren  Orte  zitierten  Fachmannes 
nicht  und  es  sei  daher  hier  speziell  auf  die  oben  genannte  Broschüre  verwiesen. 

Kurz  möge  hier  nur  angefütirl  werden,  daß  Denz  mit  seiner  Erfindung  die  bei  der  Ver- 
kohlung von  Abfallholz,  in  einem  ganz  spezitisch  gesetzten  Meiler,  sich  ergebenden  flüchtigen 
Destillationsproduktc  mittelst  einer  versetzbaren  Rohrleitung  auffängt  und  durch  einen  Im- 
prägnierkessel leitet,  in  welchem  .Nutzholz,  jeglicher  Form,  je  nach  der  Dauer  der  Einwirkung 
der  Dämpfe,  entweder  bloß  getrocknet  oder  mit  den  antiseptischen  Anteilen  der  flüchtigen 
Destillationsprodukte  imprägniert  wird.  Die  aus  der  Imprägniervorrichtung  abgesaugten, 
überschüssigen  Verkohlungsdämpfe  werden  kondensiert  und  liefern  rohen  Holzessig,  der  nach 
der  .\ngabe  von  Denz  sehr  rein  sein  soll. 

Die  für  dieses  Verfahren  notwendige  Anlage  ist  stabil.  Der  große  \'orteil  vorstehender 
.Methode  liegt,  nach  Denz,  in  den  geringen  Anlagekosten  und  der  großen  Dauerhaftigkeit  der 
einmal  erbauten  Anlage,  in  der  Ersparnis  an  Heizmaterial  und  in  der  Einfachheit  des  Verfahrens. 

§17.  Die  Imprägnierung  auf  elektrischem  Wege.  Diese 
basiert  auf  der  Tatsache,  daß  die  Geschwindigkeit,  mit  welcher  eine  Salzlösung  eine 
poröse  ^lembran  durchsetzt,  ganz  bedeutend  vergrößert  wird,  wenn  man  gleichzeitig 
durch  diese  Membran  einen  elektrischen  Strom  leitet. 

Zur  Durchführung  dieses  Verfahrens  wird  das  Holz  in  einem  Trog,  welcher  die 
Imprägnierflüssigkeit  enthält,  auf  den  einen  Pol  einer  Dynamomaschine  von  110  Volt 
Spannung  gelegt  und  über  demselben,  durch  ein  Filz-  oder  Segeltuch-Diaphragma 
getrennt,  in  einem  gleichen,  zweiten  Trog,  der  mit  Wasser  beschickt  ist,  der  zweite 
Pol  angeordnet. 

Nach  dem' Verfahren  von  Nodon  Bretonneau  wird  die  Imprägnierung  mit  einer  20%igen, 
auf  30  "  C.  erwärmten  Lösung  von  Magnesiumchlorid  vorgenommen.  Der  Strom  wird  durch 
7 — 14  Stunden  mit  variabler  Stärke  zwischen  -1  und  6  .\mp.  einwirken  gelassen.  Nach  dieser 
Behandlung  wird  das  Holz  an  der  Luft  getrocknet.  Erfahrungen  über  die  Dauer  der  nach 
diesem  Verfahren  imprägnierten  Hölzer  liegen  bis  jetzt  nicht  vor. 

Ganz  ähnlich  ist  das  sogenannte  Senilisierendes  Holzes,  bei  dem  nur  anstatt  Mag- 
nesiumchlorid eine  Lösung  von  10%  Borax,  5%  Harzseife,  0,75%  Natriumkarbonat  und  84,25°o 
Wasser  angewendet  wird.    Beide  Verfahren  sind  in  Frankreich  in  Verwendung. 

§18.  Schlußbemerkungen.  Für  die  Durchführung  der  Imprägnierung 
von  Eisenbahnschwellen  und  Leitungsmasten  erlassen  die  Bahnver- 
waltungen bestimmte  Vorschriften,  an  welche  sich  die  Unternehmer  zu  halten  haben.  Diese 
Vorschriften  sind  überall  fast  die  gleichen  und  unterscheiden  sich  nur  in  unwesentlichen  De- 
tails. .\ls  Imprägnierungsmittel  wird  vornehmlich  das  schwere  Teeröl  verwendet.  Bei  den  öster- 
reichischen Bahnverwaltungen  kommt  aber  auch  Zinkchlorid,  resp.  eine  Mischung  desselben 
mit  Teeröl  oder  eine  Nacheinandertränkung  mit  Zinkchlorid  und  Teeröl  in  .\nwendung. 

Bei  dem  ersteren  Verfahren  (dem  sog.  gemischten  \erfahren)  ist  das  Mischungsverhältnis 
der  Imprägnierflüssigkeit  derart  zu  regeln,  daß  auf  eine  Schwelle  durchschnittlich  2  kg  Teeröl 
entfallen  und  die  Tränkung  selbst  ist  so  durchzuführen,  daß  eine  lufttrockene  Kieferschwelle 


eichene 

I- 

buchene 

I- 

kieterne 

II. 

eichene 

II. 

buchene 

II. 

582  IX  D.   S  c  h  w  a  c  k  h  ö  f  e  r  ,  Forstlich-Chemische  Technologie. 

(0,1  m*)  mindestens  30  kg,  eine  lufttrockene  Eiclien-  und  Lärchenschwelle  (0,1  m^)  mindestens 
8  kg  Tränkungsstoff  aufnimmt.  Bei  der  aufeinander  folgenden  Imprägnierung,  welche  mit 
besonders  günstigem  Erfolg  für  Buchenschwellen  in  Anwendung  kommt,  ist  eine  Tränkung  von 
13 — 15  kg  Teeröi  pro  Schwelle  (von  0,075 — 0,1  m^  Inhalt)  vorgeschrieben. 
*|  Für  die  Gesamtaufnahme  an  Tränkungsstoffen  ist  den  österreichischen  Bahnverwallungen 
maßgebend,  daß 

1   Rm.  lufttrockenes  Föhren-  bezw.  Buchenholz  mindestens  300  kg 
1   Rm.  lufttrockenes  Lärchen-  bezw.  Eichenholz  mindestens     80   „ 
aufnehmen  muß. 

Dieses  Maß  gilt  bei  den  österreichischen  Bahn  Verwaltungen  auch  für  die  Imprägnierung 
mit  Teeröi  allein,  welche  aber  nur  in  ganz  bestimmten  Fällen  für  Lärchenholz  zur  Durchführung 
gelangt. 

Die   preußisch-hessische   Eisenbahnvcrwaltung,   welche  ihre  sämtlichen   Hölzer  nur  mit 
Teeröi  imprägnieren  läßt,  verlangt  eine  Gewälirleistung  der  Aufnahme  an  Teeröi: 
für  eine  kieferne  Schwelle  I.  Kl.  jeder  Dimension  von     7  kg 

>)  >,  I,       16    ,, 

„  ,,  „         6    „ 

jj  ))  j)         ^    jj 

1  *> 
für  nach  dem  Kubikinhalt  zu  berechnende  Hölzer: 

bei  Kiefernholz  per  m'        63  kg 

bei  Eichenholz    per  m'        45    „ 

bei  Buchenholz  per  m'        145    „  i). 

Zur  Erklärung  der  eben  angeführten  Zahlen  sei  bemerkt,  daß  in  den  österreichischen  Vor- 
schriften ein  fast  völliger  Ersatz  der  Gewichtsdifferenz  zwischen  frisch  gefälltem  und  luft- 
trockenem Holz  2)  durch  das  Imprägnierungsmittel  verlangt  wird,  während  die  deutschen 
Bahnverwaltungen  nur  eine  zur  Konservierung  des  Holzes  ausreichende  Menge  Tränkungs- 
stoff vorschreiben. 

Um  letzteres  zu  erreichen,  wird  die  Imprägnierung  nach  einem  modifizierten  pneuma- 
tischen'sDruckverfahren,  dem  bereits  angeführten  Rüpingschen    Sparverfahren  ausgeführt. 

Ueber  die  Dauer  der  imprägnierten  Schwellen  liegen  eine  Reihe  von  Angaben  vor,  jedoch 
lassen  sich  daraus  keine  zuverlässigen  Schlüsse  über  den  Wert  der  einzelnen  Imprägniermittel 
und  Methoden  ziehen,  weil  die  mechanische  Abnutzung  dabei  ganz  wesentlich  in  Betracht 
kommt,  welche  auf  den  mehr  oder  minder  befahrenen  Strecken  sehr  ungleich  ist.  Ferner  spielt 
auch  die  Bodenbeschaffenheit,  namentlich  aber  der  Feuchtigkeitszustand,  eine  selir  wiciitige 
Rolle. 

Die  Auswechslung  der  Schwellen  erfolgt  naturgemäß  nur  sukzessive,  ist  innerhalb 
der  ersten  fünf  Jahre  sehr  gering  oder  gleich  Null  und  steigert  sich  sodann  von  Jahr  zu  Jahr 
sehr  bedeutend.  Man  kann  daher  nur  von  einer  annähernden  durchschnittlichen  Dauer  sprechen. 
Nach  Angaben  von  Ing.  Ziffer  beträgt  dieselbe  bei  mit  kreosothaltigem  Teeröi  imprägnierten 
Schwellen : 

im  Hauptgeleise         im  Nebengeleise  Jahre  in  Summa 

Kiefer 15  5  20 

Eiche         18  7  25 

Buche 20  10  30 

Auch  die  Kosten  der  Imprägnierung  werden  sehr  verschieden  hoch  angegeben,  was  ja 
erklärlich  ist,  da  speziell  beim  Teeröi  es  nicht  gleichgültig  ist,  ob  dasselbe  von  heimischen  De- 
stillerien  bezogen  werden  kann  oder  importiert  werden  muß. 

Lieber  nähere  statistische  Daten  siehe:  Archiv  für  Post  und  Telegraphie,  Berlin  1905 
Nr.  16  und  1911  Nr.  8,  sowie  in  den  Fachorganen  des  technischen  Eisenbahn-,  Post-  und  Tele- 
graphendiensles  überhaupt. 

III.  Zellulose-  und  Holzstoff-Fabrikation. 

§  19.  Allgemeines.  Unter  den  Industrie-  und  Gewerbszweigen,  welche 
sich  mit  der  Verarbeitung  des  Holzes  auf  chemischen  Wege  befassen,  nimmt  die 
Zellulosefabrikation  den  ersten  Rang  ein.  Sie  ist  ein  verhältnismäßig  junger  Industrie- 
zweig und  hat  in  den  letzten  Dezennien  einen  ganz  kolossalen  Aufsch\\aing  genom- 
men. Bis  Ende  der  vierziger  Jahre  wurden  zur  Erzeugung  des  Papiers  fast  ausschließ- 

1)  Nach  privaten  Mitteilungen. 

2)  Dieser  Gewichtsunterschied  beträgt :  bei  der  Kiefer  rund  350  kg,  bei  der  Lärche  80 — 140  kg, 
bei  der  Eiche  70 — 100  kg  und  bei  der  Buche  350 — 450  kg  für  den  Kubikmeter.  Oesterr.  Wochen- 
schrift f.  d.  öffentliclien  Baudienst  1911. 


Zellulose-  und  Holzstoff-Fabrikation.     §  20.  583 

lieh  Hadern  verwendet.  Bei  dem  stetig  steigenden  Bedarf  an  Papier  konnte  aber 
da.s  Hadernmaterial  lang,-;t  niclit  mehr  genügen  und  es  mußte  an  die  Ileranzielmng 
von  Ersatzmittehi  gedacht  werden.  Unter  allen  zellulosereichen  Rohprodukten  ist 
das  Holz  das  einzige,  welches  leicht  und  billig  zu  beschaffen  ist,  große  Ausbeuten 
liefert  und  sich  daher  für  den  Massenverbrauch  am  besten  eignet.  Am  nächsten  lag 
CS  wohl,  das  Holz  lediglicli  auf  mechanischem  Wege  einfach  zu  zerfasern  und  den  so 
erhaltenen  Holzstoff  als  Zusatz  zu  Hadern  für  die  Papierfabrikation  zu  verwenden. 
Dieser  Ersatz  war  aber  wegen  der  Kurzfaserigkeit,  Steifheit,  ungenügenden  \er- 
filzung  und  Bleichunfähigkeit  der  Faser  nur  ein  sehr  unvollkommener.  Später  kam 
man  darauf,  daß  durch  Dämpfen  des  Holzes  ein  ziemlich  langfaseriger  Stoff  her- 
gestellt werden  kann,  welcher  auch  ohne  Hadernzusatz  ein  genügend  festes  Papier 
liefert  und  für  ordinärere  Sorten,  wie  Packpapier,  Zeitungs-  und  Affichenpapier 
geeignet  ist.  Damit  war  der  erste  große  Umschwung  in  der  Papierfabrikation  hervor- 
gerufen. Eine  zweite,  und  zwar  noch  gewaltigere  Umwälzung  erfolgte  durch  die 
Erfindung,  Holzzellulose  durch  Einwirkung  chemischer  Agenzien  von  den  inkru- 
stierenden Substanzen  zu  befreien  und  nahezu  rein  herzustellen.  Dieses  so  erhaltene 
Produkt  bildet  ein  vorzügliches  Ersatzmittel  für  Hadern  und  hat  dieselben  aus  der 
Papierfabrikation  heute  fast  gänzlich  verdrängt. 

Als  Rohmaterial  für  die  Zellulosefabrikation  eignen  sich  vor  allem  die  Nadel- 
hölzer, welche  eine  lange,  geschmeidige,  gut  verfilzbare,  schwach  gefärbte  und  gut 
bleichfähige  Faser  liefern.  Minder  geeignet  sind  die  weichen  Laubhölzer  und  am 
wenigsten  brauchbar  die  meisten  harten  Laubhölzer.  Nach  ihrer  Verwendbarkeit 
nehmen  die  Holzarten  folgende  Rangordnung  ein:  L  die  Fichte  (Abies  excelsa); 
2.  die  Kiefer  (Pinus  sylvestris);  3.  die  Tanne  (Abies  pectinata);  4.  die  Lärche  (Larix 
europaea);  5.  die  Espe  (Populus  tremula);  6.  die  Pappel  (Populus  nigra);  7.  die 
Birke  (Betula  alba).  In  der  Regel  werden  aber  nur  die  drei  erstgenannten  Holzarten 
zur  Fabrikation  verwendet. 

Die  Herstellung  der  Zellulose  umfaßt  folgende  Prozeduren: 

L  Das  Putzen,  Zerkleinern  und  Sortieren  des  Holzes. 

2.  Das  Aufschließen  des  zerkleinerten  Holzes  und  die  Erzeugung  (eventuell 
Regenerierung)  der  Lauge. 

3.  Das  Auslaugen,  Zerfasern,  Sortieren  (und  eventuell  Bleichen)  der  Roh- 
zellulose, sowie  das  Entwässern  und  Trocknen  der  fertigen  Zellulose. 

§20.  l.Das  Putzen  und  Zerkleinern  des  Holzes.  Das  Holz 
muß  von  allen  zufälligen  Verunreinigungen,  wie  Erde,  Sand  etc.,  welche  namentlich 
an  den  beiden  Enden  der  Scheite  und  Klötze  zu  finden  sind,  befreit  werden.  Rinde 
und  Bast  müssen  abgeschält,  die  Aeste  und  Knorren  ausgebohrt  werden,  da  dieselben 
der  Aufschließung  widerstehen  und  blcichunfähig  sind.  Die  größte  Sorgfalt  in  der 
Putzerei  ist  unbedingtes  Erfordernis,  weil  die  Verunreinigungen  später  nur  schwierig 
zu  entfernen  sind  und  das  Produkt  verderben.  Am  besten  gelingt  das  Putzen  durch 
Handarbeit,  ist  aber  dafür  auch  am  kostspieligsten.  In  allen  größeren  Fabriken 
verwendet  man  zum  Zerkleinem  und  Putzen  des  Holzes  eigene  Maschinen.  Stärkeres 
Holz  wird  zunächst  mit  einer  pendelnden  Zirkularsäge  in  Klötze  von  etwa  60 — 100  cm 
Länge  zugeschnitten  und  dabei  das  kemfaule  Holz,  welches  an  der  Schnittfläche 
leicht  zu  erkennen  ist,  ausgeschieden.  Die  Entfernung  der  Rinde  und  des  Bastes 
geschieht  mit  Hilfe  der  Rindenschälmaschine,  welche  aus  einer  rotierenden  Scheibe 
mit  4  hobelartig  eingesetzten  Messern  besteht.  Auch  Trommeln  mit  nach  innen 
vorspringenden  Schlagleisten  werden  für  diesen  Zweck  benützt.  E)urch  die  Rotation 
der  Trommel  werden  die  im  Innern  derselben  befindlichen  Holzklötze  abgerieben, 


584  IX  D.   S  c  h  w  a  c  k  h  ö  f  e  r  ,  Forstlich-Chemische  Teclinologie. 

und  die  dabei  abfallenden  Rindenstücke  durch  Wasser  abgeschwemmt.  Da  die  Holz- 
klötze immer  mehr  oder  weniger  unrund  sind,  so  arbeiten  alle  Schälmaschinen  nur 
unvollkommen  und  ist  ein  wesentlicher  Holzverlust  damit  verbunden. 

Viel  besser  ist  das  Schälverfahren  mit  Dampf.  Werden  die  Holzklötze  der  Ein- 
wirkung von  Wasserdampf  ausgesetzt,  so  läßt  sich  die  Rinde  samt  Bast  in  ganzen 
Streifen  abziehen  und  das  Holz  auf  diese  Art  ganz  rein  erhalten. 

Zum  Ausbohren  der  Aeste  benützt  man  einen  rotierenden  Löffelbohrer,  gegen 
welchen  die  Klötze  gedrückt  werden.  Auch  diese  Arbeit  ist  nur  eine  unvollkommene, 
weil  man  den  Verlauf  der  Aeste  im  Holze  nicht  genau  verfolgen  kann.  In  manchen 
Fabriken  werden  daher  die  Klötze  zuerst  zerhackt  und  dann  erst  die  Aststücke  und 
sonstigen  unreinen  Partien  auf  einem  Gurtentransporteur  durch  Handscheidung 
entfernt. 

Von  den  Hackmaschinen  gibt  es  zwei  Abarten,  solche  mit  auf-  und  abgehenden 
und  andere  mit  drehend  bewegten  Messern;  diese  letzteren  sind  die  gebräuchlicheren. 
Die  Hackmaschine  zerkleinert  das  Holz  in  Späne,  unter  einem  Winkel  von  45 — 60" 
zur  Richtung  der  Stammachse.  Je  schwächer  die  Späne  sind,  desto  leichter  werden 
sie  von  der  Kochlauge  durchdrungen. 

Aus  der  Hackmaschine  gelangen  die  Späne  in  eine  Schleudermühle,  wo  sie 
längs  der  Faserrichtung  zerschlagen  werden.  Schließlich  passieren  dieselben  noch 
eine  Siebtrommel,  um  einerseits  die  feinen  Verunreinigungen,  wie  Staub,  Holzmehl 
und  dgl.,  andererseits  aber  auch  die  groben  Beimengungen,  Aststücke  und  nicht 
zerschlagenen  Späne  wegzuschaffen,  während  die  aussortierten,  reinen  Späne  der 
Aufschließung  zugeführt  werden.  Der  Abgang  durch  das  Putzen,  Zerkleinern  und 
Sortieren  beträgt  bei  astarmen,  entrindeten  Stämmen  5 — 6,  bei  minderen  Qualitäten 
10 — 15%,  bei  berindetem,  ästigem  Scheitholz  15 — 20  und  bei  Prügelholz  bis  zu  30%. 

2.  Das  Aufschließen  des  zerkleinerten  Holzes.  Für  diesen 
Zweck  wurden  eine  Reihe  von  Agenzien  und  Verfahren  in  Anwendung  gebracht, 
von  denen  aber  nur  zwei :  das  Natron-  und  das  Sulfitverfahren  in  der  großen  Praxis 
Eingang  gefunden  und  sich  dauernd  bewährt  haben.  Ein  drittes  Verfahren,  ,,das 
elektrochemische",  steht  dermalen  nur  vereinzelt  in  Ausübung. 

§21.  a)Das  Natronverfahren.  Von  diesem  existieren  zwei  Abarten : 
das  Soda-  und  das  Sulfatverfahren.  Bei  ersterem  bildet  das  durch  Kaustizieren  der 
Soda  erhaltene  Aetznatron  und  bei  letzterem  hauptsächlich  das  durch  Reduktion 
des  Natriumsulfates  erhaltene  Schwefelnatrium  das  wirksame  Agens. 

Das  Aetznatron  löst  in  einer  Konzentration  von  etwa  10"  B.,  bei  einer  Tem- 
peratur von  160 — 185"  C.  (=  5 — 10  Atm.  Ueberdruck)  die  inkrustierende  Substanz 
des  Holzes  leicht  und  vollkommen,  so  daß  die  Zellulose  nach  dem  Auswaschen  der 
Lauge  sehr  rein  erhalten  wird.  Dagegen  hat  das  Aetznatron  den  Nachteil,  daß  es 
sehr  teuer  ist  und  nur  mit  erheblichen  Verlusten  wieder  zurückgewonnen  (regeneriert) 
werden  kann,  daß  es  ferner  auch  die  Zellulose  selbst  angreift  und  die  Ausbeute  daher 
schmälert. 

Schwefelnatrium  steht  in  seiner  Wirkung  dem  Aetznatron  nicht  nach,  im  Gegen- 
teil —  es  löst  die  inkrustierenden  Substanzen  besser,  greift  die  Zellulose  weniger  an 
und  hat  zudem  noch  den  Vorzug  der  Billigkeit.  Da  es  auch  auf  das  im  Holze  befind- 
liche Eisen  lösend  wirkt,  so  resultiert  ein  hellerer  und  leichter  bleichbarer  Zellstoff. 
Schwefelnatrium  braucht  nicht  eigens  dargestellt  zu  werden,  sondern  entsteht  beim 
Glühen  des  durch  Eindampfen  der  ausgebrauchten  Laugen  erhaltenen  Rückstandes 
von  selbst,  indem  die  Holzauslaugeprodukte  reduzierend  auf  das  Sulfat  einwirken. 
Der  Verlust  an  Natron  kann  daher  durch  Zusatz  von  Sulfat  (Glaubersalz)  immer 


Zellulose-  und  Holzstoff-Fabrikation.     §  21.  585 

wieder  ersetzt  werden.  Als  Nachteil  ist  dagegen  anzuführen,  daß  —  wenn  nicht 
vollkommen  richtig  zusammengesetzte  Laugen  und  zweckentsprechende  Apparate 
und  Verfahren  bei  der  Regenerierung  derselben  angewendet  werden  —  sowohl  beim 
Kochprozeß  als  auch  bei  der  Wiederbelebung  der  Laugen  höchst  übelriechende  Um- 
wandlungsprodukte (Merkaptan,  Methylsulfid  und  andere  Sulfoverbindungen)  ent- 
stehen. Diese  verpesten  die  Luft  auf  weite  Strecken  hin,  geben  infolgedessen  zu 
großen  Beschwerden  seitens  der  Nachbarschaft  Anlaß  und  haben  schon  zu  wieder- 
holten Malen  die  Betriebseinstellung  von  Fabriken  zur  Folge  gehabt. 

Laugenbereitung  und  Regenerierung. 

Bei  dem  Sodaverfahren  wird  die  Lauge  durch  Kaustizierung  einer  Sodalösung  mit  Aetz- 
kalk  hergestellt.  Zu  diesem  Zwecke  dienen  eiserne  Gefäße,  die  mit  einem  Rührwerke  und  mit 
einem  Schnatterrohr  zum  Einleiten  des  Dampfes  versehen  sind.  Für  eine  Kaustizierung  werden 
in  der  Regel  2000  kg  Natriumkarbonat  (Soda)  und  1100  kg  Aetzkalk  (d.  s.  um  rund  2%  mehr 
als  der  Theorie  nach  erforderlich  wäre),  angewendet.  Da  der  größte  Teil  der  Soda  aus  den 
gebrauchten  Kochlaugen  durch  Regenerierung  w'ieder  gewonnen  werden  kann,  so  ist  nur  jener 
Teil,  welcher  bei  der  Manipulation  verloren  gegangen  ist,  durch  neue  Soda  zu  ersetzen. 

Die   Umsetzunc  erfolgt  nach  der   Gleichung: 

NaoCÖa  -f  CaO  +  H^O  =  2NaHO  +  CaCOj. 

Die  Soda-Aetzkalkmischung  wird  unter  fortwährendem  Rühren  aufgekocht,  und  sobald 
die  Kaustizierung  beendet  ist,  der  Dampf  abgestellt,  der  Niederschlag  von  Calciumkarbonat 
absitzen  gelassen,  und  die  fertige  Lauge  abgezogen.  Da  letztere  nicht  vollkommen  klar  ist, 
so  muß  sie  ein  Sandfilter  (oder  eine  Filterpresse)  passieren,  um  die  feinen  suspendierten  Schlamm- 
teilchen zurückzuhalten.  Die  filtrierten  Laugen  müssen  alsbald  (längstens  nach  2 — 3  Tagen) 
ihrer  \'erwendung  zugeführt  werden,  da  sonst  die  Kaustizität  wesentlich  zurückgeht.  Der 
Schlamm  (CaCOa)  wird  gesammelt  und  in  größeren  Partien  ausgelaugt,  um  das  darin  enthaltene 
Aetznatron  zu  gewinnen. 

Beim  Aufschließen  des  Holzes  wird  die  Lauge  tief  dunkelbraun  von  den  humusartigen 
Zersetzungsprodukten  des  Lignins.  Um  aus  dieser  ausgebrauchten  Lauge  das  Natron  wieder 
zu  gewinnen,  wird  dieselbe  bis  zur  Trockene  abgedampft  und  der  Trockenrückstand  in  Flamm- 
öfen geglüht,  wobei  die  organische  Substanz  verbrennt  und  das  Natron  w-ieder  als  Karbonat 
(Soda)  zurückbleibt.  Es  ist  notwendig,  daß  die  Soda  im  Flammofen  möglichst  weiß  gebrannt 
wird,  ohne  dabei  ganz  zu  schmelzen.  Die  in  der  Soda  verbleibenden,  äußerst  fein  verteilten 
Kohlenteilchen  sind  sehr  nachteilig,  da  sie  durch  kein  Filter  zurückgehalten  werden,  mit  in 
die  Zellulose  gelangen  und  derselben  einen  grünlich-blauen  Farbenton  erteilen,  welcher  auch 
in  der  Bleiche  nicht  weggeschafft  werden  kann. 

Die  Regenerierung  der  Laugen  ist  eine  lästige  und  kostspielige  Prozedur;  der  Wärme- 
verbrauch ist  trotzdem,  daß  die  Auslaugeprodukte  mitverbrennen,  dennoch  ein  ganz  erheb- 
licher, da  auf  100  kg  lufttrockener  Zellulose  etwa  14  hl  Lauge  entfallen;  ferner  ist  auch  der 
Sodaverlust  durch  Verflüchtigung  beim  Weißbrennen  (Calcinieren)  ein  bedeutender,  etwa 
12 — 15°o,  und  endlich  wird  auch  die  Herdsohle  durch  die  schmelzende  Soda  stark  angegriffen; 
es  sind  oftmalige  Reparaturen  notwendig  und  die  Soda  selbst  wird  durch  die  Bildung  von  Sili- 
katen, aus  der  Chamottemasse  der  Herdsohle,  immer  unreiner. 

Ein  Teil  dieser  Uebelstände  ist  vermieden,  wenn  anstatt  Soda  das  viel  billigere  Glauber- 
salz in  Anwendung  gebracht  wird  (Patent  Dahl).  Das  Natriumsulfat  (NajSOj)  wird,  wie  bereits 
erwähnt,  beim  Glühen  des  aus  den  Laugen  erhaltenen  Trockenrückstandes  durch  die  vor- 
handene organische  Substanz  reduziert;  es  entsteht  hauptsächlich  Schwefelnatrium,  ferner 
bilden  sich  auch  schwefligsaures,  unterschwefligsaures  und  kohlensaures  Natrium.  Die  so  er- 
haltene Schmelze  wird  in  Wasser  gelöst  und  mit  .'aetzkalk  gekocht,  wobei  eine  teilweise  Kausti- 
zierung stattfindet.  In  allen  anderen  Details  stimmen  diese  beiden  Soda-  und  Sulfatverfahren 
vollkommen  überein. 

Die  Kocher,  in  welchen  die  .\ufschließung  des  zerkleinerten  Holzes  vorgenommen  wird, 
sind  meist  aufrecht  stehende  Zylinder  aus  starkem  Kesselblech,  von  etwa  10  cbm  Fassungs- 
rauni.  Oben  ist  die  Füllöffnung  für  das  Holz  und  seitlich  unten  die  Entlterungsöffnung  für 
die  Rohzellulose  angebracht.  Ferner  sind  die  nötigen  Armaturen  für  die  Einströmung  und 
.\usblasung  des  Dampfes,  Einleitung  der  frischen  und  .Ablassen  der  ausgebrauchten  Lauge 
vorhanden.  Alle  Röhren  und  sonstigen  Armaturteile  müssen  aus  Eisen  hergestellt  sein,  da 
Messing  oder  andere  Legierungen  von  der  Lauge  stark  angegriffen  werden.  Im  Kocher  sind 
Siebeinsätze  vorhanden,  welche  die  Lauge  ungehindert  durchlassen,  die  Holzspäne  aber  zurück- 
halten. Um  Wärmeverlustc  nach  Möglichkeit  zu  verhindern,  sind  die  Kocher  mit  einem  Iso- 
lierungsmaterial umgeben  und  mit  Bretterwänden  verschalt.  Jeder  Kocher  steht  mit  dem 
Laugenvorwärmer  und  mit  dem  Dampfkessel  in  Verbindung.  Kocher  mit  direkter  Feuerung 
sind  veraltet. 

Um  bei  der  Entleerung  der  Kocher  an  Zeit  und  Arbeitskraft  zu  sparen,  hat  man  sie  so 
eingerichtet,  daß  der  gesamte  Inhalt  (Zellstoff  und  Lauge)  unter  schwachem  Druck  in  offene 


586  IX  D.   S  c  h  w  a  c  k  h  ö  t  e  r  ,   Forstlich-Chemische  Technologie. 

oder  geschlossene  Apparate  ausgeblasen  werden  kann,  wobei  gleichzeitig  eine  feine  Verteilung 
der  aufgeschlossenen  Holzmasse  erreicht  wird. 

Die  Lauge  wird  von  unten  in  den  Kocher  eingelassen,  um  die  in  der  Schnitzelfüllung 
befindliche  Luft  nach  oben  hin  zu  verdrängen,  und  durch  eine  entsprechende  Situierung  der 
Heizvorrichtung  in  ständiger  Bewegung  erhalten.  Zuweilen  werden  zwei  oder  mehrere  Kocher 
zu  einer  Batterie  miteinander  verbunden,  so  daß  die  Lauge  von  einem  Kocher  in  den  nächst- 
folgenden übersteigen  kann,  wodurch  die  Lauge  besser  ausgenützt  und  die  Rohzellulose 
reiner  wird. 

Druck,  resp.  Temperatur,  Kochdauer  und  Konzentration  der  Lauge  müssen  dem  je- 
weiligen Rohmaterial  angepaßt  werden.  Am  leichtesten  ist  das  Fichtenholz  aufzuschließen, 
dann  folgt  Föliren-  und  Lärchenholz  und  am  schwierigsten  kocht  sich  das  Tannenholz. 

Die  Laugen  haben  gewöhnlich  8 — 10°  B.;  die  Kochdauer  schwankt  zwischen  5  und  6 
Stunden  und  der  Druck  zwischen  5  und  10  Atmosphären.  Meistens  halten  die  Fabriken  ihre 
Kochordnung  geheim. 

Das  Natronverfahren  ist  der  Kostspieligkeit  und  der  geringen  Ausbeute  wegen 
schon  seit  einer  Reihe  von  Jahren  stark  in  Abnahme  begriffen,  wird  aber  zur  Her- 
stellung gewisser  Papiersorten,  namentlich  für  weiches,  geschmeidiges  und  gut  saug- 
fähiges Papier  doch  noch  angewendet.  Für  die  Erzeugung  von  Zellstoff  aus  der 
schwer  aufzuschließenden  Kiefer  wird  es  nicht  zu  umgehen  sein,  sei  es,  daß  man  es 
hier  als  solches  oder  in  Kombination  mit  dem  Sulfitverfahren  in  Anwendung  bringt. 
In  Amerika,  wo  heute  noch  75%  der  gesamten  Zellstoff-Fabrikation  ihr  Rohmaterial 
mit  harzreichen  Nadelhölzern  deckt,  steht  das  Natronverfahren  im  Vordergrund. 
Erwähnt  sei  hier  noch,  daß  bei  der  Verarbeitung  harzreicher  Hölzer  nach  dem  Natron- 
verfahren  im  ersten  Stadium  des  Aufschließprozesses  ohne  besondere  Schwierig- 
keiten das  Terpentinöl  für  sich  gewonnen  werden  kann,  wodurch  eine,  mitunter  nicht 
zu  unterschätzende,  weil  fast  kostenlose,  Rentabilitätserhöhung  des  Betriebes  er- 
zielt wird. 

Unter  dem  Namen  ,, Kraftzellstoff"  ist  in  neuerer  Zeit  ein  Zellstoffprodukt  stark  im 
Handel,  welches  zur  Erzeugung  außerordentlich  fester,  dunkelfarbiger  Papiere  (Packpapiere) 
verwendet  wird.  Dieser  Kraftzellstoft  stellt  ein  Halbprodukt  dar,  das  durch  unvollständige 
Aufschließung  von  Holz  mit  aufgefrischten  .\blaugen  des  Natronverfahrens  und  nachfolgendes 
gründliches  Zerfasern  in  Kollergängen  oder  Holländern  erzeugt  wird. 

§22.    b)Das    Sulfitverfahren.    Dasselbe  wurde  bereits   1866  dem 

Amerikaner  Tilgham  patentiert,   10  Jahre  später  von  dem  Schweden  Ekman  und 

Prof.  Mitscherlich  in  die  Praxis  eingeführt,  dann  mehrfach  abgeändert  und  verbessert; 

namentlich  hat  sich  Dr.  Kellner  viele  Verdienste  in  dieser  Hinsicht  erworben.   Heute 

ist  das  Sulfitverfahren  weitaus  das  gebräuchlichste  und  zweckmäßigste.    Es  basiert 

auf    der    AufschlieOung    der    Ligninsubstanz    des    Holzes    mittelst   Calciumbisulfit 

Ca(HS03)2   d.  i.  eine  Auflösung  von  schwefligsaurem  Calcium  (CaSOg)  in  wässeriger 

schwefliger  Säure  (HjSOg).    Das  wirksame  Agens  ist  die  schweflige  Säure,  während 

das  Calcium  gewissermaßen  nur  als  Träger  für  die  erstere  zu  betrachten  ist. 

Die  Laugenerzeugung  zerfällt  in  zwei  Stadien:  1.  in  die  Erzeugung  des  Schwefcl- 
dioxydes  (SO,),  2.  in  die  Absorption  desselben  durch  Wasser  (S02-|-H20  =  HoSOj)  und  Ein- 
wirkung der  dabei  entstehenden  schwefligen  Säure  auf  Kalkstein  (CaCOa),  wobei  Calcium- 
bisulfit gebildet  wird  und  Kohlensäure  entweicht. 

2H2S03-fCaC03  =  Ca(HS03)2-|-C02-f-H20 

Das  Schwefeldioxyd  wird  entweder  durch  Verbrennen  von  Schwefel  (S-|-02  =  S02)  oder 
durch  Rösten  von  Schwefelkies  (2FeS2-f  llO  =  FejOj-l-iSOa)  in  eigens  hiefür  konstruierten 
Oefen  erzeugt. 

Die  Verbrennung  muß  bei  nur  mäßigem  Luftüberschuß  eine  möglichst  vollständige  sein 
und  darf  kein  Schwefel  dabei  sublimieren,  weil  dadurch  \'erluste  und  bei  der  Laugenbereitung 
und  dem  Kochprozeß  Schwierigkeiten  entstehen.  Schwefel,  obwohl  teuerer,  ist  dem  Schwefel- 
kies vorzuziehen,  weil  sich  der  Betrieb  einfacher  gestaltet,  kleinere  Oefen  ausreichen  und  kein 
Abbrand  erhalten  wird.  Vom  Schwefelkies,  welcher  als  reiner  Pyrit  FeS2  46,7 °o  Eisen  und 
53,3%  Schwefel  enthält,  bleiben  immer  3 — ö°a  Schwefel  in  den,  nie  bis  ins  Innere  durchröstenden, 
Kiesstücken  unverbrannt  zurück.  Der  Abbrand  ist  somit  ein  bedeutender,  das  Gas  ist  ver- 
dünnter (enthält  ca.  9 — 10  Vol.-Proz.  SOj)  und  wird  daher  auch  nicht  so  leicht  und  vollständig 
absorbiert.    Es  enthält  immer  Flugasche,  die  sich  schon  in  den  Kühlröhrcn  unangenehm  be- 


Zellulose-  und  Holzstdff-l'aln-ikation.     §  22.  587 

merkbar  macht  und  bis  in  den  Alisorplionslurm  gelangt.  Neben  Sclnvcfcldioxyd  entstellt 
auch  immer  etwas  Trioxyd  (SO3)  und  zwar  bei  Kies  immer  mehr  als  bei  reinem  Schwefel.  Dieses 
Trioxyd  ist  die  Ursache  der  lästigen  Gipsbildung  bei  der  Laugenbereitmig.  \'op  100  Teilen 
des  verbrannten   Schwefels  gelicn  etwa  2 — 4  Teile  auf  Rechnung  von  Trioxyd. 

Eine  vorteilhafte  Konstruktion  der  Pyritöfen  ist  der  Kiesröstofen  von  Herrcshoff,  ein 
aufrechtstehender  Zylinder  mit  :')  Klagen,  welche  der  zu  röstende  Kies,  infolge  der  Bewegung 
von  Ridirarmen,  langsam  von  oben  nach  unten  passiert.  Dieser  Ofen  ist  speziell  für  die  Er- 
zeugung von  Bisulfitlauge  selir  gut  geeignet,  weil  er  ein  SOj-reiches  Gas  liefert  und  die  Bildung 
von  Trioxyd  auf  ein  .Mininuim  reduziert. 

Zur  .Vbsorptiou  und  Einwirkung  der  schwefligen  Säure  auf  Kalkstein  dienen  ui  der  Regel 
hohe  Türme,  in  denen  die  Kalksteinfüllung  von  oben  herab  mit  Wasser  berieselt  wird,  während 
die  schweflige  Säure  von  unten  entgegenstreicht.  Die  Türme  sind  meist  aus  starkem  Holz- 
gebälke  hergestellt,  20 — 30  m  hoch  imd  lU, — 1%  m  im  Geviert.  Sie  sind  mit  Brettern  ver- 
schalt, mit  Werg  oder  dergleiclien  gedichtet  und  mit  Teer  gestrichen.  Um  den  Druck  der  Kalk- 
steinfüllung auszuhalten,  müssen  starke  Eisenreifen  angebracht  werden.  Der  Kalkstein  ruht 
auf  einem  Rost  aus  starken  Eichenbalken;  unter  demselben  mündet  das  vom  Schwefel-  oder 
Kiesofen  kommende  Rohr. 

Um  möglichst  reine  und  konzentrierte  Laugen  zu  erhalten,  muß  das  Gas  vor  seinem 
Eintritt  in  den  Turm  ,, gewaschen"  und  gekülilt  werden.  Zu  diesem  Zwecke  passiert  es  stehende 
oder  liegende  Rohrsysteme,  die  entweder  durch  die  Luft  oder  durch  A\'asserberieselung  gekühlt 
werden. 

An  der  obersten  Stelle  des  Turmes  befindet  sich  ein  Wasserreservoir,  aus  welchem  das 
Wasser  mittelst  Verteilungsröhren  oder  Ueberlaufnäpfen  durch  die  Kalksteinfüllung,  fein 
verteilt,  herabrieselt.  Unter  dem  Reservoir  ist  eine  Gosse  zum  Nachfüllen  des  Kalksteins 
angebracht. 

Die  durch  die  Einwirkung  der  schwefligen  Säure  auf  den  Kalkstein  entstehende  Lauge 
sammelt  sich  in  einem  unter  dem  Rost  befindlichen,  gemauerten  Behälter  und  wird  durch  ein 
Bleirohr  nach  außen  in  Holzkästen  abgeleitet.  Bei  regelrechtem  Gange  der  Arbeit  zeigt  die 
abfließende  Lauge  etwa  5 — 7"  B. ;    im  Winter  etwas  mehr  als  im  Sommer. 

Der  durchschnittliclie  Gehalt  an  SOj  beträgt  ca.  3^/4%,  wovon  ungefähr  1/3  an  Kalk 
gebunden  und  -,'3  im  freien  Zustande  vorlianden  sind. 

Der  Wasserzulauf  muß  so  reguliert  werden,  daß  oben  am  Turm  schweflige  Säure  nur  mehr 
ganz  schwach  durch  den  Geruch  wahrzunehmen  ist,  was  aber  nur  bei  sehr  hohen  Türmen  ge- 
lingt. Um  auch  mit  weniger  liohen  Türmen  rascher  arbeiten  zu  können,  und  das  Entweichen 
der  schwefligen  Säure,  welche  schädigend  auf  die  Vegetation  der  Umgebung  wirkt,  zu  ver- 
hindern, werden  nach  dem  Patente  Dr.  Kellner  zwei  Türme  so  miteinander  verbunden,  daß 
die  schweflige  Säure,  welche  oben  aus  dem  ersten  Turm  entweicht,  durch  ein  Tonrohr  nach 
unten  in  den  zweiten  Turm  geleitet  wird,  während  die  schwache  Lauge  aus  dem  zweiten  Turm 
auf  den  ersten  gehoben  wird  und  beim  Durchrieseln  desselben  sich  mit  der  frischen,  schwef- 
ligen Saure  anreichert.  Der  Kalkstein  wird  in  faust-  bis  kopfgroßen  Stücken  in  den  Turm 
gefüllt.  Er  soll  porös  und  dabei  doch  sehr  fest  sein,  um  einerseits  eine  große  Oberfläche  zu  bieten, 
andererseits  aber  auch  den  Druck  der  darüberliegenden  Schichten  auszuhalten.  Am  geeignetsten 
ist  Kalktuff.  Anstatt  Kalkstein  (CaCO,)  kann  auch  Dolomit  (CaJIg(C03)2)  oder  Magnesit 
(MgC03)  verwendet  werden.  Unreiner,  toniger  Kalk  gibt  zu  Betriebsstörungen  Anlaß,  weil 
sich  viel  Schlamm  bildet,  der  die  Lauge  verunreinigt  und  auch  Verstopfungen  im  Turm  be- 
wirken kann.  Bei  reinem  Kalke  kann  der  Turm  lange  Zeit  ungestört  im  Betriebe  bleiben; 
bei  unreinem  Kalke  muß  hingegen  öfters  ein  Durchspülen  vorgenommen  werden,  indem  man 
das  Wasser  stoßweise,  in  einem  starken  Scliwall,  durch  die  Kalksteinfüllung  fließen  läßt. 

Die  Türme  haben  den  Nachteil,  daß  ihre  Herstellung  kostspielig  ist,  der  Kalkslein  und 
das  Wasser  hoch  gehoben  werden  müssen,  daß  ferner  die  unteren  Partien  der  Kalkfüllung 
stark  korrodieren  und  durch  den  Druck  der  oberen  Schichten  zerbröckeln;  auch  überzieht 
sich  die  Oberfläche  der  Kalksteinstücke  alsbald  mit  einer  Kruste  von  Gips  und  Schlamm, 
welche  die  weitere  Einwirkung  der  schwefligen  Säure  verhindert. 

Um  diesen  Uebelständen  zu  entgehen,  hat  Dr.  Kellner  an  Stelle  der  Türme  Gefäß- 
batterien angewendet.  Dieselben  bestehen  aus  mehreren  (4 — 5)  stufenförmig  aufgestellten 
Holzbottichen,  von  denen  jeder  ^1,  m  über  dem  vollen  Boden  einen  Lattenboden  besitzt  auf 
welchem  eine  Schichte  von  Kalkstein  liegt.  Die  Bottiche  sind  dicht  geschlossen,  haben  im 
Deckel  ein  Mannloch  zum  Einfüllen  und  seitlich  unten  ein  zweites  zum  .\usräumen  des  Kalk- 
steines. Jeder  Bottich  ist  bis  zu  -j,  der  Höhe  mit  Wasser,  bezw.  Lauge,  gefüllt.  Das  Schwefel- 
dioxyd wird  mittelst  eines  Kompressors  in  den  zu  unterst  stehenden  Laugenbottich  gepumpt, 
geht  durch  ein  Uebersteigrohr  in  den  ersten  Absorptionsbottich,  von  liier  in  den  zweiten  usw. 
fort.  Aus  dem  letzten  obersten  Botlieh  entweichen  nur  mehr  indifferente  Gase  (Stickstoff, 
alm.  Luft  und  Kohlensäure),  aber  keine  Schwefligsäure.  Wasser  fließt  in  den  obersten  Bottich 
zu;  die  hier  entstehende  schwache  Lauge  fließt  durch  ein  Ueberlaufsrohr  in  den  nächst  untern 
usw.,  bis  sie  aus  dem  uptersten  Bottich  mit  der  erforderlichen  Konzentration  in  den  Laugen- 
behälter gelangt  und  von  hier  abgezogen  wird. 

Außer  diesem  Laugenbereitungsapparal  gibt  es  noch  diverse  andere    auch  solche    bei 


588  IX  D.   S  c  h  w  a  c  k  h  ö  f  e  r  ,  Forstüch-Chemische  Technologie. 

denen  anstatt  Kalkstein  Kalkmilch  in  Anwendung  kommt.  Trotz  der  mehrfachen  Uebelstände, 
welche  den  Türmen  eigen  sind,  werden  dieselben  aber  noch  am  häufigsten  verwendet. 

Die  Kocher  müssen  der  Einwirkung  der  schwefligen  Säure  widerstehen  und  einen 
Druck  von  mindestens  6  Atm.  aushalten.  Diesen  Anforderungen  entsprechen  am  besten  zylin- 
drische, eiförmige  oder  kugelförmige  Gefäße  aus  Flußeisen  oder  Stahl,  welche  im  Innern  mit 
einem  säurefesten  Material  ausgefüttert  sind.  Die  zylindrischen  Kocher  sind  liegend  oder 
stehend;  erstere  zumeist  rotierend,  letztere  feststehend.  Die  Kugelkocher  sind  immer  für 
Rotation  eingerichtet,  werden  aber  in  der  Regel  nur  für  Strohzellulose-Erzeugung  benützt. 
.Als  .Austütterung  dienen  Bleiplatten  oder  porzellanartig  gebrannte,  säurefeste  Ziegel  in  Zement 
gelegt  oder  auch   Glasziegel. 

Die  modernen  Auskleidungen  der  Kocher  werden  in  der  Regel  durch  homogene  Verbleiung 
hergestellt. 

Einen  einfachen,  leicht  auszuführenden,  billigen  und  auch  sicheren  Schutz  der  Kocher- 
wand gegen  die  schädlichen  Säuredämpfe  erzielt  Brünnger  dadurch,  daß  er,  nach  Füllung  des 
Kochers  mit  Sulfitlauge  oder  Gipslösung,  den  Kocher  von  außen  heizt.  Es  bildet  sich  so  an 
der  Kocherwandung  von  selbst  eine  undurchlässige  Kruste,  welche  jegliche  Berührung  des 
Metalls  mit  der  schwefligen  Säure  verhindert.  Nach  Baerwaldt  soll  sich  eine  Auskleidung  des 
Kochers  mit  einer  dicken  Schicht  eines  Zement-Wasserglasgemisches,  die  mit  einer  Bleiglätte- 
Kitte  gründlich  verrieben  wird,  gut  bewähren. 

Die  Sulfit-Kocher  haben  gewöhnlich  einen  Fassungsraum  von  60  bis  100  m^.  Neuerer 
Zeit  baut  man  auch  sehr  große  Kocher  mit  mehr  als  2  00  m'  Kapazität.  Große  Kocher  haben 
den  Vorteil,  daß  die  Wandfläche  im  Verhältnis  zum  Inhalt  geringer  ist,  ferner  bei  der  gleichen 
Produktionsmenge  auch  weniger  Armaturstücke  erforderlich  sind,  welche  durch  die  Säure 
stark  angegriffen  werden  und  bald  zugrunde  gehen.  Jeder  Kocher  ist  mit  einer  Füll-  und  Ent- 
leerungsöffnung versehen,  ferner  mit  den  nötigen  Armaturen:  Ventile  für  Lauge,  Dampf,  Gas- 
ausströmung, Probenahme,  Sicherheitsventil,  Manometer-Thermometer.  Die  Heizung  geschieht 
entweder  durch  direkte  Dampfeinströmung  oder  mittelst  Heizschlangen  aus  Hartblei,  Kupfer 
oder  zinkfreier  Bronze,  welche  bei  stehenden  Kochern  der  Kocherwandung  angepaßt,  bei  lie- 
genden als  ein  Heizrohrsystem  im  unteren  Teil  des  Kochers  angeordnet  sind.  Auch  Mantel- 
heizung mit  Dampf  oder  heißer  Luft  wird  angewendet. 

Der  K  o  c  h  p  r  o  z  e  ß  beim  Sulfitvcrfahren  —  im  Prinzip  überall  fast  gleich  — 
wird  in  seinen  Details  von  den  einzelnen  Fabriken,  je  nach  der  Einrichtung  der  Fabrik 
und  der  Beschaffenheit  des  Rohmateriales  verschieden  durchgeführt.  Zunächst  wird 
der  Kocher  mit  den  sortierten  Holzspänen  so  weit  gefüllt,  daß  ein  Raum  von  etwa 
40  cm  frei  bleibt.  Sodann  folgt  das  Dämpfen  bei  100"  C,  was  den  Zweck  hat,  die 
Luft  auszutreiben,  damit  die  Lauge  leichter  in  das  Holz  eindringen  kann;  ferner 
setzt  sich  auch  die  Holzfüllung  dichter  zusammen,  so  daß  eine  größere  Menge  ein- 
gebracht werden  kann.  In  französischen  Fabriken  wird  auch  überhitzter  Dampf 
für  diesen  Zweck  verwendet.  Nachdem  das  Kondenswasser  abgelaufen  ist,  wird 
Lauge  eingelassen  und  die  Heizung  so  reguliert,  daß  die  Temperatur  allmählich 
auf  128"  steigt.  Temperatur  und  Kochdauer  müssen  dem  Holzmaterial  angepaßt 
werden.  In  der  Regel  kocht  man  26—30  Stunden  bei  3  1/2—4  Atm.  oder  60  Stunden 
bei  2 1/2  Atm.  Ueberdruck.  Temperatur  und  Druck  stehen  hier  nicht  in  Relation 
wie  bei  einem  Dampfkessel,  weil  neben  dem  Dampfdruck  auch  noch  der  Gasdruck, 
herrührend  von  der  aus  der  Lauge  ausgetriebenen  schwefligen  Säure,  mitwirkt. 

Die  Sulfitlauge  löst  die  inkrustierende  Substanz,  ohne  die  Zellulose  selbst 
erheblich  anzugreifen. 

Ueber  die  beim  Kochen  des  Holzes  mit  Sulfitlauge  sich  abspielenden  chemischen  Pro- 
zesse, welche  sehr  komplizierter  Natur  sind,  ist  man  noch  im  unklaren. 

Nach  Klein  erfolgt  durch  die  Sulfitlauge  eine  Aufspaltung  der  Lignin-Zellulose-Ester, 
als  welche  ja  das  Holz  angesehen  wird,  wobei  neben  Zellulose  das  Kalksalz  der  Ligninsulfo- 
säure  (CigHijOsSCaii  oder  C4„H440i7S2Ca)  entsteht.  Klason  nimmt  das  Lignin  als  eine  glu- 
kosidartige  Verbindung  an,  welche  zum  Teil  aromatischer  Natur  ist,  zum  Teil  aber  aus  einer 
Zuckerart  oder  Zellulose  besteht.  Sie  enthält  eine  Oxypropylengruppe  CH  =  CHCH20H,  ferner 
Methoxyl,  Hydroxyl  und  Aldehyd-Gruppen.  Beim  Kochprozeß  lagert  sich  die  Säure  an  die 
doppelte  Bindung: 

=  C  =CH 

II    +H0SO3       I 
=  C  =C.S03H 

Nach  einer  anderen  Theorie  wird  jedoch  das  Lignin  unter  Bildung  aldehydartiger  Ver- 


Zellulose-  und  Holzstoff-Fabrikation.     §  2i.  589 

bindungen  zersetzt,  welche  mit  Bisulfil  wasserlösliche  Reaktionsprodukte  geben.  Als  Neben- 
produkte entstehen  Hexoscn,  Penlosen,  ferner  auch  leimiihnliclie  Substanzen,  Gips,  freier 
Schwefel  und  Schwefelsäure. 

Ein  Hindernis  bei  der  Aufschließung  ist  das  Harz.  Eine  Gewinnung  des  Terpentin- 
öles ist  beim  Sulfitverfahren  nicht  möglich,  weshalb  entweder  das  Holz  vor  der  Auf- 
schließung oder  der  Zellstoff  bei  der  Reinigung  durch  geeignete  Mittel  entharzt 
werden  muß. 

Nach  beendeter  Kochung,  was  durch  eine  Probe  der  Lauge  auf  ihren  Gehalt 
an  SO2  erkannt  wird,  wurd  das  freigewordene  Schwefligsäuregas  in  einen  sog.  Ueber- 
treibturm  oder  eine  entsprechende  Absorptionsvorrichtung  abgeblasen,  der  Kocher- 
inhalt einigemal  mit  heißem  Wasser  ausgewaschen,  um  den  größten  Teil  der  Lauge 
wegzubringen,  und  sodann  die  Rohzellulose  entleert. 

§23.  c.  Das  elektrochemische  Verfahren  (Patent  Kellner).  Wird  Koch- 
salzlösung der  Einwirkung  eines  starken  elektrischen  Stromes  ausgesetzt,  so  scheidet  sich 
an  der  Anode  das  Clilor  und  an  der  Kathode  das  Natrium  ab;  da  Wasser  zugegen  ist,  geht 
ersteres  teilweise  in  unterchlorige  Säure  und  letzteres  momentan  und  vollständig  in  Natrium- 
hydrat über.  Zur  Aufschließung  des  Holzes  verwendet  Kellner  eine  zweiteilige,  gemauerte 
und  mit  Tonplatten  ausgelegte  Zisterne,  in  der  jede  Abteilung  eine  Elektrode  enthält.  Dadurch, 
daß  man  den  Strom  von  Zeit  zu  Zeit  wechselt,  wird  das  Holz  einmal  der  Einwirkung  von  Natron- 
lauge, das  anderemal  aber  der  von  Chlor  und  unterchloriger  Säure  ausgesetzt,  auf  diese  Weise 
aufgeschlossen  und  gleichzeitig  auch  gebleicht. 

Dieses  Verfahren  —  an  sich  ausgezeichnet,  weil  es  sehr  feste  und  reine  Zellulose  liefert  — 
konnte  sich  aber  bisher  im  Großbetriebe  nicht  einführen,  da  die  Apparate  der  Zersetzungs- 
zellen, mangels  eines  geeigneten  Materials,  ständige  und  kostspielige  Reperaturen  erheischen, 
welche  die  Rentabilität  des  Verfahrens  in  Frage  stellen. 

Die  Aufschließung  mit  Sulfitlauge  ist  dermalen  noch  immer  die  rentabelste  und  wird  daher 
das  elektrochemische  N'erfahren  vorläufig  nur  zu  Bleichzwecken  benützt. 

§24.  3.  Das  Auslaugen,  Zerfasern,  Sortieren  und  even- 
tuell Bleichen  der  Roh  Zellulose,  sowie  das  Entwässern 
und  Trocknen  der  fertigen  Zellulose.  Bei  der  Natronzellulose- 
Fabrikation  handelt  es  sich  um  möglichst  vollständige  Rückgewinnung  der  ausge- 
brauchten Lauge.  Es  ist  daher  notwendig,  daß  dem  Waschen  der  Rohzellulose  eine 
Auslaugung  vorangeht.  Um  die  Lauge  dabei  nicht  zu  viel  zu  verdünnen,  muß  das 
Auslaugen  systematisch,  nach  Art  des  Batteriebetriebes,  vorgenommen  werden.  Man 
verwendet  für  diesen  Zweck  eine  Kombination  von  mehreren  (4 — 8)  Gefäßen  (eiserne 
Reservoire  oder  zementierte  Zisternen),  welche  mit  Siebböden  versehen  sind  und  durch 
Ueberlaufröhren  miteinander  kommunizieren.  Die  Rohzellulose  gleitet  aus  den 
Kochern  über  eine  rinnenförmige  Rutsche  direkt  in  die  Auslaugegefäße.  Auf  das 
jeweiüg  erste  Gefäß  läuft  Wasser  zu,  durchdringt  die  Zellulosefüllung,  fließt  durch 
den  Siebboden  ab  und  steigt  durch  das  Ueberlaufrohr  auf  das  nächstfolgende  Gefäß. 
Dieser  Vorgang  wiederholt  sich  von  Gefäß  zu  Gefäß.  Die  Lauge  nimmt  dabei 
immer  an  Konzentration  zu  und  fließt  endlich  mit  etwa  8—10"  B.  aus  dem  jeweilig 
letzten  Gefäß  der  Batterie  ab.  Ist  der  Inhalt  des  ersten  Gefäßes  (I)  ausgelaugt,  so 
wird  der  Wasserzufluß  auf  II  gestellt,  I  entleert,  von  neuem  mit  Rohzellulose  be- 
schickt und  als  letztes  Gefäß  in  den  Turnus  eingeschaltet. 

Bei  der  Sulfitzellulose-Fabrikation,  wo  man  auf  eine  Wiedergewinnung  der 
Lauge  nicht  reflektiert,  entfällt  diese  Manipulation. 

Die  Abwässer  aus  diesen  Fabriken  verursachen  nicht  selten  große  Kalamitäten, 
da  sie  in  öffentliche  Wasserläufe  nicht  ohne  weiteres  abgelassen  werden  dürfen  und 
eine  vollkommen  befriedigende  Reinigungsmethode  hierfür  nicht  existiert.  Nur  dann, 
wenn  eine  entsprechend  starke  \'erdünnung  der  Ablaugen  —  nach  Klason  eine  min- 
destens lOOOfache,  nach  Vogel  eine  öOOfache  —  im  öffentlichen  Gerinne  erfolgen 
kann,  dürfen  diese  Abwässer  demselben  direkt  zugeführt  werden. 


311   ,, 

,   325  „ 

15,5  ,, 

15  „ 

73   , 

30  „ 

235  „ 

200  „ 

102   , 

90  „ 

1  380   , 

,  1260  kg 

590  IX  D.   S  c  h  w  a  c  k  h  ö  f  e  r  ,  Forstlich-Chemische  Technologie. 

Ueber  die  Zusammensetzung  dieser  Abfallprodukte  (auf  Trockensubstanz  bezogen)  pro 
1  t  Zellstoff  gibt  Klason  folgende  Berechnung: 

Lignin  641    oder  600  kg 

Kohlehydrate 

Protein 

Harz  und  Fett 

Schweflige  Säure  (an  Lignin  gebunden) 

Aetzkalk 

Schädlich  für  die  Lebewesen  in  und  an  den  Flußläufen,  welche  solche  Abwässer  aufneh- 
men, ist  in  erster  Linie  der  Gehalt  derselben  an  schwefliger  Säure,  welche  weniger  vielleicht 
als  direktes,  denn  als  indirektes  Fischgift  zu  bezeichnen  ist.  Letzteres  aus  dem  Grunde,  weil  bei 
der  außerordentlich  rasclien  Oxydation  der  schwefligen  Säure  zu  Schwefelsäure,  infolge  der 
starken  Verdünnung,   Sauerstoffmangel  im  Wasser  eintreten  kann. 

In  zweiter  Linie  sind  es  die  Kohlehydrate  und  Proteinstoffe,  welche,  als  geeignete  Nähr- 
substrate für  Kleinlebewesen,  durch  ilire  Gärungsprodukte  die  Wasserläufe  verunreinigen  und 
namentlich  an  den  ruhigeren  Stellen  derselben  die  Fische  von  ihren  Laichplätzen  vertreiben. 

Die  Ligninstoffe  dürften  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  bei  der  Selbstreinigung  der  Flüsse 
durch  den  Sauerstoff  und  die  Lebewesen  des  Wassers  beseitigt  werden.  . 

Wo  ungenügende  Wassermengen  zur  Aufnahme  der  Abfallprodukte  vorhanden  sind, 
muß  für  eine  Unschädlichmachung  dieser  Vorsorge  getroffen  werden.  Der  Versuche  in  dieser 
Richtung  gibt  es  zahllose.  Die  Fällung  der  schwefligen  Säure  mit  Kalkmilch  zu  Monosulfit 
und  die  Verwendung  der  über  dem  Niederschlag  sich  ergebenden  Flüssigkeit  zur  Berieselung 
von  Feldern  und  Wiesen  hat  keine  befriedigenden  Resultate  ergeben.  Durch  Eindampfen  die 
Ablauge  in  einen  festen  Rückstand  überzuführen,  der  als  Heizmaterial  dienen  soll,  ist  zu  kost- 
spielig. Alle  übrigen  Verwendungsarten  der  Ablaugen:  zu  Gerbzwecken,  zur  Erzeugung  von 
Oxalsäure,  eines  Dextrin-Surrogates  (Dextron  genannt),  eines  Bindemittels  (Zellpech)  für 
pulverige  Substanzen  bei  deren  Formung  und  Brikettierung,  als  Heilmittel  für  Lungenkranke 
(als  Lignosulfit  in  fester  Form)  usw.  sind  von  untergeordneter  Bedeutung. 

In  neuester  Zeit  sollen  Versuche,  die  Sulfitablauge —  nach  Neutralisation  der  Säure  bis 
zu  dem  für  die  Hefe  günstigen  Säuregrad  —  vergären  zu  lassen  und  so  zur  Spiritusgewinnung 
heranzuziehen,  von  Erfolg  gewesen  sein.  .\us  100  hl  Lauge  sollen  60  Liter  absoluter  Alkohol 
gewonnen  werden  können. 

Mit  Rücksicht  auf  die  Schwierigkeit  der  Beseitigung  der  Abfallprodukte  einer  Sulfit- 
stoff-Fabrik nuiß  daher  schon  vor  deren  Errichtung  besonderes  Augenmerk  auf  diesen  Um- 
stand gerichtet  werden.  Die  Menge  der  Abwässer  solcher  Fabriken  ist  eine  sehr  bedeutende. 
Von  einem  Kocher  mittlerer  Größe  resultieren  etwa  60  cm^  Ablauge,  welche  beiläufig  5000  kg 
organische  Substanz  und  3000  kg  Kalksalze  enthalten. 

Die  Rohzellulose,  wie  sie  aus  dem  Kocher,  oder  beim  Natronverfahren  aus  den 
Auslaugekästen  kommt,  besteht  der  Hauptmenge  nach  aus  Faserbündeln,  welche 
zerteilt  werden  müssen.  Zu  diesem  Zwecke  benützte  man  früher  fast  ausschließlich 
die  sogen.  Holländer,  wo  durch  eine  rasch  rotierende  Trommel  mit  Grundwerk, 
welche  beide  mit  schräggestellten  Messerschienen  besetzt  sind,  das  Zerfasern  der 
im  Wasser  verteilten  breiartigen  Zellulosemasse  erfolgt.  Diese  Einrichtung  hat  aber 
den  Nachteil,  daß  die  Faser  dadurch  stark  beschädigt  wird.  Gegenwärtig  benützt 
man  schwach  konisch  geformte  Trommeln  mit  durchgehender  Welle,  welche  mit 
quirlartig  gestellten  Fingern  besetzt  ist.  Durch  die  Reibung  trennen  sich  die  Faser- 
bündel, während  die  unaufgeschlossenen  harten  Teile,  die  sogen.  Knorren  unzer- 
kleinert  bleiben.  Aus  dem  Zerfaserer  gelangt  die  dünnbreiige  Zellulosemasse  in  eine 
zweite  Trommel,  deren  Mantel  aus  Holz-  oder  Hartgummistäben  hergestellt  ist.  Das 
feinfaserige  Material  geht  durch  die  Schlitzöffnungen  des  Trommelmantels  und  wird 
vom  Wasser  weiter  geschwemmt,  während  die  Splitter  und  Knorren  am  vorderen 
Ende  der  etwas  schräg  liegenden  Trommel  herausfallen.  Der  so  sortierte  Stoff  passiert 
dann  noch  eine  10 — 20  m  lange  Rinne,  den  sog.  Sandfang,  wo  sich  die  spez.  schwe- 
reren Beimengungen,  Sand  u.  dgl.,  abscheiden.  Aus  dem  Sandfang  fließt  der  Stoff 
in  eine  Rührbütte  und  wird  von  hier  mittelst  Schöpfrädern  auf  die  Entwässerungs- 
maschine gehoben.  Als  solche  dienen  Rund-  und  Langsiebe.  Das  Wasser  fließt  durch 
die  feinmaschigen  Siebe  ab,  während  der  Stoff  darauf  zurückbleibt.    Die  weitere 


Zellulose-  und   Holzstoff-Fabrikation.     §  25.  59J 

Trocknung  geschieht  auf  laugsam   rotierenden  gußeisernen  Zylindern,  welche  mit 

Dampf  geheizt  werden.    Es  resultiert  dabei  Rollenpapier,  welches  die  gewöhnliche 

Ilandelsform  für  Zellulose  ist. 

Zellulose  wird  in  der  Regel  im  ungoljleichlen  Zustande  an  die  Papierfabriken  geliefert, 
welche  die  Bleicluing  selbst  nach  Bedarf  vornehmen.  Für  gewisse  Verwendungen  speziell 
als  Fillermaterial,  wird  aber  gebleichte  Ware  verlangt.  Zum  Bleichen  benutzt  man  fast  aus- 
schließlich einen  klaren,  wässerigen  Auszug  von  Chlorkalk,  dessen  wirksamer  Bestandteil 
das  Calciumhypochlorit  CaCUOa  ist.  Sulfitzellulose  bleicht  sich  am  leichtesten  und  genügen 
hierzu  etwa  8"„  Chlor.  Sulfatzellulose  erfordert  10 — 12  und  Sodazellulose  18 — 22%  Chlor. 
Diese  Zahlen  beziehen  sich  auf  trockene  Zellulose.  Durch  die  Bleiche  verliert  die  Faser  an 
Festigkeit  und  Elastizität;  es  darf  daher  nicht  mehr 'gebleicht  werden,  als  unbedingt  notwen- 
dig ist. 

§25.  4.  Ausbeute,  Beschaffenheit  und  Verwendung  der 
Zellulose.  Die  Ausbeute  an  Zellulose  ist  bei  den  verschiedenen  Holzarten,  auf 
das  Gewicht  bezogen,  ziemlich  gleich.  Im  allgemeinen  geben  die  Nadelhölzer  etwas 
höhere  Ausbeuten.  Der  Hauptunterschied  liegt  im  Putzverlust  und  in  der  Art  der 
Aufschließung. 

Von  100  kg  lufttrockenem  Holze  werden  durchschnittlich  beim  Natronverfahren 
28 — 34  kg  und  beim  Sulfitverfahren  45 — 52  kg  ungebleichte,  lufttrockene  Zellulose 
gewonnen.  Auf  ein  Festmeter  reines,  geschältes,  astfreies  Scheitholz  bezogen,  kann 
man  beim  Sulfitverfahren  200 — 210  kg  lufttrockener  Zellulose  rechnen. 

Hinsichtlich  der  Festigkeit  der  Faser  ist  die  Natronzellulose  mit  der  Baumwolle 
und  die  Sulfitzeilulose  mit  der  Leinen-  oder  Hanffaser  zu  vergleichen.  Nichtsdesto- 
weniger besitzt  aber  das  Zellulosepapier  doch  eine  geringere  Festigkeit  als  das  Hadern- 
papier. Natronzellulose  ist  in  chemischer  Hinsicht  reiner  als  die  Sulfitzellulose,  da 
das  Natronhydrat  die  inkrustierenden  Substanzen  vollkommener  in  Lösung  bringt, 
als  dies  beim  Sulfit  der  Fall  ist.  Auch  ist  die  Sulfitzellulose  in  der  Regel  aschenreicher, 
indem  das  beim  Kochprozeß  ausfallende  Calciummonosulfit  beim  Waschen  der 
Rohzellulose  nicht  vollkommen  entfernt  wird. 

Natronzellulose  ist  weicher  und  geschmeidiger  als  Sulfitzellulose. 

Die  Zellulose  soll  frei  sein  von  Knotenfaserbündeln  und  sonstigen  Beimengun- 
gen; namentlich  schädigen  bleichunfähige  \'erunreinigungen,  wie:  Rindenfragmente, 
braune  Faserbündel  von  den  Astansätzen,  erdige  Teile,  Abschürfungen  von  den 
Treibriemen  und  dergl.  das  Produkt  in  hohem  Grade. 

Die  Hauptverwendung  findet  die  Zellulose  in  der  Papierfabrikation  und  nur 
verhältnismäßig  geringe  Quantitäten  dienen  dermalen  für  andere  Zwecke,  jedoch 
werden  vielfach  Anstrengungen  gemacht,  ein  weiteres  Verwendungsgebiet  zu  gewinnen. 

So  sind  z.  B.  erst  in  den  letzten  Jahren  durch  eine  Anzahl  Patente  Verfahren  geschützt 
worden,  welche  die  Herstellung  von  Garnen  (Sylvalin,  Xylolin  etc.)  aus  Zellstoff  bezwecken, 
einen  billigen  Ersatz  für  Baumwolle-  und  Flachs-Garne.  .\uch  zur  Erzeugung  von  Filz,  Watte 
und  Badeschwämmen  wird  Zellulose  verwendet. 

Unter  dem  Namen  ,,Pergamyn"  ist  ein  Surrogat  für  Pergamentpapier  in  dem  Handel, 
welches  durch  andauerndes  Jfahlen  von  Sulfitzellstoff  in  Holländern  mit  stumpfen  Messern 
zu  einer  schleimigen  Jlasse  (Hy-dratzellulose),  welche  dann  bei  der  Papierbereitung  die  unzer- 
kleinerten  Fasern  einhüllt,  erhalten  wird.  Wird  dieses  Zermahlen  des  Zellstoffes  bis  zur  Bildung 
eines  gleichmäßigen,  faserfreien  Breies  fortgesetzt  und  der  Brei  durch  freiwilliges  Verdunsten 
des  Wassers  oder  Erwärmen  auf  iO"  C.  trocknen  gelassen,  so  resultiert  schließlich  eine  feste, 
hornartige  Masse,  ,,Zellulith",  welche  sich  wie  Hörn,  Ebonit  u.  dgl.  bearbeiten  und  verwen- 
den läßt. 

Nicht  unbeträchtlich  ist  der  Absatz  an  Zellulose  als  Filtermaterial.  Für  diese 
Art  der  Verwendung  wird  die  Zellulose  in  Platten  von  etwa  50  cm  im  Geviert  und 
5  cm  Dicke  gepreßt,  um  ein  bestimmtes  Maß  für  die  Filterfüllung  zu  haben.  Diese 
Platten  werden  bei  ihrer  Verwendung  in  Stücke  gebrochen,  in  Wasser  aufgeschlämmt 
und  der  so  entstehende  Faserbrei  in  das  Filter  eingefüllt.    Fast  alle  Bierbrauereien 


592  IX  D.   S  c  h  w  a  c  k  h  ö  f  e  r  ,  Forstlich-Chemische  Technologie. 

und  Weinkellereien  benützen  solche  Zellulose-Filter.  Auch  in  mehreren  anderen 
Gewerben,  wo  es  sich  darum  handelt,  Flüssigkeiten  zu  klären,  wird  Zellstoff  als 
Filtermaterial  verwendet. 

Von  diversen  Umwandlungsprodukten  der  Zellulose  wie:  Schießbaumwolle, 
Zelluloid,  Kunstseide  u.  a.  war  bereits  auf  Seite  555  und  556  die  Rede. 

Im  Anschlüsse  an  diese  Ausführungen  über  die  Gewinnung  und  Verwendung  der  Zellulose 
aus  Holz  sei  hier  eine  höchst  interessante  Zusammenstellung  über  die  Wertsteigerung  des 
Holzes  durch  seine  \erarbeitung  zu  Zellulose  und  weiterhin  zu  Kunstseide  angeführt,  welche 
Dr.  O.  N.  Witt  in  seinem  \'ortrage  ,,Die  künstlichen  Seiden"  1909,  nach  .\ngaben  Dr.  M.  Müllers, 
veröffentlicht: 

1.  1  Rm.   Holz   =  400  bis  500  kg,  kostet  im  Walde  Mk.     3 

2.  1     ,,      als  B  r  e  n  n  h  0  1  z  ,,6 

3.  1    „      auf  ca.  150  kg   Z  e  1 1  s  t  o  f  f  verarbeitet  (100  kg   Zell- 

stoff   =  15 — 20  Mk.)  „  30 

i.     1     ,,      zu  Zellstoff  u.  weiter  zu  Papier  verarbeitet  „  40 — 50 

5.  1     ,,        „  „  ,,        „         ,,     G  a  r  n  „  „  50 — 100 

6.  1     ,,        ,,  „  „       ,,        ,,    künsll.   Roßhaar        ,,  ,,  1500 

7.  1    ,,       „         ,,  ,,       „        „Kunstseide  „  „  3000 

8.  1    ,,       „         ,,  ,,       „        „    Acetatseide  „  „  5000 

§  26.  H  o  1  z  s  t  o  f  f  g  e  w  i  n  n  u  n  g.  Unter  Holzstoff  oder  Holzschliff  versteht 
man  fein  zerfasertes  Holz.  Das  Produkt  besitzt  dieselbe  Farbe  wie  das  angewandte 
Holz  und  da  es  nicht  bleichfähig  ist,  so  ist  zur  Herstellung  eines  lichten  Stoffes  hell- 
farbiges Holz  erforderlich. 

Das  hauptsächlichste  Material  für  den  Holzstoff  bildet  die  Fichte,  weniger 
häufig  wird  die  Tanne  verwendet.  Diese  beiden  liefern  hellgelben  Stoff  von  ziem- 
lich langer  Faser.  Die  Föhre  schleift  sich  des  großen  Harzgehaltes  wegen  schwierig, 
gibt  zwar  eine  feine,  aber  nur  kurze  Faser  von  rötlich  gelber  Farbe.  Die  Lärche  gibt 
eine  gröbere,  kurze  Faser  von  rötlicher  Farbe.  Föhren-  und  Tannenstoff  dunkeln 
beim  Liegen  stark  nach  und  werden  matt.  Unter  den  Laubhölzern  nimmt  die  Linde 
den  ersten  Rang  ein;  sie  läßt  sich  am  leichtesten  schleifen,  gibt  die  größte  Ausbeute, 
liefert  einen  feinen  Stoff,  welcher  aber  beim  Liegen  stark  nachdunkelt  und  eine 
schmutziggraue  Farbe  annimmt.  Aspe  und  Pappel  schleifen  sich  ebenfalls  leicht  und 
geben  einen  sehr  weißen  Stoff,  welcher  nicht  nachdunkelt.  Weißbuche  und  Ahorn 
sind  schwer  zu  schleifen  und  geben  daher  nur  eine  geringe  Ausbeute.  Die  Faser  ist 
hellfarbig  und  fein.    Alle  Laubhölzer  liefern  nur  kurzfaserigen  Stoff. 

Bezüglich  der  Vorbereitung  des  Rohmaterials  (Entrinden,  Spalten  und  Putzen) 
gilt  das  bei  der  Zellulose-Fabrikation  bereits  Erwähnte. 

Das  Holz  wird  mittelst  Kreis-  oder  sog.  Blocksägen  in  Klötze  von  35 — 50  cm 
Länge  und  gewöhnlicher  Spaltholzdicke  zugerichtet.  Das  Zerfasern  geschieht  auf 
Schleifsteinen,  sog.  Defibreurs,  mit  oder  auch  ohne  Wasserzulauf.  Die  Schleifsteine 
müssen  aus  feinkörnigem,  harten  Sandstein  hergestellt  und  der  ganzen  Masse  hin- 
durch gleichartig  sein.  Ungleich  harte  Stellen  bedingen  eine  ungleiche  Abnutzung 
der  Schleiffläche. 

Die  Steine  haben  einen  Durchmesser  von  100 — 150  cm  und  eine  Dicke  von 
etwa  50  cm.  Sie  rotieren  entweder  in  horizontaler,  gewöhnlich  aber  in  vertikaler 
Fiichtung,  mit  einer  Umfangsgeschwindigkeit  von  ungefähr  700  m  pro  Minute.  In 
der  Regel  wird  auf  der  Mantelfläche,  hier  und  da  aber  auch  auf  der  Scheibenfläche 
geschliffen. 

Anstatt  die  Steine  aus  einem  Stück  herzustellen,  werden  dieselben  auch  aus  mehreren 
Segmenten  zusammengesetzt,  was  den  Vorteil  hat,  daß  Fehler  und  Hohlräume  im  Inneren 
des  Steines  leichter  entdeckt  und  beseitigt  werden  können.  Statt  der  gewöhnlichen  Scheiben- 
form werden  mitunter  auch  kegelförmige  Schleifsteine  benützt. 


Zellulose-  und  Holzstoff-Fabnkalion.     §  26.  593 

In  diesen  Schleifmaschinen  wird  das  zu  schleifende  Holz  in  Einlagkästen, 
5 — 8  an  der  Zahl,  mittelst  Druckvorrichtungen  gegen  den  rasch  rotierenden  Stein 
gepreßt  und  unter  Wasserzulauf  zerfasert.  Die  Andrückung  des  Holzes  erfolgt  ent- 
weder mittelst  einer  Gewichtsbelastung  durch  Ketten-  oder  Seilübertragung,  oder 
durch  ein  von  der  Maschine  selbst  betätigtes  Zahnstangengetriebe,  oder  bei  den  neu- 
sten Konstruktionen  durch  hydraulischen  Druck.  In  jedem  Falle  muß  sie  eine 
gleichmäßige  und  kontinuierliche  sein. 

Das  Schleifen  erfolgt  entweder  parallel  oder  senkrecht  oder  aber  schief  zur 
Faserrichtung  des  Holzes,  und  darnach  unterscheidet  man:  Längsschliff,  Querschliff 
und  Diagonalschliff;  der  gebräuchlichste  ist  der  Längsschliff.  Der  Kraftaufwand  ist 
ein  beträchtlicher;  für  je  100  kg  lufttrockenen  Holzschliff  in  24  Stunden  sind  etwa 
6  PS.  erforderlich. 

Der  von  den  Schleifmaschinen  abfließende  Faserbrei  passiert  zunächst  einen 
Splitterfänger,  um  die  gröberen  Teile  zurückzuhalten  und  gelangt  sodann  auf  die 
Schüttelsiebe.  Dieselben  sind  aus  gelochtem  Kupferblech  hergestellt,  haben  eine 
schwache  Neigung  und  werden  durch  eine  Kurbelwelle  in  sehr  rasche  Oszillation 
versetzt.  Gewöhnlich  sind  zwei,  mitunter  auch  drei  Siebe  von  verschieden  feiner 
Lochung  übereinander  angebracht.  Der  Faserbrei  fließt  aus  einer  Verteilungsrinne 
auf  das  obere  Sieb,  geht  durch  dasselbe  auf  das  nächst  untere  und  durch  das  unterste 
in  einen  Sammeltrichter,  welcher  den  nunmehr  sortierten  Stoff  auf  die  Pappen- 
maschine bringt.  Die  gröberen  Fasern,  welche  am  vorderen,  tiefer  liegenden  Ende 
der  Rüttelsiebe  ausgeworfen  werden,  gelangen  in  eine  rinnenförmige  Rührbütte  und 
werden  von  hier  mit  einer  Pumpe  auf  den  Raffineur  gehoben.  Derselbe  ist  nach  Art 
eines  Mahlganges  konstruiert,  zerreibt  die  gröberen  Teile,  welche  sodann  im  zerklei- 
nerten Zustande  auf  die  Schüttelsiebe  geleitet  werden. 

.\ußer  den  Schüttelsieben  worden  mitunter  auch  Zylindersiebe  oder  aber  rotierende 
Flachsiebe  verwendet,  bei  denen  durch  die  Fliehkraft  die  Sortierung  erlolgt.  Endlich  gibt 
es  auch  Apparate,  in  welchen  die  Trennung  der  feinen  Fasern  von  den  gröberen  Beimengungen 
durch  die  verschiedene  Schwere  geschieht. 

In  den  Pappenmaschinen  wird  der  sortierte  Stoff  auf  ein  feinmaschiges  Draht- 
sieb geleitet,  durch  welches  das  Wasser  abläuft,  während  die  Fasern  auf  der  Sieb- 
fläche zurückbleiben.  Der  auf  solche  Art  gewonnene  Holzstoff  enthält  80 — 90% 
Wasser  und  kann  nur  an  Ort  und  Stelle  verwendet  werden.  Für  die  Versendung 
oder  längere  Aufbewahrung  ist  er  ungeeignet.  Zu  diesem  Zwecke  muß  er  mindestens 
durch  Druck  so  weit  entwässert  werden,  daß  sein  Trockengehalt  etwa  50  %  beträgt. 
Eine  weitergehende  Trocknung  ist  nur  unter  Anwendung  von  Wärme  möglich. 

Bei  der  Lagerung  des  Holzstoffes,  der  infolge  seines  relativ  hohen  Wassergehaltes 
einen  guten  Nährboden  für  Schimmelpilze  abgibt,  muß  man  Sorge  dafür  tragen,  daß 
entweder  die  Luft  keinen  Zutritt  hat  oder  eine  kräftige  Ventilation  im  Lagerraum 
statthaben  kann;  am  gefährlichsten  ist  stagnierende  Luft.  Auch  die  Anwendung 
verschiedener  Immunisierungsmittel  chemischer  Natur  wurde  in  Vorschlag  gebracht. 

Der  Holzstoff  kommt  in  der  bekannten  Form  der  ,, Pappe"  oder  in  geringerer 
Stärke  in  Rollen  oder  endlich  als  sog.  Schabstoff,  lose  in  Säcken,  mitunter  auch 
zu  Rollen  geformt,  in  den  Handel. 

Der  Holzschliff  hat  eine  unansehnliche  Farbe,  ist  —  wie  schon  erwähnt  — 
bleichunfahig  und  besitzt  eine  kurze,  steife  Faser,  welche  sich  schlecht  verfilzt.  Er 
ist  daher  nur  für  die  Erzeugung  von  Pappe  oder  ordinären  Papiersorten  geeignet. 

Das  Schleifen  des  Holzes  wird  wesentlich  erleichtert,  wenn  ein  Dämpfen  vor- 
angeht.  Das  unter  einem  Druck  von  4 — ö  Atm.,  in  gußeisernen  Kesseln  8 — 14  Stun- 

Handb.  d.  Forslwiss.    3.  Aufl.    II.  38 


594  IX  D.   S  c  li  w  a  c  k  h  ö  f  e  r  ,    Forstlich-Chemische  Technologie. 

den  lang,  gedämpfte  Holz  schleift  sich  leicht,  gibt  eine  längere,  geschmeidigere  und 
leichter  verfilzbare  Faser.  Durch  das  Dämpfen  wird  aber  das  Holz  dunkler  und  ist 
daher  dieses  Verfahren  nur  zur  Herstellung  von  braunem  Stoffe  (,,Braun- 
s  c  h  1  i  f  f")  verwendbar.  Noch  leichter  gelingt  das  Schleifen,  wenn  man  das  Holz 
abwechselnd  dem  Dampfdruck  allein  und  sodann  dem  unter  Dampfdruck  stehenden 
Wasser  aussetzt.  Der  Braunschliff  hat  in  den  letzten  Jahren  eine  sehr  starke  Ver- 
breitung gefunden,  da  er  fast  ausschließlich  das  Material  für  die  braunen  Packpapier- 
Sorten,  Kartons  etc.  bildet. 

Bemerkenswert  ist  noch  der  sog.  Heißschliff,  welcher  in  Amerika  so 
gut  wie  allgemein  ausgeführt  wird  und  darin  besteht,  daß  man  während  des  Schlei- 
fens  das  Holz  mit  starkem  Druck  gegen  den  Stein  preßt  und  nur  wenig  oder  gar  kein 
Wasser  zulaufen  läßt,  wodurch  eine  bedeutende  Erwärmung  hervorgerufen  wird. 

Die  Vorteile  dieses  Heißschliffes  gegenüber  dem  bei  uns  gebräuchlicheren  Kaltschliff 
mit  starkem  Wasserzulauf  sind:  größere  Leistungsfähigkeil  der  Schleifmaschinen,  geringerer 
Kraftvorbrauch  (pro  100  kg  lufttrockenem  Stoff  in  24  Stunden  .3 — i  PS.  statt  6)  und  eine  gründ- 
lichere Zerfaserung  und  Zerquetschung  des  Holzes,  wodurch  ein  feiner,  fast  splitterfreier,  ge- 
schmeidiger und  sehr  griffiger  Stoff  erzielt  wird,  der  ohne  Schwierigkeit  sich  als  solcher  zu 
dickeren  Pappen  verarbeiten  läßt. 

Aus  bescheidenen  Anfängen  hervorgegangen,  hat  die  Holzstoffindustrie,  seit 
ihrer  Erfindung  durch  Keller  im  Jahre  1840,  ebenso  wie  die  Zellstoffindustrie,  einen 
kolossalen  Aufschwung  genommen,  namentlich  als  man,  durch  verschiedene  Verhält- 
nisse gezwungen,  daran  ging,  den  Holzschleifereien  auch  Papierfabriken  anzugliedern, 
natürlich  nicht  zur  Erzeugung  feiner,  sondern  billiger  Massen-Papiere  (Zeitungs-, 
Affichen-  etc.  Papiere).  Während  ursprünglich  ausschließlich  und  auch  heute  noch 
für  kleinere  Unternehmungen  Wasserkräfte  zum  Betrieb  von  Holzschleifereien  aus- 
genützt wurden,  findet  sich  in  der  neueren  Zeit  bereits  eine  stattliche  Zahl  von  Holz- 
stoff-Fabriken, welche  nur  mit  Dampfkraft  gewaltige  Mengen  von  Holzschliff  rentabel 
produzieren. 

IV.   Trockene  Destillation  des  Holzes. 

(Holzverkohlung,  Teergewinnung,  Holzessig-  und  Holzgeist-Erzeugung.) 

§  27.  Allgemeines.  Wird  Holz  unter  Luftabschluß  oder  bei  beschränktem 
Luftzutritt  erhitzt,  so  entweicht  bis  zu  100"  C.  nur  das  hygroskopische  Wasser, 
die  Holztrockensubstanz  aber  bleibt  bis  ungefähr  150"  C.  unverändert.  Erst  über 
diese  Temperaturgrenze  hinaus  beginnt  eine  Zersetzung  des  Holzes,  wobei  Gase, 
kondensierbare  Destillate  und  ein  fester  Rückstand  entstehen,  welche  in  ihrer  Menge 
und  Zusammensetzung  verschieden  sind,  je  nachdem  ob  sie  unter  völligem  Luft- 
abschluß oder  bei  beschränktem  Luftzutritt  gebildet  wurden. 

Bei  der  trockenen  Destillation  des  Holzes  lassen  sich  im  allgemeinen  drei  Perioden  unter- 
scheiden: 

In  der  ersten  Periode  (zwischen  150  und  260°  C.)  bildet  sich  jiauptsächlich  wässeriges 
Destillat.  Der  wesentlichste  Bestandteil  desselben  ist  Wasser.  In  geringerer  Menge  sind  darin 
enthalten:  Essigsäure  (CaHjO,),  Holzgeist  (CH^O),  Aceton  (CjHeO),  Furfurol,  Methylamin  etc. 
Verdichtbare  Kohlenwasserstoffe  (Teer)  und  nicht  kondensierbare  Gase  treten  nur  in  beschränk- 
tem Maße  auf.  Die  Gesamtmenge  der  flüchtigen  Stoffe  beträgt  rund  60%  vom  Gewichte  der 
Holztrockensubslanz.  Der  Rückstand  (10%)  hat  eine  braune  Farbe  und  kann  als  Röstholz 
angesprochen  werden.    Der  Köhler  bezeichnet  diese  halbverkohllen  Stücke  als  ,, Brände". 

In  der  zweiten  Periode  (zwischen  260  und  3.30"  C.)  bildet  sicli  zwar  auch  noch  wässeriges 
Destillat,  jedoch  in  geringerer  Menge;  dafür  treten  hauptsächlich  Kohlenwasserstoffe:  Methan 
(Sumpfgas  CH4),  Aetylen  (CoHj),  .'\cetylen  (CjH,)  etc.,  ferner  Kohlenoxyd  (CO)  und  Kohlen- 
sä\irc  (CO2)  auf.  Die  geringe  Menge  Stickstoff,  welche  im  Holz  enthalten  ist,  verbindet  sicIi 
mit  dem  Wasserstoff  zu  Ammoniak  (H3N)  und  teils  mit  Kohlenwasserstoff  zu  Methylamin 
(CHjN).    Der  Gesamtverlust  durch   Entweichen  der  flüclitigen   Bestandteile  steigt  auf  70%,. 


Trockene  Destillation  des  Holzes. 


595 


so  dali  der  Rückstand,  welcher  als  H  o  t  k  o  h  1  e  bezeichnet  wird,  jetzt  etwa  noch  30%  vom 
Holzgewicht  ausmacht. 

In  der  dritten  Periode  (von  330 — 430»  C.)  geht  vornehmlicli  die  Teerbildung  vor  sich. 
Der  Teer  scheidet  sich  als  dimkelbraune,  dickflüssige  Masse  ab  und  sinkt  zum  größten  Teil 
im  wässerigen  Destillat  unter.  Seine  Hauptbestandteile  sind:  Paraffin,  Kresolc,  Karbolsäure, 
Benzol,  Toluol  etc.  Als  Gase  treten  fast  nur  .Methan  und  Wasserstoff  auf.  Der  Rückstand 
hat  eine  schwarze  Farbe,  ,,S  c  h  w  a  r  z  k  o  h  1  e",  und  beträgt  etwa  20%  vom  Holzgewicht. 
Bei  fortgesetzter  Steigerung  der  Temperatur  findet  zwar  noch  eine  weitergehende  Zersetzung 
statt,  die  aber  insofern  oluie  wesentlichen  Belang  ist,  da  in  der  Praxis  so  hohe  Temperaturen 
nicht  in  .\nwendung  kommen.  Der  gewöhnliche  N'erkohlungsvorgang  ist  bei  etwa  400 — 450»  C. 
als  abgeschlossen  zu  betrachten. 

Nach  den  Untersuchungen  von  Klason,  v.  Heidenstam  und  "Norlin  i)  läßt  sich  der  bei 
dieser   Temperatur  verlaufene   üestillationsprozeß   nach   folgender    Gleichung   darstellen: 


Holz 


-28H20+5C02-f3CO+C2sH3209 


Holzkohle 


Uebrige    Produkte:    Holzessig-|-Teer-(-Gase 

Der  Prozeß  ist  ein  exothermischer  Reaktionsvorgang,  also  einer,  bei  dem  Wärme  frei 
wird  (etwa  6°o  von  der  Verbrennungswärme  des  Holzes)  und  bei  dem  die  Zellulose  keinen 
.Methylalkohol  liefert,  dieser  somit  aus  dem  Lignin  gebildet  werden  muß. 

.\us  den  Untersuchungen  von  Violette  über  die  Vorgänge  bei  der  Verkohlung  des  Faul- 
baumholzes (Rhamnus  frangula)  ergaben  sich  folgende  Zahlen: 


Tempera- 
tursteige- 
rung bis 
»  Gels. 

Von  100  Gewichtsteilen 
Holztrockensubstanz  wer- 
den erhalten : 

In  100  Gewichtsteilen  des 
Rückstandes  sind  enthalten : 

Destiilations- 
produkte 

Rückstände 

Koh- 
len- 
stoff 

W^as- 
ser- 
stotf 

Sauer-    ,     , 
Stoff     A^=^« 

Trockenes  Holz 
Röstholz 
Rotkohle 
Schwarzkohle 

150 

260 
330 
432 

60 
68 

81 

100 
40 
32 
19 

47,5  ■ 
67,9 
73,6 
81,6 

6,1 
5,0 
4,6 
2,0 

0,1 
0,6 
0,5 
1,2 

46,3 
26,5 
21,3 
15,2 

von  etwa 

Sehr  harte  Schwarzkohle 

1000 
bis  über 

— 

— 

82,0 

2,3 

1,6 

14,1 

1500 

85 

15 

96,5 

0,6 

2,0 

0,9 

Eine  vollkommene  Entgasung  ist  bei  den  erreichbaren  Temperaturen  nicht  möglich. 
Ein  kleiner  Teil  von  Wasserstoff  und  Sauerstoff  verbleibt  immer  noch  im  Kohlenrückstande. 

V  e  r  k  o  h  I  u  n  g  s  -  M  e  t  h  o  d  e  n.  Im  wesentlichen  kann  man  zwei  Haupt- 
arten der  Verkohlung  unterscheiden:  1)  die  Verkohlung  bei  beschränktem  Luft- 
zutritt in  Meilern,  Gruben  oder  Oefen  mit  direkter  Feuerung  und  2)  die  Verkohlung 
unter  vollständigem  Luftabschluß  in  Oefen  mit  indirekter  Feuerung,  Retorten 
oder  Kesseln. 

Denz  -)  unterscheidet  schart  zwischen  diesen  beiden  Methoden  als  der  eigentlichen 
,,Holzverkohlung"  und  der  ,, trockenen  Destillation  des  Holzes",  welch  letztere  soeben  auf  Grund 
genauer  Untersuchungen  charakterisiert  wurde.  Bei  der  ,,Holzverkohlung"  bedarf  es,  nach 
Denz,  bloß  einer  entsprechend  hohen  Inilialtemperatur  im  Meiler  —  über  400»  C.  durch  die 
.\nfeuerung  erzielt  —  damit  der  Schwel-  oder  Verkohlungsprozeß  in  Gang  gebracht  wird, 
sich  aber  dann  von  selbst  erhält,  also  nahezu  rein  exothermisch  verläuft. 

.Mit  weit  geringeren  Temperaturen,  als  solche  bei  der  trockenen  Destillation  erforderlich 
sind,  findet  Denz  das  .\uslaugen  bei  der  Meilerverkohlung,  da  Temperaturmessungen  im  Meiler 
ergeben  haben,  daß  unter  240»  G.  die  Holzverkohlung  zwar  noch  nicht  vor  sich  geht,  dieselbe 
aber  zwischen  240  und  230»  C.  regelrecht  verläuft.  Bei  einer  Temperatur  von  290"  C.  wird  schon 
Kohle  minderer  Qualität  und  Quantität  gebildet. 

Darnach  würde  also  der  Xerkohlungsprozeß  im  Meiler  nicht,  wie  bisher  allgemein  an- 


1)  Klar,  Technologie  der   Holzverkohlung,   Berlin   1910. 

2)  Denz,  Die  Holzverkohlung  und  der  Köhlereibetrieb,  Wien  1910. 


38^ 


596  IX  D.   S  c  li  w  a  c  k  h  ö  f  c  r  ,  Forstlich-Chemische  Technologie. 

genommen,  durch  die  unvollständige  Verbrennung  eines  Teiles  des  Kolilungsmateriales,  sondern 
durch  die  Reaktionswärme  erhalten  werden  und  müßte  somit  verlustlos  verlaufen. 

Durch  den  in  jedem  Meiler  herrschenden  Zug  wird  aber  so  viel  Sauerstoff  mit  der 
atmosphärischen  Luft  zugeführt,  daß  eine,  wenn  aucli  nur  unvollständige,  Verbrennung  eines 
geringen  Teiles  der  Kohlungsmaterie  nicht  hintanzuhalten  ist  und  somit  Wärmeentwicklung, 
infolge  unvollständiger  Verbrennung,  stattfinden  muß.  Ob  und  in  welchem  Maße  nun  diese 
die  trockene  Destillation  unterhält  oder  auch  nur  fördert,  mag  dahingestellt  sein,  insolange 
als  Untersuchungen  in  dieser  Richtung  fehlen. 

Jedenfalls  aber  bedingt  diese  Verbrennung  einen  Holzverlust  und  je  mehr  man  sie  zurück- 
drängt, desto  höher  wird  die  Ausbeute  an  Holzkohle  und  kondensierbaren  Dcstillationsproduklen. 
Bei  der  Verkohlung  in  geschlossenen  Gefäßen  sind  Verluste  zwar  auch  nicht  zu  vermeiden, 
sie  sind  aber  hier  anderer  Art.  Alle  Wärme,  welche  zur  Erhaltung  des  \'erkohlungsprozesses 
notwendig  ist,  wird  dem  Holze  von  außen  zugeführt.  Der  Wärmebedarf  ist  in  diesem  Falle 
sogar  noch  ein  erheblich  größerer,  weil  die  Gefäßwände  und  das  Mauerwerk  mitgeheizt  werden 
müssen  und  die  Feuergase  mit  hoher  Temperatur  aus  dem  Feuerraum  abziehen.  Man  hat 
nur  den  Vorteil,  daß  zur  Feuerung  auch  geringwertige  Materialien  (Torf,  Braunkohle,  Holz- 
abfälle und  die  Gase  von  der  Verkohlung)  angewendet  werden  können,  und  daß  mehr  Deslil- 
lationsprodukte  aus  dem  Holze  resultieren.  Als  Nachteil  ist  dagegen  hervorzuheben,  daß  für 
diese  Art  der  \'erkohlung  eine  komplette  Fabrikanlage  notwendig  ist,  während  die  Meiler- 
köhlerei mit  den  primitivsten  Mitteln  im  Walde  selbst  oder  an  irgend  einem  anderen  Orte, 
wo  das  Holz  leicht  zuzubringen  ist,  betrieben  werden  kann. 

a)  Holzverkohlung. 
I.  Die  Meilerköhlerei. 

§  28.  Begriff.  Unter  einem  Meiler  versteht  man  einen  zu  dem  Zwecke  der 
Verkohlung  nach  gewissen  Regeln  aufgebauten  Holzstoß,  welcher  mit  einer  dichten, 
feuerbeständigen  Decke  umgeben  ist.  Man  unterscheidet  stehende  und  lie- 
gende Meiler.  Erstere  besitzen  die  Form  eines  Paraboloides,  in  welchem  die 
Hauptmenge  des  Holzes  stehend  (respektive  schwach  geneigt)  eingeschichtet  ist. 
Letztere  haben  im  allgemeinen  die  Form  eines  liegenden  Keiles,  dessen  Enden  senk- 
recht abgeschnitten  oder  abgerundet  sind.  Das  Holz  wird  liegend,  quer  über  die 
Längsrichtung  der  Kohlplatte  eingelegt.  In  den  stehenden  Meilern  wird  vorwiegend 
Spaltholz  (deutsche  Methode),  in  den  Alpenländern  aber  auch  Rundholz  (italienische 
Methode  oder  Alpenköhlerei)  verkohlt,  während  in  den  liegenden  Meilern  fast  aus- 
schließlich Rundholz  in  Anwendung  kommt. 

Abgesehen  von  der  Form  des  Meilers  unterscheidet  man  auch  noch  W  a  n  d  e  r  - 
oder  Waldköhlerei  und  konzentrierte,  ständige  oder  Hütten- 
köhlerei. Die  erstere  wird  in  möglichster  Nähe  der  Holzschläge  betrieben,  wech- 
selt daher  fast  alljährlich  ihren  Standort,  während  für  die  konzentrierte  Köhlerei 
ständige  Plätze  gewählt  werden,  hauptsächlich  dort,  wo  durch  die  Trift  das  Holz 
zugebracht  oder  wo  die  Kohle  verbraucht  wird,  also  bei  Eisenhütten. 

§  29.  Vorbemerkungen.  A.  V  e  r  k  o  h  1  u  n  g  i  n  stehenden  Mei- 
lern. Zur  Verkohlung  kann  jede  Holzart  und  auch  jedes  Holzsortiment  verwendet 
werden.  Zumeist  kohlt  man  Nadelholz  oder  Laubholz  von  geringerem  Werte  (vorzugs- 
weise Rotbuche).  In  manchen  Distrikten  (z.  B.  in  Ober-Ungarn,  im  Banat  und  Küsten- 
land) wird  übrigens  fast  ausschließlich  Laubholz  (Rotbuche,  Eiche,  Linde,  Aspe  etc.) 
gekohlt.  Als  Regel  gilt  es,  den  Meiler  nur  aus  einer  Holzart  und  einem  Sortimente 
aufzurichten,  was  sowohl  hinsichtlich  der  Kohlungsdauer,  als  auch  des  verschiedenen 
Gebrauchswertes  der  Kohlen  erwünscht  ist.  Ist  man  gezwungen,  Holz  von  verschie- 
dener Abstammung  und  Stärke  zu  verkohlen,  so  muß  das  schwerer  kohlende  Holz 
in  schwächeren  Scheiten  mehr  gegen  die  Mitte  des  Meilers  gestellt  werden,  wo  schon 
beim  Beginn  der  Kohlung  eine  höhere  Temperatur  herrscht. 

Das  Kohlholz  soll  lufttrocken  sein.  Bei  feuchtem  Holze  ist  der  Kohlgang 
langsamer,  unregelmäßiger  und  die  Kohlenausbeute  geringer. 


Trockene  Destillation  des  Holzes.     §  29.  597 

Das  Wasser,  welches  im  Holze  enthalten  ist,  wird  bei  der  Verkohlung  in  Dampf  verwandelt, 
und  die  hierzu  notwendige  AVärnienicngc  (für  je  1  kg  Wasser  rund  630  Calorien  =  0,15  kg  Holz- 
trockensubstanz) muß  durch  ^■erb^en^cn  des  Holzes  oder  der  Kohle  gelicrerl  werden.  Ueber- 
dies  ergibt  sich  auch  noch  ein  \'erlusl  durch  die  Einwirkung  des  Wasserdampfes  auf  die  glü- 
hende Kohle,  -wobei  Wasserstoff  und  Kohlenoxyd  als  Endprodukte  entstehen: 
C-|-2HȆ  =  CO,+2H, 
C+COÖ     =2CÖ. 

Diese  Prozesse  sind  bei  keiner  Holzverkohlung,  mag  dieselbe  auf  was  immer  für  eine 
.\rt  geschehen,  zu  vermeiden.  Die  Kolilenausheulc  wird  aber  um  so  geringer,  je  mehr  Wasser- 
dampf sicli  entwickelt,  beziehungsweise  je  feuchter  das  Holz  ist. 

\'on  Wichtigkeit  ist  ferner  die  Form  und  Stärke  des  Kohlholzes.  Bei  der  deut- 
schen \'  e  r  k  o  h  1  u  n  g  s  m  e  t  h  o  d  e  wird  vorwiegend  Scheitholz  ver- 
wendet. Stämme  über  15  cm  Durchmesser  werden  einmal,  stärkere  Stämme  mehr- 
mals gespalten.  Die  Scheitlänge  beträgt  gewöhnlich  1  m.  Die  Aeste  und  Zacken 
müssen  scharf  abgehauen  werden,  weil  sonst  ein  dichtes  Richten  nicht  möglich  ist 
und  zu  viel  Kleinholz,  v^elches  nur  geringwertige  Kohle  gibt,  zum  Ausfüllen  der 
Klüfte  notwendig  wird. 

Knüppel-  und  Prügel  holz  bleibt  ungespalten.  Maximallänge  ^4 — 1  m-  Län- 
gere Stücke  sind  nicht  dicht  zu  stellen,  weil  sie  nur  selten  eine  regelmäßige  Gestalt  besitzen. 

-\  e  s  t  e  bis  zu  einem  Minimaldurchmesser  von  3  cm  können  noch  zur  Kolilung  ver- 
wendet werden.  Die  Zurichtung  besteht  nur  in  dem  .\bhauen  der  kleinen  Zweige  und  Zuschneiden 
der  Aeste  auf  gleiche  Länge. 

S  t  o  c  k  -  und  W  u  r  z  e  1  h  o  1  z  erfordert  wegen  der  außerordentlich  unregelmäßigen 
Gestalt  eine  umständliche,  kostspielige  Zurichtung,  welche  häufig  nicht  rentiert.  Alle  vor- 
stehenden Zacken  müssen  abgesägt  und  der  Stock  je  nach  seiner  Stärke  in  3,  4  und  noch  mehr 
Teile  gespalten  werden. 

Bei  der  A  1  p  e  n  k  ö  h  1  e  r  e  i  ^^  ird  in  der  Regel  nur  Rundholz  benützt,  meist 
Fichte,  seltener  Tanne  und  Lärche.  Nur  die  stärksten  Stämme  (über  45  cm  Durch- 
messer) werden  einmal  gespalten.  Die  Länge  des  Kohlholzes  beträgt  bis  zu  2  m, 
selten  darüber.  Das  Entrinden  der  Stämme  ist  zweckmäßig  (schon  der  besseren 
Austrocknung  wegen),  geschieht  aber  nicht  immer.  Unter  allen  Umständen  gilt  es 
als  Regel,  nur  gesundes  Holz  zu  verwenden.  Stockiges  oder  faules  Holz  gibt  immer 
eine  schlechte,  brüchige,  und  wenn  die  Zersetzung  schon  weiter  vorgeschritten  ist, 
eine  ganz  mürbe,  unbrauchbare  Kohle. 

Die  Form  des  stehenden  ;\I  eilers  entspricht  einem  Paraboloid, 
dessen  Rauminhalt  x  durch  die  Formel : 

x=p^h 

gefunden  wird,  worin  p  die  Peripherie  des  Meilers  und  h  dessen  Höhe  bedeutet.  Da 
die  Gestalt  des  Meilers  von  der  mathematischen  Form  des  Paraboloides  etwas  ab- 
weicht, so  sind  von  dem  berechneten  Inhalte  4 — 6°i  in  Abzug  zu  bringen. 

Die  zweckmäßigste  Größe  der  Meiler  hängt  von  verschiedenen  Umständen  ab. 
Nach  Denz  ergeben  deutsche  Meiler  die  besten  Ausbeuten,  wenn  ihr  Einsatz:  bei  der 
ständigen  Köhlerei  200—280  Rm.  bei  der  Wanderköhlerei  140—200  Rm.  Spaltholz 
beträgt.  Bei  der  Verarbeitung  von  minderem  Holzsortiment  (Knüppel-,  Ast-,  Wurzel- 
holz) nimmt  man  den  Fassungsraum  geringer:  60 — 80 — 120  Rm.  Nadel-  und  weiches 
Laubholz  setzt  man  in  größere  Meiler,  harte  Laubhölzer  in  kleinere,  innerhalb  der 
angegebenen  Maße.  Bei  der  Alpenköhlerei  wird  der  ^Meiler  der  Form  und  Stärke 
des  Kohlholzes  wegen  viel  größer  angelegt,  bis  zu  300  Rm.  und  darüber.  Die  früher 
gebräuchlichen,  abnorm  großen  Meiler  von  1000  Rm.  und  darüber  hat  man  jetzt 
allerorts  aufgegeben.  Große  Meiler  beanspruchen  im  Verhältnis  zu  ihrem  Inhalte 
eine  geringere  Bodenfläche  und  weniger  Deckmaterial.  Sie  haben  ferner  den  Vorteil, 
daß  die  Wärm.e  besser  ausgenützt  wird,  die  Kosten  für  die  Arbeit  und  Ueberwachung 


598  IX  D.   S  c  h  w  a  c  k  h  ö  f  e  r  ,   ForsUich-Chemische  Technologie. 

pro  Gewichts-  oder  Volumeinheit  der  erzeugten  Kohle  geringer  sind  und  ein  kleinerer 
Prozentanteil  minderwertiger  Quandelkohlen  gezogen  wird.  Aber  auch  die  kleinen 
Meiler  haben  gewisse  unverkennbare  Vorzüge  und  sind  namentlicli  für  die  Wander- 
köhlerei sehr  geeignet,  weil  auf  unebenem  oder  sonst  ungünstigem  Terrain  im  Walde 
ein  kleiner  Kohlplatz  leichter  zu  finden  und  mit  geringeren  Kosten  herzurichten 
ist  als  ein  großer.  Die  Arbeit  des  Meileraufbaues  ist  eine  leichtere,  der  Feuerungs- 
gang läßt  sich  sicherer  regieren  und  Unregelmäßigkeiten,  welche  durch  ungünstiges 
Wetter  veranlaßt  werden,  können  leichter  vermieden  oder  eventuell  verbessert  werden. 
§  30.  Die  Arbeit  an  einem  stehenden  Meiler  umfaßt  im 
allgemeinen  folgende  Operationen: 

1.  Die  Herrichtung  der  Kohlstätte. 

2.  Der  Aufbau  des  Meilers  (das  sog.  Setzen  oder  Richten). 

3.  Das  Berüsten  und  Decken  des  holzfertigen  Meilers. 

4.  Das  Anzünden. 

5.  Das  Regieren  des  Feuers. 

6.  Das  Nachfüllen. 

7.  Das  Verwahren  und  Auskühlen  des  Meilers. 

8.  Das  Ausziehen  und  Sortieren  der  fertigen  Kohlen. 

1.  Herrichtung  der  Kohlstätte.  Bei  der  Anlage  einer  neuen 
Kohlstätte  ist  darauf  Bedacht  zu  nehmen,  daß  die  Zubringung  des  Holzes  und  die 
Abfuhr  der  Kohlen  keine  großen  Schwierigkeiten  und  Kosten  verursacht,  daß  Wasser 
in  der  Nähe  sich  befindet  und  der  Kohlplatz  gegen  Windfall  möglichst  geschützt  ist. 
Der  Boden  muß  trocken  sein.  Ist  man  gezwungen,  den  Meiler  auf  sumpfigem  Terrain 
zu  errichten,  so  muß  die  betreffende  Stelle  durch  Ziehen  von  Gräben  zunächst  trocken 
gelegt  werden.  Setzt  man  den  Meiler  direkt  auf  die  Kohlplatte,  so  darf  der  Boden 
weder  zu  porös,  noch  zu  dicht  sein.  Auf  sehr  lockerem  Boden  ist  der  Luftzug  im 
Meiler  ein  zu  lebhafter  und  infolgedessen  der  Kohlgang  ein  zu  rascher.  Auf  dichtem 
Boden  werden  die  flüssigen  Destillationsprodukte  nicht  aufgesaugt  und  der  Verlauf 
der  Kohlung  ist  wegen  ungenügendem  Luftzutritt  zu  langsam.  Kohlplatten  der 
ersteren  Art  werden  ,,h  i  t  z  i  g",  jene  der  letzteren  Art  ,,k  a  1 1"  genannt.  Am 
besten  eignet  sich  ein  lehmiger  Sandboden.  Bei  Verwendung  einer  Meilerbrücke  wählt 
man  einen  möglichst  undurchlässigen  Grund,  am  besten  in  einem  trockenen  Lehm- 
oder Tonboden.  Die  wesentlichste  Bedingung  ist  die  Gleichartigkeit  der  Kohlplatte. 
Es  dürfen  keine  Risse  oder  Klüfte,  ebensowenig  aber  auch  ganz  dichte  Stellen  (große 
Steine  etc.)  vorhanden  sein.  Der  Boden  wird  zunächst  von  allem  Gestrüpp,  Steinen  etc. 
befreit,  geebnet  und  wie  ein  Gartenbeet  bearbeitet;  sodann  zieht  man  mit  einer 
Schnur  einen  Kreis,  welcher  der  Peripherie  des  Meilers  entspricht.  Gegen  das  Zentrum 
hin  wird  ein  Anlauf  von  20 — ^30  cm  Höhe  gemacht.  Je  dichter  der  Boden  ist,  desto 
steiler  muß  der  Anlauf  sein.  Letzterer  hat  den  Zweck,  den  Luftzug  im  Meiler  zu 
vermehren  und  die  Kondensationsprodukte  nach  außen  abzuleiten.  Schließlich  wird 
die  Kohlplatte  festgetreten  und  bleibt  längere  Zeit  (womöglich  über  Winter)  un- 
benutzt. Bevor  man  die  Platte  in  Gebrauch  nimmt,  müssen  etwa  vorhandene  Schäden 
ausgebessert  und  der  Boden  durch  Abbrennen  von  Reisig  oberflächlich  getrocknet 
und  vorgewärmt  werden.  Auf  einer  neuen  Platte  fällt  die  Kohlenausbeute  bei  den 
ersten  Kohlgängen  immer  um  2 — 5%  geringer  aus.  Rings  um  den  Kohlplatz  muß 
ein  genügend  freier  Raum  (Fegplatz)  für  die  Abladung  des  Holzes,  Unterbringung 
der  Kohlen,  Bereithalten  des  Deckmaterials  und  Aufstellung  der  Köhlerhütte  vor- 
handen sein.  Man  trachtet  immer,  selbst  bei  der  Waldköhlerei,  wenn  möghch  zwei 
oder  mehrere  Meiler  unweit  von  einander  anzulegen,  um  an  Aufsichtspersonal  zu 


Trockene  Destillation  des  Holzes.     §  30.  59g 

sparen  und  tue  Kosten  für  die  Herstellung  und  Erhaltung  der  Wego  zu  vermindern. 
Bei  der  Hütten-  und  Lendköhlerei  versteht  es  sich  von  selbst,  daß  alle  Meiler  tuidiclist 
nahe  aneinander  gelegt  werden. 

2.  Der  Aufbau  oder  das  Richten  des  Meilers.  Der  Aufbau 
beginnt  immer  mit  der  Herstellung  des  Quandelschachtes.  Unter  Quandel  versteht 
man  den  zentralen  Raum  des  Meilers.  Der  Quandel  dient  als  Feuerschacht  und  wird 
aus  3  oder  4  armdicken  Pfählen  gebildet,  welche  in  einem  gegenseitigen  Abstand 
von  je  30 — 40  cm  im  Boden  befestigt  werden.  Ihre  Höhe  entspricht  jener  des  auf- 
zubauenden Meilers.  Die  Pfähle  werden  mit  Wieden  umflochten  und  bilden  so  einen 
Schacht  zur  Aufnahme  von  leicht  entzündlichem  Brennstoff  (Kienholzspäne,  trockene 
Birkenrinde,  dürres  Reisig,  Brände  etc.).  Ist  der  Quandelschacht  gefüllt,  so  wird 
am  Fuße  desselben  ein  sogenannter  Zündmaterialkegel  (bestehend  aus  dünngespal- 
tenem, trockenem  Holze,  Bränden,  Reisig  und  dgl.)  angelegt  und  sodann  mit  dem 
Ansetzen  des  Holzes  begonnen.  Dabei  ist  als  Regel  zu  beachten,  daß  unmittelbar 
an  den  Zündmaterialkegel  schwächeres,  dann  aber  gleich  anschließend  das  stärkste 
und  gegen  die  Peripherie  hin  immer  schwächeres  Holz  zu  stehen  kommt.  Die  Scheite 
müssen  mit  dem  stärkeren  Ende  am  Boden  stehen.  Dadurch  ergibt  sich  von  selbst 
eine  gewisse  Neigung  des  Holzes  gegen  den  Quandel.  Im  fertigen  Meiler  beträgt 
die  Böschung  etwa  60".  Diese  Neigung  ist  notwendig,  damit  die  Decke  nicht  ab- 
rutscht. Ist  der  Bodenstoß  bis  auf  halbem  Diameter  fertig,  so  beginnt  man  mit  dem 
Ansetzen  des  zweiten  Stoßes  und  fährt  dann  oben  und  unten  gleichmäßig  bis  zur 
Peripherie  fort.  Schließlich  wird  die  Haube  aufgebracht,  d.  h.  das  Holz  in  schwä- 
cheren Scheiten  quer  gelegt,  um  die  runde  Abdachung  des  Meilers  herauszubringen. 
Das  Holz  muß  zur  Vermeidung  eines  zu  starken  Zuges  im  Meiler  möglichst  dicht 
gestellt  werden  und  ist  daher  noch  öfter  ein  nachträgliches  Zurichten  der  Scheite 
(Absägen  oder  Abhacken  der  Vorsprünge  und  Zacken)  erforderlich.  Alle  Klüfte 
zwischen  den  Scheiten  müssen  mit  Spaltholz  ausgefüllt  werden,  namentlich  ist  dies 
an  der  Oberfläche,  das  sog.  Ausschmälen  des  Meilers,  notwendig,  um  neben  dem 
schon  erwähnten  Grunde  auch  noch  das  Durchrieseln  der  Decke  zu  verhindern.  Muß 
Holz  von  verschiedenem  Feuchtigkeitsgrad  gekohlt  werden,  so  setzt  man  das  trockene 
in  den  Bodenstoß,  das  feuchtere  aber  in  die  Oberstöße.  Verschiedene  Holzarten 
setzt  man  so  ein,  daß  das  Nadelholz  nahe  an  den  Quandel,  das  harte  Laubholz  gegen 
die  Peripherie  des  Meilers  zu  stehen  kommt. 

3.  Das  Decken  und  Berüsten  des  holzfertigen  Meilers. 
Die  Decke  besteht  bei  der  deutschen  Verkohlungsmethode  aus  zwei  Schichten:  zu 
Unterst,  als  unmittelbare  Bedeckung  des  Holzes,  das  sog.  Rauhdach  oder  Gründach 
und  darüber  das  Erddach.  Das  Rauhdach  besteht  aus  Rasen,  Laub,  Moos,  jungem 
Nadelholzreisig,  Farnkraut,  Schilf  oder  dgl.  Es  hat  den  Zweck,  der  ganzen  Decke 
eine  gewisse  Elastizität  zu  verleihen,  um  dem  bei  der  Kohlung  allmählich  einsinkenden 
Meiler  nachzugeben,  ferner  um  das  Durchrieseln  der  Erddecke  zu  verhindern.  Das 
Erddach  bildet  die  äußere,  feuerfeste  und  bis  zu  einem  gewissen  Grade  auch  dicht- 
schließende Umhüllung  des  Meilers.  Dasselbe  wird  aus  einem  durchfeuchteten  Ge- 
menge von  humoser  Walderde  und  Kohlenklein  (Stübbe  oder  Lösche  genannt)  her- 
gestellt. Die  Mächtigkeit  der  Erddecke  richtet  sich  nach  der  Beschaffenheit  des 
Rauhdaches,  nach  der  Stärke  des  Kohlholzes,  nach  der  Witterung  etc.  und  schwankt 
von  5 — 25  cm.    Rasen  bedarf  die  schwächste,  Reisig  die  stärkste  Erddecke. 

Die  Unterstützungen  zum  Halten  der  Decke  werden  ,, Rüsten"  genannt.  Man 
unterscheidet  Unter-  und  Oberrüsten.  Die  Unterrüsten  (Fußrüsten)  werden  in  der 
Weise  hergestellt,  daß  man  rings  um  den  Meiler  in  gewissen  Abständen  kleine,  etwa 


600  IX  D.  S  c  h  •«-  a  c  k  h  ö  f  e  r  ,  Forstlich-Chemische  Technologie. 

15  cm  hohe  Klötze  anbringt  und  Scheite  quer  überlegt,  welche  der  Decke  als  Unter- 
stützung dienen.  Bei  der  Verkohlung  verbrennen  die  Scheite  teilweise  und  sind 
gewöhnlich  nur  einmal  zu  gebrauchen.  Zuweilen  werden  auch  Steinunterlagen  oder 
eiserne  Rüsten,  letztere  in  der  Form  eines  Kreissegmentes,  welche  an  einer  Seite 
einen  Fuß  besitzen,  verwendet.  Sie  sind  sehr  dauerhaft  und  geben  dem  Meilerumfang 
eine  regelmäßige  Form,  indem  sie  sich  dichter  an  das  Holz  bringen  lassen,  als  die 
geraden  Scheite.  Unterrüsten  sind  bei  einem  jeden  Meiler  notwendig,  nur  bei  der 
Reisigdecke  können  sie  entbehrt  werden,  weil  sich  diese  niemals  so  dicht  an  das  Holz 
legt,  daß  der  Luftzug  dadurch  gehemmt  würde. 

Oberrüsten  werden  nur  bei  steil  gebauten  Meilern  angebracht  oder  wenn  bei 
sehr  trockenem  Wetter  die  Decke  nicht  halten  will. 

Alle  Meiler,  welche  nicht  im  Walde  geschützt  stehen,  brauchen  eine  Schutz- 
wand gegen  den  Windanfall,  den  sog.  Windschauer.  Derselbe  wird  aus  einigen  im 
Boden  befestigten  Pflöcken,  die  mit  Schwarten  oder  Reisig  bedeckt  sind,  hergestellt, 
ist  etwas  höher  als  der  Meiler  und  soll,  der  Feuersgefahr  wegen,  mindestens  2  m  vom 
Meilerumfang  abstehen. 

4.  Das  Anzünden.  Der  Meiler  kann  von  oben  oder  von  unten  in  Brand 
gesetzt  werden.  Beim  Obenanzünden  wird  an  der  oberen  freien  Mündung  des  Quandel- 
schachtes  ein  kleines  Feuer  angemacht,  welches  sich  allmählich  nach  abwärts  zieht, 
indem  die  Ouandelfüllung  ausbrennt.  Beim  Anzünden  von  unten  muß  schon  beim 
Aufbau  des  Meilers  am  Fuße  desselben  eine  Zündgasse,  welche  von  der  Peripherie 
bis  in  den  Quandelschacht  reicht,  frei  gelassen  werden.  Diese  Zündgasse  soll  hinter 
Wind  liegen.  Das  Anzünden  geschieht  durch  Einführung  einer  mit  brennenden 
Kienholzspänen  versehenen  Zündrute.  Damit  das  Feuer  nicht  erlischt,  müssen  sowohl 
beim  Oben-  als  auch  beim  Untenanzünden  Zugöffnungen  zwischen  den  Fußrüsten 
vorhanden  sein.   Das  Anzünden  erfolgt  immer  vor  Tagesanbruch  bei  windstiller  Luft. 

5.  Das  Regieren  des  Feuers.  Bei  jeder  Art  des  Anzündens  brennt 
zuerst  die  Quandelfüllung  aus,  sodann  wird  der  Zündmaterialkegel  ergriffen,  wobei 
sich  das  Feuer  um  den  Quandelschacht  herum  nach  aufwärts  zieht  und  unter  der 
Haube  ausbreitet.  Bei  normalem  Gange  schreitet  die  Glutzone  in  der  Form  eines  mit 
der  Spitze  nach  abwärts  gerichteten  Kegels  fort.  Die  Mantelfläche  desselben  breitet 
sich  immer  mehr  aus  und  geht  endlich  in  eine  Horizontalebene  über,  so  daß  die  Glut 
an  dem  untersten  Rande  des  Meilers  anlangt.    Damit  ist  die  Kohlung  beendet. 

Um  das  gleichmäßige  Niedergehen  der  Glutzone  zu  ermöglichen,  müssen  Zug- 
öffnungen (Rauchlöcher,  Register  oder  Räume  genannt)  in  der  Decke  angebracht 
werden.  Die  Rauchlöcher  werden  mit  dem  Stiel  der  Schaufel  durch  beide  Decken 
hindurch  bis  auf  das  Holz  gestoßen.  In  den  ersten  24  Stunden  nach  dem  Anzünden 
wird  in  der  Regel  blind  gekohlt,  d.  h.  ohne  Rauchlöcher,  und  der  Meiler  auf  diese 
Weise  vorgewärmt.  Erst  nach  Ablauf  dieser  Zeit  werden  die  ersten  Rauchhölzer 
rings  um  den  sogenannten  Saum  oder  Wechsel  (d.  i.  jene  Stelle,  wo  der  zweite  Holz- 
stoß aufhört  und  die  Haube  beginnt)  gestochen.  Der  aus  diesen  Oeffnungen  aus- 
tretende Rauch  ändert  seine  Beschaffenheit  allmählich  und  daran  läßt  sich  der 
Gang  der  \'erkohlung  beurteilen.  Anfänglich  tritt  fast  nur  Wasserdampf  aus.  In 
dem  Maße,  als  die  Verkohlungszone  näher  rückt,  kommen  Produkte  der  trockenen 
Destillation  zum  Vorschein;  der  Rauch  wird  gelblich-braun,  besitzt  einen  empy- 
reumatischen,  sauren,  stechenden  Geruch.  Im  weiteren  Verlaufe  wird  der  Rauch 
heller,  der  stechende  Geruch  läßt  nach  und  schließlich  schlägt  eine  blaue  Flamme 
(Kohlenoxyd)  aus  der  Oeffnung  heraus,  als  Beweis,  daß  die  Glutzone  bei  den  Rauch- 
löchern angelangt  ist.  In  diesem  Stadium  ist  die  Verkohlung  so  weit  vorgeschritten,  daß 


Trockene  Destillation  des  Holzes.     §  30.  ßOl 

die  Kohle  zwar  schon  gebildet,  aber  noch  nicht  zur  fertigen  Schwarzkohle  geworden 
ist.  Erst  wenn  der  Rauch  sich  wieder  lichter  verfärbt,  ist  dies  ein  Zeichen  für  die 
Bildung  der  Schwarzkohlc  und  auch  dafür,  daß  nun  die  ganze  Reihe  der  Rauchlöcher 
mit  Lösche  geschlossen  und  mit  der  Plättschaufel  zugeschlagen  werden  muß.  Gleich- 
zeitig wird  weiter  unten  eine  neue  Reihe  gestochen.  In  dieser  Weise  wird  fortgefahren, 
bis  man  an  dem  Fuße  des  Meilers  angelangt  ist.  Sollte  die  Glut  nicht  ringsum  im 
ganzen  Jleiler  gleichmäßig  niedergehen,  so  muß  an  jener  Seite,  wo  sie  rascher  vor- 
schreitet, blind  oder  an  der  entgegengesetzten  Seite  mit  stärkerem  Zug  (durch  Ver- 
mehren der  Fußräume  und  Rauchiöcher)  gekohlt  w-erden.  Bei  Meilern,  welche  an 
einem  Bergabhange  stehen,  ist  der  Zug  an  der  Talseite  immer  größer  als  an  der  Berg- 
scite,  folglich  auch  das  Niedergehen  der  Glutzone  ein  unregelmäßiges,  welches  in 
der  angedeuteten  Weise  ausgeglichen  werden  muß.  Eine  andere  Unregelmäßigkeit, 
welche  namentlich  bei  zu  raschem  Kohlgange  auftritt,  ist  das  ,, Schütten,  Werfen 
oder  Schlagen"  des  Meilers:  darunter  versteht  man  das  explosionsartige  Abwerfen 
einzelner  Partien  der  Decke.  Sobald  die  Temperatur  im  Meiler  etwas  höher  steigt, 
entwickelt  sich  Wasserdampf  aus  dem  Holze,  welcher  anfänglich  an  der  kalten  Erd- 
decke kondensiert  wird.  Der  Meiler  fängt  an  zu  dunsten  und  zu  schwitzen.  Zugleich 
oder  etwas  später  entweicht  auch  ein  dicker,  qualmender  Rauch,  welcher  die  Erd- 
decke durchdringt.  In  dieser  Periode  liegt  die  Gefahr  des  Schüttens  sehr  nahe. 
Schließt  die  Decke  zu  dicht  oder  ist  das  Feuer  im  Meiler  zu  lebhaft,  so  werden  mehr 
Dämpfe  entwickelt,  als  durch  die  Decke  entweichen  können;  die  Folge  davon  ist, 
daß  die  Dämpfe  sich  gewaltsam  Austritt  verschaffen  und  einen  Teil  der  Decke  ab- 
werfen. Außer  Wasserdampf  können  auch  noch  brennbare  Gase,  vor  allem  Kohlen- 
oxyd und  Kohlenwasserstoffe,  in  Berührung  mit  der  atmosphärischen  Luft  knallgas- 
artige Gemenge  geben,  welche  Explosionen  im  Meiler  veranlassen.  Die  Bildung 
dieser  Gase  in  größerer  Menge  kann  durch  die  Annahme,  daß  die  Verkohlung  ein 
exothermischer  Prozeß  ist,  unschwer  erklärt  werden.  Beim  Beginn  der  Kohlung  ist 
es  vorzugsweise  der  Wasserdampf  und  in  den  späteren  Stadien  sind  es  die  brenn- 
baren Gase,  welche  das  Schütten  des  Meilers  bewirken.  Ganz  ruhig  verläuft  die 
Kohlung  niemals,  kleine  Detonationen  sind  unvermeidlich,  sie  dürfen  aber  niemals 
so  stark  werden,  daß  ein  teihveises  Abwerfen  der  Decke  und  Auseinanderwerfen  des 
Holzes  damit  verbunden  ist.  Die  durch  das  Schütten  entstandenen  Oeffnungen 
müssen  sofort  wieder  verschlossen  und  der  Zug  im  Meiler  muß  auf  das  tunlichste 
Jlinimum  reduziert  werden. 

6.  Das  Nachfüllen.  Bei  der  Kohlung  entstehen  immer  Höhlungen  im 
Meiler,  welche  mit  kurzem  Spaltholze,  Bränden  oder  Grösekohlen  ausgefüllt  werden 
müssen.  Der  erste  Hohlraum  ergibt  sich  durch  das  Ausbrennen  des  Quandelschachtes ; 
weitere  Hohlräume  entstehen  dann  noch  durch  das  ungleichmäßige  Niedergehen  der 
Kohle.  Das  Volumen  des  Scheitholzes  schwindet  bei  der  Verkohlung  um  30 — 40%, 
bei  frischem,  wasserreichen  Holze  auch  noch  mehr.  Durch  diese  bedeutende  Volum- 
verminderung findet  nicht  nur  ein  starkes  Niedergehen  der  Decke,  sondern  auch  ein 
Verstürzen  der  Kohle  statt,  wodurch  notwendigerweise  Höhlungen  im  Meiler  ent- 
stehen müssen.  Diese  Höhlungen  fallen  um  so  größer  aus:  1.  je  feuchter  das  Holz 
war,  2.  je  weniger  dicht  dasselbe  gestellt  wurde,  3.  je  rascher  die  Kohlung  ver- 
läuft und  4.  je  ungleichmäßiger  das  Feuer  niedergeht.  Die  Ausfüllung  des  leer- 
gebraimten  Quandelschachtes  nennt  man  das  Hauptfüllen,  die  Ausfüllung 
aller  übrigen  Höhlungen  das  Seitenfüllen.  Das  Hauptfüllen  geschieht  schon 
12 — 16  Stunden  nach  dem  Anzünden  des  Meilers  und  muß  am  2.,  3.  und  4.  Tage 
wiederholt  werden,  weil  sich  durch  die  Verkohlung  des  FüUmateriales  immer  wieder 


602  IX  D.   S  c  li  w  a  c  k  h  ö  f  e  r  ,   ForsUich-Chemische  Technologie. 

neue  Hohlräume  bilden.  Die  Seitenfüllungen  werden  nach  Bedarf  gemacht.  Größere 
Hohlräume  geben  sich  schon  an  dem  örtlich  starken  Einsinken  der  Decke  zu  er- 
kennen. Kleinere  Höhlungen  werden  durch  das  Abklopfen  des  Meilers  mit  dem 
sogenannten  Wahrhammer  (d.  i.  ein  hölzerner  Schlegel)  ausfindig  gemacht.  Min- 
destens eine  Stunde  vor  dem  Füllen  müssen  alle  Zugöffnungen  verschlossen  werden. 
An  der  hohl  erkannten  Stelle  nimmt  der  Köhler  die  Decke  ab,  stößt  mit  einer  Stange 
die  losen  Kohlen  hinunter,  bringt  das  schon  früher  vorbereitete  Füllmaterial  ein, 
legt  die  Rauh-  und  Erddecke  wieder  auf  und  klopft  dieselbe  mit  dem  Hammer  fest. 
Die  ganze  Manipulation  muß  möglichst  schnell  geschehen,  damit  die  Glut  im  Meiler 
nicht  zu  stark  angefacht  wird.  Durch  etwa  12  Stunden  nach  dem  Füllen  wird  blind 
gekohlt.  Trotz  dieser  Vorsichtsmaßregeln  verbrennt  aber  immer  ein  Teil  der  Kohle 
und  muß  daher  schon  von  vornherein  darauf  Bedacht  genommen  werden,  alle  Um- 
stände zu  vermeiden,  welche  ein  oftmaliges  Füllen  notwendig  machen. 

7.  D  a  s  Verwahren  und  Auskühlen  des  Meilers.  Um  Un- 
regelmäßigkeiten im  Kohlgang  vorzubeugen,  muß  der  Köhler  jeden  Abend  die  Decke, 
soweit  die  Verkohlungszone  reicht,  mit  dem  Wahrhammer  niederklopfen,  etwa  vor- 
handene Risse,  sowie  die  stark  eingesunkenen  Stellen  mit  feuchter  Stübbe  aus- 
gleichen (beschießen)  und  die  nötigen  Füllungen  machen.  Diese  Arbeiten  nennt  man 
das  Verwahre  n.  Ist  die  Verkohlung  bis  zur  Gare  vorgeschritten,  so  erfolgt  das 
Abkühlen.  Zu  diesem  Behufe  werden  die  Fußräume  verschlossen  und  damit 
der  Zug  im  Meiler  abgesperrt;  die  Decke  wird  streifenweise  abgenommen,  durch- 
gehackt und  sofort  wieder  aufgebracht.  Dabei  rieselt  die  Erde  zwischen  die  Kohlen  ein 
und  dämpft  die  Glut  rasch  ab.  In  diesem  Zustande  bleibt  nun  der  ,, fertig  geputzte" 
Meiler  —  ein  sog.  Kohlstück  —  24  bis  48  Stunden  der  Abkühlung  überlassen. 

8.  Das  Auszielien  und  Sortieren  der  Kohlen.  Das  Aus- 
ziehen (auch  Langen  oder  Stören  genannt)  wird  mit  einem  eisernen,  gekrümmten 
Hacken  am  Fuße  des  Meilers  vorgenommen.  Diese  Arbeit  wird  abends  begonnen 
und  die  Nacht  hindurch  fortgesetzt,  um  die  Glut  besser  überwachen  zu  können. 
Die  Ziehöffnung  muß  gegen  Windanfall  geschützt  sein.  Man  zieht  nur  2 — 3  m^ 
an  einer  Stelle  aus,  dann  wird  die  Oeffnung  verschlossen  und  an  einer  anderen  Stelle 
mit  dem  Ausziehen  begonnen.  In  dieser  Weise  fährt  man  rings  um  den  Meiler  fort, 
bis  alle  Kohlen  ausgezogen  sind.  Der  verbleibende,  aus  dem  Zentrum  des  iMeilers 
stammende  Rest  besteht  aus  Kohlenklein  und  Asche  und  wird  behufs  Erkaltung 
ausgebreitet.  Die  ausgezogenen  Kohlen  werden  nach  der  Holzart  (falls  überhaupt 
gemischtes  Holz  in  Anwendung  kam)  und  nach  ihrer  Größe  sortiert. 

Man  unterscheidet  folgende  Sortimente: 

1.  Grob-  Lese-  oder  H  ü  t  t  e  n  k  o  h  1  e  n,  d.  s.  die  größten  Stücke,  welche  vor- 
zugsweise für  liüttenmännische  Zwecke  dienen. 

2.  S  c  h  m  i  e  d  e  k  0  h  1  e  n  ,  von  Faustgröße  und  darüber. 

3.  Zieh-  oder  Rechkohlen,  von  Nuß-  bis  Faustgröße. 

4.  Quandelkohlen,  die  kleinsten  leichten  Kohlen  aus  der  Nähe  des  Quandel- 
schachtes. 

Die  beiden  ersten  Sortimente  werden  durcii  Handscheidung  gewonnen,  die  beiden  letz- 
teren durch   Gitter  aussortiert. 

5.  Brände,  d.  s.  halbverkohlte  Stücke,  welche  als  Füllmaterial  \'erwendung  finden. 
In  der  Regel  wird  nur  ein  Sortiment,  bestehend  aus  1,  2  und  3,  abgegeben,  i  und  3, 
werden  am  Kohlplatz  weiter  verwendet. 

Von  diesem  Verfahren,  welches  gewöhnlich  als  die  deutsche  V  e  r  k  o  h  - 
1  u  n  g  s  m  e  t  h  o  d  e  bezeichnet  wird,  gibt  es  verschiedene  Varianten;  eine  davon 
ist  die  A  1  p  e  n  k  ö  h  1  e  r  e  i  oder  italienische  Verkohlung.  Dieselbe  unter- 
scheidet sich  von  der  deutschen  Kohlung  durch  folgendes: 


Trockene  Destillation  des  Holzes.     §  31.  ß03 

1.  \Mi(l  in  der  Regel  Rundholz,  aber  auch  Spaltholz  bis  zu  2  ni  Länge  uml 
Yz  m  Stärke  angewendet. 

2.  Die  Kohlplatte  wird  so  dicht  als  möglich  gemacht  und  das  Kohlholz  auf 
eine  spinnennetzartige  Meilerbrücke  gestellt,  um  den  nötigen  Luftzug  im  Meiler  zu 
veranlassen.  Die  Meilcrbrücke  wird  aus  einmal  gespaltenen  Koiilholzklötzen  her- 
gestellt, welche  teils  radial  und  teils  querüber  konzentrisch  gelegt  werden. 

3.  Muß  der  Meiler,  der  größeren  Länge  des  Kohlholzes  wegen,  steiler  gebaut 
werden.  Der  Einfallswinkel  beträgt  60 — 80".  (Bei  der  deutschen  Kohlung  hingegen 
nur  50—60»). 

4.  Der  Fassungsraum  des  Meilers  ist  bedeutend  größer,  bis  zu  300  m^. 

5.  Wird  gewöhnlich  nur  eine  Decke,  und  zwar  aus  Kohlenlösche  gegeben,  welche 
aber  viel  stärker  ist  als  bei  der  deutschen  Kohlung  (unten  60  und  oben  30  cm  dick). 
Zum  Festhalten  der  Decke  sind  bei  dem  steilen  Bau  des  Meilers  komplizierte  Rü- 
stungen erforderlich. 

6.  Das  Anzünden  geschieht  von  oben  und  der  Feuerungsgang  ist  ein  rascherer. 

Diese  Verkohlungsmethode  ist  eine  primitive,  stammt  aus  alter  Zeit,  tial  sich  aber  bis 
auf  den  heutigen  Tag  erhalten  und  ist  seit  dem  Rückgange  der  konzentrierten  Köhlerei  sogar 
in  Aufschwung  begriffen  Für  die  Wanderköhlerei  ist  sie  wenig  geeignet,  weil  zum  .\nmachen 
der  dicken  Löschdecke  viel  Wasser  erforderlich  ist,  was  nicht  überall  zur  \'erfügung  steht. 
Dagegen  wird  diese  Methode  in  den  österreichischen  Alpenländern  an  ständigen  Plätzen  häufig 
betrieben.  Das  Rundholz  soll  entrindet  sein  und  einen  genügenden  Trockenheitsgrad  besitzen. 
Starke  Drehlinge,  so  wie  früher,  kommen  heute  kaum  mehr  in  \erwendung,  da  für  diese  zu- 
meist eine  bessere  \'erwendung  als  Nutzholz  zu  finden  ist.  Zumeist  kohlt  man  nur  mindere 
Sortimente.  Das  .\usbringen  ist  geringer  als  bei  der  deutschen  Methode,  weil  des  rascheren 
Feuerungsganges  halber  mehr  Kohle  verbrennt.  Die  Kohle  selbst  ist  aber  besser  durchgeglüht, 
kohlenstoffreicher  und  sauerstoffarmer,  weil  die  Hitze  im   Meiler  eine  intensivere  ist. 

Alle  anderen  \arianten,  welche  sich  auf  die  verschiedene  Art  des  Richtens  (stehende 
und  liegende  Stöße  alnvechselnd),  Herstellung  des  Quandels  (Stange  anstatt  Schacht),  Ein- 
lagerung von  Grösekohlen  (slavischer  Meiler)  oder  Ausfüllung  aller  Zwischenräume  durch 
Kohlenklein  (amerikanischer  Meiler)  usw.  beziehen,  sind  von  untergeordnetem  Interesse. 

Dauer  des  Kohlganges.  Die  Kohlungszeit  ist  von  verschiedenen  Um- 
ständen: Holzart,  Größe  und  Stärke  des  Kohlholzes,  Feuchtigkeitsgehalt  desselben, 
Größe  des  Meilers,  Leitung  des  Feuers  und  von  der  Witterung  abhängig.  Ein  mäßig 
beschleunigter  Kohlgang  gibt  die  beste  Ausbeute,  sowohl  in  bezug  auf  Qualität, 
als  auch  auf  Quantität  der  Kohle.  Bei  einem  stehenden  Meiler  aus  Buchenscheit- 
holz dauert  der  Feuerungsgang  bei  20 — 40  Rm.  Inhalt  4 — 5  Tage,  bei  60 — 80  Rm. 
7—8  Tage,  bei  100—150  Rm.  10—14  Tage.  Bei  Nadelholz  muß  der  Kohlgang  lang- 
samer sein  und  dauert  bei  einem  Meiler  von  20 — 40  Rm.  Inhalt  6 — 8  Tage,  bei  100 
bis  150  Rm.  15 — 20  Tage.  Ungünstige  Witterung  verzögert  den  Kohlgang  sehr 
bedeutend. 

§31.  B.  Die  Verkohlung  in  liegenden  Meilern.  Diese  Me- 
thode ist  vorzugsweise  in  Niederösterreich,  Steiermark  und  im  Salzkammergute, 
femer  auch  in  Schweden  gebräuchlich. 

Zur  Kohlung  dient  nur  Nadelholz,  vorwiegend  Schwarzföhre.  Das  Holz  wird 
in  ganzen,  möglichst  geraden  Stämmen  von  jeder  Stärke  und  gewöhnlich  3 — 5  m 
Länge  angewendet.    Die  Größe  der  Meiler  beträgt  50 — 300  m^. 

Die  Herrichtung  der  Kohlstätte  geschieht  in  derselben  Weise,  wie  bei  stehenden 
Meilern;  mit  \'orliebe  wählt  man  ein  schwach  geneigtes  Terrain.  Ueber  die  ganze 
Länge  der  Kohlplatte  werden  gerade  Stangen  in  drei  Reihen  gelegt,  welche  dem  quer 
überzulegenden  Kohlholz  als  Auflager  dienen.  Beim  Aufbau  des  Meilers  ist  darauf 
Rücksicht  zu  nehmen,  daß  die  starken  Stämme  auf  halber  Höhe  und  mehr  gegen  die 
Rückwand  zu  liegen  kommen,  wo  sie  am  längsten  der  Glut  ausgesetzt  sind.  Oben, 
unten  und  an  der  Vorderwand  kommt  schwächeres  Holz.  Alle  Zwischenräume  müssen 


504  IX  D.   S  c  h  w  a  c  k  h  ö  f  e  r  ,  Forstlich-Chemische  Technologie. 

mit  geringerem  Holze  möglichst  dicht  ausgefüllt  werden.  In  der  Glitte  der  Vorder- 
wand wird  eine  Zündkammer  und  von  dieser  nach  beiden  Seiten  hin,  bis  an  die 
Längswände,  eine  Zündgasse  angelegt,  um  das  Feuer  über  die  ganze  Meilerbreite 
leiten  zu  können.  Der  holztertige  Meiler  erhält  zwei  Decken.  Als  erste  dient  Reisig, 
als  zweite  Lösche  gemengt  mit  feuchter  Erde.  Um  die  Decke  an  den  senkrechten 
Seitenwänden  zu  halten,  werden  dieselben  mit  Brettern  oder  Schwarten  verschalt. 
In  der  Regel  geschieht  dies  auch  an  der  Vorderwand,  seltener  an  der  Rückwand. 
Meist  wird  letztere  in  einem  Winkel  von  etwa  20"  abfallend  gebaut,  in  gleicher  Weise 
wie  das  Dach  eingedeckt  und  durch  Rüsten  gestützt.  Um  den  erforderlichen  Zug 
im  Meiler  herzustellen,  werden  an  den  beiden  Seitenwänden  Fußräume  angebracht. 

Die  Zündkammer  und  die  Zündgasse  werden  mit  Kienholzspänen  gefüllt  und 
in  Brand  gesteckt.  Damit  das  Feuer  gleichmäßig  über  die  ganze  Breite  des  Meilers 
platzgreift,  ist  ein  öfteres  Nachfüllen  von  Kienholz  oder  dgl.  leicht  entzündlichem 
Material  notwendig.  Ist  ein  Ausgehen  des  Feuers  nicht  mehr  zu  befürchten,  so  werden 
die  Fußräume  geschlossen  und  am  Dache,  ungefähr  auf  ein  Drittel  der  Meilerlängc, 
die  ersten  Rauchlöcher  gestoßen.  Die  Glut  zieht  sich  in  schräger  Richtung  von  der 
Vorderwand  nach  rückwärts,  und  zwar  so,  daß  die  Glutzone  am  Dache  immer  um 
2 — ^2  1/2  m  weiter  vor  ist,  als  am  Fuße  des  Meilers.  Sobald  sich  das  Feuer  den  Rauch- 
löchern nähert,  werden  dieselben  verschlossen  (desgleichen  auch  die  Mündung  der 
Zündkammer)  und  Yo — 1  m  weiter  rückwärts  neue  Räume  gestochen.  In  dieser 
Weise  wird  fortgefahren,  bis  die  Flamme  am  Fuße  der  Rückwand  herausschlägt, 
als  Beweis,  daß  der  ganze  Meilerinhalt  verkohlt  ist.  Der  Kohlgang  muß  möglichst 
langsam  geführt  werden,  damit  einerseits  die  starken  Stämme  vollkommen  durch- 
kohlen vmd  andererseits  nicht  zu  viel  Kohle  verbrennt.  Die  Stübbe  am  Dach  muß 
anfänglich  locker  gehalten  werden,  damit  der  Wasserdampf  entweichen  kann.  Erst 
wenn  die  Kohlung  weiter  vorgeschritten  und  die  Gefahr  des  Schüttens  vorüber  ist, 
wird  die  Decke  verstärkt. 

Das  Abkühlen  geschieht  in  derselben  Art  wie  bei  den  stehenden  Meilern,  durch 
stellenweises  Abnehmen  der  Decke  am  Dache,  Einrieseln  von  trockener  Erde  und 
neuerliches  Bedecken.  Die  Seitenwände  dürfen  dabei  nicht  angebrochen  werden. 
Die  fertigen  Kohlen  werden  nur  an  der  Vorderwand  ausgezogen.  Das  Ausziehen 
erfolgt  partienweise  und  wird  immer  nur  so  viel  ausgenommen,  als  an  einem  Tage 
abgeführt  werden  kann.  Die  Kohlen  werden  so  wie  bei  den  stehenden  Meilern  sortiert. 
Am  Fuße  finden  sich  die  leichtesten,  an  der  Hinterwand  die  schwersten  Kohlen. 
Häufig  wird  mit  dem  Ausziehen  schon  begonnen,  wenn  der  rückwärtige  Teil  des 
Meilers  noch  im  Feuer  steht.  Die  Kohlenausbeute  ist  geringer  als  bei  den  stehenden 
Meilern. 

§  32.  G.  B  e  u  r  t  e  i  1  u  n  g  der  M  e  i  1  e  r  k  ö  h  1  e  r  e  i.  Im  allgemeinen  ist 
dieselbe  stark  im  Abnehmen  begriffen,  was  seinen  Grund  darin  hat,  daß  im  Eisen- 
hüttenbetriebe die  Holzkohle  durch  den  Koks  und  die  Steinkohle  heute  schon  zum 
größten  Teile  verdrängt  ist.  An  Stelle  der  vielen  kleinen  Holzkohlenhochöfen  sind 
gegenwärtig  riesige  Kokshochöfen  getreten. 

Während  früher  nur  mit  Holzkohle  vorzügliches  Gußeisen  und  Stahl  erzeugt 
werden  konnte,  gelingt  es  seit  Einführung  des  Bessemerprozesses,  des  Martin-  und 
Thomasverfahrens,  auch  mit  Koks  und  auch  selbst  aus  minderen  Erzen  guten  Guß- 
stahl herzustellen  und  zwar  so  billig,  daß  derselbe  das  Holzkohleneisen  in  vielen  Fällen 
verdrängen  kann.    Nach  den  Angaben  des  k.  und  k.  Oberforstrates  Th.  Micklitz  ') 


1)   Geschichte  der  üsterr.  Land-  und  Forstwirtschaft  und  iiirer  Industrien.  Wien  1899. 


Trockene  Destillation  des  Holzes.     §  12.  605 

ist  der  Holzkohlenverbraucli  in  Oesterreich  gegenwärtig  schätzungsweise  um  min- 
destens 12  Mill.  Kilogramm  per  Jahr  geringer  als  vor  3  oder  4  Dezennien. 

Obersteiermark  allein,  wo  die  Holzkohlenhochöfen  in  großer  Zahl  vertreten 
waren,  verbrauchte  früher  jährlich  ö — 6,  heute  hingegen  nur  mehr  2 — 4  Mill.  Kilo- 
gramm Holzkohle. 

Auch  die  Ocrtlichkeit  der  Kuhlungsanlagen  hat  insofern  eine  Acnderung  er- 
fahren, als  die  ständige  oder  konzentrierte  Köhlerei  immer  mehr 
in  Abnahme  kommt  und  dafür  die  W  a  n  d  e  r  k  ö  h  1  c  r  e  i  zunimmt.  Früher  trach- 
tete man,  Kohlstätten  möglichst  zu  konzentrieren  und  an  jene  Punkte  zu  verlegen, 
wo  das  Holz  auf  einfache  und  billige  Art  hingeschafft  werden  konnte.  Die  Trift  war 
die  Hauptbringungsmethode  und  wo  es  nur  immer  anging,  wurden  auch  die  Hoch- 
öfen in  nächster  Nähe  angelegt,  um  einerseits  an  Transportkosten  zu  sparen,  anderer- 
seits aber  auch  den  sogenannten  Einrieb  (das  Abreiben  und  Zerbrechen  der  Kohlen- 
stücke während  des  Transportes)  zu  vermeiden.  Auch  mehrere  andere  Vorteile 
waren  damit  verbunden,  wie  die  fortwährende  Benutzung  der  gleichen,  gut  vorgerich- 
teten Kohlplatten,  deren  Eigentümlichkeiten  der  Köhler  aus  jahrelanger  Erfahrung 
genau  kennt,  die  ausgiebigere  Kontrolle,  bessere  Instandhaltung  der  Wege,  Unter- 
bringung des  Arbeiterpersonales  und  dgl.  mehr. 

Die  Wanderköhlerei,  welche  dem  Holzschlage  nachgeht,  wurde  früher  mehr 
vereinzelt,  zumeist  nur  in  bäuerlichen  Waldungen  betrieben.  Durch  das  Auflassen 
der  Zentralkohlungsanlagen  hat  sie  aber  an  Verbreitung  gewonnen. 

Das  qualitative  und  quantitative  Ausbringen  ist  dabei  allerdings  ein  gerin- 
geres und  der  Einrieb  größer,  dafür  entfallen  aber  die  Auslagen  für  die  Instandhal- 
tung der  Holzriesen  und  Triftanstalten;  auch  die  Transportkosten  für  die  Kohle 
sind  geringer  als  für  das  Holz,  wodurch  die  Nachteile  wieder  ausgeglichen  werden. 

Stehende  Meiler  haben  den  liegenden  gegenüber  den  Vorteil,  daß  nicht 
nur  Stammholz,  sondern  auch  geringere  Holzsortimente  Verwendung  finden  können, 
daß  sich  das  Feuer  besser  regieren  läßt,  indem  der  Meiler  ringsum  zugänglich  ist, 
daß  ferner  das  quantitative  Ausbringen  ein  höheres  und  die  Qualität  der  Kohle 
eine  bessere  ist.  Diese  Methode  ist  namentlich  für  größere  ständige  Kohlungsanlagen 
(Hütten-  oder  Lendköhlerei)  geeignet.  Aber  auch  die  liegenden  Meiler 
haben  gewisse  nicht  zu  verkennende  Vorzüge.  In  den  engen  Tälern  des  Hochgebirges 
läßt  sich  für  einen  liegenden  Meiler  viel  leichter  ein  geeigneter  Platz  ausfindig  machen, 
als  für  einen  stehenden  vom  gleichen  Rauminhalte.  Das  Richten  des  Meilers  ist  ein- 
facher, erfordert  weniger  Sorgfalt  und  Kraftaufwand;  die  Führung  des  Feuers  ist 
leichter;  die  Witterung  hat  viel  weniger  Einfluß,  nachdem  meist  drei  Seitenwände 
des  Meilers  ganz  geschlossen  sind  und  das  Dach  mit  einer  starken  Decke  versehen 
ist;  die  lästige  und  gefährliche  Arbeit  des  Nachfüllens  kommt  gar  nicht  vor,  weil 
der  Meiler  nur  nach  einer  Richtung  (von  oben  nach  unten)  schwinden  kann;  das 
Schütten  kann  leichter  vermieden  werden  und  der  dadurch  bedingte  Schaden  kann 
niemals  solche  Dimensionen  annehmen,  wie  bei  einem  stehenden  Meiler.  Ueberhaupt 
erfordern  die  liegenden  Meiler  viel  weniger  Wartung;  ein  Köhler  kann  mehrere, 
auf  nicht  allzu  großen  Wegstrecken  auseinander  liegende  Meiler  gleichzeitig  über- 
wachen.   Diese  Methode  eignet  sich  daher  vorzugsweise  für  die  Wanderköhlerei. 

§  33.  D.  Die  G  r  u  b  e  n  k  ö  li  1  e  r  e  i  ist  die  primitivste  Metliode  der  Holzverkulilung 
und  wird  gegenwärtig  nur  melir  in  vereinzelten  Fällen  betrieben.  Sie  kann  nur  dann  als  zu- 
lässig gelten,  wenn  es  sich  um  die  Verkohlung  geringwertiger  Holzsortimente  und  nebenbei 
um  die  Gewinnung  von  Teer  handelt,  letzteres  namentlich  bei  der  \  erwendung  von  harzreichem 
Stockliolze.  Die  Grube  soll  in  einem  festen,  wenig  durchlässigen  Boden  angelegt  werden.  Die 
Tiefe  beträgt  1 — l',  m,  der  obere  Durchmesser  2 — 2^2  "',  der  untere  um   U  m  weniger.    Die 


g06  I-^  D.   S  c  h  w  a  c  k  li  ö  f  e  r  ,  Forstlich-Chemische  Technologie. 

Grube  wird  zuerst  mit  Reisig  gefüllt  und  dasselbe  angezündet.  Sobald  der  Hauch  nachläßt, 
wird  die  kohlige  Masse  zusammengestoßen  und  Holz  nachgeworfen  und  mit  Zwischenpausen 
so  weiter  verfahren,  bis  die  ganze  Grube  gefüllt  ist.  Schließlich  wird  dieselbe  mit  Rasen  und 
Erde  bedeckt  und  1 — 2  Tage  der  Abkühlung  überlassen.  Es  ist  selbstverständlich,  daß  bei 
dieser  Manipulation  ein  großer  Teil  der  Kohle  verbrennt.  Viel  zweckmäßiger  ist  es,  wenn  man 
die  Grube  ausmauert  oder  mit  einem  dichten  Lehmbeschlag  versieht,  das  Holz  auf  einen  Rost 
stellt  und  seitlich  im  Erdreich  Luftzüge  anbringt,  welche  unter  dem  Roste  einmünden.  Die 
regelrecht  mit  Holz  gefällte  Grube  wird  mit  Rasen  und  Erde  dicht  eingedeckt.  An  einigen 
Stellen  wird  die  Decke  abgenommen  und  Feuer  angemacht.  Hat  sich  das  Feuer  über  die  ganze 
Grube  verbreitet,  so  werden  die  Oeffnungen  wieder  zugedeckt  und  die  weitere  Feuerleitung 
durch  Rauchlöcher  in  der  Decke  bewerkstelligt.  Für  den  Abzug  des  Teeres  ist  unter  dem  Roste 
ein  eigenes  Rohr  angebracht.    Die  Grube  muß  deshalb  an  einem  Bergabhang  angelegt  werden. 

II.  Die  Verkohlung  in  Oefen. 

§  34.  Diese  Methode  wird  vornehmlich  dort  angewendet,  wo  es  sich  neben  der 
Erzeugung  von  Holzkohle  auch  um  die  Gewinnung  der  flüssigen  Destillationsprodukte 
(Holzessig,  Holzgeist  und  eventuell  Teer)  handelt.  Dieser  Betrieb  ist  im  Gegensatz 
zur  Meilerköhlerei  ein  rein  fabriksmäßiger. 

Die  hierzu  notwendigen  Verkohlungs-Apparate  weisen  die  verschiedensten  Kon- 
struktionen auf,  sowohl  mit  Rücksicht  auf  deren  Form  und  Größe,  wie  auch  auf 
Einrichtung  und  Leistungsfähigkeit.  Auch  bezüglich  der  Art  der  Heizung  unter- 
scheidet man  mehrere  Systeme  dieser  Oefen,  teils  solche,  bei  denen,  wie  bei  den  Mei- 
lern, die  Verkohlung  durch  eine  teilweise  Verbrennung  des  Kohlungsmateriales, 
andere  wieder,  bei  denen  sie  durch  direkte  Feuergase  oder  Heizelemente  (heiße  Luft) 
bewirkt  wird. 

Diese  sog.  Meileröfen  sind  in  der  Regel  für  die  Aufnahme  großer  Chargen  ein- 
gerichtet und  auch  meist  in  der  Form  stehender  Meiler  gebaut. 

Die  gemauerten  Verkohl  ungsöfen  (wie  jene  von  Reichenbach,  Schwarz, 
Hahnemann,  Scheffer,  F.  H.  Meyer  u.  a.)  stehen  auch  heute  noch  vereinzelt  in  Verwendung, 
haben  sich  aber  doch  im  großen  ganzen  überlebt.  Es  haftet  ihnen  der  Uebelstand  an,  daß  das 
Mauerwerk  trotz  aller  Mühe  und  Sorgfalt  nicht  dicht  zu  bringen  ist  und  durch  die  vielen  Fugen 
namhafte  Mengen  von  Destillationsprodukten  entweichen.  Ein  weiterer  Nachteil  ist  die  außer- 
ordentlich langsame  Abkühlung  nach  Schluß  der  Verkühlung.  Diese  selbst  geht  zwar  anstandslos 
von  statten  und  ist  bei  Oefen  von  80 — 120  Rm.  Holzfüllung  in  6 — 8  Tagen  beendet.  Die  -\b- 
kühlung  der  Kohlenmasse  aber  nimmt  mindestens  14 — 16  Tage  in  Anspruch,  so  daß  der  Ofen 
eigentlich  nur  Ys  der  Zeit  im  Betriebe  steht  und  ^/j  derselben  zum  Abkühlen  erforderlich  ist. 
Die  Leistungsfähigkeit  der  Oefen  ist  daher  im  Verhältnis  zu  den  Anschaffungs-  und  Erhaltungs- 
kosten eine  geringe. 

Um  diesen  Uebelständen  abzuhelfen,  wurden  verschiedene  Abänderungen  und  Verbes- 
serungen angebracht.  Es  wurden  Oefen  konstruiert,  bei  denen  während  des  Betriebes  von  unten 
Kohle  gezogen  und  oben  Holz  nachgefüllt  werden  kann.  Auch  andere  kontinuierlich  arbeitende 
Oefen  wurden  konstruiert,  wie  z.  B.  der  von  E.  F.  Ljungberg,  welcher,  aus  vier  ringförmig 
angeordneten  Abteilungen  bestehend,  nach  Art  eines  Ziegel-Ringofens  funktionieren  sollte; 
auch  er  gehört    als  solcher  schon  der  Vergangenheit  an. 

Auch  eiserne,  mit  Mauerwerk  umgebene  Oefen  finden  .\nwendung. 
Sie  sind  aufrecht  stehend  und  haben  meist  einen  Fassungsraum  von  40 — 45  Rm.  Der  Eisen- 
,  einsatz  ruht  auf  einem  Gewölbe,  unter  welchem  die  Feuerung  angebracht  ist.  Im  Inneren  des 
Ofens  befindet  sich  eine  Anzahl  vertikaler  Röhren,  welche  von  den  Heizgasen  durchzogen 
werden  und  die  Holzfüllung  zur  Verkohlung  bringen.  Das  Holz  wird  oben  eingefüllt  und  die 
Kohle  unten  durch  zwei  große,  geneigt  liegende  Entleerungsöffnungen  ausgezogen. 

Transportable  Oefen  haben  den  Erwartungen  nicht  entsprochen.  Sie  sollten 
dazu  dienen,  die  Verkohlung  gleich  in  der  Nähe  der  Holzschläge  vornehmen  und  dabei  die 
flüssigen  Destillationsprodukte  gewinnen  zu  können.  Diese  Oefen  hatten  die  Form  aufrecht 
stehender  Kessel  mit  einem  Fassungsraum  von  etwa  2  Rm.  und  waren  aus  mehreren  ring- 
förmigen Teilen  zusammengesetzt.  Diese  Teile  wurden  an  Ort  und  Stelle  zusammenge|)aßt 
und  mit  Lehm  gedichtet.  Hauptzweck  dieser  Oefen  war,  an  Transportkosten  zu  sparen,  was 
aber  in  der  Wirklichkeit  nicht  zutraf. 

Als  ein  Mittelding  zwischen  den  Oefen  und  den  im  folgenden  Kapitel  zu  besprechenden 
Retorten  wäre  vielleicht  der  kontinuierlich  arbeitende  Kanalofen  von  Gröndal 
anzusehen.  Derselbe  ist  bis  nun  auch  nur  in  Form  einer  Versuchsanlage  in  Schweden  und 
einer  Fabrikanlage    in  Finnland  ausgeführt,    aber  mit  allen  bisherigen  Errungenschaften  auf 


Trockene  De^Ullution  des  Holzes.     §  3ö.  6(j7 

diesem  Gebiete  avisgestattet  und  —  vorausgesetzt,  daß  alle  Einzelprozeduren  einen  ungestörten 
N'erlauf  nehmen  —  fflr  einen  tatsäehlicli  kontinuierlielien  Betrieb  eingerichtet. 

Dieser  ^'erkohlungsall|Jarat  besteht  aus  einem  langgestreckten  Kanal,  der  in  sich  in  drei 
resp.  fünf  Abteilungen  geteilt  ist.  Das  Kohlholz  wird  in  Hängekörben  oder  auf  Laufwägen, 
welche  mittelst  Hänge-  oder  Gelcjis-Schienen  imd  eines  mechanischen  .Antriebes  durch  den 
Kanal  langsam  fortbewegt  werden,  vorerst  in  einen  gemauerten  Vorraum  eingeführt,  gelangt 
von  liier  in  einen  teils  gemauerten,  teils  aus  Schmiedeeisen  gefertigten  \ortrockenraum,  dann 
in  den  eigentlichen,  schmiedeeisernen  Verkohlungsraum,  welcher  mit  der  Kondensationsanlage 
in  Verbindung  steht,  des  weiteren  in  den  gemauerten  Kohlen-Kühlraum  luul  endlich,  zur  Aus- 
fuhr der  fertigen  Kohle,  in  eine  gleiche  Kammer,  wie  bei  der  Einfuhr.  Alle  die  genannten  Ab- 
teilungen sind  durch  gut  schließende  Schiebetüren  von  einander  getrennt  und  ebenso  die  beiden 
Endräume  nach  außen  verscldießbar.  Ein  Generator  liefert  aus  Holzabfällen  die  zur  Vcrkoh- 
lung  notwendigen  Heizgase,  welche  vor  ihrer  eigentlichen  Verwendung  den  Kühlrauin  durch- 
ziehen und  so  die  fertige  Holzkohle  durch  Wärmeentzug  kühlen,  nach  geleisteter  \'erkohlungs- 
arbeit  aber  die  Trocknung  des  zu  kohlenden  Holzes  im  Vorlrockenraum,  bewirken. 

Jede  Wagenladung  beträgt  3  Rm.  Holz;  nach  je  einer  Stunde  wird  ein  frischer  W'agen 
eingeführt  und  einer  mit  fertiger  Kohle  herausgeschoben. 

Die  Ausbeuten  sollen  mit  diesem  Ofen  etwas  geringere  sein,  als  bei  anderen  Konstruk- 
tionen, und  seine  Verwendung  wird  daher  nur  bei  billigen  Holzpreisen  rentieren. 

b)  Holzdestillation. 
Retortenverkohlung. 

§  35.  Die  rationellste  Art  der  Holzverl^olilung,  bei  möglichst  großer  Ausbeute 
an  flüssigen  Destillationspradukten,  ist  jene  in  Retorten. 

Es   gibt  verschiedene    Konstruktionen   von    \'  c  r  k  o  h  1  u  n  g  s  r  e  t  o  r  t  e  n : 

1.  liegende; 
■   2.  stehende,  und  zwar    a)  eingemauerte,    b)  aushebbare. 

Die  gebräuchlichsten  sind  die  liegenden  Retorten,  aus  10 — 12  min  star- 
kem Schmiedeeisen  geschweißt  hergestellt,  von  3  m  Länge  und  1  m  im  Durchmesser, 
daher  annähernd  2  .  3  Rm.  Fassungsraum.  Vorne  sind  sie  mit  einer  gußeisernen 
Türe  verschlossen  und  am  rückwärtigen  Ende  geht  das  Rohr  für  die  Destillations- 
produkte ab.  Je  zwei  dieser  Retorten  haben  eine  gemeinsame  Feuerung,  welche 
derart  eingerichtet  ist,  daß  die  Heizgase  vom  Roste  durch  einen  Mauerkanal  nach 
rückwärts  ziehen  und  dort  erst  die  Retorte  treffen,  um  die  Stichflamme  abzuhalten. 
Von  hier  gehen  sie  durch  einen  Zug  nach  vorwärts,  durch  den  zweiten  nach  rück- 
wärts, wobei  sie  die  unterste  Hälfte  der  Retorte  umspülen  und  sodann  in  den  Kamin 
entweichen.  Nach  der  Einrichtung  von  Bühler  hat  jede  Retorte  ihre  eigene  Feuerung, 
wodurch  ein  rationelles  Heizen  und  daher  auch  eine  Brennstoffersparnis  erzielt  wird. 
Die  Destillation  kann  in  12  Stunden  beendet  sein,  besser  ist  es  jedoch,  wenn  dieselbe 
auf  16  Stunden  ausgedehnt  wird.  Das  Beschicken  und  Entleeren  nimmt  etwa  eine 
Stunde  in  Anspruch.  Es  muß  rasch  erfolgen,  um  den  Abbrand  der  Kohle  tunlichst 
zu  reduzieren  und  die  Wärme  des  Ofens  gut  auszunützen. 

Die  Ladung  des  Holzes  geschieht  durch  Einwerfen  der  Scheite;  es  kommen 
drei  Lagen  von  je  1  m  Länge  hintereinander,  so  daß  die  Retorte  ganz  gefüllt  ist. 
Die  Scheite  müssen  regelrecht  gelegt  sein,  um  den  Raum  möglichst  auszunützen. 
Ing.  Bühler  hat  eine  eigene  Ladevorrichtung  konstruiert,  welche  der  Hauptsache 
nach  aus  einer  auf  fahrbarem  Gestell  montierten  Hülse  besteht. 

Diese  Hülse  wird  mit  Holz  beladen  in  die  Retorte  eingeschoben  und  leer  heraus- 
gezogen, indem  eine  vorgesetzte  Scheibe  die  Holzfüllung  zurückhält.  Um  die  am 
Schlüsse  der  Destillation  noch  schwach  rotglühenden  Kohlen  rasch  ausziehen  zu 
können,  wird  vor  dem  Einbringen  des  Holzes  ein  eiserner  Rechen  mit  daran  befind- 
licher Stange  bis  an  das  rückwärtige  Ende  der  Retorte  geschoben  tmd  beim  Ent- 
leeren der  Kohle  vorgezogen. 


608  IX  D.  S  c  h  w  a  c  k  h  ö  f  e  r  ,  Forstlich-Chemische  Technologie. 

Die  Kohle  kommt  sofort  in  Kühlkästen,  die,  aus  4  mm  starkem  Eisenblech 
hergestellt,  dicht  verschließbar  und  zum  Fahren  eingerichtet  sind.  Jeder  Kühlkasten 
faßt  den  Inhalt  einer  Retorte.  Die  Abkühlung  dauert  etwa  36  Stunden.  Die  noch 
heiße  Retorte  wird  sogleich  wieder  mit  Holz  beschickt. 

Für  die  Bewältigung  größerer  Holzmengen,  bei  relativ  geringem  Zeitaufwand, 
ist  eine  liegende  Retortenanlage  von  F.  H.  Meyer,  Hannover,  konstruiert.  Die  15  m 
lange  zylindrische  Retorte  ist  aus  Schmiedeeisen  und  entweder  auf  der  einen  oder 
auf  beiden  Stirnseiten  mit  Türen  dicht  verschließbar;  sie  faßt  4  Waggonets,  zu 
je  7,  5  Rni.  Holz,  welche  auf  Schienen  in  die  Retorte  eingeführt  und  nach  vollzogener 
Destillation  aus  dieser  gezogen  oder  geschoben  werden.  Der  Retorte  vis-ä-vis  ist  ein 
ihr  gleich  großer,  eiserner,  gleichfalls  dicht  verschließbarer  Zylinder  situiert,  in  den 
die  Waggonets  mit  den  noch  glühenden  Kohlen  durch  einen  entsprechenden  Me- 
chanismus in  wenigen  Sekunden  zur  Abkühlung  befördert  werden  können.  In  die 
noch  heiße  Retorte  werden  sofort  nach  der  Entleerung  4  frisch  beschickte  Waggonets 
eingefahren. 

Die  stehend  eingemauerten  Retorten  haben  oben  die  Füll-  und 
unten  die  Entleerungsöffnung.  Die  Feuerung  befindet  sich  seitlich,  um  die  Stich- 
flamme abzuhalten.  Die  Heizgase  umspülen  die  Retorte  spiralförmig  nach  aufwärts 
steigend  und  entweichen  oben  in  den  Kamin.  Das  Abzugrohr  für  die  Destillations- 
produkte ist  ganz  oben  unmittelbar  unter  dem  Deckel  angebracht. 

Bei  der  Verkohlung  verringert  sich  das  Volumen  der  Retortenfüllung  um  etwa 
V3,  so  daß  am  Schlüsse  der  Verkohlung  die  Retorte  nur  mehr  zu  ^/g  ihres  Raum- 
inhaltes gefüllt  ist.  Um  den  leerwerdenden  Raum  sukzessive  immer  wieder  auszu- 
füllen, wird  nach  dem  Patente  F.  Schmidt  auf  den  Retorten  ein  Aufsatz  angebracht, 
welcher  über  die  Einmauerung  frei  herausragt,  also  nicht  geheizt  wird,  und  so  wie 
die  Retorte  selbst  mit  Holz  gefüllt  ist.  In  demselben  Maße,  als  das  Volumen  der 
Füllung  abnimmt,  rutscht  Holz,  schon  entsprechend  vorgewärmt,  von  oben  nach 
und  wird  auf  diese  Art  der  geheizte  Raum  besser  ausgenützt. 

Die  aushebbaren  Retorten  sind  meist  schwach  konisch,  doch  auch 
zylindrisch  geformt  und  sitzen  oben  mit  einem  starken  Gußeisenring  auf  dem  Um- 
fassungsmauerwerk auf.  Geheizt  werden  sie  von  unten,  wo  ein  Gewölbe  den  Boden 
der  Retorte  gegen  die  direkte  Einwirkung  der  Stichflamme  schützt.  Die  Heizgase 
gehen  durch  Oeffnungen,  welche  ringsum  im  Mauergewölbe  angebracht  sind,  ziehen 
an  den  Wandungen  der  Retorte  nach  aufwärts  und  entweichen  oben  in  den  Fuchs. 

Das  Ausheben  geschieht  mit  Hilfe  eines  Laufkrahnes,  welcher  die  Retorten 
nach  dem  Kühlplatz  schafft,  wo  sie  durch  Oeffnen  der  Deckel  und  Umkippen  direkt 
in  die  Kühlkästen  entleert  werden.  In  den  frei  gewordenen  Ofenraum  wird  sogleich 
wieder  eine  andere,  schon  vorbereitete,  mit  Holz  gefüllte  Retorte  eingesetzt,  so  daß 
die  Destillation  mit  nur  geringer  Unterbrechung  fortgesetzt  werden  kann. 

Die  aus  den  Retorten  entweichenden  Gase  und  Dämpfe  passieren  einen  Röhren- 
kühler, wo  der  kondensierbare  Anteil  verdichtet  wird  und  als  Rohsäure  abläuft, 
während  die  Gase  zu  den  Feuerungen  geleitet  werden  und  mit  zur  Heizung  beitragen. 
Um  das  Zurückschlagen  der  Gase  beim  Oeffnen  der  Retorte  zu  verhindern,  ist  das 
Auslaufrohr  für  das  Destillat  gekröpft  und  auch  das  Gasrohr  mit  einem  Flüssigkeits- 
verschluß versehen. 

Das  Destillat  wird  in  Absatzgefäße  geleitet,  wo  der  größte  Teil  des  Teers  zu 
Boden  sinkt  und  die  darüber  stehende  Rohsäure  zur  Weiterverarbeitung  abgezogen 
gen  wird. 

Bei  primitiver  Einrichtung  wird  die  vom  Teer  getrennte  Rohsäure  mit  Aetz- 


Trockene  DesliUalion  des  Holzes.     §  30.  ß(j9 

kalk  neutralisiert,  sodann  in  einen  Destillierkessel  gebracht,  der  Holzgeist  abgetrieben 
und  der  Destillationsrückstand  zur  Trockene  verdampft.  Der  dabei  gewonnene 
essigsaure  Kalk  (Braunkalk)  ist  mit  Teerprodukten  stark  verunreinigt. 

Um  ein  reineres  Produkt  zu  gewinnen,  wird  in  allen  besser  eingerichteten 
Fabriken  die  Rohsäure  ohne  vorhergegangene  Neutralisation  destilliert.  Zu  diesem 
Zwecke  werden  drei  DestiUierblasen  angewendet,  wek  he  stufenförmig  nebeneinander 
aufgestellt  sind.  Die  Rohsäure  kommt  in  die  unterste,  größte,  mit  Dampfheizung 
versehene  Blase  und  wird  hier  abdestilliert.  Die  Säuredämpfe  gelangen  in  die  zweite 
Blase,  wo  sich  verdünnte  Kalkmilch  befindet,  welche  die  Essigsäure  bindet.  Die 
Dämpfe,  welche  hier  entweichen,  gehen  in  die  dritte  Blase,  die  ebenfalls  verdünnte 
Kalkmilch  enthält  und  den  Rest  der  Essigsäure  autnimmt.  Die  von  hier  abgehenden 
Holzgeist-  und  Wasserdämpfe  gelangen  in  einen  Kühler,  wo  totale  Kondensation 
stattfindet  und  roher  Holzgeist  abläuft,  welcher  durch  Rektifikation  gereinigt  wird. 
Die  in  der  zweiten  und  dritten  Blase  befindliche  Lösung  von  essigsaurem  Kalk  wird 
behufs  Klärung  durch  Filterpressen  gepumpt  und  läuft  sodann  in  die  Eindampf- 
pfannen ab.  Dieselben  sind  flach  konstruiert,  haben  einen  linsenförmigen  Boden  für 
Dampfheizung  und  eine  abhebbare  Dunsthaube.  Der  hier  bis  zur  Trockene  einge- 
dampfte essigsaure  Kalk  wird  auf  geheizten  Eisenplatten  (Darre)  weiter  getrocknet 
und  als  sogenannter  Graukalk  in  den  Handel  gebracht.  Er  bildet  das  Ausgangs- 
material für  die  Darstellung  der  Essigsäure,  essigsauren  Salze  und  des  Acetons. 
Im  Anschluß  an  die  Ausführungen  über  die  trockene  Destillation  von  Holz 
im  allgemeinen  sei  hier  nur  kurz  speziell  der  Verkohlung  von  harzreichen  Nadel- 
hölzern Erwähnung  getan,  bei  welcher  außer  den  bereits  mehrfach  genannten  Pro- 
dukten auch  noch  die  der  trockenen  Destillation  des  Harzes  gewonnen  werden  können. 
*  Zu  diesem  Zwecke  wird  das  Holz  vor  der  eigentlichen  Verkohlung  mit  gesättigtem 
oder  überhitztem  Dampf  destilliert.  Nach  einem  neueren  Verfahren  von  Elfström 
wird  harzreiches  Kiefernholz  in  einer  Batterie  von  Retorten  systematisch  mit 
überhitztem  Dampf  destilliert,  wobei  in  jeder  Richtung  bessere  Ausbeuten  als  bei 
der  gewöhnüchen  Destillation  und  außerdem  Terpentin  von  hoher  Qualität  gewonnen 
werden  sollen. 

e)  Produkte  der  Holzdestillation. 

§  36.  1.  D  i  e  Holzkohle.  Eine  gute  Holzkohle  muß  folgende  Eigenschaf- 
ten besitzen: 

1.  Eine  tiefschwarze  Farbe  mit  stahlblauem  Anfluge,  über  Hirn  glänzend,  ohne 
abzufärben.  Ein  brauner  Farbenton  zeigt  unvollständige  Verkohlung  an.  Kohlen 
aus  morschem  Holze  sind  matt  und  färben  stark  ab. 

2.  Die  Holztextur  soll  deutlich  hervortreten;  der  Bruch  muß  muschelig  sein 
und  die  Stücke  dürfen  nur  wenig  Risse  besitzen.  Anbrüchiges  Holz  liefert  textur- 
lose Kohle.  War  das  Holz  feucht  oder  wurde  es  in  zu  starken  Stämmen  angewendet, 
so  resultiert  stark  rissige  Kohle. 

3.  Eine  große  Festigkeit  und  hellen  Klang.  Die  Kohle  für  hüttenmännische 
Zwecke  muß  so  fest  sein,  daß  sie  bei  der  Verwendung  im  Hochofen  den  Druck  der 
darüber  liegenden  Erz-  und  Zuschlagschüttung  auszuhalten  imstande  ist.  Ueber- 
feuerte  Kohlen  oder  Kohlen  aus  morschem  Holze  sind  leicht  zerreiblich  und  klanglos. 
Der  Klang  der  Kohlen  läßt  sich  schon  beim  Aufschütten  deutlich  erkennen. 

4.  Die  Kohle  muß  ohne  Rauch  verbrennen  und  darf  nur  eine  kurze,  blaue 
Flanune  geben.  Nicht  ganz  durchgekohlte  Stücke  verbrennen  mit  langer  leuchtender 

Handb.  d.  Forst»  iss.    3.  Aufl.    II.  39 


610 


IX  D.   S  c  h  w  a  c  k  h  ö  f  e  r  ,  Forstlich-Chemische  Technologie. 


Flamme  und  geben  einen  bedeutend  geringeren  Wärme-Effekt.  Die  Entzündungs- 
temperatur der  Holzkohle  liegt  bei  etwa  360"  C.  Die  Kohle  glimmt  an  der  Luft 
ruhig  fort. 

Das  spezifische  Gewicht  der  HoIzl<ohle  ist  von  verschiedenen  Umständen 
abhängig.  Vor  allem  ist  zu  unterscheiden  zwischen  dem  spezifischen  Gewicht  der  Kohlen- 
substanz exklusive  Porenräume  (wirkliches  spez.  Gewicht)  und  jenem  der  ganzen  Kohlenstücke, 
inklusive  der  Hohlräume  (scheinbares  spez.  Gewicht).  Die  Schwankungen  beiderseits  sind  sehr 
bedeutend.  Ersteres  variiert  von  1,4  bis  1,9  und  kann  im  Mittel  mit  1,6  angenommen  werden; 
letzteres  ist  selbstverständlich  viel  geringer,  0,14  bis  0,25,  im  Mittel  0,20.  Für  den  Kohlen- 
handel kommt  nur  das  scheinbar  spezifische  Gewicht  in  Betracht.  Auf  dasselbe  nehmen  fol- 
gende Momente  Einfluß:  1.  Die  Holzart.  Die  dichten  harten  Laubhölzer  geben  .schwerere 
Kohle  als  das  weiche  Laubholz  und  die  Nadelhölzer.  2.  Der  Feuchtigkeitsgehalt 
des  Kohlholzes.  Frisches  Holz  gibt  leichtere  Kohlen  als  das  gut  lufttrockene.  3.  D  i  e  V  e  r  - 
kohlungsmethode.  Die  Meilerkohlen  sind  weniger  durchgekohlt  und  daher  im  allge- 
meinen schwerer  als  die  Retortenkohlen.  4.  D  e  r  K  o  h  1  g  a  n  g  und  die  Verkohlungs- 
t  e  m  p  e  r  a  t  u  r.  Je  rascher  der  Kohlgang  geleitet  wird,  desto  leichter  fallen  die  Kohlen  aus. 
(Das  wirkliche  spez.  Gewicht  steigt  aber  mit  der  Verkohlungs-Temperatur.)  Violette  fand  das- 
selbe bei  310»  C.  =  1,42,  bei  1500"  C.  =  1,87.  Solche  dichte  Kohle  ist  schwer  entzündlich 
und  bedarf  zum  Fortbrennen  einen  scharfen  Luftzug.  Das  Hektolitergewicht  (in  Kübeln 
oder  Körben  gemessen)  hängt  von  der  Holzart,  von  der  Größe  der  Kohlenstücke,  von 
dem  spez.  Gewichte  und  von  der  Art  des  Einschüttens  ab.  Es  schwankt  in  der  Regel 
bei  Meilerkohlen  aus  hartem  Holze  zwischen  18  und  22  kg  und  aus  weichem  Holze  zwischen 
115  und  18  kg. 

Gut  durchgeglühte  Meilerkohlen  aus  hartem  und  weichem  Holze  zeigten  nach 
18  in  meinem  Laboratorium  untersuchten  Proben  folgende  Zusammensetzung: 


Minimum 

Maximum 

Mittel 

Kohlenstoff 

81,3 

86,9 

84,5 

Wasserstoff 

1,8 

2,4 

2,2 

Sauerstoff 

4,6 

8,3 

6,7 

Hygroskopisches  Wasser 

4,5 

7,0 

4,6 

Asche 

1,4 

4,1 

2,0 

Kalorischer  Wert 

6900 

7600 

7130 

Von  diesen  18  Proben  wurden  8  auf  ihre  Festigkeit  geprüft  und  dabei  folgende 
Resultate  erhalten: 


Druckfestigkeit  in  1  kg  per  1  cm' 

auf  der  Hirnfläche 

auf  der  Wölbfläche 

Minimum 

Maximum 

Mittel 

Minimum 

Maximum      Mittel 

Kohle  aus  hartem  Holze 
„         „     weichem     „ 

265 

78 

332 
182 

305 
125 

21 
11 

58 
38 

41 
22 

Die  Holzkohle  ist  ein  guter  Wärmeleiter.  Wird  das  Leitungsvermögen  des 
Eisens  =  100  gesetzt,  so  ist  jenes  der  Holzkohle  rund  60 — 65. 

Beim  Liegen  an  der  Luft  nimmt  die  Holzkohle  5 — 12%  Feuchtigkeit  auf.  Im 
frisch  geglühten  Zustande  besitzt  die  Holzkohle  ein  beträchtliches  Absorptionsver- 
mögen für  Gase  und  Flüssigkeiten,  sowie  auch  für  gelöste  Substanzen,  namentlich 
Färb-  und  Riechstoffe.  Darauf  beruht  ihre  Anwendung  zum  Entfuseln  des  Wein- 
geistes, hier  und  da  auch  zum  Entfärben  von  Lösungen,  Reinigen  des  Trink- 
wassers  etc. 

Die  hauptsächlichste  Verwendung  findet  die  Holzkohle  im  Eisenhüttenbetriebe, 
im  Schmiedefeuer  und  für  die  Metallgewinnung-  und  Verarbeitung  überhaupt.  Früher 


Trockene  Destillation  des  Holzes.     §  37.  611 

war  ihre  Anwendung  eine  viel  gi'ößere  und  vielseitigere;    heute  ist,  wie  schon  er- 
wähnt, die  Holzkohle  zum  großen  Teil  durch  Gasfeuerung  verdrängt. 

§  37.  2.  D  e  r  Holzessig.  Der  bei  dem  primitiven  Verfahren  gewonnene 
rohe  Holzessig  ist  eine  rotbraune,  trübe  Flüssigkeit  von  stechendem,  empyreumati- 
schem  Gerüche  und  stark  sauerer  Reaktion.  Sein  spezifisches  Gewicht  schwankt 
zwischen  1,025  bis  1,050.  Er  ist  mit  Teerprodukten  verunreinigt  und  enthält  eine 
ganze  Reihe  von  Bestandteilen  ^),  von  denen  aber  nur  die  Essigsäure  und  der  Holz- 
geist verwendbar  sind.  Bei  der  verbesserten  Destillationsmethode  wird  überhaupt 
kein  Essig,  sondern  nur  essigsauerer  Kalk  und  einfach  destillierter  Holzgeist  gewonnen. 

Darstellung  reinerer  Produkte.  Um  aus  dem  einfacli  destillierten  Holz- 
geist den  M  e  t  li  y  1  a  llv  o  h  o  1  meiir  oder  minder  rein  zu  gewinnen,  muß  der  rolie  Holzgeist 
einer  fraktionierten  Destillation  unterworfen  werelon.  Hierzu  dienen,  ebenso  wie  bei  der  Aethyl- 
alkohol-Erzeugung  in  der  Spiritusbrennerei,  entweder  periodiscli  oder  kontinuierlich  wirkende 
Destillierapparate,  in  denen  der  rohe  Holzgeist,  durch  wiederholte  Destillation  (Rektifikation) 
und  teilweise  Kondensation  (DephlegmatiOn),  in  verschiedene  Fraktionen,  entsprechend  den 
Siedepunkten  der  einzelnen  Bestandteile,  zerlegt  und  diese  nacheinander  oder  nebeneinander 
aufgefangen  werden  können.  Bei  der  periodischen  Fraktionierung  ergibt  jede  Rektifikation 
Produkte,  welche  entweder  schon  als  solche  Verwendung  finden  können  (z.  B.  Denaturierungs- 
holzgeist,  Methylalkohol  für  Formaldehyd-  und  Anilinfarben-Fabrikation  (mit  0,03 — 0,5% 
Aceton),  zu  Parfümeriezwecken  (mit  0,01  °o  -Aceton),  oder  welche  erst  nach  weiterer  Raffinierung 
als  rein  anzusprechen  sind.  Die  kontinuierliche  Rektifikation  hingegen,  in  sog.  Kolonnen- 
apparaten ausgeführt,  liefert  in  einem  Zuge,  ununterbrochen  im  Zu-  und  Ablauf,  nicht  nur 
Zwisclienprodukte  (Denaturierungsholzgeist  etc.),  sondern  auch  Methylalkohol  höchster  Grä- 
digkeit. 

Der  chemisch  reine  Methylalkohol,  CH4O  oder  H.CHj.OH,  ist  eine 
farblose,  leicht  bewegliche  Flüssigkeit  von  eigentümlich  schwach  alkoholischem  Geruch  und 
brennendem  Geschmack.  Bei  15°  C.  hat  er  eine  Dichte  von  0,7984.  Sein  Siedepunkt  liegt 
bei  66,5°  C.  Auf  Zusatz  von  Wasser  bleibt  er  klar  (Zeichen  der  Reinheit),  mischt  sich  in  allen 
Verhältnissen  mit  Wasser,  Alkohol  und  Chloroform.  Er  ist  ein  Lösungsmittel  für  Harze,  äthe- 
rische Oele,  Kampfer,  Wallrath  etc.,  und  kann  daher  in  der  Industrie  melirfache,  bereits  er- 
wähnte, \'erwendung  finden.  Er  brennt  mit  schwach  leuchtender,  nicht  rußender  Flamme. 
Sein  Heizwert  beträgt  5310  Kalorien,  ist  daher  wesentlich  geringer  als  der  des  Weingeistes 
(Aethylalkohol),  welcher  sich  auf  7120  Kalorien  stellt. 

Reine  Essigsäure  wird  entweder  aus  dem  Calcium-  oder  Natriumacetat  her- 
gestellt. 

Der  in  vorhin  angegebener  Weise  gereinigte  essigsaure  Kalk  wird  mit  Salzsäure  zerlegt 
und  die  Essigsäure  abdestilliert. 

(C2H302)2Ca-)-2HCl  =  CaCI,+2(C2H402).  1    I    1 

Die  Salzsäure  muß  entsprechend  verdünnt  sein  und  darf  kein  Ueberschuß  davon  in  .An- 
wendung kommen. 

Die  Destillation  geht  zwischen  100  und  120°  C.  glatt  vonstatten.  Das  Destillat  ist  farb- 
los, riecht  nur  schwach  empyreumatisch  und  gibt  mit  Silbernitrat  nur  eine  ganz  schwache 
Trübung.  Der  schwache  Teergeruch  kann  durch  nochmalige  Destillation  der  Säure  unter  Zusatz 
von  2 — 3%  Kaliumbichromat  oder  auch  durch  frisch  geglühte  Holzkohle  beseitigt  werden. 
Der  Gehalt  des  Destillates  an  Essigsäure  soll  etwa  35 — 40%  betragen,  was  man  durch  die 
Verdünnung  der  zur  Zerlegung  benützten  Salzsäure  in  der  Gewalt  hat. 

Die  Zerlegung  des  essigsauren  Kalkes  durch  Schwefelsäure  anstatt  Salzsäure  hat  sich  in 
der  letzten  Zeil  immer  mehr  eingebürgert.  Die  Preisverhältnisse  zwischen  den  beiden  Säuren 
haben  zugunsten  der  Schwefelsäure  entschieden  und  ebenso  auch  die  Ausbeuten  an  höher 
prozentigen  Essigsäure-Produkten.  Im  Prinzip  sind  die  beiden  Methoden  gleich;  in  der  Aus- 
führung erfordert  aber  das  Schwefelsäureverfahren  mehr  Vorsicht  und  für  den  speziellen  Zweck 
eingerichtete  Destillierapparate. 

An  Stelle  des  Calciumacetales  wurde  früher  vielfach  das  Natriumacetat,  das  sog. 
Rotsalz,  in  den  Holzdestillationen  hergestellt  und  zur  Essigsäurefabrikation  ver- 
wendet. Zu  diesem  Zweck  wird  der  Holzessig  mit  Soda  neutralisiert;  die  sich  dabei  aus- 
scheidenden teerigen  Produkte  werden  entfernt,  die  Lösung  in  den  Destillierapparat  gebracht 
und  der  Holzgeist  abgetrieben.  Die  in  der  Destillierblase  verbleibende  Flüssigkeit  wird  in 
eine  flache  Pfanne  abgelassen  und  bis  auf  27°  B  (heiß  gewogen)  konzentriert.  Diese  von  den 
Teerbestandteilen  intensiv  rot  gefärbte  Lösung  kommt  in  noch  heißem  Zustande  in  eiserne 
Kristallisierkästen,  wo  beim  .\bkühlen  das  .Natriumacetat  auskristallisiert.   Die  Kristalle  werden 


1)  Aceton  (Siedepkt.  56,3°  C),  Methylalkohol  (Siedepkt.  66,5°  C),  AllylalUohol  (Siedepkt. 
97,0°  C),  Aldehyd,  Methylacetat,  höhere  Ketone,  Amine,  Holzöle  und  Wa^^cr. 

39* 


612  IX  D.   S  c  h  w  a  c  k  h  ü  f  e  r  ,   Forstlich-Chemische  Technologie. 

in  der  Zentrifuge  von  der  JMutterlauge  getrennt  und  in  einem  Kessel  geschmolzen.  Zuerst 
zerfließen  die  Kristalle  in  ihrem  Kristallwasser,  beim  Abdunsten  derselben  wird  die  Masse 
allmählich  trocken,  staubig  und  bei  weiterer  Steigerung  der  Temperatur  beginnt  jetzt  der 
eigentliche  Fluß.  Das  Schmelzen  wird  so  lange  fortgesetzt,  bis  eine  herausgenommene  Probe 
mit  Wasser  eine  farblose  Lösung  gibt.  Ist  dieser  Punkt  erreicht,  so  wird  die  Schmelze  aus 
dem  Kessel  entleert,  in  siedend  heißem  Wasser  gelöst,  die  Lösung  filtriert  und  zur  Kristallisation 
angestellt.  Die  Kristalle  werden  wieder  von  der  Mutterlauge  getrennt,  mit  Schwefelsäure 
zerlegt  und  die  Essigsäure  abdestilliert. 

2(C2H302Na)+H2SOj  =  Na2SOi+(C2Hj02). 

Die  auf  diese  Art  erzeugte  Essigsäure  ist  nahezu  chemisch  rein. 

Will  man  Eisessig,  so  wird  die  Zerlegung  mit  konzentrierter,  andernfalls  mit  entsprechend 
verdünnter  Schwefelsäure  vorgenommen. 

Die  Mutlerlaugen,  welche  von  den  Kristallisationen  resultieren,  werden  immer  wieder 
eingedampft,  neuerlich  zum  Kristallisieren  gebracht  und  so  bis  auf  einen  kleinen  Rest,  der 
schon  sehr  unrein  ist,  aufgearbeitet. 

Die  reine,  wasserfreie  Essigsäure  C2H4O2  (oder  CH3COOH)  ist  eine 
farblose  Flüssigkeit,  welche  bei  +  16,7°  C.  kristallinisch  erstarrt  (Eisessig).  Ist  die  Säure  wasser- 
haltig, so  liegt  die  Erstarrungstemperatur  tiefer.  . 

Die  Säure  besitzt  einen  seiir  scharfen,  stechend  sauren,  zu  Tränen  reizenden  Geruch 
und  wirkt,  auf  die  Haut  gebracht,  blasenziehend.  Bei  15"  C.  ist  die  Dichte  der  flüssigen  Säure 
1,055.  Auf  Zusatz  von  Wasser  steigt  die  Dichte  und  erreicht  in  der  77  bis  SOprozcntigen  Säure 
ihr  Maximum  von  1,075.  Der  Siedepunkt  liegt  bei  118°  C,  nichtsdestoweniger  verdunstet 
sie  aber  schon  bei  gewöhnlicher  Temperatur  in  merklicher  Menge.  Der  Dampf  ist  brennbar. 
Die  reine  Essigsäure  mischt  sich  in  allen  Verhältnissen  mit  Wasser,  Alkohol  und  Aether.  Sie 
löst  viele  ätherische  Oele,  Kampfer,  Harze,  Gummi,  Kleber  etc.  Einzelne  ätherische  Gele, 
wie  z.  B.  Zitronenöl  und  Terpentinöl,  sind  nur  in  höchst  konzentrierter  Essigsäure  löslich.  Wenn 
die  Säure  mehr  als  2%  Wasser  enthält,  so  sind  die  genannten  Oele  unlöslich;  man  kann  dieses 
Verhalten  dazu  benützen,  einen  2%  übersteigenden  Wassergehalt  in  der  Säure  nachzuweisen. 
Die  Essigsäure  ist  eine  einbasische  Säure;    die  Salze  derselben  werden  Acetate  genannt. 

Für  sich  allein  kann  die  Essigsäure,  bezw.  ihr  Dampf,  bis  auf  360°  C.  erhitzt  werden, 
ohne  eine  Veränderung  zu  erfahren.  Kommt  jedoch  Essigsäuredampf  mit  glühender  Kohle 
in  Berührung,  so  wird  er  in  Sumpfgas,  Kohlenoxyd  und  Kohlensäure  zerlegt. 

2C2H40,4-C  =  2CHj+2CO+C02. 

Dieser  Prozeß  geht  schon  bei  schwacher  Rotglut  vor  sich,  erfolgt  daher  auch  bei  der 
trockenen  Destillation  des  Holzes  und  verringert  die  Ausbeute  an  Essigsäure. 

Für  die  Darstellung  der  essigsauren  Salze  (Acetate)  bildet  entweder  der  essig- 
saure Kalk  oder  die  freie  Essigsäure  den  Ausgangspunkt.  Die  Acetate  finden  in  der  Färberei, 
Zeugdruckerei,  Farbenfabrikation,  ferner  für  chemische  und  pharmazeutische  Zwecke  An- 
wendung.   Die  wichtigsten  derselben  sind: 

1.  Bleiacetate:  das  neutrale  Salz  (Bleizucker)  (C,H302)2Pb-|-.3aq,  das  basische  Salz 
(Bleiessig)  2Pb(C2H302)2.     Pb(0H)2. 

2.  Die  Kupferacetate:  das  neutrale  Salz  (Grünspan)  (C2H302)2Cu-|-aq  das  zweidrittel- 
saure  Salz  2(C,H302)oCu+CuO-4-6aq,  das  essig-arseniksaure  Kupfer  (Schweinfurter  Grün) 
(C2H302)2Cu-j-3"(As2Cub4). 

3.  Die  Aluminiumacetate:  das  normale  Salz  Al2(C2H302)6,  das  basische  Salz  AI, (OH), 
(CaHjO,),. 

4.  Die  Eisenacetate:  das  0-xydulacetat  (Eisenbeize)  (C2H302)2Fe+4aq,  die  Oxydace- 
tate:  das  neutrale  Salz  Fe,(C2H30,)e,  das  basische  Salz  Fe,(0  H),(C2H30„)i  und  diverse  andere. 

Aus  dem  essigsauren  Kalk  wird  durch  trockene  Destillation  bei  300 — 400°  C.  Aceton 
gewonnen. 

(G2H302)2  Ca  =  CaC03-t-2CH3— CO— CH3 

Aceton 

Das  bei  der  ersten  Destillation  erhaltene  Rohaceton  wird  mit  Wasser  verdünnt,  um  die 
mit  übergegangenen  Teeröle  abzuscheiden,  und  sodann  unter  Zusatz  von  Alkalien  oder  alka- 
lischen Erden,  behufs  Bindung  der  flüchtigen  Säuren  und  Zerstörung  der  Aldehyde,  durch 
fraktionierte  Destillation  in  kontinuierlich  wirkenden  Rektifizier-Kolonnen-Apparaten,  ebenso 
wie  der  Holzgeist,  raffiniert. 

Aus  100  kg  essigsaurem  Kalk  werden  durchschnittlich  24 — 25  kg  Rohaceton  oder  ca.  20  kg 
Reinaceton  erhalten. 

Das  Aceton  (C3HeO)  ist  eine  eigentümlich  riechende  Flüssigkeit  vom  spez.  Gewicht 
0,792  (bei  20°  C),  siedet  bei  56,5°,  mischt  sich  mit  Wasser,  Alkohol  und  .^ether  und  kann  durch 
Zusatz  von  Salzen  aus  diesen  Lösungen  wieder  abgeschieden  werden.  Die  Acetondämpfe  sind 
brennbar  und  geben  mit  Luft  ein  explosibles   Gemisch. 

Die  Hauptverwendung  findet  das  Aceton  zur  Erzeugung  von  rauchschwachem  Schieß- 
pulver, ferner  als  Lösungsmittel  für  Harzöle,  in  der  Zelluloidindustrie  etc. 


Trockene  Destillation  des  Holzes.     §  38.  ß23 

§  38.  3.  D  e  r  Holzteer.  Die  äußeren  Eigenschaften  des  Teeres  (Konsi- 
stenz, Farbe,  Geruch)  sind  je  nach  seiner  Abstammung  verschieden. 

Der  Teer  aus  Nadelhölzern  ist  syrupartig,  dunkelbraun  und  besitzt  einen 
empjTeumatischen  Geruch,  der  Laubholzteer  ist  fett-  oder  talgartig,  graubraun  bis 
dunkelbraun  und  riecht  widerlich  brcnzlich. 

Die  chemische  Zusammensetzung  des  Teers  ist  sehr  kompliziert;  es  sind  bis 
jetzt  über  20  verschiedene  Bestandteile  darin  nachgewiesen  worden. 

Der  Holzteer  wird  zumeist  ohne  weitere  Verarbeitung  als  Anstreichmittel  für 
Holz,  namentlich  bei  Schleusen-,  Brücken-,  Uferschutzbauten,  Zäunen  und  dgl. 
verwendet. 

Unterwirft  man  den  Teer  einer  fraktionierten  Destillation,  so  können  drei  verschiedene 
Produkte  daraus  gewonnen  werden,  und  zwar: 

10 — 15%  leichtes  Oel  vom  spez.  Gew.  0,900 — 0,977 
15 — 20%  schweres  „       „        „  „     1,014 — 1,021 

40 — 50°ö  Pech. 

Das  auf  100  Fehlende  ist  Wasser  mit  etwas  Essigsäure.  Das  bei  allmählich  bis  zu  160°  C. 
ansteigender  Temperatur  übergehende  leichte  Oel  (Kienöl)  besteht  vorwiegend  aus  Kohlen- 
W'asserstotfen  der  Reihe  CnHon— 6,  (wie  Benzol,  Toluol,  Xylol,  Cymol)  und  kann,  nachdem' es 
von  dem  gleichzeitig  mit  übergehenden  essigsauren  Wasser  getrennt  ist,  als  Beleuchtungsmaterial 
oder  als  Lösungsmittel  für  Fette,  Harze  oder  dergleichen  Verwendung,  finden. 

Das  zwischen  etwa  180 — 260°  C.  übergehende  schwere  Oel  entliält  Kreosot'nebst  diversen 
Beimengungen.  Es  kann  als  Imprägnierungsmittel  für  Holz,  Erzeugung  von  Wagenschmiere 
und  dgl.  benützt  werden;  am  vorteilhaftesten  ist  es  aber,  das  Kreosot  daraus  zu  gewinnen. 
Zu  diesem  Zwecke  wird  es  nochmals  einer  Destillation  unterzogen,  mit  Wasser  gewaschen  und 
mit  Sodalösung  entsäuert.  Die  vom  Waschmittel  abgezogenen  Kreosotöle  werden  in  einem 
Mischapparat  mit  schwacher  Natronlauge  systematisch  extrahiert,  wodurch  das  Kreosot  und 
auch  alle  übrigen  Phenole  in  Lösung  gehen,  die  sonstigen  Beimengungen  aber  ungelöst  zurück- 
bleiben. Durch  Einblasen  von  Dampf  wird  die  alkalische  Rohkreosotlösung  von  suspendierten 
Bestandteilen  befreit  und  die  so  geklärte  Lösung  nun  mit  llineralsäure  (Schwefel-  oder  Salz- 
säure) zerlegt.  Das  Rohkreosot  scheidet  sich  hierbei  als  ölige  Schichte  ab,  welche  durch  Ab- 
lassen der  Säure  von  dieser  getrennt  werden  kann.  Durch  wiederholtes  Lösen  dieses  Rohkreosots 
in  Natronlauge,  Zersetzung  der  Lösung  mit  Säure  und  Destillieren  erhält  man  dann  das  Rein- 
kreosot. 

Das  Kreosot  ist  kein  chemisches  Individuum,  sondern  ein  Gemenge  von  kompli- 
zierter Zusammensetzung.    Es  besteht  aus: 

Phenol  CeH5(OH). 
Kreosol  CjH3(CH,)  (0CH3);(0H). 
Parakresol  C5H4  (CH3)'(OH). 
.  Phlorol  C5H3  (CH3)  (CH3)  (OH). 
Guajacol  C^H,  {OCH3)  (OH). 

Ferner  aus  den  Dimethyläthern:  des  Pyrogallols,  des  Methylpyrogallols  und  des  Propyl- 
pyrogallols. 

Das  reine  Kreosot  ist  eine  farblose,  am  Lichte  jedoch  allmählich  gelb  werdende,  stark 
lichtbrechende  Flüssigkeit  von  öliger  Konsistenz,  rauchartigem  Geruch  und  intensiv  brennen- 
dem Geschmacke.  Auf  die  Haut  gebracht  wirkt  es  ätzend.  Es  zeigt  neutrale  Reaktion.  Das 
spezifische  Gewicht  schwankt  zwischen  1,030 — 1,080;  der  Siedepunkt  liegt  zwischen  205  und 
220°  C.  Bei  —  20°  ist  es  noch  flüssig.  In  alkalischen  Laugen,  in  Alkohol,  Aether,  Schwefel- 
kohlenstoff ist  es  leicht,  in  Wasser  schwer  löslich. 

Der  Deslillationsrückstand  „das  sog.  Pech"  erstarrt  beim  Erkalten  zu  einer  schwarzen, 
glänzenden  Masse  von  muscheligem  Bruch.  Es  besteht  der  Hauptmenge  nach  aus  Paraffin 
CnH2n  +  2  und  ähnlichen  Verbindungen  und  findet  als  Schiffpech,  als  Dichtungsmaterial  für 
Holzstöckelpflaster  etc.  Verwendung. 

Besondere  Erwähnung  verdient  noch  der  Teer  von  harzreichen  Nadelhölzern 
und  der  Birkenrindenteer.  Der  erstere,  unter  den  Namen :  schwedischer,  Stockholmer, 
russischer  oder  finnländischer  Teer  ein  gesuchtes  Handelsprodukt,  unterscheidet  sich 
in  seinem  Wert  vom  Laubholzteer  durch  seinen  Gehalt  an  Produkten  der  trockenen 
Destillation  des  Harzes,  der  mitunter  kein  geringer  ist.    Schon  bei  der  Destillation 


614 


IX  D.  S  c  h  w  a  c  k  h  ö  f  e  r  ,  Forstlich-Chemische  Technologie. 


des  Holzes  wird  man  daher,  wie  bereits  angedeutet,  Vorsorge  treffen,  um  diese  Pro- 
dukte möglichst  getrennt  vom  Teer  auffangen  zu  können  und  ein  Destillat  zu  erhalten, 
welches  unter  der  Bezeichnung  ,,Rohkienöl"  mit  als  Rohmaterial  für  die  Herstellung 
von  Harzdestillations-Produkten  dient.  Dort  wo  dies  nicht  möglich  ist,  wird  der 
Teer  die  Hauptmenge  der  Harzbestandteile  enthalten  und  dieser  somit  zur  Gewin- 
nung des  Rohkienöles  herangezogen  werden. 

Durch  Destillation,  Reinigung  auf  chemischem  Wege  und  sorgfältige  Fraktio- 
nierung gehngt  es,  aus  diesem  Rohkienöl  Raffinate  herzustellen,  welche  den  eigent- 
lichen Harzprodukten  (hauptsächlich  Terpentinöl)  zwar  nicht  völlig  gleichkommen, 
aber  sehr  wohl  als  Surrogate  für  diese  Verwendung  finden  können. 

Der  Birkenrindenteer,  welcher  namentlich  in  Rußland  erzeugt  wird, 
ist  dünnflüssig,  ölartig,  graublau  bis  schwarzblau,  opalisierend,  von  intensivem, 
an  Steinöl  erinnernden  Geruch,  leicht  flüchtig  und  spezifisch  leichter  als  Wasser. 
Die  Hauptbestandteile  sind  Toluol  C^Hg  (bis  zu  50%),  Benzol  CgHg  und  das  soge- 
nannte Eupion  (d.  i.  ein  Gemisch  von  mehreren,  dem  Benzol  homologen  Kohlen- 
wasserstoffen). Birkenrindenteer  dient  zur  Bereitung  des  Juchtenleders  und  zur 
Darstellung  der  vorgenannten  Produkte,  welche  in  der  Industrie  mehrfache  Ver- 
wendung finden. 

Ausbeute    an    Holzkohle,    Holzessig,    Holzgeist    und    Teer. 


In  stehenden  Meilern  und  zwar 

Mittlere  Kohlenausbeute  aus  folgenden 
Holzarten  und   Sortimenten 

Ständige  Kiohlung 

Wandernde  Kohlung 

Gew.  % 

Vol.  % 

Gew.  %             Vol.  % 

Fichten-Scheitholz 

„      -Prügelholz 

„      -Stockholz 

Tannen-Scheitholz 

„      -Prügelholz 

Kiefern-Scheitholz 

„      -Prügelholz 

Lärchen  Scheitholz 

„       -Prügelholz 

Rotbuchen- Scheitholz 

„          -Prügelholz 

Eichen-Scheitholz 

„       -Prügelholz 

25 
22 
23 

24 
20 
25 
21 

2-4 

20 
18 
22 
20 

70 
60 
63 
65 
50 
65 
60 
70 

50 
50 
55 
55 

20 
18 

20 

22 

18 
21 
18 
17 
14 
19 
17 

60 
50 

56 

60 
50 

60 
50 
40 
40 
58 
50 

Diese  Zahlen  sind  nur  als  beiläufige  Werte  aufzufassen,  da  die  Ausbeute  von  so 
vielen  Momenten  beeinflußt  wird,  daß  sich  allgemein  gültige  Mittel-  oder  Grenz- 
werte gar  nicht  angeben  lassen.  Ganz  besonders  gilt  dies  von  der  volumprozentigen 
Ausbeute,  wo  auch  noch  die  Unsicherheit  des  Messens  dazu  kommt.  Im  großen 
Durchschnitte  werden  pro   Raummeter  vom 

weichen  Holze     5     bis     8     im  Mittel  6  V,  Hektoliter, 
harten  „       3  H    „    5  M,    „        „       4 ;/, 

Holzkohle  gewonnen. 

Für  die  Ausbeute  an  Essig  resp.  Graukalk  kann  nur  die  Verkohlung  in  Retorten 
und  Oefen  maßgebend  sein.  Je  langsamer  die  Verkohlung  vor  sich  geht,  desto  höher 
ist  die  Ausbeute  an  Gesamtdestillat.  Entrindetes  Holz  gibt  mehr  Säure  als  solches 
mit  der  Rinde;  desgleichen  gesundes  Holz  mehr  als  anbrüchiges;  Stammholz  mehr 
als  Astholz  und  Laubholz  mehr  als  Nadelholz.  Von  großem  Einflüsse  ist  der  Wasser- 
stoffgehalt des  Holzes. 


Trockene  Destillalioii  des  Holzes.     §  39.  g£5 

Im  fabriksmäßigen  Betriebe,  bei  guter  Einrichtung  werden  aus  100  kg  Buchen- 
holz (entrindet)  erhalten: 

24—25  kg  Holzkohle, 
7—8  „  Graukalk, 
1 — 1  Vi  „  Holzgeist, 
7—8      „    Teer. 

Diese  Zahlen  beziehen  sich  auf  Holztrockensubstanz. 

Bei  Nadelholz  ist  die  Ausbeute  an  Graukalk  um  2 — 3  kg  und  an  Holzgeist  um 
etwa  Vi  kg  geringer,  jene  an  Teer  hingegen  höher.  Bei  harzreichen  Hölzern  steigt 
die  Teerausbeute  auf  12 — 16  kg.  In  der  Regel  ist  aber  für  den  Teer  keine  entspre- 
chende Verwertung  zu  finden,  so  daß  er  in  den  Destillationsanstalten  verheizt  wer- 
den muß. 

Für  die  Rentabilität  des  Unternehmens  ist  der  Trockenheitsgrad  des  zur  Ver- 
kohlung gelangenden  Holzes  sehr  maßgebend,  weil  davon  der  Brennmaterialaufwand 
abhängt.  Man  läßt  daher  das  Holz  durch  längeres  Ablagern  möglichst  gut  lufttrocken 
werden  oder  wendet  künstliche  Trocknung  an  durch  die  von  den  Retortenheizungen 
abziehenden  Essengase,  bei  gleichzeitig  starker  Ventilation  in  den  Trockenräumen. 

§  39.  Verkohlung  von  Holzabfällen.  Seit  Jahren  schon  werden 
Anstrengungen  gemacht,  die  Holzabfälle  von  Sägewerken  und  ähnlichen  Holzver- 
arbeitungsstätten, welche  dort,  wo  man  keine  Gelegenheit  hat,  sie  zu  verfeuern, 
nicht  nur  ganz  wertlos  sind,  sondern  auch  noch  Kalamitäten  bei  der  Wegschaffung 
verursachen,  zur  Verkohlung  zu  verwenden.  Bei  der  gewöhnlichen  Art  der  Ver- 
kohlung resultiert  aber  nur  Kohlenklein  oder  Pulver,  welches  erst  brikettiert  werden 
muß,  um  es  in  eine  gebrauchsfähige  Form  zu  bringen.  Da  aber  das  Holzkohlen- 
pulver, selbst  bei  starker  Pressung,  keine  genügende  Bindigkeit  hat,  so  muß  ein 
Bindemittel  (Wasserglas,  Teer,  Gallerte  von  Caraghenmoos  etc.)  zugesetzt  werden, 
was  die  Fabrikation  verteuert.  Teer  hätte  man  am  billigsten  zur  Verfügung ;  solche 
Briketts  müssen  aber  dann  noch  nachträglich  wieder  bis  zur  vollständigen  Entgasung 
erhitzt  werden,  was  nicht  mehr  rentiert.  Da  ferner  die  Hauptmenge  der  Sägewerks- 
abfälle solche  von  Nadelhölzern  sind,  welche  relativ  geringe  Ausbeuten  an  Graukalk 
und  Holzgeist  liefern,  so  gestaltet  sich  auch  mit  Rücksicht  darauf  die  Verkohlung 
derselben  nicht  rentabel  und  erklärt  sich  somit  die  Erscheinung,  daß  bis  zum  heutigen 
Tage  diese  Art  der  Verwertung  von  Holzabfällen  noch  nicht  im  großen  eingeführt  ist. 

Ganz  abgesehen  von  der  geringeren  Rentabilität  der  Verkohlung  von  Abfällen 
gegenüber  der  von  Holz  in  jeder  anderen  Form  überhaupt,  kommt  als  weiterer  Uebel- 
stand  bei  dieser  Nutzungsart  noch  hinzu,  daß  es  der  Technik  trotz  der  eifrigsten 
Anstrengungen  bis  nun  nicht  gelungen  ist,  einen  für  diese  Zwecke  einwandfrei  funk- 
tionierenden Apparat  zu  konstruieren.  Die  dichte  Lagerung  des  Sägemehls  in  den 
Verkohlungsapparaten  gewöhnlicher  Art  verhindert  einen  freien  Durchgang  der 
Gase  und  Dämpfe,  welche  die  Wärmeübertragimg  vermitteln  sollen,  und  dement- 
sprechend auch  den  Abzug  der  Destillationsprodukte,  als  deren  Folgen  sich  ergeben: 
unregelmäßiger  Betrieb  und  ungleichmäßige  Produkte.  Auch  der  hohe  Wassergehalt 
der  Sägeabfälle  bereitet  Schwierigkeiten. 

Zahlreiche  Patente  auf  Erfindungen,  welche  diese  Schwierigkeiten  beheben 
sollten,  wurden  genommen,  keines  aber  hat  sich  über  das  Versuchsstadium  hinaus 
bewährt. 

Kurz  erwähnt  seien  daher  hier  nur  die  Versuche  mit:  Retorten  mit  Rührvor- 
richtungen, rotierenden  Retorten  mit  oder  ohne  Rührwerken,  Brikettierung  der 
Sägespäne,   unter  den  verschiedensten    organischen   und   anorganischen   Zusätzen , 


6ig,  IX  D.  Schwack  höfer,  Forstlich-Chemische  Technologie. 

Verkohlung  des    Materials  in  dünner  Schicht,  auf  Horden  oder  während  des  lang- 
samen Durchrieseins  durch  den  Verkokungsraum  u.  a.  m. 

y.  Das  Holz  als  Heizmaterial. 

§  40.  Allgemeines  über  den  Heizwert  der  Brennmate- 
rialien. Der  Wert  eines  Heizstoffes  ist  abhängig  von  seiner  chemischen  Zusam- 
mensetzung. Die  gewöhnlichen  festen  Brennstoffe,  wie  Holz,  Torf,  Braunkohle  und 
Steinkohle  bestehen  aus  Kohlenstoff,  Wasserstoff  und  Sauerstoff,  nebst  geringen 
Mengen  von  Stickstoff;  ferner  enthalten  alle  hygroskopisches  Wasser  und  Mineral- 
bestandteile. In  den  fossilen  Brennstoffen  ist  auch  Schwefel,  und  zwar  vorwi^end 
als  Schwefelkies  vorhanden. 

Alle  fossilen  Brennstoffe  sind  insoferne  gleichen  Ursprungs,  als  die  Holzfaser  das  Material 
hierzu  geliefert  hat.  Der  Zersetzungsprozeß,  welcher  dabei  stattgefunden  hat,  wird  in  seinen 
ersteren  Stadien  als  Verraoderung  und  in  den  späteren  Perioden  als  Karbonisierung  bezeichnet. 
Die  gesarate  organische  Substanz  erfährt  dabei  eine  Abnahme,  jedocli  schwindet  der  Sauer- 
stoff und  Wasserstoff  in  höherem  Mal3e  als  der  Kohlenstoff.  Die  Folge  davon  ist,  daß  mit  zu- 
nehmendem Alter,  resp.  fortschreitender  Zersetzung,  die  Substanz  relativ  immer  kohlenstoff- 
reicher wird,  und  zwar  läßt  sich  mit  Zugrundelegung  der  Mittelzahlen  folgende  Reihe  aufstellen : 


C 

H 

O 

Holzfasern 

50 

6,3 

43,7 

Jüngerer  Torf  (Fasertorf) 

54 

6 

40 

Aelterer  Torf  { Specktorf) 

60 

6 

34 

Jüngste  Braunkohle  (Lignit) 

62 

6 

32 

Gemeine  Braunkohle 

70 

5,5 

24,5 

Fette  Steinkohle 

80 

5 

15 

Magere  Steinkohle 

88 

4 

8 

Anthrazit 

95 

2 

3 

Dieser  Prozeß  ist  auch  im  Anthrazit  noch  nicht  völlig  abgeschlossen;  das  Endprodukt  ist  reiner 
Kohlenstoff  „Graphit". 

Obige  Zahlenreihe  bezieht  sich  auf  wasser-  und  aschenfreie  Substanz;  die  geringe  Menge 
an  Stickstoff  ist  außer  Acht  gelassen.  Der  Wassergehalt  ist  im  lufttrockenen  Torfe  und  in  der 
Braunkohle  in  der  Regel  ein  hoher,  10 — 30%,  in  der  Steinkohle  dagegen  gering,  meist  2 — 8%. 
Der  Aschengehalt  ist  in  allen  fossilen  Brennstoffen  großen  Schwankungen  unterworfen;  in  den 
besten  Quantitäten  beträgt  er  1 — 5,  in  den  mittleren  5 — 10  und  in  den  schlechten  5ä%  und 
darüber. 

Die  Wärmemenge,  welche  ein  Heizstoff  zu  entwickeln  vermag,  kann  entweder 
aus  seiner  chemischen  Zusammensetzung  berechnet  oder  auf  kalorimetrischem  Wege 
bestimmt  werden. 

Für  die  Berechnung  des  Heizwertes  aus  der  E  1  e  m  e  n  t  a  r  -  Z  u  s  a  m  m  e  n- 
Setzung  dienen  folgende  Zahlen: 

Bei  der  Verbrennung 

von  1  kg  Kohlenstoff     zu  Kohlensäure    werden  rund  8  100  Kalorien  ^) 
,,     1    ,,    Wasserstoff      ,,  Wasserdampf         ,,  ,,29  000         ,, 

,,     1    ,,    Schwefel  „    Schwefeldioxyd    ,,  ,,     2  500        ,, 

produziert. 

Alle  anderen  Bestandteile  sind  wärmekonsumierend  und  setzen  daher  den 
Wert  des  Brennstoffes  herab;  namentlich  ist  dies  der  Fall  beim  Wasser.  Um  1  kg 
Wasser  von  gewöhnlicher  Temperatur  in  Dampf  von  100  "  C.  zu  verwandeln,  sind 
rund  600  Kalorien  erforderlich. 

Mit  Zugrundelegung  dieser  Zahlen  ergibt  sich  der  Heizwert  (p)  aus  der  Du- 
longschen  Formel: 


1)  Unter  Kalorie  oder  Wärmeeinheit  ist  jene  Wärmemenge  verstanden,  welche  notwendig 
ist,  um  1  kg  Wasser  um  1»  C.  zu  erwärmen. 


Das  Holz  als  Heizmaterial.     §  40.  617 

8100  C  +  29000  ('h  — '^^  +  2500  S  —  600  W 

P  =  TOO  ' 

worin  C,  H,  0,  S  und  W  Prozente  Kohlenstoff,  Wasserstoff,  Sauerstoff,  Schwefel 
und  Wasser  bedeuten.  Durch  100  muß  dividiert  werden,  weil  hier  Prozentzahlen 
in  Rechnung  gestellt  sind,  der  Heizwert  sich  aber  auf  die  Gewichtseinheit  (1  kg) 
des  Brennstoffes  bezieht. 

Vonm  Wasserstoff  ist  nur  jener  Anteil  wärmegebend,  welcher  verbleibt,  wenn 
aller  Sauerstoff  in  dem  Gewichtsverhältnisse  H  :  0  =  1  : 8  gebunden  erscheint. 

Der  Ausdruck  (  H  —       i  gibt  somit  die  Menge  des  nach  der  Bindung  noch  übrig 

bleibenden  Wasserstoffes,  welcher  als  ,, disponibel"  angesprochen  wird. 

Hätte  eine  Steinkohle  z.  B.  folgende  prozentische  Zusammensetzung: 
70,06  C,  i,32  H    10,58  O,  0,93  N,  8,42  hygroskopisches  Wasser  und  5,69  Asche  (darin 
0,43  S  als  Schwefelkies  angenommen),  so  berechnet  sich  der  Heizwert  nach  obiger  Formel  mit 

,                  10,58  \ 
8100  X   70,06    +     29  000   x    U,32 '_—j     +   2500  x   0,43    —    600  x    8,42 

— — =  6595  Kalorien. 

100 

Bei  der  kalorimetrischen  Heizwertbestimmung  wird  eine  kleine 
Menge  des  Brennstoffes  (gewöhnlich  nur  1  g),  welche  einer  unter  besonderen  Vor- 
sichtsmaßregeln hergestellten  Durchschnittsprobe  entspricht,  in  einem  eigens  hierfür 
konstruierten  Apparat  (Kalorimeter)  in  komprimiertem  Sauerstoff  gas  vollkommen 
verbrannt.  Die  dabei  entwickelte  Wärme  %\ird  auf  ein  gewogenes  Wasserquantum 
übertragen  und  die  Temperaturzunahme  desselben  bis  auf  Tausendstel  Grade  genau 
ermittelt.  Alle  Wärmeverluste  sind  dabei  sorgfältig  vermieden.  Bei  den  älteren 
fossilen  Brennstoffen  (Steinkohle  und  Braunkohle)  stimmen  die  auf  kalorimetri- 
schem Werte  mit  der  durch  Rechnung  nach  der  Dulongschen  Formel  gefundenen 
recht  gut  überein  und  sind  selten  Differenzen  von  mehr  als  3%  des  Heizwertes  zu 
konstatieren.  Beim  Holze  und  auch  bei  jüngerem  Torfe  hingegen  ist  dies  nicht 
der  Fall  und  sind  die  kalorimetrisch  bestimmten  Heizwerte  regelmäßig  höher  als  die 
berechneten,  wie  weiter  unten  erörtert  ist. 

Dieser  theoretisch  ermittelte  Heizwert  ist  in  der  Praxis  niemals  erreichbar,  weil  bei  einer 
jeden  Feuerungsanlage,  mag  sie  beschaffen  sein  wie  immer,  gewisse  Wärmeverluste  unver- 
meidlich sind.    Dieselben  sind  begründet: 

1.  in  dem  Entweichen  der  \  erbrennungsprodukte  mit  hoher  Temperatur  (sogen.  Schorn- 
steinverlust) ; 

2.  in  der  unvollkommenen  Verbrennung  (Entweichen  unausgebranntcr  Gase  und  Dämpfe, 
Rauch-  und  Rußbildung,  unverbrannte  Teile  in  der  Asche  und  Schlacke); 

3.  Wärmeabgabe  nach  außen  (Leitungs-  und  Strahlungsverlust). 

Bei  den  besten  Feuerungsanlagen  können  bis  zu  80%  der  Wärme  ausgenützt  werden; 
in  der  Regel  ist  der  Nutzeffekt  aber  viel  geringer;  bei  mittleren  Anlagen  beträgt  er  zwischen 
60  und  70  und  bei  schlechten  sinkt  er  nicht  selten  bis  unter  50%  herab. 

Die  auf  die  Gewichtseinheit  (1  kg)  bezogene  Wärmemenge  w^ird  der  absolute  und  die 
auf  die  Volumeinheit  (z.  B.  1  Rm.)  bezogene  der  spezifische  Wärmeeffekt  genannt.  Neben  der 
Menge  kommt  unter  Umständen  auch  die  Intensität  der  Wärme  (Verbrennungstemperatur) 
in  Betracht.  Diese  Zahl  wird  als  pyrometrischer  Wärmeeffekt  bezeichnet.  Unter  Verdarapfungs- 
wert  (V)  versteht  man  jene  Zahl,  welche  angibt,  wie  viele  Kilogramm  Wasser  durch  1  kg  des 
Brennstoffes  verdampft  werden  können.  Die  Gesamtwärme  G),  welche  zur  Verdampfung 
des  Wassers  beansprucht  wird,  ergibt  sich  aus  der  Formel: 

G  =  606,5-1-0,305  T — t, 
worin  T  die  Temperatur  des  Dampfes  und  t  die  Anfangstemperatur  des  Wassers  bedeutet. 
Wäre  T  =  100  und  t  =  0,  so  ist  G  =  637.    Diese  Zahl  wird  gewöhnlichj^auf  630  abgerundet. 

Daher  V  =  — ,  worin  p  den  absoluten  Wärmeeffekt  des  Brennstoffes  bedeutet. 

630  '^ 


618  IX  D.   S  c  h  w  a  c  k  li  ö  f  e  r  ,   Forstlich-Chemische  Technologie. 

§  41.  Heizwert  des  Holzes  im  Vergleiche  mit  den  fossi- 
len Brennstoffen.  Nach  der  durchschnittlichen  Elementar-Zusammenset- 
zung  der  gewöhnlichen  Holzarten  berechnet  sich  der  Heizwert  der  Holztrockensub- 
stanz mit 


8100  X  49.6  +  29000  X  ^ 

:4200 


(--^) 


100 

Kalorien.  In  WirkHchkeit  ist  derselbe  aber  höher  und  wurde  durch  kalorimetrische 
Untersuchungen  mit  rund  4500  gefunden.  Da  die  Elementar-Zusammensetzung  der 
gewöhnlichen  Holzarten  nur  in  verhältnismäßig  engen  Grenzen  schwankt,  so  kann 
diese  Zahl  als  allgemein  gültiger  Mittelwert  angenommen  werden.  Dagegen  ist  der 
Wassergehalt  großen  Schwankungen  unterworfen  (pag.  557).  Um  den  Heizwert  zu 
bestimmen,  muß  daher  der  Wassergehalt  (W)  des  Holzes  bekannt  sein  und  genügt 
dann  für  praktische  Zwecke  die  Formel 

4500  X  (100  —  W)  —  600  W 
lOÖ 
Wäre  der  Wassergehalt  des  lufttrockenen  Holzes  z.  B.   12%,  so  beträgt  der 

Heizwert  4500  X  (100  — 12)  —600  x  12 

^  3888 

100 

Kalorien.   Diese  Zahl  bezieht  sich  auf  1  kg.    Das  Holz  wird  aber  nicht  nach  Gewicht, 

sondern  nach  Volumen  (Raummeter)  verkauft.     Eine  einfache  Relation  zwischen 

Gewicht  und  Volumen  des  in  Stößen  aufgeschichteten  Holzes  besteht  nicht.     Das 

Gewicht  eines   Raummeters  schwankt  je  nach  der  Holzart,  dem  Holzsortimente, 

nach  der  Art  des  Aufschichtens  und  dem  Trockenheitsgrade  des  Holzes  in  weiten 

Grenzen.    Wäre  z.  B.  der  Derbgehalt  eines  Raummeters  Fichtenscheitholz  70%  und 

das  Gewicht  eines  Festmeters  470  kg,  so  wiegt  ein  Raummeter  329  kg. 

Beträgt  der  Wassergehalt  15%,  so  stellt  sich  der  Heizwert  des  Raummeters  auf 

4500  X  (100  —  15)  —600  X  15 

^^ -7-—^ 329  =  1,228.815 

100 

Kalorien.     Sollte  der  Heizwert  dieses  Holzes  in  Vergleich  gebracht  werden  mit  einer 

1 228.815 
Braunkohle  von  3750  Kalorien,  so  ergibt  sich,  daß  1  Raummeter  —        —  =  327,7  kg 

o  /OU 

Braunkohle  entspricht. 

Das  Holz  kann  wohl  nur  in  seltenen  Fällen  als  Heizmaterial  mit  der  Mineral- 
kohle in  Konkurrenz  treten.  Es  ist  dies  nur  dort  möglich,  wo  das  Holz  sehr  billig 
und  die  Mineralkohle  teuer  zu  stehen  kommt  oder  gar  nicht  zu  beschaffen  ist.  Auch 
in  solchen  Industriezweigen,  wo  früher  nur  ausschließlich  Holz  verwendet  wurde, 
und  die  Mineralkohlen  ihres  Gehaltes  an  Asche,  die  als  Flugasche  zum  Teile  fort- 
geführt wird,  ihrer  leichten  Rauch-  und  Rußentwicklung  und  ihres  Schwefelgehaltes 
wegen  nicht  unmittelbar  zu  gebrauchen  sind,  wie  z.  B.  in  der  Glas-  und  Porzellan- 
fabrikation, ist  durch  die  Einführung  der  Gasfeuerung  das  Holz,  wenn  auch  nicht 
überall,  so  doch  in  den  meisten  Fällen  verdrängt  worden.  Am  häufigsten  wird  das 
Holz  noch  in  Haushaltungen  als  Brennstoff  benützt,  wo  es  der  großen  Reinlichkeit, 
der  leichten  Entzündbarkeit  und  der  rauchlosen  Verbrennung  wegen,  trotz  des 
höheren  Preises,  der  Mineralkohle  vorzuziehen  ist.  Für  industrielle  Zwecke  kom- 
men zumeist  nur  die  Holzabfälle  in  Verwendung,  welche  mit  Rücksicht  auf  ihre 
Beschaffenheit  auf  besonders  konstruierten  Feuerungsanlagen  (Treppenrosten)  ver- 
brannt werden. 


Die  Pottasche-Erzeugung.     §  42.  619 

Holz  gibt  eine  lange,  nicht  rußende  Flamme.  Der  pyrometrische  Effekt 
ist  gering.  Der  Harzgelialt  der  Nadelhölzer  erhöht  die  leichte  Entzündbarkeit  und 
Langflanunigkcit. 

Das  Flößen  übt  auf  den  Heizwert  keinen  Einfluß  aus,  vorausgesetzt,  daß  das 
Holz  wieder  lufttrocken  geworden  ist.  Im  Wasser  liegend  nimmt  das  Holz  zwar 
sehr  viel  Feuchtigkeit  auf  (pag.  557  ),  es  werden  dadurch  jedoch  nur  die  Saftbestand- 
teile und  auch  diese  nur  teilweise  ausgelaugt,  während  das  Holzskelett,  welches  den 
Heizwert  hauptsächlich  bedingt,  unverändert  bleibt. 

Zum  beiläufigpn  Vergleiche  des  Heizwertes  von  Holz  und  den  fossilen  Brennmaterialien 
können  folgende  Zaiilen  dienen  i): 

Heizwert  in  Kalorien 

Holz,  lufttrocken 3500—4000 

Jüngerer  Tort 2500 — 4000 

Aelterer  Torf 3000 — 4800 

Lignil 2500 — 4000 

Gemeine  Braunkohle 3000 — 4500 

Aelteste   Braunkolile  (Glanzkohle) 4500 — 6000 

Fette  Steinkohle 5000 — 7000 

Magere  Steinkohle 6000—7500 

Anthrazit         7500—8000 

VI.   Die  Pottasche-Erzeugung. 

§  42.  Bis  vor  etwa  40  Jahren  war  die  Asche  des  Holzes  und  einiger  anderer 
Pflanzen  das  alleinige  Material  für  die  Herstellung  der  Pottasche  und  aller  übrigen 
Kalisalze.  Gegenwärtig  wird  Pottasche  aus  allen  drei  Naturreichen  gewonnen, 
und  zwar: 

1.  Aus  dem  Mineralreiche,  wo  die  Staßfurter  Abraumsalze,  das  Kaliumsulfat 
und  Chlorid,  das  Material  hierzu  abgeben. 

2.  Aus  dem  Pflanzenreiche,  die  Melasseasche  (als  Einäscherungsrückstand  von 
der  Schlampe  der  Melassespiritusbrennereien)  und  die  Holzasche. 

3.  Aus  dem  Tierreiche,  die  Schafschweißasche  aus  der  Schafwollwäscherei. 
Die  größte  Menge  der  Pottasche  wird  derzeit  aus  den  Staßfurter  Abraumsalzen 

und  aus  der  Melasseasche  gewonnen,  während  die  anderen  Materialien  eine  mehr 
untergeordnete  Rolle  spielen. 

Das  sogenannte  Aschenbrennen  ist  zwar  die  geringste,  in  manchen  Gegenden 
aber  doch  nur  einzig  mögliche  Art  der  Verwertung  des  Holzes.  Im  größeren  Maß- 
stabe wird  Holzpottasche  in  Ungarn,  Siebenbürgen,  Galizien  und  Bukowina,  Ruß- 
land, auf  Kanada  und  in  den  Vereinigten  Staaten  von  Nordamerika  erzeugt. 

Die  Darstellung  der  Pottasche  aus  Holz  ist  sehr  einfach  und  umfaßt  folgende 
Prozeduren : 

1.  Das  Veraschen  des  Holzes. 

2.  Das  Auslaugen  der  Asche. 

3.  Das  Versieden  der  Lauge. 

4.  Das  Kalzinieren  der  Rohpottasche. 

Zum  Veraschen  werden  vorzugsweise  moderige,  gipfcldürrc,  kernschälige  oder 
überhaupt  kranke  abständige  Stämme  benutzt.  In  manchen  Lokalitäten  muß  wohl  auch  ge- 
sundes Holz  mit  verwendet  werden,  wenn  eine  bessere  Verwertung  nicht  zu  finden  ist.  Das 
Aschenbrennen  wird  in  verschiedener  Weise  ausgeführt.  Auf  der  Herrschaft  Munkäcs  werden 
nur  hohle,  moderig  gewordene  Buchenstämme  verascht.  Der  noch  stehende  Stamm  wird  an- 
gehauen und  in  der  Oeffnung  ein  Feuer  angemacht.  Der  Moder  und  die  innere  Holzpartie 
brennen  allmählich  aus,  wobei  sich  die  Asche  am  Fuße,  innerhalb  des  Stammes,  ansammelt. 


1)  Ausführlicheres  hierüber  F.  Schwackhöfer,  „Heizwert  der  Kohlen".  III.  Autlage. 
Wien,  Gerold  1912.  . 


620  IX  D.   S  c  h  w  a  c  k  h  ö  f  e  r  ,  Forstlich-Chemische  Technologie. 

Dieselbe  wird  von  Zeit  zu  Zeit  ausgenommen  und  das  Feuer,  wenn  nötig,  erneuert.  Auf  solche 
Art  wird  die  Asche  sehr  rein  erhalten  und  ist  gegen  Wind  und  Regen  geschützt. 

In  den  griech. -Orient.  Religionsfondforsten  der  Bukowina  verascht  man  nur  gefälltes 
Holz.  Zu  diesem  Behufe  wird  der  liegende  Stamm  entweder  der  ganzen  Länge  nach  oder  auch 
nur  in  gewissen  Abständen  mit  einer  12 — 15  cm  tiefen  und  30  cm  breiten  Kerbe  versehen, 
welche  als  Feuerherd  dient.  Bei  einem  morschen  Stamme  genügt  eine  Feuerstelle  am  Stock- 
ende; gesunde  Stämme  müssen  jedoch  mehrere  Feuerstellen  (gewöhnlich  von  6  zu  6  m  Ent- 
fernung) erhalten.  Der  Stamm  brennt  niemals  vollständig  aus,  sondern  es  bleiben  mindestens 
Splint  und  Rinde,  nicht  selten  aber  auch  größere,  gesunde  Holzpartien  zurück.  Dieser  Rück- 
stand wird  zerkleinert,  zu  einem  Stoß  aufgeschichtet  und  verbrannt.  In  gleicher  Weise  werden 
auch  die  Aeste  aufgearbeitet.  Die  Asche  wird  in  Butten  gesammelt  und  in  sogen.  „K  o  1  i  b  a" 
bis  zur  Abfuhr  in  die  Pottaschehütte  aufbewahrt.  Die  Koliba  sind  einfache  Erdgruben,  welche 
mit  Bretterschwarten  ausgelegt  und  eingedeckt  werden.  Ringsum  wird  ein  Graben  gezogen, 
um  das  Tagwasser  abzuhalten. 

Ueber  die  Aschenmenge  und  den  Kaligehalt  der  Holzasche  gibt  die  auf  pag.  560  ange- 
führte Tabelle  Aufschluß.  Dabei  ist  jedoch  zu  bemerken,  daß  sich  diese  Zahlen  auf  Reinasche 
beziehen.  Die  Rohasche  enthält  aber  auch  noch  kohlige  Teile,  Kohlensäure  und  erdige  Ver- 
unreinigungen. 100  Teile  Rohasche  entsprechen  durchschnittlich  75  Teilen  Reinasche.  Es 
sind  daher  alle  in  dieser  Tabelle  enthaltenen  Zahlen  bei  der  Umrechnung  auf  Rohasche  mit 
dem  Faktor  0,75  zu  multiplizieren. 

Die  erste  Manipulation  in  der  Hütte  ist  das  Auslaugen.  Die  Auslauggefäße  (Aescher 
genannt)  sind  nach  unten  verjüngte  Bottiche,  welche  einen  Doppelboden  besitzen.  Der  untere 
Boden  ist  voll,  der  obere  gelocht.  Im  Zwischenraum  ist  eine  Holzpippe  eingesetzt  zum  Ablassen 
der  Lauge.  Auf  den  Siebboden  kommt  eine  Lage  Stroh  oder  Reisig  und  darauf  die  mit  Wasser 
benetzte  Holzasche,  welche  möglichst  dicht  eingetreten  wird.  Ein  Aescher  faßt  bis  zu  ^j  seiner 
Höhe  120 — 130  kg  Rohasche,  welche  mit  150 — 200  Liter  Wasser  Übergossen  wird.  t"m  das 
Wasser  gleichmäßig  über  die  ganze  Oberfläche  zu  verteilen,  wird  die  Asche  mit  einer  Schiclite 
Reisig  überdeckt.  Das  Wasser  durchdringt  die  Asche  und  nimmt  die  löslichen  Salze  auf.  Nach 
4 — 5  Stunden  wird  die  erste  Lauge  abgelassen,  neuerlich  Wasser  aufgegossen  und  so  weiter 
fortgefahren,  bis  die  ablaufende  Flüssigkeit  nur  mehr  sehr  schwach  alkalisch  reagiert  und  am 
Aräometer  nahezu  Null  zeigt.  Je  nach  der  Beschaffenheit  der  Rohasche  sind  4 — 5  Aufgüsse 
erforderlich.  Die  erste  Lauge  ist  die  konzentrierteste,  die  später  nachkommenden  werden  immer 
schwächer  und  die  letzte  ist  schon  so  verdünnt,  daß  sie  das  Eindampfen  kaum  verlohnt.  Viel 
zweckmäßiger  ist  die  systematische  Auslaugung  nach  Art  des  Batteriebetriebes.  Fünf  Aescher 
werden  terrassenförmig  übereinander  gestellt  und  mit  Asche  beschickt  Auf  den  ersten  obersten 
Aescher  wird  Wasser  gegossen.  Nach  3 — 4  Stunden  wird  die  Lauge  auf  den  zweiten  Aescher 
abgelassen  und  der  erste  neuerlich  mit  Wasser  gefüllt.  Nach  weiteren  3 — 4  Stunden  wird  die 
Lauge  von  2  auf  3,  von  1  auf  2  abgelassen  und  1  wieder  mit  Wasser  gefüllt.  In  dieser  Weise 
wird  fortgefahren,  bis  die  konzentrierte  Lauge  bei  5  zum  Abzug  gelangt.  Der  Inhalt  des  Aeschers 
1  hat  inzwischen  5  Wasseraufgüsse  erhalten,  ist  bereits  vollständig  ausgelaugt  und  wird  ent- 
leert. Der  Wasserzulauf  wird  jetzt  auf  2  gestellt  und  1  mit  frischer  Rohasche  beschickt.  Die 
Lauge  geht  von  2  auf  3,  von  3  auf  4,  von  4  auf  5,  fließt  von  5  in  ein  Reservoir,  wird  von  hier  auf  1 
gepumpt  und  nach  3 — 4stündiger  Einwirkung  als  konzentrierte  Lauge  von  1  abgezogen.  Der 
weitere  Verlauf  der  Arbeit  ergibt  sich  aus  dem  Gesagten  von  selbst. 

Mit  warmem  Wasser  gelingt  die  Auslaugung  schneller  als  mit  kaltem.  Im  Winter  muß 
das  Wasser  unter  allen  Umständen  angewärmt  werden. 

Der  nach  vollständigem  Auslaugen  in  den  Aeschern  verbleibende  Rückstand  (Aescherich 
genannt)  besteht  vorwiegend  aus  Calciumkarbonat  und  Phosphat  (ca.  8%  P2O5  in  der  Trocken- 
substanz) und  kann  als  Düngemittel  verwendet  werden.  Wenn  man  auf  eine  weitere  Verfrach- 
tung reflektiert,  so  müssen  diese  Rückstände  an  der  Luft  getrocknet  werden,  da  dieselben  sehr 
viel  (50 — 60%)  Wasser  enthalten. 

Zum  Abdampfen  oder  Versieden  der  Lauge  sind  gewöhnlich  zwei  Arten  von 
eisernen  Pfannen  vorhanden;  die  Vorwärmer  und  die  eigentlichen  Verdampfpfannen.  Erstere 
sind  flach  und  in  der  Regel  auf  dem  Kalzinierofen  angebracht.  Letztere  sind  entweder  eben- 
falls flach  oder  schalenförmig  vertieft  und  besitzen  eine  eigene  Feuerung.  Die  frische  Lauge 
kommt' zuerst  in  die  Vorwärmer  und  fließt  von  hier  aus  in  einem  dünnen  Strahl  auf  die  Ver- 
darapfpfannen. 

Das  Eindampfen  wird  unter  Zufluß  von  vorgewärmter  Lauge  so  lange  fortgesetzt,  bis 
eine  herausgenommene  Probe  beim  Erkalten  erstarrt.  Ist  dieser  Punkt  erreicht,  so  wird  der 
weitere  Zufluß  der  Lauge  abgestellt  und  das  Feuer  unterbrochen.  Beim  Abkühlen  scheiden 
sich  an  den  Wänden  der  Pfanne  Salzkrusten  ab,  welche  allmählich  stärker  werden,  bis  endlich 
die  Masse  erstarrt.  Diese  Krusten  werden  mit  Hammer  und  Meisel  losgeschlagen.  Das  so  er- 
haltene Produkt  heißt  ,,F  1  u  ß"  oder  ausgeschlagene  Pottasche.  Es  ist  dunkel- 
graubraun bis  grauschwarz  gefärbt  und  enthält  10 — 15%  Wasser. 

Diese  Methode  des  Versiedens  hat  den  Nachteil,  daß  die  Pfannen  durch  das  Losmeißeln 
der  Salzkrusten  sehr  stark  in  Anspruch  genommen  werden  und  oftmaligen  Reparaturen  unter- 
liegen. 


Die  Hai'zp,  deren   Gewinnung  und  Verarbeitung.     §  43.  621 

Zweckmäßiger  wird  in  der  Weise  vorgegangen,  daß  man,  sobald  die  Aussclieidung  be- 
ginnt, das  Feuer  mäßigt  und  die  Lauge  tmunterbrochen  rülirt.  Naeh  vollständigem  Abdampfen 
hinterbleiht  in  der  Pfanne  die  rolie  Pottasche  als  lockere,  krümliclie  Masse,  welche  nach  dem 
Abkühlen  der  Pfanne  ausgeschaufelt  wird  IJicses  Produkt  heißt  ,,gcrülirtePoltasch  e", 
ist  schwarzbraun  gefärbt  und  enthält  noch  6 — 10%  Wasser.  Für  das  erstere  Verfahren" sind 
schalenförmige  und  für  das  letztere  flaclie  Pfannen  notwendig. 

Die  letzte  Operation  ist  das  Kalzinieren.  Es  bezweckt  die  vollständige  Entwäs- 
serung und  das  Weißbronnen  der  l^ottasche.  Die  Vorrichtung  hierfür  ist  ein  Flammofen  mit 
einem  oder  zwei  Feuerherden.  Der  Kalzinierraum  ist  aus  feuerfestem  Material  h(^rgestellt  und 
überw-ölbt.  Das  Gewölbe  darf  von  der  .Sohle,  worauf  die  Pottasche  zu  liegen  kommt,  nicht 
mehr  als  7i  ni  abstehen,  damit  die  Flamme  niedergehalten  wird  und  die  Pottasche  bestreicht. 

Zuerst  wird  der  Ofen  so  lange  geheizt,  bis  der  Kalzinierraum  glühend  geworden  ist,  sodann 
die  rohe  Pottasche  eingeworfen  und  auf  der  etwas  vertieften  Sohle  ausgebreitet.  Beim  Kal- 
zinieren muß  die  Pottasche  mit  einer  eisernen  Krücke  oftmals  durchgerülirt  und  gewendet 
werden,  damit  immer  neue  Teile  an  die  Oberfläche  gelangen.  Die  Temperatur  darf  anfangs 
nur  mäßig  sein  und  wird  allmählich  bis  zur  hellen  Rotglut  gesteigert.  Ein  Schmelzen  der  Pott- 
asche darf  dabei  nicht  eintreten,  weil  sonst  die  kohligen  Teile  eingeschlossen  und  an  der  Ver- 
brennung gehindert  werden.  Beim  Schmelzen  wird  auch  die  Herdsohle  stark  angegriffen' und 
die  Pottasche  kieselsäurehaltig.  Nach  Verlaut  von  2 — 3  Stunden  ist  die  Masse  weiß  gebrannt. 
Um  sich  von  der  Gahre  zu  überzeugen,  werden  einige  Stücke  ausgezogen  und  nach  dem  Er- 
kalten zerschlagen.  Erscheinen  dieselben  bis  in  das  Innere  weiß,  so  ist  genügend  geglüht.  Die 
Pottasche  wird  nun  ausgezogen,  erkalten  gelassen  und  sodann  ohne  Verzug  in  Fässern  einge- 
stampft. Bleibt  dieselbe  lange  an  der  Luft  liegen,  so  zieht  sie  Feuchtigkeit  an,  backt  zu  Klumpen 
zusammen  und  wird  endlich  ganz  zerfließlich.  Beim  Kalzinieren  ergibt  sich  je  nach  der  Qualität 
der  Rohpottasche  ein  Gewichtsverlust  von  10 — 20  Prozent. 

Die  kalzinierte  Pottasche  ist  eine  krümelig-blasige,  zusammengesinterte  Masse. 
Die  Farbe  ist  selten  rein  weiß,  sondern  besitzt  meist  einen  Stich  ins  graue  (von  sehr 
feinen  Kohleteilchen).  Zuweilen  erscheint  sie  rötlich  (durch  Eisenoxyd),  bläulich 
oder  grünlich  (durch  Kaliummanganat).  Sie  schmeckt  laugenhaft,  ist  stark  hygro- 
skopisch, in  Wasser  leicht  löslich,  im  Alkohol  hingegen  unlöslich.  Kalzinierte  wasser- 
freie Pottasche  enthält: 

80—85  %  Kaliumkarbonat  K2CO3 
6—  9  %  Natriumkarbonat  Na.jCOj 
6—  9  %  Kaliumsulfat  K2SO4 
0,5—  4%  Kaliumchlorid  KCl 
nebst  geringen  Mengen  von  Eisenoxyd,  Tonerde,  Manganverbindungen,  Magnesia  und 
Kieselsäure  (resp.  Alkalisilikate). 

Durch  fraktionierte  Kristallisation  kann  man  die  Salze  voneinander  trennen, 
und  das  Kaliumkarbonat  fast  rein  erhalten ;  das  ist  aber  eine  komplizierte  Prozedur, 
welche  sich  nur  für  chemische  Fabriken  verlohnt.  Auch  ist  die  Pottasche  von  obiger 
Zusammensetzung  für  die  meisten  Zwecke  ohne  weiteres  geeignet. 

Die  Verwendung  der  Pottasche  war  in  früherer  Zeit  viel  ausgedehnter  und  viel- 
seitiger. Gegenwärtig  ist  dieselbe  durch  die  weit  billigere  Soda  zum  größten  Teil 
verdrängt.  Nur  in  einigen  Industriezweigen  kann  man  die  Pottasche  nicht  ent- 
behren ;  es  ist  dies  namentlich  der  Fall  bei  der  Fabrikation  des  Kristallglases  und  der 
schwer  schmelzbaren  Glassätze  überhaupt,  der  Schmierseife,  des  Blutlaugensalzes 
und  diverser  chemischer  Präparate. 

VII.  Die  Harze,  deren  Gewinnung  und  Verarbeitung  1). 

1.  Vorkommen,  Entstehung  und  allgemeine  Charakteristik  der  Harze. 

§  43.  Die  Harze  gehören  zu  den  am  meisten  verbreiteten  Pflanzenbestand- 
teilen und  finden  sich  in  allen  Organen  mit  Ausnahme  des  Gambiums.     Sie  bilden 

1)  Literatur  über  Harze:  Wiesner,  Rohstoffe  des  Pflanzenreiches,  Wien  1900;  Tschirch, 
Die  Harze  und  Harzbehälter,  Leipzig  1906;  Mayr,  Das  Harz  der  Nadelhölzer,  Berlin  1894;  And6s, 
Die  Harzprodukte,  AVien-Leipzig  1905;  Schweizer,  Die  Destillation  der  Harze,  Wien-Leipzig 
1905;    Dammer,  Chem.  Technologie  der  Neuzeit,  Stuttgart  1911,  u.  a. 


522  IX  D.   Schwack  höfer,  Forstlich-Chemische  Technologie. 

entweder  einen  Teil  der  Zellwand  oder  des  Zellinhaltes;  zumeist  sind  sie  jedoch  in 
eigenen  interzellularen  Sekretbehältern  (Harzgängen)  angesammelt.  Dieselben  sind 
in  den  Rinden  aller  Abietineen,  nicht  selten  aber  auch  im  Holze  selbst  vorhanden. 
Nach  den  Untersuchungen  von  Mayr  wird  das  Harz  aus  den  oberen  Teilen  des 
Baumes  allmählich  nach  unten  geleitet.  Der  harzreichste  Teil  ist  das  Wurzelholz, 
sodann  folgt  die  untere  Partie  des  Stammes  bis  zu  etwa  2  m  über  dem  Boden,  weiter 
das  Astholz,  dann  der  bekrönte  Teil  des  Stammes,  der  astlose  Gipfel  und  endlich 
die  Rinde.  Warmer,  sonniger  Standort  erhöht  den  Harzertrag.  Die  Harzmenge 
nimmt  mit  dem  Alter  des  Baumes  zu. 

Ueber  die  Art  und  Weise,  wie  die  Harzbildung  erfolgt,  sind  die  Ansichten  geteilt.  Nach 
Wiesner,  Karsten  und  anderen  sind  die  Harze  Produkte  der  rückschreitenden  Stoffmetamor- 
phose und  entstehen  entweder  direkt  oder  durch  intermediäre  Bildung  von  Gerbstoff  aus  der 
Zellulose  oder  aus  Stärke.  Nach  neueren  Forschungen  von  Tschirch  ist  jedoch  die  Harzbildung 
kein  pathologischer,  sondern  ein  physiologischer  Prozeß,  welcher  in  einer  bestimmten  Partie 
der  Zellwand  erfolgt,  die  sich  als  Schleimschichte  entwickelt.  Diese  Schleimmembran  sondert 
Oel,  bezw.  Harz  ab.  Als  Zwischenprodukt  wird  Phloroglucin  angesehen.  Daß  die  harzbildende 
Schichte  unter  Umständen  teilweise  oder  auch  ganz  resorbiert  wird,  soll  nach  Tschirch  mit 
der  Sekretbildung  selbst  nicht  zusammenhängen. 

Außer  in  normalen  Pflanzengeweben  entsteht  Harz  auch  in  nicht  normalen  Gebilden, 
welche  durch  Verwundungen  hervorgerufen  werden,  wie  die  Narbengewebe  der  Conifercn 
oder  die  mit  Harz  erfüllten  Kernholzrisse  bei  der  Lärche  oder  die  sogenannten  Harzgallen, 
d.  h.  abnormale,  flache  Harzbehälter  im  Nadelholze,  welche  durch  eine  Art  von  innerer  Ver- 
letzung (hervorgerufen  durch  Druckdifferenzen  im  Splintgewebe)  zustande  kommen. 

Die  Harzbehälter  münden  nirgends  frei  nach  außen  und  es  kann  daher  auch 
ein  spontaner  Harzausfluß  nicht  erfolgen.  Jeder  Harzaustritt  ist  ein  pathologischer 
Vorgang.  Unter  natürlichen  Bedingungen  ist  der  Ausfluß  aber  stets  nur  gering 
und  hat  seinen  Grund  in  dem  Vertrocknen  der  äußeren,  der  Luft  ausgesetzten  Ge- 
websschichte.  Werden  hingegen  Verwundungen  angebracht,  wie  dies  bei  der  Harz- 
nutzung geschieht,  die  Rinde  stellenweise  abgeschält  oder  der  Stamm  angebohrt, 
so  vermehrt  sich  der  Harzausfluß  sehr  bedeutend. 

Da  die  Harzgänge  außerordentlich  feine  Kapillarräume  sind  und  das  Harz 
sehr  zähflüssig  ist,  so  kann  ein  freiwilliges  Ausfließen  infolge  der  Schwere  niemals 
stattfinden  und  ist  vielmehr  ein  bedeutender  Druck  notwendig,  um  das  Harz  aus- 
zupressen. Dieser  Druck  geht  von  den  umliegenden  Saftgeweben  (Splint)  aus  und 
pflanzt  sich  im  Baume  fort,  so  daß  das  Harz  auch  aus  entfernteren  Partien  in  den 
Kanälen  bis  zur  Ausflußstelle  geleitet  wird. 

Das  austretende  Harz  besitzt  entweder  Tropfenform  oder  es,^ist  zu  unförmigen 
Knollen  oder  stalaktitischen  Gestalten  vereinigt.  Charakteristisch  ist  die  zuerst  von 
Wiesner  beobachtete,  mikroskopische  Oberflächenbeschaffenheit.  Beim  Festwerden 
schrumpft  das  Harz  ein,  wodurch  die  Oberfläche  ein  feinkörniges,  chagriniertes 
Aussehen  annimmt.  Bei  längerem  Liegen  an  der  Luft  verwittert  das  Harz  und 
zeigt  sodann  an  der  Oberfläche  Spalten  und  Rißlinien. 

Die  Grundsubstanz  der  Harze  ist  immer  amorph;  häufig  sind  jedoch  kristalli- 
nische Einschlüsse  in  derselben  vorhanden.  Im  gemeinen  Coniferenharz  sind  so 
viele  Kristalle  von  Abietinsäure  ausgeschieden,  daß  die  ganze  Masse  trüb  erscheint. 

Die  meisten  Harze  sind  gelb  bis  braun  gefärbt,  glasartig  glänzend,  durchsich- 
tig bis  durchscheinend,  oder  auch  ganz  undurchsichtig.  Nur  einzelne  Harze  sind 
farblos  oder  zeigen  verschiedene  Nuancen  von  rot,  grün  bis  schwarz.  Bei  längerem 
Aufbewahren  dunkeln  alle  Harze  nach.  Viele  derselben  besitzen  einen  sehr  ange- 
nehmen, aromatischen  Geruch  (Coniferenharz),  einige  sind  geruchlos  (Copale),  andere 
hingegen  riechen  höchst  widerlich  (Asa  foetida).  Der  Geschmack  ist  zumeist  bitter. 
Die  harten  Harze  sind  spröde,  brechen  glasartig  oder  muschelig;  ihre  Härte  liegt 


Die  Harze,  deren  Gewinnuna;  und  Verarbeitung.     §  -43.  623 

zwischen  Steinsalz  uiul  Gii>,s;  aiulero  sind  weich  bis  zähflüssig.  Bei  längerem  Liegen 
an  der  Luft  gehen  die  ^^'cichhar/.e  in  Hartharze  über. 

Der  Schmelzpunkt  der  festen  Harze  ist  sehr  verschieden;  Siambenzoe  schmilzt 
schon  bei  73  ",  die  harten  Copale  hingegen  erst  über  300  "  Gels.  Die  Dichte  der  Harze 
ist  nahe  an  1  (Ausnahmen  von  0,9  bis  1,3). 

Die  Harze  sind  keine  chemischen  Individuen,  sondern  Gemenge  von  meist  sehr 
komplizierter  Zusammensetzung.  Man  hat  zunächst  zu  unterscheiden:  den  eigent- 
lichen Harzkörper  und  die  akzessorischen  Bestandteile  oder  Begleitsubstanzen. 

Den  eigentliclien  Harzkörper  bilden: 

Resine,  Resinotannole,  Resinole,  Resinolsäuren  und  Resene.  In  keinem  Harz 
sind  alle  diese  Substanzen  enthalten,  bald  herrscht  die  eine,  bald  die  andere  vor 
oder  fehlt  auch  gänzlich. 

Resine  sind  esterartige  Verbindungen  der  Harzalkohole.  In  den  Harzen  kommen  sowohl 
fltlssige  als  auch  feste  Ester  (d.  h.  zusammengesetzte  .\ether)  vor. 

Resinotannole  und  Resinole  sind  Harzalkohole,  von  denen  die  ersteren 
gefärbt  erscheinen  und  die  Gerbstoffreaktion  geben,  während  dies  bei  letzteren  nicht  der  Fall 
ist.    Sie  gehören  sämtlich  der  aromatisclien  Reihe  an. 

Resinolsäuren  (Harzsäuren)  sind  Oxysäuren,  welche  teils  im  freien  Zustande, 
teils  als  Ester  vorhanden  sind  und  den  Hauptbestandteil  vieler  Harze  bilden.  Hierhergehören: 
Abietinsäure,  Pimarsäure,  Zimmtsäure,  Benzoesäure  und  mehrere  andere.  Die  beiden  letzt- 
genannten sind  charakteristisch  für  eine  ganze  Gruppe  von  Harzen  (Perubalsam,  Tolubalsara, 
Storax,  Benzoe,  Drachenblut  und  Xanthorrhoeaharz),  während  sie  in  einer  anderen  Gruppe 
(Terpentin  und  gemeines  Harz,  .Mekkabalsam,  Copaivabalsam,  Gurjunbalsam,  Elemi,  Mastix, 
Sandarak,  Dammar,  Copal,   Guajakharz  und  Gummilack)  felüen  (Wiesner). 

Besonders  hervorzuheben  ist  die  --\bietinsäure,  als  Hauptbestandteil  der  Coniferenharze. 
Die  .\bientinsäure  -(Gi.HjgOj)  bildet  im  reinen  Zustande  farblose,  wetzsteinförmige  Kristalle 
von  verschiedener  Größe,  bis  zu  0,22  mm.  Sie  ist  unlöslich  in  Wasser,  dagegen  leicht  löslich 
in  .\lkohol,  .\ether,  .\ceton,  Chloroform,  Schwefelkohlenstoff,  Benzol,  Eisessig  und  in  alkalischen 
Flüssigkeiten.  Ihr  Schmelzpunkt  liegt  bei  153 — IS-t"  Gels.  Sie  lenkt  die  Polarisationsebene 
nach  links  ab,  (a)  D= — 66,7.  Mit  der  Pimarsäure,  mit  welcher  sie  früher  oft  verwechselt  wurde, 
hat  sie  nichts  gemein. 

Die  Pimarsäure,  welche  neben  der  vorgenannten  in  vielen  Harzen  vorkommt,  ist  ein 
Gemenge  von  .3  isomeren  Säuren  (CjoHjoOj). 

Schmelzpunkt  "  C       Pol.  [a]  D 

Dextro-Pimarsäure 210 — 211  +'2,5 

Lävo-Pimarsäure  ...  140 — 150  — 272 

Silvinsäure   .     '.     '.  '.     '.     '.     '.     '.     '.     '.     '.     '.     161—162  — 53 

Als  Resene  bezeichnet  Tschirch  gewisse  Harzbestandteile,  welche  noch  nicht  näher 
studiert  sind,  sich  sehr  widerstandsfähig  erweisen  und  wahrscheinlich  der  aromatischen  Reihe 
angehören  dürften. 

Begleitsubstanzen  der  eigentlichen  Harze  sind :  ätherische  Oele,  Gummi,  Gerb- 
stoff, Bitterstoffe,  Farbstoffe  und  diverse  mechanische  \'erunreinigungen. 

Besonders  wichtig  sind  die  beiden  erstgenannten.  Harze,  welche  größere  Mengen 
ätherisches  Oel,  speziell  Terpentinöl,  enthalten,  werden  Terpentine  genannt.  Es  gibt 
flüssige,  halbweiche  und  feste  Terpentine.  Erstere  heißen  Balsame,  die  beiden  letzteren 
gemeines  Harz.  Die  feinen  Balsame  sind  honigdick,  klar,  farblos  oder  blaßgelb  bis 
braun  gefärbt.  Ist  eine  schwache  Trübung  vorhanden,  so  rührt  dieselbe  nur  von  ein- 
geschlossenen Luftbläschen  oder  Wassertropfen  her  und  verschwindet,  wenn  man  den 
Balsam  in  dünner  Schichte  stehen  läßt  oder  schwach  erwärmt.  Die  ordinären  Bal- 
same hingegen  sind  immer  mehr  oder  minder  getrübt,  von  ausgeschiedenen  Kristallen 
der  Abietinsäure,  und  lassen  sich  durch  Erwärmen  nicht  klären,  sondern  werden  im 
Gegenteil  noch  trüber.    Sie  bilden  den  Uebergang  zum  gemeinen  halbweichen  Harz. 

Der  feinste  Terpentin  ist  der  von  Abies  balsamea  abstammende  Kanadabalsam. 
Er  ist  vollkommen  klar,  im  frischen  Zustande  farblos  und  wird  bei  längerer  Aufbe- 
wahrung hellgelb,  besitzt  ein  starkes  Lichtbrechungsvermögen  und  wird  hauptsäch- 
lich für  optische  Zwecke  verwendet.     Er  hat  einen  aromatischen  Geschmack.     In 


624  IX  D.   S  c  h  w  a  c  k  h  ö  f  e  r  ,  Forstlich-Chemische  Technologie. 

absolutem  Alkohol  ist  er  nur  teilweise  löslich.     Zu  den  feinen  Terpentinen  zählen 

ferner  auch  das  Lärchenharz  oder  venetianischer  Terpentin  und  das  Tannenharz 

oder  Straßburger  Terpentin.    Die  übrigen  Coniferenharze  gehören  zum  gemeinen  Harz. 

Die  Gummiharze  (Gummigutt,  Asa  foetida,  Galbanum  und  Ammonialigummi)  sind 
durch  ihren  Gehalt  an  Gummi  charaliterisiert,  welches  durchschnittlich  in  einer  Menge  von 
12  bis  25°'o  darin  vertreten  ist. 

Die  Harze  sind  durchwegs  kohlenstoffreich,  sauerstoffarm  und  frei  von  Stick- 
stoff. In  Wasser  sind  sie  unlöslich,  dagegen  lösen  sich  die  meisten  in  Alkohol,  Aether, 
Schwefelkohlenstoff,  Terpentinöl,  Benzol,  Petroleum  usw.  Von  Gummiharzen  lösen 
die  genannten  Mittel  nur  das  Harz,  während  das  Gummi  ungelöst  bleibt.  Chloral- 
hydrat  löst  jedoch  beide  Substanzen.  In  konzentrierter  Schwefelsäure  lösen  sich 
viele  Harze  ohne  Zersetzung  und  werden  auf  Zusatz  von  Wasser  unverändert  gefällt. 

Gegen  schmelzendes  Kalihydrat  erweisen  sich  manche  Harze  sehr  widerstands- 
fähig, während  andere  energisch  oxydiert  werden,  wobei  regelmäßig  die  gleichen 
Produkte,  nämlich:  Protocatechusäure,  Paraoxybenzoesäure,  Phloroglucin  und  Re- 
sorcin  entstehen  (Hlasiwetz). 

Die  Verbindungen  mit  Metalloxyden  werden  Resinate  genannt.   Die  Alkaliresinate  sind 
:   in  Wasser  löslich,  bilden  starken   Schaum  und  werden    Harzseifen    genannt.    Von  den 
-  gewöhnlichen  Fettsäureseifen  unterscheiden  sie  sich  dadurch,  daß  ihre  Lösungen  beim  Kon- 
zentrieren keinen   Seifenleim  liefern  und  auf  Zusatz  von   Kochsalz  keine   Seife  ausscheiden. 
Die  Harzseifen  der  alkalischen  Erden  sind  in  Wasser  schwer  löslich,  jene  der  Schwermetalle 
unlöslich.    Durch  Säurezusatz  werden  alle  Harzseifen  zerlegt,  wobei  sich  das  Harz  ausscheidet. 
Die  Verseifungsfähigkeit  der  verschiedenen  Harze  ist  eine  sehr  ungleiche,  bei  ein  und 
.    demselben   Harz  aber  innerhalb  gewisser   Grenzen  konstant  und  kann  daher  neben  anderen 
Merkmalen  zur  Bestimmung  der  Reinheit  dieser  Produkte  verwendet  werden. 

Unter  Verseifungszahl  versieht  man  Milligramme  Kali,  welche  1  g  Harz  beim 
Kochen  mit    überschüssiger    alkoholischer  Kalilauge  bindet. 

Die  Säurezahl  sind  Milligramme  Kali,  welche  zur  Sättigung  von  1  g  Harz  in  alko- 
holischer Lösung  beansprucht  werden. 

Die    E  s  t  e  r  z  a  h  1    ist  die  Differenz  zwischen  Verseifungs-  und  Säurezahl. 

2.  Harzgewinnung. 

§  44.  a.  Allgemeines.  Trotz  der  außerordentlich  weiten  Verbreitung  der  Harze 
ist  die  Zahl  der  Pflanzen,  bei  denen  die  Harznutzung  verlohnt,  doch  nur  eine  be- 
schränkte. Unter  den  in  Europa  einheimischen  Waldbäumen  sind  es  folgende: 
Die  Schwarzföhre  (Pinus  Laricio),  die  Strandkiefer  (Pinus  maritima  oder  P.  Pina- 
ster), die  Fichte  (Picea  excelsa)  und  die  Lärche  (Larix  europaea). 

Von  untergeordneter  Bedeutung  sind  die  harzreicheren  Spielarten  der  Tanne 
(Abies  pectinata)  und  die  Kiefer  (Weißföhre)  (Pinus  silvestris),  ferner  die  Krumholz- 
kiefer (Pinus  pumilio)  und  die  Zirbelkiefer  (Pinus  cembra). 

Im  größten  Maßstabe  wird  die  Harzung  bei  der  Schwarzföhre  und  Strandkiefer  be- 
trieben, welche  unter  den  Vorgenannten  auch  die  größte  Harzergiebigkeit  aufweisen. 

Viel  Harz  (bezw.  Kolophonium)  wird  aus  Nord-  und  Südamerika  importiert 
und  macht  der  einheimischen  Produktion  ganz  gewaltige  Konkurrenz.  Das  meiste 
amerikanische  Harz  wird  aus  Pinus  australis  und  Pinus  taeda  gewonnen,  neben  denen 
noch  eine  Anzahl  anderer  Bäume  zur  Harznutzung  herangezogen  wird.  Unter  die- 
sen verdient  besondere  Erwähnung  Abies  balsamea,  welche  das  feinste  Harz  liefert. 
Von  den  asiatischen  Harzbäumen  sind  vor  allem  Pinus  Merkusii  und  Pinus  Kha- 
siana  wegen  ihres  Harzreichtums  zu  nennen. 

Die  verschiedenen  anderen  Harze,  welche  ebenfalls  importiert  werden  und  teils 
technische,  teils  medizinische  Verwendung  finden,  sind  für  den  vorliegenden  Zweck 
insofern  bedeutungslos,  als  sie  durchweg  von  außereuropäischen  Pflanzen  abstam- 
men und  mit  den  in  Europa  gewonnenen  Harzen  nicht  in  Konkurrenz  treten. 


Die  Harze,  deren  Gewinnung  und  Verarbeitung.     §  12.  g25 

Die  GcwiniiungsmeLhode  ist  verschieden,  je  nachdem  die  Hauptmenge  des 
Harzes  im  Splint  und  in  der  Rinde  oder  in  Hohlräumen  des  Kernholzes  sich  befin- 
det.    Im  wesentlichen  können  folgende  Methoden  unterschieden  werden: 

1.  Das  stellenweise  Abnehmen  der  Rinde  (das  sogen.  Lachtenreißen),  und  zwar 
a)  das  Aufsammeln  des  ausfließenden  Harzes  in  einer  napfförmigen  Vertiefung  am 
untern  Ende  der  Lachte  (Schwarzföhrenharzung  oder  österr.  Methode),  b)  Auf- 
sammlung des  Harzes  in  der  Nähe  der  Ausflußstelle,  mittelst  angehängter  Gefäße 
(Strandkieferharzung  oder  französische  Methode),  c)  Erhärtenlassen  und  Abscharren 
des  Harzes  aus  der  Lachte  (Fichtenharzung). 

2.  Das  Anbohren  des  Stammes  nahe  über  dem  Boden  (Lärchenharzung). 

3.  Anschneiden  der  Harzbeulen  in  der  Rinde  (Tannenharzung). 

4.  Einfaches  Aufsammeln  des  abtropfenden  Harzes. 

§45.  b)Schwarztöliren-Harzunf?.  Die  Sclnvarzfölire  wird  vorzugsweise  in 
Niederösterreicli,  u.  zw.  in  der  Umgegend  von  Mödling,  Baden,  Wiener-Neustadt,  Pottenstein. 
Pernitz,  Hernstein  etc.,  ferner  aucii  in  Frankreich  und  auf  Korsika  zur  Harzgewinnung  benützt. 
Der  Vorgang  dabei  ist  folgender:  Die  erste  Arbeit  ist  die  Herstellung  des  Grandels,  d.  i.  einer 
napfförmigen  \ertiefung  an  der  Südseite  des  Stammes,  ungefähr  Ya  m  über  dem  Boden,  zum 
.\ufsammeln  des  später  abfließenden  Harzes.  Das  Grandel  umfaßt  etwa  '/i  bis  Ya  des  Stammes 
und  hat  eine  Tiefe  von  7  bis  8  cm.  Diese  Arbeit  heißt  das  Schroten.  Zu  beiden  Seiten  des 
Grandels  wird  eine  in  schräger  Richtung  aufsteigende  Einkerbung  gemacht,  woran  sich  die 
Lachte  (auch  Lache,  Lasche  oder  Plätzstreifen  genannt)  schließt.  Diese  letztere  wird  durch 
Abdechseln  der  Rinde  und  des  jüngsten  2 — 4jährigen  Holzes  hergestellt.  Ein  tieferer  Eingriff 
wäre  zwecklos,  weil  das  Harz  nur  aus  dem  Splinte  und  der  Rinde  ausfließt,  aus  dem  Kernholze 
aber  niemals.  Das  Dechsel  ist  eine  kleine  gebogene  Hacke  mit  einer  6  cm  breiten  Schneide, 
welche  zum  Stiel  rechtwinkelig  steht,  .anfänglich  W"ird  die  Lachte  nur  wenige  Zentimeter  hoch 
gemacht  und  dann  allmählich  nacli  aufwärts  verlängert,  so  daß  sie  nach  einer  Jahresperiode 
die  Höhe  von  35  bis  40  cm  erreiclit  hat.  Das  allmähliche  Verlängern  der  Lachte  nennt  man 
das  Plätzen.  Es  hat  den  Zweck,  die  Harzkanäle  offen  zu  halten.  Im  ersten  Jahre  wird  alle 
8  |Tage,  in  den  späteren  Jahren  alle  4 — 5  Tage  einmal  geplatzt.  Wird  diese  .Arbeit  in  län- 
geren Zwischenpausen  vorgenommen,  so  ist  der  Ertrag  geringer,  weil  sich  das  Harz  an  der 
Ausflußstelle  verdickt  und  Krusten  bildet,  welche  den  weiteren  Harzaustritt  verhindern.  In 
dieser  Weise  wird  etwa  8 — 12  Jahre  hindurch  fortgefahren  und  die  Lachte  von  Jahr  zu  Jahr 
um  35 — 40  cm  erhöht.  Die  Breite  derselben  bleibt  aber  immer  gleich  und  darf  ^/j  des  Stamm- 
unifanges  niclit  übersteigen.  Die  Harzungsarbeit  (das  Plätzen)  wird  in  der  zweiten  Hälfte 
.\pril  begonnen  und  bis  Anfang  oder  Mitte  Oktober  fortgesetzt.  Im  ersten  Jahre,  wo  die  Lachte 
noch  keine  beträchtliche  Höhe  erreicht  hat,  fließt  das  meiste  Harz  in  das  Grandel  ab  (Rinn- 
harz), auf  der  Lachte  bleibt  nur  wenig.  Später  hingegen,  wenn  das  Harz  einen  längeren  Weg 
zurückzulegen  hat,  verdunstet  viel  Terpentinöl,  das  Harz  verdickt  sich,  bleibt  zum  großen  Teil 
auf  der  Lachte  sitzen  und  muß  abgescharrt  werden  (Scharrharz).  Um  die  V'erdunstungsober- 
fläche  zu  verringern,  läßt  man  das  Harz  nicht  über  die  ganze  Breite  der  Lachte  herabfließen, 
sondern  leitet  dasselbe  in  der  Nähe  der  .\usflußstelle  so  zusammen,  daß  es  in  Form  eines  schma- 
len Streifens  in  das  Grandel  abfließt.  Zu  diesem  Zwecke  werden  von  beiden  Seiten  schräg 
gegen  die  Mitte  der  Lachte  zulaufende  Einhiebe  (sog.  Klaffen)  gemacht  und  Holzspäne  (sogen. 
Scharten,  N'orlegscheiter  oder  Leitspäne)  eingesteckt,  welche  dem  ausfließenden  Harze  die  ge- 
wünschte Richtung  geben.  Alle  14  Tage  wird  das  Harz  aus  den  Grandein  ausgeschöpft  und  in 
Bottichen,  welche  am  Harzungsorte  in  den  Boden  vertieft  sind,  bis  zur  Weiterverwendung 
aufbewahrt.  Der  auf  der  Lachte  festgewordene  Teil  des  Harzes  wird  im  Herbste  mit  einem 
gekrümmten  Eisen  abgescharrt.  Zur  Harzung  sollen  die  Bäume  erst  10 — 20  Jahre  vor  dem 
Abtrieb,  also  im  60. — 80.,  keinesfalls  aber  vor  dem  40.  Lebensjahre  herangezogen  werden. 

Stärkere  Stämme  werden  nicht  selten  von  zwei  Seiten  geharzt.  Nachdem  die  Lachte 
auf  der  einen  Seite  eine  Höhe  von  4  bis  5  m  erreicht  hat,  wird  sie  aufgelassen  und  an  der  ent- 
gegengesetzten Seite  eine  neue  Laclite  gemacht,  so  daß  nur  zwei  ganz  sehmale  Rindenstreifen 
zwischen  beiden  Lachten  stehen  bleiben. 

Ueber  Harzertrag,  Kosten  der  Harzung  etc.  hat  k.  k.  Oberforstrat  W.  Stöger, 
in  dem  Werke  ,, Geschichte  der  österr.  Land-  und  Forstwirtschaft",  1899  sehr  wert- 
volle Angaben  gemacht,  aus  welchen  nachstehendes  im  Auszuge  entnommen  ist. 

Auf  den  Harzertrag  nehmen  Einfluß:  der  Boden,  die  Jahreswitterung,  die 
Stärke  des  Stammes,  die  Zeit  und  Dauer  der  Harzung,  sowie  die  Geschicklichkeit 
der  Arbeiter. 

Handb.  d.  Forälwiss.    3.  Aufl.    II.  40 


ß26  IX  D.   S  c  h  w  a  c  k  h  ö  f  e  r  ,  Forstlich-Chemische  Technologie. 

Der  Ertrag  eines  Stammes  nimmt  um  so  mehr  ab: 

1.  je  seichter,  trockener  und  durchlässiger  der  Boden  ist, 

2.  je  rauher  das  Klima  ist, 

3.  je  geringer  die  Stammstärke  und  Benadelung  und  je  dichter  der  Bestandes- 
schluß ist. 

Der  Harzertrag  ist  Ende  Juni  am  höchsten  und  nimmt  dann  stetig  ab  bis  gegen 
Ende  des  Sommers.  In  den  ersten  2  oder  3  Jahren,  sowie  auch  gegen  Schluß  der 
Harzungsperiode  ist  der  Ertrag  geringer.  Bei  den  stärkeren  Stämmen  wird  im  7. 
bis  9.,  bei  den  schwächeren  im  4.  bis  G.Jahre  der  Höchstertrag  erreicht.  Auch  die 
Qualität  des  Harzes  ist  in  den  ersten  Jahren  geringer  als  später.  Die  Harzungs- 
periode geht  selten  unter  8  Jahre  herab  und  steigt  in  der  Regel  nicht  über  12  bis 
15  Jahre.  Das  Plätzen  darf  weder  bei  andauernder  Sommerhitze,  noch  auch  bei 
zu  niederer  Temperatur  vorgenommen  werden;  beides  ist  nachteilig  für  den  Harz- 
ertrag und  es  kann  selbst  der  Stamm  eingehen;  günstig  für  den  Ertrag  sind  Wärme 
mit  abwechselnder  Feuchtigkeit,  freier,  sonniger  Standort,  Süd-  und  Ostlagen. 
Kennzeichen  eines  ertragreichen  Stammes  ist  eine  gelbrote  Farbe  des  Plätzstreifens. 

Die  im  harzungsfähigen  Alter  stehenden  Stämme  werden  nach  Stöger  in  2 
Klassen  geschieden:  I.  Klasse  über  30  cm,  IL  Klasse  von  25  bis  30  cm  Brustjahres- 
durchmesser. Der  Harzertrag  in  kg  per  Stamm  und  Jahr  stellt  sich  während  einer 
10  jährigen  Periode: 

bei  der 


I.  Kl. 

II.  Kl. 

auf  Konglomerat 

4,3^,9 

2,4—2,8 

,,    Dolonüt 

3,3—4,2 

1,4—2,6 

„    Hallstädter  Kalk 

2,6—3,7 

1,5-2,2 

Das  gewonnene  Harz  scheidet  sich  in  Rinnharz  und  Scharrharz.  Das  Scharr- 
harz enthält  bedeutend  weniger  Terpentinöl,  ist  mit  Holzspänen  vermengt  und  er- 
zielt daher  meist  nur  zwei  Drittel  des  Preises  vom  Rinnharz.  Die  Menge  des  Scharr- 
harzes hängt  zumeist  von  dem  Flächeninhalt  der  Lachte  ab,  ferner  auch  von  der  Luft- 
temperatur im  Herbste.  Herrscht  im  September  und  Oktober  warmes  Wetter,  so 
wird  weniger  Scharrharz  und  dafür  mehr  Rinnharz  gebildet. 

Von  je  100  kg  des  gewonnenen  Harzes  entfallen  auf  Scharrharz 

bei  der 
I.  Kl.  IL  Kl. 

auf  Konglomerat  42,1—45,8  53,8—62,8 

„    Dolomit  41,9—53,7  41,9-68,9 

„    Hallstädter  Kalk       28,6-60,4  31,8—58,6 

Während  der  Harzungsdauer  ergibt  sich  immer  ein  Verlust  an  Stämmen  teils 
durch  Niederbruch  und  teils  durch  Vertrocknen.  In  Prozenten  ausgedrückt  stellt 
sich  dieser  Verlust 

bei  der 
I.  Kl.  IL  Kl. 

vom  1.  bis  zum  4.  .Jahre  auf  2 — 4  8 — 12 

14_22    1 


1. 

bis  zum  4. 

5. 

7 

8. 

j)         j)      '■^- 

6—10 


10-40. 


Ueberdies  werden  3%  Eintrocknungsverlust  des  Rohstoffes  beim  Lagern  und 
5 — 6%  Einsud  beim  Raffinieren  vom  Käufer  in  Abzug  gebracht.  Im  Frühjahr  ist 
der  Preis  des  Rohproduktes  um  9 — 10  %  höher  als  im  Herbste. 


Die  Harze,  deren  Gewinnung  und  Verarbeitung.     §  46.  627 

Durch  die  Harzuiig  erleidet  der  Höhenzmvachs  eine  Einbuße  von  rund  3%; 
der  Rindenverlust  beträgt  10 — 66%  und  der  Holzverlust  20 — 43%.  Dagegen  wird 
das  Holz  knorriger  und  gewinnt  an  Qualität  als  Bau-  und  Nutzholz. 

§46.  c.Strandkiefor-Harzung.  Die  Strandkiefer  gedeiht  nur  in  wärmeren 
Klimaten  und  wird  tiauptsächlich  in  Frankreicli,  in  dem  Departement  „des  Landes",  zwischen 
Bayonne  und  Bordeaux,  wo  sie  größere  Bestände  bildet,  ferner  in  Spanien  und  Portugal  (Provinz 
(Estremadura),  sowie  an  den  nordafrikanisclien  Küsten  gepflanzt.  Die  Harzgewinnung  könnte 
in  der  gleichen  Weise  geschehen,  wie  bei  der  Schwarzföhre;  jedoch  ist  in  Frankreich  eine  Me- 
thode des  Lachtenreißens  1)  (System  H  u  g  u  e  s)  in  Uebung,  welclie  zweckmäßiger  ist,  als 
die  österreichische.  Da  Pinus  maritima  sehr  schnellwüchsig  ist,  so  ist  sie  schon  sehr  jung  (mit 
etwa  15  Jahren)  zur  Harznutzung  reif,  doch  setzt  diese  in  der  Regel  erst  bei  Stämmen  von 
25 — 30  Jahren  ein,  welche  nach  der  dort  bestehenden  Forstordnung  einen  Stammurafang 
von  ca.  1,1  m  besitzen  sollen.  Je  nach  dem  Beginn  der  Harznutzung  wird  dieselbe  bis  zum 
45.  auch  80.,  ja  sogar  bis  zum  125.  Lebensjahre  des  Baumes  fortgesetzt.  Ende  Februar  oder 
Anfang  März  wird  die  runzelige  Rinde  an  jener  Stelle,  wo  später  die  Lachte  gemacht  werden 
soll,  auf  einer  Höhe  von  etwa  60  cm  und  einer  Breite  von  10 — 12  cm  mit  einem  Schabeisen 
so  weit  verschwächt,  daß  der  Splint  nur  noch  mit  einer  dünnen,  glatten,  rötlich  erscheinenden 
Rindenschichte  bedeckt  bleibt.  Dies  hat  den  Zweck:  1.  zu  verhindern,  daß  Rindenstücke 
in  das  Harzsaramelgefäß  fallen,  2.  die  Werkzeuge  bei  der  Herstellung  der  Lachte  zu  schonen 
und  3.  dem  ^■erlaufen  des  Harzes  in  der  rauhen,  rissigen  Rinde  vorzubeugen. 

Die  zweite  Prozedur,  welche  in  die  erste  Hälfte  März  fällt,  ist  die  Herstellung  der  Lachte. 
Zu  diesem  Behufe  wird  an  der  geschälten  Stelle,  etwa  Ya  ni  über  dem  Boden  ein  Einschnitt 
von  10  cm  Breite,  3  cm  Höhe  und  1  cm  Tiefe  gemacht.  .\uf  dieser  Höhe  sickert  das  Harz  in 
Tröpfchenform  aus,  wird  von  einem  rinnenförmig  gebogenen  Zinkblechstreifen  aufgenommen 
und  in  den  Sammeltopf  abgeleitet.  Letzterer  ist  aus  glasiertem  Ton  hergestellt  und  mit  einem 
Nagel  an  dem  Stamme  befestigt.  Sein  Fassungsraum  beträgt  etwa  K  Liter.  Die  Blechrinne 
ragt  über  die  ganze  Breite  der  Lachte  und  steht  Si-i  cm  vor.  Zur  Befestigung  der  Blechrinne 
wird  mit  einem  geschärften  Vorschlageisen  eine  Einkerbung  gemacht,  die  Rinne  mittelst  des 
sogenannten  Steckeisens  festgehalten  und  mit  einem  Hammer  eingeschlagen.  Die  Lachte  wird 
anfänglich  jede  Woche,  und  in  den  späteren  Monaten  von  je  5  zu  5  Tagen,  nach  oben  hin  auf 
einer  Länge  von  10 — 12  cm  aufgefrischt.  Dabei  darf  immer  nur  eine  äußerst  dünne  Schichte 
abgenommen  werden,  so  daß  der  Eingriff  in  den  Splint  1  cm  Tiefe  niemals  übersteigt.  Diese 
.Auffrischung  wird  im  Laufe  eines  Jahres  40 — 45mal  wiederholt  und  orfordert  die  meiste  Ge- 
schicklichkeit. Die  Lachte  erreicht  dabei  im  ersten  Jahre  eine  Höhe  von  55  cm,  im  2.,  3.  und 
4.  Jahre  wird  sie  um  je  75  und  im  5.  Jahre  um  100  cm  erhöht,  so  daß  sie  am  Schluß  des  ö.  Jahres 
die  Totalhöhe  von  3,8  m  erreicht  hat.  Die  Breite  bleibt  aber  immer  dieselbe  und  soll  9  bis  10  cm 
nicht  übersteigen.  In  dem  Maße,  als  die  Lachte  nach  aufwärts  vorrückt,  wird  auch  die  Rinne 
und  der  Sammeltopf  gehoben.  Darin  liegt  ein  entschiedener  Vorzug  gegenüber  der  österr. 
Methode.  Das  Harz  hat  niemals  einen  langen  Weg  zurückzulegen,  um  in  das  Sammelgefäß 
zu  gelangen,  es  verdunstet  viel  w  eniger  Terpentinöl,  man  erhält  weniger  Scharrharz  und  dafür 
mehr  Rinnharz.  .\uch  ist  das  Harz  reiner,  weil  die  Töpfe  gedeckt  sind.  Alle  15 — 20  Tage  wird 
deren  Inhalt  in  einen  Kübel  entleert  und  in  die  Sammelbottiche  gebracht.  Das  Scharrharz 
wird  zweimal  im  Jahre  und  zwar  im  Juni  und  November  eingesammelt.  Auf  ein  Faß  Rinnharz 
(gemme)  =235  kg  dürfen  nicht  mehr  als  50  kg  Scharrharz  (barras)  entfallen,  d.  s.  17,9%  der 
Gesamtproduktion,  gegen  ca.  50%  bei  der  österr.  Methode. 

Bezüglich  des  weiteren  Verlaufes  der  Harzung  unterscheidet  man  zwei  .Arten:  1.  gem- 
mage  ä  mort  und  2.  gemmage  ä  vie.  Das  erste  \erfahren  wendet  man  bei  solchen  Stämmen 
an,  welche  entweder  behufs  Lichtung  gefällt  werden  müssen,  oder  welche  schon  am  Ende  der 
Nutzungsarbeit  stehen.  Da  es  unter  diesen  Umständen  angezeigt  ist,  so  viel  Harz  als  möglich 
zu  gewinnen,  so  werden  je  nach  der  Stärke  des  Stammes  2 — 6  Lachten  gleichzeitig  in  Angriff 
genommen. 

Das  zweite  Verfahren  wird  nur  bei  jenen  Bäumen  in  .Anwendung  gebracht,  welche  man 
eine  Reihe  von  Jahren  hindurch  nutzen  will.  Zu  diesem  Zwecke  darf  niemals  mehr  als  eine 
Lachte  auf  einmal  geöffnet  werden.  Wenn  nach  Verlauf  von  5  Jahren  die  erste  Lachte  eine 
Höhe  von  3,8  m  erreicht  hat,  läßt  man  den  Baum  mehrere  Jahre  hindurch  ausruhen.  Sodann 
wird  in  einem  .Abstände  von  15 — 20  cm  von  der  aufgelassenen  Lachte  eine  neue  geöffnet,  wieder 
5  Jahre  geharzt  und  so  weiter  verfahren,  bis  der  Rundgang  um  den  ganzen  Stamm  gemacht  ist. 

Ueber  die  .Ausbeute  pro  Stamm  und  Jahr  sind  in  der  vorzitierten  .Abhandlung  präzise 
Angaben  nicht  zu  finden;  es  heißt  nur,  daß  in  den  jüngeren  (30 — 35jährigen)  Beständen  240 
und  in  den  älteren  (40 — 70jährigen)  450  kg  Harz  pro  Hektar  und  Jahr  gewonnen  werden.  Von 
anderer  Seite  wird  die  jährliche  Ausbeute  pro  Stamm  im  .Mittel  von  jüngeren   Bäumen  mit 


1)  Den  Grundzügen  nach  entnommen  aus  der  Notice  sur  le  gemmage  du  pin  maritime 
par  M.  Croizette  Dcsnoyer,  garde  g^nferal  de  forets;  übersetzt  vom  Forstmeister  W.  Stöger 
in  den  Mitteilungen  d.  n.  ö.  Forstvereins  II.  Heft  1886. 

40* 


ß28  IX  D.   S  c  h  w  a  c  k  h  ö  f  e  r  ,  Forstlich-Chemisclie  Technologie. 

etwa  3  kg,  bei  60 — 70jälirigen  Stämmen  mit  6 — 8  kg  angegeben,  welclier  Ertrag  sich  bei  der 
gemmage  ä  mort  bis  zu  11  kg  steigern  kann. 

In  Spanien  und  Portugal  wird  die  Seestrandkiefer  nach  tinem  N'erfahren  genutzt,  das 
ungefähr  die  Mitte  zwischen  der  österreichischen  und  französischen  Jlethode  hält.  Breite  Lach- 
ten, von  denen  das  Harz  über  ein  Traufblech  in  ein  Gefäß  abrinnt,  charakterisieren  kurz  diese 
Methode. 

§  47.  d.  Fichten-Harzung.  Die  Fichte  ist  zwar  sehr  verbreitet,  wird  aber  ihrer 
geringen  Ergiebigkeit  wegen  doch  nur  noch  selten  geharzt.  Die  Harzgewinnung  beschränkt 
sich  hauptsächlich  auf  einige  Distrikte  in  Böhmen,  sowie  im  Thüringerwald  und  im  Großherzog- 
tum Baden  (Schwarzwald). 

Das  Ficlitenharz  hat  die  Eigenscliaft,  an  der  Luft  sehr  bald  fest  zu  werden.  .\uf  ein  frei- 
williges .abfließen  aus  der  Lachte  sowie  bei  der  Schwarzföhre  oder  Strandkiefer  ist  hier  nicht 
in  dem  Maße  zu  rechnen,  und  muß  daher  eine  andere  Gewinnungsmethode  befolgt  werden. 
Im  Mai  oder  Juni  werden  gleichzeitig  2  Lachten  von  je  1 — 1  %  m  Höhe  und  3 — 6  cm  Breite 
an  den  entgegengesetzten  Seiten  des  Stammes  aufgerissen.  Die  Lachten  werden  mit  einem 
eigenartig  gekrümmten  Messer  scharfkantig  ausgeschnitten  und  reichen  bis  in  den  Splint.  Sie 
sollen  unten  spitz  zulaufen,  damit  kein  Wasser  in  denselben  stagnieren  kann.  Im  Laufe  des 
ersten  Jahres  überziehen  sich  die  bloßgelegten  Stellen  mit  Harz,  welches  allmählich  erhärtet 
und  im  Juli  des  nächsten  Jahres  abgescharrt  wird.  .\n  den  Lachtenrändern  bildet  sich  mit 
der  Zeit  eine  UeberwalUmg,  welche  den  Harzaustritt  beeinträchtigt  und  endlich  ganz  verhin- 
dern würde.  Es  müssen  daher  alle  2 — 3  Jahre  die  Lachtenränder  erneuert  werden,  eine  .\rbeit, 
welche  man  das  Flußscharren  nennt.  In  einigen  Gegenden  wird  das  Flußscharren  jährlicli 
vorgenommen  und  die  Lachte  dabei  immer  imi  einige  Zentimeter  erweitert,  so  daß  nach  einer 
Reihe  von  Jahren  nur  mehr  zwei  schmale  Rindenstreifen  zwischen  den  beiden  Lachten  stehen 
bleiben.  Die  Erneuerung  der  Lachtenränder  soll  im  Sommer  vorgenommen  werden,  damit 
sich  dieselben  noch  vor  EintriU  des  Winters  mit  Harz  überziehen  können  und  der  Stamm 
dadurch  geschützt  ist.  An  anderen  Orten  macht  man  zuerst  zwei  schmale  Lachten,  nach  zwei 
Jahren  werden  diese  aufgelassen  und  zwischen  denselben  zwei  neue  Lachten  gerissen  usw., 
so  daß  auch  hier  schließlich  nur  mehr  ganz  schmale  Rindenstreifen  zwischen  den  einzelnen 
Lachten  stehen  bleiben.  In  der  Regel  wird  die  Harzung  10 — 15  Jahre  hindurch  fortgesetzt. 
Die  Ausbeute  pro  Stamm  und  Jahr  beträgt  im  Mittel  0,5  kg  Baum-  oder  Bruchharz  und  0,2  kg 
Fegespäne,  sogen.  Pickliarz. 

Das  aus  der  Lachte  ausgescharrte  Harz  ist  am  reinsten,  während  das  über  die  Lachte 
herabgeflossene,  sowie  das  beim  Flußscharren  gewonnene  stets  verunreinigt  und  daher  gering- 
wertiger ist. 

Aus  der  im  Vorhergehenden  angeführten  Beschreibung  der  praktisch  geübten 
Methoden  der  Harznutzung  durch  das  sog.  Lachtenreißen  ergibt  sich  ohne  weiteres, 
daß  ein  großer  Teil  (bis  zu  50  °o)  gerade  der  wertvollen,  leicht  flüchtigen  Bestand- 
teile des  Harzes  (das  Terpentinöl)  durch  Verdunsten  verloren  geht.  Zudem  kommt 
noch,  daß  die  durch  die  Lachten  erzeugten  Wunden  des  Baumes  nur  schwer  oder 
auch  gar  nicht  heilen  und  das  freigelegte  Holz  leicht,  infolge  Austrocknung,  Risse 
erhält,  in  denen  sich  tierische  und  pflanzliche  Parasiten  ansetzen,  zum  Schaden  des 
Baumes. 

Dr.  H.  Mayr  hat  daher,  um  diesen  LTebelständen  möglichst  aus  dem  Wege  zu  gehen,  ein 
Verfahren  in  Vorschlag  gebracht,  das  für  alle  Holzarten,  welche  durch  Lachtenreißen  auf  Harz 
genutzt  werden  können,  gleich  gut  anwendbar  sein  soll  und  das  nur  der  Erprobung  durch  die 
Praxis  harrt. 

Nach  diesem  Verfahren  wird  der  Baum,  an  seiner  Südostseite,  im  Frühjahr,  etwa  30  cm 
über  dem  Boden,  mittelst  eines  Zentrumbohrers  schräg  aufwärts  ansteigend  bis  ins  Holz  an- 
gebohrt. Von  diesem  Loche  aus  wird  mit  einer  \xl  ein  ca.  50  cm  langer  Einschnitt  bis  zum 
Cambium  geschlagen  und  zu  beiden  Seiten  dieses  Schnittes  die  Rinde  mittelst  des,  beim  Schälen 
der  Fichte  üblichen,  Schäleisens  in  Herzform  vom  Holze  losgelöst,  ohne  hiebei  aber  die  Rinde 
zu  zerreißen.  Etwaige  Weichholzpartien,  zwischen  Rinde  und  Holz,  werden  bei  dieser  Prozedur 
abgeschabt.  Durch  Einschieben  Aförmig  gefalteter  Blechstreifen,  welche  durch  entsprechendes 
Biegen  dem  Stammumfange  angepaßt  werden  können,  wird  ein  Verwachsen  der  Rinde  mit 
dem  Holze  vermieden  und  durch  die  schräg  nach  außen  und  unten  gerichtete  Stellung  der 
Blechstreifen,  das  austretende  Harz  gegen  die  Peripherie  und  nach  der  Spitze  der  Herzform 
geleitet.  Dort  wird  das  Harz  beiderseits  von  nach  aufwärts  gerichteten  V-Blechrinnen  auf- 
genommen und  einer  in  das  Bohrloch  eingeführten,  halbrunden  Blechrinne  zugeführt.  .\us' 
dieser  tropft  es  in  ein  knapp  unter  der  Rinne  angebrachtes  Gefäß,  welches,  um  Verdunstung 
des  Terpentinöles  und  Verunreinigung  des  Harzes  möglichst  zu  vermeiden,  mit  einem  klein- 
gelochten, trichterförmigen  Deckel  verschlossen  ist.  Durch  die  eingeschobenen  Blechstreifen 
wird  die  Rinde  ausgepuckelt  und  so  das  Regenwasser,  eventuell  noch  durch  Zielien  entsprechen- 


Die  Harze,  deren   Gewinnung  und  Nerarheitung.     §  49.  ß29 

der  Hilleu  in  der  Rinde,  aiigeleitet.  I!ei  starlv  liorliigen  Kielern,  Lurchen  oder  Duuglastannen 
wird  man  dureli  ,.Anrö(en"  die  Rinde  für  diese  Metliode  genügend  elastiseli  niaclien. 

In  jedem  weiteren  Nulzungsjalire  wird  diese,  natürlicli  gedeckte  I.aclite  in  gleicher  Weise 
nach  oben  verlängert  und  das  Sammelgcf;U3  nachgerückt,  während  die  aufgelassenen  Partien 
durch  Festnageln  der  Rinde  relativ  rascli  der  Heilung  zugeführt  werden,  ohne  stark  zu  ver- 
kiencn. 

§  48.  e)  L  ä  r  c  li  e  n  -  H  a  r  z  u  n  g.  Die  Lärche  ist  der  Harzl)aum  Südtirols  und  der 
italienischen  .Vlpen.  Diese  Harzung  wird  vornehmlicli  in  der  Umgeliung  von  Bozen,  Meran 
und  Trient,  in  Mals,  ferner  um  Brieangon  und  im  Tale  St.  Martin  betrieben. 

Der  Haufilsitz  des  Harzes  befindet  sich  bei  der  Lärche  im  Kernholze.  Nach  W  i  c  s  n  e  r 
sind  in  den  Markstrahlen  der  Lärche  zwei  liarzführende  Interz(>IIularräume  vorhanden.  Der 
Lärchenschafl  ist  sehr  häufig  kernschälig  und  zuweilen  auch  froslrissig.  In  diesen  Spalten 
des  Holzkörpers  samniell  sich  das  Harz.  Um  dasselbe  zu  gewinnen,  werden  die  Stämme  im 
Frühjahr  etwa  V3  m  über  dem  Boden  in  etwas  schräg  nach  aufwärts  steigender  Richtung  an- 
gebohrt. Das  Bohrloch  hat  ca.  3  cm  Lichte,  reicht  bis  in  das  Zentrum  und  wird  mit  einem 
Hnlzstöpsel  verschlossen.  Bis  zum  Herbst  füllt  sich  die  Bohröffnung  mit  Harz,  welches  sodann 
mit  Hilfe  eines  halbzylindrischen  Hohleisens  (Räumer),  ausgestochen  wird,  wobei  man  den 
ganzen  Harzzylinder  herauszieht  und  die  Oeffnung  wieder  verstopft.  Ein  einziges  Bohrloch 
genügt  für  die  ganze  Harzungsdauer,  welche  bis  zu  30  Jahren  ausgedehnt  werden  kann.  Die 
Bäume  sollen  mindestens  80  Jahre  alt  sein,  bevor  sie  zur  Harzung  benützt  w-erden.  Bäume  mit 
starker  Borke  geben  erfahrungsgemäß  die  beste  .'Vusbeute.  Der  Harzertrag  ist  vor  allem  davon 
abhängig,  ob  durch  das  Anbohren  eine  oder  mehrere  Harzspalten  getroffen  wurden  oder  nicht; 
ferner  auch  davon,  ob  in  einer  Periode  nur  einmal  oder  ob  mehrmals  das  Harz  ausgestochen 
wird  oder  ob,  wie  es  in  manchen  Gegenden  Brauch  ist,  das  Bohrlocli  etwa  vom  Frühjahr  bis 
zum  Herbst  offen  bleibt.  Die  Ausbeute  variiert  dann  von  0,1  bis  über  0,5  kg  per  Stamm  und 
Jahr.  Bei  einzelnen  starken  Stämmen  und  offengehaltenem  Bohrloch  soll  der  Harzertrag  bis 
zu  4  kg  steigen.  Das  feinste  Harz  ist  das  ausgestochene;  das  bei  offenem  Bohrloche  frei  aus- 
laufende Harz  ist  unreiner  und  enthält  auch  weniger  Terpentinöl,  dafür  ist  aber  das  quanti- 
tative Erträgnis  ein  bedeutend  höheres.  Trotz  der  durchschnittlich  doch  nur  geringen  Aus- 
beute ist  die  Lärchenharzung  doch  rentabel,  weil  sie  sehr  wenig  .-\rbeit  erfordert,  das  Harz 
hoch  im  Preise  steht  und  die  Stämme  keinerlei  \erunstaltung  erfahren. 

Alle  anderen  europäischen  Harzbäume  sind,  wie  schon  erwähnt,  von  untergeordneter 
Bedeutung.  Die  Tanne  ist  im  allgemeinen  ein  harzarmer  Baum  und  wird  nur  im  Elsaß  und 
auch  dort  nur  noch  vereinzelt  auf  Harz  genutzt.  Der  Hauptsitz  des  Harzes  ist  in  der  I^inde, 
wo  Harzbeulen  entstehen,  die  man  durch  .Anschneiden  öffnet  imd  das  ausfließende  Harz  in 
eigens  geformten  Gefäßen  aufsammelt.  Durch  .Anschneiden  der  Rinde  wird  in  den  Karpathen- 
ländern  aus  der  Zirbelkiefer,  ferner  in  Galizien  und  in  Rußland  aus  der  Kiefer  (Weißföhre) 
Harz  gewonnen.  Das  von  der  Krumholzkiefer,  sowie  von  jungen  Fichten  und  Föhren  abtropfende 
Harz  wird  in  Gestalt  von  kleinen  Körnchen  einfach  am  Waldboden  gesammelt. 

Das  Schwarzföhren-,  Strandkiefer-  und  Fichtenharz  gehören  zu  den  gemeinen  Terpen- 
tinen.  Die  beiden  ersteren  sind  halbflüssig  und  scheiden  bei  längerem  ruhigen  Stehen  einen 
kristallinischen  Bodensatz  von  .Abietinsäure  ab,  über  welchem  die  klare,  gelb  bis  rotbraun 
gefärbte,  honigdicke  Flüssigkeit  steht.  Beim  Strandkieferharz  ist  der  weitaus  größte  Teil 
flüssig  und  klar;  beim  Schwarzföhrenharz  hingegen  der  größere  Teil  kristallinisch.  Das  Fichten- 
harz ist  fest,  halbweich  und  gelb  bis  braun  gefärbt. 

Lärchen-  und  Tannenharz  zählen  zu  den  feinen  Terpentinen;  sie  sind,  abgesehen  von 
mechanischen  Verunreinigungen  (hauptsächlich  Lui'tbläschen  imd  Wassertröpfchen),  klar,  frei 
von  kristallinischen  Ausscheidungen.  Das  Lärchenharz  ist  dickflüssig  und  geht  unter  der 
Bezeichnung  ,,venetianischer  Terpentin"  in  den  Handel;  das  Tannenharz  ist  dünnflüssiger 
und  führt  den  Namen  ,, Straßburger  Terpentin".  Diese  beiden  besitzen  einen  sehr  angeneh- 
men, terpenlinartigen,  an  Zitronen  erinnernden  Geruch  und  bitteren  Geschmack.  An  der  Luft 
wird  der  Straßburger  Terpentin  rascher  fest  als  der  venetianische. 

Nebenbei  sind  noch  das  W  u  r  z  e  1  p  e  c  h  und  das  Ueberwallungsharzzu  nennen, 
welche  beide  zum  geuu'inen  Harz  gehören.  Ersteres  findet  sich  in  Form  von  Platten  zw'ischen 
Rinde  und  Holz  dicker  Wurzeläste  der  Fichte  und  wird  in  einzelnen  Gegenden  Böhmens  ge- 
sammelt. Es  ist  hart,  spröde  und  von  schwefelgelber  Farbe.  Das  Ueberwallungsharz  wurde 
zuerst  von  W'iesner  studiert.  Es  bildet  sich  an  den  Wundstellen  verletzter  Nadelhölzer  aus 
dem  Narbengewebe.  Das  Ueberwallungsharz  der  Schwarzföhre  besteht  aus  dünnen  Krusten 
oder  knollenförmigen,  mehrere  Zentimeter  großen  Stücken,  von  bernsteinartigem  .\nsehen. 
Jenes  von  der  Fichte  ist  konglomeratartig,  weiß,  gelb  bis  braun.  Das  Lärchenüberwallungsharz 
bildet  halbkugel-  oder  plattenförmige  Stücke  von  bernsteingelber  F'arbe.  Es  erhärtet  wegen 
seines  hohen  Gehaltes  an  Terpentinöl  nur  sehr  langsam. 

3.  Verarbeitung  der  Harze. 
§  49.     Das  Rohharz  findet  als  solches  nur  beschränkte  Verwendung;  es  dient 
hauptsächhch  nur  für  medizinisclie   Zwecke,   zur  Herstellung  von  Verbandstoffen 


630  IX  D.  S  c  h  w  a  c  k  h  ö  f  e  r  ,  Forstlich-Chemische  Technologie. 

und  Pflastern.  Die  weitaus  größte  Menge  des  Rohharzes  wird  auf  Harzprodukte 
verarbeitet.  Die  wichtigsten  derselben  sind :  Terpentinöl  und  Kolophonium. 
Aus  letzterem  werden  sodann  durch  trockene  Destillation  verschiedene  Harzöle 
hergestellt.  Wird  das  Terpentinöl  ganz  abdestilliert,  so  verbleibt  im  Rückstand 
Kolophonium.  Wird  hingegen  nur  ein  Teil  des  Terpentinöles  abgetrieben,  so  hinter- 
bleibt eine  dickflüssige  Masse,  welche  als  gemeiner  Terpentin  in  den  Handel  geht. 

In  den  primitiv  eingerichteten  Pechhütten  wird  die  Destillation  in  kupfernen 
Kesseln  mit  abnehmbarem  Helm  über  freiem  Feuer  vorgenommen.  Um  das  Ter- 
pentinöl leichter  zu  trennen,  wird  in  das  geschmolzene  Harz  Wasser  eingerührt,  wel- 
ches beim  Verdampfen  das  Terpentinöl  mit  fortreißt.  Die  Destillationsprodukte 
werden  durch  einen  Kühler  geleitet  und  in  einer  Vorlage  (nach  Art  der  Florentiner- 
flaschen) aufgesammelt,  wo  sich  das  Terpentinöl  vom  Wasser  trennt.  Nachdem  das 
Terpentinöl  abgetrieben  ist,  verbleibt  im  Kessel  das  sogenannte  Wasser  harz 
oder  W  ei  ß  p  e  c  h.  Dasselbe  enthält  noch  eine  beträchtliche  Menge  Wasser  in  Form 
sehr  kleiner  Tröpfchen  und  bildet  beim  Erstarren  eine  trübe,  hellgelb  bis  braun 
gefärbte  Masse.  Es  dient  zum  Leimen  des  Papiers  und  als  Dichtungsmittel  für 
Fässer,  aber  nicht  als  Brauerpech.  Um  Kolophonium  daraus  darzustellen,  muß  das 
Wasser  vollständig  verdampft  werden.  Zu  diesem  Behufe  wird  der  Helm  abgenom- 
men und  der  Kesselinhalt  so  lange  erhitzt,  bis  er  durchsichtig  geworden  ist.  Sodann 
hebt  man  den  Kessel  aus  dem  Feuerherd  heraus  und  gießt  das  Kolophonium  durch 
Draht-  oder  Strohhürden  in  Fässer  oder  Kisten.  Die  mechanisch  beigemengten 
Verunreinigungen,  namenthch  Holzspäne  und  Rindenstücke,  bleiben  auf  den  Hürden 
zurück.  Die  schwereren,  erdigen  Verunreinigungen  finden  sich  in  der  Schmelze  als 
Bodensatz,  welcher  separat  ausgestoßen  und,  wenn  eine  größere  Partie  vorhanden 
ist,    durch  Umschmelzen  und  Abseihen  gereinigt  wird. 

Dieses  Verfahren  eignet  sich  nur  zur  Erzeugung  von  ordinärem,  dunkelgefärbtem 
Kolophonium,  weil  die  Erhitzung  des  Kesselinhaltes  eine  sehr  ungleichmäßige  ist. 
An  den  überhitzten  Kesselwänden  wird  immer  ein  Teil  des  Harzes  zersetzt  und  die 
ganze  Masse  dadurch  trüb  und  tief  dunkelbraun  gefärbt.  Ueberdies  ist  auch  die 
Ausbeute  an  Terpentinöl  eine  geringere. 

Bei  rationeller  Arbeit  wird  das  Rohharz  zunächst  geschmolzen  und  durch  ein 
Sieb  filtriert.  Das  Filterreservoir  ist  doppelwandig  für  die  Dampfheizung  und  mit 
einem  aushebbaren  Siebeinsatze  versehen.  Es  ist  mit  dem  Destillierkessel  durch  ein 
Rohr  verbunden,  so  daß  das  filtrierte  Rohharz  im  warmen  flüssigen  Zustande  direkt 
in  den  Destillierkessel  gelangt.  Derselbe  ist  aus  Eisenblech  hergestellt ,  mit  einem 
Dampfmantel  und  überdies  auch  noch  mit  direkter  Dampfeinströmung  versehen. 
Der  Boden  ist  trichterförmig  vertieft,  damit  das  Kolophonium  leicht  und  vollständig 
abgelassen  werden  kann.  Die  Destillation  wird  am  vorteilhaftesten  unter  Druck- 
verminderung vorgenommen,  welche  ein  Dampfstrahlgebläse  bei  der  Einmündung 
des  Helmrohres  in  den  Kondensator  veranlaßt.  An  Stelle  des  Schlangenkühlers 
ist  ein  Kondensator  mit  mehreren  ineinander  gesteckten  zylindrischen  Einsätzen 
angebracht,  zwischen  denen  das  Kühlwasser  zirkuliert.  Vorlauf  und  Hauptdestillat 
können  separat  aufgesammelt  werden.  Mit  Hilfe  dieser  Vakuum-Einrichtung  wird 
nicht  nur  die  Filtration  des  Rohharzes  wesentlich  beschleunigt  und  das  Einfüllen 
in  den  Kessel  erleichtert,  sondern  auch  die  Ausbeute  an  Terpentinöl  erhöht  und  ein 
reineres  Produkt  erhalten,  weil  die  Destillation  bei  niedrigerer  Temperatur  erfolgt. 

Die  Ausbeute  an  Terpentinöl  und  Kolophonium  ist  sehr  verschieden,  je  nach 
der  Abstammung  und  Qualität  des  Rohharzes.  Gewöhnlich  werden  zwischen 
15—30%  Terpentinöl  und  65—75%  Kolophonium  erhalten;  5  bis  10%  sind  Ver- 


Die  Harze,  deren  Gewinnung  und  Verarbeitung.     §  52.  631 

unreinigungen  (Wasser,  Rindenstücke,  erdige  Teile  etc.)  und  Verlust.  Nach  der  Aus- 
beute an  Terpentinöl  nehmen  die  in  Europa  gewonnenen  Harze  folgende  Rangord- 
nung ein:  Tannen-,  Lärchen-,  Strandkiefer-,  Schwarzföhren-  und  endlich  Fichten- 
harz als  das  ärmste. 

4.  Harzppodukte. 

§  50.  a.  Das  Terpentinöl  besteht  aus  einem  Gemenge  von  Kohlenwasserstoffen; 
der  Hauptbestandteil  ist  das  Pincn  Ci„H,8.  Im  rohen  Produ]<t,  welches  durch  Destillation 
über  freiem  Feuer  erhalten  wurde,  finden  sich  auch  Zersetzunpsprodukte  des  Kolophoniums 
(Retinnaphta  C;Hg,  Siedepunkt  108»,  Relinyl  C^H,,,  Sdpt.  150°,  Retinol  CgHs,  Sdpt.  180»  C.), 
ferner  Harzsäuren  etc.  Um  das  Oel  zu  reinigen,  wird  es  mit  Kalkwasser  vermischt  und  noch- 
mal mit  Dampfheizung  destilliert  (rektifiziert).  .\ber  auch  das  so  gereinigte  Oel  besitzt  je 
nach  seiner  .Abstammung  noch  verschiedene  Eigenschaften. 

Frisch  dargestellt  ist  das  Terpentinöl  farblos,  dünnflflssig  und  von  eigentümlichem  Ge- 
ruch. Das  französische  Oel  riecht  nach  Wachholder,  das  amerikanische  kolophoniumarlig. 
Die  Dichte  bei  gewöhnlicher  Temperatur  variiert  von  0,855 — 0,886.  Es  polarisiert  teils  nach 
rechts  und  teils  nach  links.  Der  Siedepunkt  liegt  zwischen  150  und  165°  C. ;  trotzdem  verdun- 
stet es  aber  doch  schon  bei  gewöhnlicher  Temperatur  ganz  merklich.  Der  restierende  Teil 
nimmt  Sauerstoff  aus  der  Luft  auf  und  bildet  sich  ein  .\ldehyd  (CjoHjjOj)  von  scharfem  Ge- 
ruch. Bei  weiter  fortschreitender  Oxydation  verdickt  es  sich,  wird  nach  und  nach  ganz  fest, 
spröde,  kolophoniumartig,  schwach  gelb  und  zeigt  eine  saure  Reaktion.  Der  absorbierte  Sauer- 
stoff wird  in  Ozon  verwandelt  und  leicht  auf  andere  Substanzen  übertragen,  so  daß  das  Ter- 
pentinöl in  Lack-  und  Firnisanstrichen  nicht  nur  als  \'erdünnungsmittel,  sondern  auch  als 
Oxydationsmittel  wirkt.  Durch  die  Gegenwart  von  Wasser  wird  die  Oxydation  beschleunigt. 
Terpentinöl  und  seine  Dämpfe  sind  leicht  brennbar  und  verbrennen  mit  roter,  stark  rußender 
Flamme.  Terpentinöl  ist  in  Wasser  unlöslich,  dagegen  löslich  in  Alkohol,  Aether,  Schwefel- 
kohlenstoff, Benzol,  Petroleumäther  etc.  Unter  der  Einwirkung  von  Sonnenlicht  und  Luft 
resp.  Sauerstoff  bildet  sich  aus  feuchtem  Terpentinöl  Pinolhydrat  CjpHjeO,,  ein  je  nach  den 
angewendeten  Lösungsmitteln  in  Blättchen  oder  Nadeln  kristallisierender  Körper,  welcher 
auch  in  einigen  Pinusarten  vorgefunden  wurde.  Mit  Chlorwasserstoffgas  gibt  es  eine  weiche, 
knetbare  \'erbindung  CjdHjjHCI  —  Pinenhydrochlorid  — ,  aus  welcher,  wie  schon  erwähnt, 
der  künstliche  Kampfer  erzeugt  wird. 

Terpentinöl  ist  ein  gutes  Lösungsmittel  für  viele  Harze,  Wachs,  Fette,  Kautschuk,  Schwefel 
und  Phosphor.  In  der  Industrie  findet  es  vielfache  Verwendung,  namentlich  zur  Lack-  und 
Firnisbereitung.  In  der  Medizin  dient  es  für  innerlichen  und  äußerlichen  Gebrauch.  Nicht 
selten  benützt  man  das  Terpentinöl  auch  als  N'erfälsehungsmittel  für  diverse  ätherische  Oele. 

§  51.  b.  Das  Kolophonium  zeigt  je  nach  der  Art  der  Darstellung  sehr  verschie- 
dene Eigenschaften.  Es  ist  entweder  vollkommen  durchsichtig,  durchscheinend  oder  fast 
undurchsichtig.  Das  Klarwerden  der  geschmolzenen  Masse  basiert  auf  der  Umwandlung  der 
kristallisierten  Abietinsäure  in  das  amorphe  .\nhydrid  derselben.  Die  Farbe  geht  von  blaß- 
gelb, goldgelb,  rotgelb  durch  alle  .Nuancen  bis  in  tief  dunkelbraun,  fast  schwarz.  Auch  bezüg- 
lich der  Härte  des  Kolophoniums  gibt  es  verschiedene  Abstufungen.  Manche  Sorten  sind  so 
weich,  daß  sie  den  Eindruck  mit  dem  Fingernagel  annehmen;  die  meisten  hingegen  besitzen 
eine  solche  Härte,  daß  sie  erst  mit  Eisen  geritzt  werden  können.  Das  harte  Kolophonium 
ist  fast  geruch-  und  geschmacklos,  glasartig  glänzend,  sehr  spröde,  läßt  sich  leicht  pulvern. 
Bei  70°  C.  wird  es  weich,  zwischen  100  und  135°  C.  schmilzt  es.  Das  spezifische  Gewicht  beträgt 
1,015 — 1,108  bei  15»  C.  Hinsichtlich  der  Lösliclikeit  steht  das  Kolophonium  ungefähr  auf  glei- 
cher Stufe  wie  das  Harz.  Nach  den  Untersuchungen  von  Perrenaud  enthält  das  amerikanische 
Kolophonium  aus  dem  Stammharze  von  Pinus  strobus  und  P.  picea,  sowie  jenes  aus  dem  Wurzel- 
harze von  P.  sylvestris  Abientisäure,  während  das  Kolophonium  aus  dem  Staramharze  von 
P.  sylvestris  und  aus  dem  Galipol  Pimarsäure  enthält. 

Das  Kolophonium  als  solches  dient  zur  Kitt-,  Siegellack-  und  Firniserzeugung,  als  Geigen- 
harz, zur  Herstellung  von  Harzseifen  und  Brauerpech;  ferner  werden,  w-ie  schon  erwähnt, 
verschiedene  Harzöle  daraus  dargestellt. 

Besondere  Erwähnung  verdienen  die  beiden  letztgenannten  Produkte,  da  deren  Her- 
stellung mit  der  Harzgewinnung  unmittelbar  zusammenhängt  und  die  eigentliche  Harzindustrie 
bildet. 

§  52.  c.  Das  Brauerpech  dient  zum  Auspichen  der  Bierfässer.  Der  innere  Pech- 
überzug ist  notwendig,  um  das  Faß  vollkommen  zu  dichten,  dem  Austreten  der  Kohlensäure 
und  Eindringen  der  Luft  vorzubeugen  und  ferner  eine  gründliche  Reinigung  vornehmen  zu 
können.  In  einem  unausgepichten  Fasse  würde  das  Bier  in  das  Holz  eindringen  und  einen 
Holzgeschniack  annehmen.  Beim  .\usschmelzen  des  alten  und  Ersatz  desselben  durch  neues 
Pech  wird  hingegen  eine  so  gründliche  Reinigung  erzielt,  wie  sie  auf  anderem  Wege  gar  nicht 
zu  bewerkstelligen  ist.  Das  Kolophonium  als  solches  ist  zum  .\uspichen  nicht  ohne  weiteres 
geeignet,  weil  es  zu  spröde  ist  und  von  den  Faßwänden  abspringt.    Um  es  geschmeidiger  zu 


632  IX  D.   S  c  h  w  a  c  k  h  ö  f  e  r  ,  ForsUicli-Chemisclie  Technologie. 

machen,  wird  es  mit  gewissen  Zusätzen  versehen  imd  dieses  Produl<t  lieißl  Brauerpech.  Als 
Zusätze  werden  Harzöl,  Leinöl,  Koltonöl,  Paraffin,  reiner  Preßlalg  und  dgl.  verwendet  und 
zwar  in  einer  Menge  von  etwa  8 — 10%.  Das  Kolophonium  wird  in  einem  offenen  Kessel  ge- 
schmolzen und  der  Zusatz  eingerührt,  so  daß  eine  gleichmäßige  Mischung  entsteht.  Die  Fabri- 
kation ist  also  sehr  einfach. 

Gutes  Brauerpech  muß  nahezu  geruch-  und  geschmacklos  sein,  der  Schmelzpunkt  soll 
zwischen  40 — 50"  C.  liegen;  es  darf  beim  Schmelzen  nicht  schäumen  und  nach  dem  Erkalten 
weder  zu  weich  noch  zu  spröde  sein.  In  4°'ciigem  Weingeist  muß  es  unlöslich  und  in  absolutem 
.\lkohol  vollständig  löslich  sein.  Der  Aschengehalt  darf  0,3%  nicht  übersteigen.  Die  Farbe 
ist  verschieden  von  goldgelb  bis  tiefbraun  und  an  sich  bedeutungslos,  nur  dürfen  Farbstoff- 
zusätze nicht  vorhanden  sein.  Die  hellen  Pechsorten  sind  in  der  Regel  ganz  durchsichtig  (sog. 
Transparentpech),  die  dunkleren  durchscheinend  bis  undurchsichtig.  Doch  ist  auch  diese 
Eigenschaft  für  den  Gebrauchswert  gleichgültig;  das  wichtigste  ist,  daß  das  Pech  keinen  Geruch 
oder  Geschmack  an  das  Bier  abgibt,  was  sich  durch  eine  ganz  einfache  Probe  konstatieren  läßt. 
Zwei  oder  drei  gut  gereinigte  und  vollkommen  ausgetrocknete  Bierflaschen  werden  im  ange- 
wärmten Zustande  mit  Pech  ausgegossen,  so  daß  nur  eine  ganz  dünne  Schichte  desselben  an 
der  Glaswand  haften  bleibt.  Nach  dem  Erkalten  werden  diese  Flaschen  mit  geschmackreinem 
Bier  gefüllt,  verkorkt  und  mehrere  Tage  bei  Zimmertemperatur  oder  im  Eiskasten  stehen 
gelassen.  Da  hier  eine  relativ  große  Pechoberfläche  mit  dem  Bier  in  Berührung  kommt,  so 
läßt  sich  bei  der  Kostprobe  schon  nach  3  oder  4  Tagen  jeder,  auch  der  geringste  Geruch-  oder 
Geschmacksfehler  deutlich  erkennen.  Des  Vergleiches  wegen  muß  auch  immer  eine  Probe 
desselben  Bieres  in  einer  nicht  ausgepichten  Flasche  mit  in  Beobachtung  genommen  werden. 

§  53.  d.  Als  Harzöle  bezeichnet  man  mehrere  ölarlige  Flüssigkeiten,  welche  durch 
trockene   Destillation   aus    Kolophonium   erhalten   werden. 

Die  Destillationseinrichtung  bestand  früher  aus  einem  gußeisernen  Destillierkessel  von 
zylindrischer  Gestalt  mit  schalenförmig  vertieftem  Boden,  gewölbtem  Deckel  mit  Abzugrohr 
(Rüssel)  für  die  Oeldämpfe,  welches  mit  einem  Schlangenkondensator  verbunden  ist.  Die 
Heizung  erfolgte  mit  direktem  Feuer,  wozu  man  neben  Kohle  und  eventuell  Holzabfällen  auch 
die  Destillationsgase  mit  verwendete. 

Heute  Avird  in  allen  rationell  arbeitenden  Fabriken  die  Destillation  des  Kolo- 
phoniums in  Apparaten  ausgeführt,  welche  entweder  ausschließlich  mit  Dampf 
(direkt  oder  indirekt),  auch  überhitztem  Dampf,  oder  mit  Dampf  und  Feuergasen 
geheizt  werden.  Die  Destillationsgase  werden  aus  dem  Apparat  abgesaugt  und  mit 
als  Heizmaterial  verwendet,  wodurch  sie  erstens  einmal  für  die  Nachbarschaft  un- 
schädlich gemacht  werden,  dann  aber  auch  eine  nicht  zu  unterschätzende  Brennstoff- 
ersparnis erzielen  lassen.  Die  Apparate  sind  für  periodischen  oder  kontinuierlichen 
Betrieb  und  zur  Vorwärmung  des  Kolophoniums,  sowie  zur  Fraktionierung  und 
Rektifikation  der  Destillationsprodukte  eingerichtet. 

Von  Krämer  und  Flammer  wurde  ein  Apparat  konstruiert,  in  welchem  die  Destil- 
lation durch  überhitzten  Dampf,  Feuergase  und  Vakuum  betrieben  wird,  durch  welch 
letzteres  eine  raschere  Destillation  und  bessere  Qualität  der  Produkte  erzielt  wird, 
weil  man  mit  geringeren  Temperaturen  das  Auslaugen  findet.  Die  Einrichtung  der 
Dampfdestillations-Anlagen  stimmt  dem  Wesen  nach  mit  der  für  direkte  Feuerung 
überein.  Sie  besteht  somit  aus  Destillierblasen  und  Kondensiervorrichtungen,  welche 
aber  je  nach  der  Art  der  Feuerung,  Durchführung  des  Betriebes  und  Qualität  der 
Produkte  etc.  entsprechend  ausgestattet  sind  ^). 

Die  Vorteile  der  Dampfdestillation  lassen  sich  kurz  folgendermaßen  zusammen- 
fassen : 

1.  Einfacher  und  rationeller  Betrieb. 

2.  Präzise  Temperatur-Regulierung. 

3.  Hohe   Quaütät  der  Produkte. 

4.  Rasche  Destillation. 

5.  Leichte  Ueberwachung  des  Ganges  der  Destillation. 

6.  Vermeidung  von  Feuers-  und  Explosionsgefahr. 

7.  Schonung  der  Destillierapparate. 

1)   Näheres  in:  An  d  6s,  Die  Harzprodukte,  Seh  weize  r,  Die  Destillation  der  Harze  u.a. 


Die  Harze,  deren  Gewinnung  und  Verarbeitung.     §  53.  633 

Behufs  Durcliführiing  der  Destillation  \\urde  bei  den  alten  Apparaten  mit 
Feuerkochung  das  Kolophonium  durch  die  Füllöffnung  in  den  Destillierkessel,  bis 
zu  ^/4  max.  ^/s  von  dessen  Fassungsraum,  eingebracht  und  zunächst  bei  offenem 
Mannloch  geschmolzen,  um  ein  starkes  Schäumen  und  Steigen  der  Masse  beobachten 
und  nötigenfalls  durch  Abschöpfen  verhindern  zu  können.  War  die  Masse  in  ruhi- 
gem Fluß  (ca.  140  "  C),  so  wurde  das  Mannloch  verschlossen  und  mit  der  Destilla- 
tion begonnen. 

Bei  den  Apparaten  mit  Dampfheizung  wird  das  Kolophonium  im  Vorwärmer, 
welcher  mit  der  unter  ihm  liegenden  Destillierblase  durch  ein  Rohr  in  Verbindung 
steht,  durch  Anheizen  des  ganzen  Apparates  geschmolzen  und  in  diesem  Zustande 
dem  Destillierkessel  nach  Bedarf  zugeführt. 

Der  Beginn  der  Destillation  des  Harzes  gibt  sich  durch  ein  eigentümlich  pras- 
selndes Geräusch  zu  erkennen,  hervorgerufen  durch  den  Wasserdampf,  welcher  sich 
aus  dem  dem  Harze  anhaftenden  Wasser  bildet  und  durch  die  flüssige  Masse  Bahn 
bricht. 

Zuerst  gellt  bei  einer  allmählich  bis  zu  270"  C.  ansteigenden  Temperatur  der  sogenannte 
Vorlauf  über,  d.  i.  Sauerwasser  mit  Pinolin.  Ist  der  Vorlauf  zu  Ende,  so  wird  die  Temperatur 
gesteigert  und  es  beginnt  die  Oeldestillation.  Das  von  etwa  290°  C.  aufwärts  übergehende 
Oel  ist  trüb,  dunkelbraun  und  besitzt  einen  scharfen,  durchdringenden  Geruch.  Nach  dem 
trüben  Oel  folgt  klares,  wasserhelles  bis  schwach  gelbgefärbtes  Oel  von  mildem,  angenehmem 
Geruch,  ,,sog.  Mittel-  oder  Blondöl".  Bei  fortgesetzter  Temperaturerhühung  folgt  das  Blauöl 
und  schließlich,  über  350 — 360»  C,  das  Grünöl.  Im  Destillierkessel  verbleibt  ein  koksartiger 
Rückstand. 

Die  .\usbeuten  betragen: 

e — 8%  Vorlauf 
4 —  5%  trübes  Oel 
50 — 55%   helles  Oel 
15 — 20%  Blauöl 
6 —  7%   Grünöl 

Das  auf  100  fehlende  ist  Koks  und  sind  die  Gase,  welche  entweichen. 

Der  \'  0  r  1  a  u  f  besteht  ungefähr  zur  Hälfte  aus  Sauerwasser  und  zur  Hälfte  aus  leich- 
tem Harzöl  (Pinolin).  Ersteres  enthält  verschiedene  organische  Säuren,  vornehmlich  Essig- 
säure, wird  aber  in  der  Regel  nicht  weiter  verwertet.  Beim  Stehenlassen  scheidet  sich  das 
leichte  Oel  an  der  Oberfläche  ab  und  wird  durch  .abziehen  vom  Sauerwasser  getrennt.  Das 
Rohpinolin  ist  braun  gefärbt  und  riecht  sehr  unangenehm.  Behufs  Reinigung  wird  es  mit 
Natronlauge  gemischt,  um  die  Säure  zu  neutralisieren,  sodann  mit  Wasser  gewaschen  und  noch- 
mals destilliert.  Um  ein  ganz  reines  Produkt  zu  erhalten,  muß  die  Destillation  mit  direkter 
oder  indirekter  Dampfheizung  geschehen  und  wird  zuweilen  auch  Holzkohle  zugegeben,  welche 
den  Rest  der  unangenehm  riechenden  Beimengungen  aufnimmt.  Derartig  raffiniertes  Pinolin 
ist  wasserhell,  riecht  mild  aromatisch,  besitzt  eine  Dichte  von  0,860 — 0,900  und  steht  in  sei- 
nem Gebrauchswert  auf  gleicher  Stufe  mit  dem  Terpentinöl.  Es  kommt  unter  der  Bezeich- 
nung „Harzsprit"  oder  ,, Harzessenz"  in  den  Handel. 

Das  zweite  Produkt  „das  trübe  Oel"  ist  ein  Gemisch  von  Harzöl  mit  Vorlauf. 
Eine  scharfe  Trennung  dieser  beiden  ist  bei  der  erstmaligen  Destillation  jedoch  nicht  möglich. 
Auch  bleibt  bei  der  Rektifikation  des  Pinolins  mit  Dampfheizung  immer  etwas  Harzöl  im  Rück- 
stande. Bei  der  .\ufarbeitung  wird  dieses  Gemisch  mit  Lauge  und  Wasser  gewaschen  und  dient 
dann  entweder  für  sich  allein  oder  mit  Blauöl  gemischt  zur  Wagenfetterzeugung  oder  zur  Be- 
reitung von  Kalkseife. 

Das  dritte  Produkt,  das  helle  Oel  oder  Blondöl  ist  das  wertvollste  und  wird 
auch  in  größter  Jlenge  erhalten.  Es  kann  schon  im  rohen  Zustande  zur  Wagenfetterzeugung 
und  als  Schmieröl  verwendet  werden;  vorteilhafter  ist  es  aber,  dasselbe  einer  Raffination 
zu  unterziehen,  wodurch  sein  Gebrauchswert  bedeutend  erhöht  wird. 

Das  rohe  Blondöl  muß  im  frischen  Zustande,  womöglich  unmittelbar  nach  der  Destil- 
lation, raffiniert  werden.  Zu  diesem  Zwecke  wird  das  Rohöl  zunächst  mit  heißem  Wasser 
gewaschen,  nach  Scheidung  der  beiden  Schichten  abgezogen,  durch  Einleiten  von  direktem 
Dampfe  zum  gleichmäßigen  .\ufwallen  gebracht  -und  so  viel  Natronlauge  zugesetzt,  als  zur 
vollständigen  Hindun;;  der  Harzsäure  notwendig  ist.  Sobald  die  ^■erseifung  (resp.  Entharzung) 
erfolgt  ist,  was  man  an  der  Klärung  und  scharfen  Trennung  des  Oeles  in  einer  herausgenom- 
menen Probe  erkennt,  muß  die  Waschflüssigkeit  sofort  abgezogen  werden,  da  sich  sonst  wieder 
etwas  von  der  Seife  löst  und  das  Oel  dunkel  färbt.  Es  wird  mit  Wasser,  unter  Zuhilfenahme 
von  direkter  Dampfeinströraung,  wiederholt  gewaschen  und  sodann  in  den  O.xydationsapparat 


534  IX  D.   S  c  h  w  a  c  k  h  ö  f  e  r  ,  Forstlich-Chemische  Technologie. 

abgelassen.  Hier  wird  das  Oel  in  einer  80  bis  100  cm  hohen  Schichte  durch  Einblasen  von  Luft, 
unter  gleichzeitigem  Anwärmen,  mehrere  Stunden  hindurch  oxydiert,  wobei  es  den  blauen 
Schimmer  verliert.  Ein  Zusatz  von  10 — 15%  Salzwasser  während  des  Oxydationsprozesses 
ist  vorteilhaft,  weil  dieses  die  entstehenden  Brandharze  aufnimmt.  Das  raffinierte  Oel  ist  harz- 
frei, vollständig  blanl<,  blaßgelbgrün  und  nahezu  geruchlos.  Die  Fluoreszenz  ist  aber  nicht 
ganz  wegzubringen.  Das  Rohöl  fluoresziert  blau  und  das  raffinierte  grün.  Die  Dichte  ist  bei 
15°  C.  =  0,960 — 0,965;  der  Flammpunkt  liegt  bei  135 — 140»  C;  der  Brennpunkt  bei  180 — 185. 
Bei  300°  G.  destilliert  es  fast  vollständig  über.  Es  trocknet  rasch,  riß-  und  klebfrei  und  findet 
vielfache  Verwendung  zur  Firnis-  und  Lackfabrikation,  namentlicli  zur  Herstellung  von  Drucker- 
schwärze, Eisenlack,  Holz-  und  Mauerglasur, (ferner  als  Schmiermittel,  zur  Herstellung  von 
Ledersalbe,  medizinischen  Salben,  künstlichem  Tran,  zur  Erzeugung  von  Linoleum,  Isolier- 
massen für  elektrische  Leitungen,  als  Zusatz  für  Brauerpech,  Seife  und  Parfümerieartikel  usw. 

Als  Nebenprodukt  bei  der  Raffinierung  wird  die  Harzseifenlauge  gewonnen,  aus  welcher 
durch  Aufkochen  mit  Dampf  und  Einleiten  von  Kohlensäure  eine  zähflüssige  Harzmasse, 
sogen.  „Dicköl"  abgeschieden  werden  kann,  welches  zur  Wagenfettfabrikation  dient.  Die  durch 
Zersetzung  der  Seife  entstehende  Sodalauge  kann  neuerlich  kaustiziert  und  wieder  benutzt 
werden. 

Wird  die  Oxydation  nicht  in  offenen  Gefäßen,  sondern  in  geschlossenen  Reservoiren 
vorgenommen,  so  liönnen  auch  die  dabei  entweichenden  leichten  Oeldämpfe  abgesaugt  und 
kondensiert  werden. 

Sehr  praktische  Einriclitungen  für  diesen  Zweck,  sowie  aucli  für  die  Destillation  des 
Harzes  und  Raffinierung  der  Harzöle  hat  F.  Beleg  konstruiert  und  in  der  Chem.  Revue  über 
Fett-  und  Harzindustrie  1897  beschrieben. 

Das    B  I  a  u  ö  1    kann  in  gleicher  Weise  raffiniert  werden,  wie  das  Blondöl. 

Das  G  r  ü  n  ö  1 ,  welches  als  letztes  Produkt  übergeht,  wenn  die  Destillation  bis  auf 
Verbleiben  eines  Koksrückstandes  fortgesetzt  wird,  kann  ebenfalls  zur  Wagenfetterzeugung 
verwendet  werden.  Da  aber  dieser  Koks  nahezu  wertlos  ist  und  sich  selbst  zur  Feuerung  nicht 
gut  eignet,  wird  die  Destillation  in  der  Regel  nicht  bis  zum  Schluß  fortgesetzt,  sondern  unter- 
brochen, sobald  das  Blauöl  übergegangen  ist.  Es  verbleibt  sodann  im  Destillierkessel  eine 
schwarzbraune,  matt  bis  glänzende,  beim  Erkalten  spröde  werdende  Masse,  das  sog.  ,,Pech". 
Dasselbe  wird  im  heißen,  flüssigen  Zustande  aus  dem  Kessel  abgelassen,  in  Holzkübel  oder 
Lehmformen  gegossen  und  findet  zur  Herstellung  von  Schmiede-,  Schuster-,  Bürsten-  und 
Schiffspech  \'erwendung. 


Abgebet 


Brauerpech     635 


Sachregister  zu  Abschnitt  VI  bis  IX. 

Die  Zahlen  bezeichnen  die  Seiten. 


Abgebot  503. 

Abies  concolor  31. 

Abielum   G. 

Ableger  HS.  139. 

Abnutzbarkcit  (des  Holzes) 
426. 

Abscheerfestigkeit  387. 

Absenker  84.   139. 

Aezkalk   125. 

Ahorn  (Betriebsart  und  Ver- 
jüngung)  14S. 

Ailanthusholz  399. 

Akkumulation  298. 

Alkaloide   5fi3. 

Altmachen  des  Holzes  575. 

Alpenköhli-rei   597. 

Amaranthholz  362. 

Ammoniak,  schwefelsauresl2ö. 

Amyloid  555. 

Anbaufähigkeit   29. 

Anbauwürdigkeit  29. 

Anbrüchige  Hänge  (Befesti- 
gung durch  Vegetalions- 
decke)  307. 

Angriffshiebe  76. 

Ankohlen  572. 

Anrücken   496. 

Anschlämmen     der     Pflänz- 
linge   128. 

Anstrich    570. 

Anzündholz  466. 

Arbeitskapazität  des  Holzes 
429. 

Arbeitsplan  für  Holzprüfung 
389. 

Aspenbockkäfer  259. 

Aststreu   527. 

Astungen  193. 

Aufastungen   193. 

Aufastungssägen   195. 

Aufbewahrung  von  Hölzern 
512. 

Aufforstungen 


Aufstapelung      von      Hölzern 

512. 
Aufstreichsverkauf  502. 
Ausformung  des   Holzes   487. 
Ausgleichsgefälle  303. 


Ausheben  der  Pflänzlinge  128. 

Ausjälungen  162. 

Auskesseln  482. 

Ausländische  Holzarten  (Ein- 
führung) 28. 

Ausläuterungen  160,  162. 

Auslaugen   569. 

Auslaugung  des  Holzes  in 
Süß-    und    Salzwasser    42  7. 

.\uslichtungsstadium  74. 

Aussaat   112. 

—  im  Forstgarten  126. 
Ausschlagholzbetriebe  38. 
Ausschlagvermögen  79. 
Ausschlagwald  42.  50. 
Ausschußhölzer   506. 
Auszugshauungen  159. 
Axt  484. 

Bachverlauf,    Einteilung   296. 

Balata  560. 

Balken  447. 

Balkensperren  315. 

Ballenpflanzung  118.   136. 

Bankskiefer  31. 

Barfrost  2  7  0. 

Barzahlung  509. 

Bastkäfer  232. 

Bauholz  445. 

—  Elastizität  und  Festigkeit 
(Tetmayer)  402. 

Baumfrüchte  515. 
Baumrodemaschine 

—  Nassauische  480. 

—  Wohmannsche  480. 

—  Stendalsche  482. 
Baumwinde,  Büttners  481. 
Bauschreinerei  460. 
Beerennutzung  546. 
Bekanntmachung     (der     Ver- 
käufe)  508. 

Berauhwehre  327. 
Bergbau  452. 
Beschädigungen,        Verhalten 

der  Holzarten  gegen  13. 
Beschneiden    der    Pflänzlinge 

128. 
Bestandesbegründung  61. 

—  bei  den  einzelnen  Holz- 
arten 140. 


Bestandesbegründung  künst- 
liche 62,  84. 

—  natürliche  62,  66. 
Bestandeserziehung  158. 
Bestandesmalerial  4. 
Besteck   91. 
Bestrauchung  91. 
Betriebsarten  36. 

—  bei  den  einzelnen  Holzar- 
ten  140. 

—  Grundformen   37.   38. 

—  Uebergangsformen  37.   52. 

—  Zwischenformeu  37.  52. 
Betriebsumwandhmgen  57. 
Bewässerung  198. 
Biegeversuche  389. 
Biegsamkeit  385.  427. 
Bildsamkeit  428. 
Bindigkeit  des  Bodens  10. 
Binnensand  (Kultur  und  Bin- 
dung) 90. 

Birke  (Betriebsart  und  Ver- 
jüngung) 147. 

Birkennestspinner  264. 

Birkenrinde  472. 

Birkenrindenteer   614. 

Bitterstoffe    558.    563. 

Blattkäfer    260. 

Blauwerdcn  des  Kiefernholzes 
362. 

Blendersaumschlag  40.  48. 

Blitzschlag   279. 

Blockhausbau  446. 

Blockwandsperren  315. 

Bockkäfer  259. 

Boden,  Erhaltung  des     197. 

—  physikalische  Eigenschaf- 
ten des  8. 

Bodenbearbeitung,    wieder- 
holte  126. 
Bodenfeuer  208. 
Bodenfrische  197. 
Bodenlockerheit    197. 
Bodenlockerung   110. 
Bodenptlege  197. 
Bogensägen   482. 
Borkenkäfer  229. 
Boule-.\rbeit   358. 
Brandfruchtbau  98. 
Brauerpech  631. 


636     Braunschliff 


Sachregister  zu  Abschnitt  VI  bis  IX. 


Frühfrost 


Braunschlift  594. 
Brennholz  466. 
Brucherscheinungen  431. 
Bruchmodul  384. 
Brückenbauhölzer  457. 
Buche  als  Bauholz  449. 

—  Betriebsart  und  Verjüngung 
140. 

Bucheckernöl  515. 
Buchein  519.   525. 
Buchengallmücke  266. 
Buchenhochwaldbetrieb,    mo- 
difizierter (v.  Seebach)  189. 
Buchenkcimlingspilz  287. 
Buchenspinner  261. 
Buchenspringrüsselkäfer  260. 
Buchenwollaus  267. 
Büschelpflanzung  118.  119. 
Buhnen  324. 
Buhnenpfähle  458. 
Buttlar-Eisen  138. 

Cahücit  492. 
Carya  alba  31. 
Castanetum  6. 
Chamaecyparis  Lawsoniana 

31. 
Chilisalpeter  125. 
Cieslars  Keimkasten  108. 
Coldewes  Keimapparat  108. 

Dämpfen  des  Holzes  569. 

—  der    Rotbuclie    362. 
Darrbetrieb   520. 
Darrgewicht  des   Holzes   372. 
Darrtemperatur  522. 
Darrverfahren   520.   521.   522. 
Darrvorrichtungen  520. 
Dauer  des  Nadelholzes  411. 
Deformation  des  Holzes  381. 
Deformitätenerzeuger  265. 
Denudation   298. 

Dichte  des  Holzes  371. 
Douglasie    31. 
Dreiecksverband   118. 
Drewitz,  Sämaschine  von  116. 
Druckversuch  389. 
Dünensand,    Bindung   und 

Kultur  91. 
Düngung   124. 

—  Ausführung  der   125. 
Duft   278. 

Dunkelschlagwirtschaft  40. 
Durchtorstung 

—  Beginn  der  169. 

—  Begriff  164. 

—  dänische  17  7. 

—  Hecks  freie  177. 

—  Posteier,    nach   v.    Salisch 
178. 

—  Stärke  der  170. 

—  Wiederholung  170. 

—  Zweck  der  165. 
Durchhiebe   165. 

Ebenholz  361. 

Eclaircie  par  le  haut  17  7. 

Edelkastanie  148. 


Eggen  111. 

Eiche  (Betriebsart  und  Ver- 
jüngung)  143. 

Eicheln    519.    524. 

Eichenbockkäfer  259. 

Eichenmehltau    288. 

Eichenniederwald  80. 

Eichenrinde  492. 

Eichenschälrinde  4  7  0. 

Eichenschälwald   80. 

Eichensehälwaldertrag  495. 

Eichenwickler  265. 

Eichenwurzeltöter  289. 

Eichhörnchen  221. 

Einsumpfverfahren  576. 

Einzelpflanzung    118. 

Eisenbahnschwellen  454. 

Eisenbahnwagen  462. 

Eisklüfte    270. 

Elastizität  des  Holzes  383. 
384. 

—  verschiedener  Nadelhölzer 
412. 

—  von  Fichten-  und  Kiefern- 
holz 407. 

Engerlingschaden  244. 

Entel,   Keimapparat  von  108. 

Entflügelung  des  Samens  523. 

Entwässerung   198. 

Entwässerungsanlagen  325. 

Entwässerungsarbeiten  88. 

Entwässerungsgräben  326. 

Erdfeuer  208. 

Erdfloh   261. 

Erle  (Betriebsart  und  Xev- 
jüngung)   147. 

Erlenniederwald  82. 

Erosion  299. 

Esche  (Betriebsart  und  Xer- 
jüngung)   146. 

Eschenbastkäfer   258. 

Eschenholz  (technische  Eigen- 
schaften) 425. 

Essigsäure 

—  Darstellung  611. 

—  Eigenschaften  612. 
Exoten  28. 
Exposition  7. 
Extensivsystem    12. 

Fachwerksbau  446. 
Fagetum  6. 
Fällungsbetrieb  478. 
Fällungsplan   472. 
Fällungszeit  473. 

—  Einfluß  auf  die  Dauer  des 
Fichtenholzes   400. 

Färbung  des  Holzes  575. 
Fallrichtung  485. 
Falschkern  361. 
Familiengänge  230. 
Fangbäume  231. 
Fangbüschel  242. 
Fanggräben  241. 
Fangkloben  242. 
Fangrinde  242. 
Farbe  des   Holzes   357. 
Farbstoffe  im   Holz   558. 


Farbveränderung   361. 
Faschinen  458. 
Faschinenwerke    324. 
Feinheit  des  Holzes  365. 
Femelbetrieb  38.  45. 
Femelschlagbetrieb  39.  46.  75. 
Festigkeit    des     Holzes     383. 

384.    385. 
Festigkeit    des    Fichten-    und 

Kiefernholzes  407. 

—  der  verschiedenen  Nadel- 
hölzer 412. 

Festigkeitsänderung  beim  Na- 
delholz nach  der  Fällung 
411. 

Festigkeitskoeffizient  425. 

Festigkeitsmaschinen  388. 

Feuchtigkeit  10. 

Feuersichermachen  des  Holzes 
575. 

Fichte  (Betrieb.sart  und  Ver- 
jüngung) 152. 

—  Beziehung  zwischen  Jahr- 
ringbreite und  technischen 
Eigenschaften  422. 

Fichtenbastkäfer  239. 
Fichlenbockkäfer  259. 
Fichfenborkenkäfer  232. 
Fichtengespinsthlattwespe 

257, 
Fichtenholz 

—  Alter  der  Stämme  424. 

—  .\streinheit   424. 

—  Jahrringe  (Gleichmäßig 
keit)  424. 

—  Kern-  und  Splintholz  422. 

—  technische  Eigenschaften 
419. 

Fichtennadelrost  288. 
Fichlennestwickler  254. 
Fichtenrinde  471.   494. 
Fichtenrindenlaus  266. 
Fichtenrindenwickler  254. 
Flader  367. 

Flechtfaschinenwerke  324. 
Fliege,  spanische  261. 
Flugsand  90. 
Föhreneule  251. 
Föhrenspanner  252. 
Forrabarkeit  des   Holzes   385. 
Formen,  klimatische  101. 
Forstdüngung   199. 
Forstfrevel  206. 
Forstgärten,       Bodenbearbei- 
tung 123. 

—  ständige  121. 

—  unständige  121. 
Forstgartenbetrieb   121. 
Forstinsekten  223. 
Forstunkräuter  267. 
Fraxinus  alba-americana  31. 
Freihandverkauf  501. 
Frost  269. 

Frosthöhe  2  71. 
Frostlöcher  271. 
Frostrisse    2  70. 
Frostspanner  264. 
Frühfrost  2  7  0. 


Frühjahrsfrost 


Sachregister  zu  Abschnitt  VI  bis  IX. 


Jätepflug     637 


Frühjahrsfrost   269. 
I'riiUtifikation   13. 
Fünfvorliand   118. 
FiiUerlaubtrewinnung  526. 
Futterreisig  527. 

Galläpfel  chinesische  566. 

Gallen  .')65. 

Gallussäure  561. 

Gallwespen  266. 

Gartensaatmaschine,    Halt- 
kers  12  7. 

Gegenfeuer  211. 

Gerbrinden  562. 

Gerbstoff  561. 

Geruch  des  Holzes  .S68. 

Geschiebe,     Herkommen     der 
299. 

Gespinstblattwespe  257. 

Gipfcldürre  285. 

Gipfelfeuer  208. 

Gips  125. 

Gitterwalze  131. 

Glanz  des  Holzes  364. 

Glaserholz  461. 

Glashütten  466. 

Glcicligewiehtsgefälle  305. 

Gletsclierlawinen  331. 

Glykoside   558.    563. 

Göhren,  Sämaschine  116. 

Goldaftcr   264. 

Grasnutzung  542. 

Grauholzverfahren   363. 

Grenzzeichen,   Sicherung  204. 

Grobrinde  494. 

Grubber  111. 

Grubenholz  452. 

Gründigkeit  10. 

Gründüngung   124. 

Grünfäule   362. 

Grüngewicht  des  Holzes  372. 

Grünwald,    Keimapparat  von 
108. 

Grundbestand    22. 

Grundlawinen  331. 

Grundschwellen   (Wildbach- 
verbauung)  318. 

Gruppenhiebe   7  6. 

Guajaliolz   361. 

Gummi  558. 

Guttapercha  560. 

Hacken  110. 
Hackpflanzungen  136. 
Hackwald  548. 
Hackwaldwirtschaft  56.   57. 
Härte  des  Holzes  385.  436. 
Härteskala  441. 
Hagel  2  7  9. 
Hainbuche    (Betriebsart    und 

\'erjüngung)    145. 
Hainen  57.  547. 
Halbschattenhölzer  18. 
Hallimasch  288, 
Handdrillmasclüne  116. 
Handsaat  100. 
Hanneiuannsche     Keimplatte 

108. 


Harzbäume  624. 
Harzbildung  622. 
Harze   (Gewinnung  und   Ver- 
arlioilung)     621.     624.     629. 
Harzgallcnwickler  254. 
Harznutzung   528. 
Harzprodukte  631. 
Harzrüsselkäfer  243. 
Harzung 

—  der  Scliwarzföhre  625. 

—  Strandkiefer  627. 

—  Fichte  628. 

—  Lärche  629. 

—  Tanne«>629. 
Harzungsmethode  von  M  a  y  r 

628. 
Haselmäuse  221. 
Haubergswirtschaft     56.      57. 

547.    548. 
Hauptbestand   167. 
Hauptfällungsarten  482. 
Hau|>tnutzung,  \'erhältnis  zu 

den  Nebennutzungen  444. 
Hauptnutzungsbetriebe  56. 
Heideböden  94. 
Heidelbecrhumus    97. 
Heilbronner  Sortierung  487. 
Heißsclüiff  594. 
Heizwert  des  Holzes  616.  619. 
Herbstfrost    270. 
Hickory,  weiße  31. 
Hitze  273. 

Hochbaus,  Holzarten  des  448. 
Hochdurchforstung  171.  177. 
Hochwald  44. 

—  Burckhardts     zweialtriger 
189. 

Hochwaldbetrieb,      femelarti- 
ger  52. 

—  zweihiebiger  53.  55. 
Hochwaldformen  38. 
Höhenentwicklung  12. 
Hohlbohrer  von  K.  Heyer  132. 
Hohlspaten  132. 

Holz,  äußere  Erscheinung  357. 

—  Härten  desselben  575. 

—  als  Heizmaterial  616. 

—  Konservierung  566. 

—  lufttrockenes  557. 

—  Trocknung,  künstliche  568. 

—  Trocknung,  natürliche  567. 

—  Wassergehalt   556. 
Holzabfälle  (\'crkohUmg)  615. 
Holzabsatz  510. 
Holzanweisung   47  7. 
Holzart,  Verbreitungsgebiet  6. 
— ■  Wahl  derselben  4. 
Holzarten  und  Boden  15. 

—  waldbauliche     Eigenschat- 
ten 4. 

Holzartenwechsel  2  7. 
Holzbauten     (am     Wildbach) 

309. 
Holzdestillation  607. 
Holzdraht  460. 
Holzessig  611. 
Holzfaser  552. 
Holzgärten  512. 


Holz- Grundschwellen  318. 
llolzliauereibetrieb  4  75. 
llolzhauermannschaft  4  76. 
Il<ilzk(ihle,  Eigenschaften  609. 

—  /.usammensetzung  610. 
Holzkohlensortimente  602. 
Holzpflaster  456. 
Holzsaft   556. 
Holzsamen  515. 

—  .-Aufbewahrung  der  524. 
Holzschliff  592. 
Holzschuhe  463. 
Holzsetzer  490. 
Holzstiftc  460. 
Holzstoff  463.   592. 
Holzstoffgewinnung  592. 
Holztaxen  503. 
Holzteer  613. 

Holztrockensubstanz  (Zusam- 
mensetzung) 552. 

Holzverkaufsarten   500. 

Holzverkohlung   596. 

Holzverwendung  nach  Holz- 
arten und  Sortimenten  467. 

Holzweberei  429. 

Holzwolle  464. 

Holzzucker   555. 

Honigpilz  288. 

Hopfenstangen  465. 

Horizontalgräben  198.  275. 
327. 

Hornbaum  (Betriebsart  und 
Verjüngung)   145. 

Hügelpflanzung  138. 

Hüttenköhlerei  596. 

Humusformen  535. 

Humus,  unfruclitbarer  97. 

Humusvorrat,  Erhaltung  des 
199. 

Hygroskopisches  Wasser  375. 

Hygroskopizität  379. 

Ichneumonen  226. 

Imbibitionswasser  374. 

Imprägnierung  von  Eisenbahn- 
schwellen und  Leitungs- 
masten (Vorschriften)  581. 

Imprägnierung,  auf  elektri- 
schem Wege  581. 

—  Sparverfahren  580, 

—  mit  Teeröl   580. 

—  mit  Teeröldämpfen  580, 

—  mit   Zinkchlorid   579, 
Imprägnierungsmethoden  576. 

580. 

Imprägnierungsmittel  572. 

Imprägnicrungsöl  (Vorschrif- 
ten über  die  Beschaffung) 
574. 

Imprägnierungsverfahren 

—  hydrostatisches  576. 

—  Pfistersches    57  7. 

—  pneumatisches  578. 
Insektenherde  225. 
Intensivsystem   12. 

Jätepflug,  Roth-Gerhardscher 
117. 


638     Jugenderziehung 


Sachregister  zu  Abschnitt  VI  bis  IX. 


Nebennutzungen 


Jugenderziehung,  Schiffeis 

freiwüchsige  173. 
Juglans  nigra  31. 

Kältegrenze  6. 

Kalilschlag     mit     Randbesa- 
mung 50.   67. 

Kalüschlagbetrieb  41.  48. 

Kainit  125. 

Kalidüngung  125. 

Kalkdüngung  125. 

Kampfer  560. 

Karbolineum  571. 

Kastanienniederwald  81. 

Kautschuk  559. 

Kegelbohrer  von  Ed.  Heyer 
132. 

Keil  489. 

Keilspaten  138. 

Keimapparate  108. 

Keirabelt  109. 

Keimfähigkeit  524. 

Keimprobe  107. 

Keimung  11. 

—  Beförderung  der  114. 

Keimungsenergie  106. 

Keimzahl  106. 

Kernpflanzen   84.    118. 

Kernrisse  382. 

Kernschäle  290. 

Kiefer  (Betriebsart  und  Ver- 
jüngung) 154. 

Kiefernbastkäfer   238. 

Kiefernbaumschwamm  290. 

Kiefernblattwespe  255. 

Kiefernborkenkäfer  235. 

Kiefernmarkkäfer  236. 

Kiefernritzenschorf  288. 

Kiefernspinner  246. 

Kiefernstangen-Rüsselkäfer 
243. 

Kieferntriebwickler  253. 

Kinderspielwaren  463. 

Kistenfabrikation  461. 

Kleinbestandswald,  Mayrs 
190. 

Klemmpflanzungen  136.   137. 

Klengbetrieb  520. 

Klengergebnisse  523. 

Klengkosten  524. 

Klima  5. 

Knoppern  566. 

Köhlerei  596. 

Kohlehydrate  558. 

Kohlenausbeute  (bei  Holzver- 
kohlung)  614. 

Kollodiumwolle  555. 

Kolophonium  631. 

Kopfholzbetrieb  42.  51.  83. 

Korbflechterei  429. 

Kork  564. 

Kotsackblattwespe  257. 

Krafls  Slammklassen  171. 

Kraftzellstoff  586. 

Krankheitserscheinungen    am 
Holz  361. 

Kreditbewilligung  509. 

Kronenfeuer  208. 


Kubierung  498. 
Kubierungsgabelmaße  498. 
Kulissendurchforstung  178. 
Kulissenhiebe  67. 
Kulturen,  Reihenfolge  66. 
Kulturerde  112. 
Kulturfläche,  Herrichtung  der 

133. 
Kulturgeräte,  Spitzenberg- 

sche  131. 
Kulturverfahren  von  Kozesnik 

und  von  Speltstößer  137. 
Kunstseide   556. 
Kupfervitriol   573. 
Kyanisieren  572.  576. 

Lachtenreißen   625. 
Lärche  157. 

—  japanische  31. 
Lärchenkrebspilz   290. 
Lärchenmotte  255. 
Lärchenrinde  471. 
Lärchensamen  523. 
Lafetten   462. 

Lage,  geographische  4. 

—  örtliche  7. 

Landwirtschaftlicher  Holzver- 
brauch 465. 

Langhölzer    505. 
Langholzsortierung  487. 
Laricetum  6. 
Larix  leptolepis  31. 
Laßreißer,  Laßreitel  42. 
Laubhölzer  (\erwendung)  467. 
Laubholzborkenkäfer  258. 
Laubholzrüsselkäfer  259. 
Laubholzsamen   519. 
Laubstammholz  505. 

—  Sortierung  für  506. 
Laubstreu  528. 
Lauffeuer  208. 
Lauretum  6. 

Lawinen,  Abbau  im  Anbruch- 
gebiete 333. 

—  Ursachen   und   Einteilung 
331. 

Lawinenbauten,     zur     Ablei- 
tung 340. 
Lawinenstatistik  341. 
Lawinenverbauung    331.    333. 
Lawsonszypresse   31. 
Lebende  Werke  318. 
Leguminosen,  .Anbau  von  124. 
Lehnenbindungen  327. 
Leitergänge  230. 
Leitungsslangen  458. 
Leseholz  528. 
Lichthölzer  17.   25.   26. 
Lichtungsbetrieb  181.  185. 
Lichtwuchsbetrieb   55. 

—  von  V  o  g  1   191. 

—  von  Wagener  190. 
Lichtwuchsdurchforstung      v. 

Borgmann  178. 

Lignin  553. 

Linde    (Betriebsart   und   Ver- 
jüngung)  147. 

Löcherpilze  289. 


Löchersaat   100.    101. 
Lochpflanzungen  136. 
Loshiebe  282. 
Lotgänge  230. 

Lufttrockengewicht   des    Hol- 
zes 372. 
Luxuswagen  462. 

Mähstreu  541. 
Mäuseschaden  220. 
Magersteins  Keimapparat  108. 
Maikäfer  244. 
Markstrahlen  365. 
Maschinensaat   100. 
Maserung  367. 
Massenerzeugung  32. 
Massivbau  446. 
Masten  458. 
Maulwurfsgrille   257. 
Mechanische  Eigenschaften 

des  Holzes  383. 
Meereshöhe  7. 
Meiler  596. 

—  Arbeit  an  einem  stehenden 
598. 

—  Verkohlung    im    liegenden 
603. 

Meilerköhlerei  596. 

—  Beurteilung  der   604. 
Meileröfen  606. 
Meistgebotsverkauf  501. 
Mennigepulver  130. 
Mergel   125. 
Methylalkohol,  (Darstellung  u. 

Eigenschaften)  611. 
Mineraldünger  124. 
Mineralstoffe  560. 
Mischbestände  19.  157. 

—  Vorzüge  20. 
Mischungen  19. 
Misteln  269. 
Miltelwald  51. 
Mittelwaldbetrieb   38.   42. 
Möbelschreinerei  460. 
Moore  98. 

*    Jloorflächen,  flüchtige  99. 
Moosdecke  540. 
Moosdeckung  130. 
Moosstreu  539. 
Mosaikarbeit  358. 
Mullwehen   99. 
Muttergang  230. 

Nachbesserungen  117. 
Nachverjüngungsbetriebe    38. 
Nadelhölzer  (\erwendung) 

469. 
Nadelholzabschnitte  505. 
Nadelholzsamen   520. 
Nadelstreu  528. 
Nährstoffgehalt,  Erhaltung 

des  199. 
Nässe  275. 

Natronverfahren  584. 
Nebenbestand  167. 
Nebenholzarten   22. 
Nebennutzungen  514. 

—  mineralische   551. 


Nebennutzungsbetriebe         Sachregister  zu  Absclinilt  VI  bis  IX. 


Samen     639 


Nebennutzungsbetriebe  56. 

Neigungsrichtung   7. 
Neigungswinkel  8. 
Nieiicrclurchforstung  171. 
Niederwald  50. 
—  Verjüngung  im   79. 
Niederwaldschlagbetrieb  i2. 
Noobescher  Keimapparat  108. 
Nonne  249. 

Nummerierschlägel  497. 
Nutzholz  und  Brennholz  445. 
Nutzholz,    \'erwendungsarten 

445. 
Nutzholz-Borkenkäfer  235. 
Nutzholz  Wirtschaft,  Homburg- 

sche  189. 

Obenaufpflanzungen  136.  138. 
Oberflächengestaltung  8. 
Oberholz  42. 
Oberlawinen  331. 
Oberständer  42. 
Oedlandsaufforstung   99. 
Oele,  aetherische  559.  563. 
Optimum,  klimatisches  6. 
Ortstein  92. 
Oxalsäure  556. 

Palmetum  6. 
Papierfabrikation  463. 
Pappel  148. 

—  kanadische  31. 
Pappelbock  259. 
Parallelbauten    (Wildbach) 

322. 
Patenthohlbohrer  von    Janka 

132. 
Pechkiefer   31. 
Pergamentpapier  555. 
Pfitzenmayers  Keimkasten 

108. 
Pflanzbeil   138. 
Pflanzdolch  138. 
Pflanzen,  Aufbewahren  132. 

—  Ausheben   132. 

—  Beschneiden    132. 

—  Transport  132. 
Pflanzenbeete  im  Forstgarten 

127. 
Pflanzenbeschaffung  120. 
Pflanzendünger    124. 
Pflanzenhalter,  Rebmannscher 

137. 
Pflanzenkrankheiten  283. 
Pflanzenlade,  Bromberger  133. 

—  Spitzenbergsche  133. 
Pflanzenmenge   135. 
Pflanzenprozent   107. 
Pflanzensäuren   558. 
Pflanzenstichel,  Grünewalds 

138. 
Pflanzenverband  128. 
Pflanzenzahl  135. 
Pflanzgartendünger  124. 
Pflanzholz  138. 

—  mit  Wühlspitze  v.  Spitzen- 
berg 138. 

Pflanzkämpe  121. 


Pflanzlanze  138. 
Pflanzmaterial,  Eigenschaften 

119. 
Pflanzschnabel,  Barths  132. 
Pflanzschulen  121. 
Pflanzspaten,     v.     Alemanns 

138. 
Pflanzung,  .\rten  der  118. 

—  mit    ballenlosen    Pflanzen 
136. 

—  geregelte  118. 

—  ungeregelte  118. 

—  Vollzug  der  134. 
Pflanzverband   118. 
Pflanzverbände,  geregelte  134. 
Pflanzverfahren  136. 
Pflanzweite  135. 
Pflanzzeit  134. 
Phosphorsäuredüngung  125. 
Picea  sitchensis  31. 
Picetum  6. 

Pilze  546. 

Pinus  Banksiana  31. 
Pinus  rigida  31. 
Pinus  strobus  31. 
Plaggenpflanzung  138. 
Plattensaat  100. 
Plenterbetrieb   38.  45. 
Plenterdurchforstung,    Borg- 

greves  178. 
Plentcrschlagbetrieb  39.  46. 
Polieren  570. 

Pollacks  Waldsäniaschine  116. 
Populus  canadensis  31. 
Porzellanfabrikation  467. 
Pottasche,  Erzeugung  619. 
Prachtkäfer  260. 
Prozessionsspinner  262. 
Prunus  serotina  31. 
Pseudotsuga  Douglasii  31. 
Pulver,  rauchschwaches  556. 
Pulverfabrikation  466. 
Punktsaat  100.   101. 

Quadratverband   118. 
Qualität  des  Holzes  418. 
Quebrachoholz  47  0. 
Quecksilberchlorid  572. 
Quellen  des  Holzes  371.  379. 
Quercus  rubra  31. 

Rabattenpflanzung  138. 
Rabattierung  94. 
Raftholz  528. 
Räuber  (Insekten)  226. 
Räuchern  des  Holzes  363. 
Rahmen  (Bauholz)  446. 
Raseneisenstein   92. 
Rasenhügelpflanzung  138. 
Rauchschäden   211. 
Rauhbaumsperre  315. 
Rauhreif  2  78. 
Raupenfliegen  226. 
Rechtecksverband  118. 
Reife  aus  Holz  459. 
Reihenverband  118. 
Reinigungshiebe   160. 
Reißen  des  Holzes  382. 


Reisstreu  527. 
Resonanzholz  459. 
Retorten  607.  608. 
Retortcnvcrkohlung  607. 

Riegelhölzer  447. 
Rillenpfliig  129. 
Rillensaat  127. 
Rillensämaschine  von  Fekate 

127. 
Rillenzieher  (Spitzenberg)  127. 
Rinde  561. 
—  Verwendung  469. 
Rindenbrand  2  74. 
Rindennutzung  492. 
Rindensortierung  494. 
Ringelspinner  264. 
Robinie  148. 
Robinienniederwald  81. 
Rochs  Sämaschine  116. 
Rodung  des  stehenden  Holzes 

478. 
Röderlandbelrieb  56.  548. 
Rohhumus   535.    541. 
Rostbauten  454. 
Rotbuchenholz,  rückwirkende 

Festigkeit   397. 
Roteiche  31. 
Rotfäule  362. 
Rotschwanz  261. 
Rüsselkäfer,  brauner  239. 
Rundes  Sämaschine  116. 

Saat    und     Pflanzung,    Wahl 

zwischen   84.    100. 
Saat,  stellenweise  100,  115. 

—  Durchrupfen  zu  dichter  130. 

—  Durchschneiden  zu  dichter 
130. 

Saatarten  100. 
Saatbedecker  131. 
Saatbretter   127. 
Saattlinte  116. 
Saatkämpe  121. 
Saatkulturen,  Pflege  der  117. 
Saatmaterial  101. 
Saatpflanzen  118. 
Saatrillenwalze   (von    Holl, 

Zwinger)  12  7. 
Saatschulen  121. 
Saattrichter,  Harzer  116. 
Saatzeit  112. 
Säapparate  116. 
Säapparat  von  Hörraann  12  7. 
Sägeblöcke  488. 
Sähorn  116.   127. 
Sälatte     von    Esslinger     127. 
Sämaschinen  116. 
Sämaschine  von  Sack  116. 

—  von  Schneider  12  7. 

—  von  Spitzenberg  127. 
Samen,  .\nquellen  114. 

—  Beschaffung  101. 

—  Ernte  und  .Aufbewahrung 
105.  517. 

—  Herkunft  101. 

—  Selbstgewinnung  101.  516. 

—  Unterbringen   und   Bedek- 
ken  116. 


640     Samenabfall 


Sachregister  zu   Abschnitt  VI  bis  IX. 


Ulmensplinlkäfer 


Samenabfall  518. 

Samenerlrag  517. 

Samenholzbetriebe  38. 

Samenjahr  518. 

Samenmenge  113. 

Samenprüfung  105. 

Samenprüfungsanstalt  108. 

Samenreife  518. 

Samenschlag  7  3. 

Sandgras  91. 

Sandgraspflanzung  91. 

Saumplenterschläge  47. 

Saumschirmschläge  47. 

Saumschlagbetrieb  40.  47. 

Saumschlagbetrieb  nach  Wag- 
ner 77. 

Schälen  des  Wildes  216. 

Schälrinde  470. 

Schälverfahren   493. 

Schalenbauten  324. 

Schattenhölzer  17.  24.  25. 

Schenk  von  Schmittsburgs 
Waldsamensämaschine  116. 

Scherenbolirer  von  Mühlmann 
132. 

Schießbaumwolle   556. 

Schiftbauholz    450. 

Schindelfabrikation  459. 

Schirmschlagbetrieb  40.  47.  71. 

Schläfer  221. 

Schlagaufnahme  496. 

Schlagauszeichnung  4  7  7. 

Schlagbetriebe  39. 

Schlagpflanzen  118. 

Schlupfwespen   226. 

Schmarotzer  226. 

Schmarotzergewächse  269. 

Schmoren  57. 

Schnee  2  76. 

Schneebruch  2  7  7. 

Schneebrücken  und  Schnee- 
fänge 335. 

Schneedruck  27  7. 

Schneidelholzbetrieb  42.  51. 
84. 

Schnitzerei  463. 

Schränken  der  Sägen  483. 

Schreinerei  460. 

Schrotsäge  483. 

Schönjahns  Keimapparat  108. 

Schütte  286. 

Schulpflanzen  118. 

Schuttablagerung  (Wildbach) 
298. 

Schuttkegel  (Wildbach)  298. 

—  Schutzvorrichtungen  am 
308. 

Schuttkegelversicherungen 
328. 

Schutzholz  163. 

Schwammspinner  264. 

Schweineeintrieb  216.   545. 

Schweinemast  515. 

Schwellen  (Eisenbahnschwel- 
len) 446. 

—  Dauer  der  imprägnierten 
582. 

Schwellenhölzer  454. 


Schwinden  371.   377.  379. 

Schwindmaß   377.   378. 

Schwindrisse  382. 

Seebachscher  Betrieb  189. 

Seegras  545. 

Seilen  496. 

Seilhaken  480. 

Sengen  57. 

Senilisieren    des    Holzes    575. 
581. 

Setzholz   129.   138. 

Setzreiser  139. 

Setzstangen  118.  139. 

Sichwerfen  des  Holzes  382. 

Sickergräben  198. 

Silbertanne,  amerikanische  31. 

Sink  walze  322. 

Sitkafichte  31. 

Sodaverfahren  584. 

Sohlenerosion  303. 

Sommerfällung  473. 

Sommerhänge  7. 

Sortierung  der  Hölzer  486. 

Sortimentsbildung  486. 

Spätfrost  270. 

Spaltbarkeit  385.  432. 

Spaltholz  458. 

Spalt  Pflanzungen  136.  137. 

Spaltschneider    von    Spitzen- 
berg 138. 

Spallwaren  435. 

Sparren  447. 

Spezifisches  Gewicht  des  Hol- 
zes 371. 

Spiegelflächen  365. 

Spiegelrinde  470. 

Spielwarenfabrikation  463. 

Spiritus  aus  Holz  554. 

Splintkäfer  232. 

Sprengpfropf  491. 

Sprengschrauben  491. 

Stainers  Keimapparat  108. 

Stammfeuer  208. 

Stammklassenbildung  171. 

Standort  4. 

Standortsansprüche  4. 

Standorts-Varietäten  101. 

Stauberde  97. 

Staublawinen  831. 

Stecklinge  84.  139. 

Steckreiser  118. 

Steinbau  (Holzverwendung) 
446. 

Steinbauten  (am  Wildbach) 
309. 

Steingrundschwelle  318. 

Steinkastensperren  315. 

Sterngänge  230. 

Stickstoffdünger  125. 

Stickstoffsubstanzen  557. 

Stieleisen,  Wartenbergs  138. 

Stockholzgewinnung  490. 

Stockschlagbetriebe  80. 

Strahlenrisse  382. 

Straßenpflasterung  456. 

Strauclizäune  91. 

Streifen,  .-Vbstand  der  112. 

—  Breite  der  112. 


Streifen,  Herstellung  der  112. 
Streifensaat  100.   101. 

—  Richtung  der   111. 
Streuerträge  531. 
Streunutzung   529.   537. 
Streurechen  538. 
Streureisig   52  7. 
Streuwert  530.  540.  541. 
Stummelpflanzen  84.   118. 
Sturm  280. 

Submissionsverfahren  502. 
Sümpfe,   Behandlung  88. 
Sulphatverfahren  584. 
Sulphitverfahren   586. 
Superphosphat  125. 

Tachinen  226. 
Talsperren  311. 

—  aus  Stein  312. 

—  aus  Holz  315. 

Tanne  (Betriebsart  und  Ver- 
jüngung) 149. 

Tannenborkenkäfer  234. 

Tannenkrebs  290. 

Tannenrinde   495. 

Tannin  561. 

Taxklassenbildung   504. 

Taxpreisverkauf  501. 

Teakholz  398. 

Teeröl,  schweres  573. 

Terpentin  623.   629. 

Terpentinöl  631. 

Textur  366. 

Thomasmehl  125. 

Thonetsches  \'erfahren  428. 
461. 

Thuja  gigantea  31. 

Tischlerei  460. 

Tote  Werke  320. 

Tränkbarkeit  des  Holzes  375. 

Tränken  des  Holzes  375. 

Tränkungsstoffe,  Aufnahme 
solcher  582. 

Tragkraft  von  Balken  446. 

Tragmodul  384. 

Traubenkirsche,  spätblühende 
31. 

Traversen  324. 

Treibholz  163. 

Trockene  Destillation  des  Hol- 
zes 594. 

Trockengewicht  des  Holzes 
372. 

Trockenrisse  382. 

Trockentorf  97.  535.  540.  542. 

Trocknen  der  Rinde  493. 

Trüffeln  547. 

Trummsäge  484. 

Ueberhälter,  Räumung  159. 

Ueberhaltbetrieb    53. 

Ueberhaltform   53. 

Ueberwurfkultur  von  Groh- 
mann  137. 

Ulme  (Betriebsart  und  Ver- 
jüngung) 146. 

Ulmenblattlaus   266. 

Ulmensplintkäfer  259. 


Umrandungshiebe         Sachregister  zu  Abschnitt  VI  bis  IX.       Zwischennutzungen     641 


Umrandung-shiebe   76. 
Umschroten    482. 
Umzäunungen,  tote  129. 
Unkräuterstreu   541. 
Unterbau   181. 
Unterbaubetrieb    53. 
Unterholz    42. 
Unterwühlung  299. 
Urbarmachung  88. 

Varietäten, physiologische  oder 
klimatische  101. 

N'erbäiide,  geregelte  (für  Pflan- 
zung) 119. 

Verbauungsprojekte  310. 

Verbauungssysteme  329.    330. 

Verbeißen"  218. 

Verdünnung    der    Jung- 
wüchse 117. 

\'erfahren,    elektrochemisches 
589. 

Verjüngung,  natürliche  durch 
.\usschlag  79. 

—  natürliche  durch  Samen  67. 

\"erjüngungszeitraum    39.    71. 

Verkaufsarten  500. 

Verkaufslose  507. 

Verkaufsvollzug  507. 

Verkohlung  des  Holzes  467. 

^'erkohIungsmethoden  595. 

Verkohlungsmethode,  deut- 
sche 597. 

^■erkohlungsöfen  606. 

Verkohlungsretorten  607.  608. 

Vermarkung  204. 

^■erpfählungen    (gegen   Lawi- 
nen) 334. 

Verschalen  127. 

N'erschulungsapparate  129. 

^■erwitterung  299. 

Viskoid  555. 

Viskose  555. 

Vollsaat  100.   115.   127. 

\"olunienveränderlichkeit    des 
Holzes  377. 

Volumenveränderung  371. 

Vorbereitungshiebe  76. 

Vorbereitungsstadium  71. 

Vordüne  91. 

Vorkeimen  der  Samen  115. 

Vornutzungen  167. 

Vorratsdüngung  126. 

Vorverjüngungsbetriebe  38. 

Vorwüchse,  Aushieb  derselben 
160. 

Vulkanisieren  des  Holzes  575. 


Wadelzeit  473. 
Wärmeansprüche 
arten  5. 


der    Holz- 


Wärmegrenze  6. 
Wärmelcilungsfähigkeit  des 

Holzes  370. 
Wagegänge  230. 
Wagenbau  462. 
Wagnerholz  461. 
Waldbau    1. 
Waldbeeren   546. 
Waldboden,  Herstellung  eines 

kulturfähigen   88. 
Waldbrände  208. 
Waldfeldbau    56.    547. 
I   Waldgärtner  236. 
W'aldgras   543. 
Waldköhlerei  596. 
Waldhorn  117. 
Waldmantel  282. 
Waldpflüge  111. 
Waldsägen  482. 
Waldstreu   529. 
Waldteufel  481. 
Waldversteigerung  508. 
Waldweide   215.    543. 

Waldwolle  526. 

Waldzonen  6. 

Walnuß,  schwarze  31. 

Wanderforstgärten   121. 

Warnfähigkeit    des     Holzes 
432. 

Warthenbergsches  Eisen   138. 

Wasserbauhölzer  457. 

Wasser-Eichenholz    362. 

Wassergehalt  des  Holzes  374. 

Wasscrglasanstrich  572. 

Wegbauhölzer   454. 

Weide    148. 

Weideertrag  544. 

Weidenniederwald   82. 

Weidenrinden  471. 

Weidetiere  213. 

Weinpfähle  463. 

Weißesche  31. 

Weißfäule  362. 

Weißpunktrüsselkäfer  242. 

Weißtannenrinde  471. 

Werfen  des  Holzes  382. 

Wertserzeugung   32. 

Weymouthskiefer   31. 

Wiener  Möbel  428. 

Wildbäche,     der     Berg-     und 
Hügelländer  307. 

—  Charakteristik  und  Eintei- 
lung  292. 

—  Reinhaltung  von  Wildholz 
308. 

—  Unterwühlende     Wasser- 
wirkung der  306. 

Wildbachverbauung  292. 

—  allgemeine  Regeln  308. 

—  Aufsicht  der  309. 


Wildbachverbauung  fernere 
Erhaltung  der  310. 

—  System  der  302, 

—  die  technischen  Mittel  der 
310. 

—  Ursachen  der  301. 

—  die  wirtschaftlichen  Maß- 
nahmen 330. 

Wildfütterung  515,   526, 

Wildlinge   118, 

Wildschaden    216. 

Wind  280. 

Windbrüche  281. 

Windwflrfe  281. 

Winkelbänder  (beim  Hochbau) 
446. 

Winterfällung  473. 

Winterfrost  269. 

Winterhänge  8. 

Wölfe   160. 

Wuchsverhältnisse  des  einzel- 
nen Baums  11. 

Wühlrechen  131. 

Wühlspaten,  Spitzenbergscher 
131.  137. 

Wundfäule  284. 

Wurzelfäule  285. 

Wurzelkonkurrenz  17. 

Wurzelschneidemesser  Kaisers 
129. 

Wurzelschwamm   289. 

Wurzelsystem  11. 

Xylan  555. 

Zähigkeit  des  Holzes  385. 

427.  428. 
Zahlungsbedingungen  509. 
Zangenbock  239. 
Zangenbohrer  137. 
Zapfenernte  320. 
Zelluloid  556. 
Zellulose  463. 

—  .\usbeute  der   591. 

—  Beschaffenheit  der  591. 

—  chemische  Formen  der 
554. 

—  Eigenschaften  der  553. 

—  Verw'endung'  der  591. 
Zelluloseacetate   554. 
Zellulosefabrikation  464.  582. 

—  Abwässer  589. 

—  Rohmaterial    583. 

—  Verfahren  583. 
Zinkchlorid  573. 
Zirbenholz  361. 
Zitnys  Plattensäer  116. 
Zuckergewinnung  528. 
Zugstange  479. 
Zwischennutzungen  167. 


Handb.  d.  Forstwiss.    3.  Aufl.    II. 


41 


Verlag  der  ß.  ü  a  u  p  p '  sehen  Buchhandlung  in  Cübingen. 

Aus  Württemberg. 

Unsere  Forstwirtschaft 

im  20.  Jahrhundert. 

In  zwanglosen  Heften  herausgegeben  von  C.  Wagner. 

I. 
Allgemeine  forstökonomische  Betrachtungen 

von 

Professor  C.  Wagner  in  Tübingen. 

8.    1909.    M.  —.80. 

II. 

Betrachtungen  über  den  forstlichen  Unterricht 
und  das  Einrichtungswesen 

von 

Professor  C.  Wagner  in  Tübingen. 

8.      1910.     M.  1.20. 

III. 

Kritische  Betrachtungen  über  die  württembergische 
Gemeindewaldwirtschaft 

von 

Rudolf  ScMeiclier,  K.  Oberförster  in  Ebingen. 

8.     1910.     M.  1.20. 


IV. 

Die  zweckmässige  Grösse  der  Forstbezirke  in  Württemberg 

von 

Dr.  Paul  Wörnle,  K.  Oberförster  in  Giengen  a.  B. 

8.     1911.     M.  1.20. 

V. 

Die  Elemente  der  Wertsmehrung  in  der  Waldwirtschaft 

von 

Dr.  Victor  Dieterich,  Forstamtmann  in  Stuttgart. 

Mit  2  Kurven.     8.     1911.     M.  3.20. 

VI. 

Die  waldbauliche  Zukunft  des  württembergischen  Schwarzwalds 

von 

Dr.  Sigmund  Ramm,   K.  Oberförster  in  Calmbach. 

Mit  8  Abbildungen.     8.     1911.     M.  2.60. 

VII. 

Die  Kiefer  des  württembergischen  Schwarzwaldes. 

Von 

Dr.  Wilhelm  Harsch,   Kgl.  Forstmeister  in  Hirsau. 

8.    1912.    M.  2.40. 

Perlag  oon  3.  E.  B.  [Rohr  (Paul  Siebetfe)  in  Cübingen.    . 

Wald  und  Jagd 

zu  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  und  die  Entstehung  des  Bauernkrieges. 

Rede  gehalten  am  üeburtsfest  Seiner  Majestät    des  Königs  Wilhelm  II  von  Württemberg 

am  25.  Februar  1911    im  Festsaal   der  Aula  der  Universität  Tübingen. 

Von  Professor  Dr.  Anton  Bühler. 

Gross  8».     1911.     M.  —.80.     (Universität  Tübingen  2.) 


Verlag  der  ß.  L  a  u  p  p'schen  Buchhandlung  in  üüblngen. 
.  Dr.  G.  V7agner, 

Professor  der  ForstuissenschafI  an  der  Universildf  Cübingen. 

Die  Grundlagen 
der  rciumlicfien  Ordnung  im  Walde« 

Zweite,  vermehrte  und  uerbesserfe  fluHage. 
mit  60  Figuren  im  Cext  und  einer  farbigen  Cafel. 
[lex.  8.    1911.    m.  9.-.    Gebunden  Ul.  11.-. 

„Das  Werk  zeigt  uns  den  Verfasser  als  einen  Mann  von  staunenswerter 
Literaturkenntnis  und  als  wohlbewandert  in  den  verschiedensten  Zweigen  forst- 
lichen Wissens.  Scharfsinnig  und  kritisch  im  Denken,  hat  er  auf  manche  Miß- 
stände in  der  forstlichen  Produktion  und  in  dem  forstlichen  Betrieb  aufmerksam 
gemacht  und  wird  durch  sein  tiefgründig  geschriebenes  Buch  sicherlich 
mancherlei  wertvolle  Anregungen  geben,  welche  dem  Wald  zum  Segen  gereichen 
werden.  Möge  das  empfehlenswerte  Buch  eine  recht  weite  Verbreitung  und 
die  seinem  Wert  angemessene  Beachtung  finden." 

(H.  Stoetzer  iii  der  AUgemeiu.  Forst-  und  Jagdzeitung,  1907,  Dezember.) 


Der  Blendersaumschlag 

und  sein  System« 

mit  73  Figuren  im  Text  und  zwei  farbigen  Tafeln, 
[lex.  8«.     1912.    m.  10.-.     Gebunden  m.  12.-. 

Das  Buch  bildet  in  gewissem  Sinne  die  Fortsetzung  und  Ergänzung  der 
im  Jahr  1907  erschienenen  Schrift  desselben  Verfassers  über  „Die  Grundlagen 
der  räumlichen  Ordnung  im  Walde"  (2.  Aufl.  1911),  denn  der  Verfasser 
setzt  sich  hier  die  Aufgabe,  durch  Aufstellung  eines  räumlichen 
Betriebssystems  für  die  Forstwirtschaft  die  Ergebnisse  der  in 
jener  Veröffentlichung  niedergelegten  kritischen  Untersuchungen  ihrer  prak- 
tischen Verwirklichung  näherzubringen.  Die  Vorschläge  jener  „Grundlagen" 
haben  in  der  forstlichen  Literatur  und  Wirtschaft  in  besonderem  Maße  Anklang 
und  Anwendung  gefunden. 


Die  Verdrängung  der  baubwälder 
durch  die  Radelwälder  in  Deutschland« 

Von 
ßans  Bernhard  ^acobi. 

6ro^  8. 
z=z:    Unter  der  Presse.    =^